Der rote Faden von Leira ================================================================================ Kapitel 7: Trophäen ------------------- Hi folks! Hmmm… Spoiler? Mein Wissen basiert eigentlich fast ausschließlich auf dem Manga und dem Anime. Ich lese aufmerksam die Bände und ziehe daraus meine Schlüsse - und ob die gewissen Gerüchten oder Spoilern ähneln, interessiert mich nur zweitrangig. Wichtig für mich ist, dass sie in meine Handlung passen, dass das große Ganze in sich stimmig ist. Ich hoffe zumindest, dass es das ist- in sich stimmig und logisch. Ai. Ja, ich weiß, sie redet viel. Und ich gebe zu, unter normalen Umständen würde sie das auch nicht tun- aber das hier ist keine normale Situation. Der Mensch, der ihr nach ihrer Schwester wohl am nächsten steht, wird wahrscheinlich sterben; da verhält sich selbst Ai nicht so nüchtern, verschlossen und abgeklärt wie immer. Das zumindest ist meine Meinung. Tja- und diesmal kommt der, auf den ihr so lange schon wartet: the Big Boss. Dazu ist zu sagen, er ist wirklich rein fiktiv- ich gebe zu, ich hab keine Ahnung, wen der gute Gosho dafür auserkoren hat. So jedenfalls stelle ich ihn mir vor. Viel Vergnügen beim Lesen, ich verschwinde jetzt. MfG, Leira :) PS: Der Weihnachtsoneshot folgt morgen oder übermorgen. Wie die Abstimmung ergab, wolltet ihr auf Kap sieben nicht verzichten. Ich hoffe, es lohnt sich. ________________________________________________________________________________ Shinichi ging hinter Chianti her. Hinter ihm ging Gin, neben ihm Vodka. Seine Fluchtmöglichkeiten waren gleich null. Allein der Gedanke an ein Weglaufen war absurd. Vermouth stand wartend neben einer Tür, öffnete sie und trat zusammen mit Shinichi und seinen Begleitern ein. Alle begaben sich hinein – alle, bis auf Chianti, die sich nach einem warnenden Blick von Vermouth mit einem wütenden Fauchen umdrehte und mit weit ausholenden Schritten abzog. Kaum hatte Shinichi den Raum betreten, packten ihn Gin und Vodka links und rechts und zerrten ihn zu einem Stuhl. Handschellen schnappten zu und fixierten seine Arme hinter der Rückenlehne des Sitzmöbels, wobei seine Häscher tunlichst darauf achteten, seine Unterarme unter den Armstützen durchzuführen, um ihm ein Aufstehen unmöglich zu machen. Shinichi schluckte. Das fängt ja schon mal gut an… Vermouth, Gin und Vodka nahmen auf drei von fünf schwarz lackierten, hochlehnigen, gepolsterten Holzstühlen Platz, die hinter einem großen, ovalen Tisch standen, dessen Tischplatte aus Glas auf einem schmiedeeisernen Gestell ruhte. Die mittleren beiden ließen sie leer. Auf der Tischplatte waren in gläsernen und kristallenen Karaffen und Flaschen unterschiedliche Getränke arrangiert; die verschiedensten Gläser standen bereit, um die wahrscheinlich hochprozentigen Flüssigkeiten zu verkosten. Ein kleiner Teller mit schwarzer Schokolade sowie eine silberne Platte mit roten und weißen Trauben standen ebenfalls bereit, genauso wie ein silbernes Eimerchen gefüllt mit Eiswürfeln und eine dazupassende Zange. Keiner rührte sich, oder wagte, sich an den dargebotenen Getränken zu bedienen. Eine Zeitlang starrten Shinichi, Vermouth, Gin und Vodka sich nur gegenseitig an, keiner gab auch nur einen Laut von sich. Schließlich begann Shinichi, sich im Raum umzusehen. Der Raum war groß, die Wände hoch und stuckverziert- von der Decke hing ein Lüster, an dem hunderte Kristalltropfen funkelten. Die Einrichtung war exquisit, stilvoll und ohne Zweifel teuer. Der Boden bestand aus schwarzem und weißem Marmor und die Wände waren teilweise mit edlen Tropenhölzern vertäfelt, der Rest mit schimmernden, champagnerfarbenen, bestickten Seidentapeten bespannt, die von davor gesetzten Glasplatten geschützt wurden. In einer Ecke standen eine cremefarbene Verloursledercouch und davor ein schwarzer Ebenholztisch, auf dem ebenfalls Gläser und Flaschen