Der Wolf im Schatten der Natur von Akkasuka (Teil 1: Die Katastrophenzeit) ================================================================================ Prolog: -------- „Meister?“, beginnt der Schatten unterwürfig, „Haltet ihr dies für gut?“ „Es ist einen Versuch wert“, erwidert die Kreatur, während ihre grünen Augen den Schatten suchen. Doch das schwache Licht des hellen, sichelförmigen Mondes ist nicht genug, um die Gestalt genau zu erkennen. „Um diese Zeit? Jetzt, da es kurz bevor steht? Seid ihr euch sicher, dass er dem gewachsen ist?“ Stumm wendet sich die Kreatur ab, schreitet in Richtung des erhobenen Felsens, breitet ihre breiten Schwingen aus und spricht mit erhabener Stimme, „Hab Vertrauen! Niemals wieder darf und niemals wieder wird es so weit kommen! Mit aller Macht werden wir die Tyrannei verhindern!“ Ein mächtiges Brüllen erfüllt die sternklare Nacht. Das Brüllen dieser mächtigen Kreatur. Kapitel 1: Regen ---------------- Endlich Sommerferien! Für mich war es der letzte Schultag in der 9. Klasse. Ein weiteres Schuljahr war um und somit verkürzte sich die Zeitspanne zum Abitur. Vor dem Schulgebäude wartete meine große Schwester Alexandra schon auf mich, überpünktlich - wie immer. Ich verabschiedete mich mit schönen Grüßen und hastigen Umarmungen noch mal von meinen Freundinnen, dann fuhren wir mit dem Fahrrad auf einen Waldweg zu. Mein Name ist Tia Nokol, damals war ich 15 Jahre alt und lebte mit meinen Eltern und meiner 18-jährigen Schwester Alexandra etwas abseits von einem Dorf, nahe eines Waldes, wegen unseren 5 Katzen. Mein Lieblingstier ist der Wolf. Alex und ich fuhren nach Hause, dabei ahnte ich nicht, dass dieser wunderschöne Tag zum seltsamsten meines Lebens würde und mir gleichzeitig die aufregendsten Ferien bereiten würde. Wir verließen das Schulgelände auf einem schmalen Waldweg, einen Schotterberg hinunter und anschließend die schmale Teerstraße zu unserem Grundstück hoch. Dann bogen wir in unseren Hof ein und parkten die Fahrräder neben unserer Garage, die direkt an das Haus angebaut war und in der mein Vater, Medikamente aufbewahrte. Neben der Garage war ein Teil unseres Gartens, in dem zwei Apfelbäume und zwei Büsche standen. Als Abgrenzung zum Nachbargrundstück diente eine Hecke. Als wir zu Hause waren, fragte unsere Mutter: „Und? Wie waren die Zeugnisse?“ Ich zog mein Zeugnis aus meiner Schultasche und gab es meiner Mutter. „Hey, Super!“, rief sie erfreut aus. Zwar hatte ich nicht nur Einser und Zweier, aber mein Zeugnis war gut, zumindest waren meine Mutter und ich zufrieden. Ein Zeugnis ohne Vier genügte uns völlig. Alex und ich gingen hinaus, um ein bisschen in den nahe gelegenen Wald zu laufen. So gingen wir die schmale Straße von unserem Hof hinauf, einige 100 Meter weiter lag ein kleiner Berg. Wir liefen an dem Haus eines älteren Ehepaars und an dem einer 4-köpfigen Familie vorbei und gingen dann auf eine Wiese zu. Sie war nicht sehr groß, nur noch über diese hinüber und schon wären wir im Wald. Ein lautes, grollendes Donnern zog unsichtbar über unsere Köpfe. Die Wolken zogen sich dichter zusammen. „Ohje...“, seufzte ich, als ich das kommende Gewitter wahrnahm. „Was?“ „Das Donnern...“ „Hä? Welches Donnern?“ „Bist du taub?“, grinste ich meine Schwester an. „Geht es dir gut?“ „Ich - ach, vergiss es!“ „Vielleicht habe ich es mir ja auch nur eingebildet...“, überlegte ich. Es donnerte wieder, lauter, bedrohlicher. „Da ist es schon wieder!“, flüsterte ich zu Alex, blieb stehen. „Was?“ „Na, dieses Donnern! Ich glaube wir sollten nach Hause.“ Während ich auf die dunklen Wolken starrte, welche hinter dem kleinen Berg vor uns hervorkamen, tastete ich mich langsam rückwärts. „Du willst doch nur nicht weiter!“ „Nein…“, hauchte ich, meine Stimme versagte, als ich die bedrohlichen, gigantischen, düsteren Wolken sah, welche sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit am Horizont aufbauten, „Alex, bitte lass uns gehen!“ Ohne auf ihre Antwort zu warten wandte ich mich ab und lief den Weg zurück, erst langsam. Als ich zurück blickte, schien es, als würden sich die Wolken weiter ausbreiten, hingen tief, als wollten sie die Erde erreichen. Bedrohliche Donner grollten über den Himmel. „Alex, komm!!!“, schrie ich flehend, begann schneller zu laufen. Ein mir unbekanntes Gefühl trieb mich dazu, weiter zu rennen, schneller nach Hause zu kommen. „Tia, warte doch!“, rief Alex hinter mir. Ich blickte zurück, sah, dass sie mir nach lief, während die Wolken uns zu verfolgen schienen. „Was ist mit euch passiert?“, fragte unsere Mutter, als wir schnaufend, zur Türe rein platzten. „Tia hat sich eingebildet ein lautes Donnern zuhören! Boa, keinen Bock mehr, wenn die ständig rumzickt und nicht raus will!“ „Ich will ja raus, aber es hat wirklich gedonnert! Mensch, das gibt’s doch nicht! Das war echt unheimlich!“ „Tia?“, fragte meine Mutter, „Geht es dir gut?“ „Ja, es geht mir gut“, knurrte ich genervt, „Ich weiß auch nicht, wie man so ein Donnern überhören kann!“ Ich zog meine Schuhe aus und stieg die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. An meiner Zimmertür hingen ein paar Poster. Als ich die Tür öffnete, sah ich direkt aus meinem Fenster, hinter der Tür stand mein Bett an der Wand. Regungslos blieb ich stehen und starrte geistesabwesend aus dem Fenster. Der Himmel war klar. „Was war das eben?“, fragte ich mich, „Dieses Gefühl… Als wolle mein Körper vor etwas fliehen, doch ohne Angst. Es fühlte sich so... vertraut an und doch fremd.“ Zögernd durchquerte ich mein Zimmer, öffnete das Fenster und blickte zu dem Berg, auf den Alex und ich gerade zugelaufen waren. Mein Atem stoppte. „Wie.. wie ist das möglich?“ Der Himmel war auch dort klar. Keine einzige Wolke war mehr zu sehen. Rasch schloss ich das Fenster wieder und lehnte mich rücklings dagegen, die Augen geschlossen. „Bin ich verrückt?“, flüsterte ich, „Das… war das nur Einbildung? Vielleicht war es ein Schuss aus dem Wald, der Donner. Aber.. die Wolken. War das nur ein Streich meiner Psyche? Eine Einbildung?“ Ich beschloss, mich zu beruhigen, mich abzulenken und sah mich in meinem Zimmer um. Als mein Blick auf das leere Terrarium meiner Schildkröten fiel, entschied ich mich nach ihnen zu sehen. In der Küche holte ich ein paar Salatblätter und begab mich zur Terassentür. Wieder überkam mich dieses unbeschreibliche, seltsame Gefühl. Ich sah erst zum Himmel. „Tia, was ist los?“, fragte meine Mutter hinter mir. „Was – äh... nichts“, lächelte ich, während ich mich zu ihr drehte, „Ich wollte Leo und Fynn nur was rausbringen“ „Na, dann. Glaubst du, die freuen sich?“, grinste sie. „Werd ich ja sehen!“ „Ich mach dann essen, weil Alex dann ja auch zum Geburtstag muss.“ Ich nickte, woraufhin sich meine Mutter abwandte. Das seltsame Gefühl sagte mir, dass ich von dem Ereignis nichts sagen sollte. Ich wusste nicht warum, doch ich folgte dem Gefühl, wandte mich wieder dem Garten zu. Meine Hände begannen zu zittern. „Verdammt, was ist denn los mit meinem Körper?“, fluchte ich leise. Mit aller Gewalt zwang ich meinen steifen Körper sich zu bewegen, machte wenige schwere Schritte bis meine Beine leichter wurden. Das eigentlich vertraute, recht gute Gefühl wandte sich zu einem erdrückenden Gefühl, erschwerte mir die Atmung und schien meine Lungen zu quetschen. Ich hetzte zu dem Freigehege der Schildkröten, warf in höchster Eile den Salat hinein und rannte ins Haus zurück. Keuchend setzte ich mich im Wohnzimmer auf einen Stuhl, meine Lungenflügel entspannten sich, die Hände zitterten. Mir wurde kalt. Es dauerte wenige Minuten, bis sich mein Körper beruhigte. Misstrauisch sah ich aus dem großen Fenster hinter mir. „Was ist heute für ein seltsamer Tag?“ „Tia? Alex?“, schallte die Stimme meiner Mutter durch das Haus. „Ja?“, antwortete ich, stand auf und ging in die Küche, „was gibt’s?“ „Machst du mir bitte einen Salat?“, bat sie mich, während sie Alex anzeigte, dass der Tisch gedeckt werden musste. Ich nickte und begann das Gemüse dafür zu waschen und zu schneiden. Nachdenklich zerhackte ich Tomaten, Gurken, Paprika und Salatblätter. War ich wirklich verrückt? Oder waren meine Sorgen und Gedanken der Grund für die eben aufgetretene Schwäche meins Körpers? „Ich sollte mir keine Gedanken darüber machen. Sowas kann ja gar nicht sein!“, beschloss ich ernst und schob das Gemüse mit dem Messer von dem Schneidebrett in die Salatschüssel. Nachdem ich den Salat gewürzt hatte, war auch das restliche Essen fast fertig. Meine Schwester goss die Spaghetti ab und im nächsten Moment saßen wir am Tisch, wünschten einen guten Appetit und begannen zu essen. Danach machte sich Alex auf den Weg zur Geburtstagsfeier einer Freundin. Nun, da sie weg war, überlegte ich, was ich nun machen könnte. Als ich in meinem Zimmer auf dem Bett saß und etwas ratlos auf das leere Blatt starrte, welches auf meinen Beinen lag, sah ich mich um und suchte etwas, was mich zum zeichnen inspirieren könnte. Der Bleistift in meiner rechten Hand wippte ungeduldig zwischen Daumen und Zeigefinger. Mein Blick fiel wieder auf mein Fenster. Meine Gedanken verfingen sich wieder in den Ereignissen der letzten Stunden. Ich legte Bleistift und Blatt beiseite, ging vorsichtig auf das Fenster zu und betrachtete den Himmel. Dieser war strahlend blau, nur eine kleine, weiße Wolke zog gemächlich über den Horizont. „Verdammt, das Wetter ist so schön. Sowas wie vorhin kann ich mir nur eingebildet haben!“, redete ich mir ein, „Ich geh jetzt raus, ist mir egal was kommt!“ So schnappte ich meine Malsachen, lief mit großen, schnellen Schritten die Treppe hinab, drückte meine Hand an den Türknauf unserer Haustüre am Fuße der Treppe und atmete tief ein und aus. Ich öffnete die Türe, trat mit nacktem Fuß auf die vom Hausschatten gekühlte Steintreppe. Einen Moment lang stand ich starr vor der wieder geschlossenen Haustüre. Nichts geschah. Kein seltsames Gefühl, kein Drücken und kein Quetschen in meiner Lunge. Keine dunklen Wolken. Erleichtert atmete ich aus. „Na also“, lächelte ich, „Alles normal.“ Ich lief auf dem kühlen Steinboden um die Hausecke, über den Hof und bog nach links ab, zum gleichen Weg, den ich mit Alex gegangen war. Die Sonne schien, als hätte sie vor die Erde zu grillen und der Himmel war klar. Jedoch nicht lange, wie sich herausstellte als ein Tropfen auf meine Stirn fiel. Langsam richtete ich meine Augen gen Himmel. Keine Wolke. Der vorher hellblaue Himmel hatte jedoch ein helles Grau angenommen. Ein paar weitere Tropfen fielen auf mich herab. „…Regen?“ Seufzend kehrte ich um, der leichte Nieselregen wandelte sich rasch in einen prasselnden Niederschlag. Obwohl er sich angenehm anfühlte, sprintete ich die letzten 100 Meter zur Haustür und kam mit nassen Haaren und feuchter Kleidung am schützenden Unterschlupf vor der Terrassentür an. Der Puls rauschte, das rasch fließende Blut strapazierte meine Adern. Ich versuchte möglichst ruhig zu atmen, während ich die Tür aufstieß, meine völlig durchnässten Malsachen auf den Teppich warf und schlich – um möglichst viele nasse Tapser zu vermeiden – auf Zehenspitzen mit wenigen Schritten über den Laminatboden des Wohnzimmers ins Bad. Dort nahm ich ein Handtuch und trocknete mich auf dem Weg in mein Zimmer ab, in dem ich mich anschließend umzog und die feuchte Kleidung über die Heizung hängte. Sie war zwar aus, aber im Zimmer war es warm genug, dass alles trocknen konnte. Ich sah aus meiner Balkontür neben der Heizung, es regnete noch, auf den Balkonbrettern tanzten die Regentropfen und der Wind blies sanfte Lieder durch die Bäume. „Es regnet…“, seufzte ich und sah in den Himmel, „Die Wolken scheinen nicht so dick zu sein, also wird’s wohl nicht lange dauern. Geh ich später noch mal raus, wenn’s aufgehört hat!“ Daraufhin nahm ich das Handtuch wieder zur Hand, lief die Treppe hinunter und wischte vorsorglich die nassen Fußabdrücke auf dem Laminatboden weg, warf das durchnässte Papier weg und trocknete die Zeichenunterlage sowie Bleistift und Radiergummi ab. Seufzend warf ich das Handtuch auf dem Weg in mein Zimmer in die Ecke vor der Treppe und bemerkte, dass im Keller Licht brannte. Das Rumoren unseres Trockners drang leise in das Stockwerk, in dem ich mich befand. Grinsend nahm ich das feuchte Handtuch ein weiteres Mal in die Hand und schleuderte es schwungvoll am Treppengelände entlang in die untere Ecke der Treppe, „Mama, hier wär noch ein Handtuch!“, rief ich freundlich hinterher. „Ist es wenigstens weiß?“, hallte die Stimme meiner Mutter zu mir. „Hmm, joa!“ „Gut so, Glück für dich! Ich mach grad weiß!“ Lächelnd stieg ich die Treppe hinauf, nahm einen neuen Bleistift und ein neues Blatt, setzte mich auf mein Bett, und begann ein kleines Wolfsrudel zu zeichnen, welches auf einer Waldlichtung lag und – bis auf zwei umher tollende Welpen – friedlich schlief. In meinen Gedanken bewegte sich das Bild, die Bäume wogen sich leicht im Wind, der Fluss rauschte sanft, die Blumen tanzten und die zwei kleinen Wölfe tollten um ihre älteren, schlafenden Artgenossen herum. Als ich mit den erst sanften, dann kräftigen Bleistiftkonturen fertig war, stieß ich ein leichtes Seufzen aus und starrte aus dem Balkonfenster: Es regnete nicht mehr, so fasste ich meinen Beschluss von vorhin auf und ging wieder hinaus, diesmal ohne Malsachen. Falls es doch nochmal so einen dummen Platzregen gibt wär mein Bild dahin. Doch etwas war seltsam: Obwohl es vorhin stark geregnet hatte, war nun alles wieder trocken. Ich wunderte mich, „Wieder so etwas komisches. Heute ist echt nicht mein Tag... Naja, egal, Hauptsache es ist wieder trocken!“ Wieder ging ich über unseren Hof zur schmalen Straße. Doch es war wieder dasselbe Spektakel wie zuvor: Ich trat auf die Straße und die ersten Tropfen fielen auf meinen Körper. Noch rascher als vorhin wandelte sich der sanfte Regen in einen kräftigen Platzregen. Ich drehte mich sofort um und rannte zurück, spürte, wie die Regentropfen immer stärker wurden, mein Herz klopfte heftig gegen meinen Brustkorb. Kurz bevor ich die schützende Überdachung erreichte vermischten sich harte, eisige Hagelkörner mit dem plötzlichen Regen, Blitze zuckten am Horizont, ein Donner grollte über meinem Kopf, der mich zusammenzucken lies. Endlich erreichte ich völlig durchnässt die Terrassentür. Das war schon die zweite Dusche an diesem Tag. Fluchend trat ich ein, tapste wieder auf Zehenspitzen durch das Wohnzimmer und trocknete mich abermals im Bad ab. Ich stieg die Treppe nach oben, spürte unerklärte Wut in mir brodeln. „Was is’ heut für ein scheiß Tag?“, knurrte ich, während ich mich umzog, mich grummelnd auf mein Bett setzte und weiter malte. Ich verpasste den Wölfen verschieden farbige Fellzeichnungen. Weiß mit Schwarz oder grau, grau-braun, rein Weiß oder Schwarz. Als ich dem Wolf, welcher recht Zentral im Bild lag, eben sein braun-graues Fell zeichnen wollte, viel mir sein Auge auf. Der Wolf schlief nicht. Verwundert starrte ich auf das eine, geöffnete Auge, dessen Pupille auf den Betrachter gerichtet war. War ich so in Gedanken, dass ich dem Wolf versehentlich ein offenes Auge gezeichnet hatte? Egal, das Auge war offen und brauchte eine Farbe. Mit der linken Hand griff ich ziellos in die kleine Buntstiftkiste. Was ich herauszog war ein helles Blau. „Na, gut“, seufzte ich, während ich die Augen blau schraffierte, die Farbe gen Pupille dunkler zeichnend, „Jetzt noch ein schwarzes Fell und er sticht wirklich aus dem Bild“ So setzte ich die schwarze Farbe mit Licht und Schatten in das Bild und bemerkte gedankenvertieft nicht, wie schnell die Zeit verging. „So, nur noch der Himmel“, seufzte ich erleichtert und streckte mich. Dabei fiel mein Blick auf das Fenster. „Das gibt’s doch nicht“, staunte ich. Es regnete wieder nicht mehr. Ohne das den klaren Himmel aus den Augen zu lassen, legte ich Blatt und Stifte neben mich und ging zu der Balkontür. Als ich diese öffnete blies mir ein warmer Wind sanft ins Gesicht. Die Sonne hing tief am Horizont zwischen den Bergen, tauchte Wälder, Autos und Häuser in einen leichten, rotschimmernden Umhang. Auf unserem Hof sowie im Garten war von den Regenschauern keine Spur mehr. Verwundert ging ich nach unten und fragte meine Mutter, die im Wohnzimmer auf dem Sofa saß und an ihrem Laptop Rechnungen schrieb: „Seit wann regnet es nicht mehr?“ Meine Mutter sah mich verwirrt an und fragte dann: „Wieso regnen? Es war heute doch den ganzen Tag lang schön!“ „Was?“, entgegnete ich verblüfft, „Als ich vorhin rausgegangen bin, hat's geregnet! Aber hallo! Es hat geschüttet wie sonst was!“ „Ach, erzähl mir doch keine Märchen! Das hast du dir bestimmt nur eingebildet.“ Ich starrte an meiner Mutter vorbei und überlegte mit ernster Miene was vor sich ging. Schließlich lief ich die wenigen Schritte zu meiner Mutter und setzte mich neben sie. Sagte nichts. „Was ist denn mit dir los?“, fragte meine Mutter. „Heute ist irgendwie alles komisch…“ „Wie meinst du das?“ „Naja, als ich raus gegangen bin hat‘s wie aus dem Nichts angefangen zu regnen, und gedonnert und geblitzt hat es auch“, begann ich, „Und du warst ja die ganze Zeit hier gesessen, und willst wirklich nichts mitgekriegt haben?!“ „Heiß ich doof? Natürlich hätte ich das mitgekriegt“, belächelte meine Mutter meine Aussage. „Was soll der Kack?“, grummelte ich genervt und stand auf. „Das musst du dir eingebildet haben. Alex sagte ja auch, dass sie keinen Donner gehört hat“, seufzte meine Mutter. „Und die nasse Kleidung habe ich mir auch nur eingebildet?“, erwiderte ich recht ungehalten, beruhigte mich jedoch sofort wieder, „'Schuldige…“ „Ich weiß ja auch nicht. Du bist seltsam, Schaf.“, sagte meine Mutter ironisch. „Ich weiß“, lächelte ich, mähte kurz grinsend und wandte mich ab. Ich ging auf das große Fenster neben der Terrassentüre zu und flüsterte genervt, „War klar… nur weil es regnet und niemand es mitkriegt bin ich verrückt! Das kann es doch nicht sein!“ Als meine Hand auf der Türklinge ruhte, schluckte ich und beschloss noch einmal hinauszugehen. Ich öffnete die Türe, ließ sie bewusst offen und schritt - mehr aus Trotz als aus Neugierde über die seltsamen Ereignisse - ein wenig steif über unseren Hof Richtung Straße. Der Wechsel zwischen dem schönen, sonnigen Himmel und den prasselnden Regenschauer geschah rasend schnell, das anfängliche Tröpfeln wandelte rasch in einen kräftigen Niederschlag. Ich drehte sofort um, hielt meine Arme schützend über den Kopf. Der Regen vermischte sich wieder mit Hagel, welcher erbarmungslos auf mich niederprasselte. Die eiskalte Luft schnürte meine Kehle zu, es kam mir vor, wie ein endloser Weg, meine Lunge wurde von einer unbekannten Macht zusammengedrückt. Ich spannte meinen Körper an, keuchte, stieß mich mit jedem Schritt kräftiger vom Boden ab, strebte nach der Tür, die mir Sicherheit versprach. Keuchend, triefend nass, mit verspanntem Körper fiel ich durch den Türrahmen, fing meinen Aufprall mit meinen Armen ab, ehe ich im nächsten Moment röchelnd auf dem Boden lag und kaum Luft bekam. „Was ist denn mit dir passiert?“, hörte ich die Stimme meiner Mutter aus dem, durch ein Regal von mir getrennten, Wohnzimmer. „...Ich... krieg... keine Luft!“, krächzte ich kaum hörbar, lag längs auf dem Flur, konnte kaum einen Muskel regen. „Was ist passiert?“, wiederholte meine Mutter mit besorgter Stimme und kam herangeeilt. Ich wollte antworten, doch alles, was meinen Mund verließ, war Luft, vom krampfartigen Arbeiten meiner Lunge hervorgebracht. Ich spürte die warmen Hände meiner Mutter sanft auf meiner Schulter ruhen, als diese besorgt fragte, „Kannst du dich umdrehen?“ Stöhnend drehte ich mich langsam auf meine linke Schulter, hielt kurz meinen Atem an, als sich meine Lunge scheinbar zuschnürte und verzehrte das Gesicht. Meine Mutter half vorsichtig mit ihren Händen und ich röchelte erleichtert, als ich auf dem Laminat saß und meine Lunge wieder mit Luft füllen konnte. Ein schwerfälliger Husten entkam der engen Luftröhre, mein Atem beruhigte sich wieder, während mein Herz noch immer wild empört gegen den Brustkorb hämmerte. „Geht’s wieder?“ „Ja...“, hauchte ich, stützte mich auf meine Ellenbogen und stand mit Hilfe meiner Mutter wieder auf. Meine Beine zitterten, konnten meinen Körper kaum aufrecht erhalten und ich griff nach dem nächsten Stuhl, um mich zu setzen. „Was war denn los?“, fragte meine Mutter und setzte sich mir schräg gegenüber. „Ich weiß es nicht“, keuchte ich, das Reden fiel mir schwer, auch wenn ich wieder genügend Luft in meine Lungen pumpen konnte, „Als ich... rausgegangen bin... begann es plötzlich... zu regnen und... es war..., als ob meine Lunge... eingeschnürt würde. Es war... wie ein... plötzliches Gewitter... und ich lief wieder... zurück und... brach hier eben... zusammen.“ Die Aufmerksamkeit meiner Sinne richtete sich auf das, was nun hinter mir lag: Die Balkontür. Ich blickte meine Mutter an, welche mich nur verwirrt ansah, die Augenbrauen leicht nach innen geschoben. Mein Blick wanderte hinter mich, drehte meinen Körper mit sich, huschte verwirrt quer über das ganze Fenster. „Das ist unmöglich!“, keuchte ich. Draußen war nicht die geringste Spur von einem Gewitter zu sehen. Kapitel 2: Schutzgeist ---------------------- Tia...“, begann meine Mutter vorsichtig und ich drehte mich mit leerem Blick wieder zu ihr, „Es hat heute nicht geregnet.“ „Aber...“ Erst jetzt spürte ich meinen nassen Körper, an dem die Kleidung klebte, „Ich bin ganz nass!“ Ich sprang auf, sah auf den Stuhl, dessen Sitz nun ebenfalls feucht war. „Ich – ich versteh das auch nicht...“ „Und der Donner! Den Donner musst du doch gehört haben!“ Meine Mutter runzelte die Stirn und schüttelte fragend den Kopf, „Hast du vielleicht eine seltsame Bewegung gemacht als du draußen warst und dir so irgendwas verkrampft?“ „Nein, ich bin mir ganz sicher, dass es geregnet hat, oder... bilde ich mir jetzt auch noch die nasse Kleidung und die nassen Haare ein?“, hauchte ich verzweifelt. „Nein, das nicht, du bist wirklich nass.. vielleicht hat es ja wirklich kurz geregnet... und ich hab es durch die Arbeit und den Fernseher nicht mitgekriegt?“ Ich schwieg, verstand die Welt nicht mehr. Entweder hatte ich Halluzinationen, was ich nicht glaubte, denn ich war schließlich nass oder niemand außer mir bemerkte die seltsamen Gewitter, was auch nicht möglich war. „Geht’s dir besser? Möchtest du dich hinlegen?“, fragte meine Mutter. Ich nickte betrübt. „Ich hol dir schnell was zum Anziehen runter, kannst deine nassen Sachen ja über die Heizung legen.“ „Okay“, meinte ich und zog meine nassen Kleider im Badezimmer aus. Kurz darauf brachte meine Mutter eine frische Hose und ein Top, welches ich sogleich anzog. Daraufhin legte ich mich auf das Sofa, wurde mit einem Mal unglaublich müde und bekam fast nicht mehr mit, wie meine Mutter sich neben mich setzte und mir behutsam über den Kopf strich. Als ich aufwachte war einige Zeit verstrichen, die Sonne war schon längst untergegangen, doch ihr verbleibendes Licht erhellte noch immer den abendlichen Sommerhorizont. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, starrte ich die Decke an und fragte mich leise, was nur los war Ich dachte darüber nach, wie ich mit Alex vorhin draußen war und sie den Donner nicht gehört hatte. Dann die Atemnot, die scheinbar durch das seltsame Gewitter verursacht wurde. Ich fand keine Antworten auf all die Fragen, die mich quälten. Das Miauen meiner weiß-grauen Katze Nala riss mich aus meinen Gedanken. Ich blickte neben das Sofa und schaute in ihre großen, hellgrünen Augen. „Hallo Nala.“, begrüßte ich sie seufzend und bekam ein Miauen zur Antwort. Die Katze sprang auf meinen Bauch und begann behaglich zu schnurren, als ich sie streichelte. Nala tapste auf meinem Bauch herum und legte sich letztendlich darauf, ihre Augen zu mir gewandt. Grinsend betrachtete ich ihre zu kurz erscheinenden Beine und lies meine Finger zu ihrem Kinn wandern. Mein Blick richtete sich wieder gen Zimmerdecke und Nala schlief schnurrend ein. Während ich den Perser-Kartäusermischling kraulte, versank ich wieder in Gedanken. Auf der weißen Zimmerdecke spiegelte sich mein Tagesablauf wieder, als ich aufstand, frühstückte, mit Alex zur Schule radelte, die Zeugnisvergabe bis zu den seltsamen Zwischenfällen, jedes mal, als ich draußen war. bis zu den seltsamen Zwischenfällen, die jedesmal auftraten, wenn ich draußen war. Ich kam zu dem Schluss, dass das mit dem Regen einfach Pech gewesen sein musste und mein Zusammenbruch vielleicht nur eine seltene, seltsame Reaktion meines Körpers war. Ich beschloss, mich abzulenken und abzuwarten, ob sich solche Fälle wiederholen würden. Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen, wobei Nala klagend und miauend von meinem Bauch rutschte und auf meinen Beinen landete. „Oh, entschuldige, Nala!“, sagte ich leise und kraulte sie wieder hinter ihrem Ohr. Doch meine Katze sah mich böse an und legte ihre Ohren leicht an. „Ach komm, Nala“, beschwerte ich mich, „So schlimm war das doch nicht“ Nala knurrte leise, doch ich wusste, dass sie mich nie kratzen würde. „Ach, stell dich nicht so an.“, lachte ich und nahm sie auf meinen Arm, dabei miaute sie und hörte sich dabei an wie eine kaputte Kreissäge. Ihr Schweif begann heftig zu wedeln. „Ist ja gut“, murrte ich schließlich und setzte sie unter ihrem genervten Knurren und Miauen ab. Daraufhin verließ sie das Wohnzimmer in höchster Eile und ich warf ihr ein leises „Zicke“ hinterher. Doch dann lächelte ich, ohne meine Katzen wäre mein Leben wohl genauso leer wie ohne Familie und Freunde. Ich folgte meiner Katze, lief allerdings an ihr vorbei, während sie heftig mit dem Schweif wedelnd bei der Tür zum Flur saß, stieg ich die Steintreppe zu meinem Zimmer hinauf und setzte mich auf mein Bett. Kaum, dass ich den Stift und das noch nicht ganz vollendete Bild von vorhin in der Hand hatte, hörte ich meine Mutter die Treppe hinaufsteigen und kurz darauf betrat sie mein Zimmer. „Möchtest du was essen?“ Ich nickte, legte die Zeichenmaterialien wieder beiseite und stieg die Treppe wieder hinunter. „Wie geht’s dir?“, fragte meine Mutter, während sie mir ein paar Teller in die Hand drückte. Ich nahm die Teller entgegen, drückte meiner Mutter ein sanftes Bussi auf die Wange und deckte mit ihr gemeinsam den Tisch. Auch mein Vater, der den ganzen Tag gearbeitet hatte, kam zur Haustür herein. Wir begrüßten ihn, er begrüßte uns und wir aßen gemeinsam. Meine Mutter fragte: „Hast du deine Sachen gepackt?“ „Nein“, antwortete ich, „Mach’ ich später.“ Zwar spielte ich mit dem Gedanken, meine Mutter auf das Geschehnis von vorhin noch einmal aufmerksam zu machen, ließ es dann aber doch bleiben und aß schweigend mein Toastbrot. Anschließend fragte ich, ob ich aufstehen dürfe. Dies bejahte meine Mutter, ich nahm Teller und Besteck und stellte es auf die Spülmaschine. Dann ging ich in Richtung Treppe, als meine Mutter plötzlich rief: „Halt, mein Fräulein, räum’ die Sachen ein.“ Ich drehte wieder um, nahm das abgestellte Geschirr und räumte es ein. Dann ging ich nach oben und packte. Ein paar Hosen unterschiedlichster Längen, T-Shirts und Tops, Unterwäsche und alles andere, was man für einen Urlaub am Strand so brauchte. Obwohl die Sonne schon untergegangen war, erstrahlte der Horizont noch in einem matten Licht und die Wärme des Tages legte sich auf die Erde. Auch wenn ich vorhin schon einige Stunden geschlafen hatte, war ich dennoch müde. Auch meine Schwester kam wieder nach Hause, packte ihre Sachen und legte sich ins Bett. Ich zog mir einen Jogginganzug an, putzte mir die Zähne und fiel müde auf die weiche Matratze. Die seltsamen Ereignisse an diesem Tag brachten mich schwer ins Grübeln. Doch ich war zu müde, um darüber nach zu denken und verfiel schnell in entspannenden Schlaf. Mitten in der Nacht wachte ich auf, zog meine Hand langsam unter der Bettdecke hervor, griff verschlafen nach meinem Handy und öffnete es. Halb eins. Die Kirchenglocke des Dorfes schlug zweimal. Ich setzte mich auf und war unglaublich müde, dennoch zwang mich etwas aus dem mir gegenüberliegenden Fenster zu sehen. Es war außergewöhnlich hell. Den Mond konnte ich gut erkennen, doch er war nicht der Grund dieser Helligkeit, denn er war eine etwas breitere Sichel, die langsam über den Nachthimmel schlich. Grummelnd betrachtete ich den sternklaren Himmel. Ich war müde, doch irgendetwas hinderte mich daran mich wieder hinzulegen und weiter zu schlafen. Ein entferntes Zischen drang in mein Ohr. Verwundert blickte ich mich um, als mein Blick wieder kehrtmachte und über das Fenster schweifte, kamen seltsame Farben aus dem Mond. Ich kniff die Augen zusammen, konnte es jedoch nicht genau erkennen und meine Neugierde trieb mich, meinen Kopf weiter nach vorne zu lehnen und gebannt auf das Farbenspiel zu starren. „Sind das Nordlichter?“, fragte ich zweifelnd. Ich versuchte zu verstehen, was am Sternenhimmel leuchtete, erkannte jedoch nicht, was es war. Es war etwas, was ich noch nie zuvor gesehen hatte, ein Phänomen von unglaublicher Schönheit und zugleich erschreckender Gefühle. Etwas, was meinen Atem wie die Realität eines Traumes, wie schwebende Fantasie, betäubte, meine Augen stumm an die Farbenschwingen weit oben am dunkelblauen Nachthimmel fesselte. Etwas, was wie Farben, wie Strahlen aus dem Mond schoss, Strahlen, die sich einander verwoben und ein wunderschönes Muster bildeten. Strahlen, rot wie Feuer, klar wie Wasser, blau wie der Himmel, leuchtend wie Blitze, glänzend wie Eis und grün wie die saftigste Wiese. Es musste ein Traum sein. Ich fand es schön und faszinierend, aber zugleich machte es mir Angst. Meine Augen waren noch immer wie festgebunden. Ich beobachtete, wie sich diese elementaren Strahlen langsam, nur wenige Meter vor meinem Fenster, zu einer Kugel formten, sich dann weiter verformten. Die Kugel nahm einen reinen Farbton an, schien, als wäre sie der Vollmond einer anderen Welt, kam immer näher an mein Zimmer heran, dann öffnete sich das Fenster mit einem Ruck. Ein kalter Wind blies durch mein Zimmer, wirbelte sämtliche Zettel von meinem Schreibtisch und fuhr mir durch die Haare. Ich spürte, wie Kälte, Wärme, Nässe und Trockenheit zugleich mein Zimmer einhüllten. Langsam nahm die Kugel, die noch immer vor meinem Fenster schwebte, die Konturen eines Tieres an. Die Gestalt, die sich langsam formte, ähnelte immer mehr einem Hund. Ich wagte kaum zu atmen, wollte aufwachen, aus diesem unheimlichen Traum oder mich einfach hinlegen und schlafen, falls es kein Traum war, wollte einfach nur meinen Blick abwenden, wollte schreien, mir die Augen zuhalten. Ich konnte keinen Muskel rühren, sie zitterten vor Angst und Anspannung. Ich selbst hatte keine Kontrolle mehr darüber. Meine Kehle war staubtrocken und ich schluckte, um sie zu befeuchten. Dann spürte ich gar nichts mehr. Keine Kälte, keine Wärme, keine Nässe, keine Trockenheit. Ein sanfter Wind wehte nun vor meinem Fenster, doch er wagte es nicht mein Zimmer zu betreten. Die Formung des Tieres war nun vollbracht. Ich sah seine kräftigen Hinterläufe und den locker hinab hängenden Schweif. Zitternd angespannt saß in meinem Bett, umklammerte meine Bettdecke und schaute fassungslos auf das Schauspiel vor meinem Fenster. Das Tier drehte sich um und blickte mich mit stechend roten Augen an. Aufrichtig, stolz und erhaben stand es in der Luft vor dem Fenster. Das schwache Mondlicht strahlte es von hinten an und das Tier schimmerte weiß darin. Das hundeähnliche Wesen schwebte durch Kopf zu ziehen, machte mich ganz klein und drückte die Bettdecke mit aller Kraft an die Matratze unter mir. Ich presste meine Augen zu und unterdrückte alle Gedanken, flüsterte mir selbst zu, „Keine Angst, es ist nur ein Traum, es ist nur ein Traum, keine Angst! Ich zähle jetzt bis 3, dann öffne ich die Augen und ziehe die Bettdecke weg: 1… 2… 3!“ Ich hatte Angst, dennoch zog ich langsam die Decke von meinem Kopf und öffnete die Augen. Das Tier war weg, er war nicht mehr da! Es war ein Traum, eine Einbildung, ein Streich meiner müden Fantasie, eine Halluzination! Erleichtert sank ich zurück in mein Bett, schloss die Augen und drehte mich zur Seite. Ich spürte mein Herz rasen, mit aller Gewalt hielt ich meine Augen zu, sie wollten sehen und wissen, was es war und ob es wahr war. „Es war nur ein Traum, nur ein Traum, nur ein Traum, …“, sagte ich flüsternd, wurde immer leiser, bis ich schließlich verstummte und mein Herz ruhiger schlug. Ein warmer Atem fegte stoßartig über meinen Nacken. Meine Haare sträubten sich und ein eiskalter Schauer durchzog meinen Körper. Ich blickte auf, drehte mich um und sah in zwei leuchtende, himmelblaue Augen, in die Augen eines Wolfes. Ich wollte schreien als eine Stimme plötzlich sagte: „Ganz Ruhig! Ich tu’ dir nichts, keine Angst“ Jetzt konnte ich gar nichts mehr sagen, meine Kehle war wie zugeschnürt - der Wolf sprach mit mir. Plötzlich sprang der Wolf auf mein Bett, ich zog rasch meine Füße so eng zu mir wie es nur ging und das Tier legte sich hin. „Ich bin Arcon, dein Schutzgeist.“ Sekunden vergingen, in denen der Wolf und ich uns gegenseitig stumm anstarrten, bis ich die Situation realisierte. „B-Bitte?“, fragte ich fassungslos und umklammerte meine Bettdecke. „Also“, fing Arcon an, „Jeder... oder fast jeder... oder auch nur ein paar Menschen haben ein Lieblingstier, wie ihr das nennt. Und deins ist der Wolf.“ Ich nickte misstrauisch, schluckte und dachte: „Das gibt es nicht, das kann also nur ein Traum sein, also, Tia, ganz ruhig, spiel mit in dem Traum, es ist dein Traum!“ Leichter gesagt als getan, wie ich feststellte und fragte dann leise, mit zitternder Stimme: „Wa-was ist hier los? Das-das ist doch… jetzt nur ein Traum…?“ „Das kann nur ein Traum sein.“, redete ich mir ein. „Hehe…“, grinste der Wolf, „Ich dachte, du wolltest immer einem Wolf begegnen?“ Wieder schluckte ich und begann zu zittern. „Ist es doch kein Traum?“, fragte ich mich. Zwar tat mir der Wolf mit Namen Arcon nichts, dennoch hatte ich mir meine erste Begegnung mit einem Wolf anders vorgestellt. Als ich nicht antwortete, sagte der Wolf freundlich: „Nun streng dich doch mal an! Ich tu dir schon nichts, ich bin hier, um dich zu beschützen! Der Tierische Regen hat dich ausgewählt einen Schutzgeist zu bekommen!“ Ich verstand gar nichts und fragte verwirrt: „Wie? Was? Ich… äh… tierische Regenfälle?“ „Das ist etwas schwer zu erklären“, begann der Wolf und legte den Kopf ein wenig seitlich, „Äh…, das ist so, den natürlichen Regen kennst du ja, das Wasser verdunstet, es bilden sich Wolken und dann regnet es.“ Ich nickte misstrauisch. „Und den tierischen Regen, na ja, an jedem Tag steht er für ein bestimmtes Tier, heute war er für den Wolf. Jeder Mensch trägt die Seele eines Tieres in sich. Bei dir ist es der Wolf. Aber nur Menschen, die dieses Tier in ihrer Seele entdeckt haben, sind fähig den tierischen Regen zu spüren und überhaupt einen Schutzgeist zu erhalten. Das würde auch erklären, warum deine Mutter den Regen nicht bemerkte. Klar?“ Ich nickte wieder. Diese Ereignisse am Tag, der Regen, den meine Mutter nicht bemerkte, mein Zusammenbruch und nun dieser Traum, was ging vor? Das konnte doch kein Zufall sein. „Aber warum bist du nicht schon letztes Jahr gekommen?“, stotterte ich zögernd. „Also erst einmal möchte ich dir sagen, dass du mein erster Auftrag bist.“ „Wie, erster Auftrag?“, fragte ich verwundert. Ich schien mich zu entspannen, was ich gar nicht verstand, schließlich unterhielt ich mich gerade mitten in der Nacht mit einem Wolf. Meine Angst vor Arcon verschwand langsam. „Die Schutzgeister müssen erst einmal ausgebildet werden, so wie ihr in den Schulen, nur, dass wir 50 Jahre ausgebildet werden müssen. Eigentlich hätte ich noch fünf Jahre Ausbildung vor mir, aber die Katastrophenzeit ist bedrohlich nahe!“ „Warum ist nicht ein anderer Wolf-Schutzgeist zu mir gekommen? Und was genau hat es mit der Katastrophenzeit auf sich?“ „Es werden viele Naturkatastrophen kommen, vor denen ich dich beschützen muss! Unser Herr wollte einen anderen Schutzgeist zu dir schicken, doch ich sagte, dass du jetzt jemanden brauchst. Aus einem mir unbekannten Grund wollte ich dein Schutzgeist sein. In unserer Lehre machen wir oft Ausflüge in diese Welt... dabei bin ich dir bereits drei Mal begegnet. In deinem Zuhause, doch nicht hier, diese Begegnung ist schon viele, viele Jahre her. Damals warst du in einem Wald und hast ohne jeglichen Grund angefangen zu schreien und zu weinen.“ Gebannt hörte ich dem Wolf zu. Es stimmte, es kam früher oft vor, dass ich im Wald angefangen hatte zu schreien, denn ich hatte eine extreme Angst vor allen Krabbeltieren, egal ob Ameise, Marienkäfer oder Biene. Nun ist diese Angst bis auf die Spinnenphobie verflogen. „Dann vor einigen Jahren, in einem anderen Land. Du warst in einem kleinen Dorf mit deinen Schwestern und anderen Menschen unterwegs. Du bist mir aufgefallen. Ich weiß nicht warum, doch deine Gegenwart hat meine Aufmerksamkeit auf dich gezogen. Versteh das nicht falsch, Tia.“ Das musste in Rumänien gewesen sein. „Die dritte Begegnung war erst vor nicht ganz zwei Jahren, das war hier in deinem jetzigen Zuhause. Du warst auf dem Berg und fuhrst mit einem seltsamen Fahrzeug, als es sich plötzlich überschlug.