Ayashi - Der Weg zur Wahrheit von abgemeldet ((überarbeitet)) ================================================================================ Kapitel 83: ------------ Am Abend hatte Kataga alle Möglichkeiten in seinen Gedanken hin- und hergeschoben, wie er Ayashi am besten vom Antrag des Kaisersohns erzählen sollte, doch er entschied sich schließlich dafür, ihr noch etwas Zeit zu geben, denn es gab noch etwas anderes, das er ihr mitteilen wollte. Ayashi blickte auf, als ihr Vater zu ihr trat, und nickte ihm zu. Sie brachte kein Wort heraus. „Izayoi-Sama wird bald aufbrechen.“ meinte er, nachdem er sie begrüßt hatte. „Ich lasse ihr Geleit geben.“ „Ich weiß, Vater.“ entgegnete Ayashi ruhig. „Inu-no-taishou hat Totosai angewiesen, dir dein Schwert nach seinem Tod zukommen zu lassen. Er wollte, dass du es als eine Art Erbstück erhältst, weil du ihm sehr viel bedeutet hast.“ sprach Kataga weiter und Ayashi nickte. Ihr Schwert. Sie hatte es beinahe vergessen, dass sie es noch nicht hatte, doch sie hatte mit so vielen anderen gekämpft, die ihr gut in der Hand gelegen hatten, dass der Wunsch nach ihrem eigenen, eigens für sie geschmiedeten Schwert nicht so drängend in ihr war. „Du kannst es also abholen, wenn du willst.“ fügte er hinzu und Ayashi nickte. „Wo?“ fragte sie mit brüchiger Stimme und blickte auf. „In Shimonoseki.“ gab Kataga Auskunft und Ayashi nickte wieder. „Ich denke, es wird mir gut tun, wenn ich eine Weile etwas anderes sehe als die Gärten und das Schloss in Fukuoka.“ meinte sie leise und Kataga setzte sich zu ihr. „Ayashi, du darfst nicht vergessen, wer du bist. Ich verstehe deine Trauer und glaub’ mir, dass auch meine Trauer tief und aufrichtig mein Herz erschwert, doch wir müssen stark sein.“ „Wir sind stark, Vater. Wir sind Youkai.“ entgegnete Ayashi halbherzig, da sie sich nicht stark fühlte. Sie fühlte sich verlassen und alleine. Schwach und zerbrechlich und… nicht mehr lebendig. Es fühlte sich an, als habe sie mit Sesshoumaru alles verloren, das ihr jemals etwas bedeutet hatte. Die Liebe. Das Leben. Den Verstand, denn sie konnte nicht begreifen, warum er sie verlassen hatte – zumal er gesagt hatte, dass er sie wirklich liebte, und sie ihm das glauben musste. Sie wusste, dass es wahr war. „Verstehe ich dich richtig? Möchtest du so bald wie möglich nach Shimonoseki aufbrechen?“ fragte Kataga. „Ich sehe keinen Grund, es nicht zu tun.“ gab Ayashi zurück und Kataga nickte leicht. „Ich möchte, dass du auch so bald wie möglich zurückkommst, Ayashi. Es gibt Dinge zu bereden, die nur bedingt aufgeschoben werden können.“ „Ja, Vater.“ meinte Ayashi und neigte den Kopf. Was auch immer es war – es konnte warten. Sie wollte hinaus. Sie wollte frische Luft atmen, denn die Luft im Schloss kam ihr so seltsam staubig und trocken vor. Sie wollte Freiheit und Ruhe… Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Am nächsten Morgen brach Ayashi auf und reiste schnell. Sie vermutete, dass Totosai schon in Shimonoseki war, und wollte ihn nicht unnötig warten lassen. Sie genoss die kühle Luft, die den kommenden Winter ankündigte. Vogelschwärme hoben sich in den Himmel und zogen unter den Wolken vorbei. Der Abend dämmerte bereits, als sie das Schlosstor erreichte und von den Wächtern, die sie erkannten, ohne eine Erklärung eingelassen wurde. Ein höherer Beamter hieß sie willkommen. „Ayashi-Sama, es ist eine Ehre, dass Ihr hier seid.“ meinte er und verneigte sich tief. „Ich danke Euch.“ entgegnete Ayashi und neigte leicht den Kopf. „Wir wurden von Eurer baldigen Ankunft unterrichtet, doch leider muss ich Euch mitteilen, dass Totosai noch nicht in Shimonoseki angekommen ist.“ „Ist es mir gestattet, auf ihn zu warten?“ fragte Ayashi höflich und der Beamte nickte eifrig. „Gewiss, Ayashi-Sama, gewiss. Der junge Herr…. Fürst Sesshoumaru-Sama trug mir auf, Euch mitzuteilen, dass Ihr in Shimonoseki jederzeit und in allen Situationen willkommen seid.“ entgegnete der Beamte und Ayashi schluckte. „Das ist sehr zuvorkommend.