sowie eine Kristallschüssel mit Süßigkeiten angerichtet waren. Dann wanderte sein Blick weiter nach hinten, blieb an der Rückwand des Zimmers haften. Sie bestand vollständig aus Regalen und Vitrinen. In den Regalen reihten sich große Fotoalben und Bücher aneinander, die Vitrinen quollen schier über - dicht an dicht wurden in ihnen wertvolle Kostbarkeiten gelagert und zur Schau gestellt. Teure Uhren, juwelenbesetzte Colliers, massive, goldene Siegelringe, diamantbestückte, glitzernde Tiaras, Ketten, Armreife, Perlen und Edelsteine wohin man sah… Ergänzt wurde dieser Schatz durch eine ganze Sammlung der verschiedensten Dolche und Schwerter, allesamt Meisterstücke, Paradebeispiele der Schmiedekunst, aufwändig verziert und in ihren Halterungen glänzend zur Geltung gebracht. Auch einige antik anmutende Samuraischwerter befanden sich darunter, daneben uralt scheinende Colts und andere Handfeuerwaffen. Den Höhepunkt allerdings bildete ein kunstvoller, definitiv extrem wertvoller, mit Gold geschmückter Wandschirm, auf dem Kraniche und ein Sonnenuntergang abgebildet waren. Shinichi zweifelte daran, dass dieses Meisterwerk auf ehrlichem Wege erworben worden war. Es war gestohlen worden, bestimmt; genauso wie all die anderen Preziosen, die sich hier befanden. Entwendet aus Museen und Privatsammlungen, dessen war er sich sicher. Er riss sich von dem Anblick los, wollte sich die letzte Vitrine genauer anschauen… und erstarrte. Das, was hier gezeigt wurde, bildete einen krassen Gegensatz zu allem, was er bisher gesehen hatte. Die gläsernen Regalplatten waren voll, fast überfüllt, von Ramsch, Krimskrams, den verschiedensten Sachen - die meisten davon alles andere als wertvoll oder teuer. Zu sehen war eine Krawatte. Eine Herrenarmbanduhr. Verschiedene Schlüsselanhänger, Schlüssel, zwei oder drei Handys… ein Tagebuch, ein Notizblock, zwei Taschenkalender, ein paar Füllfederhalter, zwei Brillen, ein paar Talismane, etwas Modeschmuck, eine Haarspange, Anstecknadeln, Manschettenknöpfe… eine winzige Schildkröte, geschnitzt aus grüner Jade, Fotographien, ein Medaillon, eine kleine Porzellankatze, Eheringe, … Eheringe? Er blinzelte. Und dann wusste er, was das alles war. Wozu diese seltsame Sammlung gut war. Ihn durchfuhr es siedendheiß. Das hier war eine Trophäensammlung. Beweisstücke über den Sieg gegen seine Widersacher. Wie krank musste dieser Mensch sein, der sie gesammelt hatte. Ein Psychopath, wie er im Buche stand. Der Boss… zweifellos war das sein Salon, sein privates Museum, in dem er seine Beute, seine Preise, ausstellte. Ein anderer Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Was bleibt hier von mir zurück? Allerdings blieb ihm nicht viel Zeit, diesen Gedanken weiterzuverfolgen; das Geräusch der sich öffnenden Tür ließ ihn, zumindest soweit es seine Handschellen zuließen, herumfahren. Herein kam ein Mann in Schwarz. Er war groß, schlank, seine Haare an den Schläfen leicht ergraut. Shinichi schätzte ihn um die Fünfzig. Er wusste sofort, wer es war. Man erkannte es nicht nur daran, dass die drei anderen aufstanden, als er den Raum betrat. Ihn umgab eine Aura von Macht, von Autorität, von Skrupellosigkeit, die jeden noch so grausamen Diktator dieser Welt erzittern lassen würde, wie ein kleines Lamm vor dem Schlachter mit dem Beil in der Hand erbebt. Der Boss der Schwarzen Organisation. Der Mann trat vor ihn. Shinichi blickte auf. Er hasste es, aufblicken zu müssen. Das Gesicht des Fremden war auffallend ebenmäßig und glatt rasiert. Er hatte eine scharfe, gerade Nase, schmale Lippen, ein markantes Kinn - und graue Augen, die aussahen, als wären sie aus Stahl. Sie starrten unbarmherzig auf ihn herab. Als er sprach, klangen seine Worte, seine Stimme kalt wie Eiszapfen, die abbrachen und auf dem Boden zerbarsten. Der Mann zog sein Handy aus der Innentasche seines Sakkos, klappte es auf und hielt es ihm hin. „Wir haben korrespondiert.