“ Ich erinnerte mich an meinen Unfall, nur durch unheimliches Glück prallte nur der breite Gummireifen auf meine Nase. Bis auf eine Prellung am Arm und an der Nase war mir allerdings nichts passiert. „Einem Schutzgeist ist es nicht erlaubt einem Menschen, der keinen Schutzgeist hat, zu helfen. Vor 2 Jahren handelte ich ohne nachzudenken und rammte das seltsame Fahrzeug, während es auf dich hinab stürzte. Es drehte sich, sodass dich statt dem gesamten Eisengerüst nur der Reifen erwischt hat. Danach bekam ich riesigen Ärger, doch das war es mir wert.“ „Da... das hab ich dir zu verdanken!?“, stutzte ich. Der Wolf nickte, es schien ihm etwas unangenehm zu sein die Anerkennung und Freude in meiner Stimme zu hören, „Ja... unser Meister hat diesen Vorfall natürlich auch zu Gehör bekommen. Natürlich bekam ich auch von ihm mächtigen Ärger, doch letztendlich ist es gut, einen Menschen vor physischen und psychischen Verletzungen zu bewahren. Und jetzt bin ich hier.“ Erstaunt sah ich auf den weißen Wolf an, wusste nichts zu sagen. „Was ist mit dir?“, fragte der Wolf nun zaghaft. „Ehm...“, stutzte ich, „Ich... weiß nicht“ „Weißt du, viele Schutzgeister erzählten mir von ihrer ersten Begegnung mit ihrem Schützling. Viele haben Angst, so wie du...“ Er hatte Recht, noch immer hatte ich Angst, doch sie schien mehr und mehr zu schwinden. Ein unangebrachtes Gefühl von Müdigkeit überkam mich in dieser ungewöhnlichen Situation und verleitete mich zum Gähnen. „Langweile ich dich?“, fragte Arcon. „Nein“, antwortete ich verschlafen. „Ich bin nur müde“ „Na, dann schlaf gut. Gute Nacht!“ „Gute Nacht, Arcon.“, erwiderte ich und schloss die Augen. Ich wusste nicht, wie ich auf die Idee kam einfach weiterschlafen zu wollen, als wäre nichts gewesen, schließlich lag ein Wolf am Fußende meines Bettes. Meine Gedanken brodelten „Schlafen? Jetzt? Es ist ein Traum! Du kannst nicht in deinem Traum schlafen!“, sagte die eine Seite. „Schlafen? Eine gute Idee. So ein dummer Traum... als ob ein Wolf reden könnte. Schlaf einfach, dann geht der Traum vorbei“, meinte die andere Seite. Was sollte ich tun? Traum? Realität? Innerlich war ich empört über mein seltsames Verhalten, hatte keine Kontrolle darüber, so sehr ich mich auch anstrengte, und entspannte ich mich nach und nach. „Und noch was“, hörte ich Arcon, „Wenn du mich brauchst oder einfach nur mit mir reden möchtest, sag’ einfach meinen Namen. Und schlag dir den Gedanken aus dem Kopf, jemandem etwas von mir zu sagen, nur du siehst mich!“ Ich nickte, glaubte das aber nicht. Es war schließlich ein Traum. Um 4 Uhr weckte mich meine Mutter. Ich setzte mich gähnend auf und lugte durch das finstere Zimmer. Mein Traum fiel mir wieder ein und ich zog meinen Blick wie automatisch an die Stelle, an der Wolf in meinem Traum gesessen hatte. Doch dort lag ein in der Dunkelheit schimmerndes Fellknäul. „Ach Nala.“, grinste ich. Ich wollte sie nicht wecken und unterließ meinen Reflex sie zu streicheln. Vorsichtig zog ich meine Beine neben Nala unter der Decke an mich heran und versank in Gedanken. Ein Wolf, ja das wär richtig cool. Aber dieser Traum... Er ließ mich nicht los. Nun schlug ich meine Bettdecke von mir weg und hörte ein Niesen. Geschockt starrte ich zum Ende meines Bettes und mein Atem stockte. „Es war wirklich kein Traum“, dachte ich und begann ein wenig zu zittern. Das Fellknäul war nicht meine weiße Katze Nala. Arcon steckte seinen Kopf aus der Decke, die ich aus Versehen auf ihn geworfen hatte. Ich saß auf dem Bett und starrte ihn an. Der Wolf gähnte, reckte und streckte sich. Dann stand er auf und wedelte mit dem Schweif. „Guten Morgen, du bist aber ein Frühaufsteher!“ „Normalerweise stehe ich nicht um 4 Uhr morgens auf“, murmelte ich verschlafen und gähnte. Ich fragte mich, wie ich nur so ruhig bleiben konnte, obwohl ich doch gerade wieder mit diesem Wolf sprach. Auf eine eigenartige, magische Weise fühlte ich, dass mich etwas mit diesem Wolf verband. „Tia! Beeil dich, schlaf nicht wieder ein!“, rief meine Mutter von unten. Ich stieg aus meinem Bett während ich den Wolf misstrauisch anstarrte, welcher verschlafen seine Pfoten säuberte und nahm meinen Rucksack. Bevor ich mein Zimmer verließ warf ich noch einen Blick zu meinem Bett, doch es war leer. Mein Atem zitterte. War ich verrückt? Oder war es doch nur ein Traum, der so real wirkte? Langsam schweiften meine Augen durch das Zimmer, fanden nichts. „Okay“, flüsterte ich langsam, „es ist nichts da“ So schloss ich meine Türe und drehte mich gen Treppe. „Entschuldigung.“, flüsterte Arcon zu mir, während ich die Treppe hinunter in Richtung Haustüre ging. Erschrocken blieb ich stehen und blickte hinter mich: Einige Stufen über mir stand der Wolf mit geneigtem Kopf, sah mich demütig an. „We-weswegen?“, stammelte ich. „Wegen heute Nacht, du hattest eine solche Angst… also entschuldige ich mich, weil ich dich erschreckt hab!“, erklärte er. „Tia?! Schläfst du? Komm!“, rief meine Mutter von draußen. „Komme!“, rief ich und beobachtete Arcon misstrauisch, während ich die Treppe hinunter ging. Arcon saß stumm auf der Stufe und musterte mich mit weichem Blick. „Hm - ja“, begann ich schließlich und zog mir meine Schuhe an, „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass jemand anderes weniger erschrocken wäre und weniger Angst gehabt hätte, wenn ein Wolf sich vor dem Zimmerfenster aus irgendwelchen Feuer- und Wasserstrahlen formte. Dann erzählt er auch irgendwas von wegen tierischem Regen, Schutzgeist und Katastrophenzeit.“ Und ehrlich gesagt, verstand ich immer noch nicht, warum ich selbst so ruhig war und keine Angst hatte. Es war, als wäre es etwas ganz Normales. Doch meine innere Ruhe siegte schließlich über die Empörung in mir, die dennoch wie eine kleine Flamme loderte. Wir gingen zum Auto, ich gähnte verschlafen, während Arcon zugab: „Ich hätte es ja nicht so spannend machen müssen, ich wusste ja nicht, dass ihr Menschen so schnell Angst bekommt. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich gleich als Wolf in dein Zimmer marschiert.“ Ich setzte mich ins Auto und war zu müde, um genau verarbeiten zu können, was Arcon gerade gesagt hatte. Nun fuhren wir los, nach Cessinatico. „Vielleicht gibt es wirklich diesen Schutzgeist für mich. Wenn es so ist, sollte ich mich freuen, dass ich einen Wolf habe.“, überlegte ich, schaute kurz aus dem Fenster und sah wie Arcon ‚durch den Wind’ lief. Dann schlief ich wieder ein und wachte 5 Stunden später wieder auf. Wir mussten jetzt noch ungefähr 3 Stunden fahren. Aber jetzt wollten wir erst einmal eine Pause machen und hielten an einem Rastplatz neben der Autobahn. Als wir den Kofferraum öffneten lag Arcon darin. Erst jetzt merkte ich, dass er fast ganz weiß war, nur an seinem Rücken und seinem Kopf waren schwache, hellgraue Zeichnungen. Als er die Augen öffnete wollte ich etwas zu ihm sagen, doch niemand beachtete ihn, für meine Familie war er nicht da, also schwieg ich. Ich erinnerte mich daran, was Arcon zu mir sagte, als ich meine Augen wieder geschlossen hatte „…nur du siehst mich!“ Ich merkte, dass seine Augen nicht mehr rot waren, sondern ein klares, glänzendes Hellblau hatten. Wir holten die Semmeln heraus, die meine Mutter am vergangenen Abend gemacht hatte, setzten uns an einen Holztisch mitten auf einer kleinen Wiese und aßen. Arcon stand neben mir und starrte mich an. „Was will er?“, fragte ich mich und sah ihn an. Daraufhin setzte er sich neben mich, schaute mich lieb an und wedelte mit seinem Schweif. Warum bin ich so ruhig? Was hat es mit diesem Wolf auf sich? Warum ich? Es gab so viele Fragen, die mir durch den Kopf schwirrten, doch mit jeder Sekunde, in der Arcon neben mir war verging meine Angst und die Flamme meiner Empörung wurde immer kleiner. Als ich mich wieder auf meine Semmel konzentrierte, stand Arcon auf und begann wieder meinen Arm zu stupsen. „Wenn Wölfe dasselbe Verhalten haben wie Hunde, dann denke ich mal, dass er bettelt.“, dachte ich. Arcon grinste, stand auf und wedelte mit seinem Schweif. „Ich kann dir jetzt nichts abgeben“, zischte ich leise zu ihm, woraufhin der Wolf seinen Kopf schief hielt, „Wenn sie dich nicht sehen können.“ Dann widmete ich mich wieder meiner Semmel und Arcon begann zu glucksen, „Danke, ich möchte auch gar nichts.“ Er sah mich lächelnd an, als studiere er meine Bewegungen. Was wollte er? Wie er mich betrachtete war mir unangenehm. Sein Blick war, als wolle er mich durchleuchten, als wolle er alles an mir und in mir sehen. Seine Augen waren weder von Begierde noch von Neugierde getrübt, sie waren rein und klar. „Lass das bitte!“, rief ich genervt. Meine Eltern und Alexandra sahen mich verwundert an, „Uhm… was?“ „Arcon starrt mich die ganze Zeit an!“, beschwerte ich mich, nicht daran denkend, dass meine Familie den Wolf nicht wahrnehmen konnte. „Wer?“, fragte meine Mutter erstaunt. „Arcon!“, wiederholte ich. „Sie können mich nicht sehen und nicht hören!“, warf Arcon ein, „Ich wollte dich nicht...“ „Und wer soll das sein?“, fragte meine Schwester genervt und verdrehte ihre Augen. „Da sitzt er! Das is‘n Wolf oder bist du blind?“ Einen Augenblick sah mich meine Familie etwas entsetzt und verwirrt an. „Ein imaginärer Wolf, na klar!“ „Tia! Sie können mich weder hören noch sehen!“, mischte sich Arcon wieder ein. Dieses Mal nahm ich ihn war und hielt mein Kommentar zurück. „Und was ist dann Morgen? Ein Drache oder Eine Prinzessin?“, spottete meine Schwester, „Und gestern bildest du dir einen Donner und Regen ein! Noch was? Kannst du fliegen? Oder Feuer speien?“ Ich warf meiner Schwester einen äußerst verächtlichen Blick zu und sagte trocken: „Ha, Ha, Ha, wie lustig!“ Da sagte meine Mutter streng: „Jetzt hört doch mal mit diesem Gezicke auf, ihr beiden, oder wir fahren gleich wieder heim!“ Der drohende Blick meiner Mutter brachte uns zum Schweigen. Ich sah neben mich, doch Arcon war nicht mehr da. Verwundert blickte ich umher – nichts zu sehen. Wir frühstückten zu Ende und fuhren dann weiter. Im Auto dachte ich darüber nach, wie es sein konnte, dass es ein Lebewesen gab, falls Arcon eines war, das nur eine Person auf der Welt sehen könnte. Arcons Worte hallten in meinem Kopf wieder „…an jedem Tag steht der tierische Regen für ein bestimmtes Tier, heute war er für den Wolf. Jeder Mensch trägt die Seele eines Tieres in sich. Bei dir ist es der Wolf. Aber nur Menschen, die dieses Tier in ihrer Seele entdeckt haben, sind fähig den tierischen Regen zu spüren und überhaupt einen Schutzgeist zu erhalten.“ Ich fragte mich, ob andere, die auch den Wolf als Lieblingstier haben, Arcon sehen können. Ich blickte mich im Auto um. Meine Mutter fuhr, mein Vater schlief und Alex hörte Musik. Ich überlegte kurz und flüsterte dann: „Arcon? Bist du da? Arcon?“ Ich lauschte und wartete kurz, er war nicht da. „Wenn du mich brauchst oder einfach nur mit mir reden möchtest, sag’ einfach meinen Namen…“, hatte er gesagt, warum kam er dann nicht? Im nächsten Augenblick saß er zwischen Alex und mir, was mich aufschrecken und anschließend erleichtert ausatmen ließ. „Was gibt’s?“, fragte er. „Ich wollte dich nur fragen, ob…“, flüsterte ich und hielt inne, um zu schauen, ob jemand mich ansah, „Ob dich auch andere sehen können, die auch den Wolf als Schutzgeist haben.“ „Nein, normalerweise nicht.“, sagte er. „Also gibt es Ausnahmen?“, fragte ich, immer noch flüsternd. „Ja… also, ach vergiss es, ist nicht wichtig!“ Daraufhin verschwand er. „Warte!“, wollte ich ihm gerade nachrufen, als mir einfiel, dass der Rest meiner Familie ihn scheinbar wirklich nicht wahrnehmen konnte. Also beschloss ich einfach ruhig zu sein, holte meinen Mp3-Player und hörte Musik, bis ich wieder einnickte. Kapitel 3: Flut --------------- Als wir ankamen war es kurz nach 12 Uhr, wir meldeten uns gleich an der Rezeption an und stiegen zwei Stockwerke zu unserem Apartment, welches zwei Schlafzimmer, einen Balkon, Küche und Bad besaß. Kaum hatte unser Gepäck vor den jeweiligen Betten Platz gefunden, beschlossen wir nach dem Mittagessen zum Strand zu gehen. Im Hotelrestaurant gab es verschiedene Italienische Delikatessen, Salate und Suppen. Nach dem Essen packten wir die Strandsachen in eine Tasche, überquerten die einzige Straße, die uns vom Strand trennte und suchten einen Platz mit Schirm, damit wir -je nach Lust und Laune - sowohl im Schatten als auch in der Sonne liegen konnten. Alex und ich waren zuerst im Meer. Es war warm und angenehm, der Wind blies sanft und die Wellen wogen sich gleichmäßig in einem weichen Rhythmus. Erschöpft und grinsend kamen wir nach einer Stunde schwimmen, tauchen und Ballspielen aus dem Meer. Ich bemerkte Arcon, welcher im Sand unter dem Schirm neben meiner Mutter lag und die Gegend beobachtete. „Hat er mich die ganze Zeit beobachtet?“, fragte ich mich. „Ja... oder Nein... ein Wenig“, antwortete Arcon und lächelte mich an. Ich starrte ihn fragend an und griff geistesabwesend nach dem Handtuch. „Deine Gedanken sind zu offen, ich kann sie mit ein wenig Mühe hören“, erklärte Arcon lächelnd, stand auf und lief auf mich zu. Ich setzte mich stumm auf eine freie Liege, wickelte mich mit dem Handtuch ein und schloss die Augen. Ich versuchte gezielt eine Frage in meine Gedanken zu setzen, was ich sonst dachte war eher ein Reflex als wirklich gezielt und gewollt, „Also kannst du das hier auch hören?“ „Ja, aber das kann ich nur so lange wir noch nicht eins sind“ „Bitte?“, stieß ich leise aus und öffnete abrupt meine Augen, „Das macht doch keinen Sinn, wenn du meine Gedanken nicht lesen... oder hören kannst, wenn unsere Verbindung stärker ist“ Ich blickte mich kurz um, mein Vater las in der Sonne, meine Mutter und Alex spielten Backgammon. Arcon lachte, „In einer perfekten Bindung muss alles auf Gegenseitigkeit beruhen. Für dich ist es wohl leichter das, was du mir sagen möchtest, akustisch zu äußern?“ „Ja“, stimmte ich flüsternd zu und streichelte den Wolf vorsichtig, bedacht, dass mich niemand dabei sah. Das weiße Fell war nicht allzu lang und unglaublich weich und warm. „Das ist ganz normal und auch gut so. Je stärker die Bindung zwischen Schutzgeist und Mensch ist, desto mehr verschließen sich die Gedanken des Menschen und desto schlechter kann der Schutzgeist die Gedanken hören...“ „Warte mal! Es ist doch wirklich völlig schwachsinnig so!“, flüsterte ich leise. Arcon seufzte und fuhr fort, „…Tia, in einer perfekten Bindung muss alles ausgeglichen sein und auf Gegenseitigkeit beruhen, dass heißt im Klartext: entweder können beide Parteien die Gedanken hören, oder sie können es nicht. Und da es leichter ist es sich abzugewöhnen, als es sich anzugewöhnen, ist es auch leichter, dass der Schutzgeist die Gedanken nicht mehr hört, als wenn der Mensch es lernt.“ „Aber warum denn? Es wäre doch viel Praktischer“ „Theoretisch schon, aber praktisch nicht“, meinte Arcon und grinste leicht, „Ein Mensch kann so etwas nicht mal eben so schnell lernen. Und außerdem muss er zusätzlich lernen unwichtige Gedanken auszublenden und vor allem Gedanken, die ihn nichts angehen. Menschen sind von Natur aus neugierig ... zu neugierig. In dem Kopf eines Schutzgeistes gibt es genug Gedanken, die Menschen nichts angehen…“ Ich seufzte, doch ich sah ein, dass Arcon Recht hatte. Ich konnte natürlich nicht wissen, was für Gedanken es waren, aber mystisch und geheimnisvoll war die Sache mit den Schutzgeistern schon irgendwie. Wenn ich bedachte, dass die Schutzgeister zwar von der Existenz der Menschen wussten, jedoch die Menschen nicht von der Existenz der Schutzgeister, war es logischer so wie es nun war. „Allerdings werde ich dich immer hören, wenn du mich rufst, wenn du mich gezielt rufst, auch, wenn unsere Bindung perfekt ist. Für diesen Zeitpunkt brauchen wir keine Worte, ich denke, jeder von uns wird wissen, wenn es soweit ist“, meinte Arcon, schmiegte seinen Kopf an meine Beine und legte sich dann in den Sand vor meinen Füßen. Eine Weile lang starrte ich nur ziellos durch die Gegend, ohne Blick, ohne Gedanken. Dann schüttelte ich mich, trocknete mich kräftig ab und fragte, ob wir uns nicht ein Eis kaufen wollten. Meine Familie willigte ein und wir gingen gemeinsam zu einer Strandbar. Als wir fertig mit gegessen hatten nahm ich ein Buch und begann zu lesen. Das Salzwasser brannte noch immer in meinen Augen und richtig konzentrieren konnte ich mich auf die Handlung meines Buches auch nicht. Seufzend legte ich das Buch bei Seite und das Handtuch auf die Liege. „Ich geh’ noch mal zum Meer“, sagte ich dann. „Okay“, stimmte meine Mutter zu, „wir rufen dich dann, wenn wir gehen“ Ich nickte und ging vor zum Strand. Dort betrachtete ich eine Weile das schimmernde Meer, beobachtete, wo die meisten Wellen begannen ins Meer zurückkehrten und fing dann an einen Wolf aus feuchtem Sand zu bauen. Plötzlich saß neben mir etwas. Erschrocken sprang ich einen Schritt zurück und atmete wenig später erleichtert auf, als ich merkte, dass es Arcon war. „Man, hast du mich erschreckt.“, grummelte ich leise. Der Wolf grinste nur und entschuldigte sich. Dann sah er mir interessiert zu, wie ich den etwas verkümmerten Wolf aus Sand schuf. Nach einer Weile meinte Arcon: „Pass’ mal auf!“ Neugierig schaute ich meinen Schutzgeist an. Er stand auf, richtete seinen Schweif steil nach oben und richtete seinen Blick ebenfalls gen Himmel. Verwundert sah ich ihn an. Seine klaren, ruhigen himmelblauen Augen färbten sich zu stechenden, bedrohlichen Roten. Ich erschrak, konnte nichts sagen. Dann wendete er seinen Kopf rasch in alle Richtungen, indem er sich schwungvoll drehte, und alles, was er mit seinem blutroten Blick einfing, erstarrte: Das Meer, die Menschen, die Vögel, die Wolken, sogar der Sand, der von Füßen oder vom Wind aufgewirbelt war, blieb in der Luft stehen. Alles war ruhig, unheimlich ruhig, kein Meer und auch kein Gelächter, rein gar nichts war zu hören. Die von Lachen verzehrten Gesichter rührten sich nicht, die Kinder, die erschrocken vom nassen Wasser aufsprangen waren in ihren Bewegungen erstarrt, völlige Stille, unaufhörliche Ewigkeit schien die Luft, die niemand atmete, zu füllen. „Wa… Was hast du gemacht?“, schrie ich Arcon an. „Nichts“, sagte er ruhig, „Ich habe nur die Zeit stillgelegt, für eine Weile“ „Den Menschen passiert nichts, keine Angst“, fügte er noch rasch hinzu. „Bist du verrückt? Du kannst doch nicht einfach herkommen und einfach mal die Zeit stilllegen!“, schrie ich ihn an. „Jetzt reg dich mal nicht so auf! Es passiert nichts. Das ist eine Art Sicherheitsmaßnahme für die Menschen bei uns Schutzgeistern!“ Mir fiel wieder ein, dass er im Auto einfach verschwunden war, so keifte ich wütend zu ihm: „Und vorhin im Auto, da bist du einfach so verschwunden! Ich dachte du bist da, wenn ich dich brauche!“ „Jetzt hör mir mal zu!“, hob er seine Stimme zu einem strengen Ton, „Mein Vater hatte Recht! Ihr Menschen seid wirklich egoistisch, ich hatte nicht gedacht, wie Recht er damit hat. Du hast mich nicht gebraucht, du warst auch nicht in Gefahr. Ich hätte dir beinahe etwas gesagt, dass eigentlich kein Mensch wissen dürfte! Und dafür schreist du mich auch noch so an. Ich wollte dir etwas zeigen, habe gehofft, dass du nicht so ein Mensch bist wie mein Vater gesagt hat, aber…“, er blickte zu Boden, seine Stimme wurde ruhiger und seine hellblauen Augen kehrten zurück, „…aber du bist auch nicht anders“ Er klang schon traurig. Plötzlich tat es mir Leid, ein schlechtes Gewissen plagte mich, da ich ihn angeschrien hatte, wobei ich nichts über die Situation wusste. „Ich hätte ihm einfach vertrauen sollen“, schloss ich meine bedrückten Gedanken ab. „Arcon“, flüsterte ich nun, „es… es tut mir leid… das wusste ich nicht. Ich… ich habe nur Angst bekommen. Ich kenne so eine Zeitspanne oder wie das heißt nicht. Ich habe mich erschrocken. Es tut mir Leid, ehrlich“ Vorsichtig hob ich meine Hand und streichelte Arcon über den Rücken. Als ich wieder an seinem Kopf ansetzte begann ich sein Ohr zu kraulen. Er wollte eigentlich schmollen, das sah man ihm an, doch er konnte sein Grinsen nicht unterdrücken, womit er seinen Wohlgefallen ausdrückte. „Willst du jetzt zeigen, was du machen wolltest?“, fragte ich und lächelte. Er schaute auf, mit einem Rest seiner schmollenden Miene, und sah mir direkt ins Gesicht. Dann konnte er es nicht mehr aushalten: Seine Augen schimmerten erfreut und er begann wild mit seinem Schweif zu wedeln. „Wenn du mir gestattest dir alles zu erklären?“ Nach meinem angespannten Kopfnicken erklärte er: „Diese Zeitspanne benutzen wir, um das tun zu können, was andere Menschen in Angst versetzten könnte, wenn sie es sehen. Aber auch zu ihrem Schutz. Die Zeitspanne ist extrem wichtig, bevor wir Schutzgeister eine Handlung machen. Es ist ein Gesetz und darf nicht gebrochen werden.“ Er schwieg, als würde er noch einen Teil an den Satz in Gedanken hinzufügen. „Also, Tia, geh bitte einen Schritt zurück“ Jetzt war ich angespannt. Was wollte er nur machen? Ich tat, worum Arcon mich gebeten hatte. Er stellte sich in eine feste Position, als würde er vorhaben den Sandhaufen in Form eines recht misslungenen Wolfes anzugreifen, sein Fell sträubte sich während seine Augen wieder die blutrote Farbe annahmen, vor der ich mich so fürchtete. Ein tiefes, grollendes Knurren kam aus Arcons Kehle, drohend und dominant, ich zuckte zusammen. Was dann passierte sehe ich heute noch klar vor meinen Augen, ich konnte es nicht glauben, doch es war real. Der Sandhaufen vibrierte, die Körner wirbelten in einem Strudel aufwärts und ordneten sich neu an. Wie von Geisterhand wurde aus meinem misslungen Sandwolf eine Skulptur aus Sand, so schön und echt wirkend, als wäre sie von einem Künstler aus Stein gemacht worden, die Skulptur eines Wolfes! Aufrecht und stolz saß sie da. Ich war beeindruckt, bekam nichts aus meinem trockenen Mund, außer ein paar erstaunten, mühselig hervorgebrachten, wirr aneinander gereihten Silben von Wörtern, die ich selbst nicht kannte. „Ich löse jetzt die Zeitspanne“, flüsterte Arcon. Ich nickte abwesend. Wenig später nahm ich das Meeresrauschen und das Gelächter wieder wahr. Ich hatte mich an die unangenehme Stille gewöhnt, doch ich war noch so beeindruckt, dass ich all das nicht wahrnahm, auch nicht, dass ein Italiener mich ansprach. Leute blieben stehen und betrachteten „mein“ Wunderwerk. Ich nickte nur immer, schließlich konnte ich niemandem weiß machen, dass ein Wolf dieses Werk vollbrachte. Mein Blick schweifte umher, Arcon war nicht zu sehen. Daraufhin stand ich auf, ging langsam ins Meer und wusch mir den Sand von meinen Armen und Beinen. Dann schlenderte ich durch den Sand zurück zu Arcons Wunderwerk, als auf einmal Alexandras Stimme rief: „Tia, kommst du? Wir wollen...“ Sie stockte, als sie den Sandwolf sah. „Boa, Tia, das is’ ja cool“ Ich schaute etwas verlegen auf den Sandwolf. „Das hat Arcon gemacht“, hauchte ich leise. „Bitte?“ „Ich… ähh...ach vergiss es! Gehen wir nun?“, belächelte ich sie. Ironisch gemeint blickte mich Alex misstrauisch an, lachte dann und wir liefen durch den Sand zu unseren Eltern zurück. Ich schaute noch einmal zu dem Sandwolf zurück und murmelte: „Einfach genial, Arcon“ „Hm?“, fragte Alex. „Nichts, nichts, ich sagte nur, es sei ein ganzes Stück Arbeit gewesen“, log ich lächelnd. Alex berichtete meinen Eltern von der genialen Skulptur und ich spürte, wie ich bis über die Ohren rot wurde. Es war mir sehr unangenehm, das zu hören, wo doch mein Schutzgeist das alles geleistetet hatte. Als wir an dem Platz kamen, an dem Arcon sein Werk vollbracht hatte, war dort nur noch ein zusammen gefallener, nasser Haufen. Eine größere Welle hatte das Werk zerstört. „Es ist nicht gut, wenn die Menschen zu viel sehen“, erläuterte Arcons Stimme neben mir, während Alex unseren Eltern klar machte, dass diese wunderbare Skulptur wirklich dort stand. „Wie meinst du das?“, flüsterte ich Arcon verwirrt zu und zog mich einige Schritte von meinen Eltern zurück. „Du siehst doch, was deine Schwester eben macht. Was tust du, wenn die Leute, die dich neben der Sandstatue gesehen haben, meinen, du kannst so etwas noch öfter machen. Das wird kompliziert dich da raus zu reden, Tia. Wie du sicher bereits gemerkt hast kannst du nicht einfach sagen, dass ich es war“ Ich nickte betrübt. Überrascht starrte ich auf das Meer. Es war ruhiger als zuvor, wo sollte die Welle hergekommen sein, die die Skulptur vernichtet hatte? „Arcon?“, keuchte ich, „Wie konnte eine Welle entstehen, die groß genug war um die Skulptur wegzuschwemmen, wenn das Meer so ruhig ist?“ „Wir Schutzgeister sind im Einklang mit den Naturkräften. Wir haben gelernt mit ihnen zu harmonieren und sie ab und zu zu verändern, eine kleine Welle in eine etwas größere umzuwandeln ist kein Problem“, erklärte er. „Umgekehrt ein umso größeres“, fügte er kaum hörbar hinzu. Als Alex sich beruhigt hatte liefen wir zu den Duschen und wuschen uns den salzigen Belag des Meeres und der Luft von unseren Körpern. Mein Vater hatte sich einen Sonnenbrand geholt und wir alle entspannten uns in unserem kühlen Appartement des Hotels. Nach einigen ausgiebigen Rommé-Partien bekamen wir Hunger und bestellten an der in der nahe gelegenen Pizzeria 3 Pizzen. Meine Mutter hatte die Idee, dass wir bereits langsam Richtung Pizzeria gehen, dabei könnten wir und anschauen, welche Restaurants es in der Nähe noch gab. Die Pizzeria war gemütlich eingerichtet und spielte ruhige Musik. Nach dem ausgiebigen Essen begaben wir uns wieder ins Hotel zurück und gingen zu Bett, wobei jeder noch seine spezielle abendliche Tätigkeit vollzog: Meine Mutter machte Kreuzworträtsel, mein Vater las einen seiner historischen Romane und Alex spielte mit ihrer kleinen Konsole ein Strategiespiel, was ich sonst auch tat, doch die vergangenen 20 Stunden brachten mich schwer zum Überlegen. Arcon war schon fast wie ein Teil von mir, so fühlte es sich zumindest an. Als ich bedachte, dass er mir vor nicht ganz 20 Stunden das erste Mal begegnete überkam mich ein seltsames Gefühl. Ist diese Perfekte Bindung, von der Arcon sprach schon eingetroffen? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen. Schließlich kannte ich ihn noch nicht einmal einen Tag lang, und doch fühlte ich mich immer stärker mit ihm verbunden. Ich grübelte ein wenig darüber, bis mir ein anderer Gedanke durch den Kopf schwirrte. Ich lag auf dem Rücken und hatte meine Arme hinter dem Kopf verschränkt, als ich über diesen Satz von Arcon nachdachte… „Umgekehrt ein umso größeres“ Was meinte er? Hatte es mit dieser Katastrophenzeit zu tun, die er erwähnt hatte? Ich runzelte die Stirn. Es war für mich unvorstellbar in große Gefahr zu geraten, das schlimmste, was mir bisher passiert war, war als ich in Rumänien kopfüber durch diese Glastür geflogen war. Das einzige was ich davon hatte waren zwei relativ kleine Narben am meinem rechten Oberarm und meinem linken Ellenbogen: Zwei gerade, etwa 4 cm lange Narben, die in den vergangenen 7 Jahren seit es passiert war wunderbar verheilt waren. „Denke nicht zu viel über mich nach, Tia“, beruhigte mich Arcons wohlklingende Stimme. Alex klappte den Gameboy zu und drehte sich unter ihrer Bettdecke. Meine Augenlider schlossen sich kurz und ich spürte, wie Arcon vorsichtig auf das Bett sprang und sich neben mich legte. „Schlaf jetzt, Tia“, meinte Arcon und ich blickte ihm noch einmal in seine himmelblauen Augen, die von seinem schneeweißen Fell umgeben waren, bevor ich mich zu ihm drehte, meine Hand auf ihn legte, ihn kraulte und dann einfach einschlief. Als ich am nächsten morgen aufwachte hörte ich das Klirren einiger Teller, die jemand auf einen Tisch stellte. Ich streckte meine Arme aus, doch meine Beine waren blockiert. Ich setzte mich verwirrt auf und bemerkte, dass Arcon wohl die ganze Nacht bei mir geschlafen hatte, auch wenn er nun auf meinen Beinen und nicht neben mir lag. Ich lächelte, allein sein Anblick zwang mich zu einem Lächeln. Noch immer war es für mich schwer zu begreifen, dass das Geschehen real war. Ein Wolf, ein Wolf bei mir... das war ein Gedanke, denn ich vor Freude nicht glauben konnte. Ich streckte meine Hand aus und kraulte seinen Kopf. Er streckte seine Beine von sich und öffnete seine Augen. „Guten Morgen, Arcon“ „Guten Morgen, Tia! Gut geschlafen?“ „Ja, du?“ „Das Bett ist bequem“, meinte er zufrieden. Er blickte mich verschlafen an, lies sich noch eine Weile von mir streicheln, stand dann auf und streckte sich. Nun konnte ich auch aufstehen, schlenderte ins Bad, wusch mein Gesicht und kämmte mir die Haare zu einem Seitenscheitel und Band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. Mein Pony war ein wenig zu kurz um ihn hinter mein Ohr zu legen, also versuchte ich meine ‚Löwenmähne’, wie meine Mutter meine Haare nannte, wenigstens Richtung Ohr zu kämmen. Kaum war ich fertig, klingelte es an der Tür. Ich huschte in das Zimmer, in dem ich geschlafen hatte, und während ich mir meinen Pyjama auszog und mich einkleidete machte mein Vater bereits die Tür auf. Es waren Alex und meine Mutter. Alex spähte in unser Zimmer und grinste mir entgegen: „Auch schon wach?“ Ich grinste zurück und nickte ihr zu. Sie und meine Mutter waren bestimmt schon seit halb 8 wach und hatten bereits einen Spaziergang am Meer hinter sich. Ich schloss, dass mein Vater den Tisch vorhin gedeckt hatte. Dann hörte ich meine Mutter: „Na, du Schlafmütze, komm essen“ „Ich komme“, rief ich, zog den Reißverschluss meiner Hose hoch und ging in die kleine Küche unseres Hotelzimmers. Als mein Blick über die Wanduhr huschte bemerkte ich, dass es halb 10 war. „Gar nicht mal so spät“, flüsterte ich zufrieden, da ich nicht die halben Ferien verschlafen wollte. „Was meinst du?“, wollte Arcon etwas verwirrt wissen, während ich mich auf einen freien Stuhl zwischen meinem Vater und Alex setzte. Die beiden waren mit meiner Mutter in einem Gespräch, dessen Inhalt mich nicht interessierte. „Die Uhr! Ich bin relativ früh wach“, zischte ich möglichst leise zu Arcon, in der Hoffnung, dass meine Familie es nicht mitbekam. Doch meine machte Mutter meine Hoffnungen zunichte und fragte: „Was meintest du?“ „Wie lange seit ihr schon wach?“, startete ich sofort eine Gegenfrage und lies es so klingen, als wäre es das gewesen, was ich gesagt hatte. „Seit etwa halb acht, Schlafmütze“, antwortete Alex lächelnd, „Wir waren übrigens noch beim Bäcker“ „Toll“, meinte ich spaßhaft und nahm mir eine Semmel. „Es ist angenehm warm draußen“, fing meine Mutter an, nachdem sie Butter auf ihre Semmel geschmiert hatte, „Wenn ihr wollt können wir gleich nach dem Essen unsere Sachen packen und zum Strand gehen“ „Und das Meer ist so schön ruhig und der Himmel ist total klar, keine einzige Wolke“, gab meine Schwester dazu. „Oh, ja, gerne!“, stimmte ich zu und verschluckte mich an einem Semmelkrümel. Mein Vater klopfte mir heftig auf den Rücken und ich hustete. „Danke, passt schon, danke“, krächzte ich dankbar. In Augenblicken, in denen ich unbeobachtete war, klaute ich ein Stück Wurst und lies meine Finger unauffällig zu Arcon gleiten. Erst sah er etwas verwirrt zwischen mir und der Wurst hin und her, nach einem kurzen Kopfnicken meinerseits, nahm er diese vorsichtig zwischen die Zähne und aß sie genüsslich auf, ehe er sich höflich bedankte. Nachdem alle aufgegessen hatten zogen wir uns unsere Badeanzüge an, darüber unsere normale Kleidung und packten unsere Sachen. Als wir auf dem weichen, warmen Sand kamen blieb Arcon stehen und blickte verstohlen aufs Meer. Auch ich blieb stehen und fragte leise: „Was ist?“ Arcon ging weiter und sagte geheimnisvoll: „Gib acht, Tia. Ich traue diesem Meer nicht“ Erst schaute ich ihn nur verwirrt an, ging dann auch weiter, kicherte und flüsterte dann: „Was soll schon passieren? Das Meer ist so ruhig und der Himmel so klar oder meinst du etwa da sind Haie?“ „Das ist kein Scherz, ich warne dich“, knurrte Arcon ernst und warf mir einen strengen, durchdringenden Blick zu, der mich zusammenzucken lies. Ich musterte ihn verängstigt, bis ich plötzlich die Stimme von meinem Vater hörte: „Hey, Schlafmütze! Hier sind wir!“ Ich blickte mich um und sah einige Meter weiter hinten Meine Familie. Ich lachte verlegen und rannte zurück. Ich entledigte mich geistesabwesend meiner Kleidung, bis auf den Bikini und als ich mir der realen Situation wieder bewusst wurde meinte ich: „Ich geh dann schon mal ins Wasser, okay?“ „Warte doch, ich bin doch auch gleich fertig!“, sagte Alex, während ich mich noch einmal umsah, aber ich fand Arcon nicht. Seine Worte beunruhigten mich, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, was hier an einem so schönen Tag passieren könnte. „Du kannst ja nachkommen, ich lauf ja nicht weg.“, erwiderte ich Alex und starrte auf das ruhige Meer, vor dem Arcon mich gewarnt hatte. „Er wird wohl wieder irgendwo hin gegangen sein“, dachte ich und rannte sogleich auf das Meer los. Mein Magen zog sich zusammen, ich wusste nicht was los war. Es waren nur noch zehn Meter als ich bemerkte, dass die Seemöwen schnell wegflogen, als würde sie vor ihrem größten Feind fliehen. Verwundert beobachtete ich, wie sich etwas Seltsames auf dem Meer tummelte. Mein Lauf verlangsamte sich, als einige Menschen schreiend ans Ufer hechteten und in fremden Sprachen rufend an mir vorbeirannten. Mit einem Mal erhob sich aus dem Meer eine Welle, die sich in rasender Geschwindigkeit auftürmte und den ganzen Strand in Schatten setzte. Panik brach aus. Die Leute schrien, liefen weg. Die wenigen, die noch im Wasser waren, versuchten der Welle zu entkommen, wurden jedoch kreischend mit ihr gerissen. Mein Herz pochte wild, als ich schockiert zum Stehen kam. Ich blieb reglos stehen, konnte keinen Finger rühren, jegliche Geräusche um mich herum wurden dumpf, nur das überwältigende, grausame Rauschen der Welle drang tief in mein Ohr und gestatte es mir nicht mich zu regen. Ich blickte auf die riesige Welle und mir wurde klar, dass ich in Lebensgefahr schwebte: ein riesiger Tsunami kam auf mich zu. Unter den vielen dumpfen Schreien hörte ich jemanden meinen Namen rufen, schwer erkennbar, kaum hörbar, ich wollte der Stimme folgen, hoffte, sie könne mich in Sicherheit bringen, doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich wollte nach Hilfe schreien, mich verstecken, wollte weg, fliehen, rufen, irgendetwas. Mir wurde kalt und heiß zugleich. Tausende Gedanken, Bilder und verschwommene Gestalten wuchterten in meinem Kopf, ein reines Gewirr aus Erinnerungen. Mit starrem Blick auf die unglaubliche Welle konnte ich keinem Gedanken folgen. Bis auf ein Detail, dass meine Aufmerksamkeit auf sich zog, ein weißer Wolf, der mich mit erhabenem, stolzen Blick erwartungsvoll anstarrte. Sein Anblick erfüllte mich Hoffnung wie ein kleiner Funke, der zu einer großen Flamme wurde. Arcons Worte wurden mir klar: die Katastrophenzeit hatte begonnen. „Arcon...“, dachte ich, schaffte es einen kleinen Schritt rückwärts zu gehen und rief nach meinem Schutzgeist. Das gefährliche Rauschen des Tsunami schüchterte mich ein, sie drohte jeden Moment über dem gesamten Strand einzubrechen. Mein Blick war starr auf den Tsunami gerichtet, ich vernahm keine Stimmen, keine Schreie, keine Rufe nach meinem Namen. „Arcon, du hast versprochen für mich da zu sein, wenn ich dich brauche“, flüsterte ich voller Angst, mein Herz pochte und hämmerte wild gegen meinen Brustkorb. „Ich bin da, Tia, alles wird gut!“, hörte ich Arcons Stimme neben mir. Sie klang mutig und ehrfürchtig. Hastig suchte ich neben mir das glänzende weiße Fell meines Schutzgeistes, doch alles, was ich entdeckte waren zwei blutrote Augen im Sand neben mir. Ein aus Sand geformter Kopf erstreckte sich aus dem Boden stieg höher hinauf und wurde von dem Rumpf und den Beinen eines Wolfes verfolgt. „Hab keine Angst, Tia!“, sagte der immer mehr vollständige Wolf, während der Sand von ihm bröckelte. „Arcon“, keuchte ich und starrte den Sandwolf entsetzt an. Noch bevor der letzte Teil seiner Hinterbeine außerhalb des Strandbodens war sprang er in die Höhe. Der Sand, der den Wolf umgab, wurde durch Wasser verdrängt. Ich hatte keine Nerven mehr um darüber nachzudenken, dass die Zeit in Zeitlupe zu laufen schien, ich hatte keine Gedanken mehr. Der Sand seines Körpers regnete von ihm herab und als er elegant neben mir gelandet war, war er durch schimmerndes Wasser geformt. Kaum eine Sekunde auf dem Boden stieß er nach vorne und sprang der Welle entgegen, fassungslos verfolgten meine Augen Arcon und bewunderten seinen Mut. Arcon prallte gegen das Wasser des Tsunami, kämpfte sich beißend durch die Macht des Meeres und drang in die gefährliche Flutwelle ein. Sie war wie gelähmt. Bewegte sich keinen Zentimeter. Eine Unsichtbare Macht hielt sie fest. Ein imponierendes Wolfsgeheul breitete sich aus, mein Blut gefror in meinen Adern, aus Angst oder aus Schock. Mein Innenleben verkrampfte sich, ich konnte mich noch immer nicht bewegen, hatte nur Gedanken an Arcon, hoffte, dass er wusste, was er tat. Meine eigene Sicherheit schien mir nicht mehr wichtig. Hätte ich den Mut gehabt, wäre ich geradewegs auf die gigantische Naturkatastrophe zugelaufen, mit dem Wunsch, meinem Schutzgeist helfen zu können. Doch wo war Arcon? Er war einfach in der Welle verschwunden. Angestrengt wartete ich auf ein Zeichen von Arcon, wollte nichts übersehen. „Tia, komm!!