Jam von Anshie ================================================================================ Kapitel 1: Jam -------------- Titel: Jam Serie: Death Note Widmung: Ryusei ~ - J A M - ~ Es wird Zeit... Ein letzter Blick auf die Uhr. Ein letzter Blick auf das Feuerzeug. Mein Name ist B. Und ich bin der Teufel. Eine Missgeburt, eine Ausgeburt des Bösen, ein Bastard. Zumindest sagen sie das. Die, die denken, sie wären etwas Besseres - was sie natürlich nicht sind. Es gibt nur einen Menschen auf dieser Welt, der besser ist als ich – und diesen Menschen werde ich besiegen. B... das ist eigentlich kein richtiger Name. Mein wahrer Name ist etwas ungewöhnlich und ich möchte ihn nicht nennen. Ich trage ihn aus dem gleichen Grund, aus welchem die Menschen mich den Teufel nennen, mich verspotten und meiden, weil sie nicht sehen, was ich sehe, weil sie nicht sehen, dass es eine Gabe ist. Es sind meine Augen. Sie sind anders, als die Augen anderer Menschen. Es sind die Augen eines Todesgottes. Und dennoch bin ich nicht weniger menschlich als sie alle auch. Nicht weniger menschlich als L. Ich bin wie er. Nur besser. Wann immer ich einen Menschen sehe, sehe ich seinen Namen und seine Lebenszeit. Das kann L nicht. Das habe ich ihm voraus. Ich werde meine Gabe nutzen. Ich werde über dich triumphieren... L... ~ Der frische Herbstwind war kalt, aber angenehm und die Luft hier draußen war klarer, als im Herzen von Winchester. Es war hier auch ruhiger. Das riesige, alte Gebäude, zu welchem der Spielplatz gehörte, schützte diesen vor dem Lärm, der von vorbeifahrenden Autos auf der Hauptstraße versuchte heranzudringen. Von drei Seiten wurde die Hof- und Gartenfläche des renovierten Waisenhauses von dichtem Mischwald abgeschirmt und einzig das gelegentliche Holpern von Zügen, deren Schienen den Wald durchzogen, erinnerte daran, dass ‚The Wammy’s House’ nicht ganz so von der Außenwelt abgeschnitten war, wie es ab und an den Anschein machte. An diesem Tag im Oktober merkte man außerdem deutlich, dass sich allmählich die kalte Jahreszeit heranschlich. Bunte Ahornblätter tanzten durch die Luft und segelten dann langsam zu Boden. Die meisten Kinder – und das waren gar nicht so viele, denn ‚The Wammy’s House’ hatte seine Tore erst vor einem halben Jahr speziell für hochtalentierte, elternlose Kinder geöffnet - spielten ausgelassen und den meisten merkte man nicht an, dass sie anders waren, als andere Kinder ihres Alters. Ein kleiner, schwarzhaariger Junge, schätzungsweise acht Jahre alt, saß auf einer der beiden Schaukeln. Die Füße reichten gerade auf den ausgetrockneten Boden und drückten sich in regelmäßigen Abständen davon ab, so dass die Schaukel mit einem leisen Quietschen hin und her schwang. Nur ganz leicht. Gerade so stark, dass der Junge sein Umfeld noch ausgiebig beobachten konnte. Die anderen Kinder spielten gerade Fußball. Sie interessierten ihn nicht besonders. So lange sie ihn in Ruhe ließen, ließ er sie auch in Ruhe. Er war ja schließlich nicht dumm – und schon gar nicht streitsüchtig. Ein besonders großes rotbraunes Ahornblatt landete direkt vor seinen Füßen. Er bückte sich nach vorn, um es aufzuheben. Er würde es trocknen und zu den anderen in seine Sammlung tun. Gerade hatten seine schlanken Finger den Stiel berührt, da stieß etwas plötzlich gegen seine Hand, sodass er sie reflexartig zurückzog. „Sorry!“, hörte er eine laute, aber nette Mädchenstimme und als er aufblickte, sah er das Mädchen, zu welchem sie gehörte. Caroline hieß es. Das wusste er. Er schwieg und blickte auf den Fußball, den Caroline in der Zwischenzeit aufgehoben hatte. „Tut dir deine Hand weh?“, fragte sie. Er warf einen Blick auf seine eigene Hand, antwortete jedoch nicht. „Caroline!“, unterbrach eine dritte Person das Geschehen. Einer der Jungs, der auch mit Fußball gespielt hatte, war zu ihnen gelaufen und sah B, der immer noch auf der Schaukel saß, von oben herab skeptisch an. „Komm schon!