“ Zu lesen war seine Nachricht. Die, die er so planlos geschrieben und abgeschickt hatte. Shinichi blinzelte. „Was ist los? Hat es dir die Sprache verschlagen? Angst vor der eigenen Courage?“ Der Boss lächelte kühl. Shinichi runzelte die Stirn, fasste sich wieder. „Nun, ich nicht. Aber Sie fürchten sich anscheinend, wenn Sie mich im Beisein ihrer Wachhunde immer noch anketten müssen.“ In Gedanken fragte er sich, woher er den Mut für seine Dreistigkeit nahm. Das hier war beileibe keine lustige Situation. Das sah der Boss anscheinend genauso. Er kniff die Augen zusammen. „Wenn ich dir einen Rat geben darf- hüte deine Zunge, mein junger Freund, denn ich denke nicht, dass du in der Position bist, um solche Sprüche zu reißen.“ Er ließ sein Handy wieder zuschnappen und steckte es weg, kam ein wenig näher, betrachtete seinen Gefangenen prüfend. „So, so… Shinichi Kudô. Du bist also dieser kleine Bastard, der mir so eifrig meine Pläne vereitelt. Wie überaus freundlich, dass du mir auch mal die Ehre deines Besuches gewährst.“ Seine Augen waren ohne zu blinzeln auf ihn geheftet. „Aber entschuldige meine schlechten Manieren. Wie du wohl erraten hast, bin ich der, der hier das Sagen hat.“ Er grinste abfällig. „Ich hoffe, du warst zufrieden mit deiner Unterbringung. Ich weiß, es ist nicht das Ritz Carlton…“ Shinichi starrte trotzig hoch und verbiss sich seinen schnippischen Kommentar. Es war wahrscheinlich unklug, den Boss jetzt schon auf die Palme zu bringen. Sein Gegenüber beugte sich ein wenig zu ihm herunter. „Wie alt bist du? Zwanzig? Einundzwanzig? Fast noch grün hinter den Ohren und schon so ein dreckiger Schnüffler…“ Ein süffisantes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Also, Kudô… wie alt?“, wiederholte der Mann seine Frage nachdrücklich. „Zwanzig.“, knurrte er schließlich leise. Der Chef der schwarzen Organisation kniff die Augen zusammen. Dann schlug er ihm ohne Vorwarnung ins Gesicht. Der junge Mann schluckte seinen Schrei hinunter und atmete tief durch. Er schaute seinem Gegenüber nur weiterhin feindselig in die Augen, in denen er nun ganz deutlich dessen Zorn ablesen konnte. Shinichi hatte nicht vor, klein beizugeben. Er würde sterben hier drin, das war so gut wie sicher- aber er war fest entschlossen, hocherhobenen Hauptes seinem Schicksal ins Auge zu sehen. Ganz sicher würde er nicht um Gnade betteln. Ganz bestimmt nicht. Nicht er. Der Boss hingegen drehte sich um, fixierte seine Gefolgsleute mit wutverzerrtem Gesicht. „Habt ihr das gehört, ihr Versager? Zwanzig! Erst zwanzig Jahre alt und schon seit Jahren, seit Jahren, führt er euch an der Nase herum! Und wisst ihr, warum er heute hier ist? Nicht etwa, weil wir ihn in die Enge getrieben und ihm keine Wahl gelassen hätten, nein- er hat sich freiwillig gestellt! Freiwillig.“ In seiner Rage war er wie ein Tiger in einem zu kleinen Käfig vor Shinichi und seinen Untergebenen auf und ab gegangen, hatte heftig gestikuliert und war zum Ende hin immer lauter geworden. „FREIWILLIG!“ Er atmete tief durch, versuchte sich wieder zu sammeln und wandte sich wieder seinem Gefangenen zu. „Aber lassen wir das. Wie kommt es, dass ein so junger Kerl wie du mir ständig in die Quere kommt? Wer hängt noch mit drin, wer weiß sonst noch von uns?“ Seine Stimme klang frostig. Shinichi schwieg, wandte den Kopf ab. „Warum hast du dich gestellt? Du hättest wissen müssen, dass ich dir eine Falle stelle.“ Der junge Detektiv gab weiterhin keinen Mucks von sich. Der Boss der schwarzen Organisation war blass vor Zorn geworden. „Du hältst dich wohl für extrem schlau.“ „So ist es.