Ayashi - Der Weg zur Wahrheit von abgemeldet ((überarbeitet)) ================================================================================ Kapitel 85: ------------ Ayashi wartete auf eine Reaktion ihres Vaters, der sie entsetzt anblickte. Sie fühlte sich leicht – und wusste, sie sollte es nicht. Sie sollte sich schlecht fühlen oder ihr sollte zumindest übel sein. Sie hatte gerade alles preisgegeben, was sie in den letzten Jahren geheim gehalten hatte. Sie hatte zugegeben, dass sie und ihr Verhalten in den Augen der anderen ehrlos waren. Es sollte sich furchtbar anfühlen – und doch konnte sie es nicht bereuen. In diesem Moment wusste sie, dass sie es hatte sagen müssen, denn es war die einzige Chance, die sie hatte, diese Verbindung mit Hayato abzuwenden, ohne ihren Vater bloßzustellen… so verrückt das auch klingen mochte. Ihr Vater konnte nun entscheiden, wie er weiter verfahren wollte. Lehnte er das Angebot ab, weil er Ayashi angeblich noch Zeit geben wollte, und schlug ein Bündnis ohne eine Verbindung vor? Ja, das war seine einzige Möglichkeit, denn wenn er von der Unkeuschheit seiner Tochter und Nachfolgerin berichtete, um Hayato vor einem schlimmen Fehler zu bewahren, brachte er nicht nur Ayashi, sondern auch sich selbst in Verruf. Die Schande, die durch Ayashis Verhalten entstanden war, würde nicht nur sie selbst betreffen, sondern die gesamte Familie. Ayashi wusste das. Ayashi hatte mit diesen Gedanken gerechnet, denn sie kannte ihren Vater. Sie wusste, dass er umsichtig und weise war. Sie wusste nur nicht, ob vielleicht nicht doch seine Wut sein Handeln bestimmen würde, und nicht seine Vernunft. „Wie konntest du, Ayashi?“ brachte er schließlich hervor und Ayashi entgegnete nichts, sondern hielt nur seinem Blick stand. „Ist dir klar, was du damit getan hast? Ist dir klar, dass du nun wertlos bist? Ist dir klar, dass du alles riskiert hast?“ „Vater, mir ist bewusst, dass ich viel riskiert habe. Und ich weiß, was ich getan habe, aber ich bin nicht wertlos.“ widersprach Ayashi fest und blickte ihm weiter in das Gesicht, das sich schmerzvoll verzerrte. „Du bist meine Tochter, Ayashi. Ich dachte, ich hätte dich zu mehr Verantwortungsbewusstsein erzogen…. Bei allem, was dir etwas bedeutet! Wie konntest du nur?“ entgegnete Kataga mit einem Tonfall, der nicht zornig, jedoch sehr angespannt war. Ayashi wusste, dass er sich um Ruhe bemühte und bewunderte ihn dafür. Seine Welt hatte sich gerade um einiges schneller gedreht und trotzdem bewahrte er Haltung. Sie wusste, dass er seine Sichtweise über seine geliebte Tochter ändern musste. Ayashi hatte ihm vor Augen geführt, dass sie nicht diejenige war, die er glaubte, vor sich zu haben. Und sie nahm an, dass er sich in diesem Augenblick wohl so vorkam wie ein Blinder, der plötzlich durch ein Wunder sehen kann – und dem nicht gefällt, was er sieht. Und auch sie selbst schien plötzlich zu sehen, denn sie verstand Sesshoumarus Verhalten. Er hatte den Kaiser um Hilfe gebeten. Er hatte seine beiden Söhne nach Japan gebracht und Sesshoumaru hatte mit Sicherheit geahnt, dass einer von ihnen – der jüngere – eine Verbindung mit Ayashi anstreben würde, denn das war zwingend. Ob nun als Lohn für die Hilfe, als Garantie für die Freundschaft zwischen den japanischen Youkai, die für Inu-no-taishou gekämpft hatten, oder als Festigung eines offiziellen Bündnisses, war gleichgültig. Sesshoumaru hatte es gesehen und den Weg freigegeben, indem er Ayashi nicht an sich gebunden hatte. Ayashi sollte selbstständig entscheiden, ohne auf ihn Rücksicht zu nehmen, doch wie hatte er sich das vorgestellt? Glaubte er im Ernst, dass sie ihn vergessen würde, nur weil er sich ihr entzog? Dachte er wirklich, dass sie ihn in seiner Abwesenheit so schnell durch einen anderen Youkai ersetzen würde? Ayashi schüttelte leicht den Kopf und stellte sich die stumme Frage, wie er das nur für einen Moment ernsthaft annehmen konnte. Ihr Herz verstand ihn nicht, doch ihr Verstand wusste die Antwort. Sesshoumaru kannte sie. Sesshoumaru wusste, dass sie pflichtbewusst und umsichtig war. Er wusste, dass sie stets die Interessen des Großen und Gesamten über sich selbst gestellt hatte, wie es nun einmal von ihr erwartet wurde. Sie hatten ihre Beziehung geheim gehalten, da es nicht anders ging. Sie hatten sich jahrelang nicht gesehen, wenn es nicht anders ging. Sie hatten still und ausdauernd gelitten, hatten geschwiegen, hatten ertragen… Ja, dass er sie nicht für sich beanspruchen wollte, dass er es ihr nicht unnötig schwer machen wollte, wenn eine solche Entscheidung vor ihr lag, die sie nicht ablehnen durfte, konnte ihr Verstand sein Verhalten verstehen. Doch ihr Herz nicht. Es schrie. Es blutete. Es weinte. Es verstand nicht, wie er so leicht zur Seite treten konnte, wenn er sie doch liebte. Es wollte nicht sehen, dass er vernünftig war, denn es sah nur seine Resignation und seinen Verzicht, der sie so unglaublich schmerzte. Was nützte es ihr denn, dass er ihr versichert hatte, dass er sie liebte? Sie wollte es spüren – und nicht gesagt bekommen. „Wer war es, Ayashi?