“ Die Stimme war leise, doch ich konnte sie meiner Mutter zu ordnen. Überrascht drehte ich mich um, sah meinen Vater auf mich zu rennen. Darum kümmerte ich mich nicht weiter und richtete meine Augen auf die Welle, die noch immer starr und senkrecht im Meer stand. Ein Jaulen ertönte. „Arcon“, hauchte ich, mein Herz verdoppelte seine Schlaggeschwindigkeit. Auf einmal überkam mich der Gedanke an meinen Vater und ich blickte mich um. Er stand starr im Lauf und rührte sich nicht. Völlig verängstig starrte ich umher. Niemand bewegte sich nicht. Die Bilder vom Vortag schossen durch meinen Kopf, zeitgleich Arcons Worte, „...die Zeit stillgelegt... eine Art Sicherheitsmaßnahme bei uns Schutzgeistern!“ Eine Zeitspanne. Das war es. Eine Mischung aus wütendem Knurren und verzweifeltem Jaulen breitete sich aus. Ich konnte eine Art Brodeln auf der senkrechten Welle beobachten. Daraus schoss ein Wasserstrahl direkt auf mich zu. Mein Atem stockte, meine Füße wurden lahm, meine Hände schwer. Blitzschnell stieß etwas neben dem Strahl aus der Welle, überholte diesen und stoppte zwischen ihm und mir. Der Sand flog durch die Luft. Das etwas war Arcon, noch immer in seiner Wassergestalt. Er richtete sich kurz auf zwei Beinen auf und nutze seine Haltung, um mit seiner Pfote auf den Strahl einzuschlagen. Der Strahl fiel zu Boden und hinterließ eine nasse Spur im Sand. Nachdem mein Schutzgeist wieder auf seinen 4 Pfoten stand, blickte er sich zu mir um und sah mit seinen blutroten Augen in meine tiefbraunen. „Alles in Ordnung?“, fragte er ernst. „Ja“, flüsterte ich mit zitternder Stimme. Arcon richtete sein Gesicht von mir auf die Welle und meinte: „Kein Angst, ich beschütze dich, ich bin gleich fertig.“ Daraufhin rannte er auf die Welle zu, hinterließ seine Pfotenabdrücke auf dem Sand und sprang wieder direkt gegen die Welle, haftete an ihr, und sprinte sie senkrecht hinauf. An verschiedenen Stellen brodelte der Tsunami und stieß Wasserstahlen auf Arcon, denen er geschickt auswich. Oben angekommen sprang er hoch hinauf. Zeitgleich schoss ein weiterer Wasserstrahl auf mich zu. Ein wütender Aufschrei Arcons machte mich darauf aufmerksam. Dank meiner Reaktion wich ich dem Strahl aus. Etwas – mir unerklärliches - war anders als zuvor. Der Strahl schoss an mir vorbei machte kehrt und sauste abermals auf mich zu. Stutzend wich ich ihm noch ein Mal aus. „Schlag ihn, Tia!“, schrie Arcon. Ohne nachzudenken folgte ich Arcons Befehl und schlug mit meiner Faust gegen den Wasserstrahl, welcher mich umkreiste. Schlagartig fiel der Strahl wie der vorherige zu Boden und hinterließ eine nasse Spur. Arcon stieß steil nach unten und prallte oben auf den Tsunami. Er beulte die Welle von innen aus, wie eine kleine Welle, die den Tsunami hinunterlief, wie ein Schwert in einer Schlacht, das den Gegner in zwei Teile schlug. Das Rauschen der gewaltigen Flutwelle dröhnte in meinen Ohren, die ich rasch zuhielt und meine Augen zusammen kniff. Als der Krach nachließ öffnete ich die Augen und bemerkte sogleich, dass die Größe der Flutwelle enorm abgenommen hatte. Der Tsunami schien sich zurückzuziehen, er floss zurück ins Meer. Ich nahm meine Hände von meinen Ohren und eine Mischung aus Freude und Erleichterung erwärmte meinen Körper. Doch... wo war Arcon? Er war nicht zu sehen. Vorsichtig ging ich ein paar Schritte vorwärts, auf die Welle zu, die immer kleiner wurde. Am Fuß des Tsunami war ein dunkler Fleck. Ich beschleunigte meine Schritte, ich wusste, dass es nur Arcon sein konnte. Auf einmal schoss aus dem dunklen Fleck ein dritter Wasserstrahl direkt auf mich zu. Ich bremste abrupt und stand, gelähmt vor Schreck, starr auf dem warmen Sand. „TIA!“, schrie Arcons Stimme und er sauste von dem Fuß der Welle in seiner Wasserform auf mich zu. Alles ging rasend schnell, ein heftiger Schlag in meine Hüfte und Arcons schmerzhaftes Aufjaulen. Ich lag auf dem Boden, durch den Aufprall mit leichten Schürfwunden an den Armen versehen. Der Wolf hatte mich weggestoßen. Der Wasserstrahl umfasste ihn wie eine stramme Hand, lies ihn nicht mehr los. Arcon schrie, jaulte, strampelte und wehrte sich mit allem, was er besaß. Meine Augen wurden feucht. „Lass ihn!“, schrie ich flehend, mein sandiges Gesicht hebend. Arcons Wasserform verschwand langsam und sein weißes Fell kam triefend nass zum Vorschein. Keuchend stand ich auf und hielt meine Hand an die schmerzende Hüfte, welche bereits von einem leicht bläulichen Fleck markiert wurde. „Verschwinde, Tia“, keuchte Arcon. „Aber...“, entgegnete ich. Arcons Jaulen umhüllte mich und drang tief in meine Knochen ein. „Lass ihn los!“, schrie ich flehend und schlug auf den Wasserstrahl ein, verzweifelt hoffte ich auf eine Wirkung, die nie eintraf. „Tia, fass klare Gedanken, streng dich an!“, zwang ich mich zu denken. Mein Blick verfolgte den Wasserstrahl. Er hatte seinen Ursprung in der Welle. „Tia, hau ab“, keuchte Arcon abermals. Ich beachtete ihn nicht. Mein Atem war unregelmäßig, ich hatte Angst, zwang mich, etwas zu unternehmen. Ich schritt an Arcon vorbei, der sich verzweifelt versuchte aus dem Griff des Wassers zu befreien. „Wenn man eine Stange in die Luft hält und an einem Ende einen Gegenstand befestigt und die Stange dann durchtrennt, fällt der Gegenstand zu Boden“, folgte ich meinen Gedanken, „Eine letzte Chance... Ich muss das Wasser durchbrechen“ Mein Körper verspannte sich: „Was, wenn meine Idee nicht funktioniert? ... Hör auf so was zu denken! Negativ bringt auch nicht weiter!“ Ich schüttelte mich, ballte meine Hand zu einer Faust und holte mit dem Arm aus. Mit aller Kraft zielte ich auf den Wasserstrahl und – verfehlte ihn. Stutzend sah ich auf den Strahl, welcher nun wenige Zentimeter unter meinem Arm gemächlich in der Luft floss. Das hatte ich mir nicht eingebildet! Der Strahl wich meinem Schlag aus. Staunend nahm ich meinen Arm zurück. „Okay, wenn‘s so nicht geht...“, überlegte ich, trat einige Schritte zurück und sah mich um. „Arcon halt durch!“, rief ich, spürte die Panik in meiner Stimme, „Ich such was!“ Durch das Krächzen und Stöhnen Arcons, ausgelöst von seinen verzweifelten Befreiungsversuchen, hetzte mein Blick ebenso unkonzentriert wie auch unkontrolliert über den starren Strand, bis er an einem kaputten Sonnenschirm oder das, was von ihm übrig war, haftete. Meine Füße bewegten sich von ganz allein im höchsten zumutbaren Tempo auf die verbogene Eisenstange mit ein paar wenigen Stofffetzen zu, sprangen über die in der Zeitspanne erstarrten, am Boden liegenden Menschen und kamen abrupt vor dem ehemaligen Sonnenschirm zum Stand. Sand wirbelte auf. „Trotz Zeitspanne?“, überlegte ich einem winzigen Augenblick, ehe ich die Eisenstange packte, schwungvoll aus dem Sand zog und meine Strecke zurück sprintete. Ich anvisierte mein Ziel genau, rannte so schnell mich meine Beine tragen konnten über den warmen Sand, der unter meinen Füßen bei jedem Schritt sanft nachgab, und holte zum Schlag aus. Die Eisenstange bretterte auf den Wasserstrahl nieder, und durchdrang ihn mit aller Kraft. Mein Herz raste. Sekundenlang schien nichts zu geschehen, während die Stange im unteren Teil der Wasserstange steckte. Nun floss das Wasser langsam in einem unglaublich zähflüssigen, fast schon schleimartigen Zustand von der Eisenstange und sickerte in den Sandboden darunter. Meine Augen folgten dem nun fallenden Wasser triumphierend. Der Wolf landete hart und röchelnd mit einem plumpen Geräusch auf dem Boden. „Uff...“, keuchte Arcon, der kraftlos am Boden lag und nur mit Mühe seinen Kopf hob. „Tia“, schnaufte mein Schutzgeist. „Arcon!“, rief ich und lief zu ihm, „alles okay?“ Mit zittrigen Beinen stand er auf, hechelte erschöpft. „Alles prima“, behauptete Arcon. „Sieht man“, antwortete ich sofort. „Aus dem Weg, Tia, bitte“, keuchte Arcon. Doch ich versperrte meinem Schutzgeist den Weg, indem ich mich zu ihm hinunter kniete und seinen Kopf sanft kraulte. „Tia, aus dem Weg“, grinste Arcon, „Jetzt ist es ein Kinderspiel“ „Aber du...“ „Nichts aber, das ist meine Pflicht. Außerdem weiß ich nun, wie ich die Flutwelle zurückdränge“ Arcons Augen schlossen sich und sein Gesicht verzehrte sich angestrengt. Langsam kam seine Wassergestalt wieder zum Vorschein, deren Nässe sich um meine Finger schlang. „Wie kann man nur so stur sein?“, fragte ich mich leise und sah Arcon flehend an. Ohne noch einen Laut von sich zu geben, drehte er seinen Kopf geschickt aus meinen Händen, stürmte an mir vorbei, direkt auf die Flutwelle zu und versank abermals in ihren überwältigenden Wassermassen. Ich presste meine Hände auf die Augen, lies die beinahe hervorkommenden Tränen verschwinden und konnte nichts anderes machen als warten. Wie ich es hasste nichts machen zu können! Die Sekunden, in denen ich hoffend und flehend wartete verronnen langsam, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als sich endlich etwas tat. Der Tsunami brodelte, erst nur leicht an vereinzelten Stellen, Arcon sprang in seiner Wasserform aus der Flutwelle und an einem anderen Fleck wieder hinein. Er huschte durch das Wasser. Das Brodeln übertrug sich von den einzelnen Stellen auf die gesamte Welle, welche ein bedrohliches Grollen von sich gab und schließlich explosionsartig zersprang. Ein Teil des Wassers nieselte auf mich herab, der Rest fielt plump ins Meer hinab. Keine Spur von Arcon. Durch den Aufprall schlugen Wellen auf den Strand, etwas größer als ich es war. Sie schlugen vor mir auf den Sandstrand ein, ich hielt meine Arme vor mein Gesicht und suchte mit eingeschränkter Sicht nach Arcon. Zögernd lief ich los, plätscherte durch die immer kleiner werdenden Wellen und rief nach dem Wolf. Meine Blicke suchten den vor mir liegenden Strand ab. Wieder erblickte ich kurz einen dunklen Fleck, als sich eine Welle gerade wieder dem Meer zuwandte. Die Wellen schrumpften auf ihre normale Größe zurück, der dunkle Fleck blieb bestehen. „Nein“, flüsterte ich leicht genervt, „wenn das jetzt wieder so ein Wasserstrahlding ist...“ Doch ehe ich meinen Gedanken zu Ende flüstern konnte bemerkte ich, dass der dunkle Fleck langsam Gestalt zeigte. Ich erkannte eine weiße Kreatur. „Arcon“, keuchte ich erleichtert. Langsam ging ich los und konnte noch nicht fassen, dass das real sein sollte, was eben passiert war. Arcon trabte langsam und keuchend aus dem Wasser. „Arcon!“, schrie ich glücklich und lief ihm entgegen. Er sah mich zufrieden an und legte sich rasch auf den Sand. Das Meer war wieder ruhiger. Als ich bei ihm war kniete ich neben ihm und kraulte sein nasses Ohr. Ich legte meinen Kopf sanft auf sein Nasses Fell. Arcons Atmung wurde ruhiger. „Alles soweit in Ordnung?“, fragte ich ihn. „Bin nur... erschöpft“, keuchte er. „Scheiß Wasser“, moserte er genervt. „Du warst super“, lobte ich ihn. „Nein“, widersprach er, „das war schwach, ich hätte besser auf dich Acht geben müssen, diese Wasserdans hätten dich bei nahe erwischt“ Ich hob den Kopf wieder und zog eine Augenbrauche fragend hoch. „Wasserdans... klar, kennst du nicht“, bemerkte er keuchend, „‚Dans’ sind sozusagen Dämonen, nur, dass sie aus den Elementen erschaffen werden und keinen Willen haben, sie werden von den Elementen selbst gelenkt. Die Katastrophenzeit hat mit dieser Flutwelle begonnen“ „Und was heißt das jetzt genau?“, hakte ich nach. „Später, Tia“, hechelte Arcon erschöpft, „später... ich.. kann nicht mehr... ich löse jetzt die Zeitspanne... muss mich ausruhen“ Seine Augen schlossen sich erleichtert und sein Herz schlug in einem ruhigen Rhythmus. Einen Augenblick später hörte ich wieder die panischen Schreie und meinen Vater, der meinen Namen rief. Urplötzlich erloschen alle Geräusche zu einem erstaunten Schweigen. Die Leute blickten verwirrt umher, wussten nicht, was geschehen war. Nur wenige blieben am Strand. Einige senkten ihre Kameras mit denen sie die Naturkatastrophe filmen wollten. Die meisten packten ihre Sachen und wollten mit diesem merkwürdigen Geschehen nichts zu tun haben. „Alles in Ordnung, Engel?“, fragte die verwirrte Stimme meines Vaters und legte seine Hände auf meine Schultern. „Ja“, antwortete ich kurz. „Tia!“, rief Alex. Auch sie und meine Mutter kamen zu mir. Mein Vater half mir aufzustehen. „Was war den das?“, wollte meine Mutter wissen, Ich schwieg einige Sekunden bis ich antwortete, „Keine Ahnung. War aber echt heftig...“ „Ich meine, nicht dass ich es jetzt schade finde, dass die Flutwelle uns nicht überrollt hat, aber, das würde mich jetzt schon interessieren.“ „Mich auch“, meinte Alex. „Wollen wir gehen?“, frage ich, um das Thema zu wechseln. „Ja“, meinte meine Mutter. Mein Vater legte seinen Arm um meine Taille und ich gab ein schmerzhaftes Zischen von mir. „Was ist los?“, fragte mein Vater. „Bin gestolpert und blöd gefallen“, log ich beschämt. Daraufhin änderte mein Vater seine Haltung und fasste über meinen Rücken zu meiner Schulter. Ich warf noch einen Blick zurück, wo ich Arcon friedlich schlafen sah. Für einen Moment überlegte ich, meiner Familie von dem Ereignis zu erzählen, oder noch einmal zu Arcon zu laufen, doch ein Gefühl sagte mir, dass er Ruhe brauchte und schlafen wollte. Kapitel 4: Arcons Welt ---------------------- Fast den ganzen Tag lang sprach meine Familie über den Tsunami, dem sie so knapp entronnen war. Meistens saß ich schweigend dabei oder wechselte das Zimmer. Als wir in unserem Apartment einen Deutschen Nachrichtenkanal fanden (mein Vater kann zwar italienisch und meine Mutter ein paar Brocken, doch der Wortschatz meiner Schwester und mir reichte grade mal für eine kurze Begrüßung und Essensbestellung), wurde das Ereignis erwähnt, jedoch wusste man noch keine genaueren Informationen. Zudem gab es an einigen Flüssen schwache bis sehr starke Uferübersteigungen und somit Hochwasser in Städten und Dörfern über die Welt verteilt. Von einem weiteren Tsunami kam nichts. Arcon lies sich den ganzen Tag über nicht blicken. Immer wieder hatte ich seinen reinen, ernsten und unerschrockenen Blick vor meinen Augen, mit denen er mich ansah. Was geschehen war, war seltsam und ich machte mir viele Gedanken um die sogenannte Katastrophenzeit, von der Arcon sprach, obgleich ich noch nicht wusste, dass ich sehr bald viele Antworten auf all meine Fragen kriegen würde. Am Tag nach dem Tsunami hatte sich die Stimmung wieder ein wenig gebessert und die Theorien meiner Eltern und Alex, wie die Flutwelle wohl verschwunden sein könnte, verblassten, weil sie sich keinen Reim darauf machen konnten. In der Nacht konnte ich nicht schlafen, meine Sorgen um Arcon und meine Gedanken über die Geschehnisse waren zu groß. Es war bis jetzt auch kein Wort mehr über den Strand selbst gefallen. Ich lehnte an der Wand des Schlafzimmers von Alex und mir. Mein Kopf ruhte im Nacken und meine Augen waren sanft geschlossen. Alles, was ich dachte war, dass Arcon hoffentlich bald wieder kommt. Doch er kam nicht. Letztendlich war ich zu müde um weiterhin zu warte, vergrub mich schlaff unter der Decke und schlief einen unruhigen Schlaf. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, als meine Mutter mit meiner Schwester am Esstisch Backgammon spielte und mein Vater auf dem Sofa lag und ein Buch las, lehnte ich mit geschlossenen Augen in Gedanken versunken an der Zimmerwand „Arcon“, hauchte ich der Lampe an der Zimmerdecke entgegen, „Arcon, wo bist du?“ Daraufhin lauschte ich. Wenige Augenblicke später vernahm ich seine weiche Stimme: „Hier bin ich, Tia. Geht es dir gut?“ Ich riss meine Augen auf, sah neben mich und fiel Arcon um den Hals. „Oh, Arcon, da bist du ja!“ Seine Ohren kraulend setzte ich mich wieder aufrecht hin und meinte glücklich: „Mir geht gut, etwas Schock, aber sonst gut. Wichtiger ist, wie es dir geht!“ Arcon blickte mich etwas erstaunt an, dann lächelte er. „Du bist wirklich anders als die Menschen von denen mein Vater erzählt hat. Mir geht es gut, hab’ mich gut erholt... Was anderes, hat dich jemand gefragt, ob du etwas über den Tsunami weißt?“ „Ja“, antwortete ich, „meine Eltern, hab ihnen gesagt, dass ich nichts weis“ „Gut“, meinte Arcon erleichtert, „es ist von höchster Priorität, dass niemand, der keinen Schutzgeist hat, etwas von uns erfährt“ „Warum denn?“, hakte ich nach. Arcon schwieg. Da klopfte es an unserer Tür. „Ja, ja, ich mach schon auf!“, trällerte meine Mutter aus der Küche. „Es gibt Gesetze bei uns Schutzgeistern, genau wie bei euch. Menschen ohne Schutzgeist, dürfen nichts von der Existenz meiner Rasse wissen. Denn nur Menschen, die eine besondere Zuneigung zu einem bestimmten Tier entwickeln können, sind in der Lage die Schutzgeister zu verstehen und das Geheimnis zu bewahren. Deine Schwester ist nicht dazu im Stande, wir Schutzgeister können das in den Augen der Menschen sehen“ Ich starrte ihn stumm an. „Aber meine Schwester kann schweigen wie ein Grab...“, entgegnete ich flüsternd, aus Furcht, meine Mutter könne mich hören. „Vielleicht kann sie das“, meinte Arcon, „Jedoch nur, wenn sie daran glaubt, sie würde nicht zögern und erzählen, dass du dir Sachen einbildest.“ Ich sah ihn fassungslos an. „Das ist bei jedem Menschen so, der keinen Schutzgeist hat. Das liegt nicht an der Persönlichkeit deiner Schwester oder deiner Mutter.“ „Hm...“, seufzte ich, „Du Arcon, es kam in den Nachrichten einiges über Hochwasser und so aber von weiteren Flutwellen war keine Rede.“ „Soviel ich weiß, können in der Katastrophenzeit nur an wenigen Stellen so viele Dans des gleichen Elements aktiv werden, um so derartig starke Katastrophen zu verursachen. Und glaub mir, wenn ich dir Sache, dass diese ... Tsunami keines natürlichen Ursprungs war. Boa, hier stinkt's!“, warf er leise ein. „Was?“, fragte ich lachend. „Dieser Geruch gefällt mir nicht, nimm dich in Acht!“ Er lächelte mir zu, nickte Richtung Zimmertüre, neben der ich saß und verblich rasch, bis er verschwand. Ein weiteres Klopfen an unserer Apartmenttür ertönte. Meine Mutter machte auf und ich lugte um die Zimmerecke, um zu sehen wer an der Tür war. Eine Frau, die einen halben Kopf größer war als meine Mutter, mit langen grellblonden Haaren und pinken Nagellack trat hochnäsig ein und stellte sich auf deutsch mit einem leicht italienischen Akzent vor: „Hallo, ich bin Seniorita Benette, ich bin Reporterin, und das ist mein Kollege und Kameramann Senior Kuschluck.“ Sie zeigte beiläufig winkend auf einen Mann hinter ihr, der einen Kopf größer war als sie selbst, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Er hatte lange braune Haare mit blonden Spitzen, er nickte um uns zu begrüßen. „Wir sind vom Sender RAI 2“, fing Seniorita Benette an, „und haben gehört, dass sie gestern unmittelbar vor dem Tsunami standen, ist das richtig?“ Sie sah meinen Kopf, lief an meiner Mutter vorbei und streckte mir die Hand entgegen: „Hallo und du musst einer der glücklichen Menschen sein, die wirklich nur ein paar Meter vor dem Tsunami standen und dennoch allem Übel entrinnen konnten, oder?“ Ich nickte ein wenig schüchtern, als ich ihr meine Hand zur Begrüßung reichen wollte. Da zog sie ihre Hand schon wieder zurück und schritt mit kurzen raschen Schritten zurück, als plötzlich meine Mutter völlig entrüstet rief: „Was fällt ihnen eigentlich ein, einfach hier rein zu platzen? Sie hätten wenigstens fragen können!“ Mittlerweile war auch der Rest meiner Familie in den Flur gekommen. „Oh, bitte entschuldigen sie, dürfen wir ihnen und besonders ihrer Tochter ein paar Fragen stellen?“, fragte die Reporterin unschuldig. „Und woher wissen sie eigentlich, dass genau unsere Tia dort stand? Und wo wir hier wohnen?“, erwiderte mein Vater gereizt. „Wir haben eben unsere Informationsquellen“, quiekte die Reporterin zickig ohne zu realisieren von wem die Gegenfrage kam, „Das Publikum will junge Zeugen haben, die alles hautnah erleben!“ „Damit sie am Ende noch ein Schock-Trauma haben?“, hackte meine Schwester nach und fügte nur für mich hörbar hinzu, „Wegen diesem widerlichen Parfüm…“ Ich nahm mich zusammen, um nicht zu lachen und merkte, dass diese Frau meiner Familie genauso unsympathisch war wie mir. „Ist ja gut, es sind nur ein paar gaaanz kleine Fragen!“, quiekte Seniorita Benette während sie ungeduldig ihre grell-blonden Haare um ihren Zeigefinger wickelte und verdrehte dabei ihre stechend blauen Augen wie ein pubertierendes Mädchen. Meine Mutter blickte mich an, als ob sie mich fragen würde, ob ich damit einverstanden sei. Ich zuckte mit den Achseln und noch bevor ich eine Antwort geben konnte, rief Seniorita Benette künstlich erfreut: „Wusste ich’s doch, perfekt, vielen Dank! Das ist ja prima, ähm… wie ist dein Name?“ „Tia...“, begann ich genervt, während ich aufstand doch wurde sofort wieder unterbrochen: „Ah, ok, Tia, ein wunderschöner Name!“, sie zückte ihr Mikrofon. Anscheinend bemerkte Seniorita Benette erst jetzt meinen Vater. Sie nickte ihm kurz zu, als Begrüßung, wandte sich jedoch gleich wieder mir zu. „Gut, lasst uns anfangen!“, kläffte sie dominant. Senior Kuschluck kam näher, Seniorita Benette stellte sich vor die Kamera, sagte mit ihrer hohen schrecklichen Stimme: „Das ist nicht live, also keine Aufregung!“ Arcon stand wieder neben mir, ich flüsterte ihm zu: „Kannst du nicht die Kamera kaputt machen? Ich hab darauf keine Lust!“ Arcon meinte: „Würd ich gerne machen, aber ich darf nicht, tut mir Leid, da musst du jetzt durch.“ „Bereit?“, fragte Senior Kuschluck. Ich zupfte meinen langen Pony und meinen Seitenscheitel zurecht und nickte dann gleichgültig. In diesem Moment wollte ich die Sache nur schnell hinter mich bringen. Mein >nicht nein sagen können< nervte mich wieder, es zwang mich immer wieder zu Dingen, die ich eigentlich gar nicht wollte. „Ich bin viel zu gutmütig für diese Welt“, stieß ich in einem leisen Seufzen aus. „And Action!“, sagte der Kameramann. „Ich bin hier im Haus von Tia, dem Mädchen, das dem Tsunami von gestern am nächsten war“ Kuschluck schwenkte die Kamera zu mir, ich grinste und winkte verlegen. „Was ist gestern genau passiert, Tia?“, fragte mich die Reporterin. „Du hattest sicherlich schreckliche...“, begann sie abermals ohne auf meine Antwort zu warten. „Darf ich wenigstens mal antworten?“, entgegnete ich und unterdrückte ein gereiztes Knurren. Seniorita Benette warf mir einen giftigen Blick zu und bejahte meine Gegenfrage zickig. „Ich bin aufs Meer zu gelaufen, als dieser Tsunami auftauchte“, erklärte ich knapp. „Warum bist du nicht weggelaufen?“ „Ich konnte nicht, ich war... wie ... gelähmt...“ Ich konnte es nicht unterlassen, meiner Familie einen kurzen, genervten Blick zu zuwerfen. „Oh, mein Gott!“, rief Seniorita Benette schrill, „Kannst du dir erklären, warum der Tsunami so plötzlich wieder zurück ins Meer geflossen ist?“ Sie verfiel sogleich wieder in ihre normale, ebenso grausame Tonlage, die mir in den Ohren stach. „Nein, wie könnte ich auch? Ich bin doch erst 15 Jahre, fragen sie doch einen Naturwissenschaftler!“, meinte ich achsenzuckend und um schnell wieder meine Ruhe zu haben fügte ich mit gebrochener Stimme noch hinzu, „Und jetzt muss ich mich noch von dem Tsunami-Schock erholen, denn wegen ihnen habe ich wieder diese grausamen Erinnerungen!“ Ich schniefte und wischte mir mit meinem Finger die nicht vorhandenen Tränen aus den Augen. Anschließend schniefte ich noch mal, drehte mich weg und rannte ins Zimmer. Dort schluchzte ich noch ein paar Mal künstlich, als ich endlich die Stimme meiner Mutter hörte: „Sehen sie, was sie gemacht haben? Meine arme Tochter! Nun hat sie wieder ein Trauma, dabei ist sie doch gerade dabei gewesen sich prächtig zu erholen!“ „Gehen sie aus dieser Wohnung!“, rief mein Vater. „Das arme Mädchen, ich denke es ist besser sie nun in Ruhe zu lassen, Auf Wiedersehen!“, hörte ich die Stimme von Seniorita Benette, künstlich besorgt. Kurz darauf hörte ich die Türe, wie sie zu ging und dann fingen wir alle an zu lachen. „Danke, dass ihr mitgespielt habt!“, sagte ich glücklich zu meiner Familie. Ich hatte absolut keine Lust noch weiter mit zu machen. Zum einen verabscheute ich den Mittelpunkt, zum anderen wollte ich nicht mit anderen, schon gar nicht mit Fremden, über Dinge reden, die nur mich und Arcon was angingen. „Wir haben gemerkt, dass du nicht willst“, lachte meine Schwester. Auch Arcon saß neben mir und konnte sich ein behagliches Lächeln nicht verkneifen. „Du hättest mal Banettes Miene, oder wie die Typin heißt, sehen sollen, als du heulend weggegangen bist“ „Wie war’s denn?“, fragte ich vor Lachen keuchend. „Unbeschreiblich“, grinste meine Schwester. „So“, holte meine Mutter aus, „wir machen mal weiter das Essen, okay?“ Alex und ich nickten zeitgleich. „Ach, Mädels, heute Abend gehen wir mal ins Kasino, okay?“ „Super Idee“, freute ich mich. „Klasse“, stimmte Alex zu. Ich unterhielt mich noch ein wenig mit Alex über alles Mögliche, was wir in den Ferien noch so machen und anderes, doch eigentlich wollte ich mit Arcon reden. Er lag friedlich neben mir und schlief. Ich konnte ich nicht mal streicheln, ohne, dass Alex mich fragte, was ich da tat. Dennoch startete ich einen Versuch. Während ich mit Alex über unsere Lehrer und deren Macken unterhielt setzte sich mich unauffällig so hin, dass eine Hand hinter meinem Rücken bei Arcon war und Alex diese nicht sehen konnte. Ich lehnte mich ein wenig nach vorne, hob die Hand bei Arcon kurz hoch und begann, Arcon an seinem Bauch zu kraulen. „Ich muss ja dann auch noch meine Facharbeit fertig schreiben und... was machst du da, Tia?“, meinte Alex verwundert und nickte an mir vorbei. „Ach, mich juckt's am Hinterteil“, log ich beschämt. „Ah ja“, grinste Alex, „Dich juckts aber schon ziemlich lange...“ „Also was ist mit deiner Facharbeit?“, lenkte ich von Thema ab. „Wenn wir wieder nach Hause kommen ruf ich da am Falkenhof mal an und frag wegen ‘nem Praktikum...“ „Kommt ihr essen?“, hallte die Stimme meiner Mutter durch das Hotelapartment. „Ja!“, riefen wir Geschwister gleichzeitig. Während ich aufstand ließ ich meine Hand noch mal geschickt unauffällig über Arcons Rücken gleiten. Erst nach dem Essen gab es eine Gelegenheit für mich, mit ihm zu reden. Während mein Vater mit meiner Mutter im kleinen, mit der Küche verbundenen Wohnzimmers fernsah und meine Schwester im Pool des Hotels schwamm fragte ich Arcon: „Warum konntest du die Kamera nicht kaputt machen?“ „Gesetz“, sagte er kurz, „Ich darf keine menschlichen Gegenstände willentlich beschädigen oder zerstören...“ „Was passiert, wenn ihr ein Gesetz brecht?“ „Dann kommt der Herr der Schutzgeister, der kurz Hedshyn genannt wird, so wie bei euch Menschen ein Chef, Boss, Direktor, oder was auch immer, und trennt uns persönlich von unserem Schützling“ Ich sah ihn stumm an und streichte zart über seinen weichen Rücken. „Wenn die Katastrophenzeit so gefährlich ist, warum schließt du nicht mich nicht auch in diese Zeitspanne ein? ... Also, versteh das jetzt nicht falsch, ich will dir natürlich helfen, es ist nur...“ „Das verbraucht viel Energie, eine Zeitspanne um die ganze Gegend, um die ganze Welt, ist schon anstrengend genug, aber um den eigenen Schützling ist sie noch viel anstrengender. Der Schutzgeist ist wie ein Seelenverwandter zu seinem Schützling und zwischen uns ist diese Seelenfusion durch unsere enge Bindung noch ausgeprägter, soll heißen, wenn wir uns hassen würden hätte ich kein Problem dich mit einzuschließen“ „Soll das heißen, es ist besser wenn sich Schutzgeist und Schützling hassen?“, fragte ich bestürzt. „Nein, natürlich nicht, denn andererseits gibt eine besondere Zuwendung, also... wie eine starke Freundschaft, und Seelenbindung mehr Kraft. Man muss sich überlegen, ob man seinen Schützling hinter einem Schutzschild verbarrikadieren möchte und dann möglicherweise zu schwach ist, um einen Feind zu besiegen, wobei man dann selbst draufgehen würde, der Schutzschild würde gebrochen und der Feind würde nicht nur den Schützling, sondern auch die gesamte Umgebung ins Jenseits befördern. Die andere Möglichkeit ist, dass man sich die Energie spart und seinen Schützling nicht in die Zeitspanne einbezieht, dafür hat man zwar mehr Power um den Gegner zu bekämpfen, gleichzeitig muss man auch darauf achten, dass der Schützling unverletzt bleibt. Es ist keine leichte Entscheidung, doch es motiviert stark, wenn man weiß, dass der Schützling einem vertraut. Außerdem habe ich nicht die vollständige Kraft eines wahrhaftigen Schutzgeistes, da ich meine Ausbildung nicht ganz abgeschlossen habe“ „Verstehe... und was sind jetzt genau diese Wasserdans?“ „Wie schon gesagt sind Dans Dämonen, die von den Elementen geführt werden. Sie können nur durch die Katastrophenzeit wieder aktiv werden, was bedeutet, dass sie wahrhaftig wieder begonnen hat. Sie sind blutrünstig, haben keine Seele und werden blind durch Macht der Naturgewalten, eher durch deren- oder auch anderen- verdorbene Seelen, gesteuert“ „Aber sie haben anscheinend nur mich angegriffen“ „Sie greifen Menschen und deren Schutzgeister an, weil nur sie die Macht haben Naturgewalten aufzuhalten“ „Aber es müssen doch sicher noch andere auf dem Strand Schutzgeister gehabt haben, oder?“ „Auf diesem Teil des Strands sicher nicht. Irgendwo anders auf dem Strand bestimmt, aber nicht in unserer Nähe. Zwar hätte ich dessen Schützling in eine Zeitspanne einbinden können, doch der Schutzgeist selbst hätte bei solch einer Gefahr den Schützling wieder befreit um dessen Energie gegen den Feind bannen zu können. Wir hätten sie also erkennen müssen. Wenn irgendwo anders ein fremder Schützling in meine Zeitspanne geraten würde, wenn er nicht in Gefahr schwebt, würde dessen Schutzgeist ihn nicht befreien“ Ich starrte ihn fragend an: „Kannst du das noch mal für die Dummen sagen?“ „Na ja“, begann er nachdenklich, „Angenommen auf dem Strand wäre ein fremder Schutzgeist. Ich hätte dessen Schützling ohne Probleme in meine Zeitspanne eingeschlossen. Doch da der Schützling, genau wie du, auch in Gefahr schwebt würde der fremde Schutzgeist meine Zeitspanne von seinem Schützling nehmen, vorausgesetzt sie haben eine starke Bindung, und dann diese Energie ebenfalls gegen den Gegner verwenden. Oder der fremde Schützling hätte früher als ich eine Zeitspanne eingesetzt und dich miteinbezogen. Dann hätte ich dich davon befreit, weil du mir Energie von dir gibst, von der du gar nichts weißt, sie kommt tief aus deinem Innersten. Man kann sie nicht sehen aber ich spüre sie und sie wird immer stärker, weil unsere Bindung immer stärker wird“ Arcon setzte sich auf und legte seine Vorderpfoten sanft auf meinen Brustkorb. „Ah, jetzt verstehe ich“, meinte ich. „Doch so etwas ist eher unwahrscheinlich“ „Warum?“ „Weil es - im Vergleich zur Masse - recht wenige Menschen gibt, die einen Schutzgeist besitzen. Sich einzubilden, man habe ein ‚Lieblingstier’ und es mit Leib und Seele zu entdecken und in sich zu tragen, das ist ein großer Unterschied. Du hattest sicher schon viele ‚Lieblingstiere’, nicht wahr?“ „Ja: Katzen, Tiger, Mäuse, Hunde“, zählte ich auf. „Siehst du? Aber nur der Wolf lebt in deinem Herzen. Welche Tiere mag deine Schwester, Tia?“ Ich überlegte. „Sie mag Greifvögel, Tiger, Löwen und so“ „Merkst du? Sie hat ihr Seelentier noch nicht erkannt, sie muss ihres noch entdecken, erst dann kann sie einen Schutzgeist bekommen. Jeder Mensch trägt ein Tier in seiner Seele, doch lange nicht Allen gelingt es, es zu finden und mit ganzen Herzen zu erkennen“ „Kannst du die Tiere, die in dem Herzen der Menschen leben sehen?“ „Ja, ihr erkenne ihre Konturen, wenn der Mensch noch keinen Schutzgeist hat. Doch wenn er einen bei sich hat, sehe ich ihn komplett und kann auch dessen Aura und das Element spüren“ „Könnte ich Alex’ Schutzgeist sehen?“, fragte ich, wohl wissend, dass ich die gleiche Frage nur anders formuliert schon einmal gefragt hatte. Ein starrer, durchdringender Blick Arcons stach mir in die Augen. Ich zuckte zusammen. „Nein, Tia, kannst du nicht“, knurrte er hart und verschwand auf seine gewöhnliche Art. „Irgendetwas hat er gegen diese Frage...“, bemerkte ich kühl. Am Abend gingen wir, wie abgemacht, in ein Kasino und kamen erst spät wieder in unserem Hotelapartment an. Wenn wir die darauf folgenden Tage ans Meer gingen, genossen wir das Meer mit Vorsicht, es waren sichtlich weniger Leute am Strand seit die Flutwelle so bedrohlich nahe gekommen war. Was Arcon anging war er recht verschwiegen. Etwas bedrückte ihn, daher reagierte er etwas energisch auf nähere Fragen zu Schutzgeistern. Deswegen sprach ich ihn darauf nicht an, ich wollte, dass er sich erst wieder beruhigt. Die nächsten Tage vergingen sehr schnell, das Meer besuchten wir nicht allzu häufig und Seniorita Benette mit ihrem seltsamen Kameramann tauchten auch nicht mehr auf. In den Nachrichten wurde viel über das seltsame Verschwinden des Tsunami berichtet, wobei viele Wissenschaftler sich eingestehen mussten, dass sie dafür keine natürliche Erklärung haben. Auch als wir wieder zu Hause waren war die Flutwelle ein großes Sprachthema. Es wurden Kameraaufnahmen von Passanten gezeigt. Darauf sah man jedoch nur, wie die Flutwelle in ihrer gigantischen Größe den Strand bedrohte und im nächsten Augenblick war das Meer wieder relativ ruhig. Die Reporter befragten viele aufgebrachte Einwohner und Touristen, doch keiner konnte Aussagen machen, was genau passiert war. Wissenschaftler und Professoren gingen davon aus, dass die Kameras aus irgendwelchen Gründen den ‚Mittelteil’, der zeigen würde, wie die Flutwelle zurückging, nicht aufgenommen hatten und stellten wilde Theorien über das mysteriöse Verschwinden des Tsunami auf. „Du kannst von Glück reden, dass sie nur die Welle gefilmt hatten“, meinte Arcon. „Ja, ich weiß, ansonsten würden nur noch mehr Film-Leute kommen um uns zu befragen...“ Arcon lag neben mir auf dem Sofa, während ich ihn an den Ohren kraulte. „Du sag mal, Arcon, wärs nicht möglich, dass ein Wissenschaftler einen Schutzgeist hat?“ „Ja mit Sicherheit“, seufzte Arcon und genoss meine Handbewegungen in seinem Fell, „aber die könnten auch nicht daher kommen und sagen, dass ein Schutzgeist das ganze versursacht hat und werden sich da raus halten oder die Menschheit mit einer anderen, glaubwürdigeren Theorie in die Irre führen...“ Doch auch diversoe Hochwasservorfälle an Nord- und Ostsse in Norddeutschland, als auch anderwertige Flutwellenwarnungen in verschiedenen Teilen der Welt waren in den vergangen Tagen gemeldet worden, wovom wir in Italien nicht besonders viel mitbekamen. Der Sommer in Deutschland war fast so warm wie in Italien. Geregnet hatte es offensichtlich auch nicht viel, während wir im Urlaub waren. Der Boden war fast ausgetrocknet und kaum Wolken waren am Himmel, was wohl bedeutete, dass es noch länger dauern könnte, bis es mal wieder regnet. Nun waren wir schon wieder 5 Tage zu Hause, aber geregnet hat es trotzdem nicht, das Gras verdorrte bereits. In den vergangen Tagen wurde ich größtenteils von meiner Freundin Hana besucht, welche knapp 5 Fahrradminuten von mir weg wohnte. Ich hatte erst Sorgen wegen der Katastrophenzeit, doch Arcon meinte, das ginge in Ordnung, schließlich haben wir auch noch die Zeitspanne. Wir „kloppten“ und bei „Mario Smash Bros.“ auf der Konsole, bzw. wir gegen die Computer und redeten über alles Mögliche. Nun war Samstag und Hana musste zu einem Taekwondo-Wettkampf. Unseren Schildkröten schien es zu gefallen, in ihrem Freigehege im Schatten der Bäume zu liegen. Doch mir war er draußen eindeutig zu warm, lieber saß ich in meinem kühlen Zimmer. „Tia?“, fragte Arcon. „Hm?” „Ich habe mir die Menschenwelt bei näherer Betrachtung ein wenig anders vorgestellt“, beichtete er. „Wie meinst du das?“, fragte ich erstaunt. Neben mir sprang Kira, meine graue Katze, welche die Tochter von Nala war und ein typisches Kartäuser-grau hatte, auf mein Sofa. Sie maunzte sanft und ich lies meinen rechten Arm über ihren Kopf streichen. „Na ja, uns erzählt man, dass es in der Welt der Menschen viel Gift gibt und es nur wenige Menschen gibt, die wirklich gut mit der Erde umgehen“, erklärte Arcon, „aber hier ist es wirklich schön“ Der weiße Wolf legte seinen Kopf auf meine Beine und genoss es, von mir gestreichelt zu werden. Auch Kira tapste zufrieden neben mir auf dem Sofa umher. „So ganz falsch ist es nicht“, schloss ich nach einer Weile, „Wir wohnen in einem Dorf auf dem Land, in den Städten ist die Umweltverschmutzung größer, was jetzt nicht heißen soll, dass man in der Stadt krank wird oder so! Die Fabriken produzieren natürlich viele gefährliche Gase und es ist fast so, als würden die Menschen nicht ohne Autos auskommen. Dabei gäbe es genügend Möglichkeiten zum Umweltschutz, aber dafür sind die Menschen zu bequem und außerdem würden die Firmen das nicht zulassen“ „Warum nicht?“, fragte Arcon fassungslos. Es war das erste mal, dass er mir eine Frage stellte, dessen Antwort er wirklich nicht wusste. „Geld, Arcon, Geld. Ohne Geld ist man in unserer Gesellschaft nichts. Es gibt Leute, die haben Unmengen davon und werfen es für unnütze Sachen raus, andere haben Mangel daran, doch diese müssen selbst sehen wo sie bleiben, sofern sie dennoch arbeiten. Selbst die, die Arbeiten sind im Ungleichgewicht mit denen, die aus verschiedenen Gründen keine Arbeit haben.