“, murmelte Shinichi leise und biss sich gleich darauf auf die Lippen. Sein Gegenüber verengte ärgerlich die Augen. „Weißt du, das, was mich so aufregt an dir, sind eigentlich weniger deine frechen, ja, dreisten Antworten, als die Tatsache, dass du Recht hast. Du bist tatsächlich sehr, sehr clever. Darum will ich meinen, es wäre töricht, wenn ich dir diese Frage nicht stelle, obwohl ich befürchte-…“, er lächelte säuerlich, „dass ich mir den Atem sparen kann.“ „Es interessiert mich nicht…“ Der alte Mann machte eine lockere Handbewegung und schnitt ihm damit das Wort ab. Dann beugte er sich wieder etwas vor zu ihm. „Du siehst doch die zwei Stühle da drüben. Die, die noch leer sind.“ „Ja.“, presste er hervor, nickte widerwillig. „Nun, wie du dir denken kannst, gehört der mittlere Stuhl mir.“ Er lächelte verschlagen. „Den anderen, rechts von meinem, könntest du haben. Ich biete ihn dir an. Werde Mitglied meiner Organisation, werde meine rechte Hand.“ Shinichi starrte ihn ungläubig an. Wie konnte dieser Mann auch nur im Traum daran glauben, dass er die Seite wechseln würde? Von allen Menschen auf dieser Welt ausgerechnet er?! Er schüttelte vehement den Kopf. „Sie hatten Recht. Den Atem für die Frage hätten Sie sich sparen können.“ Der Boss richtete sich auf, schaute ihn abschätzig an. „Ich bin mit meiner Argumentation noch nicht am Ende angelangt.“ „Ich denke nicht, dass es weiterer-…“ Sein Gegenüber hob die Hand, was Shinichi zum Schweigen brachte. „Ich an deiner Stelle würde mir zuhören.“ Er wandte Shinichi kurz den Rücken zu, trat an den Tisch und goss aus einer Karaffe ein wenig von der darin enthaltenen braungoldenen Flüssigkeit in ein bauchiges Kristallglas mit kurzem Fuß. Ein Cognacschwenker. Cognac… Shinichi blinzelte. Der Mann hob das Glas an seine Nase und schnupperte daran, ließ das Glas in seiner Hand kreisen, beobachtete, wie die Flüssigkeit hin- und herschwappte. „Ich kann dir mehr Macht, mehr Ruhm, mehr Einfluss und Reichtum verschaffen, als du es dir in deinem normalsterblichen Leben auch nur erträumen kannst. An meiner Seite, mit meiner Hilfe, würdest du einer der berühmtesten und berüchtigtsten Männer in ganz Japan werden. Oder besser gesagt: Ich werde mit deiner Hilfe der einflussreichste, gefürchtetste und mächtigste Mann in ganz Japan sein.“ Er lachte amüsiert. Shinichi starrte ihn angewidert an. „Aber du brauchst nicht denken, dass ich undankbar bin. Ich zeige mich denen gegenüber, die mir einen Gefallen tun, als durchaus großzügiger und gütiger Mensch.“ „Gütig?!“, brach es aus Shinichi heraus. Der Zynismus in seiner Stimme war kaum zu überhören. Der Boss der Organisation verengte seine Augen zu Schlitzen. „Nur gegenüber denen, die sich mir als gefällig erweisen, wie gesagt. Ich hätte gerne deine Antwort. Jetzt.“ „Nein.“ Der Mann trat näher, schaute ihn durchdringend an. „Nein?“ „Nein, Danke.“ Shinichi wich seinem Blick nicht aus. „Bist du sicher?“ Seine Stimme klang schneidend. Shinichi nickte fest. Ihm war kalt, er hatte Angst- aber er würde weder sich selbst, seine Prinzipien, noch seine Freunde verleugnen. „Kein Geld, kein Ruhm und keine Macht der Welt könnten mich dazu bringen, meine Prinzipien zu verraten.“, flüsterte er; leise zwar, aber bestimmt. Der Boss starrte ihn von oben herab an. „Ist das dein letztes Wort?“, fragte er eisig. Shinichi merkte, wie ihn seine Stimme zu verlassen drohte, als er antwortete. „Ja.“ „Also schön. Du kannst nicht sagen, du hättest keine Wahl gehabt.“ Er atmete tief aus. „Dann wäre nur noch eine Sache zu klären. Nein, zwei Sachen, eigentlich. Nun aber zu meinem ersten Anliegen… oder besser gesagt- meinem Abschiedsgeschenk an dich. Eine große Ehre, die ich dir da zuteil lassen werde, mein Freund.“ Ein grausames Lächeln trat auf sein Gesicht. „Wie ich dich kenne, wirst du, als waschechter Detektiv, bestimmt schon die Räumlichkeiten, in denen du dich momentan aufhältst, in Augenschein genommen haben. So gut es ging, unter deinen Umständen, zumindest.“ Er lächelte humorlos und nippte an seinem Glas, schloss versonnen die Augen und ein verzückter Gesichtsausdruck trat auf sein Gesicht. „Remis Martin, exzellenter Jahrgang.