Himmel und Erde von matvo (Schatten und Licht, Interlude 1) ================================================================================ Kapitel 15: Familienzuwachs --------------------------- Merle trat gerade aus ihrer Duschkabine, als jemand an der Eingangstür ihrer kleinen Wohnung anklopfte. „Allen?“, flüsterte sie verwundert, nachdem sie die Aura erfasst hatte. Schulter zuckend lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Handtuch. Da Allen unangekündigt erschienen war, konnte er warten. Mal sehen, wie viel Geduld er aufbringen konnte. Nachdem sie an ihrem Kleid den letzten Handgriff getätigt hatte und sie sich ausgiebig im Spiegel betrachtet hatte, konnte Merle angesichts eines solchen Durchhaltevermögens nur nachgeben und für ihn die Tür öffnen. Plötzlich erinnerte sie sich an ihr Gespräch mit Hitomi. Bis er dir die eine Frage stellt… Sein Lächeln lies ihren Gedanken stolpern und nicht wieder aufstehen. „Verzeih bitte die Störung! Ich wollte dich vor dem Abendessen noch einmal sprechen.“, erklärte Allen sein Anliegen. „Wieso?“, fragte sie kälter, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte. „Gibt es noch ein Geheimnis, mit dem du mich unbedingt belasten musst.“ Plötzlich ersetzte Resignation die Freundlichkeit in Allens Gesicht und er wandte sich ab. Genauso schnell wurde Merle bewusst, was sie gerade gesagt hatte und das Wissen trieb ihr einen Keil ins Herz. Entschlossen, es wieder gut zu machen, packte sie Allen am Ärmel, zog ihn in ihr Zimmer und schlug hinter ihm die Tür zu. „Ich entschuldige mich.“, verkündete sie, während er sie verdutzt anstarrte. „Es muss sehr schwer für dich gewesen sein, es mir zu sagen.“ „Ja, aber es war auch eine Erleichterung…Wir haben seitdem nicht mehr darüber gesprochen, obwohl wir viele Gelegenheiten hatten.“, gestand er. „Warum hast du es mir erzählt?“ „Weil…Vielleicht verstehst du es, wenn ich dich das gefragt habe, was ich fragen wollte.“ Mit ungewöhnlich angespannter Mine kniete Allen vor ihr. Merle, die noch gar nicht richtig fassen konnte, was sie sah, verzweifelte. Sie hatte die Antwort noch nicht, er durfte die Frage nicht stellen, was sollte sie… „Merle, möchtest du mich auf den Eröffnungsball des Turniers begleiten?“ Ein reißender Strom aus Enttäuschung, Erleichterung und freigesetzter Anspannung spülte ihre Gedanken hinfort. Ohne darüber nachzudenken, holte sie mit ihrer Hand aus und polierte seine Wange mit einem Streich. „Das heißt wohl Nein.“, äußerte sich Allen enttäuscht, der sich sein teilweise gerötetes Gesicht rieb. „Nein…Ja…Es ist nur so, dass ich Van begleiten werde. Er kann sonst niemanden mitnehmen, ohne politische Konsequenzen fürchten zu müssen.“, erklärte Merle und hob ihn sanft auf seine Füße. „Es tut mir leid.“ Ehe Allen etwas sagen konnte, klopfte wieder jemand an die Tür. Eine Dienerin, wie Merle aus der Aura schlussfolgerte. „Versteck dich!“ „Warum?“ „Vielleicht hast du kein Problem damit, dass alle über dich tratschen. Ich schon!“ Leise presste er sich an die Wand, die hinter der offenen Tür liegen würde. Merle lächelte ihm dankbar zu, drückte dann den Griff herunter und zog ihn zurück. Die Dienerin machte einen Knicks und richtete ihr aus, dass der König sie im gesicherten Konferenzraum sehen wollte. Als Merle dies hörte, wusste sie, dass sie unmöglich ablehnen konnte. Einer formellen Bitte Vans musste sie sofort Folge leisten. Während sie die Lampen in ihrer Wohnung löschte, schickte sie Allen ein kurzes Zucken ihrer Mundwinkel, welches er hoffentlich so verstand, wie es gemeint war. Als eine Bitte um Verzeihung. Nachdem sie die Eingangstür verschlossen hatte, folgte sie der Dienerin bis zum Konferenzraum, in dem Van allein auf sie wartete. Merle zollte ihren Respekt und behielt ihre Haltung bei, auch nachdem die Dienerin hinter der sich schließenden Tür verschwand. „Warum so steif? Du bist doch sonst nicht so?