Ayashi - Der Weg zur Wahrheit von abgemeldet ((überarbeitet)) ================================================================================ Kapitel 130: ------------- Ayashi wusste nicht recht, was sie von diesen Neuigkeiten halten sollte, doch langsam ergab alles einen Sinn: Obwohl sie irgendwann ein Leben in der Neuzeit geführt hatte, gehörte sie doch in die Vergangenheit. Okii-Konzatsu hatte dafür gesorgt, dass sie noch einmal lebte – ihr drittes Leben insgesamt und ihr zweites Leben, das in der Vergangenheit begann, doch etwas war seltsam und störte Ayashi daran. „Weshalb haben sich die Dinge nicht genauso wiederholt, wie sie beim ersten Mal verlaufen sind? Okii-Konzatsu hatte doch genau darauf spekuliert, oder nicht?“ fragte sie deshalb. „Das ist richtig, doch Heiwa-Sen lernte dazu und konnte verhindern, dass Okii-Konzatsu jemals in diese Machtstellung kam.“ stimmte Kodachi zu. „Wie darf ich das verstehen?“ „Gewisse Dinge sind anders verlaufen, da Heiwa-Sen anders gehandelt hat. Er ist nämlich – im Gegensatz zu seinem Gegenspieler, der nur Chaos stiftet, - lernfähig und dadurch auch fähig, Pläne zu fassen und logisch zu durchdenken. Während Okii-Konzatsu darauf wartete, dass beim zweiten Mal alles genauso geschah, sorgte Heiwa-Sen dafür, dass dies eben nicht der Fall war.“ Ayashi überlegte, doch sie bemerkte, dass sie Kodachi nicht recht folgen konnte. Wenn Heiwa-Sen sein Verhalten änderte, so bedeutete das doch, dass er stets um alles gewusst hatte. Wieso hatte er dann nicht Midoriko davon abgehalten, das Juwel zu erschaffen, und sie vor dem Tod bewahrt? „Seine Wege sind nicht leicht zu verstehen, Ayashi.“ meinte Kodachi, als sie den Blick ihrer Tochter sah. „Nicht leicht ist gut! Ich verstehe es überhaupt nicht. Er hat seine Tochter in den Tod gehen lassen!“ entgegnete sie aufgebracht. „Und auch seine Enkelin. Dich.“ fügte Kodachi nickend hinzu. „Das ist…“ begann Ayashi, doch brach ab, da ihr nicht das geeignete Wort einfiel, das sie auch vor ihrer Mutter in den Mund nehmen wollte. „Du wurdest geboren und Midoriko zog in den Kampf.“ „Das Juwel, das Okii-Konzatsu zu Macht verholfen hatte, entstand doch aber auch zum zweiten Mal. Das hat sich doch nicht geändert.“ „Sicher, das verhinderte Heiwa-Sen nicht, doch er wusste nun zumindest, dass er das Juwel schützen musste. Deshalb bildete er Priesterinnen aus, die die Einflüsse des Juwels kontrollieren würden, damit es seine Macht nicht entfalten konnte.“ „Das war der einzige Unterschied? Das allein konnte garantieren, dass Okii-Konzatsu seine Macht nie erhielt? Wenn Okii-Konzatsu nicht Heiwa-Sen gestürzt hat, dann braucht man mich doch gar nicht…“ „Dass du Okii-Konzatsu bei deinem ersten Aufenthalt hier als den entlarvt hast, der er war, war nicht deine Aufgabe. Die Prophezeiung blieb bestehen. Und auch Midorikos Vision und die falsche Interpretation blieben. Du hast immer noch deine Aufgabe. Ein andere zwar, aber immer noch eine Aufgabe.“ „Hängt meine Aufgabe damit zusammen, dass die Priesterin Kikyo das Juwel mit sich… verbrannt hat?“ fragte Ayashi nach einer Weile „Du begreifst schnell, Ayashi.