Ayashi - Der Weg zur Wahrheit von abgemeldet ((überarbeitet)) ================================================================================ Kapitel 37: ------------ Während Ayashi so an ihre Schwester dachte, trat ihr Vater hinter sie und setzte sich zu ihr. „Es gibt schlechte Nachrichten.“ begann er ohne Umschweife und sie nickte. „Das dachte ich mir schon.“ gestand Ayashi. „Weshalb?“ „Die Stimmung war sehr gedrückt in den letzten Tagen und du wolltest nicht sagen, was geschehen ist.“ erklärte Ayashi und sah ihren Vater an. Kataga nickte und war froh, dass seine Tochter nur über einen wachen Verstand, nicht aber über die Gabe der Voraussicht verfügte. „Du erinnerst dich doch daran, dass Zhu-Lien und Zhang um ihre Entlassung gebeten haben.“ „Natürlich, ich bedaure das immer noch sehr.“ „Ich fürchte, wir haben durchaus mehr Grund, das zu bedauern.“ meinte Kataga gedrückt. „Ich kann dir nicht folgen. Was ist geschehen?“ wollte Ayashi wissen und blickte ihren Vater eindringlich an. „Im ganzen Land haben chinesische Youkai im Dienste japanischer Youkai um ihre Entlassung gebeten – immer vereinzelt, damit es nicht auffallend ist, doch inzwischen befindet sich kein chinesischer Youkai mehr in Japan. Sie haben alle das Land verlassen.“ Ayashi hörte ihrem Vater gebannt zu, der nun wieder weitersprach: „Sie greifen uns an.“ „Wer? Die chinesischen Youkai?“ fragte Ayashi überrascht. „Eine große Anzahl von Youkai vom Kontinent. Die meisten von ihnen sind wohl aus China. Der Anführer der feindlichen Armee heißt Hyouga, seinen Sohn nennt man Menoumaru.“ „Ich kenne die Namen nicht.“ „Ich hoffe, dass du die Youkai, die diese Namen tragen, nie kennen lernen musst, Ayashi.“ gestand Kataga und sprach weiter: „Ich werde mit einem Großteil der kampffähigen Youkai in den Krieg ziehen, Ayashi.“ „Ich kann kämpfen.“ erinnerte Ayashi ihren Vater, doch er schüttelte den Kopf. „Ja, das kannst du, doch du wirst hier gebraucht. Wir wissen, dass Hyouga an der gesamten Länge der Westküste angreifen wird, weshalb ich annehme, dass Kyushu erst einmal nicht wichtig für die Invasoren sein wird. Du wirst in Fukuoka bleiben und das Schloss verteidigen, sollten wir die chinesischen Youkai nicht an der Küste aufhalten können.“ Ayashi wusste, dass ihr Vater den ungefährlicheren Ort für sie gewählt hatte und sie deshalb nicht mit ihm ziehen sollte, doch sie wusste auch, dass er Recht hatte: sie konnten nicht alle das Schloss verlassen und es ungeschützt zurücklassen. Die Frauen und Kinder der Beamten waren noch hier und konnten nirgendwo anders Schutz suchen. Jemand musste sie verteidigen, wenn es sein musste. „Ayashi, hörst du mir zu?“ unterbrach Kataga ihre Gedanken. „Ja, Vater.“ entgegnete sie und Kataga fuhr fort: „Wenn du auch hier bleibst und nicht direkt an den Hauptkampfhandlungen beteiligt sein wirst, erwarte ich sehr viel von dir. Unser Gebiet ist vom Meer umschlossen und unser Schloss liegt sehr nahe an den wahrscheinlichen Kampfplätzen. Es reicht nicht, wenn du reagierst, sobald du Feinde siehst. Du musst immer wachsam sein, Ayashi. Ich lasse eine stabile Verteidigung aufstellen, die dir unterstehen wird. Hankan wird dir mit Rat und Tat beiseite stehen können. Ich möchte, dass du die grundlegenden Vorgehensweisen mit ihm absprichst. Du kannst auf seine Erfahrung vertrauen, Ayashi.“ Jetzt war es Ayashi völlig klar: Ihr Vater rechnete fest mit einem Angriff auf sein Schloss und deshalb bliebt sie hier. Hatte er seine Meinung so grundlegend geändert? Hatte sie nun die Chance, die sie immer hatte erhalten wollen? Ein heißer Schauer überfiel Ayashi, als sie sich das Ausmaß ihres eventuellen Versagens vor Augen führte. „Ban und Yoru möchte ich dir ebenfalls lassen, damit sie die Youkai, die hier bleiben werden, sicherlich in deinem Sinne führen werden. Sie sind dir treu ergeben.“ Ayashi nickte geistesabwesend, doch verstand jedes Wort. Hankan, der erfahrene General, sowie die Zwillingsbrüder Ban und Yoru gehörten zu Katagas besten Männern, doch Ayashi vermutete, dass er ihr dann nur noch wenige Youkai-Krieger zur Seite stellte. Eine Verteidigung von drei begnadeten Kämpfern, einer einigermaßen ausgebildeten Hime ohne wirkliche Kampferfahrung und höchstens sechs weiteren Kriegern musste also genügen, um Fukuoka zu verteidigen. „Komyo und seine Gemahlin Kaori werden beide in die Schlacht ziehen. Komyo hat im Moment nicht die Nerven, sich gegen ihre Sturheit zu behaupten, und lässt ihr ihren Willen. Inu-no-taishou und ich sind uns einig, dass Kaori unsere Reihen durchaus verstärken kann. Komyo schickt seine beiden Söhne Kouga und Higen zu dir und überlässt sie deiner Obhut. Komyo vertraut dir, Ayashi.“ „Ich werde sein Vertrauen nicht enttäuschen und seine Söhne schützen.