Mimiko no Miko von Jarmina (Mimiko die Priesterin) ================================================================================ Kapitel 2: Der Wald ------------------- Nachdem sie außer Sichtweite der Stadtwachen waren, fiel Seina auf die Knie und riss sich hastig die beengenden Kleider und Schuhe vom Leib. Dann streckte sie sich nackt auf dem Boden aus und genoss erleichtert die Kraft der Erde, die wieder durch ihren Körper strömte. Mimiko hatte anstandshalber den Blick abgewandt und betrachtete nun voller Nostalgie die herrlichen Riesenbäume des heiligen Waldes, in dem sie fast ein Jahr lang an Seinas Seite gelebt hatte, als sie vierzehn war. Noch immer wusste sie nicht, weshalb die Priesterin damals plötzlich beschlossen hatte, sie zurück zu den Menschen zu bringen, bei denen Mimiko vorher nur Leid erfahren hatte, da sie als Sklavin aufgewachsen und täglich von ihrem Herrn misshandelt worden war. Zuerst hatte sie sich furchtbar verlassen gefühlt, als Seina sie allein in dieser fremden Stadt bei dem Wirt zurück ließ und hatte mehrmals versucht, zu ihr zurück in den Wald zu gehen, doch die Ausgänge waren zu gut bewacht und man hatte sie jedes mal erwischt, bevor sie Zeit hatte, nach Seina zu suchen. Nach ein paar Monaten hatte sie es dann aufgegeben und versucht sich wieder an die Menschen zu gewöhnen. Es war ihr gelungen und sie war sogar recht glücklich gewesen, doch in dem Moment, als sie Seina wiedersah, wollte sie nichts anderes, als mit ihr zurück in den Wald zu gehen. Deshalb war es ihr mehr als recht, dass die Priesterin sie mit sich genommen hatte, ganz egal, welche Strafe sie erwartete, sie würde es durchstehen, solange sie hinterher nur die Möglichkeit hatte, bei Seina zu bleiben. Besagte war wieder halbwegs bei Kräften und stand auf, um ihr Kleid zu holen. An der Stelle, wo sie gelegen hatte, war das Gras so dicht und saftig, dass es wie ein großes Stück Teppich in Menschenform wirkte. Mimiko folgte Seina wortlos, die sich völlig ungeniert, so unbekleidet durch den Wald bewegte. Sie fanden schnell die Stelle, wo die Priesterin ihr blaues Kleid deponiert hatte. Der zarte Stoff des Priestergewandes war beinahe durchsichtig und diente scheinbar nur dem Zweck, die Frau als Gazanerin zu kennzeichnen, mehr als das er wärmte, oder ihre Blöße bedeckte. Mimiko war an diesen Anblick gewöhnt und wie schon früher, fragte sie sich, weshalb Seina, obwohl sie nur so dünn bekleidet war, niemals fror. Die Frau ließ gerade mit einer Handbewegung ihre langen rotblonden Haare aus dem Ausschnitt ihres Kleides gleiten, nachdem sie sich dieses über den Kopf gezogen hatte und drehte sich dann zu Mimiko um, die sie ohne es zu merken, die ganze Zeit angestarrt hatte. Verlegen senkte das Mädchen den Blick und errötete. Seina lächelte leicht und tat, als ob sie es nicht bemerkt hätte, indem sie ihre Hand auf die Schulter des Mädchens legte und leise mit ihr zu sprechen begann. „Ich nehme an, du möchtest jetzt wissen, warum ich dich hergeholt habe?“ fragte sie sanft und Mimiko nickte. „Der Orden hat beschlossen, dass du zuviel Zeit im heiligen Wald verbracht hast, zu viele Geheimnisse erfahren hast, um weiter bei den Menschen zu leben. Der Orden verlangt, dass du eine von uns wirst.“ Mimikos Augen weiteten sich bei dieser Offenbarung vor Erstaunen. Sie hatte mit etwas furchtbarem gerechnet, doch dies war die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches! „Ich darf eine Priesterin werden? Und hier im Wald leben, für immer? Mit dir?