“, erkundigte sich Van und bot ihr einen Stuhl an, woraufhin Merle sich entspannte. „Wann immer eine Dienerin es für nötig hält sich mir gegenüber respektvoll zu verhalten, ist es besser für mich, ebenfalls die Form zu wahren.“, erklärte sie und setzte sich. „Bitte entschuldige! Eigentlich solltest du das hier als einzige sehen, ehe ich es unterschreibe.“, bat er und schob ein Paar Bögen Papier zu ihr rüber. „Eine Bürger- und eine Geburtsurkunde?“, wunderte sich Merle. „Ja, wie du weißt, besitzt jeder Einwohner Farnelias diese Urkunden. Sogar ich hab welche.“ „Das sind deine.“, stellte sie erstaunt fest, doch er verneinte. „Sieh dir den Vornamen an!“ „Aber…das ist…“, stotterte Merle, dann versagte ihr Atem. „Ich wollte dich erst um Erlaubnis bitten, ehe ich sie unterschreibe.“, sagte Van, doch er sprach gegen eine Wand. Das Katzenmädchen glaubte nicht was sie dort las. „Als wir damals die Zimmer der Villa verteilten, hattest du auf eine einfache Wohnung bestanden, mit der Begründung, da ich sonst zu viel Aufmerksamkeit auf den Kommandanten meiner geheimen Leibwache lenke. Aus dem gleichen Grund habe ich dich bisher nicht offiziell als Bürgerin, geschweige denn als Mitglied meiner Familie registrieren lassen, obwohl du immer eine Schwester für mich warst.“, fügte er hinzu und ließ ihr dann Zeit, sich zu fangen. „Darfst du das überhaupt?“, fragte sie mit großen Augen. „Ich meine, eine fremde Person einfach so in deine Familie aufzunehmen…Geht das?“ „Du bist doch keine Fremde.“, erwiderte Van entrüstet. „Einfach so passiert es ja auch nicht. Ich trage mich schon lange mit dem Gedanken und du hast dir einen Platz an meiner Seite verdient. Und ich darf es tatsächlich. Es gibt kein Gesetz dagegen, jedenfalls kein schriftliches. Und was meine geschätzten Kollegen sagen werden…oder Farnelias Bevölkerung…wird von dir abhängen. Du wirst all die Aufgaben übernehmen müssen, für die ich bisher keine Zeit hatte. Empfänge, Bälle, Konferenzen, Turniere…Deine erste Pflicht wird bereits die Schirmherrschaft über das Turnier hier in Farnelia sein. Da ich daran teilnehme, kann ich nicht selbst der Patron sein. Selbstverständlich nur, wenn du einverstanden bist.“ „Und wenn nicht?“, erkundigte sich Merle. „Dann kannst du dir deinen Nachnamen aussuchen oder die Urkunden gleich verbrennen. Du wirst immer einen Platz bei mir haben und wir finden sicherlich auch andere Aufgaben, die du übernehmen kannst. Als Agentin kann ich dich ja leider nicht mehr einsetzten, da du inzwischen bei gewissen Leuten in aller Munde bist.“ „Hab ich Bedenkzeit?“ „Nur zwei Tage…Dann findet der Eröffnungsball in der Markthalle statt. Ach ja, wenn du mein Angebot annehmen willst, musst du dir ein Begleitung für den Ball suchen. Ich kann ja schlecht mit meiner Schwester dorthin gehen.“ Da wurde Merle misstrauisch. „Hat Allen dich überredet, mir den Namen der Königsfamilie zu verpassen?“ „Nein, aber er hatte mich gebeten, dich in den Adelsstand zu heben. Sein Vorschlag hatte mich davon überzeugt, dass der richtige Augenblick gekommen ist dich in meine Familie aufzunehmen. Ich beriet mich daraufhin mit Hitomi und sie stimmte zu. Dann hab ich auch schon die Papiere ausgestellt.“, zählte Van auf und bemerkte dann erst ihre saure Mine. „Stimmt etwas nicht?