“ „Was für ein Ungleichgewicht?“ „Hmm... Es gibt Arbeitslose, die unterm Strich mehr Geld zur verfügung haben als Menschen, die z.B. 8 Stunden in einem Kaufhaus arbeiten. Natürlich gibt es auch Arbeitslose, die fast zu wenig zum Leben bekommen. Man kann es kaum jedem Recht machen, jeder fühlt sich in irgendeiner Weise benachteiligt. Die Arbeitslosen hacken auf den Arbeitern rum und andersrum...“ Arcon schwieg, während die dunkelgraue Katze abwesend schnurrte. Es herrschte eine angespannte Stille, als Alex meine Zimmertüre aufmachte und fragte, ob wir ins Freibad gehen wollen. „Ja, können wir machen“, meinte ich und schob Kiras Pfoten von meinem Oberschenkel. Arcon stand seufzend auf, als er merkte, dass ich ihn nicht mehr kraulte. Rasch cremte ich mich mit Sonnenmilch ein, zog einen Bikini unter meine Kleidung und packte ein Handtuch sowie Duschgel in einen Rucksack. Das Freibad, in das wir gingen war knappe 8 Minuten Fußmarsch von unserem Haus entfernt und war ein Naturfreibad, ohne Chlor oder ähnlichem. Alex und ich waren lange im Wasser, als wir erschöpft vom Toben aus dem Wasser stiegen und uns in unsere, von der Sonne gewärmten, Handtücher kuschelten. Arcon nutze die Gelegenheit, um mit mir zu reden, als Alex auf die Toilette ging. „Seid ihr oft hier?“ „Ja, eigentlich schon“, meinte ich, „Das Freibad ist etwas klein und richtige Sprungtürme, geschweige denn gute Rutschen gibt es auch nicht, aber es ist trotzdem witzig einfach nur ins kühle Nass zu hüpfen und mit Alex Wasser-Fights zu machen.“ Von unserem sonnigen Platz auf der Wiese schaute ich den Hügel hinab auf das Becken und auf die Rutsche, die für Kinder gedacht war. „Warum geht ihr nicht woanders hin?“, fragte Arcon. „Na ja, das Hallenbad ist teurer und auch nicht gerade besser, bis auf die größeren Becken. Und die Seen bei uns in der Gegend, sind zwar kühl und errischend, jedoch mehr als eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt und sind deren Strände ziemlich voll…“ Seufzend hielt ich nach Alex Ausschau. „Wenn sie wieder kommt schleif ich sie ins Wasser“, murmelte ich und hob mein Handtuch gen Sonne, um wenigstens ein wenig Schatten abzubekommen. Kurz darauf sah ich meine Schwester, ließ mein Handtuch auf den Boden fallen und lief den Hügel Richtung Wasser hinab. „Komm gleich ins Wasser, Alex, bitte, ich schwitz mich sonst zu Tode“, flehte ich. „Ja ich komme ja, ich bring nur mein Handtuch zurück“, grummelte Alex und marschierte den grasbewachsenen Hügel hinauf. Währenddessen sprang ich ins Wasser, fast zeitgleich folgte mir Arcon. „Können andere das Wasser spritzen sehen, dass du spritzen lässt?“, flüsterte ich ihm halb unter Wasser zu. „Ja, eigentlich schon. Aber, weißt du, in deiner Welt sind die Atome und Moleküle anders als bei uns. Mein Körper unterscheidet sich anatomisch nicht von dem eines Wolfs aus deiner Welt, jedoch erlaubt es mir der unterschiedliche Atombau unserer Welten mich zu materialisieren, so kann ich z.b. Immer ‚unsichtbar werden’ wie ihr das nennt. Das kann ich in unserer Welt nicht. Genau kann ich dir das auch nicht sagen, wenn mein Vater mir das erklären wollte bin ich immer eingeschlafen. Sie her!“ Er schloss seine Augen konzentriert und verharrte so einige Sekunden. Als er sie wieder aufmachte schob er sein Pfote aus dem Wasser heraus und ließ sie schwungvoll wieder eintauchen. Kein Wasser spritzte. Erstaunt starrte ich auf das ruhige Wasser. „Für diesen Zustand brauche ich keine allzu große Konzentration, meine Atome und Moleküle üben momentan keinen so großen Druck auf die in deiner Welt aus. Würde ich den Druck noch ein wenig senken, würde ich untergehen und ertrinken, wenn ich den Druck nicht wieder normal machen würde. Je geringer ich den Druck mache, desto mehr Konzentration benötige ich. Momentan reicht es dafür, dass mich die Menschen sicher nicht an Hand des spritzenden Wassers bemerken!“ Er planschte verspielt umher und meinte dann: „Es ist wirklich erfrischend einfach im kühlen Wasser zu liegen“ Daraufhin legte er sich auf den Rücken und ließ sich treiben. In diesem Moment landete Alex mit einer großen Wasserbombe neben mir im Wasser. „Hey spinnst du?“, fragte ich sie lachend. So begannen wir wieder mit unserem Wasser-Catchen. Keuchend und lachend krochen Alex und ich nach fast einer Stunde aus dem Wasser uns setzten uns an den Beckenrand, die Füße im Wasser ruhend. „Diesmal hast du gewonnen“, meinte ich grinsend, „aber das nächstes mal bist du dran“ „Das waren wir ja sehen“, meinte Alex und wir lachten. Mit Alex konnte ich immer viel Spaß haben, auch wenn manchmal eine zickige Atmosphäre zwischen uns herrschte. „Gehen wir nach Hause?“, fragte Alex. „Jetzt schon?“, grummelte ich. „Mir ist kalt“, gestand Alex und ich bemerkte die Gänsehaut an ihren Armen. „Ja, okay“, seufzte ich und fragte mich innerlich, wie es einem bei 38° im Schatten kalt sein könne. Also duschten wir, trockneten uns ab, zogen unsere alltäglichen Sachen wieder an und packten Handtuch und Badesachen ein. Als wir das Freibad verließen, kauften wir uns noch je eine große Kugel Eis. Arcon trottete neben mir her und fand es lustig nach einer Biene zu schnappen, die um seinen Kopf schwirrte. Alex gestand sich schließlich, als wir zu Hause waren, ein, dass ihr doch nicht kalt war. Letztendlich war es so heiß, dass wir gar keine Lust hatten noch weiter draußen zu bleiben. Wir hingen unsere feuchten Bikinis an einem Kleiderständer neben der Terrasse auf und gingen in unsere Zimmer. „Was lernt man eigentlich in eurer Schule?“, fragte ich Arcon. „Vorher solltest du wissen, dass das Zeitverhältnis zwischen unseren Welten anders ist“ „Wie meinst du das?“ „Na ja, ein Tag bei euch bedeutet 2 Tage bei uns. Eine Woche bei euch entspricht 2 Wochen bei uns. Also läuft unsere Uhr doppelt so schnell wie eure“ „Wie alt bist du demnach?“ „Nach eurer Zeitrechnung 133, nach unserer 266 Jahre“ „Und ihr geht 50 Jahre zur Schule?“ „Ja, nach eurer Zeitrechnung... wobei richtig ‚Schule’ wie bei euch ist das nicht. Es ist ein Lernverstehen, dass auf rein mündlicher Basis ist und meistens abends stattfindet. Davon habe ich 45 Jahre geschafft. Also, wir beginnen mit 84 Jahren und zu Beginn unsere ‚Schulzeit’...“ „Entschuldige die Unterbrechung“, warf ich ein, „aber ich hab mal noch kurz ne andere Frage!“ „Ja?“ „Was wäre wenn du jetzt einen anderen Schützling hättest. Ich mein, mit dem Sprachverstehen. Ihr lernt wohl kaum alle Weltsprachen, um jeden Schützling verstehen zu können... oder?“ Arcon lächelte, „Du hast Recht, wir brauchen nicht alle Sprachen zu lernen. Menschen und Schutzgeister verstehen sich instinktiv. Was ich sage klingt für dich ‚normal‘. Doch eigentlich spreche ich eine andere Sprache, die kann ich dir nicht mal vorführen, weil du meine Worte instinktiv verstehst. Andersherum verstehe ich auch, was du sagst. Das ist ein uralter Instinkt, der in jedem Menschen ist, er wird sofort ausgelöst und aktiviert, wenn du einmal die Stimme eines Schutzgeistes gehört hast. Du musst wissen, dass vor vielen tausend Jahren Menschen und Schutzgeister Seite an Seite gelebt haben. Auf einer Ebene. In einer Welt. Diese Zeit weiß kein Mensch mehr, da sie uns alle mit der Zeit vergessen haben“ „Aber warum beschützt ihr die Menschen überhaupt heute noch?“ „Weil die Menschen im Grunde stark sind, doch seit ein Mensch vor vielen Tausenden von Jahren, geglaubt hat, dass wir Schutzgeister eines Tages die Welt für uns haben wollen und die Menschen ausrotten, tat er sich mit Menschen des gleichen Glaubens zusammen und sie verbannten uns in unsere Welt. Wir wehrten uns nicht, da wir wussten, dass die Menschen ihr Unheil selbst damit besiegelten. Denn die Schutzgeister bewahrten die Menschen schon immer davor, die Natur zu zerstören. Doch… die Menschen haben uns vergessen. Uns ist es wichtig, dass der Einklang mit der Natur wieder hergestellt wird. Darum wählen wir Menschen reines Herzens dazu aus, unsere Existenz wieder zu erfahren. Denn nur diese können ihren Schutzgeist entdecken so wie du mich entdeckt hast. Und Menschen mit einem Schutzgeist sehen die Welt mit der Zeit anders, unbewusst, und erziehen ihre Kinder demnach. Und je reiner die Herzen sind, desto leichter fällt es, dass Tier in seiner Seele zu erkennen und einen Schutzgeist zu bekommen. Irgendwann wird die große Revolution der Menschen kommen und alles verändern oder die Welt wird noch davor zerstört“ Es war erdrückend. Schweigend starrte ich an Arcons Gesicht vorbei auf den Boden vor dem Sofa. Ich dachte oft genug daran, wie die Welt aussehen wird. Ich hatte schon immer eher negative Gedanken zum Handeln des Menschen. Klimawandel, ein sehr umstrittenes Thema, auf der ganzen Welt. Unberechenbar. Unaufhaltsam. Aber man könnte ihn verlangsamen. Viele Spekulationen: Mensch schuldig? Mensch unschuldig? „Tia?“, fragte Arcon vorsichtig. „Meinst du, die Welt stirbt?“, flüsterte ich abwesend. „Irgendwann sicher… doch ob in einigen Millionen Jahren ist oder in Tausend, das kann ich beim besten Willen nicht sagen…“ „Ja, das weiß ich auch, ich meine, dass die Menschen aussterben werden“ „Ich hoffe es nicht“ Verwundert starrte ich Arcon an. „Wie meinst du das?“ „Natürlich, der Mensch verhält sich gegenüber anderen Lebewesen oft schlecht, doch er ist der einzige, der Technologien so weiterentwickeln könnte, dass es der Natur hilft. Er hat den perfekten Körper dazu“ Schweigend dachte ich über die Worte des Wolfs nach. „Zurück zum eigentlichen Thema“, meinte Arcon rasch, „Also, wir lernen innerhalb von 30 Jahren Alle Grundlagen. Wie zum Beispiel die menschlichen Schriften zu lesen und anderes, was für das spätere Leben und für die Welt der Menschen die Grundlagen darstellt“ „Du meinst, wie unsere Grundschule?“ Arcon dachte kurz nach. „Ja, ich glaub schon“, meinte er schließlich und seufzte, „Die Welt der Menschen ist kompliziert“ „Findest du?“, fragte ich ungläubig. „Ja, wir lernen auch die Denkweiße der Menschen zu verstehen, weil ihr einfach anders denk“ „Ts“, grinste ich ironisch, „Das ist ja so, wie wir das Jagdverhalten von Tieren lernen“ „Ja, so in etwa“, meinte Arcon. Ich gab ihm eine leichte, spielerische Kopfnuss und er begann zu lachen, wie ich. „Was lernt ihr noch?“, fragte ich neugierig. „Also nach 5 Jahren Menschenlehre lernen wir das erste Mal die Zeitspanne, Bewegen von Dingen und den Einfluss der Elemente. Doch auch wenn wir anfangen neue Themen zu lernen, lassen wir die alten nicht zurück, es kommt nur immer nach und nach etwas neues hinzu. Unsere Zeiteinteilung ist viel größer als eure, schließlich leben wir wesentlich länger als ihr, mind. 1200 Jahre nach eurer Zeitrechnung“ „Wow, also ca. 2400 Jahre nach eurer?“, fragte ich. „Ja, so in etwa, einige leben auch 3000 Jahre bei uns, aber 2000 bis 2500 ist eigentlich so der Durchschnitt“ „Bei den Menschen liegt der Durchschnitt bei etwa 80 Jahren, glaub ich“, versuchte ich mich an die Biologiestunden des letzten Schuljahres zu erinnern. „Na ja, wenn wir soweit sind, dass wir die Zeitspanne beherrschen, lernen wir unsere Körper mit den Elementen zu vereinen und uns dadurch in unsere Elementarformen zu verwandeln. Von mir kennst du die Wasserform und die Erdform hast du auch schon kurz gesehen. Doch die Erdform auf dem Sandstrand sit anders als die auf normalem Boden“ „Wie sehen denn deine anderen Formen aus?“ „Du wirst die sicher bald sehen“, meinte er beunruhigt. Ich schaute ihn fragend an. „Jede Elementarform bietet uns einen speziellen Vorteil gegen Naturereignisse. Mit der Wasserform kann ich mich im Wasser schneller bewegen und länger untertauchen. Durch sie Sand- oder Erdform kann ich mich mit der Erde vereinen und kann nicht so leicht verletzt werden. Die Windform gebietet mir besseren Widerstand gegen starke Orkane oder gar Tornados, ich kann die Windrichtung von schwachen Böen verändern oder abschwächen. Und in der Feuerform kann ich unglaubliche Wärme aushalten und Flammen größer bzw. kleiner machen. Aber jede Verwandlung braucht viel Energie, dir jetzt einfach mal so schnell alle zu zeigen wäre zu anstrengend, du musst bedenken, dass jederzeit die Katastrophenzeit zuschlagen kann“ „Was soll hier schon passieren?“, fragte ich verwundert. „Unterschätze die Situation nicht, Tia“, warnte Arcon mit strengem Blick, „das gleiche hast du auch bei dem Tsunami gesagt“ „Ja“, seufzte ich, „da hast du auch wieder Recht. Was lernt ihr dann?“ „Sobald wir die verschiedenen Elementarformen beherrschen haben wir erst einmal Ferien, wie ihr das nennt, ein witziges Wort“, meinte Arcon, genüsslich grinsend, „und danach wird uns der Umgang mit den Naturkatastrophen beigebracht, sowie jegliche Theorie zu den Dans, den willenlosen Dämonen der Elemente. Sie tauchen in der Katastrophenzeit auf, aber auch sonst könnten sie immer kommen, allerdings, da sie willenlos sind, brauchen sie einen Herrscher, der ihnen seinen Willen aufzwingt. Und dieser könnte nur ein Schutzgeist sein. Selbst wenn es so wäre, könnte dieser Schutzgeist nur die Dans seines eigenen Elements beherrschen, zum anderen bräuchte er einen äußerst böse Willen. Und es gibt nur zwei Schutzgeister, die alle Elemente beherrschen...“ Arcon starrte abwesend an mir vorbei. Ich strich mit meiner Hand sanft über seinen Kopf und seinen Rücken, setzte wieder am Kopf an und kraulte sein Ohr. Arcon legte seinen Kopf genüsslich auf meine Beine, schwänzelte leicht und gab ein paar Geräusche von sich, die mir klar machten, dass er sich wohl fühlte. „Und die wären...?“, hakte ich nach. Arcon schwieg. „Der eine ist Hedshyn, über den Anderen will ich nicht reden“ „Okay... dann eine andere Fra...“ Arcon riss geschockt seine Augen auf und erhob sich ruckartig. „Was ist denn? Ich meine doch eine ganz andere Fra...“ „Ruhe!“, zischte Arcon. Arcon starrte mit steil aufgerichteten Ohren und Schweif auf meine Balkontür. „Da kommt etwas auf euch zu“, sagte er, „Nimm deine Schwester und geht ihn den Keller“ „Aber...“, stammelte ich. Arcon drehte sich zu mir und starrte mich mit blutroten Augen und aufgestelltem Nackenhaar an, „JETZT!“ Ich nickte eingeschüchtert, ging rasch ins Zimmer meiner Schwester, öffnete ihre Türe und meinte sofort: „Komm mit Alex, in den Keller!“ „Warum denn?“, fragte sie genervt. Wenn sie Fernsah durfte sie nicht gestört werden. „Komm einfach mit, bitte, schnell!“ „Ist dein Arconviech zu einem Monster mutiert?“, fragte sie spöttisch. „Alex!“, schrie ich sie an, „Bitte hör einmal auf deine kleine Schwester, bitte nur einmal!“ „Oh man, ich hab aber keine Lust“ „Ich lade dich ins Kino ein, aber bitte komm mit!“ „Na gut“ meinte sie seufzend und erhob sich mühsam, „Aber wehe das ist ein Scherz“, drohte sie und folgte mir die zwei Treppen nach unten in den Keller. Während sich meine Schwester zu meinen Eltern gesellte, die im Keller in der Praxis waren und eine Katze operierten. Währenddessen saß ich auf der Treppe und flüsterte besorgt: „Arcon, wo bist du?“ Kapitel 5: Wycho ---------------- Ich hörte, wie ein starker Wind außerhalb unseres Hauses tobte und ein eiskalter Schauer jagte mir über den Rücken. „Ist das die nächste Naturkatastrophe?“, dachte ich geschockt. „Arcon“, flüsterte ich, „was ist los?“ Während meine Ellenbogen auf meinen Knien ruhten vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen. Stürme und plötzlicher Wetterumschwung waren bei uns in der Gegend nichts Ungewöhnliches. Es gab sogar schon Tage, an denen die Schule aufgrund der starken Böen oder im Winter wegen zu starkem Schneefall ausfiel. „Was ist da draußen los?“, hörte ich meine Mutter rufen. „Ein Orkan oder so was“, meinte mein Vater ruhig. Ein angenehmer Lufthauch striff meinen Körper. Ich blickte auf und meine Augen erfassten Arcon. Erschrocken wich ich mit meinem Oberkörper zurück. Arcons Fell hatte ein helles Grau angenommen und war aufgestellt. Von ihm verbreitete sich ein seltsamer Windhauch, der durch meine Haare wehte. Seine Pfoten waren von einer Art Windböe umschlossen, in seinem Gesicht breitete sich ein schwarzes Muster um seine Augen und Ohren aus, das bis zu seinen Pfoten verlief und diese schwarz färbten. „Das muss seine Windform sein“ dachte ich. „Arcon“, stieß ich sogleich entsetzt aus, „soll das heißen...“ „Ja, ein Tornado kommt auf uns zu“, schloss er den Satz, „rühr dich nicht, ich mach das schon“ Er rannte an mir vorbei, so schnell, das ich rückwärts umkippte und mit meinem Rücken auf eine Treppenkante fiel. Grummelnd rieb ich die schmerzende Stelle. „Warte mal!“, schrie ich ihm hinterher, ohne zu bedenken, dass Alex oder meine Eltern mich hören können. „Bleib hier unten“ hörte ich ihn noch sagen. Seufzend starrte ich die leere Treppe hinauf. Mein Magen rumorte, als ich meine Hand darauf legte schoss ein Gefühl durch meinen Körper und ich wusste, dass es falsch war nun einfach hier zu sitzen und zu warten. Nach einem kurzen Zögern stand ich auf und rannte die Treppe hinauf. Rasch schlüpfte ich in das nächste Paar Sandalen und huschte aus dem Haus. Als ich um die Ecke in unserem Hof lief stieß mir ein heftiger Windstoß entgegen und ich versuchte mit aller Gewalt voran zu kommen. Schützend hielt ich meine Arme vor das Gesicht, als mir in paar Äste entgegen flogen. Durch eine Lücke zwischen den Armen sah ich auf den Hof und unseren Garten. Überall lagen Äste umher, unser Basketballkorb war umgekippt und die große Tanne wog sich schwerfällig im starken Wind. Vor mir stand Arcon, sein Schweif war drohend in die Höhe gerichtet, einige Meter weg wirbelte der Tornado in unserer Hofeinfahrt Äste und Steine in die Luft. „Seltsam“, dachte ich, „Ich dachte immer, Tornados wären stärker“ Trotzdem machte mir der Wind große Schwierigkeiten vorwärts zu kommen. Mit aller Gewalt zwang ich meine Beine vorwärts. „Arcon!“, rief ich verzweifelt. Arcon, der mit dem Rücken zu mir dem Tornado gegenüberstand, blickte sich um und starrte mich fassungslos an. „Geh zurück ins Haus! Es ist viel zu Gefährlich!“, schrie er wütend und ließ seine Augen blutrot aufleuchten. „Nein!“, wehrte ich mich. Der Wolf schloss seine Augen, richtet seinen Kopf wieder von mir weg und duckte sich. Erst jetzt fiel mir auf, dass er die Zeit stillgelegt hatte, denn die Äste, die gegen die Häuser schlugen prallten einfach ab und die Tannen wogen sich zwar im Wind, wurden aber nicht von der Macht des Tornados entwurzelt. „Ich wusste nicht, dass in der Zeitspanne auch Gegenstände eingeschlossen sind“, murmelte ich. Arcon wurde von hellem Licht umgeben und Blätter und Sand wurden um ihn herumgewirbelt. Ich hörte sein entferntes grollendes Knurren und ich spürte, wie die Windstärke um mich herum nachließ. Der Tornado schien sich langsamer zu drehen und bewegte sich kaum voran. Arcon stellte sich ruckartig in eine feste Position, starrte mich mit einem drohenden, durch dringenden Blick an und sprintete dann dem Tornado entgegen. „Arcon!“, schrie ich und rannte ihm nach. Während er blitzschnell auf den gewaltigen Wirbelsturm zu lief blickte er zurück, lies seine Augen aufblinken und ich spürte, wie sich ein starker Gegenwind auf mich richtete. Ich musste stehen bleiben und hatte große Mühe gegen den Wind an zu kommen. „Lauf zurück! Und -“, hörte ich Arcons Stimme, die nun im Tornado versank. Widerwillig blieb mir, auf Grund des kräftigen Windes, keine andere Wahl als ihm zu gehorchen. Nach den wenigen Metern, die ich zurückgelaufen war, wurde der Wind wieder schwächer. Besorgt starrte ich auf den Tornado, der sich auf der gleichen Stelle drehte. Plötzlich hörte ich ein leises Geräusch, als würde etwas an einer Platte abprallen und zuckte zusammen. Vor Aufregung zitternd beobachtete ich, wie etwas kleines, graues aus dem Tornado in meine Richtung flog. „Arcon!“, hauchte ich erschrocken. Das Graue landete mit einem plumpen Geräusch auf unserem Dach. Ein weiteres Mal löste sich etwas von Tornado und steuerte blitzschnell auf mich zu. Es sah genauso aus wie der Wasserdan von dem Tsunami, nur Grau. „Ein ähm... Wind...dan?“, flüsterte ich und zog mein Kopf und meinen Oberkörper in letzter Sekunde gen Rücken, ehe mich der Windstrahl traf, wobei ich prompt auf den Hintern fiel. „Lass mich in Ruhe du dummes Vieh!“, schrie ich wütend und suchte mit einem flüchtigen Blick die Gegend nach Arcon ab. Ein zischendes Rauschen kam von hinten, rasch sah ich mich um, bemerkte, dass der Winddan wieder auf mich zu kam. Erschrocken starrte ich darauf. Jeden Moment erfasste es mich. Ein grollendes Knurren gefolgt von einem Tiefen brüllen, das sich fast wie ein Hundegebell anhörte, ertönte und der Winddan schien, ebenso wie ich, zusammen zu zucken. Von oben fühlte ich einen sanften Wind. Der hellgraue Windwolf landete neben mir und starrte den Winddan verachtend böse an. Ein rascher Sprung und ein heftiger Tatzenschlag folgten und der willenlose Elementardämon zerfiel in tausend winzige, leicht schimmernden Körner. „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst im Haus bleiben? Da drinnen bist du geschützt, weil das Haus durch meine Zeitspanne geschützt ist!“, raunte Arcon wütend. „Ich wollte dir doch nur helfen...“, wimmerte ich und zog meine Hände dicht an mich ran. „Die Katastrophenzeit ist kein Kinderspiel!“, rief Arcon mit roten, blitzenden Augen, während er sich wieder dem Tornado zuwandte und diesen direkt ansteuerte. „Ich wollte dir doch nur helfen“, flüsterte ich leise und stand langsam auf. Ein donnerndes Brüllen Arcons hallte aus dem Tornado, gefolgt von einem klagendem Jaulen und abermals wurde Arcon aus dem Wirbelsturm geschleudert. Doch er fing sich noch in der Luft, krallte sich in eine Tanne und stieß sich mit den Hinterpfoten an deren Stamm ab. Staunend sah zu, wie er sich laut knurrend und mit erhobenen Schweif auf den Tornado stürzte. Ein Schatten im Inneren des Tornados kämpfte sich langsam gen Boden, wurde jedoch immer wieder hinauf getrieben. Gebannt und zitternd hoffte ich, dass Arcon es schnell schaffen würde, andernfalls... ich wollte gar nicht daran denken. Ein Winddan löste sich vom Tornado und stürzte auf mich zu. Im ersten Moment geschockt, flüchtete um die Hausecke, rannte weiter, um die nächste Ecke. Mein Blick fiel auf eine recht breite, nicht all zu große Holzplatte, die an der Hauswand rechts von mir lehnte. Ich griff nach dieser, während ich vorbei rannte, und nahm sie bequem in beide Hände. Ich atmete einmal tief durch, stoppte meinen Lauf abrupt und drehte mich um. Keuchend wartete ich auf den Winddan. Mein Herz pochte laut. Nervös schielte ich neben mich, stellte mich mit dem Rücken zur Hauswand. Links von mir trennte mich nur eine Hausecke davon den Tornado wieder sehen zu können. Zögernd wendete ich mich wieder nach rechts und ging einige vorsichtige Schritte vorwärts, zurück an die Ecke. Mein Magen verkrampfte sich, schwer atmend erwartete ich, dass der Winddan jeden Moment um die Ecke kommen konnte. Mein ganzer Körper zitterte, Herzschlag und Atmung verdoppelten ihre Geschwindigkeit. Noch ein Schritt, noch ein Schritt, nervös versuchte ich das Holzbrett zu kneten, das ich schlagbereit in meinen Händen hielt. Ich entfernte mich einige Schritte von der Hauswand, um besser um die Ecke sehen zu können. Ein großer Schritt und... nichts. Die Längsseite des Hauses war gähnend leer. Ich wusste nicht, ob ich glücklich sein sollte, dass das Winddan nicht mehr da war oder ob ich Angst haben sollte, dass er plötzlich auftauchte. Ich vernahm das ferne Knurren Arcons und beobachte misstrauisch die Sträucher neben mir. Aufgeregt knetete ich noch immer das Brett mit meinen schwitzenden Händen. Ein verzweifelter, schmerzerfüllter Aufschrei Arcons vermischt mit einem tiefen Grollen ertönte. Aus meiner Konzentration aufgeschreckt, rannte ich die Hauswand entlang, wieder um die Ecke und sah, dass Arcon sich aus dem Gras aufrappelte und abermals unerschrocken auf den Tornado zu rannte. Ich hatte den Eindruck, als wäre der Wirbelsturm kleiner als zuvor. Plötzlich hörte ich Äste knacken, dann ein Rauschen von hinten, ich drehte mich ruckartig um, holte gleichzeitig mit dem Brett aus und schleuderte meine Arme auf die andere Seite meines Körpers. Ein heftiger Widerstand stieß gegen das Brett und lies meine Arme zittern. Doch durch die Wucht meiner plötzlichen Drehung durchstieß ich den Widertand und es regnete einen feinen Staub vor mir nieder. Erleichtert lächelte ich den Staubregen an. Meine Hand pulsierte. „Ganz schon stark“, murrte ich, während ich auf meine Hand starrte und mich wieder dem Tornado zuwandte. „Er ist wieder kleiner geworden“, bemerkte ich. Meine Augen suchten den dunklen Schatten im Tornado. „Du scheiß Teil! Lass mich endlich durch! VERDAMMT!“, fluchte Arcons Stimme aus dem Tornado. „So hab ich ihn ja noch nie erlebt“, flüsterte ich grinsend. Endlich fand ich den Schatten, der dem Boden innerhalb des Tornados bedrohlich nahe gekommen war. „Scheiße!“, schrie Arcon, als er wieder ein Stück weiter nach oben getrieben wurde. „Was ein Kampfgeist“, belächelte ich den Schatten und bemerkte zwei Winddans, die aus dem Tornado auf mich zukamen. Doch diese Dans waren keine Strahlen, sondern eher Bälle. Ohne zu überlegen fasste ich das Brett wieder kampfbereit und schlug auf den ersten Winddan ein, der mir zu nahe kam. „Weg da!“, rief ich und schleuderte auch dem zweiten Dämonen das Brett entgegen. Abermals regnete feiner Staub auf die Erde. Schmerzhaft lies ich das Brett fallen und sah auf meine Hände. Zwischen Daumen und Zeigefinger begann die Haut aufzureißen, es brannte höllisch und war rot. Arcon jaulte auf. Mein Herz raste, mein Blick fiel auf den Tornado. Zwei Strahl-Winddans stießen Arcon aus dem Wirbel und ein dritter Schlug ihn erst zu Boden und kam dann als Ball auf mich zu. Ich presste meine Augen zusammen, biss auf meine Lippe, während ich meine Hände zur Faust ballte, meine Hände schmerzten. Schnell öffnete ich ein Auge, griff nach dem Holzbrett vor meinen Füßen und schlug in rechten Augenblick gegen den Dan, welcher krachend eine Beule in das Holz rammte und sogleich in abertausende von feinen Staubkörnern zersplitterte. Die Schmerzen an meinen Händen trieben mir Tränen in die Augen, ich sackte in die Knie, ließ das Brett fallen und starrte auf meine pulsierenden Hände. Als meine erste, ungewollte Träne mein Gesicht hinunter rann huschten meine Augen über den Hof. Arcon hatte sich wieder gefasst und rannte humpelnd auf den Tornado zu. „Arcon, du musst es schaffen, bitte!“, flehte ich leise. „Verdammt, ich will doch gar nicht weinen!“, flüsterte ich ebenso leiste und starrte wütend auf meine Hände. Grob wischte ich meine Träne aus dem Gesicht und sah hoffnungsvoll auf den Tornado. „Tia!“, keuchte Arcons Stimme laut, „Geh ein paar Schritte zurück!“ Gehorsam stand ich auf und folgte Arcons Befehl. „Noch weiter! Hinter die Hausecke!“ Ohne weitere Fragen zu stellen lief ich hinter die Ecke und lugte an dieser vorbei. Arcons Schatten war nur noch wenige Zentimeter, so schien es, innerhalb des Tornados über dem Boden. „ARGH! Nur noch ein kleines Stück!! Naaa, komm schon!!“, schrie Arcon voller Wut und einem Hauch Verzweiflung. Doch er kam nicht voran. Der Tornado schrumpfte wieder ein kleines Stück und war jetzt sogar kleiner als die Tanne im Garten. Arcon brüllte jähzornig auf und ich sah ein rotes Blitzen im Tornado an der Stelle, wo Arcon war. Er schaffte das letzte Stück bis zum Boden und heulte ein triumphierendes Wolfsgeheul. Winddans schossen aus dem Tornado, kehrten wieder um und rasten mit wahnsinniger Geschwindigkeit auf Arcon zu. Doch sie wurden wieder aufgesaugt. Keiner schaffte es an ihn ran zu kommen. Aufgeregt verließen die Dans den Wirbelwind, durchquerten ziellos den Garten, der Tornado schien seine Drehgeschwindigkeit noch einmal kräftig zu beschleunigen, ehe er selbst, mit samt seinen Winddämonen, in Millionen feinste Staubkörner zerplatzte, die durch eine gewaltige Druckwelle schimmernd in alle Himmelsrichtungen verstreut wurden. Die Luftwelle kam auf mich, nahm Äste, Steine und Staub mit und huschte am mir vorbei, während ich rasch meinen Kopf um die Ecke zog und den Atem anhielt. „Jetzt weiß ich, warum mich Arcon hinter die Ecke geschickt hat“ keuchte ich mit weit aufgerissenen, geschockten Augen. „Er hat’s geschafft“, bemerkte ich dann und atmete tief ein und wieder aus. Vorsichtig steckte ich meinen Kopf um die Ecke, als nichts mehr an mir vorbei flog. Alles war ruhig. Ein Blick nach rechts zeigte mir, dass die Steine und Äste durch den kaputten Zaun in das Nachbargrundstück geflogen waren. Ich grinste kurz und suchte dann besorgt nach Arcon. Er stand, den Kopf nach unten gebeugt, Noch auf der gleichen Stelle, wo er eben den Tornado bezwungen hatte. „Arcon!“, rief ich und lief auf ihn zu. Ich hob seinen Kopf hechelnd, die Ohren seitlich hinab gebogen. Er begann auf mich zu zutraben. Als wir uns erreichten fiel ich ihm um den Hals. „Du warst Großartig Arcon“ lobte ich ihn und vergrub meinen Kopf in sein weiches Fell. „Tia...“ „Sag nichts Arcon“, bat ich ihn. „DU warst großartig“, meinte er ohne auf meine Worte zu achten, „Du bist viel mutiger als damals bei der Flutwelle... Aber eines ist dennoch seltsam“ Ich hob meinen Kopf und kraulte die Ohren des Wolfs. „Erstens hab ich gar nichts gemacht und zweitens: Was ist seltsam?“ „Der Tornado… Mein Meister hat mir mal erzählt, dass Tornados für uns am schwersten zu bezwingen sind, aber ich hab mich mit diesem Tornado, oder Whycho, wie wir ihn nennen, leichter getan als mit der Tsunami…“ „Ah…Was?“, fragte ich verwirrt „Man spricht es Wi-tscho aus“, erklärte er. „Aha“, meinte ich gleichgültig. „So nennen wir Tornados. Bei uns gab es eine alte Sprache, von denen nur noch ein paar Wörter Gebrauch haben. Ähnlich wie bei euch die Sprache Latein ist diese Sprache, Conless, um genau zu sein, auch eine tote Sprache. Bei uns wird Conless allerdings nicht mehr offiziell gelernt. Nur diese Speziellen Begriffe“ Ich nickte, um zu zeigen, dass ich verstanden hatte. „Wir sollten reingehen“, flüsterte ich dann und stand auf. Eine seltsame Grimasse breitete sich auf Arcons Gesicht aus, als zwei Arme auf meine Schulter langten, mich umdrehten und dann umarmten. Geschockt starrte ich an dem Kopf mit den kurzen, braunen Haaren vorbei. Die Arme ließen mich los und drückten mich sanft von dem Körper. Noch immer geschockt starrte ich in das Gesicht meiner Mutter, die sogleich losschimpfte: „Bist du verrückt? Wir haben von unten diesen gewaltigen Orkan gehört. Der hat im ganzen Garten gewütet! Haben dich alle guten Geister verlassen, dass du bei so einem Sturm das Haus verlässt?“ Ich wandte meinen Blick seitlich nach unten antwortete nur: „Der war gar nicht so stark, als ich herauskam, war er schon fast vorbei“ Bevor man mich weiter schimpfen konnte, fügte ich noch hinzu: „Es war übrigens ein Tornado und Arcon hat in bezwungen, aber das glaubt ihr ja eh nicht…“ Ich befreite mich von der Hand meiner Mutter, die meine Schulter festhielt und sah ihr wieder in ihre grün-grauen Augen. Meine Mutter öffnete den Mund und wollte mich weiter schimpfen, schloss ihn dann wieder und wir starrten uns ein paar Augenblicke an. Schließlich senkte sie den Kopf, hob ihn nach einer Weile wieder und sagte: „Die Hauptsache ist, dass dir nichts passiert ist…“ Ich nickte, umarmte sie während ich an ihr vorbei ging und schaute in das fassungslose Gesicht meiner Schwester. Mein Vater sah mich mit erleichtertem Blick an und umarmte mich. Ich erwiderte die Umarmung wortlos ehe wir alle zurück zum Haus gingen. Verdattert sah ich durch unseren Zaun und den groben Büschen des Nachbarn in dessen Grundstück: Von Ästen und Steinen war nichts mehr zu sehen. Nur ein feiner Staub wurde durch eine weiche Brise hinfort getragen. „Irgendwie …ich weiß nicht… soll ich jetzt das mit Arcon glauben, oder nicht? Weil... na ja...“ stammelte Alex als wir im Haus waren, doch sie konnte den Satz nicht beenden. Ich schaute sie an und meinte anschließend: „Tja, wie du meinst… Ich an deiner Stelle würde meiner kleinen Schwester glauben…“ Grinsend ging ich an ihr vorbei, stieg die Treppe hoch und betrat mein Zimmer. Seufzend schloss ich die Tür, schloss meine Augen und lehnte mich tief ausatmend daran. „Was war jetzt deine Frage?“, fragte Arcon. Ich blickte stutzend auf das Sofa, auf dem Arcon, in seiner gewohnten Form, ruhig lag, seine Vorderpfoten überkreuzt und die Hinterpfoten seitlich weggestreckt. Sein Fell war noch ein wenig dreckig von dem Tornado, doch er schien sich schnell erholt zu haben. „Äh, welche Frage?“, antwortete ich. „Na die, die du mir vor dem Tornado stellen wolltest…“ Ich grinste verlegen und meinte: „Hehehe... hab ich vergessen!“ „Menschen…“, murmelte Arcon und lächelte. Ich setzte mich zu ihm und kraulte ihn. „Schön, dass es dir gut geht“ Arcon entspannte sich. „Wie gesagt, fiel mir der Whycho leichter als der Tyroji“ „Tyroji ist dann in Con-dings Flutwelle?“, fragte ich. „Ja, Conless“, antwortete er knapp und legte seinen Kopf entspannt auf mein Bein. „Mir fällt die Frage echt nicht mehr ein, aber egal. Wie geht es auf eurer Schule weiter?“ „Wenn wir das alles beherrschen und wissen, haben wir noch einmal längere Zeit, um alles noch einmal zu wiederholen und die Techniken zu üben...“ Er unterbrach sich, um ein wohltuendes Stöhnen von sich zu geben, als ich begann ihn am Bauch zu kraulen. „...für die Abschlussprüfung“ schloss er. „Aber die hast du noch nicht, oder?“, fragte ich und fuhr mit meinen Fingern wieder sanft zu seinem Kopf. „Du verstehst es echt, ein Tier glücklich zu machen“, grinste er entspannt. „Ich hatte ja selbst zwei Hunde“, meinte ich. „Was ist mit ihnen passiert?“ „Sie wurden vor 3 Jahren vergiftet“, hauchte ich leise. „Oh“, meinte Arcon, „dass tut mir Leid“ „Schon gut, du kannst ja nichts dafür... und ändern kann man das auch nicht mehr“, seufzte ich und kuschelte mich in sein wolliges Fell. „Aber, was ist jetzt mit deiner Abschlussprüfung?“, hinterfragte ich nach einer Weile der Stille. „Es stimmt, ich habe meine noch nicht, aber da ich ein wirklich guter Schüler bin, hat der Hedshyn bei mir und bei noch jemandem eine Ausnahme gemacht.“ „Wer ist der andere Schutzgeist?“, fragte ich neugierig. Arcon lachte und meinte: „Ich darf und werde es dir nicht sagen“ „Och bitte“, bettelte ich. „Nö, keine Chance“, sagte er stur, „das ist ein Gesetz, ich darf niemandem sagen wer noch welchen Schutzgeist hat!“ „Du bist fies!“, beklagte ich mich lachend und durchfuhr Arcons Fell mit gespreizten Fingern. „Hey das kitzelt!“, lachte Arcon, als ich ihn bei seinen Rippen leicht kratzte. „Was hier?“, fragte ich lachend und kraulte ihn fester. „Hey!“ Wir lachten Tränen, bis ich mich nach einer ganzen Weile Spaß und Freude entspannt zurücklehnte, er sich ruhig auf den Rücken legte und ich ihn sanft am Bauch streichelte. „Wärst du eine Katze würdest du jetzt schnurren, oder?“, stieß ich lachend aus. „Wahrscheinlich schon, ja“, gab Arcon grinsend zu. Plötzlich donnerte es laut, ich erschrak, Arcon richtete sich knurrend auf dem Sofa auf und ehe ich fragen konnte was das war, schoss ein schwarzer Blitz durch meine Balkontür auf mich zu. Ich konnte mich nicht mehr rühren. Kapitel 6: Zero-Cho ------------------- Meine Umgebung wurde in ein dumpfes schwarz-weiß getunkt. Die Sicht wurde unklar und Arcon starrte zitternd, mit eingezogenem Schweif und unterwürfigem Gesichtsausdruck in Richtung meiner Balkontüre. Gelähmt vor Angst stand er auf dem Sofa und zitterte am ganzen Körper. „Ich habe ich noch nie so verängstigt gesehen“, stutzte ich in Gedanken. Eine riesige schwarze Gestalt schwebte durch meine Balkontüre. Majestätisch, mit erhobenen Kopf stolzierte sie auf Arcon zu, langsam, bestimmend, dominant. Sie ignorierte mich vollständig. Die Kreatur starrte meinen Schutzgeist missbilligend an, war geschätzte 2 Meter groß. Ruckartig spreizte sie ihre gigantischen Flügel. Eine schwach leuchtende Druckwelle verbreitet sich in meinem Zimmer von ihr, welche die Kreatur ihr prachtvolles Fell zurückgab. Die kräftigen Löwentatzen wurden goldbraun, die Flügel glichen denen eines Adlers. Die Kreatur war ähnlich wie ein Greif: Hals, Vorderläufe, ebenso wie der Schweif glichen den deines Löwen. Kopf, Rumpf und Hinterbeine seines Körpers gehörten zu einem majestätischem Adler und waren mit hell- bis dunkelbraunen Federn bedeckt. Sprachlos musterte ich die prachtvolle Gestalt. „Ein Greif?