“, sagte er matt und obwohl nicht sie es war, die er ansah, wusste B sofort, dass nicht er, sondern Caroline gemeint war. „Du weißt doch, was die Schwester gesagt hat!“ Die großen braunen Augen des Mädchens sahen plötzlich mitleidig aus – und dieser Blick galt voll und ganz dem Schwarzhaarigen auf der Schaukel. „Bis dann“, sagte sie rasch, machte kehrt und lief davon. Der Junge tat es ihr nach. Nicht jedoch, ohne B zuvor noch einen finsteren Blick zuzuwerfen. „Hast du seine Augen gesehen?“, hörte B ihn noch Caroline fragen. Er blickte wieder nach unten. Das rotbraune Ahornblatt war zertreten. Seine Augen. Sogar die Schwestern redeten schon darüber. Seit er denken konnte, sagten die Menschen, er habe rote Augen. B fand nicht, dass seine Augen rot waren. Sie waren braun. Rotbraun wie das zertretene Ahornblatt. Und er hatte sich oft im Spiegel betrachtet. Sehr oft. Wann immer sie es ihm gesagt hatten, hatte er nachgeschaut, um es zu überprüfen. Vielleicht glänzten sie ja im Licht etwas rötlich, anders konnte es nicht sein. Oder aber, die Menschen sahen seine Gabe. Im Ausgleich dafür, dass er ihre Namen und Lebensspannen sehen konnte. B war nicht hässlich. Im Gegenteil. Er hatte sie oft sagen hören: „So ein hübscher Junge. Wenn nur diese Augen nicht wären...“ Seine Augen waren, mal abgesehen davon, dass sie verflucht sein sollten, groß und stets wachsam. Seine Züge waren weich, sein Haare etwas länger als bis zu den Ohren und seine Haut hatte eine gesunde Farbe. Er hatte keine abstehenden Ohren und auch keine schiefen Zähne, wie viele andere Kinder seines Alters. Ja, er war definitiv ein hübscher Junge. Auch wenn es ihn nicht sonderlich interessierte. Schwester Amy stand an der Terrassentür und rief sie zum Mittagessen herein. Schweigend stand B auf und reihte sich in die Kinderschar ein. Er mochte Schwester Amy nicht. Er mochte niemanden hier. Die Erwachsenen waren fast noch schlimmer als die Kinder. Sie lächelten und verhielten sich ihm gegenüber wie allen Anderen gegenüber auch. Doch hinter vorgehaltener Hand nannten sie ihn ‚Teufel mit den roten Augen’. Aber sie würden schon noch sehen. Irgendwann, da würde er der größte Detektiv der Welt sein. Alle würden ihn kennen und ihm Respekt zollen. Er würde die Hoffnung der Menschheit im Kampf gegen die Kriminalität werden. Das hatte Roger ihm gesagt. Darum war er ja B geworden. Seinen wahren Namen sollte niemand kennen. Schließlich würde er auch zum größten Gegenspieler aller Verbrecher werden und da war es absolut notwendig inkognito zu bleiben. Als B die kleine Mensa betreten wollte, sah er Roger an der Treppe stehen. Der ältere Mann lächelte wie immer freundlich. B wusste nicht, ob Roger wirklich anders war, als die anderen Menschen, oder ob er nur deshalb so nett zu ihm war, weil B sozusagen die Hauptrolle in seinem Projekt spielte. Dieses Waisenhaus diente einzig und allein dem Zweck, ihn zu finden. Die Geheimwaffe der Polizei, den größten Meisterdetektiv der Welt. Roger winkte B mit einer kurzen, beiläufigen Handbewegung heran und lächelte noch eine Spur breiter, als er sah, wie artig B gehorchte und auf ihn zukam. Oder bildete B sich das nur ein? „Würdest du einen Moment mitkommen, B?“, sagte Roger und obwohl der ältere Mann seinen Satz als Frage formuliert hatte, wusste B genau, dass es eine Aufforderung war. Er folgte dem Waisenhausgründer die Wendeltreppe nach oben und in sein Büro, am Ende des Flures. Der kleine, spartanisch und wie für Roger typisch bescheiden möblierte Raum, war nicht leer, als sie eintraten. Neben einem der beiden Sessel, die vor Rogers Schreibtisch platziert waren, stand Quillsh Wammy, Rogers alter Freund und Mitgründer, nach dem das Waisenhaus benannt war. Quillsh war wie immer komplett in einen langen, schwarzen, filzigen Mantel gehüllt. Den passenden Hut dazu hatte er jedoch abgenommen und hielt ihn in der Hand. „Da sind wir schon“, sagte Roger, legte die Hand auf Bs Schulter, schob ihn ein Stück weiter ins Zimmer hinein und ging dann um den Tisch herum zu seinem eigenen Stuhl. „Setz dich!