“ Seina nickte. „Ja, so ist es. Aber es ist ein langwieriger und schmerzvoller Prozess eine Gazanerin zu werden. Ich werde dir so gut ich kann beistehen, aber die Kraft, alle Prüfungen, die zur Verschmelzung mit dem Leben selbst führen, zu bestehen, musst du alleine aufbringen.“ „Ich werde mein Bestes geben! Das verspreche ich dir!“ Die Priesterin sah sie besorgt an. Seina hätte alles dafür gegeben, der kleinen ein Leben als Priesterin zu ersparen. So schön der Gedanke auch war, sie für immer bei sich behalten zu können, war der Preis doch bei weitem zu hoch. Es schmerzte sie zu sehen, wie bereitwillig Mimiko dieses Schicksal auf sich nahm, als wäre es eine Belohnung. „Bist du sicher, das du das willst? Es wird nicht leicht werden. Dein Leben wird sich grundlegend verändern, nicht nur das; dein Körper, deine Seele, du wirst nie mehr zu den Menschen zurückkehren können und für immer an diesen Wald gebunden sein.“ „Das ist mir egal! Ich werde es schon durchstehen, ich habe keine Angst vor den Prüfungen! Ich würde alles tun, damit ich hier bei dir bleiben kann.“ Seinas Herz krampfte sich bei dem Gedanken zusammen, dass das Mädchen wegen ihr bleiben wollte. Und doch konnte sie nicht leugnen, dass sie sich genau das gewünscht hatte. Sie hatte das Mädchen schon einmal in Gefahr gebracht, nur um ihrer eigenen Einsamkeit für einige Zeit zu entfliehen. Doch diesmal würde sie das Leben der Kleinen rücksichtslos zerstören, wenn sie nicht stark genug war, sie wegzuschicken. „Heute Abend treffen wir uns mit dem Rest des Ordens, damit du als Priesterin aufgenommen werden kannst. Das Treffen findet am Fuß des Grauen Berges statt, wo du deine erste Prüfung ablegen musst. Es sei denn, du entscheidest dich dafür zu fliehen. Ich würde dafür sorgen, dass niemand dich aufhält.“ Seina wusste, dass sie Mimiko auf diese Weise mit Sicherheit nicht überzeugen würde, sie zu verlassen, aber zumindest konnte sie ihrem Gewissen erwidern, dass sie es zumindest versucht hatte. „Ich werde nicht fliehen! Ich hab keine Angst vor irgendwelchen Prüfungen! Ich will hier bei dir bleiben.“ Mimikos Entscheidung stand fest. Und Seina gab es auf, sie umstimmen zu wollen. „Gut. Dann sollten wir aufbrechen. Bis es dunkel wird, müssen wir den Grauen Berg erreichen.“ „Na dann los!“ Mimiko marschierte sofort los und Seina folgte dem Mädchen mit einem leisen Seufzen. Während sie gingen redeten sie nicht viel und Mimiko fand ständig neue interessante Baumformationen und seltsame Tiere, die sie bestaunte und je näher sie dem unheimlichen dunklen Schatten des grauen Berges kamen, desto aufgeregter wurde die angehende Priesterin. Gerade gingen sie am Eisigen Bach entlang, der seine Quelle am Grauen Berg hatte, da stieß Mimiko plötzlich einen Schrei aus. Seina, die keine bedrohliche Lebensform in der Nähe spüren konnte, drehte sich verwundert zu ihr um und stellte beruhigt fest, das die blonde nur einen Goriban entdeckt hatte. Das kleine, affenähnliche Tier saß auf einem dünnen Ast über dem Fluss und versuchte mit seinen nackten kurzen Fingerchen die Blätter einer bestimmten Wasserpflanze zu angeln. Mimiko hockte sich neben es ans Ufer und hob einen kleinen Stock auf, um dem Tier zu helfen, indem sie die Pflanze damit näher zu ihm heranschob. Verwundert blickte der Goriban sie mit seinen großen, runden Augen an, die so schwarz waren wie Kohle. Fasziniert lächelte Mimiko ihm zu und hob die Wasserpflanze ein Stück weiter nach oben aus dem Wasser, wo der Goriban danach greifen konnte. Entzückt schnappe er danach und schob sich die nassen Blätter ins Mäulchen. Dann wuselte er mit einem leisen Quieken davon. „Komm jetzt, wir müssen weiter.