“ meinte sie schließlich und der Beamte winkte mehrere Diener zu sich, die Ayashi in die Gemächer führten, die sie stets bezogen hatten, wenn sie Inu-no-taishou besucht hatte. Alles erinnerte sie an den verstorbenen Youkai, der ihrem Vater so ein guter Freund gewesen war, doch sie bemerkte die seltsame, trauernde Stille, die wie ein undurchsichtiges Tuch über allem lag, als sei das Leben insgesamt aus diesem Ort gewichen. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie allein in ihren Gemächern war. Sie hatte inständig gehofft, dass sie Sesshoumaru in Shimonoseki antreffen würde, doch er war nicht im Schloss, da er mit Yaken unterwegs war und sein Reich einte. Ayashi wurde unwohl, als sie sich vorstellte, wie er Kämpfe und Schlachten bestritt und sich täglich in Gefahr und vielleicht nur einen Schritt von der Schwelle des Todes entfernt befand. Wie schnell würde sie erfahren, wenn auch Sesshoumaru etwas zugestoßen war? Erschöpft und traurig streifte Ayashi ihre Kleidung ab und legte ein Nachtgewand an. Langsam ließ sie sich auf das Nachtlager nieder, das man ihr gerichtet hatte. Sesshoumaru war in ihren Gedanken, als sie ihr Gesicht in das Laken drückte. Sie sehnte sich nach Sesshoumarus Stimme. Sie sehnte sich nach seiner Wärme und seinen starken Armen, die sie beschützend und liebend umfingen. Sie hatte das Gefühl, dass sie innerlich zerspringen musste, wenn sie an ihn dachte. Sie hatte das Gefühl, als sei Sesshoumarus Umarmung, seine Stärke und die Gewissheit seiner Liebe die ganze Zeit hindurch das einzige gewesen, das sie daran gehindert hatte, zusammen zu brechen und aufzugeben. Nun… konnte sie nicht verleugnen, dass er und seine Liebe ihr fehlte, obwohl er sie ihr versichert hatte. Ayashi erwachte am nächsten Morgen, nachdem sie beinahe die gesamte Nacht geweint hatte, und erhob sich matt von ihrem Lager. Sie wusch ihr Gesicht mit eiskaltem Wasser und vertrieb so ihre geröteten Augen, ehe sie sich ordentlich ankleidete und ihr langes Haar kämmte. Sie öffnete die Tür, die auf die Engawa hinausführte, und augenblicklich trat ein Diener zu ihr. „Verzeiht, Hime-Sama, doch Totosai ist eingetroffen.“ sprach er sie vorsichtig an und blieb verneigt vor ihr stehen. „Danke. Wo finde ich ihn?“ „Er erwartet Euch in der großen Halle, Hime-Sama.“ gab er Auskunft und Ayashi dankte ihm noch einmal, bevor sie durch den Palast in die große Halle eilte, in der Inu-no-taishou früher seine Verbündeten empfangen hatte. Totosai saß auf dem Boden vor dem Podium, auf dem Inu-no-taishous Rüstung aufgestellt worden war, und hatte den Blick gesenkt. Ayashi trat leise näher und schluckte die Tränen, die sich in ihre Augen drängten, hinunter, als sie Inu-no-taishous Rüstung sah. „Ayashi-Sama, Ihr seid hier.“ meinte Totosai mit ruhiger Stimme und Ayashi nickte nur. Der alte Mann drehte sich leicht zu ihr um und warf ihr einen kurzen Blick zu, mit dem er sie nur streifte, ehe er sich wieder der Rüstung zuwandte. „Könnt Ihr mir erklären, was es mit diesem Brauch auf sich hat, Ayashi-Sama?“ „Die Rüstung Inu-no-taishous ist … ein Zeichen dafür, dass Sesshoumaru-Sama selbst die Herrschaft noch nicht rechtmäßig übernommen hat. Natürlich ist er der neue Herr, der neue Fürst des Westens, doch Shimonoseki wird durch die Rüstung symbolisch als Inu-no-taishous Eigentum gekennzeichnet, bis Sesshoumaru den letzten Willen seines Vaters erfüllt hat und sich somit endgültig für die Herrschaft qualifiziert hat.“ „Die Einigung des Reiches.“ flüsterte der Schmied und Ayashi nickte, während sie überlegte, warum seine Rüstung hier war und nicht in Nanao, wo das größere und bedeutendere Machtzentrum Inu-no-taishous gelegen hatte. Der Schmied erhob sich schwerfällig und griff nach einem Bündel, ehe er auf Ayashi zuging und sich vor ihr verneigte, da er das vorher nicht getan hatte. Langsam ließen sich beide auf den Boden nieder und Totosai blickte die Hime vor sich an. „Ihr seid sehr blass, Ayashi-Sama.“ bemerkte er, denn obwohl er sie schon lange nicht mehr gesehen hatte, erinnerte er sich daran, dass sie besser aufgesehen hatte. „Es geht mir nicht gut.“ erwiderte sie ehrlich und der Schmied nickte. „Inu-no-taishou bat mich, Euch Euer Schwert als Erbstück erst nach seinem Tod zu übergeben, obwohl es schon seit geraumer Zeit fertig gestellt war.“ meinte Totosai und schlug das Tuch von der Waffe zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)