“, wandte er sich nun wieder an B, während er selbst ebenfalls Platz nahm. Als B die letzten Schritte auf die beiden Sessel zu machte, sah er, dass einer davon bereits besetzt war. Über die hohe Sessellehne hinweg hatte er nicht gesehen, dass dort ein Junge saß, etwa in seinem Alter. Er hatte die gleichen kohlefarbenen Haare, doch anders als Bs waren sie ungekämmt und sahen alles andere als weich aus. Die Haut des fremden Jungen war weiß wie Schnee und er starrte B aus großen, hervortretenden, schwarzen Augen an. Diese Augen waren gruslig! Nicht Bs! In dem viel zu weiten weißen Pulli und den ausgewaschenen Jeans erinnerte er B fast an ein Straßenkind. Alles in allem wirkte er äußerst knochig und krank. „Ich möchte dir jemanden vorstellen“, begann Roger an B gewandt und der Angesprochene nahm endlich auf dem riesigen freien Sessel Platz. „Das ist L.“ L? Bs Augen weiteten sich. Einfach nur L? Wieso nur ein Buchstabe? Außer ihm wurden doch eigentlich alle Kinder beim Namen genannt. Wieso schien Roger ihm dann so offensichtlich nicht den Namen dieses... B drehte sich um und blickte erneut in das bleiche Gesicht, welches ihn ebenso musterte. L? L Lawliet? Die roten Lettern flackerten über dem Kopf des blassen Jungen, darunter eine mehrstellige Zahl, der B im Augenblick keine größere Beachtung schenkte. Er hieß wirklich so? Sein Vorname bestand tatsächlich nur aus einem Buchstaben? Aber wieso? Wer gab seinem Kind denn schon so einen Namen? Durfte man das überhaupt? Egal. Er hatte sich umsonst gesorgt. Etwas merkwürdig fand er es jedoch trotzdem, dass Roger ihn extra in sein Büro rief, nur um ihm ein neues Kind vorzustellen. War das ein Versuch, ihn in Kontakt mit Gleichaltrigen zu bringen? Da hatte Roger die Rechnung aber ohne ihn gemacht. Der Neue würde sich ohnehin mit den anderen Kindern anfreunden, er würde erfahren, was sie und auch alle Erwachsenen über ihn sagten und er würde beginnen, das Gleiche von ihm zu halten. Der Welt größter Detektiv musste nun mal ein Einzelgänger sein. So war das einfach. „L strebt das gleiche Ziel an, wie du, B.“ Der Satz kam so plötzlich, so niederschmetternd und unerwartet, dass B einen Moment brauchte, bis die ihm eben mitgeteilte Information sein Gehirn erreichte. Also doch! L... B... Zwei Pseudonyme für den gleichen Titel. Der größte Detektiv aller Zeiten. Und mit einem Mal sah B den Schwarzhaarigen auf dem Sessel neben sich mit anderen Augen. Eine blasse, hagere Gestalt mit tiefen Schatten unter den riesigen Augen, die seinem Blick standhielten als wollten sie sagen: „Ich bin besser als du!“ Nein! Das würden sie ja sehen! B hörte nicht einmal mehr genau, was Roger sagte. „Lernt euch kennen! Lernt von einander, aber vergesst nicht, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem einer von euch die Position übernehmen wird und der andere nicht!“ B würde nicht verlieren, so viel stand fest. Vielleicht war er ja tatsächlich der Teufel, aber ein Verlierer war er nicht. Er würde es Roger schon zeigen. Und diesem L. Und Quillsh Wammy, der so schweigend und stocksteif neben L stand und so tat als ginge ihn das alles gar nichts an. Und allen Menschen, die jetzt noch über ihn spotteten. „Nein“, sprach er es schließlich aus und stand auf. Roger rückte seine runde Brille zurecht. Quillsh räusperte sich hinter vorgehaltener Hand. „Tut mir leid, Roger“, fuhr B fort. „Aber ich lege keinen Wert darauf, zu versuchen, von einem Gleichaltrigen etwas zu lernen.