“ Drängte Seina, die Mühe hatte, ihre schlechte Laune noch länger zu verbergen. Mimiko gehorchte und lief ihr hinterher, während die Priesterin sich mit wehendem Haar umdrehte und weiter dem Flusslauf folgte. „Warum wollt ihr nicht, dass ich Priesterin werde?“ Fragte Mimiko sie nach einiger Zeit, als sich der Wald zunehmend lichtete und die ersten Felsen in der Landschaft auftauchten. Seina blieb stehen als sie Mimikos besorgte Stimme hörte. „Weil ich mich um dich sorge.“ Antwortete sie leise. „Das Leben als Priesterin ist nicht so schön, wie du vielleicht glaubst. Es gibt vieles, worüber du nichts weißt, was ich vor dir geheim halten musste, wirklich grausame Dinge. Mehr darf ich dir nicht sagen. Ich rate dir nur umzukehren, ehe es zu spät ist.“ Mimiko wirkte entsetzt und blickte Seina ängstlich an. „Ist es wirklich so schlimm? Ich will dich nicht verlassen...“ „Priesterin Seina! Ich glaube Ihr seid gerade dabei, Euren Eid zu brechen!“ Drei blaugewandete Gestalten waren plötzlich aus dem nichts aufgetaucht und Seina kniete hastig nieder. „Nein, Herrin! So ist es nicht! Ich habe kein Wort über die Prüfung gesagt, das schwöre ich!“ „Darüber werden wir sprechen, wenn wir am Versammlungsort eintreffen. Wir sind gekommen, um Euch sicher dorthin zu geleiten,“ die älteste der drei warf Seina einen bösen Blick zu, „was wohl offensichtlich auch nötig ist.“ Die vier Priesterinnen und Mimiko gingen den Rest des Weges ohne miteinander zu sprechen und Mimiko, die in größerem Abstand von Seina gehen musste, als ihr lieb war, da die zwei jüngeren Priesterinnen sich zwischen sie gedrängt hatten, bekam allmählich Angst. Der Schritt der anderen Priesterinnen war erheblich schneller, als der von Seina es gewesen war und sie gingen ohne jegliches Anzeichen von Erschöpfung über den unebenen felsigen Untergrund, während Mimiko schwitzte und stolperte und vor Seitenstichen kaum noch laufen konnte. „Wir sollten eine Pause machen.“ Schaltete Seina sich schließlich ein, als sie es nicht länger mit ansehen konnte. „Die Kleine ist es nicht gewohnt, den ganzen Tag zu laufen.“ Die beiden jüngeren Priesterinnen blieben zögernd stehen und blickten von der Ältesten zu Mimiko, die mit zitternden Knien flehend zu ihnen aufsah. Die Älteste warf einen scharfen Blick zu Seina, die es gewagt hatte, sie ohne Erlaubnis anzusprechen, nachdem sie schon in Ungnade gefallen war, doch dann nickte sie und erlaubte dem erschöpften Mädchen sich ein wenig auszuruhen. Seina machte keine Anstalten, sich neben Mimiko zu setzen, obwohl sie ihr von weitem immer wieder besorgte Blicke zuwarf, doch sie blieb an der Seite der Ältesten, die ihren Blick unerbittlich auf Mimiko gerichtet hielt, als würde sie versuchen durch ihren Kopf zu sehen. Die beiden jüngeren Priesterinnen ließen sich ein Stück entfernt von Mimiko auf einem Felsen nieder und warteten wie die anderen, dass das Mädchen wieder zu Kräften kam. Die Spannung die durch die ungeduldigen Blicke der Gazanerinnen auf Mimiko lastete, machte sie fast noch mehr fertig, als der Marsch zuvor. Sie starrte konzentriert auf den Boden vor sich und verfolgte mit den Augen die schmalen, mit Dreck gefüllten Rillen, die im Gestein verliefen und kleine Landkarten bildeten. Trotzdem spürte sie weiterhin die unerträglichen Blicke, die sich in ihren Kopf zu bohren schienen und sprang nach ein paar Minuten Rast schon wieder auf, um endlich den Versammlungsort zu erreichen, da sie dort ihre unangenehmen Begleiter hoffentlich verlieren würden. Als es Abend wurde, erreichten sie gerade eine kleine