“ „Kann ich nicht beurteilen, ich mach mir nichts aus Alkohol.“, entgegnete Shinichi schnippisch. Der Boss zog die Augenbrauen hoch. „Immer noch zu Scherzen aufgelegt, wie? Nun, das wird dir noch vergehen, glaub mir. Und jetzt antworte gefälligst!“ „Stilvolles Ambiente, teurer Geschmack.“, konstatierte der junge Detektiv widerwillig. Der Mann neigte gespielt geschmeichelt sein Haupt. „Danke. Aber das ist es nicht, worauf ich hinaus will. Mich würde viel eher interessieren, ob dir meine ganz besondere Vitrine aufgefallen ist.“, erwiderte der Mann. „Ist sie. Deswegen sagte ich es ja… ein teurer Geschmack.“ Diese Sammlung kostete Leben… Sein Gegenüber grinste amüsiert, als er die Aussage seines 'Gastes' begriff. „Nun, dann darf ich annehmen, du hast erkannt, um was es sich dabei handelt?“ Shinichi schloss die Augen, atmete schwer aus. Die Eheringe kamen ihm wieder in den Sinn. Hatten sie- hatten sie etwa Shihos Eltern gehört? „Das sind Trophäen. Sie ermorden ihre Widersacher und sammeln Stücke aus deren Besitz, die diesen wichtig waren, genauso wie die Indianer die Skalps ihrer Besiegten sammelten…“ Der Boss nickte zufrieden; dann streckte er herrisch die Hand aus. „Die Tasche bitte.“ Vermouth stand auf, zog einen ledernen Beutel unter ihrem Stuhl hervor und händigte ihn ihrem Chef aus. Der nahm ihn entgegen und leerte seinen Inhalt auf der Tischplatte aus, wobei er tunlichst darauf achtete, dass Shinichi gut hinsehen konnte. Der brauchte nicht zweimal hinzuschauen, um zu erkennen, welche Sachen das waren. Es waren seine. Der Mann drehte sich um, lehnte sich gegen den Tisch, schlug lässig ein Bein über das andere und schaute ihn provozierend an. Dann nahm er genüsslich einen weiteren Schluck Cognac. „Nun. Da du ja so wild entschlossen warst, mich zu deinem Feind zu machen, sage mir… was soll ich als Zeichen für deine Niederlage in meiner Vitrine ausstellen?“ Er hob die rote Fliege hoch. „Die hier? Oder…“ Und damit begann er, einen Gegenstand nach dem anderen hochzuhalten, seinem Gefangenen zu zeigen, wobei er ihn ins Licht des Kronleuchters hielt, ihn drehte und wendete, bewunderte wie ein Schmuckstück und dann langsam, sorgfältig, ja, fast zärtlich, auf der Tischplatte ablegte wie eine unbezahlbare Kostbarkeit. Seiner Fliege folgten seine Uhr, seine Schuhe, sein Wohnungsschlüssel für die Wohnung der Môris, seine Hausschlüssel, sein Handy, sein Notizbüchlein, sein Kalender, sein Detektivabzeichen, die Radarbrille, ein paar Peilsender und Wanzen, ein Kugelschreiber und sein heißgeliebter Füllfederhalter… Zu guter Letzt öffnete der Mann Shinichis Portemonnaie, leerte das Münzfach aus, warf die paar Banknoten, die sich darin befanden, auf den Tisch, und öffnete dann den Reißverschluss, um den Inhalt der Innentaschen herauszuholen. Interessiert zog der Mann die Augenbrauen hoch, als er ein mitgenommen aussehendes Stück Papier herauszog. Es war die Eintrittskarte für das Tropical Land von vor drei Jahren, zusammen mit einen Foto. Ein Foto von ihm und Ran. Es war in der Fotokabine im Beika-Center aufgenommen worden. Er wusste noch genau, wie nervös er gewesen war, als sie sich an ihn gedrückt hatte, ihre Wange an seiner, um aufs Bild zu passen. Er hatte nur gehofft, dass sie nicht merkte, wie es um ihn stand. Hatte gehofft, sie konnte sein Herz nicht hören, das ihm in diesem Moment bis zum Hals schlug. Danach hatte sie ihm zwei der vier Fotos in die Hand gedrückt und gelächelt. Nichts gesagt, nur gelächelt. Shinichi hatte eins abgeschnitten und trug es seitdem zusammen mit dieser gottverdammten Karte immer mit sich herum. „Ahhh…“ Der Chef der Schwarzen Organisation grinste hämisch. „Na, das passt ja mal wie die Faust aufs Auge. Das nehmen wir. Was meinst du?“ Shinichi regte sich nicht. „Ich werte das mal als ja.