“, stutzte ich wortlos. Der Greif senkte den Kopf um wenige Zentimeter, ein Signal für Arcon. Denn dieser sprang rasch vom Sofa und verbeugte sich tief, unterwürfig mit großen, starren Augen. In ihnen stecke die pure Angst. Von dem mutigen, klugen, stolzen Wolf war nichts mehr zu sehen. Sein Mund bewegte sich, als würde er reden, doch kein Laut drang zu meinen Ohren. Der Greif nickte und schien nun zu sprechen. Erschrocken riss Arcon seine Augen weit auf, blieb jedoch in geduckter Haltung. Die Kreatur ließ es unbeachtet und redete weiter. Geschockt und verärgert zugleich riss mein Schutzgeist seinen Kopf in die Höhe und schrie den Greifen unhörbar an. Unbeeindruckt hob der Greif seine Pfote und setzte sie behutsam auf Arcons Kopf, der sogleich verstummte und schweigend zu Boden starrte. Nun sprach der Greif weiter und zog seine Pfote wieder zurück. Der Wolf zog seinen Schweif verängstigt ein, seine Ohren legten sich zurück. Arcons Augen wurden feucht und er fiel dem Greif abermals ins Wort. Doch dieser hob drohend seine Pfote, mein Schutzgeist verstummte und die Kreatur sprach weiter. Plötzlich starrte Arcon zu mir, mit weit aufgerissenen, feuchten Augen und schüttelte langsam, fassungslos, den Kopf. Sein Gesicht war geprägt von Schock und Angst, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Nach einem Moment, in dem der Greif weitersprach, blickte der Wolf das kräftige Tier an und sagte einen kurzen Satz. Der Greif schloss seine Augen und schüttelte den Kopf, ehe er ein kurzes Wort zu Arcon sagte und sich zu mir drehte. Für einen kurzen Moment wurden seine grün-blauen Augen schwarz und alles erstrahlte wieder in den gewohnten Farben. Ich konnte mich wieder bewegen und hören wohl auch, denn der Greif sprach mich mit einer strengen Stimme an: „Du bist also Tia“ Ich nickte verängstigt. „Ich bin der Herr der Schutzgeist, Zero-Cho, der 47. Hedshyn“ „Das ist also der Herr der Schutzgeister“, dachte ich und verstand, warum Arcon solche Angst vor ihm hatte. Sein muskulöser Körper strotzte vor Energie, sein Blick war starr, durchdringend und majestätisch, von Macht und Stärke getränkt. „Der könnte wohl jeden umlegen…“ Zero-Cho musterte mich prüfend. „Oh Gott“, dachte ich geschockt, „Hoffentlich kann der keine Gedanken lesen“ Er streckte mir seine löwische Vorderpfote hin. Unsicher legte ich meine Hand auf seine, er lächelte sanft und meinte dann: „Du verstandest, was ich meinte. Ja, du hast ein reines Herz“ Stutzend sah ich ihn etwas verdattert an und brachte nicht mehr als ein dumpfes, peinliches „Hi“ aus meinem Mund, woraufhin der Greif meine Hand mit seiner Pfote behutsam sinken ließ. „Nun, Arcon wollte, dass du mithörst“, meinte Zero-Cho und ignorierte meine Begrüßung vollständig. Ich blickte fragend zu meinem Schutzgeist, welcher meinen Blick nicht erwiderte, sondern stumm zu Boden starrte. Zero-Cho wandte sich wieder Arcon zu und drehte diesen mit seiner kräftigen Tatze sanft zu sich. Dann hob er den Kopf des Wolfes behutsam, so dass sie sich in die Augen sahen. Zero-Cho schwieg. Alles war ruhig. Arcons Augen schimmerten und seine kleinen Pupillen zitterten, während sein Schweif eng an seinem Körper lag und nur vorsichtig mit der Spitze wedelte. „Nun, Arcon, du weist, was du getan hast… Du hast Tia in Gefahr gebracht, wie schon bei dem Tyroji und jetzt wieder gerade eben bei dem Whycho! Es ist deine Pflicht Tia zu beschützen. Sie ist dein erster Auftrag und dir wird es sicher leichter fallen, wenn du erst mal deine Prüfung bestanden hast und dein eigenes Element besitzt“, brach Zero-Cho die Stille. Arcon war stumm, er war beschämt, seine Beine zitterten. Nachdem Zero-Cho meinen Schutzgeist einige Augenblicke angesehen hatte, als würde er ihn auffordern etwas zu sagen, tat dieser das auch: „Was hätte ich tun sollen, meine Macht ist nicht stark genug, hätte ich Tia wieder zurück ins Haus gebracht wäre der Tornado weiter gerast und hätte alles niedergemetzelt.“ „Und der Tyroji?“, entgegnete Zero-Cho streng. „Ich…“, stotterte Arcon mit vor Angst feuchten Augen. „Du hast alles richtig gemacht, nur eines und das ist der schwerste Fehler, den man machen kann: Du hast die Zeitspanne nicht rechtzeitig gelegt!“ „Es ging alles so schnell, es… ich hab nicht nachgedacht! Ich ... ich hatte keine…“, stammelte er ängstlich. „Zeit? Für eine Zeitpanne ist immer Zeit!“, schrie Zero-Cho ihn an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ich wollte Arcon helfen, aber wie? Ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte… Zero-Cho strahlte eine starke Autorität aus. Mit ihm war nicht zu scherzen. Wütend lies er seine Tatze von Arcons Kinn gleiten und legte sie über seine andere. Ich atmete tief ein, wusste nicht ob ich es mir wirklich zutraute Zero-Cho anzusprechen, doch im nächsten Augenblick tat ich es einfach: „Zero-Cho, jetzt hören sie mir mal zu! Arcon hat mir 2 Mal das Leben gerettet, der Tsunami tauchte plötzlich auf! Ich hätte es wahrscheinlich auch vergessen!“ Zero-Cho wand seinen Kopf rasch zu mir, sah mir in die Augen und brüllte: „Du hast keine Ahnung, Menschenkind, welche Priorität diese Zeitstille hat! So was kann das Gleichgewicht zwischen unseren Welten durcheinander bringen! Ihr Menschen zerstört ja schon eure Welt, wenn sich nun durch eine vergessene Zeitspanne ein Portal zu unseren Welten öffnet und ein einziger Mensch diese Welt betritt, sind wir nicht mehr sicher! Denn dann kommen immer mehr Menschen in unser Land und zerstören dieses nach und nach, so wie ihre eigene Welt! Nein danke, wir versuchen schon unser bestes den Menschen, die uns vergessen haben, zu helfen. Mit wenig Erfolg, weil die Menschen dumm sind! Sie halten sich für etwas besseres, gnadenlos wollen sie nur ihr eigenes Glück und merken nicht, dass sie sich damit ins Verderben stürzen!“ Seine Stimme klang laut und bedrohlich, machte mir furchtbare Angst, die mich erzittern lies. Sie erinnerte mich an den Donner, den ich am Tag vor Arcons Erscheinung gehört hatte. Seine wütende Stimme trieb mir Tränen in die Augen. „Aber bei dem Tornado, da konnte er wirklich nichts…“, fing ich zitternd an, doch Zero-Cho unterbrach laut: „Alles, was schief geht bei einem Auftrag, bei allem hat allein der Schutzgeist die Konsequenzen zu tragen! Es gibt kein ‚wenn’ und kein ‚aber’! Es gibt nur Leben und Tod! Du hast keine Ahnung von unseren Aufträgen und Gesetzen, du kannst nichts tun! Der kleinste Fehler eines Schutzgeistes kann zu seinem Tod und dem seines Schützlings führen!“ Eine unendliche Leere durchzog meinen Körper, als mich Zero-Cho mit seinen eiskalten, wütenden Augen ansah, die ihren grünen schimmer verloren und in ein düsteres Schwarz getaucht wurden. Vor Angst erstarrt brachte ich kein Wort heraus. Ohne mich noch mit eines weiteren Blickes zu würdigen betrachtete Zero-Cho den Wolf wieder. Dieser staunte schockiert, es war schwer zu erraten was er gerade dachte. „Arcon!“, sagte der Hedshyn scharf, „Ich hatte dir gesagt, dass du vorsichtig sein musst. Dein erster Auftrag. Ein schwieriger Auftrag. Tia wird einen anderen Schutzgeist kriegen“ Ich erschrak, konnte nicht fassen, dass Zero-Cho mir Arcon wegnehmen wollte. Ich hatte zu große Angst, doch ich konnte es nicht einfach so geschehen lassen. Ich erinnerte, wie ich flehend auf in unserem Hof gekauert hatte, selbst nichts unternommen hatte und alle Last nur auf Arcon geschoben hatte. Wie ich mich darauf verlassen hatte, dass er es schafft, nicht daran gedacht, dass es so egoistisch war, dass er auch kein Gott war. Mir wurde klar, wie wichtig mir Arcon geworden war, er war ein Teil meines Lebens, ein Teil meines Herzens geworden. So nahm ich all meinen Mut zusammen, der noch übrig war, und lies die Wut, und die Angst wie eine Last von mir fallen, „Vielleicht habe ich keine Ahnung von euren Gesetzen, dafür haben sie keine Ahnung von Freundschaft. Ich vertraue Arcon und jeder lernt aus Fehlern. Egal wie lange diese dumme Katastrophenzeit noch dauert, ich glaube an Arcon und ich glaube, dass er... oder wir... es schaffen! Außerdem glaube ich auch, dass wir schon fast diese perfekte Bindung haben! Aber von so was haben sie wohl gar keine Ahnung!“ Mein Schutzgeist starrte mich fassungslos an, blickte dann nervös zu Zero-Cho, dessen schockierte Augen ihr grün wiedererlangten. Im nächsten Augenblick sprang Arcon vor mich und rief: „Sie hat das bestimmt nicht so gemeint“ „Doch, das habe ich genau so gemeint wie ich es gesagt hatte“, erwiderte ich unsicher. Das war ein Schlag ins Ungewisse. Ich hatte Angst vor Zero-Chos Reaktion. Wie würde er nun reagieren? Würde er mich töten? Würde er mir Arcon mit Gewalt wegnehmen? Oder konnte ich ihn überzeugen? Zero-Cho fing sich wieder und starrte mich böse an, ein Gefühl, als würden mir tausende von Messern, eiskalten Messern, in die Brust stechen, lähmte meinen Körper. Mein Atem wurde schwer und mein Herzschlag unregelmäßig. „Halt den Mund, Menschenkind!“, knurrte er knapp. Nun wandte er seinen Blick abwertend zu Arcon, welcher ängstlich zu seinem Vorgesetzten hinauf starrte. Eine Weile verharrten sie in ihren Positionen, bis Zero-Chos Augen wieder kurzeitig schwarz wurden. Eine Sekunde später umgab ein schwacher, schwarzer Schimmer meinen Schutzgeist, der Zero-Cho entgeistert anstarrte. Nachdem der Greif seinen Kopf in die Richtung geschwenkt hatte, in der mein Schutzgeist zuvor stand, wurde der Wolf grob in die Höhe gerissen und mit einem plumpen Geräusch wieder an seinen Platz gestellt. Er schüttelte sich. „Nun Arcon, komm mit!“, befahl der Hedshyn. Nach einem Moment des schockst, fühlte ich mich, als müsste ich vor Wut platzen, vergas für einen Augenblick all meine Angst, „Aber Arcon hat doch nur versucht…!“ „Schweig, halt endlich deinen Mund, kleines Menschenkind!“, unterbrach mich Zero-Cho laut. Er wandte sich zu mir, seine Augen wurden pechschwarz und ich spürte ein unangenehmes Gefühl in meiner Kehle. Etwas brannte in meinem Hals, kratzte in meinem Inneren, verschlang die Luft, die ich keuchend einatmete. Ich kniff meine Augen vor Schmerz zu, umfasste den Hals mit meinen Händen, brachte keinen Schrei, kein Wort heraus. „Mach, dass es aufhört!“, dachte ich, wollte es schreien, doch ich konnte nicht. Das brennende Gefühl blockierte alles, ich konnte nicht eine Silbe sprechen, fühlte nur dieses schmerzhafte Brennen. Die Schmerzen machten den Tränen den Weg frei. Sie flossen zaghaft über meine Wangen. Nun biss ich meine Zähne zusammen, um den Schmerz zu lindern. Langsam öffnete ich meine Augen und bemerkte Zero-Chos abfälligen Blick auf mich. „Na endlich“, stieß der Greif erleichtert und genüsslich grinsend aus. Arcon dagegen starrte fassungslos auf Zero-Cho, halb wütend, halb verängstigt. „Ich...“, stotterte der Wolf und sah mich zweifelnd an, „ich werde mitkommen, aber lass Tia in Ruhe“ „Na siehst du? So schwer war es doch nicht“, kicherte der Greif, ehe er mir seine Augen auf mich richtete. Der Schmerz ließ kurzfristig nach, ehe er sich wieder verstärkte und an der Grenze es erträglichen scharbte. Endlich gelang mir ein Schrei, der mir die Qual erleichterte. Mein Blick erreichte Arcon, flehend, verängstigt. Er schloss seine Augen und wendete den Kopf nach unten. War seine Entscheidung gefällt? Im Zwietracht zwischen dem noch immer an mir zerrenden Schmerz und dem Wusch Arcon weiterhin an meiner Seite zu haben, wusste ich selbst nicht genau was ich wollte. „Arcon“, hauchte ich krächzend. „Du kommst mit, Arcon! Sofort!“, brüllte Zero-Cho. Ich wollte schreien, konnte nicht, es brannte, es schmerzte, nur mein Mund bewegte sich, Zero-Cho drehte sich um und verließ mein Zimmer durch meine Balkontüre. Mitten in der Luft über meinem Balkon blieb er, langsam mit den Flügeln schlagend, stehen und betrachtete den Wolf erwartungsvoll. Dieser stand da und rührte sich nicht. Ich bemerkte wie er seine Augen langsam öffnete, „Ich…“ Er schien kurz zu überlegen, ehe er seinen Blick entschlossen auf Zero-Cho richtete und ein Hauch von Wut funkelte in Arcons himmelblauen Augen, „Ich bleibe. Ich will Tia weiter beschützen, ich will sie nie wieder in Gefahr bringen!“ Zero-Chos Augen verkleinerten sich zu schmalen Schlitzen, wärend ein Tiefes Grolles aus seiner Kehle drang. Eine ganze Weile starrten die beiden sich an und versuchten sich mit ihren Blicken zu töten. Der brennende Schmerz in meiner Kehle lies nach. Ich wusste nicht was ich tun konnte, sagte Worte und Sätze vor mich hin, in der Hoffnung, dass Zero-Cho sie hörte, „Arcon versucht sein bestes. Warum denn so ein Aufstand wegen einer Zeitspanne? Die kann doch jeder Mal vergessen... Er ist ein toller Schutzgeist!“ Doch nur leere hauchdünne Luft trat aus meinem Mund. Ich ging einen Schritt auf Arcon zu. „Hör auf damit, Tia, das nervt nur!“, murrte der Hedshyn genervt und betonte meinen Namen abfällig. Ausdruckslos blickte ich zurück, sah wie sich seine Augen abermals verdunkelten und meinem Körper umgab das gleiche schwarze Schimmern wie Arcon eben. Eine unsichtbare Macht zerrte an meinem Körper, stellte ihn aufrecht hin und versetzte mich wieder an meine ursprüngliche Stelle. Als der Schimmer wieder schwand konnte ich keinen Muskel mehr rühren. „Komm endlich mit, Arcon!“, schrie er wütend. Doch dieser wendete seinen Blick wütend von Zero-Cho ab. Ich hatte Angst. Angst, dass Zero-Cho Arcon etwas tun würde. Angst, dass er mir Arcon wegnimmt. Panik breitete sich wie ein Läuterfeuer in meiner Brust aus. Der Greif schnaubte vor Wut und kam wieder zurück in mein Zimmer. Mein Schutzgeist lies seinen Blick abgewendet, schielte dann jedoch abfällig zu seinem Vorgesetzten. „Ich werde bei Tia bleiben“, sagte Arcon scharf und knurrte. Zero-Cho wurde sichtbar zorniger. „Sei nicht dumm, Arcon!“ „Tse, was weist du schon von Tia? Sie ist anders als die Menschen, von denen du erzählst. Ihre ganze Familie ist anders, viele Menschen sind anders! Auch du kannst dich irren!“ Der Greif hob seine Löwentatze und schlug nach Arcon, der sogleich an mir vorbei rauschte und gegen meinen Kleiderschrank prallte. Zero-Cho grinste mich gehässig an, seine Augen funkelten kurz schwarz. „Schau hin, Tia. Dein Schutzgeist fühlt sich toll, stark und denkt, er könne sich den Regeln widersetzen“ „Überhebliches Arschloch“, dachte ich wütend und wagte einen Versuch, meinen Kopf seitlich zu drehen, um Arcon sehen zu können. Es gelang mir. Arcon stand vor dem Schrank, schüttelte sich und sah Zero-Cho provozierend an. Gemächlich schritt er zu seinem Platz zurück, versuchte das Humpeln zu unterdrücken, starrte mich ernst an, während er vorbei ging, und setzte sich dann provokativ vor Zero-Cho. Der Hedshyn begann vor Zorn zu zittern, knurrte bösartig und warf Arcon ein weiteres mal mit einem heftigen Tatzenschlag gegen meinen Kleiderschrank. Rasch verfolgte ich Arcons Flug mitleidig. Er stöhnte schmerzerfüllt auf, als er rücklings gegen das Holz fiel, ehe er unsanft auf dem Boden landete. Doch er rappelte sich wieder auf, Blut ronn links aus seinem Maul und sein linkes Ohr war seitlich weggekippt. Neben seinem linken Auge trug er einen Tiefen Kratzer und hatte Mühe, sein Auge offen zu halten. Tapfer trabte der Wolf humpelnd an seinen alten Platz. „Mach was du willst, ich bleibe hier!“ „Arcon hör auf!“, dachte ich, „Lieber gehst du, als dass du stirbst!“ Zero-Cho schnaubte vor Wut, war sichtlich angespannt, stieß ein Grollen aus und lies Arcon ein weiteres Mal seine Klaue spüren. Noch stärker als zuvor schoss Arcon gegen den Schrank. Und abermals stand Arcon auf, sorgte sich nicht um seine klaffenden Wunden von den Krallen seines Meisters und seine Prellungen, welche sich nun am ganzen Körper verbreiteten. Schock, Panik und Angst verhinderten meine Atmung und ich schnappte weinend nach Luft, wollte schreien, sie sollen aufhören, doch ich konnte meinen Mund nicht zu einem Wort bewegen. Von dem vierten Schlag bekam ich nur den lauten Aufprall Arcons und das Krachen meines einstürzenden Schranks mit. Ich hatte meinen Kopf nach unten gesenkt, meine Augen zugekniffen und flehte wortlos. Nichts schien die unheimliche Stille brechen zu können. Arcon rührte sich nicht mehr. Ich wusste es. Ich fühlte es. Voller Angst zwang ich mich nach zusehen. Arcon lag unter den Trümmern meines Schrankes, vergraben unter Kleidung und Holzplatten. Nur sein blutverschmierter Kopf und sein rechtes Vorderbein ragten aus dem ehemaligen Schrank. Zero-Cho schritt an mir vorbei, murmelte etwas Unverständliches und ich bildete mir ein einen Hauch von Trauer in seinen Augen zu sehen. Während der Greif immer näher an den Wolf heran schritt, öffnete dieser seine Augen mit aller Macht. Arcon erhob sich mit letzter Kraft, stieß die Trümmer von sich weg und kippte dann wieder seitlich um. „Was ist, kommst du nun mit?“, fragte Zero-Cho. „Tse“, keuchte Arcon. „Er is Lebensmüde“, stutzte ich und neben meiner Angst um Arcon bewunderte ich seinen Mut in so einer Lage noch so frech zu sein. Zero-Cho stieß ein wütendes Brüllen aus. „Glaubst du, das beeindruckt mich?“, grinste Arcon. Woher hatte er diesen plötzlichen Mut? Jähzornig packte der Greif Arcon grob mit seiner Löwentatze am Nacken, hob ihn aus den Trümmern und stellte sich auf seine Adlerklauen. Arcons Köper war voller blutenden Wunden von den Krallen des Greifs und den Brettern des Schranks. Zero-Cho griff mit seiner anderen Tatze nach Arcons Hals, erhob den Körper und presste diesen gegen die Zimmerwand. Der Wolf stöhnte, kniff seine Augen zusammen. „Ich... bleibe hier...“, keuchte der Wolf schwach. Wie konnte er so stur bleiben? Zero-Cho grinste bösartig, das schwarze Schimmern umhüllte ihn und meine Gedärme verkrampften sich. „Jemand wie du bringt uns nur Schande, ich habe dich trotz deines fehlenden Ausbildungsjahres herkommen lassen, damit du Tia beschützt. Ich glaubte ernsthaft, du wärst in der Lage nach den gleichen Regeln wie alle anderen zu kämpfen! Wer nicht gehorcht muss sterben!“, sprach Zero-Cho ernst und wütend, „wenn du dich nicht derartig widersetzt hättest und du gleich auf mich gehört hättest, müsstest du jetzt nicht sterben!“ Ich konnte und wollte das nicht hören, innerlich schrie ich: „Lass das, hör auf! Lass ihn Los!“ Ich brachte nichts heraus, kein einziges Wort, keine Silbe. Zero-Cho drückte Arcons Hals fester gegen die Wand. Arcon keuchte: „Nicht ich... bin es, der Schande... bringt... sondern du... Vater...“ Zero-Cho war geschockt, lies meinen Schutzgeist abrupt los, seine Augen wurden groß und das schwarze Schimmern wich von seinem Körper, so wie er von dem Wolf zurückwich. Arcon fiel röchelnd zu Boden, Blut tropfte aus seinem Mund, Dreck klebte an seinen schmerzenden Wunden. Der Greif umfasste seinen Kopf seitlich mit den Tatzen, wirkte, als würde er versuchen etwas Unsichtbares nicht in seinen Kopf hinein oder aus diesem heraus zu lassen. Arcon lächelte selbstbewusst. Wenige Augenblicke später sanken Zero-Chos Tatzen zu Boden und er blickte den Wolf auf dem Boden vor ihn ausdruckslos an. Ein paar Sekunden verrannen, in denen sich die beiden anstarrten. Arcon wütend und dennoch schwach, Zero-Cho noch immer verblüfft. Dann fing sich Zero-Cho wieder, schüttelte sich und rief wütend: „Für mich bist du nicht mehr mein Sohn, wer solche Schande über uns bring, darf nicht länger leben!“ Der Wolf grinste und röchelte schwach, „Dürftest du dann noch leben, hochverehrter Hedshyn? Welche Schande hast du über uns gebracht? Und ich dann soll wegen einer lächerlichen Zeitspanne und einem ungehorsamen Schützling sterben, Vater?“ Das schwarze Schimmern um den Greif schwand, sein Blick, als würde er nicht begreifen, was eben geschah, fiel ahnungslos auf Arcon. „Du hast Recht, ich habe auch Fehler gemacht, große Fehler…“ Erleichtert und dennoch verwirrt starrte ich zu dem Herrn der Schutzgeister. Hatte er endlich verstanden? Im nächsten Moment rang er mit sich selbst, als wolle er nicht und gleichzeitig doch weiter foltern. Es handelte sich nur um wenige Sekunden, bis eine Seite siegte. Immer wieder kam und schwand das schwarze Schimmern. Wie ein innerlicher Kampf zwischen Licht und Schatten. Rückartig schoss seine Tatze nach oben, Zero-Cho fuhr die Krallen aus und rief: „Meine Fehler Retteten das Leben so vieler Schutzgeist, während deiner wohl beinahe Leben zerstört hätte. Gesetzt ist Gesetzt, ein Verstoß ist ein Verstoß. Du bist ein Risiko. Nicht nur für deinen Schützling, sondern für alles, was dieser besitzt! Und das dulde ich nicht, es tut mir Leid, mein Sohn, dieses Risiko gehe ich nicht ein!“ Arcon sah an Zero-Cho vorbei, direkt in meine Augen. Sie waren noch immer voller Mut und Hoffnung. Er bewegte nur seine Lippen, doch ich verstand ihn. Bindung. Arcon schloss die Augen und grinste, als Zero-Cho zum letzten Schlag ausholte und seine Krallen auf Arcon hinunterstürzen lies. Meine Augen wurden feucht, mein Atem eiskalt, mein ganzer Körper zitterte aus Angst. Arcon hielt angespannt den Atem an, erwartete jeden Moment die scharfen Krallen. „Arcon!! Nein!!!“ Zero-Chos Krallen rammten sich tief in den Untergrund, das Holz splitterte. Ich sah den geschockt-verwirrten Ausdruck in den Augen des Greifs, dessen Klauen neben dem demütig dargebotenen Hals Arcons in den Trümmern meines Schrankes und dem Zimmerboden steckte. Arcon atmete erleichtert aus. Der Hedshyn war ebenso überrascht wie ich: Ich hatte seinen Bann gelöst. Konnte mich frei bewegen, sprechen. „Hing gerade wirklich alles von mir ab?“, dachte ich. Dieser Gedanke behagte mir gar nicht, dass Arcons Tod nur durch meinen Mut… oder besser gesagt, durch meine Angst verhindert werden konnte. Der Gedanke an Arcons beinahe sicheren Tod, den ich nun erst realisierte, Tränen in die Augen. Ich wollte widerstehen und mir selbst beweisen, dass ich auch stark bin. Ich stürmte auf Zero-Cho zu und hielt seine Tatze fest, die er, als wäre er in einer Art Trance, aus den Trümmern zog, drückte sie mit ganzer Kraft an meinen Körper und flehte ihn an, „Bitte Zero-Cho! Sie dürfen Arcon nicht töten. Er ist ein Teil von mir geworden. Es ist doch alles gut geworden. Bitte zügeln sie ihren Zorn!“ Flehend sah ich in seine schwarzgetrübten grün-blauen Augen, welche die Situation noch nicht ganz realisierten. Einen kurzen Moment lang schwand der schwarze Schimmer. „Lass mich los!“, brüllte er schließlich empört. „Nein!“, rief ich, „welcher Vater tut so was? Das könnten sie sich nie verzeihen!“ „Du hast keine Ahnung...“, begann er mit strenger Stimme. „Ich habe wohl eine Ahnung! In dieser Hinsicht kennen sich Menschen doch aus! Niemand könnte es sich verzeihen, man würde sein Leben lang mit einen schlechten Gewissen umherirren, geplagt von Gedanken und Erinnerungen, aus denen man sich nie mehr befreien könnte!“ Ich lies meinen Kopf sinken, drehte ihn leicht zu Arcon und meine letzten Tränen, die zärtlich und langsam mein Gesicht hinabflossen, tropften sanft auf Arcons rot-weißes Fell. „Gerade sie, als Vater und als Herr der Schutzgeister, gerade sie sollten ein gutes Beispiel darstellen. Wie war ihr erster Auftrag, ich glaube nicht, dass sie als Welpe oder was auch immer schon Hedshyn waren oder dass sie sich nie einen Fehler erlauben durften bei einem Schützling, oder?“, meinte ich dann mit sanfter, zitternder Stimme, immer noch Arcons geschwächten Körper betrachtend. Nun sah ich wieder mit blutunterlaufenden Augen zu Zero-Cho. Ein eigenartiger Gesichtsausdruck füllte sein Löwengesicht, das schwarze Schimmern zog sich vollständig zurück und auch seine Augen verloren den kalten, trüben Ausdruck. „Sehen sie sich Arcon an. Das hat er nicht verdient. Er gibt sich soviel Mühe, um mich zu beschützen!“ Zero-Cho schien im ersten Moment verwirrt, dann starrte er verdutzt auf Arcon. Seine Tatze entspannte sich. „Du...du hast Recht“, gestand er stammelnd, als könne er es selbst nicht fassen, was geschehen war. Ich ließ seine Pfote los, welche er sanft auf Arcon legte. „Mein Sohn...“, flüsterte Zero-Cho fassungslos. Arcon grinste, „Na, wieder beruhigt?“ Der Wolf keuchte erschöpft. Verwundert sah ich Zero-Cho an, hatte er etwa wirklich zwei Seiten? Gleichmäßige weiße Wellen verbreiteten sich von Zero-Chos Tatze über Arcons Körper. Ein schwaches Licht umhüllte meinen Schutzgeist. Als das Licht nachließ waren nur noch wenige Schrammen und die letzten Blutflecken zu sehen, nur der Kratzer neben Arcons Auge hinterließ eine helle Narbe. Ich seufzte erleichtert, wischte meine Tränen von den Augen und kniete mich zu Arcon. „Tia, ich danke dir“, flüsterte Arcon, „ich wusste, dass du das schaffst“ Sanft streichelte ich sein weißes Fell sanft, „Du Idiot. Was, wenn ich‘s nicht geschafft hätte? Du bist so dumm! Warum...“ „Schh... Tia“, seufzte Arcon und schmiegte seinen Kopf an meine Hand. „Tia“, sagte Zero-Cho nach einer Weile laut, „du hast mir bewiesen, dass nicht alle Menschen gleich sind. Arcon darf weiterhin bei dir bleiben, ihr habt euer Vertrauen, eure Freundschaft und eure Bindung unter Beweis gestellt“ Einerseits freute ich mich wahnsinnig, andererseits war ich empört, „Dann war das alles nur ein Test? Arcon wäre beinahe gestorben! Sie hätten ihn fast umgebracht!“ Zero-Cho sah beschämt an mir vorbei. „Nein, es war kein Test...“ Dann murmelte er noch etwas Unverständliches ehe er weiter sprach: „Er darf bleiben... jedoch nur bis die Katastrophenzeit zu Ende ist. Dann muss er zurück, um seine Prüfung zu meistern“ Arcon rappelte sich auf mühsam und schüttelte den Staub von seinem Fell, wobei er seine linke Pfote kurz abstellte, dann jedoch jegliche Belastung von ihr nahm uns die anhob. Er und ich sahen uns traurig an. Sollte danach alles vorbei sein? Einfach so? „Wenn du die Prüfung bestanden hast, kommst du wieder zu Tia“, grinste Zero-Cho. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl machte sich in meinem Körper breit. „Danke! Danke!“, rief ich und drückte Arcon fest an mich, welcher erfreut auf den Boden umher tapste, wild mit seinem schweif um sich schlug und stieß ein glückliches Quieken aus. Als ich den Greif ansah, lächelte er uns an, man könnte nicht glauben, dass er vor wenigen Augenblicken beinahe seinen Sohn, sein eigenen Fleisch und Blut, meinen Schutzgeist umgebracht hätte. Plötzlich donnerte es. Ich erschrak, während Zero-Cho und Arcon nach draußen starrten. „Nun, ich muss wieder gehen, es scheint ein paar Probleme bei uns zu geben“, erklärte Zero-Cho schließlich. „Auf Wiedersehen, Vater“, verbeugte sich Arcon. Ich wunderte mich darüber, dass der Wolf seinem Vater scheinbar verziehen hatte, wo er doch eben noch dem Tod ins Auge gesehen hatte. „Ähm…“, meinte ich, „wie soll ich meiner Mutter das erklären?“ Ein Blick Richtung Kleiderschrank genügte und der Hedshyn lachte kurz, ehe seine Augen schwarz aufleuchteten und sich alles auf magische Art und Weise wieder richtig zusammenfügte. Staunend beobachtete ich, wie sich der zerstörte Kleiderschrank wie von Geisterhand aufbaute. „Das ist die Macht des Hedshyn“, meine Arcon, „diese Macht hat nur er“ Ich nickte, dann verabschiedete ich mich noch von ihm und verbeugte mich auch kurz. Der Greif sah mit leidendem Blick zu dem Wolf, „Mein Sohn... was geschehen ist tut mir Leid. Ich kann dir nicht sagen, was in mich gefahren war“ Arcon schüttelte nur seinen Kopf und verbeugte sich wortlos. Daraufhin seufzte Zero-Cho erleichtert auf, ging zur Balkontüre und flog nach draußen. Er drehte sich um und sagte: „Passt gut auf euch auf, und Arcon, mein Sohn, ich möchte dich nun nicht mehr von Tia nehmen, aber wenn du noch einmal einen Fehler machst, der erhebliche Folgen haben könnte, muss ich es tun, es liegt also an dir“ Daraufhin wurden seine Augen schwarz und damit löste er die Zeitspanne. Zero-Cho sprang elegant von meinem Balkon, breitete mit einem schwungvollen Schlag seine golden schimmernden Flügel aus und flog dem Himmel entgegen, während er bei jedem Schritt und Flügelschlag mehr verschwand. „Danke, Tia“, sagte Arcon leise. „Warum...?“, antwortete ich. „Ist es so schlimm, dass ich dir vertraue?“, lächelte mich Arcon an. „Du bist so ein Idiot“, flüsterte ich, während ich mich wieder zu Arcon hinab beugte und seinen Kopf sanft umfasste. „Weißt du deine Frage jetzt wieder?“ Ich schaute ihn etwas verwirrt an, dann fügte er noch hinzu: „Die du mir vor dem Tornado stellen wolltest.“ Als ich immer noch etwas verwirrt dreinschaute murmelte er noch grinsend: „Ihr Menschen seid wirklich vergesslich“ „Was erwartest du?! Dein eigener Vater wollte dich gerade umbringen, ich weiß nicht, was in mir vorgehen würde, wenn mir das passiert wäre“ Arcon blickte bedrückt zu Boden. „Tu... Tut mir leid...“, hauchte ich und streichelte seinen Kopf. „Irgendwie, war meine Vater nicht ganz… nun ja… er war nicht er selbst“, begann Arcon, während er aufstand, zu meinem Sofa humpelte und sich dort hinlegte, „Er hätte es nie zustande gebracht, mir etwas anzutun, und das mit dem ‚Wer nicht gehorcht muss sterben’ stammt auch nicht von ihm. Sowas würde er nicht sagen, nicht wegen einer vergessenen Zeitspanne! Das passt nicht zu ihm. Es ist, als hätte er ein Böses Ich, eine dunkle Seite. So wie er mich angeschaut hat, mit diesem hasserfüllten Blick. Das passte nicht zu ihm.“ Ich schwieg, setzte mich neben den Wolf und kraulte ihn am Ohr. Mir war es auch aufgefallen, dass er seltsam war, als ringe er mit sich selbst. „Arcon? Was meintest du, als du sagtest, dass Zero-Cho Schande über euch gebracht hat? Und was meinte er als er sagte, dass seine Fehler Leben gerettet haben?“ „Ich möchte nicht darüber reden Tia, sicher wirst du es irgendwann erfahren... aber es braucht Zeit“, meinte Arcon betrübt. „Okay... Tut mir Leid“ „Das braucht es nicht“, lächelte der Wolf nun. Dankbar legte mich meinen Kopf sanft auf Arcons Hals. „Warte kurz, Arcon“, flüsterte ich, lief ins Badezimmer und mein Schutzgeist schaute mir fragend nach. Ich befeuchtete einen Waschlappen mit ein wenig warmen Wassern und lief rasch in mein Zimmer zurück, in dem Arcon bereits wieder auf meinem Sofa lag und mich verwundert anstarrte. „Keine Panik“, lachte ich, setzte mich neben ihn und säuberte vorsichtig sein blutverschmiertes Fell, „außerdem hab ich dir doch gesagt, dass du warten sollst!“ „Danke“, meinte er. „Kein Problem“ Als ich fertig war fiel mir auf, dass vor meinem Schrank noch Blut und staub war. So stand ich auf und säuberte den Boden. Da kam eine Mutter in mein Zimmer, sah mich verdutzt an und fragte, was ich da mache. „Ich wische den Boden auf“, meinte ich grinsend. „Das sehe ich“, grummelte meine Mutter, „Was hast du denn gemacht?“ „Hatte Nasenbluten“, improvisierte ich. „Hier? Auf dem Boden? Hast du mit dem Teppich geschmust?“ „Nein“, lachte ich, „ich wollte hier grad ein leichteres Top rausholen und da floss es plötzlich raus. Bin dann gleich ins Bad und hab mir einen Lappen geholt. Das Waschbecken hab ich schon saubergemacht“ „Achso…“, meinte meine Mutter. Schließlich war ich fertig, warf den blutigen Waschlappen in die Wäschebox im Bad und setzte mich in mein Zimmer, indem meine Mutter immer noch stand, auf mein Sofa. „Was gibt’s?“, lächelte ich sie an. „Naja“, begann sie und setzte sich neben mich und legte ihren Arm um mich, „Weißt du, mein Schatz, die Sache mit diesem Arcon woher wollen wir wissen, dass das stimmt und du dir das nicht nur einbildest?“ Ich schwieg, dann, nach einer Weile, meinte ich: „Ich kann es nicht beweisen, aber der Tsunami z.B. niemand kann sich erklären, wie er so schnell wieder zurückgedrängt werden konnte, ich schon, denn ich habe es gesehen“ Meine Mutter schaute mich verwirrt an und sagte dann: „Kannst du mir erzählen, was du gesehen hast?“ Ich schaute zu Arcon, hilflos, sollte ich ihr alles erzählen? „Wenn du willst, ob sie es glaubt ist nicht dein Problem“, antwortete er auf meinen Blick. Gut, dachte ich, ich erzähle es ihr. „In Kurzfassung: Als der Tsunami auftauchte, kam Arcon, verwandelte sich in einen Wasserwolf, sprang in die Flutwelle, die daraufhin wieder verschwand“ Meine Mutter warf mir einen skeptischen Blick zu, ich meinte: „Glaub es oder glaub es nicht, ich erzähle dir nur, was ich gesehen habe…“ „Ähm... Danke, Tia“ Sie stand auf und ging in Richtung Zimmertüre. „Mama, bitte sag es niemanden, du glaubst es ja eh nicht, wer soll denn dann…“ Sie unterbrach mich: „Schon gut, Tia, ich sage es niemanden. Das ist zwar eine Erklärung dafür, wie es geschehen konnte, aber niemand, ausgenommen von dir hat es gesehen, falls es so war.“ Ich nickte seufzend und meinte dann: „Eigentlich sollte es niemand anderes sehen, Arcon kann nämlich die Zeit stilllegen, das hat er vergessen…“ „Tia, ist okay“, sagte sie noch, ging nach draußen und schloss die Türe. Ich fühlte mich besser, jetzt, da ich meiner Mutter das mit dem Tsunami erzählt hatte und war ich froh, dass sie mich nichts weiteres gefragte hatte. Allerdings hatte ich auch gemerkt, dass sie es doch nicht glaubt. Meinte sie wirklich, dass ich mir alles nur einbilde und diese Geschichte nur erfinde? Klar, sie wusste, dass ich verträumt war, fantasievoll und dass ich mich manchmal auch in eine kleine Fantasiewelt verzog, wenn ich mit meinen Freunden zusammen war, aber dennoch, was hätte ich für einen Grund mir so etwas auszudenken? Ich konnte meine Fantasie sehr gut von der Realität unterscheiden. Und doch war es für mich verständlich, dass meine Mutter so abweisend darauf reagierte, schließlich hat sie keinen Schutzgeist, konnte ich mir zumindest denken, da sie noch nicht mal ein Lieblingstier hatte. Außerdem glaubte ich nicht, dass sie sonst so abweisend auf die Sache reagiert hätte. Ich brach diesen Gedanken ab und wandte mich wieder Arcon zu. Ich begann ihn zu kraulen, so dass er zufrieden grunzte, sich auf den Rücken wälzte und glücklich mit seinem Schweif wedelte. „Glaubst du, es ist gut, dass ich es ihr erzählt habe?“ „Ich denke, sie ist ehrlich“, lächelte mich Arcon an. Während meine rechte Hand den Wolf am Kopf kraulte ließ ich mich seufzend in das Kissen hinter mir fallen, schloss meine Augen und dachte einfach an nichts. Kapitel 7: Glut --------------- Tia komm mal schnell!“, rief die Stimme meiner Schwester aufgeregt von unten und weckte mich aus meiner verträumten Phase. Ich stand rasch auf und eilte zu Alex, „Was ist denn?“ „Da ist ein Bericht von der Flutwelle in Italien“, erklärte sie mir, während sie mich in das Wohnzimmer führte. Stumm setzte ich mich neben meine Mutter und verfolgte den Nachrichtenbericht. „Noch immer spekulieren Wissenschaftler über die Ursache der plötzlich verschwindenden Flutwelle in Italien an der nördlichen Küste der Adria. Diese Amateur-Aufnahmen erhielt vorgestern der Italienische Sender RAI2“, erzählte die Nachrichtensprecherin sachlich. Darauf folgte ein Ausschnitt aus dem genannten Video. Die schlechte Qualität der Bildaufnahme zeigte, wie der Tsunami sich rasch erhob und die Menschen auf dem Strand panisch schrien und wegrannten. Aus dem Hintergrund kam eine männliche, erschrockene Stimme, die etwas Italienisches sagte, was ich allerdings nicht verstand, es war etwa, „Mio dio! Un maremoto! Corre!“ Mit wackelndem Bild entfernte sich die Kamera von der Flutwelle, als diese urplötzlich, schneller als sie gekommen war, wieder ins Meer zurückzog. „Das ist nicht gut“, klagte Arcon. „Seit wann ist er wieder da?“, grübelte ich grinsend. „Die Menschen werden nie lösen können, welche Macht dahinter steckt, ich hätte die Zeitstille sofort machen sollen als die Flutwelle noch ganz klein war“ „Ach was, niemand wird das herausfinden“, murmelte ich und verfolgte die Nachrichten weiter. „Es ist für uns noch unerklärlich, wie dieses faszinierende Naturereignis zustande kam. Falls die Flutwelle durch einen Vulkanausbruch auf dem Meeresgrund ausgelöst wurde könnte es sein, dass eine ungewöhnlich starke Meeresströmung diese Umweltkatastrophe gebremst und wieder zurückgeführt hatte oder aber es hat sich ein Strudel oder eine ähnliche Strömung hinter der Flutwelle gebildet, welcher das Wasser des Tsunami, äh.. sozusagen... abgesogen hatte“, erklärte ein Wissenschaftler mit einfachen Worten und wirren Handbewegungen, mit denen er seine Theorien anhand einer Karte mit den verschiedenen Meeresströmungen zeigte. „Danke, Professor Beckhart“, bedankte sich die Reporterin, „Unsere Wissenschaftler tun alles, damit sich diese Sache möglichst bald aufklärt, nun zu den Nachrichten im Überblick... Moment bitte“, unterbrach sich die Nachrichtensprecherin und hörte aufmerksam zu, wie ihr von der Regie etwas durch ihr Headset gesagt wurde. „Soeben erhalte ich eine Nachricht, dass uns ein weiteres Video, offenbar von einem Italienisch-deutschem Nachrichtenteam, zugeschickt wurde. Wir werden es mal abspielen“ „Das wird doch nicht etwa...“, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, doch ehe ich ihn fertig denken konnte erwies er sich bereits als richtig. Nach einem kurzen Rauschen zeigte die schiefe Kamera Senior Banettes Gesicht in Großaufnahme, zoomte dann unentschieden vor und zurück, bis die Dame das Wort ergriff: „Ich bin hier im Haus von Tia, dem Mädchen, das dem Tsunami von gestern am nächsten war und alles unbeschadet überstanden hatte“ Nun schwenkte die Kamera schnell zu mir und alles lief ab, wie ich es in Erinnerung hatte: Meine recht patzige Antwort auf Bannettes Frage, die Szene, in der ich künstlich weinend weg rannte, wobei meine Familie mir verdutzt nachschaute und Seniorita Banette, etwas unverständliches stammelte. Ich bagann zu lachen, „Alex! Du hattest Recht! Die hat ja echt voll dumm geschaut!“ Meine Schwester unterdrückte ein Lachen und folgte der Filmaufnahme grinsend. Die Reporterin Benette wusste nicht was los war, sie schaute, als wäre ihr ein Geist begegnet, der sich vor einer Karotte fürchtet, fasste sich jedoch wieder und gerade als sie wieder reden wollte begann meine entsetzte Mutter zu rufen: „Sehen sie, was sie gemacht haben? Meine arme Tochter! Nun hat sie wieder ein Trauma, dabei ist sie doch gerade dabei gewesen sich prächtig zu erholen!