Ayashi - Der Weg zur Wahrheit von abgemeldet ((überarbeitet)) ================================================================================ Kapitel 33: ------------ „Ich habe mich schon oft gefragt, wie das ist.“ fuhr Satori fort. „Gegen den eigenen Willen versprochen zu sein? Danke, ich verzichte auf diese Erfahrung.“ „Nein, ich frage mich, wie es wohl ist, wenn man zu jemandem gehört. Ich habe einmal gehört, dass sich Youkai nur finden und zusammen bleiben, wenn ihre Herzen im Gleichklang schlagen. Meine Mutter sagt allerdings, dass Verbindungen zwischen Youkai nur noch dem Zweck der Nachfolge dienen, da sehr viele Youkai jegliche Gefühle in sich unterdrücken.“ „Ich kann dir dazu nichts sagen.“ „Meinst du, wir finden jemanden, mit dem wir unser Leben teilen werden?“ „So oder so.“ antwortete Ayashi und meinte damit ‚mit oder ohne Liebe’. Ihre Augen streiften über die Bäume, die sich jenseits des Wasserfalles erhoben und sie erinnerte sich an eine heiße Quelle, die sie vor Jahren dort entdeckt hatte. Dort wäre sie nun gerne, doch Satoris Gesellschaft hielt sie wenigstens von ihren wirren Gedanken ab. Satori – bisher war Ayashi noch nicht schlau aus ihr geworden. Sie rief sich den ersten Abend ins Gedächtnis zurück, und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Satori hatte Katsumoto nachgesehen, als er den Versammlungsraum verlassen hatte. Satori hatte beim Nachtmahl an seinen Lippen geklebt. Satori zog das Innere des Palastes vor, da dort die Wahrscheinlichkeit höher war, Katsumoto zwischen seinen Besprechungen zu sehen. Satori lenkte das Gespräch auf Liebe und Partnerschaft. „Hast du vielleicht jemanden im Auge?“ fragte Ayashi schließlich und betrachtete sie prüfend. „Meinen Onkel zum Beispiel?“ „Er ist mein Lehrer, Ayashi!“ „Und er ist ein überaus ansehnlicher Youkai.“ fügte Ayashi ihren Worten hinzu und beobachtete Satoris Reaktion. „Das hat alles doch sowieso keinen Sinn.“ meinte sie und Ayashi wusste, dass sie aus Anstand nicht weiterfragen durfte. Satori hatte das Thema beendet und erhob sich, um den Abstieg zu beginnen. Ayashi folgte ihr, da sie mit Katsumoto ihre nahende Abreise besprechen wollte. Am späten Abend verließ Ayashi noch einmal den Palast und suchte die kleine, verborgene Quelle auf, um wieder einmal seit langer Zeit mitten in der freien Natur zu baden und allein zu sein. Sie streifte ihre Kleidung ab und glitt vorsichtig in das wohltuende Wasser. Kein Geräusch durchbrach die Stille der Dämmerung. Nicht einmal ein zarter Lufthauch bewegte die Blätter der Bäume, die Sträucher und die Grashalme. Die Vögel waren schon verstummt und hatten sich in ihre Nester zurückgezogen. Ayashi lehnte sich zurück gegen einen Felsen und schloss die Augen. Sie hatte das Nachtmahl gemeinsam mit ihrer Familie, Ninshiki und Satori eingenommen, doch später waren noch mehrere ältere Youkai hinzugekommen und hatten es unmöglich gemacht, den Wunsch ihrer Abreise vorzutragen. Ayashi hatte befürchtet, Ishiki und Taido wie üblich beim Essen zu treffen, doch sie waren nicht erschienen. Katsumoto hatte sie auf einen Streifzug durch die nördlichen Gebiete geschickt, weshalb sie nicht vor dem morgigen Nachmittag zurückerwartet wurden. Ayashi wollte nicht so einfach gehen – sie wollte nicht vor Ishikis eventuellen Gefühlen flüchten, da ihr das lächerlich erschien. Sie hatte ihm vielleicht durch ihr Verhalten Anlass zu Hoffnung gegeben, doch mit Sicherheit war das nicht ihre Absicht gewesen. Sie hatte sich verhalten wie sie es immer tat. Sie hatte keine unnötigen Worte an ihn gerichtet. Ihre Worte waren stets eindeutig und unzweifelhaft gewesen, stellte sie fest. Niemals hatte sie mit Ishiki über ein Thema gesprochen, das ihn verleiten konnte, in einer anderen Weise als mit freundschaftlichen Gefühlen von ihr zu denken. Ayashi biss sich auf die Lippen. Sie schätzte Ishiki sehr, doch bei seinen Berührungen war Sesshoumaru in ihren Gedanken und in ihrem Herzen gewesen, obwohl sie ihn nicht einmal richtig kannte. In einer einzigen Nacht hatte sie ihn gesehen und knappe Worte über Yaken mit ihm gewechselt. Er wusste zwar ihren Namen – nur einen Teil ihres Beinamens, doch verschwendete gewiss keinen Gedanken mehr an die Miko aus den Bergen, die ihn aufgehalten und ihm Vorhaltungen gemacht hatte. Ayashi ließ das Wasser über ihre gespreizten Finger rinnen und öffnete die Augen wieder. „Wann verstehst du endlich, dass diese Gedanken zu nichts führen?