“ Merle knallte die Urkunden auf den Tisch und rannte aus dem Raum hinaus durch die Flure in ihre Wohnung. Vor lauter Wut hätte sie beinahe die Tür eingetreten, anstatt sie aufzuschließen. „DU!“, schrie aufgebracht Allen an und packte ihn am Kragen. „Ein Straßenmädchen ist dir wohl nicht gut genug, du aufgeblasener Lackaffe! Du musst sie natürlich in eine Prinzessin verwandeln!“ Plötzlich spürte er keine Boden mehr unter seinen Füßen. Ein paar Sekunden hielt sie ihn in der Luft, ehe sie ihn gegen den Kleiderschrank schleuderte. „Warte…bitte…Ich wollte nicht, dass er soweit geht…Ich wollte…nur, dass man dich nie wieder so behandelt…wie in Orio.“, flehte Allen, während er nach Atem rang und Merle ihre Fäuste knacken ließ. „Es ist mir egal, welchem Stand du angehörst. Deswegen wollte ich dich unbedingt vor dem Essen fragen…Damit nicht der Eindruck entsteht…“ „Dir ist es also egal, ob ich Van erlaube den Wisch zu unterschreiben?“, zweifelte Merle, während sie ihr Knie in seinen Bauch rammte. „Natürlich!“, rief Allen verängstigt. Auf dem Boden hockend bemühte er sich bei Bewusstsein zu bleiben. „Und das soll ich dir glauben?“ Ein weiteres Mal zog sie ihn hoch. „Wer mit meinen Gefühlen spielt, Allen Shezar, kann sich von seinem Leben verabschieden!“ „Wie kann ich es dir beweisen?“, krächzte er. Merle seufzte, drängte ihre Wut zurück und ließ ihn runter. Als ihn losließ, brachen seine Beine unter ihm weg und sie fing ihn sanft auf. „Gar nicht, fürchte ich.“, gab sie zu und strich eine Haarsträhne aus seinem Gesicht. „Ich hab nicht vor abzulehnen. Aber wehe dir, wenn ich dich erwische, wie du mit meinem Status prahlst.“ Spielerisch drohte sie ihm mit ihrem Finger. Dennoch schluckte Allen. Einer ihrer Finger reichte aus, um schreckliche Schmerzen zu bereiten. „Entschuldige bitte die raue Behandlung! Es kommt leider nicht jeden Tag vor, dass mich jemand auf einen Ball einlädt und ich zur Prinzessin erhoben werde. Ich bin etwas neben mir.“, bat sie und richtete ihn auf. „Macht nichts. Heißt das, dass du auch mein Angebot annimmst?“, sagte Allen und stöhnte. Mit einem seiner Arme über ihrer Schulter stützte er sich auf sie, während sie ihn in ihr Bett brachte und dann langsam auf die weiche Decke sinken ließ. „Ja, das heißt es.“, antwortete sie vergnügt. Mit einem federleichten Kuss auf seine Stirn verabschiedete sie sich. „Ich hol schnell einen Arzt.“ „Warte bitte!“, sagte Allen und holte ein kaputtes Kästchen aus seinem Gewand hervor. Vorsichtig nahm es Merle es entgegen und brach es auf. Die Kette darin fiel heraus und landete vor ihren Füßen. Neugierig bückte sie sich nach ihr. Im Licht, das durch die offene Tür in ihr Zimmer einfiel, betrachtete sie das wertvolle Schmuckstück. Die goldenen Glieder der Kette waren sanft geschwungen und hielten einen dunkelblauen Edelstein in der Luft, der das Licht zu verschlingen schien und doch an wenigen Stellen glitzerte, wie die Sterne am nächtlichen Himmel. „Danke!“, flüsterte Merle, während eine Träne ihre Wange hinunter lief. Plötzlich konnte sie sich nicht mehr zurückhalten und sie umarmte Allen stürmisch. Der heulte laut auf. „Verzeih mir bitte!“, flehte sie ein weiters Mal und wich zurück. Mit schmerzverzerrten Gesicht antwortete er: „Schon in Ordnung.“ „Ich hol jetzt wirklich den Arzt.“, verkündete Merle entschlossen und stürmte hinaus. Es dauerte nicht lange, da fand eine Dienerin Allen allein im leeren Zimmer liegend. Er hatte sie leider noch nicht abwimmeln können, als die frisch gebackene Prinzessin mit dem Arzt im Schlepptau eintraf… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)