“ Die Kamera war auf meine Eltern gerichtet, die sich nicht anmerken ließen, dass alles nur gespielt war. „Gehen sie aus dieser Wohnung!“, klang die Stimme meines Vater und er zeigte wütend an der Kamera vorbei Richtung Tür. Kurz sackte die Kamera nach unten, als würde der Kameramann, Senior Kuschluck, abgelenkt. Dann richtete sich das Bild wieder auf die Reporterin, welche übertrieben besorgt meinte: „Das arme Mädchen, ich denke es ist besser, sie nun in Ruhe zu lassen, auf Wiedersehen!“ Seniorita Benette winkte meiner Familie mit einem überheblichen Grinsen zu, welches sie sich anscheinend nicht verkneifen konnte und ging dann mit schnellen Schritten weg. Die Kamera schwankte kurz, ehe man Senior Kuschlucks dreckige braune Schuhe mit lila Schnürsenkeln sah, welche mit schnellen Schritten Seniorita Bennette hinterher rannten. „Ne oder? Der hat jetzt nicht wirklich vergessen die Kamera auszumachen?“, rief meine Mutter lachend während mein Vater schadenfroh lächelte. „Anscheinend doch!“, bemerkte Alex und begann nun auch zu lachen. Das Bild wurde schwarz und im Hintergrund des Fernsehbildes hörte man Die Nachrichtensprecherin, „War das jetzt der Bericht?“ Nun kam das Studio wieder zum Vorschein und wir hatten Mühe unser Gelächter im Rahmen zu halten, um den Rest der Nachrichten auch mit zu bekommen. Auch die Reporterin versteckte ihr Lachen hinter ihrer Hand während auf dem Bildschirm hinter ihr wieder ein scharfes Bild entstand. „Oh?“, bemerkte sie und schaute hinter sich, „Geht es noch weiter?“ Auf dem Bild erschien wieder Seniorita Bennette, die sich ihre hellbraunen Haare zu Recht zupfte und dabei übertrieben grinste, „Bitte entschuldigen sie, dass wir nicht mehr herausfinden konnten, weiteres überlassen wir lieber den Profis… Auf Wiedersehen!“ Dann war wieder alles schwarz. Wir krümmten uns schon vor Lachen, und die Nachrichtensprecherin konnte ihr Lachen auch nur schwer zurückhalten. Doch wir beruhigten uns recht schnell, als die Nachrichten zu einem anderen Thema wechselten. „Eine weiteres unerklärliches Naturereignis erschüttert viele Wissenschaftler und Meteorologen. Eine Welle von plötzlichen, unerklärten Orkanböen bis hin zu Tornados fegte quer verteilt über die gesamte Welt. Besonders stark betroffen waren die Städte Brasília in Brasilien, Pol-e Khomri in Afghanistan, Heinola in Finnland und San in Mali. Der stärkste Tornado wütete mit einer Geschwindigkeit von bis zu 109 Stundenkilometern in der Nähe von Singapur. Bis weilen gibt es rund 13000 leicht bist schwer verletzte, 28 Todesfälle und einen weltweiten Sachschaden von etwa 12,8 Milliarden Dollar“ „Heftig“, stutzte ich. „Wahnsinn...“, keuchte meine Mutter. „Da ham‘ wir ja Glück gehabt, dass bei uns nur so‘n kleiner Sturm war“, bemerkte Alexandra, während in den Nachrichten Amateurviedeoaufnahmen der Vorfälle in den verschiedenen Regionen zeigten. Das Telefon klingelte. „Ich geh schon“, sagte ich und lief los, um das Telefon zu suchen und in der Küche zu finden. „Ja, Nocol?“, meldete ich mich und Naomi, meine Freundin aus Brandenburg, meldete sich. Wir waren auf derselben Grundschule, und dann zwei Jahre auf demselben Gymnasium. Doch dann bin ich mit meiner Familie vor erst 2 Jahren von Mittelfranken in den Süden gezogen. Und Naomi zog auch weg, sie war in der 2. und 3. Klasse Pflegekind bei uns, da ihre Mutter einen Ganztagsjob hatte. Unglücklicherweise verschlug es sie kurz nach uns in genau die andere Richtung: Während wir nach Süden kamen, wohnte sie nun im Norden Deutschlands. „Hey, Tia wir haben dich grad im Fernseher gesehen, stimmt das echt? Warst du bei dem Tsunami? Das glaub ich ja gar nicht“, redete meine Freundin sogleich los. „Tja, aber so ist es...“ Ich stellte das Telefon auf Lautsprecher, ging in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett. „Mama, des stimmt fei, ich hab die Tia grad gefragt“, rief sie am anderen Ende der Leitung. Ich hörte ihre Mutter sagen: „Sonst wär’s ja auch ned im Fernseher gewesen, wenn’s ned gestimmt hätte…“ „Du, Tia, was war des denn für ein Gefühl?“ Naomi stellte immer solche doofen Fragen, obwohl sie eigentlich ein cleveres Mädchen war. „Ich war überglücklich“, grummelte ich. „Echt?“ „Nee, natürlich nicht, das war schrecklich! Ich hatte solche Angst, das glaubst gar nicht“ „Weißt du…“, fing sie an, doch ich unterbrach sie: „Nein, ich weiß nicht, wieso der Tsunami so plötzlich zurückging, oder hast du dem Fernseher nicht zugeschaut?“ „Doch, na gut, ähm… was wollt ich denn sagen? Nein sag nichts ich komm schon noch drauf… Ach ja, ähm hast du da echt geweint?“ „Nee, ich wollte bloß meine Ruhe haben…“ „Sag mal spinnst du? So ’ne Chance ist einmalig!“ „Wenn du wüsstest was ich weiß hättest du das wahrscheinlich auch gemacht!“, sagte ich laut und merkte gleich, dass das zu viel gesagt war. Und wie ich es sofort merkte, hackte sie sofort nach: „Aha, was weißt du denn?“ „Du wirst es mir eh nicht glauben“, sagte ich etwas leiser. „Jetzt sag schon! Ich halt dich schon ned für verrückt“ „Doch, das wirst du“ „Nein“ „Doch“ „Nein“ „Doch“ „‘etz, nein!“ „Doch, wenn ich’s dir sage! Nicht mal die Alex hat’s mir geglaubt, geschweige denn meine Mutter oder mein Vater!“ „Und was is’ mit der Anna?“ Anna, auch eine sehr gute Freundin von mir, kannte ich ebenfalls aus meiner alten Schule, zum Glück ist sie nicht weggezogen. Zuerst konnten wir uns nicht ausstehen. Dann, glücklicher Weise, hat unsere Religionslehrerin uns nebeneinander gesetzt und wir haben nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch eine tiefe Freundschaft entdeckt. „Mit der hab ich noch gar ned gesprochen…“ „Erzählst du’s ihr?“ „Nee, die Anna hält mich doch ganz sicher auch für verrückt“ „Jetzt sag schon!“ „Nein! Naomi, wenn jetzt nicht aufhörst zu nerven leg ich auf“, drohte ich. „Ja okay, keine gute Drohung“, dachte ich mir, „aber wenn sie mit mir reden will, muss die drauf eingehen!“ „Menno, das ist gemein, ich dachte ich bin deine Freundin!“ „Ja, das bist du auch, aber, es… wenn dir sowas passiert wäre würdest du es mir bestimmt auch ned sagen“ „Nun komm’ schon, hab dich nicht so“ „Nein, Naomi, wie oft denn noch? Nein, nein und nochmals NEIN!“, rief ich wütend. „Können wir über irgendwas anderes reden? Bitte“, meinte ich schließlich etwas leiser. In diesem Moment erschien auf dem Handy-Display Anklopfen von Anna. „Du, Naomi, die Anna ruft grad‘ an, kann ich später irgendwann zurückrufen?“ „Ja, ja, aber dann möchte ich wissen, was wirklich…“ „Also dann tschüss, Naomi“ „Tschüss, Tia…“ Ich legte seufzend auf, lies das Telefon noch zwei Mal klingeln, während ich mich rücklings auf mein Bett fallen ließ, und Annas Anruf entgegen nahm. „Hi“, meldete ich mich und bekam die gleiche Begrüßung zurück. „Stimmt des echt mit der Tsunami?“, fragte Anna gleich. „Jepp, das war so schrecklich! Du glaubst gar ned wie eiskalt es einem den Rücken runterläuft.“ „Coole Show hast du bei dem Interview abgezogen! Du hast doch nur so getan, als würdest du weinen, oder?“, meinte sie und ich konnte mir schon ihr Lächeln bei diesem Satz vorstellen. „Klar“, stimmte ich zu, „Ich hatte keinen Bock darauf, ich war nicht mal vorbereitet, die kamen einfach so rein! Und unfreundlich waren die obendrein auch noch!“ „Hast du im Fernsehen diese lila Schnürsenkel gesehen?“ „Ja, mein Gott, sahen die bekloppt aus, die waren echt blöd!“ „Ja wirklich!“ Anna und ich lachten und wir redeten noch etwas länger über unsere Zeugnisse und die Ferien. Ich war froh, dass sie mich nicht so wie Naomi über das, was passiert war, ausfragte. Wie dem auch sei, es tat mir echt gut mal wieder mit ihr zu telefonieren. Ich überlegte, ob ich sie fragen sollte, ob sie an Schutzgeister glaube. Doch ich tat es letztendlich doch nicht, schließlich könnte es wieder in einem ständigem Gefrage seitens Anna enden, wie bei Naomi. Als wir uns verabschiedeten war es spät geworden, seit den Acht-Uhr-Nachrichten hatten wir etwa zwei Stunden telefoniert. „Vielleicht hat Jonas ja Lust zu kommen“, überlegte ich. Er war mein Halbkousin, aber noch viel mehr mein bester Kumpel. Mit dem Zug brauchte ich eine Stunde zu ihm. Die Familiäre Beziehung zwischen seiner Familie und meiner war etwas kompliziert. Sein einer Opa und meine eine Oma waren beide schon früh gestorben. Seine Oma und mein Opa haben sich vor etwa 12 Jahren kennen gelernt und noch mal geheiratet. So waren Jonas Eltern sozusagen meine Stieftante und Stiefonkel. Beziehungsweise waren wir eigentlich nicht wirklich Verwandt. Und sahen wir uns einander nicht als Tante, Onkel, Neffe und Kousin an, sondern eher als sehr gute Kumpel und Freunde und das Gefühl war auch einfach anders, wenn ich bei meinen richtigen Tanten und Onkels war. Nachdenklich starrte ich auf das Telefon. „Was ist, Tia?“, fragte Arcon sanft. „Ach, ich überlege nur“, antwortete ich, wanderte stumm zu meinem Sofa, wo Arcon lag, und nahm Platz. „Und was überlegst du?“ „Ob ich meinen Kousin fragen soll, dass er morgen kommt“ „Warum denn nicht?“, fragte Arcon. „Wegen der Katastrophenzeit, es kann jederzeit wieder etwas geschehen“ „Dafür gibt es die Zeitspanne, die ich in Zukunft nicht mehr vergessen werde“ „Na gut“, lächelte ich zufrieden und wählte Jonas Nummer. „Björklund?“, hörte ich die Stimme von Jonas Mutter Annette sagen. „Ja Hallo hier ist die Tia“ „Ja, Grüß dich, Tia, was gibt’s denn?“ „Ist der Jonas noch wach?“ „Ja, warte ich such ihn mal schnell“ „Okay, danke“ „Wie geht’s euch denn?“, fragte Annette, während sie Jonas suchte. „Ganz gut soweit und euch?“ „Joa, auch. Ah, hier ist er ja, ich geb dich dann mal weiter!“ „Danke, Ciao“ Ein kurzes Rauschen folgte, dann Jonas Stimme: „Hallo?“ „Hi, Jonas!“, meldete ich mich. „Oh mein Gott, ein Schaf!“, sackte Jonas’ Stimme genervt zusammen. Ich antwortete, ich indem ich grinsend ein Schaf nachahmte. Zwischen Jonas lief ein Gespräch meist so ab. Es war einfach ein kleiner Tick von uns, Schafe und mähen. Wir fanden es witzig und uns war klar dass es für andere selten dämlich hinüberkam. Doch davon ließen wir uns nicht stören, es war einfach so und wir wollten es so. „Sag mal, hassu morgen Zeit?“, fragte ich lieb. „Eigentlich schon“ „Hättest du dann Lust zu kommen und bis Dienstag oder so zu bleiben?“ „Nein, zu dir nicht“, meinte Jonas ironisch. „Na gut, dann halt nicht“, gab ich künstlich zickig zurück. „Nein Scherz, ja klar hab ich Lust, warum nicht?“, meinte Jonas. „Vielleicht, weil ich ein Schaf bin?“, fragte ich grinsend. Jonas lachte, „Ja, Das wäre ein Grund! Also ich frag mal schnell meine Mutter“ Ich hörte, wie er durch sein Zimmer lief. „Okay, ich frag auch mal“, entgegnete ich und lief schnell die Treppe hinunter und dann ins Wohnzimmer. „Du, Mama? Darf der Jonas morgen kommen und dann noch 3 Nächte bis Dienstag bleiben?“ „Von mir aus“, meinte sie gleichgültig. „Ah, danke!“, freute ich mich und ging mit schnellen Schritten wieder in mein Zimmer. „Jonas?“, fragte ich derweil vorsichtig. „Ja, also bei mir geht’s“ „Super, bei mir auch! Wann kommst du dann morgen?“ „Irgendwann gegen Mittag, ich ruf dann an, wenn ich unterwegs bin, wahrscheinlich gegen 12, okay?“ „Okay“ „Können wir dann auflegen? Weil ich bin ein wenig müde, hatte heute ’nen recht stressigen Tag“ „Kein Problem, dann Gute Nacht, schöne Grüße und bis morgen!“, verabschiedete ich mich. „Ja, dir auch ne gute Nacht und auch Grüße bei dir, Ciao“ Daraufhin legte er auf und ich gähnte müde. „Jetzt bin ich auch müde“, stellte ich fest und kraulte Arcon an seinem Ohr. „Dann geh schlafen“, flüsterte dieser entspannt, obwohl er eigentlich wollte, dass ich ihn weiter streichelte. Meine Finger wanderten seine Schnauze hinab, dann wandte ich mich ab und zog mich um. Als ich im Bett lag, kam auch Arcon und legte sich neben meine Beine. Es dauerte nicht lange, bis auch unser Kater Tiger auf mein Bett sprang und begann schnurrend auf meinem Kopfkissen umher zu tapseln. Ich ließ meine Hand über meinen Kopf gleiten und streichelte das braun-schwarz getigerte Fell. Nach einer Weile legte sich der bereits 12 Jahre alte Kater hin, indem er sich um meinen Kopf schmiegte und behaglich Schnurrte, während ich weiter seinen Kopf kraulte. Nur an seinem weißen Bauch durfte man ihn nicht streicheln, da war er empfindlich und Biss sanft. Mit Tigers Schnurren neben meinem Ohr konnte ich besser schlafen, auch wenn es für andere eher störend klang. So dauerte es nicht lange, bis ich friedlich einschlief. Als ich am nächsten morgen aufwachte, streckte ich Arme und Beine von mir und gähnte herzhaft. Ich merkte, dass Arcon von meinen Beinen rutschte und mein Arm Tigers Kopf streifte, welchen ich anschließend kraulte. So blieb ich kurz liegen ehe ich mich verschlafen aufsetzte. „Guten Morgen, Arcon“, gähnte ich und kraulte meinen Schutzgeist. „Morgen“, murmelte er. „Was ist los?“, fragte ich und lachte, „Du bist doch sonst auch immer fit am morgen“ „Ich darf doch nach dem gestrigen Tag auch mal etwas müde sein“, meinte er, streckte sich und grinste mich müde an. „Ach ja...“, seufzte ich. Ich erinnerte mich an den vergangenen Tag. Zero-Chos auftauchen, der Tornado, unbewusst verdrängte ich all diese Geschehnisse immer wieder. „Wie geht’s dir?“, erkundigte ich mich bei ihm. „Gut soweit“ „Deine Wunden?“ „Alles in Ordnung, ein paar Prellungen noch, nichts, was mich umbringt. In euer Welt kann sich der Körper eines Schutzgeistes schneller erholen.“ „Das freut mich“, meinte ich lächelnd und kraulte Arcons Bauch, während er wohlwollend mit seinem Hinterbein zuckte. Ruckartig drehte mich zu dem kleinem Schränkchen neben meinem Bett und schaute auf die Uhr: 11:23 „Ach du meine Güte!“, rief ich, riss die Bettdecke von meinen Füße und huschte aus dem Bett. Im Bad wusch ich mich rasch, kämmte meine Haare und band die zu dem üblichen Pferdeschwanz zusammen. Ein lautes Grummeln kam aus meinem Magen. „Sei leise“, zischte ich, „ich ess’ ja gleich was.“ Daraufhin schritt ich rasch aus dem Badezimmer. „Was hast du es denn so eilig?“, fragte Arcon und trabte neben mir her. „Ich muss wissen, ob der Jonas schon angerufen hat“, meinte ich darauf, blickte mich im Haus um und bog letztendlich ins Wohnzimmer ein. „Mist, meine Mutter ist nicht da...“, schloss ich aus dem leeren Haus. „Es ist keiner hier“, bemerkte Arcon, „Ich höre nichts!“ „Hinten am Parkplatz steht kein Auto...“, meinte ich, als ich aus der Terrassentür lugte. Dann ging ich an dem großen Fenster daneben vorbei und warf einen Blick aus dem Fenster der Breitseite unseres großen Wohnzimmers. „Vor der Garage steht auch kein Auto“, murmelte ich. „Ich sag doch, dass keiner da ist“, bestätigte Arcon. „Ja, ich wollte nur mal nachsehen! Dann frühstücke ich mal“, meinte ich und machte mich wieder auf den Weg Richtung Küche. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel: Jonas hat angerufen. Er kommt um 11:45 am Bahnhof an. Seufzend starrte ich auf unsere Küchenuhr, welche halb 12 anzeigte. „Na toll“, grummelte ich. Arcon stieß ein Glucksen von sich und hielt einen Lachanfall zurück. „Du bist doof“, sagte ich zu ihm und begann zu lachen. „Ich weiß“, stieß er aus und lachte ebenfalls. Ihr wuschelte ihm grob durch sein Fell, ehe ich durch den Flur ging, um mir Sandalen anzuziehen. „Na wieder beruhigt?“, fragte ich grinsend und blickte zurück in die Küche. „Ja schon... hehe... aber deine Katze hat Hunger“, bemerkte er rasch. Ich verdrehte genervt die Augen und hörte auch schon Nalas kreischendes Miauen. „Is ja gut, Nala“, rief ich genervt, woraufhin sie wieder miaute, und lief schnell zurück zur Küche, vorbei am Küchentisch und schüttelte mit meinem Fuß den Futterspender der Katzen. Nala kam gleich miauend angetrabt und starrte das Futter an. „Na komm, iss doch“, flehte ich und schüttelte das Futter noch ein Mal leicht. Nun endlich beugte sich Nala zum Futter hinab und begann zu fressen. Mein Blick wanderte wieder zur Uhr, 11:34. „Verdammt!“, knurrte ich, rannte in mein Zimmer, schnappte mein Handy und lief ebenso schnell wieder nach unten. Während ich unser Haus durch die Terrassentür mit schnellen Schritten verließ durchsuchte ich meine Handykontakte nach Jonas. „Vorsicht Tia da...“, wollte mich Arcon warnen, doch da stolperte ich schon über einen großen Stein, der in einem Beet lag, welches die Terrasse von unserem Hof trennte. „...ist ein Stein“, beendete Arcon seinen Satz langsam. „‘zefix“, fluchte ich leise und taumelte am Stein vorbei. Endlich hatte ich Jonas Nummer gefunden und wählte diese, als ich den Hof in Richtung Straße entlangging. „Ja?“, meldete sich seine Stimme nach einer Weile. „Hallo Jonas, ich bin grad auf dem Weg zum Bahnhof, wenn du ankommst und ich noch nicht da bin dann komm mir schon mal entgegen, den Weg dürfest du ja mittlerweile kennen!“ „Okay mach ich, bis gleich.“ „Ja bis gleich.“ Daraufhin legte ich auf und begann los zu rennen. „Warum hetzt du dich, wenn er dir entgegenkommt?“, fragte mich Arcon und galoppierte neben mir her. „Weil es zwei Wege gibt und ich weiß nicht welchen er nimmt“, keuchte ich. „Und warum rufst du ihn dann nicht an und sagst, welchen Weg er gehen soll?“ „Damit ich wieder über etwas falle?“ „Nein, du läufst doch auch ner Straße! Da kannst du doch über nichts fallen!“ „Sag das nicht, ich schaff das schon!“ Arcon lachte, „Du bist echt einmalig, Tia.“ „Was denn? Wenn ich es nicht schaffe über meine eigenen Füße zu stolpern, heiß ich nicht mehr Tia Nocol!“, entgegnete ich lachend Mittlerweile war ich die 300 Meter bis zur Kreuzung zu einem Fußgängerweg gerannt. Keuchend stoppte ich meine Geschwindigkeit während ich in den Weg einbog und lief in Schritttempo weiter. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr meines Handys. „Elf Siebenunddreißig“, schloss ich und beschleunigte mein Tempo wieder. Arcon und ich schwiegen uns an, bis ich den Weg verließ und Richtung Hauptstraße joggte. „Wie weit ist es noch?“, fragte Arcon. „Nicht mehr weit, normalerweise brauche ich 15 Minuten zum Bahnhof. Mit dem Tempo schaffen wir das noch“ Vor der Hauptstraße bog ich in einen kurzen Weg ein und sah auch schon ein Geschäft und dessen Parkplatz. „Noch eine Kurve und eine Straße“, sagte ich knapp und beschleunigte wieder meine Geschwindigkeit bis ich rannte. Der Parkplatz war schnell überquert und dank des wenigen Verkehrs konnte ich auch schnell auf die andere Straßenseite kommen. „So, die letzte Kurve“, bemerkte ich und lief auf dem Gehweg die Hauptstraße entlang. Ich sah bereits am Ende der Straße das Bahnhofgebäude, dessen Uhr nur ein oder zwei Minuten nach 11:45 anzeigte. Mein Handy klingelte. Ich schob das Telefon auf und meldete mich. „Ja hier ist der Jonas, der Zug hat Verspätung“ Wie von Blitz getroffen blieb ich stehen und dachte daran, dass heute wirklich nichts klappen konnte. Arcons Beine gaben nach, er fiel vor Lachen auf den Boden und konnte gar nicht mehr aufhören. Meinen giftigen Blick bemerkte er nicht und ich meinte zu Jonas: „Okay, ich warte am Bahnhof“ „Ciao, bis dann“ „Ciao“ Ich sah mich um, niemand war zu sehen. „Hör auf zu lachen, Arcon“, murrte ich. „Entschuldige bitte, Tia“, stieß er glucksend aus, versuchte sich zu beruhigen und stellte sich hechelnd auf, „aber... hehe... es ist einfach zu komisch. Du bist echt tollpatschig, wenn du im Stress bist.“ „Danke das weiß ich auch“, grummelte ich und stapfte wütend zum Bahnhof. „Wenigstens verpasst ihr euch nicht“, gluckste Arcon fröhlich. „Ja da hast du recht“, murmelte ich seufzend und versuchte mich auch wieder zu beruhigen. „Schlechte Laune bringt eh nichts“, meinte ich schließlich, als ich die letzte Seitenstraße zum Bahnhof überquerte und mich dort auf die Bank auf dem Bahnsteig setzte. „Er kommt schon“, meinte Arcon sogleich, der vor auf dem Boden saß. „Meinst du?“ „Ja, ich höre ihn“ Ich stand auf und ging ein paar Schritte auf die Gleise zu. „Tatsache“, stelle ich fest, als ich meinen Kopf vorbeugte und den Zug über den Bahnübergang fahren sah. So trat ich wieder zurück und wartete, bis der Zug still stand. „Ich habe ein seltsames Gefühl“, knurrte Arcon und blickte sich misstrauisch um. Ich wusste, was er sagen wollte. Er glaubte, dass die nächste Katastrophe bald ausbrach. Reden konnte ich nichts, da mittlerweile die Leute aus dem Zug strömten. „Was könnte denn hier kommen?“, überlegte ich, „Flutwelle haben wir, Tornado auch, Feuer... aber so warm wird es bei uns ja dann doch nicht und Erdbeben, aber das ist hier unmöglich. Hier, im Alpenvorland. Ein Erdbeben könnte hier nie zu Stande kommen“ Ein heftiger Stoß riss mich aus den Gedanken und ich merkte, dass Jonas mich umarmte. „Hi Jonas!“, rief ich erfreut und erwiderte seine Begrüßung. Jonas war einen Kopf größer als ich und ein dreiviertel Jahr jünger. Er trug ein orangenes Shirt und eine Jeans. Ich spürte eine merkwürdige innere Unruhe in meinem Körper. „Bei euch auf dem Land is es ja noch wärmer als bei uns“, meinte Jonas spaßhaft und grinste mich an. „Tja, wir sind halt einfach besser als ihr Stadtfuzis“, gab ich lachend zurück. Als wir nebeneinander den Bahnsteig in Richtung Straße entlang gingen, spürte ich ein kurzes, leichtes vibrieren unter meinen Füßen. „Arcon ich glaub es geht los“, flüsterte ich, sah ihn an und bemerkte, dass seine Augen ihre blutrote Farbe angenommen hatten. „Ja“, meinte er ernst neben mir und Erde begann sich um seine Füße zu schlingen, „ich leite jetzt schon mal die Zeitspanne ein“ Daraufhin stand alles still. Ich löste mich vorsichtig von Jonas’ Griff und betrachtete, wie Arcon zu seiner Erdgestalt wurde. Die Erde verschlang seinen ganzen Körper und legte sich dann geschmeidig um die Figur des Wolfs. „Ein Erdbeben...“, seufzte ich. „Denke ich zumindest“ „Aber wie ist das möglich?“ „Naja, dazu muss ich dir erst etwas anderes Erzählen, dazu haben wir jetzt keine Zeit, jederzeit kann das Beben richtig losgehen“ Kaum, dass er das ausgesprochen hatte begann ein heftiges Beben, ich verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings auf den Boden. „Das ist kein Erdbeben“, rief Arcon plötzlich. „Was?“, fragte ich verdutzt. „Schau genau hin!“, befahl Arcon und ließ die Erde von seinem Körper bröckeln. Die Erde hob sich an verschiedenen Stellen leicht an und auch der Betonboden brach auf und erhob sich zu kleinen Hügelchen. „Was bildet sich da?“, stutzte ich nachdenklich. „Lava“, meinte Arcon, sein Fell wurde in ein schwaches Rot getunkt und das Ende seines Schweifs sowie seine Pfoten begannen zu brennen. „Lava?“ „Ja, die Lava aus dem Erdinneren wird durch ein spezielles Beben an die Oberfläche gedrückt und bahnt sich einen Weg an verschiedene Stellen, dann strömt es in Form von mehreren kleinen Vulkanartigen Hügelchen aus der Erde“ Es geschah genau, wie Arcon es erklärt hatte. An den Stellen, wo sich die Erde bereits leicht erhoben hatte, entstanden kleine Hügel, nicht höher als bis zu meinem Knie. Die Erde bebte und unter meinem Körper brodelte es. Ich spürte, wie sich auch die Erde unter mir erhob. „Weg da!“, rief Arcon und stieß mich auf die Seite. Ich schlug mit meinem Elenbogen auf der Erde auf und stöhnte schmerzhaft auf. Arcon landete vor mir und sprintete sogleich zurück zu dem Hügel, der sich bildete. Er rammte seine Krallen mit aller Gewalt in den Hügel und knurrte angestrengt. Der Hügel wurde langsam wieder zurück in die Erde gedrängt. Der Feuerwolf ließ den Hügel kurz los, sprang in die Luft und stürzte dann mit gewaltiger Kraft wieder auf den Erdhaufen hinab. Dieser brodelte kurz und schrumpfte rasch, bis nichts mehr davon zu sehen war. „Ich muss Die Hügel zurückdrücken, solange die Lava noch nicht raus kommt!“, beschloss Arcon und sprintete auf den nächsten Hügel zu. „Aber das sind zu viele!“, rief ich, stand auf, taumelte auf einen anderen Hügel zu und hatte große Schwierigkeiten bei dem Beben unter meinen Füßen das Gleichgewicht zu halten. „Bleib wo du bist!“, schrie Arcon, der eben einen Hügel in die Erde zurück gerammt hatte, „Geh nicht zu nah an sie ran!“ Ich blieb erschrocken stehen, wollt ihm erwidern doch im nächsten Moment stand er vor mir, „Du hast recht: Es sind zu viele“ Nun brachen die ersten Hügel auf und spuckten große Lavabrocken. Der Boden vibrierte immer stärker, machte es mir immer schwerer halbwegs aufrecht zu stehen. „Beweg dich nur, wenn die Lava auf dich zukommt, ja?“, befahl Arcon, „Sonst machst du gar nichts!“ Ich nickte widerwillig und taumelte wenige Schritte zurück. „Setz dich lieber gleich hin, bevor du fällst“, meinte Arcon ohne mich anzusehen. Doch ich taumelte nur an das Busschild und hielt mich daran fest. Ein Lavageschoss kam auf mich zu und ich wich ihm aus, indem ich meine Hände um die Stange des Schildes gleiten ließ, um auf die andere Seite zu kommen, drehte mich dann um, sodass ich wieder Arcon sehen konnte. Die Hitze des Vorbeiziehenden Feuergeschosses durchfuhr meinen Körper. „War das ein Feuerdan?“, fragte ich. „Naja“, meinte Arcon und zerschlug einen Feuerball mit seiner Pfote, „Die Feuerdans sind in der Lava und steuern diese. Besser gesagt steuert eine andere Macht das Feuer, das Feuer die Dans und die Dans die Lava“ „Aber warum sind sie so stark auf mich fixiert, ich meine, also auch die Wasser- und Winddans“ „Erklär ich dir wann anders, Tia!“ Ich nickte wortlos, während Arcon einigen Feuerdans auswich und andere zerbiss. „Kann ich dir wirklich nicht helfen?“, rief ich. Zwei Feuerdans kamen auf mich zu. Vor Angst fühlte ich meinen Körper nicht, konnte mich nicht bewegen. Der Wolf sprang zwischen mich und die Lavageschosse, schlug beide mit seinen Pfoten weg und landete elegant vor mir. „Hilf mir, indem du heil bleibst!“, meinte Arcon darauf und wehrte wieder ein Lavageschoss mit einem gezielten Taztenschlag ab, „Ich werde versuchen die Krater zu zerstören, denn ohne Krater keine Lava“ Stumm sah ich zu, wie Arcon sich auf einen der Mini-Vulkane stürzte und dabei den ihm entgegen kommenden Dans auswich. Er tat sich sehr schwer, musste seine Augen überall haben, wurde von allen Seiten attackiert. Er musste, ausweichen, zerschlagen und gleichzeitig mit aller Kraft versuchen den Lavahügel zu zerstören. Während er seine eine Pfote stets in dem Hügel gekrallt ließ nutze er die andere um seinen Körper schneller nach oben heben zu können, um den Feuerdans ausweichen zu können und sie gegeben falls zu zerschlagen, falls sie seiner Pfote im Boden zu nahe kamen. Sein Blick traf mich kurz, dann gab er ein wütendes Brüllen von sich, riss seine Krallen aus dem Boden und sprintete auf mich zu. Einige Feuerdans hinter ihm prallten zusammen, die anderen wichen sich selbst aus und folgten Arcon. „Duck dich!“, schrie mich dieser an. Geschockt folgte ich seinem Befehl, fiel auf die Knie und hielt meine Arme über meinen Kopf. Arcon sprang wenige Meter vor mir ab, über mich, ich kniff die Augen zu und hörte nur, wie etwas über mir zerrissen wurde. Fast zeitgleich jaulte Arcon schmerzhaft auf und landete unsanft hinter mir. Ich drehte mich abrupt um und sah eine blutende Wunde an Arcons Rippen, das Fell und die Haut unmittelbar um die Wunde herum war verkokelt schwarz. Seine Augen waren wieder hellblau und eine Pfote voller Erde, während die andere geschwollen war. Mit der verdreckten Pfote stützte er sich stöhnend ab, konnte vorerst nicht aufstehen und hob seine geschwollene Pfote an, um sie nicht zu belasten. „Arcon“, keuchte ich. „Nicht so schlimm“, stöhnte er und stand auf, „Vorsicht, Tia!“ Die Augen des Wolfs färbten sich wieder blutrot und blickten an mir vorbei. Ein eiskalter Schauer jagte durch meinen Körper und ich wagte es kaum mich umzusehen. Ob Angst oder Neugierde, eines davon brachte mich dazu, ich meinen Kopf zu drehen. Nun kam ein ganzer Schwarm von Lavabrocken auf uns zu, als wäre ihr einziges Ziel meinem Schutzgeist und mir den Gar aus zu machen. Panisch und voller Angst konnte ich mich nicht mehr bewegen. Arcon sprang über mich, dann wich dann einigen Geschossen geschickt aus, andere zerbiss er und wieder andere schlug er mit seinen Pfoten weg. Die meisten verfehlen ihr Ziel und schlugen neben mir ein. Ich zuckte zusammen, hielt meine Arme über meinen Kopf und schrie. „Tia! Bemühe dich ein bisschen! Versuch wenigstens den meisten auszuweichen, ich habe nicht überall Augen!“, knurrte Arcon, „bitte, ich habe nicht ewig viel Kraft!“ Ich nahm meine Arme herunter. Arcon hatte Recht, ich musste wenigstens versuchen, ihm zu helfen, auch wenn es nur das ist, dass ich mich rette, so muss er sich dann nicht auch noch um mich kümmern. Die Lava flog nun ziellos quer durch die Gegend. „Pass gut auch, Tia! Die Lava ist stark! Sie wird plötzlich wieder ein genaues Ziel verfolgen!“ Arcon blickte mich mit einem durchdringenden, scharfen Blick seiner roten Augen an. Nun sprintete er wieder auf den Krater zu und tat alles, was er konnte um diesen zu zerstören. Er biss, kratzte, rammte… doch nichts wollte helfen. Tapfer hielt er den Schmerz an seiner von Brandwunden übersäten und geschwollenen Pfote aus. Das Beben hatte sich etwas beruhigt, zwar war es schwierig wieder auf zustehen, doch mit ein bisschen Mühe schaffte ich es. Kaum stand ich, kam sogleich ein Lavageschoss mit rasender Geschwindigkeit auf mich. Reflexartig schnellte mein Kopf und mein Oberkörper nach hinten, der Feuerdan raste knapp über meinem Gesicht vorbei und zerschlug dann an etwas hinter mir, an dem Bahnhofsgebäude. Durch das Beben gelang es mir nicht das Gleichgewicht zu halten, geschweige denn mich wieder aufzurichten und ich fiel abermals um. Doch ich stützte mich seitlich mit meinen Händen ab und verweilte in dieser halben Brückenposition. „Wow“, dachte ich, „dass ich das kann wusste ich gar nicht!“ Ich sah, dass das auf dem Kopf stehende Gebäude keinen Kratzer hatte. Erst wunderte ich mich, doch dann fiel mir wieder die Zeitspanne ein. Etwas ratlos stand ich in einer halben Rückenbrücke und kam nicht mehr hoch. „Tia beweg dich!“, hörte ich Arcons Stimme. Panik verbreitete sich in meinem Körper wie ein Feuer. „Kommt da wieder ein Feuerdan?“, dachte ich, „Was jetzt? Ich komm nicht hoch!“ Mein Atem beschleunigte sich. „Denk nicht nach, mach einfach was“, sagte ich schnell zu mir, ließ mich dann auf eine Seite kippen und rollte noch weiter, bis ich auf dem Bauch lag und meine Hände dicht zu mir zog. Mein Arm, auf den ich gefallen war, schmerzte und wenige Sekunden später hörte ich etwas neben mir einschlagen. Eine kurze Hitzewelle fegte über mich hinweg, warme Kieselsteine und anderes regneten auf mich herab. Ich verdeckte mein Gesicht schützend mit den Händen und spannte meinen Körper an. Als ich nichts mehr spürte, stützte ich mich auf meine Arme und setzte mich langsam auf. Staub, Betonsplitter und kleine Steine bröckelten von meinem Körper. Ein Meter neben mir war ein Loch, um das sich eine Menge Schotter und Kiesel verteilt hatte. In dem Loch lag ein recht kleiner Geröllbrocken, welcher noch etwas glühte und an einer Ecke leicht brannte. „Was ist mit der Zeitspanne?“, dachte ich verblüfft, „sie schützt doch auch die Umgebung?“ Meine Beine waren verkratzt und taten weh und mein Ellenbogen aufgeschürft, doch ich versuchte die Schmerzen zu ignorieren, sah mich um. Die Menschen standen still. „Die Zeitspanne besteht noch...“ Meine Augen suchten ich die Gegend nach Arcon ab, fanden ihn und sahen, wie ein Arsenal von Lava auf ihn abstürzte. Der Wolf rannte hechelnd Richtung Schienen, machte einen Bogen um mich und hing damit die Feuerdans ab, die entweder neben ihm einschlugen oder sich selbst im Weg waren. Es schien, als würden sich die kleinen Vulkane wieder beruhigen, einen davon konnte Arcon anscheinend noch zerstören, denn ich zählte nur noch 5. Nun stießen wieder Feuerdans aus den Hügeln, donnerten jedoch ziellos durch die Gegend. Arcon nutzte das und rannte auf mich zu, stoppte neben mir und wirbelte unheimlich viel Staub auf, was zu einem Hustenanfall meinerseits führte. Arcon war völlig außer Atem, er hechelte stark. „Scheiße… die Dinger sind nicht nur schnell, sondern auch verdammt stark.“ Er machte eine Pause, schloss seine Augen und legte sich erschöpft hechelnd ganz hin. Als er seine Augen wieder öffnete waren sie wieder hellblau. Arcon leckte seine geschwollene rechte Pfote liebevoll, mit der er sich gegen die Feuerdans wehrte. An seinem gesamten Körper waren viele, kleine wie große, Schürf- und Brandwunden. Ich streichelte ihn mit meiner zitternden Hand über sein weiches Fell, welches vom Staub grau gefärbt war. „Verdammt… ich hätte nicht gedacht, dass diese Zeitspanne so anstrengend ist… ich kann sie nicht mehr lange halten“, bemerkte er als er das Loch neben uns erblickte. „Ist es deswegen?“, fragte ich. „Ja, wenn ich merke, dass meine Kraft nachlässt, schwäche ich erst die Zeitspanne in meiner Umgebung. Warum gerade die Zeitspanne an dieser Betonstraße nachgegeben hat und nicht die um das Hölzerne Bahnhäuschen, weiß ich allerdings nicht. Wichtig ist, dass den Menschen nichts passiert. Vielleicht schließe ich dich auch noch mit ein“ „Aber du hast doch eh schon kaum noch Kraft. Mich einzuschließen ist doch noch gefährlicher für dich“ „Es geht weiter“, seufzte er und blickte auf, während seine Augen wieder rot wurden, „bleib ganz ruhig sitzen, vielleicht schaffe ich wenigstens einen kleinen Schild um dich“ Ich nickte unsicher und zog meine Hand zurück. Arcon stand auf, hob seine geschwollene Pfote und schloss seine Augen. „Deine Pfote...“, begann ich. „Lass nur, Tia, wichtig ist, dass du mir jetzt vertraust“ Ich nickte ängstlich und Arcon schloss seine Augen. Er verharrte wenige Sekunden in konzentrierter Stille. Einige Feuerdans schwirrten wenige Meter hinter Arcon umher, bereit für den nächsten Angriff. Ich wagte nicht Arcon darauf anzusprechen. Die Feuerdans formierten sich und kamen rasend auf Arcon zu. Dieser bewegte sich nicht, stand regungslos vor mir und hielt seine Augen geschlossen. Sekunden verrannen, die Feuerdans schienen sich nicht nähern zu können und standen starr. Nun öffneten sich Arcons Augen langsam, blutrot und um meinen Körper erschien kurzzeitig ein leichtes helles Licht. „Beweg dich nicht, sonst löst sich der Schild wieder“, schnaufte Arcon, drehte sich um und rannte auf die Lavabrocken zu. Diese rasten ihm nun wieder entgegen. Gebannt und regungslos beobachtete ich den Kampf. Arcon wich aus, schlug und biss, doch er war zu langsam, hatte keine Kraft mehr. So wurde er von einem Dan erwischt, jaulte auf und wurde prompt vor meine Beine geschleudert. „Arcon“, flüsterte ich und sah seine neue, große Wunde am Rücken. Er rappelte sich wieder auf und versuchte vergeblich den nächst kommenden Dans auszuweichen. Einige verfehlten ihn, kamen auf mich zu und prallten gegen mich. Zu mir drang weder Hitze noch Schmerz, doch mit jedem mal, mit dem Arcon getroffen wurde spürte ich, wie der Schutzschild schwächer wurde, bis ein Feuerdan auf den Schild einschlug und eine unglaubliche Hitze verbreitete sich um mich. „Nicht bewegen, nicht bewegen“, redete ich mir immer wieder ein und schloss meine Augen verkrampft. „Tia“, keuchte Arcon erschöpft, „ich schaff es nicht“ Voller Angst öffnete ich meine Augen wieder, Arcon stand vor mir, hechelnd, schnaufend und mit blutenden Wunden überall. „Es tut mir Leid...“ Ein Feuerdan kam heran geflogen, verfehlte Arcon knapp, welcher sich keinen Zentimeter regte, durchbrach das Schild um mich und striff mein Bein. Ich schrie vor Schmerz auf. Tränen sammelten sich in meinem Auge. Die Wunde brannte und blutete und tat fürchterlich weh. „Es tut mir so leid, das sich so schwach bin... aber ich bin am Ende meiner Kräfte“ Arcon drehte sich zu mir, humpelte wenige, kleine Schritte und legte sich vor mich hin. „Wenn die Feuerdans uns nicht so fixiert hätten, würde um uns herum alles in Asche liegen, die Zeitspanne hält nicht mehr lange“ Ich starrte ihn stumm an, versuchte meine schmerzende Brandwunde zu ignorieren und streichelte zitternd sein Fell. Es war wie ein Wunder, dass uns die Lavabrocken verfehlten. „Etwas hält sie ab. Etwas hindert sie“, meinte Arcon schließlich keuchend. Wieder kam ein Schwarm Feuerdans auf uns zu. „Arcon schnell weg hier!“, rief ich. Mit einem Mal donnerte es, ein schwarzer Blitz schlug vor Arcon und mir ein, an dem die Feuerdans zerschellten. „Zero-Cho?“, stutzte ich. Vor uns stand der Greif, seine Flügel brannten und er war in ein dumpfes rot getaucht. „Arcon, ich hatte gemeint, du schaffst es, doch wie ich sehe brauchst du doch Hilfe“, sagte er freundlich, schaute über seine Schulter zu mir, „Die haben euch ja mächtig zugesetzt“ Seine Augen blinkten kurz schwarz auf und augenblicklich brandte meine Wunde nicht mehr so stark und schrumpfte ein wenig. Auch Arcons Wunden wurden weniger. Mein Schutzgeist seufzte erleichtert, das Feuer an seinem Schweif ging aus und seine natürliche Fellfarbe kehrte zurück. „Danke, Vater“, keuchte er Ehe ich Zero-Cho dankten konnte, drehte er seinen Kopf wieder weg und stieß er ein lautes Brüllen aus. Ein schwarzer Schimmer umhüllte Arcon und mich, Zero-Cho stürmte auf die Krater zu, wich dabei geschickt den Feuerdans aus und zerschlug den ersten Krater mit einem einzigen Hieb seiner flammenden Klaue. Die Dans, die aus diesem Krater strömten, flogen steil in die Luft und explodierten schließlich weit oben. Es dauerte nicht lange, bis er auch die restlichen Vulkane zerstört hatte und dabei erwischte ihn kein einziger Feuerdan. Als er fertig war verschwand seine Feuergestalt wieder und er kam auf uns zu. „Arcon, du hast dich wacker geschlagen. Für jemanden, der kein eigenes Element besitzt hast du das wirklich gut gemacht. Du musst nun mal noch viel lernen“ „Ja Vater...