“ fragte sie sich murmelnd selbst und legte den Kopf gegen den Felsen, an dem sie lehnte. Das Problem war, dass es egal war, ob sie es verstand. Sie verstand es. Es führte wirklich zu nichts, doch ihr Verstand war in diesem Falle nicht stärker als ihr Herz und das Gefühl, das bei dem bloßen Gedanken an Sesshoumaru wie sturmgepeitschte Wellen oder eine aufsteigende Feuersbrunst durch ihren Körper drängte, war einfach zu besitzergreifend, um sich längere Zeit dagegen zu wehren. Wenn der Sesshoumaru aus ihren nächtlichen Erinnerungen wieder einen Weg in ihre Gedanken fand, half keine Vernunft, sondern nur Ablenkung. Ayashi lenkte ihre Gedanken mit eisernem Willen in eine andere Richtung. Nach dem Nachtmahl hatte sie ihren Onkel um ein wenig Zeit gebeten und ihn über ihre Pläne in Kenntnis gesetzt. Katsumoto hatte es bedauert, dass sie bereits gehen wollte, doch er hatte gleich alles Nötige in die Wege geleitet. Bald würde alles bereit sein und Ayashi konnte gehen, wenn sie sich von ihrer Schwester Ayame verabschiedet hatte. Ihr musste sie erst einmal sagen, dass sie schon vorhatte, wieder nach Fukuoka aufzubrechen. Ayashi vermutete, dass es Ayame nicht schwer fallen würde, ihre große Schwester gehen zu lassen. Sie hatte hier gleichaltrige Freunde und immerhin noch einen Onkel. Außerdem würde Ayashi öfters in Kochi vorbeisehen, jetzt da Ayame auch hier lebte. Sesshoumaru stand dort und verharrte in reglosem Stillstand. Er kannte diese Gegend nicht sehr gut. Er wusste nicht, warum er auf dem Weg von Fukuoka nach Nagoya, dem Hauptort des Wolfsyoukai-Gebietes unter Okami-no-dansei, durch diesen Teil des Gebirges gegangen war, als er auf einmal das Geräusch von plätscherndem Wasser vernommen hatte. Er wusste nicht, warum er dem Geräusch gefolgt war als gäbe es bei seinem Ursprung etwas zu entdecken. Der Wind des vergangenen Tages hatte sich am Abend gänzlich gelegt, sodass sich nicht einmal eine lange Strähne ihres schwarzen Haares bewegte. Er wusste, dass ihn durch die Windstille sein Geruch nicht verraten konnte, doch er wusste, dass er gehen sollte. Seine Vernunft schrie ihm zu, eiligst zu verschwinden, doch er konnte seine Augen nicht von der Schönheit abwenden, die in der heißen Quelle badete. Noch niemals in seinem Leben hatte er eine solche vollendete Pracht gesehen. Ihre nasse Haut glitzerte im schnell aufsteigenden Mondlicht silbern und schimmerte wie Seide. Er sah, wie sie langsam und in Gedanken versunken ihre Arme an der Oberfläche des Wasserspiegeln hin und her bewegte und ein leises Glucksen die Stille der Nacht durchbrach. Vereinzelte Strähnen ihres glänzenden Haares wiegten sanft auf den winzigen Wellen, die sie selbst verursachte, hin und her, während das restliche Haar unter der Wasseroberfläche ihren Oberkörper umspielte. Ihr Haar und ihre schmale Gestalt, die er unter der Wasseroberfläche nur erahnen konnte, erinnerten ihn an Ayashi, die Tochter Katagas, doch er verwarf den Gedanken gleich wieder. Er hatte noch nie eine Youkai von solch atemberaubender Schönheit gesehen. Die meiste Zeit hielt die Unbekannte ihre Augen geschlossen, doch Sesshoumaru hatte sehen können, dass sie grün waren – viel dunkler und glänzender als Jade, sodass sie beinahe unendlich tief wie ein Gebirgssee zu sein schienen. Ihre Gesichtszüge waren ebenmäßig und ruhig. Die Linie ihres Kinns und Kiefers war anmutig gezeichnet, ihre Lippen leicht geschwungen und immer wieder zwischen geraden, weißen Zähnen gefangen, da die wundervolle Dame beim Bade über etwas nachzudenken und gänzlich in ihr Problem versunken schien. Sesshoumaru wartete ab, obwohl er nicht wusste, was er hoffte. Er wollte einfach dort stehen, wo er stand, und sie betrachten. Je länger er sie betrachtete, desto makelloser schien sie ihm. Ihre schlanken Hände und ihre zarten Finger spielten immer noch mit dem klaren Wasser der Quelle. An der Linie ihres Halses perlten Tropfen und rannen hinab über ihr Schlüsselbein, ehe sie sich wieder mit dem Wasser vermengten. Sesshoumaru begann an seinen Sinneswahrnehmungen zu zweifeln und war sich nicht sicher, ob er wirklich sah, was er glaubte zu sehen. Es erschien ihm immer unwahrscheinlicher. Sie war keine Youkai – erst recht kein Mensch. Und sie konnte nicht Ayashi sein, denn eine Hime, die nachts alleine - das hieß in ihrem Falle ohne weibliche Begleitung und ohne männlichen Schutz, der in einiger Entfernung und außer Sichtweite wartete - eine heiße Quelle aufsuchte, war einfach undenkbar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)