“, grinste der Mann, ging zu seiner Vitrine, sperrte sie auf und wollte gerade die Sachen hineinlegen, als er zögerte. „Ein hübsches Mädchen.“, murmelte er, schaute auf das Bild. Shinichi stockte der Atem. Dann legte der Boss das Foto und die Eintrittskarte hinein und drehte sich wieder um- ohne abzuschließen. Shinichi schluckte. Lass sie in Ruhe… „So, dann hätten wir das.“, meinte der Chef der schwarzen Organisation zufrieden und lehnte sich erneut gegen den Tisch. „Nun zu der zweiten Sache, von der ich gesprochen hatte.“ Er fuhr sich mit der Handfläche über sein glatt nach hinten gekämmtes Haar. „Ich hätte da noch ein paar Fragen an dich, mein junger Freund. Je nachdem wie artig du bist, wird dein Tod gnädiger oder qualvoller ausfallen. Es liegt an dir.“ Er nippte an seinem Glas. „Wo ist Sherry? Ich vermute, dass du sie kennen musst, sie wird dich bestimmt gesucht haben. Wir wissen, dass sie noch lebt, Gin hat sie gesehen, vor einiger Zeit. Aber wir wissen nicht, wo sie steckt. Man sah immer nur dich, den kleinen Conan… auch wenn du darauf geachtet hast, nicht zu oft in der Zeitung zu erscheinen. Wir hätten noch eine Weile gebraucht, herauszufinden, dass du geschrumpft wurdest- jetzt da wir wissen, dass es so etwas gab, das Gift nicht bei allen tödlich wirkte, konnten wir uns auch erklären, wie sie damals entkommen konnte. Auch sie wurde geschrumpft, nicht wahr? Wo versteckt sie sich? Erzähl mir nicht, dass du sie nicht kennst, du, als eher zweifelhafter Todesfall warst bestimmt die erste Adresse auf ihrer Liste…“ Shinichi wandte den Kopf ab, warf einen Blick in Vermouths Gesicht- sie hatte also wirklich Wort gehalten und nicht mehr nach Ai gesucht. Nicht einmal ihrem Boss verraten, wo sie steckte. Und er würde auch nichts sagen. Kein Wort mehr. „Also willst du kein braver Junge sein.“, bemerkte der Boss und winkte Gin zu sich heran. „Überzeuge ihn bitte davon, dass es besser ist, mir Antworten zu geben.“ Shinichi starrte in Gins bösartig grinsendes Gesicht. Er konnte sich denken, was jetzt kam, als der sich die Ärmel hochkrempelte. Shit. Er wusste, dass er von dem Blonden keine Gnade zu erwarten hatte. Dieser Mann war ein Killer, und sicher konnte er zuschlagen. Und er wollte zuschlagen. Es würde ein Vergnügen für ihn sein. Gin lächelte breit und knackte mit seinen Handknöcheln. „Sag Auf Wiedersehen zu deiner Visage, Kudô.“ Er wird mein Gesicht zu Brei schlagen. Shinichi schluckte. Zweifelsohne würde er das tun. Er wappnete sich, versuchte sich darauf gefasst zu machen, was kommen würde. Der Schlag traf ihn mit voller Härte mitten ins Gesicht. Shinichi schrie auf… fühlte etwas Warmes aus seiner Nase laufen, schmeckte Blut… Er schaute Gin ins Gesicht, der ihn bösartig anstarrte. „Bist du jetzt eher geneigt, mir etwas zu erzählen?“ Der Boss der Organisation trat hinter Gin hervor und schaute ihn gehässig grinsend an. Shinichi schluckte. „War zwar ein wortwörtlich schlagendes Argument…“, murmelte er zynisch. „Aber nein, ich habe nicht vor, irgendetwas zu dem Thema zu sagen.“ Der Boss starrte ihn wütend an. „Du kleiner, dreckiger… Wer weiß von uns? Wem hast du gesagt, wer wir sind, dass es uns gibt? Und wo zur Hölle ist Sherry? WO!?“, fuhr er ihn an. Der Mann war außer sich. Shinichi schwieg. Der ältere Mann bedachte ihn mit einem abfälligen Blick. „Ganz wie du willst.“ Shinichi konnte sich denken, was jetzt wieder kommen würde- und er behielt Recht. Gins zweiter Schlag war nicht minder hart als der erste. Shinichi stöhnte qualvoll auf, merkte, wie seine Lippe aufplatzte, aber es gelang ihm, diesmal nicht zu schreien. „Und? Willst du weiter schweigen?“ Shinichi biss sich auf die Lippen. Langsam wurde ihm schlecht. Blut lief ihm über den Hals und sickerte in seinen Kragen. Aber er schwieg weiter. Der Chef der schwarzen Organisation starrte ihn mit unverholener Wut an, dann schaute er zu Gin. Ein weiteres Mal traf Gins Faust sein Ziel. Shinichi keuchte, als ihn jemand wieder hochzog, in den Stuhl drückte. „Na?