“ „Wa...“, begann ich und überlegte ob ich ihn wirklich fragen sollte, „warum sind sie nicht früher gekommen?“ „Weißt du“, meinte Zero-Cho freundlich, doch streng, „Ich habe viele Pflichten und hatte gehofft, dass Arcon das alleine schafft. Nun ja, es ist ja nichts allzu schlimmes passiert... Und nun muss ich wieder gehen“ Ich nickte, „Auf Wiedersehen“ „Wir werden uns sicher wieder sehen“ Darauf hin donnerte es, ein schwarzer Blitz schlug an der stelle ein, auf der der Hedshyn stand und damit verschwand dieser. Arcon lag noch kurz friedlich da, stand dann auf und meinte schnaufend: „Warum ist es so seltsam?“ Fragend schaute ich den Wolf an, welcher darauf meinte, „Normalerweise sind Wychos stärker als Tyroji und diese sind stärker als Kaeroji, wörtlich die ‚Feuerkatastrophe’, aber der Tornado ist mir wesentlich leichter gefallen als das hier eben... und die Flutwelle fiel mir im Vergleich zum Tornado auch schwerer. Bei dem war nur das Problem, dass ich durch den starken Auftriebswind im Inneren nicht an den Punkt gekommen bin, an den ich wollte...“ Ich wusste nicht, was ich darauf sagen wollte... war es letztendlich nicht gut, dass ihm das eigentlich schwere so leicht gefallen war? „Ich löse die Zeitspanne...“, meinte mein Schutzgeist schließlich, „geh zu deinem Kousin“ Ich nickte und brachte mich wieder in die Stellung, in der ich vor der Zeitspanne war. „Hast du das auch gerade gespürt? Das Beben?“, fragte Jonas und sah mich verblüfft. „Hm?“, fragte ich ahnungslos. „Ach vergiss es, ich hab mir eingebildet so ein komisches Beben zu spüren... muss wohl an der Sonne liegen“, lachte er. „Ne das liegt sicher daran, das ich so umwerfend bin“, gab ich lachend zurück. „Oder so“, grinste er. Ich blickte kurz an die Stelle zurück an der Arcon stand, doch sie war leer. „Das Loch ist weg“, stellte ich stutzend fest. „Wie bitte?“, fragte Jonas. „Ach, da war mal so ein Loch in der Wand da“, improvisierte ich, „Ist mir erst jetzt aufgefallen, dass es wieder weg ist“ „Achso“, meinte Jonas und wir liefen gemeinsam zu mir nach Hause. „Hast du Lust ins Kino zu gehen?“, fragte ich ihn auf dem Weg. „Können wir schon machen“, meinte er, „Wenn ein guter Film läuft.“ „Das kann man nachschauen.“ „Ehrlich?“, fragte er grinsend. „Jap, ganz ehrlich“, lachte ich zurück, „Was hälst du davon, wenn wir morgen früh wieder im Wald frühstücken?“ „Gerne!“ Wir unterhielten uns noch über alles Mögliche und machten uns über diverse Dinge lustig. Als wir die letzte Kurve vor unserer Hofeinfahrt entlang gingen, erschien Arcon neben mir. Er hechelte noch stark und war noch angeschlagen von den Feuerdans. „Tia?“, meinte er nach einer kurzen Weile bedrückt. „Hm?“ Ich vergaß für einen kurzen Moment, dass Jonas neben mir lief. Als ich ihn wieder wahrnahm summte ich eine fröhliche unbekannte Melodie vor mich her. „Du bist ja heute gut drauf“, lachte Jonas. „Mhmmhmm“ summte ich und nickte dabei. Doch im Grunde war ich besorgt, denn irgendetwas schien Arcon stark zu beunruhigen. Kapitel 8: Dunkle Vergangenheit ------------------------------- Jonas begrüßte erst einmal sämtliche Katzen und Schildkröten, die außerhalb und innerhalb unseres Hauses verteilt waren. Eigentlich hätte ich lieber mit Arcon gesprochen, denn nach seinem Gesichtsausdruck schien es ihm wirklich nicht gut zu gehen. Ich dachte daran, dass Jonas auch einen Schutzgeist haben könnte, denn er liebt Hunde über alles und er ist ein wirklich guter Mensch, der immer versucht zu helfen. Aber ihn zu Fragen hielt ich nicht für gut, wer weiß ob er doofe Fragen stellt, falls er keinen hat. Mir war klar, dass ich erst abends mit Arcon reden konnte, wenn Jonas uns bzw. mich nicht hören konnte. Ich versuchte so gut es ging, Jonas meine Sorgen nicht zu zeigen. Der Tag verging langsam, er schien endlos. Mein Halbcousin und ich frühstückten erst, dann redeten wir über alles Mögliche, machten einen ausgiebigen Spaziergang im Wald und spielten einige Kartenspiele, in denen es um Schnelligkeit und Reflexe ging. „Man hab ich Hunger“, stellte Jonas nach der 7. Partie Ligretto fest. „Ich auch”, meinte ich kurz und warf einen Blick auf die Uhr, „Kurz nach Drei. Ich ruf mal meine Mutter an und frag sie, wie lange sie noch brauchen - und vor allem wo sie überhaupt sind“ Jonas nickte zustimmend, ich suchte das Telefon und wählte die Handynummer meiner Mutter. „Ja?“, meldete sie sich. „Hallo Mama, ich...“ „Oh, Hallo Tia, du entschuldige dass ich nicht angerufen habe, aber ich hab dich total vergessen. Alex hat ja heute ihren ersten Praktikumstag am Falkenhof, sie wird auch bald kommen, denk ich. Und ich bin noch in Rosenheim mit Gisela beim Einkaufen, hier ist doch Ausverkauf. Wir bringen dir was mit. Wie geht’s euch? Habt ihr was gegessen?“ „Ja uns geht’s gut, wir wollten jetzt gerade was essen. Ich wollte nur wissen, wie lange ihr noch braucht“ „Ihr könnt ruhig schon was essen, wir fahren jetzt zwar auch von hier weg, aber das dauert ja auch eine Weile, weil ich noch bei unserem Kollegen vorbei fahren muss und noch was einkaufen möchte, da gibt’s auch noch was im Sonderangebot. Zum Essen, schau mal im Kühlschrank, da dürften noch ein paar Pellkartoffeln von gestern drinnen sein“ „Ah, okay, wann kommt ihr dann so ungefähr?“ „Wenn wir fertig sind“ Ich grummelte leise ins Telefon. „Ja ich weiß auch nicht, wird wohl 5 oder 6 werden, das werdet ihr ja dann merken!“, meinte meine Mutter. „Jap“ stimmte ich zu, „also dann machen wir uns jetzt die Kartoffeln warm und warten dann bis ihr kommt“ „Gut, Viel Spaß euch beiden! Ciao“ „Ja euch auch!“, verabschiedete ich mich und legte auf. Ich legte den Telefonhörer auf die Anlage und ging in die Küche, wo Jonas das Kartenspiel eingeräumt hatte. „Jonas? Hast du Lust auf Pellkartoffeln?“ fragte ich ihn. Er nickte zustimmend, woraufhin ich den Kühlschrank öffnete und die Schale mit den Kartoffeln herausholte. „Wie viele magst du denn?“, wandte ich mich an Jonas, während ich mit der Schale über seinem Teller wedelte. „Wenns geht so 3 oder 4“ Ich nickte, teilte die Portionen auf und schob seinen Teller in die Mikrowelle. Während diese vor sich hin summte, holte ich die Zutaten und als beide Teller aufgewärmt waren aßen wir. Als wir fertig waren wussten wir wieder nicht, was wir machen könnten. Erst schalteten wir den Fernseher an, schalteten durch die Kanäle, doch fanden keinen Sender wo etwas Entsprechendes kam. Da kam mir die Idee, dass wir ja auch eine DVD ansehen könnte und fragte Jonas, ob er Lust hätte, was er bejahte. Als der Film fast zu Ende war, kam meine Mutter nach Hause. Wir stoppten die Filmwiedergabe, liefen die Treppe nach unten und empfingen meine Mutter und Gisela an der Terrassentür. Die freudige Begrüßung wurde durch die Begutachtung der neu gekauften Sachen abgerundet. Stolz präsentierte meine Mutter alle Kleidungsstücke, die sie in Rosenheim beim Ausverkauf gekauft hatte. Anschließend 'durften' wir noch helfen, die zwei anderen Einkaufskörbe auszuräumen und ich probierte 2 T-shirts und eine Hose an, die meine Mutter mitgebracht hatte. Als wir dann zu Viert am Gartentisch saßen, kam nach einer Weile mein Vater nach Hause. Nach der Begrüßung setzte er sich mit zu uns, bis nach etwa einer halben Stunde das Praxistelefon klingelte und einen Kleintierpatienten ankündigte. Jonas und ich gingen nun wieder in mein Zimmer, wir saßen auf meinem Sofa, hörten Musik und spielten Backgammon. Nach wenigen Partien kam Alex nach Hause und sah strahlend in mein Zimmer: „Hi!“, rief ich ihr lächelnd zu. „Tachchen!“, begrüßte sie uns fröhlich. „Und wie wars da oben?“, fragte ich sie. „Toll, total interessant, ich glaub da geh ich öfter mal hin! Ich meine jetzt auch außerhalb vom Praktikum“ „Was machst du da so?“, fragte Jonas. Alex legte ihren Rucksack vor mein Sofa und setzte sich zu uns, „Also heute hab ich nur einen Falken abgetragen und sonst die Tiere gefüttert und sowas. Aber vielleicht darf ich bald auch 'nen Faustapell mitmachen!“ „Hui, das klingt echt toll!“, staunte ich. „Ja, aber jetzt brauch ich mal ne Pause. Bei der Hitze den ganzen Tag den Falkenhof auf und ab zu latschen... das ist schlimm, echt!“, meinte Alex, schnappte sich ihren Rucksack und verließ mein Zimmer. Jonas und ich widmeten sich wieder unserer abgebrochenen Backgammon Partie, danach war es schon Acht Uhr, wie ich feststellte und meine Mutter rief uns nach unten. Sie fragte, ob wir Hunger hätten und Lust auf eine Pizza. „Ja, gerne!“, meinten Alex und ich. „Okay“, stimmte Jonas zu. „Welche möchtet ihr denn?“ „Schinken und Champignons“, bestelle Alex. „Schinken und Salami“, grinste ich. „Margareta, bitte“, kam es von Jonas Meine Mutter nickte und erklärte, dass mein Vater nochmal weg musste und auf dem Rückweg gleich die Pizzen abholen kann. Nun rief sie meinen Vater an, erklärte ihm den Plan, nahm noch seinen Pizzawunsch auf und bestellte unser Abendessen. „In 20 Minuten gibt’s dann Essen!“, meinte sie. Wir nickten zufrieden, gingen zurück in mein Zimmer und begannen eine Runde Creativity mit Alex. „Tut mir Leid Arcon“, hauchte ich und sah mitleidig auf mein Sofa hinter mir, auf dem der Wolf lag und betrübt den Boden anstarrte. „Schon okay“, seufzte er. „Tia! Pass auf“, rief Jonas. Ich sah auf und beobachtete verwirrt, wie Jonas pantomimisch versuchte einen Taucher nachzuahmen. Alex bekam nach fast 2 Minuten den Punkt, nachdem wir mit unseren Vorschlägen Wal, Presslufthammer, Hai und Uboot, falsch gelegen haben. Wir spielten noch bis mein Vater mit den Essen kam, schalteten die Konsole aus und aßen gemeinsam. Mein Magen knurrte fürchterlich und die saftige Pizza zerfloss in meinem Mund. Ungeduldig blickte ich immer wieder zur Uhr und hoffte, die Zeit würde schneller vergehen. Meine Seele brannte, waren es Arcons Gefühle? War es meine Neugierde, meine Sorgen oder meine Ungeduld? Doch je mehr ich mir wünschte, dass die Zeit schneller vergeht, desto langsamer lief sie. Auch wenn es 20:30 Uhr war, dauerte es noch eine Weile, bis alle zu Bett gingen und Arcon und ich endlich reden konnten. „Mach dir keinen Stress, Tia“, meinte Arcon, welcher neben mir auf der Sitzbank lag, „später werden wir reden können...“ Ich seufzte kaum hörbar und knabberte an dem Rand eines Pizzastückes herum. Doch ich merkte bald, dass ich nicht viel Hunger auf meine Salami-Pizza hatte, so dass ich nach zwei Dritteln der Pizza nicht mehr konnte. Ich wibbte ungeduldig schnell mit meinem Fuß. „Tia, bitte lass den Fuß ruhig“, mahnte meine Mutter. „Ja, ’tschuldigung...“, meinte ich und hielt inne. Von dem lautstarken Gespräch am Essenstisch bekam ich nichts mit. Ich wartete nur darauf, dass es endlich Nacht wurde. Als alle fertig gegessen hatten sammelte meine Schwester die Pizzakartons ein und brachte sie nach draußen in unsere Papiermülltonne. „Wer hat Lust auf ne Runde Poker?“, fragte Alex als sie wieder da war. Ich nickte grummelnd und dachte, es wäre wenigstens ein guter Zeit vertreib. „Macht euch schon mal bettfertig“, meinte Mutter, „danach können wir gerne Pokern.“ Ein einstimmiges Nicken bewegte unsere Körper die Treppe nach oben und wir zogen unseren Schlafanzüge an. Stumm lauschte ich dem Rauschen der Blätter im Abendwind, während ich darauf wartete, dass Jonas aus dem Badezimmer kam. Die Sonne war schon untergegangen, doch ihr Licht erhellte noch immer die warme Abenddämmerung und lies die dunklen Tannen des großen Gartens in saftigem Grün leuchten. „Arcon?“, flüsterte ich leise und wartete einen Moment. Wortlos erschien der weiße Wolf neben mir und starrte die breite Mondsichel an. „Können wir nicht jetzt reden?“, fragte ich sanft. „Nein, Tia. Ich weiß nicht wie du darauf reagieren wirst, außerdem ist die Zeit zu knapp um dir alles zu sagen, was ich sagen möchte... Jonas kommt“, beendete er das Gespräch und drehte seinen Kopf seitlich, um hinter sich sehen zu können. Auch ich blickte mich um und sah Jonas mein Zimmer betreten, während er sich reckte. Arcon trabte in mein Zimmer und sprang auf mein Sofa, wo er sich gemütlich hinlegte. „Kommst du?“, gähnte Jonas. „Bist du etwa müde?“, meinte ich ironisch und lies mich von seinem Gähnen anstecken. „Nein, eigentlich nicht“, seufzte er, „aber das Waschen war so langweilig...“ Ich begann zu lachen, während ich auf ihn zuging, um anschließend mit ihm die Treppe hinabzugehen. Am Küchentisch hatten Alex und meine Mutter bereits die Pokerchips verteilt und warteten darauf, dass alle am Tisch saßen. Wir spielten die Version „Texas Holdem“ jeder bluffte ab und zu und die Gewinne gingen immer hin und her. Es dauerte etwas mehr als 1 Stunde, bis der erste, nämlich Jonas, ‚all in’ setzte und schließlich verlor, trotz seinem Full House mit 2 Königen und 3 Fünfern. Alex bekam die gesamten Chips, da sie ein Full House mit 3 Assen und 3 Vieren hatte. Auch ich hatte nicht mehr so viele Münzen. Doch immerhin hielt ich noch bis kurz vor elf durch, ehe ich meine letzten Chipz an meinen Vater verlor. Gähnend wünschte ich meiner Familie eine gute Nacht und stieg mit Jonas schließlich die Treppe nach oben. „Hast du noch Lust irgendwas zu machen?“, fragte ich ihn, während ich mich müde auf mein Sofa fallen lies. „Um ehrlich zu sein, bin ich ziemlich müde, wir haben ja morgen den ganzen Tag Zeit“, meinte er verschlafen und lies sich neben mich fallen. „Gut, dann gehen wir ins Bett“, meinte ich, „Du kannst ja wieder bei mir im Zimmer schlafen, wie immer.“ Jonas nickte, wünschte mir eine gute Nacht, sowie schöne Träume und legte sich gähnend in mein Bett. Warum ich bei meiner Mutter im Zimmer schlief ist eine einfache Frage mit einer sehr simplen Antwort: Jonas schnarchte und das ist sehr ungünstig, wenn andere Personen leichte bis schwerere Aggressionen bekommen können, wenn sie das Schnarchgeräusch vernehmen. Und da mein Vater meistens auf dem Sofa in unserem Wohnzimmer während des Fernsehens oder Lesen einschlief, war das Doppelbett meiner Eltern groß genug für meine Mutter und mich, ohne dass wir uns im Weg lagen. Ich konnte es kaum erwarten endlich allein zu sein und mich mit Arcon zu unterhalten und watete rasch den Flur entlang direkt auf das Schlafzimmer meiner Eltern zu. Dort kuschelte ich mich auf der hinteren Seite des Doppelbettes in die weiche Decke und Arcon, der mir nicht von der Seite gewichen war, seit ich aus der Küche ging, setzte sich seufzend neben mich. „So Arcon, was gibt es jetzt?“, fragte ich ihn und setzte mich, eingekuschelt in die Decke, im Bett auf. „Diese Katastrophenzeit, was glaubst du was das ist?“, fragte er mich ohne mich anzusehen. „Eine Zeit, in der Naturkatastrophen auftauchen, das hattest du mir gesagt.“ „Das ist richtig.“ „Arcon, sag mal, ist die Katastrophenzeit vorbei?“, unterbrach ich ihn unbewusst. „Naja, erst wenn alle Katastrophen stattgefunden haben.“ „Aber für uns ist sie doch vorbei, weil ja nur noch ein Erdbeben fehlen würde, aber die kann es bei uns ja nicht in dem katastrophalen Ausmaß geben.“ „Das dachtest du bei den Vulkanen auch.“ Schweigend nickte ich zustimmend. „Lass mich dir ein wenig erzählen.“ Ich sah den weißen Wolf fragend an, der eben seine noch immer etwas geschwollene Pfote leckte. Er verzog sein Gesicht schmerzvoll und sprach dann weiter, „Deine und meine Welt trennen sich durch eine Art Wand. In den letzten hundert Jahren hatte sie sich so sehr verschoben, dass das Gleichgewicht der Natur durcheinander gekommen ist. Hast du schon bemerkt, dass die meisten Winde nicht mehr, wie früher, bevor ich gekommen bin, aus Westen, sondern aus Nord-Osten kommen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Das hängt auch mit der Katastrophenzeit zusammen und es ist jetzt diesen Sommer viel wärmer als in den letzten hundert Sommern?“ „Na ja, es ist schon heftig, dass wir seit 3 Monaten bis zu 41° im Schatten haben, tagsüber. Aber das hängt doch mit der Globalen Erwärmung zusammen?“ „Schon auch, aber dieser plötzliche, extreme Wandel hat auch was mit der Katastrophenzeit zu tun.“ „Aber sag mal, nach dem Erdbeben, falls es kommt, ist sie dann vorbei?“ „Na ja...“, seufzte Arcon, „Ein starkes Gewitter gehört auch dazu, aber... da sind wir schon bei dem Thema...“ „Was meinst du?“ „Eben die Tatsache, dass alle Naturkatastrophen da waren, wo du warst, macht mir Sorgen.“ „Aber... das ist doch die Katastrophenzeit.“ „Du hast in gewisser Weise Recht, aber dass sogar Katapstrophen gekommen sind die hier rein geographisch gar nicht möglich sind! Und dass sie es, wie es scheint, auf dich abgesehen haben, das beunruhigt mich. Diese Dans, die waren zu aktiv und zu häufig und überhaupt glaube ich, dass meine Befürchtungen wahr werden...“ „We...Welche Befürchtungen?“ „Dass du etwas Besonderes bist, dass du die Auserwählte bist, Tia.“ „Ich soll was? Warte, Warte. Du meinst, dass das so ein Prophezeihungszeug ist mit Auserwählten und so was? Dass das alles passiert, weil es nen Auserwählten gibt?“ „Wenn du es so ausdrücken willst, ja“, flüsterte Arcon zustimmend, „Ich wünschte mir auch, dass nicht du die Auserwählte bist. Denn... das Schlimmste wird erst nach dieser Katastrophenzeit kommen“ Zitternd legte ich meine Hand auf Arcons Rücken und wollte mich und ihn beruhigen. Wenn das wahr war, dann hieße das, dass die ganzen Katastrophen nur in diesem Ausmaß stattfanden, weil es einen Auserwählten gab? Weil es mich gab?? „Das letzte Mal geschah das vor nicht ganz 1000 Jahren nach eurer Zeitrechnung. Damals haben die Menschen das natürlich auch nicht mitgekriegt. Für uns Schutzgeister ist es eine Qual gewesen und das ist es noch heute. Doch so sehr es schmerzt, ich halte es für wichtig, dass du es weißt.“ Mein Herz klopfte heftig gegen meinen Brustkorb. „Damals war der Auswählte ein Junge, nicht ganz so alt wie du, und sein Schutzgeist hatte eben seinen letzten Test geschafft. Ein anderer, sehr mächtiger, Schutzgeist verschwand urplötzlich und nur der junge Schutzgeist sah, dass er heimlich aus unserem Reich ging. Doch er wurde von unserem damaligen Hedshyn erwischt und musste zurück zu seinem Schützling, keiner hatte ihm geglaubt, denn als man die Richtung untersuchte, in der er den verschwundenen Schutzgeist gesehen hatte, fand man nichts.“ Angst, Trauer und Wut vermischten sich in Arcons Stimme zu einer leisen, rauen Stimme. Schweigend saß ich neben ihm und wusste nicht, was ich sagen sollte. „Nach 5 Jahren eurer Zeitrechnung“, fuhr er fort, „trat die erste Katastrophenzeit dieses Ausmaßes aus... Es war ... wie bei dir bis jetzt: Alle Katastrophen... geschahen dort, wo der Junge, Kai war sein Name, mit seinem Schutzgeist war. Er war knapp mit dem Leben davon gekommen, doch nur dank seinem Schutzgeist. Die Dans waren ebenso aggressiv und sein Schutzgeist hatte große Mühe den Jungen zu schützen.“ Arcon machte eine lange, unangenehme Pause, dann blickte er das erste Mal seit Beginn dieses Gesprächs in meine braunen Augen. Seine himmelblauen Augen waren feucht, es schien als kämpfe er gegen Tränen, schließlich sprach er mit zitternder Stimme weiter, „Ich habe Angst, Tia... Angst, dass ich dich nicht schützen kann. Ich habe kein eigenes Element, habe meine Ausbildung nicht fertig... und... ich fürchte... das sich die Sache wiederholt. Die, die alle Schutzgeister in Angst und Schrecken versetzt hat und dies wieder tun wird.“ War es wirklich so schlimm, was damals geschah? So schlimm, dass sogar Arcon Angst davor hatte, er, wo er doch scheinbar keine Schwäche hatte, voller Mut und Ehrgeiz war. Er hatte in diesem Moment noch mehr Angst in seinen Augen als vor seinem Vater. Ich traute mich nicht zu fragen, welche Sache nach dieser letzten derartigen Katastrophenzeit geschah, hob meine Hand und versuchte Arcons zitternden Körper sanft zu beruhigen. „Ganz ruhig Arcon, es wird schon klappen. Du bist doch so stark und ...“, versuchte ich ihn zu beruhigen. „Nein Tia, ich bin eben nicht stark, ich hab die Zeitspanne bei dem Tsunami zu spät eingeleitet und bei dem Kaeroji auf ganzer Linie versagt. Wenn es sich wirklich wiederholt und du wirklich die Auserwählte bist, dann kann ich nicht garantieren, dass es gut wird, Tia!“ Wortlos starrte ich den Wolf an, hoffte, dass er mir von sich aus erzählen würde, welche Sache es war, die den Schutzgeistern so viel Angst machte. „Dieser Schutzgeist...“, begann er schließlich, „der zu Kai gehörte war mein Vater. Nach dieser Katastrophenzeit, verbreitete sich eine dunkle Aura im Reich der Schutzgeister. Der Schutzgeist, der 5 Jahre zuvor verschwand, tauchte wieder auf. Doch er war verändert. Zuvor war er als angesehener und tapferer Schutzgeist bekannt. Nun war er böse. Aus tiefsten Herzen böse. Er begann unser Reich zu terrorisieren. Er tötete, wie es ihm gefiel und quälte Schutzgeister seiner Wahl, ohne Grund, egal ob Jung oder Alt, stark oder schwach. Er war grausam. Den Hedshyn verbannte er in ein versiegeltes Gefängnis und ließ ihn vom höchsten Ort unseres Landes zusehen, wie Unschuldige starben, gequält wurden und wie er das ganze Land tyrannisierte. Irgendwie gelang es dem damaligen Hedshyn einen Boten zu meinem Vater zu schicken, der ihm sagte, dass der Junge, dessen Schutzgeist er sei, die Kraft habe mit ihm zusammen diesen Tyrannen zu töten. Es ist immer ein großes Risiko einen Menschen in unser Reich zu lassen, aber auf Befehl des kurz darauf gestorbenen Hedshyn sollte Kai eingelassen werden. Doch der Bote gelang nicht gleich zu meinem Vater. Der Hedden, also Der Herr der dunklen Elemente, wie er sich selbst nannte, sperrte den Boten ein. Warum er ihn nicht gleich getötet hatte... wissen wir nicht genau. Wir schätzen, dass das zu seinem Spiel gehörte. Doch es gelang dem Boten nach einem Jahr zu fliehen und überbrachte meinem Vater die Botschaft. Er machte sich gleich mit seinem Schützling auf, in unser Reich. Als der Hedden das erfuhr, dachte er zwar nicht, das ein Mensch und ein einfacher Schutzgeist ihn aufhalten könnten, doch er wollte kein Risiko eingehen und schirmte die Welt der Schutzgeister von der Welt der Menschen ab. Mein Vater hatte von derartigen Kräften keine Ahnung und wusste nicht, wie er nun seinem Volk helfen konnte. Kai half ihm zwar so gut er konnte um einen Weg zu finden das Siegel zu brechen, doch sie schafften es nicht. So starb Kai als er 85 Jahre alt war, also 75 Jahre nach der ersten Begegnung mit meinem Vater. Er, der einzige Hoffnungsträger der Schutzgeister war tot. Und normaler Weise, wenn der Schützling eines Schutzgeistes stirbt muss der Schutzgeist in sein Reich zurück und warten, bis er wieder einen Schützling erhält. Das ging damals nicht und so hielt mein Vater selbst nach einem Menschen Ausschau, der die Seele eines Greifen in sich trägt. Mein Vater hatte Bedenken, ob es jemals wieder einen Menschen gäbe, der den Schutzgeistern helfen können, aber eine Seele, die das Lebensziel nicht erreicht hat erwacht in einem anderen Körper. Und diesen Körper musste mein Vater finden. Den neuen Körper von Kais Seele. Es dauerte 110 Jahre, bis er diesen Körper gefunden hatte. Doch der Junge, dem der Körper gehörte lebte in einem Land, in dem man Greifen nicht kannte, denn wie du weißt sind das mystische Tiere in der Welt der Menschen und auch unter den Schutzgeistern nicht sehr häufig. Erst als der Junge mit 20 Jahren in ein anderes Land ging, begann er sich für solche Mysterien zu interessieren. Und nach weiteren 5 Jahren entfachte sein inneres Feuer für den Greifen und mein Vater hatte endlich wieder einen Schützling. Natürlich war es schwer für meinen Vater dem Jungen das alles zu erklären, doch der Junge war bereit mit meinem Vater zu versuchen das Siegel zu brechen. Dessen Name war Brix. Nach weiteren 17 Jahren langem Forschen und suchen fanden die beiden einen Weg das Siegel zu brechen. Derweil hatte der Hedden in der Welt der Schutzgeister die Schutzgeister versklavt. Als mein Vater sah, was aus dem Reich geworden ist, war er fassungslos und wütend. Als er spürte, dass der Hedden zu mächtig war, verlor er innerlich schon den Mut, doch unser Reich brachte Brix mystische Kräfte und mein Vater und er schafften es schließlich den Hedden in einem langem Gefecht stark zu schwächen.“ Arcon pausierte, seine Augen schimmerten, er fuhr fort, „Doch... töten konnten sie ihn nicht. Mit letzter Kraft floh der Hedden in einen Wald. Die Schutzgeister suchten ihn überall, doch alles, was man fand war eine finstere Höhle. Da es nicht sicher war, ob der Hedden darin war oder nicht, schickte man einen Elite-Trupp von Schutzgeistern in hinein – Nur einer kam lebendig wieder heraus. Er berichtete, dass ein gewaltiges Monster darin wohne, aber vom Hedden fehle jede Spur. Brix aber war davon überzeugt, dass sich der Hedden in der Höhle befand. Doch mein Vater und die anderen Schutzgeister waren nicht seiner Meinung. In der Nacht darauf verschwand Brix spurlos, er hatte seinen Schutzgeist im Stich gelassen“ „Ist das der Grund, warum Zero-Cho nicht viel von Menschen hält?“, flüsterte ich leise, mehr zu mir als zu Arcon. „Ja, darum verlor mein Vater fast das ganze Vertrauen in die Menschen. Viele Jahre gab es keine Spur vom Hedden und die Schutzgeister rüsteten sich zum Kampf gegen den bösartigen Schutzgeist... ich bin mir gar nicht sicher, ob man so ein Monster überhaupt noch Schutzgeist nennen kann. Ein Überraschungsangriff des Hedden folgte, er war um einiges stärker als im Gefecht zuvor und viele Schutzgeister starben. … Dazu muss man sagen, dass er alles im Alleingang durchgeführt hat“, fügte Arcon mit einem bitteren Lachen hinzu, ehe seine Stimme wieder ernst wurde, „Schließlich zogen sich die Schutzgeister in ein verlassenes Gebiet zurück. Mein Vater ging energisch voran und wollte Pläne fassen, so kam es, dass er zum neuen Hedshyn wurde, von den Schutzgeistern ausgewählt. Als der Hedden dies bemerkte, begann er seine Opfer zu wählen. Er bereitete den Schutzgeistern einen qualvollen Tod, die meinem Vater nahe standen. Dabei begann er mit meinem Bruder. Er wäre sicher noch am Leben, wenn ich damals schon gelebt hätte...“ Arcons Stimme senkte sich zitternd, eine einsame Träne glitt über sein Fell. Wortlos drückte ich ihn fest an mich. In meinem Kopf spiegelten sich die grausamen Szenen, wie sie gewesen sein könnten, doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Arcons Kopf lag verkrampft in meinen Armen, er erzählte weiter, „Der Hedden tötete weitere Schutzgeister, bis es meinem Vater gelang, ihn nach mehr als 400 Jahren erbittertem Kampf und unschuldigen Opfern endlich zu besiegen. Kurz vor seinem letzten Atemzug belegte er meine Mutter mit einem Fluch: Wenn sie das nächste Mal einen Jungen zur Welt bringt, wird sie sterben! Zu dieser Zeit wurde ich schon gezeugt... und meine Geburt wurde unaufhaltsam...“ Arcon versuchte mit aller Gewalt seine Stimme zu normalisieren, wollte nicht weinen, „Die letzten Worte des Hedden waren: ‚Nach 1000 Jahren, ab dem Tag, als ich gekommen war, wird der neue Herr der dunklen Elemente sein Erbe antreten. Es wird zwei Menschen geben, die ihn stoppen können! Viel Glück bei der Suche!’ Er lachte bösartig, hüllte die Umgebung in einen Schwarzen Nebel, welcher den Erben auswählte... und wer der Erbe des Hedden ist, weiß keiner, nur der schwarze Nebel...“ Nun konnte Arcon seine Trauer nicht mehr zurück halten und vergrub seinen Kopf in meinen Armen. „Ich bin am Tod meiner Mutter Schuld. Ich hatte nie die Chance sie kennenzulernen, denn ich habe sie getötet!“, schluchzte er wütend und traurig zu gleich. „Das ist nicht wahr!“, wehrte ich den Schuldspruch sanft ab, „Du kannst nichts dafür!“ Arcon löste seinen Kopf von meinen Armen und sah mich mit schimmernden, großen, blutunterlaufenen Augen an. „Du kannst am wenigstens dafür! Der Hedden is an all dem Leid Schuld, mach dich nicht so fertig, Arcon! Diesem Arsch zeigen wir deine Kraft!“ Er schloss seine Augen, und legte seinen Kopf auf meinen Arm. Dabei kraulte ich sein Ohr und hielt mit der anderen Hand eine seiner Pfoten sanft. „Tia... hilf mir“, flüsterte er bedrückt. „Ja, Arcon“, versprach ich eben so leise, „ich bin immer für dich da.“ Dann drückte ich ihn fest an mich, lies mich mit ihm rücklings auf das Kissen fallen und zog die Decke über uns. Er rückte sich selbst noch bequem neben mich, seine Pfoten ruhten neben mir, während sein Kopf sanft auf meinem Oberkörper lag und nur seine Schnauze unter der Bettdecke hervorlugte. „Ich danke dir Tia“, hauchte Arcon. Doch schlafen konnte ich noch nicht. Die Sache brachte mich schwer zu grübeln. Mit einem Mal riss ich meine Augen weit auf, „Arcon“, hauchte ich, „Es sind doch noch nicht mal 1000 Jahre um, höchstens 700 oder 800, oder irre ich mich?“ „Du hast schon Recht... aber die Zeichen sind eindeutig, das meint mein Vater auch. Sonst hätte er mich nie jetzt schon zu dir kommen lassen. Mein Vater sagte, du hast die gleiche seltene Aura wie Brix und Kai sie hatten, eine goldene Aura.“ Seufzend lies ich meinen angespannten Kopf wieder in das Kopfkissen fallen. „Eine goldene Aura?“ „Ja, sie steht für Reinheit und das Gute.“ „Ich mag Silber aber lieber“, lachte ich. Arcon vergaß für einen kurzen Moment seine Trauer und lachte mit, „Sei nich so wählerisch!“ Doch kurz darauf verklang unser Lachen und die unangenehme Stimmung kehrte zurück. „Wir schaffen das schon, Arcon“, meinte ich schließlich. „Ich hoffe es... danke, Tia“ An diesem Abend wusste ich noch nicht ansatzweise, was alles auf mich zu kommen würde, welche Gefahren nicht nur auf mich, sondern auf alles um mich herum lauern würden. Vielleicht konnte ich noch immer nicht alles begreifen. Lächelnd wünschte ich ihm eine gute Nacht, kraulte behutsam seinen Nacken, und lauschte in der nächtlichen Ruhe unseren gleichmäßigen, ruhigen Atemzügen bis ich einschlief. Kapitel 9: Ein neuer Regentag ----------------------------- Als ich am nächsten Morgen aufwachte schimmerte das Licht der Vormittagssonne durch den schmalen Spalt zwischen den Fenstervorhängen. Mein erster gezielter Blick fixierte die Uhr links von mir. „Halb zehn“, flüsterte ich und wandte mich dann nach rechts, wo Arcon noch immer neben mir lag. Ich lächelte sanft und strich leicht über das weiche Fell des Wolfs. Doch dann verschwand mein Lächeln und ich dachte über die Geschichte des vergangenen Abends nach. Ich fragte mich, ob es wirklich möglich ist, dass ich diese Auserwählte sei, von der Arcon oder besser gesagt der Hedden damals gesprochen hatte. Es gibt doch so viele Menschen auf der Welt und sicher haben auch viele davon Schutzgeister. Warum gerade ich? Ich verstand das nicht... Vor Allem aber beschäftigte mich die Geschichte mit dem Hedden. Er muss unglaublich stark sein, nach dem, was Arcon erzählte. Und in der Mythologie sind viele Gegner, die ‚Wiederkommen’ noch stärker, wenn das nun beim Hedden auch so ist... Ich hatte Angst. Angst, weil ich nicht wusste, was genau auf mich zu kam, Angst, dass ich nicht stark genug sei, um Arcon zu helfen, Angst, dass Arcon Recht hatte und er nicht stark genug sein würde. Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Ich setzte mich auf und kraulte Arcon weiterhin. Als ich mit meiner Hand über seinen Bauch fuhr spürte ich, wie sich sein Körper beim Atmen gleichmäßig auf und ab hebte. Er hatte einen ruhigen, festen Schlaf. Vorsichtig befreite ich meine Beine von der Decke, stand leise auf und lief in mein Zimmer, wo Jonas noch immer schlief. Ich durchquerte den Raum mit schnellen, leisen Schritten und sah von dem Balkontürfenster auf unseren leeren Hof. Ich schloss, da unsere zwei Autos nicht da waren, dass Mein Vater und meine Mutter weg waren. Nun verließ ich das Zimmer wieder und lugte in den Raum meiner Schwester, er war auch leer. Seufzend stieg ich die Treppe hinab und sah mich um. Meine Schwester war auch außer Haus. Ich nahm an, dass sie wieder auf dem Falkonhof war und dort ihr Praktikum abhielt. In der Küche begrüßte mich Nala miauend, ich streichelte sie und füllte den Futterspender wieder auf, vor dem sie erwartungsvoll saß. Nun kam Kovu, unsere zweite graue Katze hinzu und stellte sich mit erhobenen Schweif neben Nala. Als diese ihn bemerkte begann sie zu knurren, während sie Fraß und Kovu bewegte sich nicht auf der Stellte. Ich verdrehte genervt die Augen und holte Butter und Marmelade aus der kleinen Speisekammer, während Nala laut knurrend die Küche verließ und Kovu ihr nach sah. Und gerade als er seiner Oma nachlaufen wollte, lagerte ich die besorgten Dinge auf dem Tisch, stellte mich vor den Kater und meinte streng: „Na, Kovu, wenn du Nala schon vom Futter vertreibst, dann iss wenigstens und lauf ihr nicht nach!“ Der Kater legte genervt sein Ohren an, drehte sich zum Futter und bewegte sich nicht mehr. „Ja, schmoll ruhig“, meinte ich zu ihm, kraulte den Kater tröstend am Ohr und holte dann zwei Teller, Tassen und Besteck. Kovu und Nala haben sich nie sonderlich gut vertragen, obwohl sie verwandt sind. Kira war Nalas Tocher und Kovus Mutter, somit war Nala Kovus Oma. Ich weiß nicht warum, aber Kovu und Nala rauften sich beinahe jedes Mal, wenn sie sich sahen, während Kira mit beiden auskam und sich geduldig anknurren ließ, wenn Nala Kira mit Kovu verwechselte, da sich beide so ähnlich sahen, dass nur meine Schwestern Alex und Tina, welche mit ihrem Freund nahe Ingolstadt wohnte, meine Mutter und ich die beiden auseinander halten konnten. Nun nahm ich noch eine Milch und den Kakao aus der Vorratskammer und stellte sie auch auf den Tisch. „So... fragt sich nur, was Jonas essen möchte“, murmelte ich, schnitt Brot ab und stieg mit schnellen Schritten die Treppen hinauf. In meinem Zimmer wurde Jonas von meiner quietschenden Schranktür geweckt, da ich einen kleinen Rucksack aus diesem holen wollte. „Guten Morgen...“, gähnte Jonas verschlafen. „Morgen“ gab ich zurück und holte die Tasche, „Ich hab unten schon was hergerichtet für das Waldfrühstück, ziehst du dich bitte um? Was möchtest du essen?“ Jonas setzte sich auf dem Bett auf, „Ja, mach ich... ähm, habt ihr Käse?“ Ich nickte ihm zu, „Bin dann wieder unten.“ „Okay“, meinte er und streckte sich. Daraufhin verließ ich das Zimmer, sah ins Schlafzimmer, wo Arcon noch lag und schlief, ehe ich wieder in die Küche ging und die Frühstückssachen mit dem bestellten Käse in den Rucksack packte. Ich zog mich im Schlafzimmer um und als Jonas auch fertig war gingen wir in den Wald und frühstückten. Arcon war auch aufgewacht und lief den ganzen Weg betrübt neben mir her, die ganze Sache mit dem Hedden nahm ihn sehr mit. Der Wolf schwieg die ganze Zeit und sah mich nicht an. Ich betrachtete Arcon mitleidig, wollte mit ihm reden, ihn aufheitern, aber da Jonas dabei war konnte ich nicht. Wir packten das Frühstück auf einem großen Baumstumpf aus und setzten uns auf die neben uns liegenden Steine. Nach einer Weile sah Jonas gen Himmel und meinte: „Hast du das auch gespürt?“ „Was denn?“, fragte ich und biss von meinem Marmeladenbrot ab. „Ich dachte, ich hätte einen Tropfen gespürt“, meinte er schulterzuckend. Nun sah ich auch nach oben zwischen den Baumkronen zum Himmel. „Sieht nicht sehr nach Regen aus“, sagte ich gleichgültig und aß das letzte Stück meines Brotes. „Naja, ein bisschen dick sehen die Wolken schon aus...“ Ich verstand nicht was er meinte, der Himmel war nur von hauchdünnen weißen Streifen durchzogen und kaum bewölkt. Oder konnte es sein, dass das ‚sein’ tierischer Regen ist. „Du Jonas, ich komm gleich wieder“ Mein Kousin nickte, ich streichelte Arcon beim Aufstehen kurz über den Rücken und gab ihm somit ein Zeichen, dass er mitkommen sollte. Versteckt hinter ein paar Bäumen fragte ich ihn: „Sag mal... er spürt Regen, den ich nicht spüre, er sieht Gewitterwolken, die ich nich sehe... kann es sein, dass das sein...“ „Tia...“, seufzte Arcon genervt, „Das geht dich nichts an, ich weiß nicht für welches Tier der heutige Regen steht...“ „Aber du weißt doch, ob er sein Seelentier oder wie auch immer schon entdeckt hat.“ Arcon wurde sichtlich wütend, „Ich hab dir schon ein paar mal gesagt, dass ich dir derartiges weder sagen will oder darf, und jetzt gib Ruhe damit. Ja, er ist dein Kousin und klar, dass dich das interessiert, aber es gibt Gesetzte bei und wie bei euch. Wenn es dich interessiert kannst du ihn morgen selbst fragen...“ Daraufhin drehte sich Arcon weg und verschwand einfach. Seufzend ging ich zurück, setzte mich und beschmierte eine Scheibe Brot mit Butter und Marmelade. „Ah, jetzt hab ich auch einen Tropfen gespürt!“, rief ich verwundert. „Vielleicht sollten wir dann besser gehen?“, meinte Jonas. Ich stimmte nickend zu, schließlich wusste ich, wie hilflos man sich fühlte, bei der Angelegenheit mit dem tierischen Regen. Rasch packten wir die Sachen in den Rucksack und liefen mit schnellen Schritten und Brot im Mund nach Hause. „Ah, ich glaub der Regen lässt nach!