“ meinte Kodachi. Ayashi schüttelte den Kopf. Dass sie darauf kam, war nicht so schwer. Sie hatte die Nachricht an Kikyo überbracht. Sie war kurz nach Kikyo gestorben – und Heiwa-Sen hatte gewusst, dass das so kommen würde. „Heiwa-Sen sah, dass es nach Kikyo keine Nachfolgerin geben würde, die die Fähigkeiten hätte, das Juwel zu schützen. Kikyo war einfach zu jung, selbst eine Priesterin auszubilden, und niemand sonst hatte die Kraft dazu, ihre Aufgabe zu übernehmen. Deshalb hat er dich zu ihr geschickt, damit du ihr ausrichtest, dass sie das Juwel mit aus der Welt der Lebenden nehmen soll, wenn sie stirbt.“ „Er fürchtete sich doch noch davor, dass sich die Geschehnisse wiederholen könnten. Das Juwel ohne Hüterin… das hätte Okii-Konzatsu wieder mächtig machen können.“ erwiderte Ayashi, während sie bei sich nickte, als sie langsam begriff. „Ja, Kikyo befolgte zum Glück deinen Rat. Das Juwel konnte die Welt der Lebenden verlassen und gelangte in die Götterwelt.“ „Wo es nicht hingehört.“ murmelte Ayashi. Kodachi nickte nachdenklich und wollte schon etwas entgegnen, als Ayashi fortfuhr: „Und ich wurde während des Kampfes schwächer, als das Juwel die Welt verließ, damit ich ihm… folgen konnte. Hat Heiwa-Sen etwa meine Kräfte auch blockiert? Hat er mich genauso geopfert wie seine Tochter?“ Kodachi zögerte, was Ayashi nicht glauben konnte. Sie hatte insgeheim schon vermutet und befürchtet, dass es so war, doch durch Kodachis Zögern wurden ihre Gedanken bestätigt. „Heiwa-Sen muss schwere Entscheidungen treffen, um das Gleichgewicht zu erhalten…“ „Nein! Ich will das nicht hören. Es ist schlimm genug, hier zu sein, aber dass ich nur gestorben bin, um hier zu sein und eine Aufgabe zu erfüllen, die ich nicht erfüllen will, ist das letzte!“ „Ayashi, von deiner Aufgabe und ihrer Erfüllung hängt nun alles ab.“ versuchte Kodachi, sie zu beruhigen, doch Ayashi schüttelte vehement den Kopf, da sie das überhaupt nicht ruhiger machte, sondern nur noch mehr aufregte. „Und dafür soll ich jetzt wohl noch dankbar sein, ja?“ wollte sie wissen, doch erwartete keine Antwort. „Ich will ihn sehen! Heiwa-Sen. Ich will in das Gesicht des Wesens blicken, das solche Entscheidungen trifft!“ fuhr sie aufgebracht fort. Kodachi senkte traurig den Kopf und entgegnete vorsichtig: „Das ist nicht möglich.“ „Wieso nicht?!“ „Du würdest es nicht… Seine Erscheinung ist überwältigend. Er besteht aus purer Energie. Dafür bist du noch nicht bereit, glaub’ mir.“ Sie hatte keine Lust mehr. Sie wollte nicht mehr. Sie wollte … tot sein. In der Unterwelt war es mit Sicherheit besser als in dieser Götterwelt, in der sich ihr gerade alle verzwickten und endgültigen Entscheidungen eröffneten, die ein völlig Fremder ohne Rücksicht auf sie für sie getroffen hatte! „Ayashi, versuch’ bitte, zu verstehen, dass du… sehr wichtig für Heiwa-Sen bist. Nur deshalb hat er…“ „Sesshoumaru war sehr wichtig für mich. Kataga war sehr wichtig für mich. Mein Leben war sehr wichtig für mich.“ presste Ayashi zwischen den Zähnen hervor und atmete genervt aus, während sie einen Moment die Augen schloss. „Was ist also meine Aufgabe? Und weich’ mir bitte nicht wieder aus.“ fügte sie etwas ruhiger hinzu. „Sobald das Juwel hier eintraf, seine Kräfte nicht mehr durch eine Priesterin kontrolliert und die dämonische Energie gereinigt wurde, erstarkte Okii-Konzatsu.“ „Das bedeutet aber nicht, dass er zurück ist, oder?