“ Er schmunzelte innerlich, als er die Reaktion auf seine Worte auf dem Gesicht Rogers sah. Niemand widersprach Roger. Das tat man einfach nicht. Aber man schlug auch nicht dem zukünftig größten Detektiv der Welt vor, von einem Kind zu lernen. Wortlos, denn für ihn war die Diskussion damit beendet, machte B kehrt und verließ das Büro. Zwei Wochen später. „Dieser L ist wirklich komisch“, hörte B Caroline sagen, als sie mit den Jungs an ihm vorbei, nach draußen zum Fußball spielen ging. „Ja“, stimmte einer der Jungs ihr zu. „Er redet nie mit uns. Wahrscheinlich hält er sich für zu klug.“ Deutlicher Hohn lag in der Jungenstimme und die anderen Kinder stimmten mit einem Lachen in das Lästern ein. B drehte sich um und sah L auf einem Sessel im Leseeck unter der Treppe sitzen. Die Haare ungekämmt wie immer, die gleiche viel zu große Kleidung wie immer. Die Beine eng an den schmalen Körper gezogen und in den Fingern eine große Tüte Gummibärchen. In den Fingern. Nicht in der Hand. L hatte offensichtlich nicht nur die Angewohnheit, immer in dieser unbequemen Pose zu sitzen, sondern auch, nie etwas richtig anzufassen, sondern immer nur mit den Fingerspitzen. Plötzlich wurde B abgelenkt, als etwas direkt vor seine Füße rollte. „Sorry“, hörte er Caroline von der Terrassentür aus rufen. B blickte auf den Fußball, dann auf die Mädchenhände, die ihn rasch aufhoben. „Hey!“, begann Caroline lächelnd. „Magst du nicht mitspielen?“ B blickte auf. Von der Terrassentür aus rief einer der Jungs – B erkannte ihn als eben jenen, der neulich noch Caroline von ihm weggezerrt hatte – „Ja, komm schon, B! Spiel mit!“ Es dauerte einen Moment, bis B überhaupt reagierte. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein“, antwortete er. „Keine Lust.“ Und damit ließ er Caroline stehen. In den Küchenschränken waren nur gesunde Sachen. Nudeln, Reis, Gewürze, Öle... in einer Schale auf dem Tisch lag verschiedenes Obst. Woher bekam L nur immer all die Süßigkeiten? Das einzige Süße, was B schließlich im Kühlschrank entdeckte, war ein Glas Erdbeermarmelade. Zielsicher griff er danach und verließ damit die Küche. L blickte von seinem Buch auf, als B sich auch nur näherte. B jedoch lächelte wissend, stieg mit den Füßen auf das Polster der Eckbank und ging exakt so in die Hocke wie L auch da saß. „Hallo, L“, grüßte er ihn, doch L antwortete zuerst nicht. B lächelte immer noch, während er das Marmeladenglas mit den Fingerspitzen aufschraubte, drei Finger hineinsteckte und dann ableckte. Keine Sekunde ließ er L aus den Augen. „Ich bin’s, B“, sagte er, obwohl er genau wusste, dass L wusste, wer er war. Bs Augen verengten sich zu Schlitzen und sein Lächeln wurde breiter. „Ich bin besser als du“, fuhr er völlig monoton fort. „Das wollte ich dir nur sagen.“ ~ Ein aller letzter Blick auf die Uhr. Ein aller letzter Blick auf das Feuerzeug. „L...“, dachte der junge Mann mit den schwarzen Haaren, die heute ungepflegt waren und in alle Richtungen abstanden. „Damals konnte ich nicht gewinnen, aber heute... heute werde ich dir beweisen, dass du nicht jeden Fall lösen kannst. Ich werde dir beweisen, dass ich am Ende doch besser bin als du.“ Eine helle Stichflamme leuchtete auf, als das Feuerzeug mit einem Zippen auf die benzingetränkten Haare traf. „Dies ist mein Abschiedsbrief, L... der mit mir verbrennt... und auf ewig ein Rätsel für dich bleiben wird. Auf immer und ewig. Der Fall, den du nicht lösen konntest.“ L A B B ~ Nachwort: Schlagt mich, es ist schon wieder kurz. û_u Aber es war ein ganz flottes Plotbunny und musste schnell eingefangen werden, damit es nicht wieder weghoppelt. Ich habs im Zug komplett auf Block geschrieben. -_- Holperholper~ Ach ja, wer die Novelle kennt, weiß wie's weiter geht. Ich hab es aber bewusst hier enden lassen. ^_~ Hoffe euch gefällts. B is for beloved! *B-Fähnchen schwenk* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)