“ Der Boss war näher getreten, schaute in von oben herab an, die Hände vor der Brust verschränkt, in den Augen ein eiskaltes, grausames Funkeln. Shinichi kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. „Also dann eben etwas anderes.“ Der Boss holte sein Mobiltelefon aus seiner Sakkotasche, wählte eine Nummer. Er sagte nur drei Worte, als am anderen Ende abgehoben wurde. „Sie soll kommen.“ Shinichi wandte den Kopf, suchte das Gesicht der blonden Frau, fand es- und stutzte. Wen er sah, war Sharon. Nicht Vermouth. Diese Frau war in diesem Moment nicht Mitglied der Organisation. Sie starrte ihn an, einen Ausdruck in ihrem Gesicht, den er nie bei ihr erwartet hätte. Entsetzen. Und… Mitleid. Wer sie war, sollte Shinichi bald erfahren; nach ein paar Minuten ging die Tür auf, und eine junge Frau trat ein. Sie hatte kinnlange, blonde Haare, trug einen weißen Kittel und hielt ein Tablett mit drei gläsernen Spritzen, das sie auf dem Boden neben seinem Stuhl abstellte. Shinichi merkte, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. Gott, nein. Warum tut man mir das an? Warum passiert mir das? Er schloss die Augen und atmete tief durch. Er musste sich sehr zusammenreißen, um in der blonden Frau nicht Shiho zu sehen. Und doch wusste er, dass auch sie mal genau an der Stelle der jungen Forscherin hier gestanden hatte. Bereit, ihre neuen Mittelchen an Menschen auszuprobieren, nicht nur an weißen Mäusen. Die junge Frau nahm eine Spritze und ging auf ihn zu, zögerte. Sie schien äußerst nervös zu sein; unsicher schaute sie von ihm zu ihrem Boss und wieder zurück. Cognac lächelte schadenfroh. „Und? Verspürst du jetzt vielleicht das dringende Bedürfnis, zu reden?“ Shinichi schüttelte stumm den Kopf. Der Boss nickte der Forscherin zu. Sie zog die Schutzkappe ab und drückte den Kolben nach oben, bis die ersten Tropfen herausspritzten. Angst breitete sich in ihm aus, durchflutete ihn, strömte in jede Faser seines Körpers, umnebelte sein Denken… Gut, er hatte vorher auch schon… Angst… gehabt, aber jetzt… Er starrte die silbrig glänzende Nadel mit geweiteten Augen an. Gott, nein. Nein, nein, NEIN! Sie näherte sich. Er schluckte. Alles an ihm, alles ihn ihm verkrampfte sich. Er versuchte, nicht dran zu denken, was jetzt vielleicht kam. Denk an was Schönes…denk an was Schönes… das hier passiert nicht dir, du bist nicht hier. Denk an… Ran… Er begann zu zittern. Er konnte es nicht kontrollieren. Ihm wurde kalt, sein Atem ging unregelmäßig und flach. Shinichi merkte, wie er ins Schwitzen geriet. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Die Frau stand über seinen rechten Arm gebeugt, dann schaute sie auf. Sah die Angst in seinen Augen. Und er sah sie… die Angst in den ihren. Und ihre stumme Bitte, ihr das, was sie tun musste, zu verzeihen. „Es wird vorbeigehen…“, flüsterte sie. „Verzeih mir…“ „Nein!“ Er schrie, wollte seinen Arm wegziehen, aber Gin und Wodka waren schon zur Stelle um ihn festzuhalten…seinen Kopf nach hinten zu drücken, seinen Arm an die Lehne des Stuhls zu nageln. „Nein, nein, nein!“ Gin hielt ihm halb die Nase zu, als er seine Hand auf seinen Mund presste, um seine Schreie zu ersticken. Shinichi bekam kaum noch Luft, versuchte sich dennoch zu wehren, seine Hände aus den Fesseln zu ziehen, aber es ging nicht… es ging nicht… Nein… Er sah das Gesicht der Forscherin nur noch aus den Augenwinkeln. Sie versuchte, sich auf seinen Arm zu konzentrieren. Shinichi wurde halb wahnsinnig vor Angst. Er hörte ein ersticktes Schluchzen. Sie weinte. „Es tut mir Leid!