“ drang Katagas Stimme durch ihre Überlegungen, doch Ayashi senkte nur den Blick und schüttelte den Kopf. „Wer, Ayashi? Sag’ mir seinen Namen!“ „Nein. Es ändert nichts an der Sache, wenn du seinen Namen kennst.“ entgegnete sie, da sie wusste, dass ihr Vater ihren Liebhaber zum Kampf herausfordern konnte – und sogar musste. „Ayashi, ich kann dein Verhalten nicht dulden. Du weißt das, nicht wahr?“ meinte Kataga und Ayashi nickte. „Ich werde Fukuoka verlassen.“ eröffnete sie ihm, bevor er sie fortschicken konnte, und spürte, wie ihr Herz sich zusammen zog. „So bald wie möglich.“ stimmte er ihr zu und atmete tief durch, ehe er fortfuhr: „Ich werde den Antrag nur aufschieben, Ayashi. Ich kann ihn nicht ablehnen. Ich werde sagen, du brauchst Zeit. Du hast weder zugesagt noch abgelehnt, und möchtest nun erst auf Reisen gehen, werde ich sagen. Komm’ nicht eher zurück, bis du ihn annehmen willst, Ayashi.“ Ayashi nickte und senkte den Blick. Er ließ sie gehen. Er entließ sie. Und sie hatte keine Wahl mehr, denn sie musste gehen und konnte nicht wiederkehren. Ihr Zuhause verschloss die Türen vor ihr, doch niemand außer ihnen beiden, dem Vater und der Tochter, wusste das… würde es jemals erfahren. Ayashi blickte ein letztes Mal in das Gesicht ihres Vaters und nickte langsam, ehe ihr Blick unter aufsteigenden Tränen verschleierte. „Ich liebe dich, Vater, doch das weißt du, doch du weißt auch, dass ich mein Verhalten nicht bereuen kann. Es tut mir nur leid, dass ich dich enttäuscht habe, Vater.“ sagte sie und Kataga nickte. „Ayashi, du bist meine Tochter. Das wirst du immer sein, doch nun… geh’ und verlasse Fukuoka.“ entgegnete er mit gedämpfter Stimme. Ayashi neigte den Oberkörper und blieben einige Augenblicke in dieser Position, ehe sie ihr Schwert an sich nahm, sich erhob und mit schnellen Schritten den Raum verließ, ohne dass sie wusste, wohin sie nun gehen würde. Ayashi hatte keine Ahnung, wohin sie gehen sollte, weshalb sie sich erst einmal in den Süden aufmachte. Sie reiste langsam und meistens zu Fuß, denn sie hatte es nicht eilig und sie hatte auch kein Ziel, das sie zu einer bestimmten Zeit erreichen musste. Traurigkeit erfasste sie, als sie einen letzten Blick zurück zum Schloss ihres Vaters warf, das so lange ihre Heimat gewesen war. Sie hatte kein Ziel. Sie hatte keine Heimat. Und sie war allein. Diese Tatsachen hatten ihren Weg in ihre Gedanken gefunden und ließen sie nun nicht mehr los, doch sie wollte auch nichts an ihnen ändern. Sie hatte damit gerechnet, ihre Heimat zu verlieren, wenn sie ihrem Vater von ihrer intimen Beziehung berichtete. Sie hatte in Kauf genommen, dass sie nirgends hingehen konnte, denn auch ihre Schwester Ayame und Katsumoto, der in diesen Tagen mit anderen entscheiden musste, was aus der verräterischen Satori werden sollte, schieden aus, da sie sich nicht erklären wollte. Wie konnte sie sich auch erklären? Nachdenklich schüttelte Ayashi den Kopf und wandte sich vom Schloss ab, atmete tief durch und spürte, dass sie recht dankbar für ihre momentane Einsamkeit war. Sie fühlte, dass sie in diesen Augenblicken niemanden in ihrer Nähe brauchen konnte. Sie wusste, dass es besser so war, da ihre Gedanken sie so beschäftigten und sie sich über so viele Dinge klar werden musste. Nun, eigentlich war nur eine oder zwei Sachen wichtig, so schien es Ayashi. Sesshoumaru und sein Verhalten in dieser Sache und die Möglichkeit, ob sein Verhalten und diese ganze Sache vielleicht dazu führen konnte, dass die Vision ihrer Mutter doch noch wahr wurde. Und was sie selbst, Ayashi, tun konnte, und ob sie überhaupt etwas tun konnte, wenn es doch das Schicksal war, vor dem niemand entfliehen konnte. Sie war verwirrt und verdrängte diese Gedanken aus ihrem Kopf, doch es gelang ihr nicht lange. Sie waren zu stark und zu einnehmend. Und sie ohne Sesshoumaru, ohne Heimat und ohne Ziel war wohl zu schwach. Und diese Schwäche machte sie unglaublich wütend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)