“ fragte Ayashi dazwischen, worauf Kodachi den Kopf schüttelte. „Nein, noch nicht. Er versucht aber zurückzukehren. Die Dämonen im Juwel wollen ihm helfen und auch die Dämonen in der Unterwelt drängen gegen die Grenze zwischen den Welten. Sie hoffen, durch die Macht des Juwels der Unterwelt durch die Götterwelt zu entkommen und wieder in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Du weißt, was das bedeutet: Chaos würde ausbrechen – und mit dem Chaos würde Okii-Konzatsu herrschen.“ „Die Dämonen der Unterwelt wollen die Götterwelt also als Durchgang zu der Welt der Lebenden benutzen?“ „So ist es. Midoriko kämpft im Juwel gegen die Dämonen an, doch die reine Aura dieses Ortes, in dem sich das Juwel nun befindet, macht die Dämonen im Inneren des Juwels wilder, anstatt sie zu reinigen oder läutern. Das vermag nur eine Priesterin.“ „Weshalb brachte Heiwa-Sen das Juwel überhaupt hierher, wenn es niemand…“ „Hier gibt es die Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen. In der Welt der Lebenden wären die Ausmaße der Katastrophe unvorstellbar.“ unterbrach Kodachi ihre Tochter und fuhr fort: „Midoriko kann nur gegen die Dämonen im Inneren des Juwels kämpfen und somit dafür sorgen, dass das Juwel nicht durch die angelockten Dämonen zu stark verunreinigt wird, aber sie kann es nicht allein.“ „Sie braucht also Hilfe… von außen. Verstehe ich das richtig?“ fragte Ayashi, worauf Kodachi nickte, und Ayashi erinnerte sie dann an eine ziemlich wichtige Tatsache: „Ich bin aber keine Priesterin.“ „Deshalb wurdest du auch nicht hierher gerufen. Du sollst das Juwel nicht läutern.“ erwiderte Kodachi. Ayashi zog eine Augenbraue hoch, da sie nun doch nicht verstand, was sie dann tun sollte. „Du wurdest gerufen, um diese Dämonen, die aus der Unterwelt angelockt werden, daran zu hindern, sich des Juwels der vier Seelen zu bemächtigen und die Welt der Lebenden zu betreten. Das ist deine Aufgabe.“ „Ich werde diese Dämonen und Geister also bekämpfen. Das ist meine Aufgabe? Warum kann das kein Gott oder keine Göttin tun?“ wollte Ayashi wissen. Kodachi zuckte die Schultern. „Im Grunde brauchen sie eine fähige Kämpferin – und Kämpfer sind die Götter wahrlich nicht, Ayashi. Du bist es. Du bist Youkai und kannst dich dem Einfluss des Juwels entziehen. Seine Existenz und Macht interessieren dich nicht einmal – und das ist gut so. Du wirst die Dämonen, die an die Grenze treten, zurückschlagen und somit die Götterwelt und die Welt der Lebenden schützen.“ meinte Kodachi. Ayashi hörte, dass Kodachis Stimme kaum Widerspruch zuließ, doch nicht, da sie besonders hart oder bestimmt gesprochen hatte, sondern da sie beinahe traurig klang. „Wieso sollte ich das tun?“ fragte Ayashi dennoch mit rauer und belegter Stimme. „Kannst du die Welten wirklich zu einem derartigen Schicksal verdammen?“ wollte Kodachi wissen, als wüsste sie schon, dass Ayashi eh ihre Aufgabe annehmen würde, auch wenn es noch eine kleine Weile dauern würde, bis sie sich mit ihr abfand. „Wozu hat das Schicksal mich denn verdammt?“ entgegnete Ayashi bitter, doch sie erhielt keine Antwort. „Ich habe keine Wahl, oder?“ fragte sie deshalb mit gesenktem Blick, während sie noch hoffte, den nächsten Worten zu entgehen, mit denen sie schon fest rechnete. „Nein, es tut mir leid, aber die hast du wirklich nicht.