“ versprach Ayashi, doch sie wusste, wie leer dieses Versprechen eventuell sein konnte, wenn Dinge geschahen, die keiner von ihnen jemals für möglich erachtet hatte. „Vater?“ fragte sie mit zitternder Stimme. Kataga blickte sie verstört an, denn Schwäche kannte er von ihr nicht, und wartete auf ihre Frage. „Wenn ein Angriff auf das Schloss so wahrscheinlich ist, warum bleibst du dann nicht?“ „Ayashi, ich muss meinen Verbündeten zur Seite stehen und nicht mein Eigentum verteidigen. Ich werde alles tun, um Angreifer vom Schloss fernzuhalten, doch das werde ich von der Küste aus tun. Ich habe vor, mit möglichst vielen Youkai den Feind direkt anzugreifen.“ Ayashi nickte. „Hast du Angst?“ fragte er sie. „Ich weiß es nicht.“ gab sie zu und blickte ihren Vater offen an. „Ich fürchte nicht den Kampf. Ich fürchte nicht den Tod. Ich werde die Leben, die mir anvertraut werden, mit meinem Leben bewahren, wenn es sein muss, doch ich fürchte, dass ich versagen könnte.“ erklärte sie die Gefühle, die in ihr erwacht waren. „Du brauchst keine Angst haben, Ayashi. Die Auseinandersetzung wird zwar heftig werden, doch nicht in einen Stellungskrieg ausarten.“ Ayashi konnte ihm nicht recht glauben, doch sie nickte. Wie konnte er sich so sicher sein? „Wie ist das möglich, dass sich die chinesischen Youkai formiert haben? Die Drachen… Haben die Drachen etwa ihre Macht über China verloren?“ „Es sieht danach aus, dass die Drachen ihr Interesse in China verloren haben und sich weiter nach Westen orientieren, doch mit den genauen Zusammenhängen können wir uns jetzt nicht beschäftigen, Ayashi. Dafür fehlt uns die Zeit.“ klärte ihr Vater sie auf und fuhr fort: „Komm’ nun mit mir, Ayashi. Ich möchte, dass du bei meiner letzten Besprechung mit Hankan und den anderen Youkai, die zur Verteidigung hier bleiben, anwesend bist.“ Kataga erhob sich und Ayashi tat es ihm gleich. Gemeinsam gingen sie mit schnellen und festen Schritten von den privaten Gemächern über den Hof und trafen die Krieger im Empfangsraum des Schlosses. Kataga regelte die letzten Angelegenheiten und übergab die Befehlsgewalt im Schloss dann seiner Tochter, die ihm versprach Hankans Ratschlägen immer mit klugem Verstand und offenem Herzen zu begegnen. Außer Hankan, Ban und Yoru blieben noch Kogeki, ein sehr starker Gegner im Nahkampf, sowie Kaiso und Reigi, zwei fähige Schwertkämpferinnen zurück. Sieben Youkai – sie rechnete sich selbst mit ein - waren nicht viel, um ein Schloss und ein Gebiet zu verteidigen, doch Ayashi sah ein, dass es bereits mehr waren, als ihr Vater eigentlich entbehren konnte. Ayashi bemerkte, dass ihr Vater ihr die einzigen beiden Youkai-Kriegerinnen seiner Untergebenen überlassen hatte, und vermutete den Grund: er wollte seine einzige Tochter nicht allein unter Männern wissen. Hankan, Ban, Yoru, Kogeki, Kaiso und Reigi hatten Ayashi den Treueid geleistet, den sie auch bereits beim Antritt ihres Dienstes Kataga geleistet hatten, und in Ayashi verfestigte sich das Gefühl, dass sie es schaffen konnten. Sie konnten siegreich aus dem Krieg hervorgehen, doch Ayashi war nicht so sehr davon überzeugt, dass es schnell gehen würde, wie ihr Vater es war. Kataga stellte seiner Tochter zudem seinen erfahrenen Beamten Kantan zur Seite, der weiterhin seiner Aufgabe – der Organisation der gesamten Hofangestellten – nachgehen sollte, um Ayashi in dieser Hinsicht gänzlich zu entlasten. Dann zogen sich Kataga und Ayashi zurück, damit Kataga die letzten persönlichen Vorbereitungen treffen konnte. Nachdem er sich in einen schwarzen Hakama gekleidet hatte, ließ er sich von Ayashi in einen dünnen, gelblichen Haori und einen dickeren schwarzen Haori helfen und sie binden. Er betrachtete seine Tochter, die die Schlaufen schweigend und mit geschickten Fingern band und ihm schließlich den Harnisch, seine Beinschienen, seine Schultern- und Oberarmpanzer, seine Unterarmpanzer, die bis über den Handrücken reichten, anlegte. Seine gesamte Rüstung bestand aus bearbeiteten Leder und eingearbeiteten, härteren Metallblättchen. Er war gut geschützt. Ayashi blickte ihren Vater kurz an, um zu sehen, warum er sie beobachtete, und griff nach dem roten, breiten Obi, ehe sie ihn ihrem Vater fest um die Hüfte band. Er würde das Schwert halten. Ayashi wandte sich von ihrem Vater ab und reichte ihm das Schwert, das in einer Halterung vor derjenigen der Rüstung lag. Kataga nahm das Schwert bedächtig zu sich und gürtete es fest. „Ich begleite dich nach draußen, Vater.“ meinte sie und suchte seine Augen mit ihrem prüfenden Blick. „Es wird nicht lange dauern. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“ versicherte er ihr noch einmal, doch Ayashi schüttelte den Kopf und blieb stumm. Kataga legte ihr die Hand an die Wange und küsste ihre Stirn, ehe er mit ihr seine privaten Gemächer verließ und den Weg in den Hof ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)