“, brach es aus ihr hervor. Dann hörte er es krachen und splittern. Gin und Vodka ließen ihn plötzlich los. Die Frau neben ihm sackte schluchzend auf den Boden. Er hörte nur noch wie durch Watte, dass der Boss der Organisation wütend schrie. Er konnte nicht mehr klar denken, nicht mehr… wahrnehmen, was um ihn vorging. Sein Kopf tat weh. Was war hier los? Er starrte Vermouth an, blinzelte, versuchte sich zu konzentrieren. Sie starrte zurück, die Hand immer noch zum Schlag erhoben. Sie hatte der Frau die Spritze aus der Hand geschleudert, war auf das Tablett getreten, hatte es zur Seite gestoßen. Sharon ließ die Hand sinken. Eine halbe Ewigkeit schien sie einfach nur dazustehen, und auf die vielen, vielen Glassplitter zu blicken, die das Tablett und den Boden bedeckten, im Licht des Kronleuchters wie die Diamanten in den Vitrinen glitzerten. Es war totenstill im Raum, einzig und allein die Schluchzer der Forscherin, die neben ihm auf dem Boden kauerte, waren zu hören. Shinichi warf Vermouth einen erstaunten Blick zu. Und was er da sah… konnte er kaum glauben, meinte zu halluzinieren. Für Sekundenbruchteile meinte er ein winziges, triumphierendes Lächeln auf ihren Lippen gesehen zu haben. Ein weiteres Mal klirrte es. Diesmal kam das Geräusch von dem kristallenen Cognacschwenker, der neben Vermouths Kopf an einer Glasplatte an der Wand zerplatzte. Die Splitter flogen in alle Richtungen davon, regneten auf den Boden, der edle Jahrgangscognac floss über die Platte nach unten, hinterließ eine hässliche, klebrige Spur. „Vermouth, was sollte das…?“ Seine Stimme klang eisig, dann klatschte es. Ihre Hand zuckte zwar, aber sie widerstand dem Drang, sich ihre Wange zu halten, die nun brannte. Stattdessen blickte sie ihn weiterhin hochmütig an. Er starrte sie zornentbrannt an. „Dafür wirst du mir noch eine Erklärung abgeben.“ Die Angesprochene schaute ihren Vorgesetzten an, atmete schwer. „Es gibt nicht viel zu erklären. Du hättest ihn töten können damit, hast du daran nicht gedacht? Du hättest beinahe deinen einzigen Informanten was Sherrys Aufenthaltsort betrifft, umgebracht.“, wisperte sie schließlich, ihre Stimme klang gefasst und abgeklärt. „Na und?“ Vermouth blinzelte. „Ich dachte, du wolltest Antworten von ihm?“ „Nicht um jeden Preis, meine Schöne. Wenn er draufgeht dabei, ist mir das egal.“ Er lächelte kalt. „Aber diese Diskussion zu führen, bringt uns nicht weiter, weil wir kein Wahrheitsserum mehr haben. Und damit erkläre ich diese Sitzung hier beendet, fürs erste.“ Dann wandte er sich den anderen beiden und Shinichi zu, der auf die zerbrochenen Injektionsphiolen starrte. Der konnte sein 'Glück' immer noch kaum fassen. Wenigstens das war ihm erspart geblieben. Es gab also doch einen Gott... „Bringt ihn zurück in seine Zelle. Ohne das Zeug hat das hier keinen Zweck. Ich werde mir wohl oder übel etwas anderes für unseren verstockten Meisterdetektiv ausdenken müssen, um ihn zum Reden zu bringen.“ Seine Stimme klang harsch und unerbittlich. „Und ich denke, mir fällt da schon was ein.“ Sein Blick wanderte zur Vitrine. Shinichis Augen weiteten sich vor Entsetzten. „Nein!“, hauchte er. „Nein…“ Dann merkte er, wie ihn jemand am Hemd nach oben zerrte. Als Gin ihn auf die Füße zog, gaben seine Beine nach. Der Schock saß ihm noch in den Knochen, seine Beine fühlten sich wie Wackelpudding an. Er keuchte, kniff kurz die Augen zusammen. Entsetzt starrte er den Boss an, der seinerseits nur milde lächelte. Ran… Dann wurde er aus dem Raum gestoßen, hörte die Tür hinter sich zufallen. Ärgerlich fluchend zerrten Gin und Wodka ihn hinter Vermouth her, zurück in seine Zelle. Er spürte noch einen dumpfen Schlag auf den Hinterkopf, dann sackte er zu Boden, verlor das Bewusstsein. ________________________________________________________________________________ Weil die Frage bestimmt kommt: Warum Cognac? Darum. Nun - ich fand die Vorstellung von edlem, über Jahre gereiften, gold schimmernden, abartig teurem Weinbrand als Synonym für den Big Boss einfach passend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)