“ sprach Kodachi. Ayashi nickte und fühlte sich ausgeliefert und wütend zugleich. Sie hielt nichts von ihrem Schicksal. Sie wollte das nicht. Sie hasste es, ein Spielball für Heiwa-Sen zu sein – und dennoch zu tun, was er von ihr verlangte, da sie keine Wahl hatte. Was würde mit ihr geschehen, wenn sie sich weigerte? Kaum hatte sich dieser Gedanken in ihrem Kopf geformt, meinte Kodachi: „Ich würde gerne gemeinsam mit dir kämpfen, Ayashi, aber ich bin nicht so stark, da ich eigentlich nur eine Seele bin. Nicht einmal jetzt kann ich dich unterstützen und dir zur Seite stehen.“ „Dich trifft keine Schuld an meiner Situation.“ gab Ayashi leise zurück. Sie war hin und her gerissen, doch tief in sich empfand sie eine seltsame Ruhe, die sie am liebsten wieder vertrieben hätte. Ayashi wusste, was diese Ruhe bedeutete: Dass sie ihre Aufgabe annahm. Das gefiel ihr nicht, aber sie konnte sich nicht mehr gegen diese Akzeptanz wehren, weshalb sie ihren Worten hinzufügte: „Wie lange muss ich hier bleiben?“ „Deine Aufgabe wird erfüllt sein, wenn das Juwel die Welt der Götter verlassen hat.“ „Wie wird das geschehen?“ „Es wird eine Auserwählte geben, in deren Körper das Juwel in die Welt der Lebenden zurückkehren wird, doch wann dieses auserwählte Mädchen zur Welt kommt, weiß noch niemand.“ „Es ist also nicht klar, wie lange es dauern wird.“ fasste Ayashi zusammen. „Die Zeit verrinnt hier anders. Während wir sprechen, vergingen bereits mehrere Tage in der Welt der Lebenden. Wie du die Zeit empfindest, die verstreicht, hängt davon ab, was du tust.“ erklärte Kodachi. „Und ich werde kämpfen… Wird es schneller gehen?“ „Davon gehe ich aus, aber ich bin mir nicht sicher. Zeit war für mich lange nicht mehr von Interesse.“ Ayashi nickte nachdenklich und blickte sich in dem leeren Nichts um, in dem sie sich seit ihrem Tod und ihrer Wiederauferstehung von den Toten befand. Es war trostlos und einsam, obwohl ihre Mutter bei ihr war. „Was wird mit mir geschehen, wenn ich meine Aufgabe erfüllt habe? Werde ich dann sterben?“ fragte sie schließlich, doch Kodachi lächelte ihr zuversichtlich zu. „Du darfst in deine Welt zurückkehren.“ antwortete sie und Ayashi blickte sie nur einen Augenblick fassungslos an. „Ich werde zurückkehren? Zu Sesshoumaru und meinem Vater? In mein Leben, das ich verloren habe?“ hakte sie ungläubig nach, doch sie freute sich bereits so, dass sie glaubte, ihr Herz müsste zerspringen. „Ja, Heiwa-Sen sagte, wenn deine Aufgabe erfüllt ist, wirst du dein Leben dort weiterführen, wo es geendet hat.“ versicherte Kodachi. Ayashi konnte es immer noch nicht recht fassen, doch sie fühlte eine unbändige Vorfreude in sich. Unter diesen Aussichten fiel es ihr viel leichter, ihre Aufgabe wirklich mit ganzem Wesen anzunehmen. Sie würde kämpfen. Ein unendliches Glücksgefühl tobte durch sie hindurch und bereitete ihrem Herz erneut unregelmäßige Sprünge. Ja, sie würde die Dämonen zurückschlagen und eben tun, was Heiwa-Sen wollte, doch dann… Ayashi wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken, doch schließlich kam er ihr unhaltbar laut und deutlich in den Sinn: Erfüllte sie ihre Aufgabe, harrte sie diese lange, bisher nicht näher bestimmte Zeitspanne aus, dann konnte sie irgendwann zu Sesshoumaru zurückkehren. Und dafür würde sie alles tun. Ohne Ausnahme, das wusste sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)