Hügelkuppe, die zu den Ausläufern des Grauen Berges gehörte. Als die Sonne unterging und den Himmel rot leuchten ließ, suchten sich die Priesterinnen einen geschützten Platz hinter einem Felsen und kauerten sich dort zusammen, bis es vorüber war. Mimiko fragte sich zwar, was dieses seltsame Ritual zu bedeuten hatte, doch sie war zu müde, um zu sprechen und setzte sich einfach zu ihnen, dankbar, dass ihre blasenübersäten Füße einen Moment zum Ausruhen hatten. Als die Sonne hinter dem Gebirge weiter im Westen verschwand, erhoben sich die Priesterinnen erleichtert und Mimiko blickte ein wenig besorgt zu Seina, die sie jedoch mit einem sanften Lächeln beruhigen konnte. Dann schoben sich wieder die anderen Priesterinnen zwischen sie und der Weg zum Versammlungsplatz wurde im Dunkeln fortgesetzt. Jetzt hatte Mimiko noch mehr Mühe mit den vier Frauen Schritt zu halten, da sie im Dunkeln ständig über Steine und Wurzeln stolperte. Nach einem weiteren Stück Weg konnte Mimiko jedoch endlich das Licht eines großen Feuers in der Ferne erkennen. Als wären sie Motten, wurden sie von dem Licht angelockt und eilten vorwärts über die dunkle, kalte Ebene, um so schnell wie möglich in den Genuss von dessen Schutz und Wärme zu kommen. Als sie näher kamen, sah Mimiko, dass um das Feuer viele Gestalten standen und sich wärmten, alle in das blaue Gewand der Priesterinnen gekleidet. Als die Gazanerinnen sie entdeckten, ging aufgeregtes Raunen durch die Menge und einige sprangen auf, um besser sehen zu können. Eingeschüchtert versteckte Mimiko sich unauffällig hinter den zwei jungen Priesterinnen, die vor ihr gingen und beobachtete über deren Schultern hinweg die riesige Gruppe überirdisch schöner Frauen, die ihnen neugierig entgegenströmte. Waren sie alle nur wegen ihr gekommen? Plötzlich trennten sich ihre zwei schützenden Begleiterinnen und gaben den anderen so den Blick auf sie frei. Mimiko wurde knallrot, als sich die gespannten Blicke der Priesterinnen auf sie hefteten und sie spürte genau, wie sie von oben bis unten taxiert wurde. Von hinten schoben zwei zarte Hände sie weiter vorwärts und vor Mimiko trennte sich die Masse der Gazanerinnen, um sie durchzulassen. Als das eingeschüchterte Mädchen in die Gesichter der Frauen sah, erkannte sie darin sowohl Neugier als auch Mitleid, sowie sie es bei Seina gesehen hatte und die Angst davor, was sie nun unmittelbar erwatete, steigerte sich fast zu einer Art Panik. Ihre Augen suchten nach Seina, der einzigen Person hier, der sie vertraute und sie erblickte sie meterweit entfernt, wo sie von drei Priesterinnen energisch weggeführt wurde. „Seina!“ Rief Mimiko und wollte zu ihr rennen, aber die Priesterinnen versperrten ihr den Weg. Mimiko vergaß ihre anfängliche Scheu und schubste die Gazanerinnen grob aus dem Weg, um zu ihrer Freundin vorzudringen. Die zwei, die sie geführt hatten, griffen sie an den Armen und Mimiko zappelte und trat nach ihnen, wollte nur noch weg von diesen Monstern, die ihr und Seina böses antun wollten. Aber aus dem eisernen Griff der Frauen konnte sie sich nicht befreien. Von Verzweiflung überwältigt begann sie zu weinen und krallte sich in einer letzten Anstrengung sich zu befreien in das Gesicht von einer der Priesterinnen, die sie am Arm gepackt hatte. Doch das war ein Fehler. Zu spät fiel ihr ein, dass sie die Haut der Frauen nicht berühren durfte, doch die Halluzinationen brachen schon über sie herein und betäubten ihre Sinne mit ungekannten Schmerzen und Wahrnehmungen, bis sie ohnmächtig wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)