“, rief Jonas. Das war egal, er könnte jederzeit wieder stärker werden, wenn ich daran dachte, wie krass sich der Regen bei mir ausgewirkt hatte, wollte ich jonas das auf jedenfall ersparen! Zu Hause angekommen, blickte ich keuchend auf Jonas, welcher sich schüttelte und in Richtung Badezimmer ging, „Boah, war das scheiße!“ „... Er ist nicht nass...“, staunte ich. „Das ist normal so“, meinte Arocn lässig, „der tierische Regen ist nur eine Art Symbol ohne .. ich sag mal ‚Schaden’ anzurichten“ „Hä? An dem Tag an dem du gekommen bist, hat es nicht nur geregnet, es hat gestürmt, gewittert und mir die Kehle zugeschnürt! Ich war klatschnass, durfte mich 3 mal umziehen und dachte ich erstick gleich!“ Arcon sah mich mit großen Augen an. Ich beugte mich zu ihm und sah tief in seine Augen. Wenige Sekunden verharrten wir, ehe der Wolf seine Stimme wieder erlangte, „...seltsam“ „... Mehr hast du nicht zu sagen?“, knurrte ich, konnte ein Grinsen jedoch nicht unterbinden. „Nein“, lächelte Arcon, „seltsam, mehr fällt mir dazu nicht ein, ich wusste gar nicht, dass das möglich ist!“ „Ah.. ja... Schön bescheuert war das...“, grummelte ich, während ich mich wieder aufrichtete und unsere Frühstückssachen wieder aufräumte. Als Jonas aus dem Bad kam, setzte er sich neben mich auf das Sofa und seufzte, „Schade, dass es angefangen hat zu regnet...“ „Hat er gar nicht bemerkt, dass er trotz des angeblichen Regen nicht nass war?“, dachte ich „Sag mal... Was ist eigentlich dein absolutes Lieblingstier?“, fragte ich. „Wie kommst du jetzt darauf?“, fragte Jonas lachend. „Weiß nich, kam mir grad so“, meinte ich. „Hm, Hunde sind toll, besonders Golden Retriever“, antwortete Jonas. „Glaubst, dass es irgendwas gibt, was die Menschen beschützt? Also irgendeine Macht?“ „Wenn du Gott meinst“, lachte Jonas, „dann glaub ich's nicht“ „Nein, ich meine... kannst du nicht einmal ernst sein?“ „Nee, sowas fällt mir schwer... Jetzt mal ernsthaft, was meintest du?“ „Naja, sowas wie ein Schutzengel...“ „Wenns ein göttliches Schaf ist, ja“, grinste Jonas. „Ach Duuuu!“, lachte ich, piekte Jonas leicht in die Seite, „PIRR!!“ Naja, unsere Dialoge waren immer etwas sinnfrei, dabei waren Worte wie ‚Schaf’, ‚Mäh’ und ‚Pirr’ absolut normal. Es war einfach so und pirren, na ja... pirren war einfach eine Mischung aus Kitzeln und Pieken und nur für sinnfreie Situationen gedacht. Es war nicht so, dass ich mich anders verhielt wenn ich bei Jonas war, sondern eher, dass ich mit keinem anderen genau diese Art von sinnlosen Dialogen führen konnte. Jonas stieß einen schrillen Schrei aus und rief: „Hör auf mich zu pirren, du Kampfschaf!“ Daraufhin mähte ich kampftlustig und piekte Jonas gleich noch einmal. „Jetzt mal wirklich ernst, Jonas...“, meinte ich schließlich, als wir uns wieder beruhigt hatten. „Hmm... keine Ahnung, ich weiß nicht, ob es so was gibt und ob ich so was glaube...“ Ich lehnte mich nach hinten an ein Kissen und legte meinen Kopf in den Nacken. „Is was?“, fragte Jonas besorgt. Ich schüttelte den Kopf, „Nein... nur Müde“ Eine unangenehme Stille verbreitete sich im Raum und keiner wusste, was zu sagen. Arcon lag die ganze Zeit nachdenklich bedrückt auf meinem Bett und Jonas und ich saßen schweigend nebeneinander, bis die Balkontüre quietschte. Ich blickte diese an und merkte, dass sie sich leicht bewegte. „Ich mach ja auf...“, seufzte ich leise und lief zur Tür. Erst schaute ich durch das Fenster nach draußen und sah vor der Tür unsere schwarze Katze Blacky stehen, die mich mit ihren großen, grünen Augen ansah. „Hallo Blacky!“, sagte ich fröhlich zu ihr, öffnete die Türe und trug sie mit zurück aufs Sofa.. „Oh ein schwarzes Schaf!“, grinste Jonas, als er die Katze sah. „Naja fast“, lachte ich, während ich mich aufs Sofa setzte und Blacky auf meinem Schoß absetzte, „Sowas nennt man Katze“ „Ah, schön dass du mir das sagt, hätte ich nicht alleine gewusst!“, meinte Jonas lächelnd und streichelte Blacky sanft über den Rücken. Die schwarze Katze mit genau zwei kleinen, runden, weißen Flecken - am Bauch und an der Brust - war unser kleiner Wildfang. Sie wurde uns vor etwa 5 Jahren mit noch 3 anderen Katzen gebracht, damals war sie ganz wild und man konnte sie nicht anfassen. Ich hab damals viel Zeit in dem Aufenthaltsraum für unsere Patienten gebracht, um die Katzen langsam an Menschen zu gewöhnen. Es war zu der Zeit, als ich mit Naomi in einem Ort gewohnt hatte und sie half mir mit den Katzen. Mit einer Stange fuhren langsam an die Katzen heran, da sie sich in Ecken verkrochen, an die wir anders nicht kamen und falls sie doch in Handreichweite waren, bekamen sie leicht Panik und kratzen und bissen aus Angst. Wir schafften es die 3 Katzen erst an das Streicheln mit der Stange, dann vorsichtig mit der Hand und schließlich an das Tragen zu gewöhnen. Man durfte aber keine schnellen Bewegungen machen und musste möglichst leise sein, sonst erschraken die Katzen, sprangen panisch in ihre Ecken und es dauerte wieder, bis sie sich wieder beruhigten. Schließlich konnten wir 2 Katzen vermitteln und Blacky hatten wir selbst behalten. Mittlerweile war sie weniger schüchtern und sie war ganz sanft. Wenn sie sich wohl fühlte tapselte sie langsam mit den Füßen umher und wenn man sie dabei auf dem Schoß hatte spürte man ihre Krallen beim ein- und ausfahren ganz deutlich. Nur bei Fremden war Blacky noch sehr scheu. So krallte sie sich auch bei mir genüsslich in die Beine, bis ich sie zwischen Jonas und mich setzte und sie dort weiter streichelte. „Aber Jonas... wär doch eigentlich cool wenn jeder so einen Schutzengel hätte, der einen beschützt“, meinte ich nach einer Weile. „Ja, die Idee ist nett, aber wie soll das gehen?“ „Weiß’ nicht.“ „Meinst du, dass da dann irgendwelche Klonschafe umherwuseln?“, lachte er. „Ach Quatsch!“, gab ich lachend zurück „Warum denn nicht? Ist doch ne lustige Vorstellung.“ „Pfft“, meinte ich künstlich beleidigt. „Was 'Pfft'?“ „Ja, 'Pfft' halt!“ „Ach, du bist auch so ein Schaf!“ „Dieses Problem ist uns bekannt, wir können ihnen aber leider nicht helfen!“, sprach ich hochnäsig. „Du bist doch blöd!“, lachte Jonas. „Na das weiß ich auch, sag mir was Neues!“ Ich sah auf den Boden zu Arcon und ich sah, wie er genüsslich grinste. Dann hörte ich, wie das Auto meiner Mutter in den Hof einfuhr. „Oh, ich glaub mein Muttertier ist gekommen!“, stellte ich fest. „Dein Muttertier?“, wiederholte er lachend. „Jap!“, nickte ich, stand auf und lief - gefolgt von Jonas - die Treppe hinab. Wir begrüßten meine Mutter an der Terrassentür und ich fragte sie, wo sie gewesen sei. „Ich hab Alex zu ihren Falken gebracht und dann gleich noch was zur Post gebracht und hab der Gisela noch was gebracht. Und was macht ihr so? Heute ist es gar nicht so warm, geht doch nach draußen!“ „Neee...“, warf ich schnell ein, denn erfahrungsgemäß wusste ich ja, wie das mit dem tierischen Regen abläuft, „wir waren ja schon zum Frühstück im Wald und da hats mal kurzzeitig getröpfelt!“ „Getröpfelt?? Es hat gegossen wie aus Eimern, du Schaf!“, meinte Jonas. „Mäh! Übertrieb nicht so!“ Meine Mutter blickte uns etwas verständnislos an, „... Ja gut... dann geht ihr nicht raus. Was wollt ihr dann machen?“ Jonas und ich blickten uns fragend an. „Wollen wir ins Kino?“, fragte ich schließlich. „Ja, warum nicht“ „Gut“, meinte meine Mutter, „Ihr könnt ja dann schauen, was so läuft... ach übrigens, Lust auf Grillen?“ „Gerne“, freute sich Jonas, während ich den Vorschlag mit einem „Ne, lieber nicht!“ strikt ablehnte. Meine Mutter sah mich vorwurfsvoll an, während Jonas mir einen verwunderten Blick widmete. „Warum nicht?“, entgegnete mir meine Mutter schließlich. „Äh… weil… ich… nich so viel…. Hunger hab…?“, stammelte ich. „Na, du musst ja nichts essen“, grinste meinte Mutter und wandte sich der Küche zu, „Helft ihr mir trotzdem, den Nudelsalat zu machen?“ Ich nickte, sagte dann zu meiner Mutter, dass wir uns nur noch das Kinoprogramm ansehen wollen, ging mit Jonas in mein Zimmer und schaltete meinen Computer an. Es lief nur ein Film, eine Komödie, die uns interessierte. Wir wollten die 20:15 Uhr Vorstellung ansehen und schon Plätze reservieren, doch der Kinosaal war, bis auf drei einzelne, im Saal verstreute Plätze, belegt. Also buchten wir für den nächsten Tag. „Ist auch besser so...“, dachte ich, ehe wir meiner Mutter mit dem Mittagessen halfen. „So, dann deckt bitte mal draußen den Tisch“, bat uns diese nachdem wir die letzten Zutaten des Nudelsalats klein geschnitten hatten. „Wollen wir nicht lieber drinnen essen?“, fragte ich. „Warum denn das? Es ist doch schön“, erwiderte meine Mutter. „Ja, aber mir ist so warm und ich hab gehört, dass es heute Platzregen geben soll...“, erfand ich. „Platzregen?“, stutzte meine Mutter, „Wo hast du das denn gehört?“ „In der Früh im Radio, als ich die Sachen für das Waldfrühstück hergerichtet hab...“ „Dann können wir immer noch rein gehen!“, protestierte meine Mutter. Seufzend holte ich die Teller aus der Küche und wagte nicht weiter ihr zu widersprechen. Als wir nach einer Weile bei gedecktem Tisch auf der Terrasse saßen, sah Jonas verwundert gen Himmel, dann auf seinen Arm. „Geht der Regen wieder los?“, überlegte ich und blickte ebenfalls nach oben. Keine Wolke war zu sehen. Jonas wischte sich einige Male verwundert über seine Arm und seine Stirn, ehe er einen Blick in die Runde warf. Als er bemerkte, dass sich sonst keiner auf Grund eventuellen Regens rührte, zuckte er unbekümmert mit den Schultern. Ich zog meine Augenbrauchen erstaunt hoch. Ihm schien der Regen, den er scheinbar spürte, nichts auszumachen, er wurde nicht nass und kümmerte sich nicht darum, dass er der einzige war, der es wahrnahm. Ich beschloss, ihn nicht darauf anzusprechen und freute mich auf den nächsten Tag. Vielleicht hatte ich dann endlich jemanden, mit dem ich über Schutzgeister reden konnte. Nach dem Essen ergriff meine Mutter das Wort, nachdem wir fertig gegessen hatten: „Na Jonas, wart ihr auch in Italien?“ „Ne, wenn wir überhaupt fahren, dann eher am Ende der Ferien. Mein Vater hat aber so viel zu tun, dass wir gar nicht wissen, ob er bis dahin fertig ist. Und ohne ihn fahren ist ja auch blöd…“ „Ah… Hast du das mit der Flutwelle gehört?“, fragte meine Mutter. „Doch, doch, habe ich schon… Warum fragst du?“, entgegnete Jonas und trank von seinem Orangensaft. „Ja, die war bei unserem Strand und das war ganz seltsam“, erzählte meine Mutter. „Echt? Ihr wart da!?“ „Die Welle ist groß geworden und war im nächsten Moment wieder weg“, erklärte mein Vater. „Und hinterher haben uns Reporter genervt...“, sagte ich gestresst. „Reporter? Haben sie das im Fernsehen gezeigt?“ „Ja...“ „Warum hast du nichts gesagt?!“ „Weil wir nicht wussten, dass es kommt...“ „Ach, ist ja sehr interessant!“, warf Jonas ein, „meine HALBcousine verschweigt mir ihre heimliche Fernsehkarriere!“ „Tja, ich wollte halt nicht, dass du mir meinen Ruhm wegnimmst!“, gab ich zurück. „Pah!“ „Mäh!“ Meine Mutter sah uns entgeistert an und begann dann zu lachen, „Ihr zwei seid ja zwei blöde Schafe!“ Daraufhin mähte ich empört und Jonas grinste, „Das ist ja mal was ganz was neues!“ „Sei nicht so frech hier, oder es gibt was hinter die Löffel!“, drohte meine Mutter ironisch mit erhobener Hand. „Nein, die beiden sind nicht dumm!“, wehrte mein Vater ab. „Aber ich kann ja wohl schlecht sagen 'schlaue Schafe', wie hört sich das denn an?“ „Tia, es macht mir Angst!“, meinte Jonas und versteckte seinen Kopf vor den Augen meiner Mutter. „Ähm… Ja… Ich würde dann mal sagen, dass wir hoch gehen...“, schlug ich vorsichtig vor. „Das ist eine gute Idee!“, lachte meine Mutter. „Tse, wenn ihr uns hier nicht haben wollt, auch gut!“, meinte Jonas künstlich eingeschnappt und ging mit mir ins Haus. Doch in meinem Zimmer wussten wir auch nicht, was wir machen könnten. So schaltete mein Cousin seinen Laptop an und übte die Programmiersprache PHP, während ich an meinem Computer saß, ein Bild einscannte und anschließend colorierte. Den Abend verbrachten wir also mit gelegentlichen sinnfreien Dialogen bis Alex nach Hause kam. Nach dem Essen spielten wir gemeinsam Ligretto bis kurz nach elf. Schließlich beendeten wir die Partien, da Alex schlafen wollte, weil sie am nächsten Tag wieder am Falkenhof arbeitete. Jonas und ich waren auch müde, zogen uns um und gingen jeder in sein Bett. Und nun kamen wieder meine Sorgen um Arcon hervor, welcher sich - noch immer betrübt - neben mich auf das Bett legte. „Ach Arcon...“, flüsterte ich, „Das ist doch kein Grund den Kopf so hängen zu lassen! Es ist doch noch Zeit, es fehlen ja noch zwei Naturkatastrophen, das klappt alles schon, keine Angst, schließlich... haben wir doch schon … diese perfekte Bindung, oder?“ Arcon nickte, „Ja... aber trotzdem macht es mich fertig.“ „Hör auf, dir darüber Gedanken zu machen. Es geschieht doch so oder so, diese Gedanken können wir uns auch machen, wenn es soweit ist, weil die an der Situation auch nichts ändern!“ „Ich mache mir auch Sorgen um meinen Vater, weil du weißt ja, dass er sich seltsam verhalten hat und auch damals hat der Hedden jeden gequält, der meinem Vater nahe stand und wenn es jetzt wieder so ist, dann werden noch mehr gequält und getötet als vor 1000 Jahren... Schließlich ist er doch der Hedshyn und somit liebt er alle Schutzgeister...“ „Aber sich darüber Gedanken zu machen, bewirkt doch nichts, wenn die Zeit nicht mal gekommen ist. Alles, was du von diesen Gedanken hast, ist genau dieses schlechte Gefühl und genau diese betrübte Laune…“ „Du hast schon Recht...“, seufzte Arcon. „Übrigens werde ich heute noch wach bleiben, bis Jonas seinen Schutzgeist hat“ Arcon lachte kurz auf, „So leicht wird das nicht! Hast du dich nie gewundert, dass deine Schwester und deine Eltern nichts von der Nacht mitgekriegt haben, in der ich zu dir gekommen bin?“ Jetzt, wo er es sagte kam es mir schon, „Ach so… die Zeitspanne...“ „Genau! Also, wenn du wissen willst, ob er einen Schutzgeist hat oder bekommt oder was auch immer, dann frag ihn morgen...“ „Na gut...“, seufzte ich und kuschelte mich in die Bettdecke, „Also gute Nacht, Arcon“ „Gute Nacht, Tia“, sagte Arcon und schmiegte seinen Kopf an meinen Arm. Kapitel 10: Bebende Freundschaft -------------------------------- Als ich am nächsten Morgen aufwachte lag Arcon nicht mehr neben mir. Ich setzte mich auf und sah ihn am Fußende des Bettes mit dem Rücken zu mir sitzen. „Guten Morgen, Arcon!“, begrüßte ich meinen Schutzgeist und deckte meine Beine auf. „Morgen Tia“, sagte Arcon und drehte seinen Kopf zu mir. Er lächelte mich an. „Oh wie schön, du hast ja wieder gute Laune!“, freute ich mich. „Ja, was du gestern gesagt hast ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen... du hast Recht. Ach, wolltest du deinen Cousin nicht was fragen?“ „Ach ja!“, rief ich, sprang auf und lief auf mein Zimmer zu. Ich warf einen Blick auf mein Bett, auf dem Jonas lag, ein Arm hinter dem Kopf und mit dem anderen streichelte er etwas Unsichtbares neben ihm. „Guten Morgen Jonas!“, begrüßte ich ihn grinsend. Mein Cousin schreckte auf, sah mich entgeistert an und begrüßte mich dann zögernd. „Was hast du gerade gestreichelt?“, fragte ich. „Was? Äh... nichts, also da lag erst der Kovu und jetzt hab ich mich grad gekratzt!“ „In der Luft?“ „Hä?“ Ich setzte mich auf das Bett und meinte, ohne ihn anzusehen, „Du hast einen Schutzgeist oder?“ Nun wandte ich mich grinsend zu ihm und Jonas Unterkiefer klappte schlagartig nach unten und er brachte keine Silbe aus seinem Mund. Nun richtete ich meine Blick auf ihn, „Ein Hund oder?“ „Wa... wa... woher...?!?“ „Ich hab auch einen Schutzgeist, einen Wolf, und er heißt Arcon!“ „Woah“, schnappte Jonas, „Da bin ich jetzt aber buff...“ „Jonas, du weißt gar nicht, wie gut das tut, mit wem zu reden, der auch einen hat“ „Ja, du hast Recht, sie ist ein Golden Retriever, und heißt Fijani“ „Hallo Fijani“, begrüßte ich mein unsichtbares Gegenüber und suchte das Bett rechts von Jonas mit den Augen ab. „Sie grüßt dich zurück“, meinte Jonas grinsend. „Hat sie ein eigenes Element?“, fragte ich. „Element?“ „Naja, jeder Schutzgeist bekommt nach Abschluss seiner Ausbildung ein Element“ „Achso...“ Jonas sah zur Seite, sah wahrscheinlich Fijani an und antwortete mir dann nach einer kurzen Weile, „Ihr Element ist Wasser! Und was ist das Element von...?“ „Arcon? Arcon hat kein Element, noch nicht. Er macht seine Prüfung - sozusagen - nach der Katastrophenzeit“ Jonas sah mich stutztend an und ich konnte das unsichtbare Fragezeichen in seinem Gesicht klar sehen. „Arcon, gibt es irgendeine Möglichkeit, dass ich Fijani sehen kann und Jonas dich?“ Arcon überlegte eine Weile, „Na ja... jetzt ist der Punkt gekommen... Die Macht so etwas zu machen hat nur der Hedshyn... Ob er das macht ist die andere Frage...“ „Er ist doch dein Vater, Arcon!“, erwiederte ich, bemerkte Jonas noch verwirrteren Blick und erklärte, „Ich hab Arcon gefragt, ob es nicht irgendwie geht, dass wir unsere Schutzgeister gegenseitig sehen können, das kann aber nur der Hedshyn - also der Herr der Schutzgeister, sozusagen der Boss - machen...“ Jonas nickte verwirrt. Mit einem Mal donnerte es Laut, ein schwarzer Blitz schellte durch die Balkontüre und schlug vor dem Bett ein. Jonas war geschockt, seine Augen noch weiter geöffnet und er stammelte leise, mir unbekannte Worte. „Guten Morgen, Tia, Arcon!“, begrüßte der erhabene Greif meinen Schutzgeist und mich und wendete sich dann Jonas zu, „Seid gegrüßt, Menschenkind und Fijani“ „Guten Morgen, Zero-Cho!“, erwiederte ich die Begrüßung. Arcon verbeugte sich, „Hallo, Vater!“ Langsam fasste sich Jonas wieder, bekam jedoch noch immer kein Wort aus seinem Mund. „Das ist Jonas, mein Cousin“, erklärte ich Zero-Cho, welcher nickte. „Jonas sag was, das ist der Hedshyn“, sagte ich zu Jonas. „G... Guten Tag!“, stammelte dieser, sich ans Bett klammernd. „Lass ihn ruhig, Tia. Es kam vielleicht alles etwas schnell für ihn“, meinte Zero-Cho grinsend. Jonas stand nun langsam auf und stellte sich neben mich, „D... Das ist aber jetzt kein Traum?!?“ „Nein, das ist echt Real“, bestätigte ich ihn. Kurz darauf nickte er. „Kam die Reaktion nur etwas spät oder hatte Fijani ihm etwas gesagt?“, überlegte ich. „Also Arcon, was gibts, warum hast du mich gerufen?“ „Nun, da sich Tia und Jonas ja kennen, wäre es möglich, dass Fijani und ich für beide sichtbar werden?“, fragte Arcon höflich. „Gibt es dazu einen besonderen Grund?“, entgegnete der Hedshyn. „Eigentlich nicht...“, warf ich ein, „aber es wäre einfach leichter für uns beide, bitte Zero-Cho, oder was gibt es für einen Grund es nicht zu machen?“ Zero-Cho schwieg und schien zu überlegen, bis er schließlich meinte, „Na Gut, es ist ja nicht allzu häufig, dass sich zwei Menschen, die beide Schutzgeister haben, so gut kennen wie ihr, werde ich es eingehen. Aber ich brauche von euch Vieren eine Bestätigung!“ Wir nickten, Zero-Cho hob seine Tatze und vor dieser Tatze erschienen 4, in einem Viereck angeordnete schwebende Kreise mit blauem Rand und einer fast durchsichtigen, hellblauen Füllung, „mit einem Hand- bzw. Pfotenabdruck in diese Kreise bestätigt ihr diese Bindung“ Daraufhin schwebte jeder Kreis vor eine andere Person auf Brusthöhe. Ich sah Jonas an, welcher meinen Blick verwirrt erwiderte, und nickte ihm zu. Wir hoben unsere Hände und legten sie in den Kreis in die hellblaue Mitte. Der Kreis pulsierte, änderte seine Farbe in Rot, schlang sich um mein Handgelenk und verharrte dort wenige Sekunden. Ich hielt den Atem an. Der Kreis begann im Takt meines Herzschlages zu pulsieren, öffnete sich, färbte sich wieder blau und mein Handabdruck erschien darin. Die blauen Kreise versammelten sich wieder vor Zero-Cho in der zu vorigen Formatierung. In jedem Kreis war ein anderer Abdruck: Links oben war Arcons Abdruck, links unten war Jonas Hand, rechts oben war meine Hand und rechts unten war wohl Fijanis Pfote, welche deutlich kleiner war als Arcons. Nun streckte Zero-Cho seine rechte Tatze in die Mitte des Vierecks und ich sah, wie ein blauer Schimmer mich umgab, ich drehte mich zu Jonas und zu Arcon, auch um die beiden war es ebenso. Jonas Gesicht war kreidebleich und geschockt. Für einen kleinen Moment wurde ich in ein tiefes Schwarz getaucht, dann lichtete sich meine Sicht wieder und ich sah Zero-Cho. „Fertig“, meinte er und nickte uns zu, „Ich muss weiter!“ Ehe ich mich verabschieden konnte schlug der Schwarze Blitz wieder vor uns ein und Zero-Cho war weg. Verblüfft sah ich zu Jonas, welcher sich mit leerem Blick auf das Bett fallen lies. Nun sah ich Fijani. Sie war ein schöner Golden Retreiver und sie sah Jonas mit Schiefen Kopf an, „Ist alles in Ordnung?“ Jonas nickte abwesend. „War wohl etwas viel, oder?“, meinte ich besorgt und setzte mich neben Jonas. „Poah...“, stieß Jonas kurz auf, „Wow...“ Er konnte keinen vernüftigen Satz sagen und ich konnte schwer erkennen, ob sein Gesicht Schock, Verwirrung, Begeisterung oder Verblüffung ausdrücken wollte. Arcon setzte sich vor Jonas und sah ihn an, „Hey, ist alles klar?“ Jonas stieß einen dumpfen Schrei aus. „Wow, ganz ruhig“, meinte Fijani. „Is... Ist das Arcon?“, fragte er mich verblüfft und zeigte auf den Wolf vor ihm. „Mit Leib und Seele...“, antwortete Arcon gleichgültig. „Beruhig dich erstmal Jonas...“, meinte ich und legte meine Hand auf seine Schulter. „Is schon okay, danke“, sagte Jonas und streckte seine Hand Richtung Arcon, welcher sich sogleich an dessen Hand schmiegte. „Oh mein Gott! Du bist ja richtig süß!“, freute sich Jonas und durchfuhr Arcons Fell kräftig. Arcon hechelte erfreut und wedelte fröhlich mit dem Schweif. „Bin ich froh, ich dachte schon du fällst vor Schock um!“, lachte ich. „Na ja, in der Nacht war schon ein zeimlicher Schock, dann kommst du heute mir deinem Schutzgeist und die Sache mit dem Hed-dings war die Krönung...“ „Hedshyn!“, verbesserte ich Jonas, legte mich hinter ihm auf das Bett, um Fijani zu streicheln. „Und was war das mit der Katastrophenzeit?“, fragte Jonas. „Die Katastrophenzeit ist ein Ereignis, dass sich alle hundert Jahre wiederholt. Dabei geschehen Naturkatastrophen überall auf der Welt, die Aufgabe von Schutzgeistern ist es, diese Katastrophen zu stoppen. Die Naturkatastrophen der Katastrophenzeit unterscheiden sich von normalen durch Stärke und sozusagen Ausdauer“, erklärte Fijani. Mein Blick fiel an Jonas vorbei auf Arcon, welcher mit geschlossenen Augen den Kopf gen Boden richtete. „Aber diese Katastrophenzeit ist eine besondere...“, meinte Arcon. „Du meinst doch nicht… ?!?“, rief Fijani, „Das ist doch viel zu früh!!“ „Ist es eben nicht...“, meinte Arcon, „...leider“ „Was ist denn los?“ fragte Jonas. „Es gibt da eine Geschichte, nach der es einen ‚Herr der Dunklen Elemente’ gibt und der hat vor fast 1000 Jahren angefangen die Welt der Schutzgeister zu terrorisieren“, erklärte ich und setzte mich wieder aufrecht. „Und als er von dem Hedshyn besiegt wurde prophezeite er, dass es nach 1000 Jahren seines Erscheinens zwei Auserwählte gibt, in deren Gegenwart alle Katastrophen einer Katastrophenzeit kommen würden und dass nur diese zwei Menschen die Macht hätten alles aufzuhalten“, erzählte Arcon zuende. „Und… was meinst du?“, fragte Fijani. „Dass Tia eine von den Auserwählten ist“, gab Arcon bedrückt zu. „Aber das kann doch gar nicht sein, wir müssen noch mindestens 100 Jahre haben!“ „Aber...“, warf ich niedergeschlagen ein, „bis jetzt waren alle Katastrophen bei mir...“ In Fijanis und Jonas Gesicht machte sich ein großer Schock breit. „Und außerdem hat mein Vater gesagt, dass Tia die gleiche goldene Aura wie es auch sein ehemaliger Schützling hat“, flüsterte Arcon. „Du meinst den Verräter?“ „Bezeichne ihn wie du willst, ich glaube nicht, dass ein Mensch mit goldener Aura jemanden im Stich lassen kann...“ „Ich versteh nur Bahnhof“, sagte Jonas kopfschüttelnd. „Vorgestern als ich dich vom Bahnhof abgeholt hab, da meintest du, du hast ein Beben gespürt, das war keine Einbildung“. erklärte ich, „das war der Beginn von einer Art Vulkanausbruch, Arcon hatte die Zeit still gelegt. Das kann jeder Schutzgeist. Und dann hat er mit seinem Vater die Lavahügel besiegt“ „Hä?“ „Das war eine Naturkatastrophe, davon hat nur keiner was mitgekriegt, weil ihr alle in der Zeitspanne fest gesessen habt...“ „Ein Vulkanausbruch?! Hier!?“, fragte Jonas verwirrt. „Das ist es eben, was ich meinte“, seufzte Arcon, „Theoretisch kann hier nichts passieren, hier gibt es Berge, aber keine Vulkane... darum muss Tia leider, leider, eine Auserwählte sein. Die Kaeroji hat sich ihren Weg zu Tia gesucht, auch wenn es geographisch gesehen unmöglich war...“ „Kae-was?“ meinte Jonas nur noch verwirrter. „Die Schutzgeister haben immer so spezielle Ausdrücke dafür“, versuchte ich zu erklären, aber Fijani unterbrach mich, „Es gab früher eine Sprache in unserer Welt, sie hieß Conless und von dieser Sprache benutzen wir noch wenige Ausdrücke“ „Sozusagen Fremdwörter?“, fragte Jonas. „Ja, so ähnlich. Arcons Name beispielsweise. 'ar' als kurzform von ‚aliar’ heißt 'gut' und 'con', abgeleitet von ‚conino’ heißt Wolf, also ist 'ar con' ein 'guter Wolf'. Mein Name hat auch eine Bedeutung: ‚fi’ als Kurzform von 'filiar' heißt 'treu' und 'jani' heißt 'Hund'. So bedeutet 'fi jani' 'treuer Hund', verstanden so weit?“ Jonas und ich nickten. „Ich schreib mir das mal auf, sonst vergess ich das!“, meinte ich, stand rasch auf und holte Blatt und Stift. So begann die Hündin uns einige Begriffe aus der alten Sprache der Schutzgeister 'Conless' zu erklären. Es dauerte etwa 20 Minuten, bis Fijani fertig war und ich alles mitgeschrieben hatte. Meine Liste sah so aus: ar(liar) = gut con(ino) = Wolf →ar con = Guter Wolf fi(liar) = treu jani = Hund →fi jani = Treuer Hund Wy = Luft cho = Meister →wy cho = 'Meister der Luft' / Tornado roji = Katastrophe Aze = Natur →Aze (ro)ji = Naturkatastrophe ty = Wasser →ty roji = 'Wasserkatastrophe' kae = Feuer →kae roji = 'Feuerkatastrophe' mokju = erde →mokju roji = 'Erdkatastrophe' tondu = Donner →tondu cho = 'Meister des Donners' Hed = Herrscher shyn = Schutzgeist →Hedshyn = 'Herrscher des Schutzgeistes' / Herr der Schutzgeister den = (böser/s) Dämon/Element →Hedden = 'Herrscher des bösen Dämons/Elements' / Herr der dunklen Elemente Arcon sah Fijani verwundert an, „du kannst Conless? Also richtig?“ „Ja, meine Eltern haben darauf bestanden, weil meine Familie eine der wenigen ist, in denen die Sprache von Generation zu Generation weiter gelehrt wurde“ Jonas zog eine Augenbraue hoch, „und ich soll mir das jetzt alles merken?“ „Das hat keiner verlangt“, gluckste Arcon. „Arcon! Jonas mae Shytorzi! To ne mitri sun fonjeso ze Jonas! Ge to handren mie?” Arcon, Jonas und ich starrten Fijani geschockt an und wir drei hatten das gleiche große Fragezeichen im Gesicht. Fijani begann zu lachen, „Ein göttlicher Anblick euer Gesicht! Das war Conless, ein kleines Beispiel!“ „Und... was hast du gesagt?“, fragte Arcon. „Ich hab gesagt: 'Arcon! Jonas ist mein Schützling! Du sollst so etwas nicht zu Jonas sagen! Hast du mich verstanden?' … Ja, genau das sagte ich… als Beispiel“ „Äh… ja…“, meinte Arcon. „Gibt es so was wie ein Irrenhaus bei euch?“, fragte Jonas. „Ich glaub das wäre nicht schlecht“, meinte ich. „Leider gibts das nicht bei uns…“, schloss Arcon. Jonas und ich gaben gleichzeitig ein enttäuschtes „Mäh“ von uns. „Wenn ich euch das beibringen soll sagt es gleich!“, lachte Fijani. „Äh... gerne... aber vielleicht nicht unbedingt jetzt“, wehrte ich das Angebot vorerst ab. „Eigentlich wundert es mich, dass du als Sohn des Hedshyn Conless nicht kannst…“, bemerkte Fijani während sie zu mir tappste und meine Aufzeichnungen mit schiefen Kopf ansah. „Er wollte es mir ja beibringen, aber ich wollte nicht, am Ende muss ich noch Hedshyn werden, nein danke, darauf habe ich keine Lust… und außerdem bin ich bei jedem Versuch von ihm, mir das beizubringen eingeschlafen“ Fijani, Jonas und ich begannen zu lachen. Daraufhin wandte sich die Hündin wieder meinem Blatt zu, „Eure Schriftzeichen sehen lustig aus!“ „Was meinst du?“, stutzte ich. „Ich kann sie zwar lesen, jedoch unterscheidet sie sich von der Schrift meines ersten Schützlings“ „Wo lebte er denn?“ „Ihr Name war Saya und lebte auf einem anderen Kontinent, auf einer Insel, ‚Japan’ nannte sie ihre Heimat, wenn ich mich recht erinnere“ „Das ist ja auch klar... Die haben ja auch eine andere Schrift“, meinte ich. „Ne Art Silbenschrift“, fügte Jonas hinzu. Fijani nickte, „Ich versteh zwar nicht, warum die Menschen verschiedene Schriften verwenden, aber egal“ „Wir haben eine einheitliche Schrift“, gab Arcon hinzu, „die is schon uralt und hat sich überall durchgesetzt“ „Wart ma... wie könnt ihr schreiben?“ „Mit dem was wir haben“, sagte Fijani knapp. „Wir haben gelernt unsere Pfoten und anderes geschickter als die Tiere bei euch zu verwenden. In frühen Zeiten waren wir fasziniert von der Art der Menschen, schriftliche Aufzeichnungen zu machen und so zu Kommunizieren, auch über weitere Entfernungen. Und so haben unsere Vorfahren geübt und gelernt mit Pfote, Krallen ect. Zeichen in weiches Material zu ritzen“, erklärte Arcon genauer. „Was machen Schlangen... oder Fische?“, hackte Jonas nach. „Schlangen benutzen ihre Schweifspitze, die bei Shyns wesentlich härter ist als die von normalen Tieren eurer Welt“, erläuterte Jonas’ Shyn, „und Fische haben ebenso harte Flossenspitzen“ „Genau“, fuhr Arocn fort, „Shyns mit einem Element können ihre Macht auch dazu einsetzen ins harte Materialien die Schriftzeichen einzuritzen“ Ich hörte Schritte auf der Treppe, an deren Klang ich erkannte, es meine Mutter war. „Na ihr zwei, schon wach?“, begrüßte sie uns lächelnd, als sie zur Tür hineinschaute. „Ja, Guten Morgen“, gaben Jonas und ich zeitgleich zurück. „Gut geschlafen?“ Wir nickten. „Wollt ihr mit frühstücken? Ich würd dann schnell Semmeln holen“ „Joa, schon“, meinte ich. „Dann deckt bitte den Tisch“ „Das war jetzt klar“, sagte Jonas künstlich schmollend. „Kinderarbeit...“, gab ich dazu. „So muss es sein!“, bestätigte meine Mutter, „So und jetzt auf!“ Ich stand auf, umarmte meine Mutter beim vorbeigehen und zog mich dann im Bad um. „Tut richtig gut, mit wem über Schutzgeister reden zu können“, seufzte ich, als ich meine Haare zusammen band. Dann gingen Jonas und ich in die Küche, deckten den Tisch und frühstückten, nachdem meine Mutter vom Bäcker zurück gekommen war. Den Tag über alberten wir mit Fijani und Arcon umher und redeten über dies und das. Nachmittags gingen wir in den Wald und setzten uns an einen ca 10 Minuten entfernten, wunderschönen, kleinen See. Wir saßen einfach nur da, sahen den Fischen und Enten zu und genossen die ländliche Ruhe im Schatten der Bäume. Erst abends gingen wir wieder nach Hause, als die Sonne schon ein wenig tief stand, welche Himmel, Wald und Berge in ein gold-schimmerndes Rot tauchte. Zu Hause angekommen fragte meine Mutter, wann wir im Kino sein müssen. „Wir müssen eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn dort sein, also Viertel vor Acht“, antwortete ich. „Alex weiß ja Bescheid, oder?“ „Ja, wir hams ihr gesagt“, meinte Jonas. „Gut, dann wird sie schon kommen, heute hat sie ja das Auto“ Und so war es auch: Um sieben Uhr kam Alex nach Hause, duschte sich, zog sich um und um halb Acht fuhren wir los. „Nach dem Film eine Runde McDoof?“ grinste Alex. „Gerne!“ lachte ich. „Was ist Mäck Doof?“, fragte Arcon, welcher mit Jonas und Fijani auf dem Rücksitz saß. Ich konnte ihm nicht antworten, so zeigte ich auf das Gebäude beim vorbeifahren und meinte spaßhaft, „Da Jonas, selbst wir auf dem Land haben ein Fastfood-Restaurant namens Mc Donalds!!“ „Wow, das find ich ja toll, dass ihr am A.d.W. So was überhaupt kennt!“. gab mein Cousin zurück, „Bist du dir sicher, dass es da nicht nur frischen Almkäse gibt?“ „Ganz sicher“, grinste Alex. „Na das will ich sehen“, lachte Jonas. „Ah, okay, jetzt weiß ich, was Mc Ding ist“, meinte Arcon. Nach der Kinovorstellung redeten wir noch über die witzigsten Stellen des Filmes und wollten gerade Richtung Auto gehen, als ich ein eigenartiges Geräusch unter mir hörte, Arcon erschien neben mir, „Ich leite die Zeitspanne ein“ Ohne, dass ich etwas erwidern konnte stand alles Still, Menschen, Autos, alles. Jonas stammelte geschockt, „Wa... Was ist los?“ „Das ist die Zeitspanne, sie schützt die Menschen und die Umgebung, vor dem, was jetzt kommt“, erklärte ich. „Du... du meinst...?!“ „Ja, Jonas“, bestätigte Fijani, „Azeroji: mokju“ „Ein Erdbeben“, übersetzte Arcon mit roten Augen, während sich Erde von seinen Pfoten aus über seinen ganzen Körper ausbreitete und sich an die Körperform des Wolfs anpasste. Nur langsam wurde mir klar, dass die vorletzte Naturkatastrophe so eben begonnen hatte. Ich hatte Angst, große Angst. Doch weniger wegen dem Erdbeben an sich, sondern wegen dem Gedanken, dass die Bedrohung alles Lebens durch die Wiedergeburt des Hedden immer näher rückte. Eine böse Macht... eine mächtige Kraft...zwei Auserwählte... ja! Wenn ich eine Auserwählte bin, kann es sein, dass Jonas der zweite war?! Ich sah ihn an. Mein Cousin sah mit großen Augen auf Fijani, deren Körper von Erde verschluckt wurde und sich somit in die Erdform verwandelte. Nein... das konnte nicht sein, Jonas hatte seinen Schutzgeist doch erst in der vergangenen Nacht erhalten. Dieses Erdbeben war seine erste Naturkatastrophe, er konnte nicht der andere Auserwählte sein. Der Boden begann zu beben. Erst leicht und kurz, dann stärker und länger. „Tia, Jonas, ihr müsst gut aufpassen!“, rief Fijani, „Gegen ein Erdbeben schützt die Zeitspanne den Boden nicht!“ „Was heißt das im Klartext?“, fragte ich. „Dass der Boden aufreißen kann“ „So wie bei den Vulkankratern, die sind auch trotz Zeitspanne aus dem Boden gestoßen“, erklärte Arcon, „Das hab ich bis jetzt auch nicht gewusst“ Die zwei Schutzgeister starrten konzentriert auf den Boden. „Und was machen wir?“, fragte Jonas, „Können wir ihnen irgendwie helfen?“ „Wir helfen, indem uns nichts geschieht“, meinte ich zu ihm und wandte mich dann zu Arcon, „Arcon, wie besiegt man ein Erdbeben?“ „Wir brauchen einen Spalt in der Erde, irgendwo im inneren gibt es einen Punkt, der durch einen Dan das Erdbeben steuert, wobei der Dan natürlich wieder von einer anderen Macht gesteuert wird. Und diesen Punkt müssen wir finden“, erklärte Arcon. „Achtung, es geht los“, knurrte Fijani, ihr Nackenhaar stellte sich auf. „Tia, was ist ein Dan?“, fragte Jonas. Ein heftiges Beben ließ uns erschüttern, Jonas hielt sich an einem Gitter fest und packte eben noch mein Arm, ehe ich zu Boden fiel. Er zerrte mich an das Gitter, so dass ich mich auch festhalten konnte. „Dans sind willenlose, böse Dämonen, welche von der Macht der Elemente gelenkt werden. Wir müssen besonders gut aufpassen, weil sie es irgendwie auf mich abgesehen haben“, erklärte ich, während ich zusah, wie Arcon Fijani den Erdrissen auswichen. „Schön, dass du mir das jetzt sagst“ „Das is jetzt echt kein guter Zeitpunkt für Scherze!“, beschwerte ich mich ernst und sah an Jonas hoch, welcher fast zwei Köpfe größer war. „Jah, Tschuldigung...“ „Achtung Jonas!“, rief Fijani. Ein Erdspalt öffnete sich, suchte sich seinen Weg quer über die Straße und kam dann direkt auf uns zu. Verkrampft hielt ich mich am Treppengitter fest und überlegte, was wir tun könnten. „Komm Tia!“, rief Jonas, nahm mich am Arm und zog mich weg von Gelände. „Nein Jonas!“. schrie ich, während ich neben ihm her rannte, „wir brauchen irgendwas, wo wir uns festhalten können!“ „Das Teil verfolgt uns!“, rief Jonas panisch und blickte sich um. „Ja, das mein ich doch!“ „Bleibt stehen!“, befahl Fijanis Stimme. Jonas und ich folgten dem Befehl, ich klammerte mich fest an seinen Arm und beobachtete den Erdriss, der unsere Kurven mitverfolgt hatte und nun wieder auf uns zu kam. Fijani hetzte neben dem Spalt umher, sprang über einen kleinen Riss, der sich von dem Großen löste und landete vor Jonas und mir. Ihr mit Erde bedecktes Fell stand steil nach oben, sie knurrte, der Erdriss schien für wenige Sekunden still zu stehen. „Bleibt stehen“, wiederholte Fijani ihren Befehl und sah uns mit stechend roten Augen an. „W... wo ist Arcon?“, fragte ich plötzlich. „Er sucht nach dem Auslöser des Erdbebens... und jetzt ruhe, ich muss mich konzentrieren“ Erstaunt sahen Jonas und ich auf die Hündin. Unter ihren Pfoten begann die Erde zu brodeln, wie heißes Wasser. Langsam stiegen Wasserfontänen aus der Erde an ihren Beinen hoch, weiteten sich dann wie ein Netz um den ganzen Körper, zeitgleich begann sich der Erdriss wieder zu bewegen und Fijani hob angespannt ihre Vorderpfoten. Nun schellten die Wasserfüße links und rechts neben den Erdspalt hinab. Für einen Moment geschah nichts. Dann presste Fijani ihre Wasserpfoten in die Erde und schob den Spalt leicht zusammen. Kurze Zeit verharrten wir angespannt und unseren Positionen, bis Fijani ihren Griff lockerte, der Wasserpanzer um sie sich wieder in die Erde zurück zog und sie erleichtert ausatmete. An den Seiten der Erdspalte begann die Erde zu bröckeln und fiel in den dunklen schwarzen Riss, welcher seltsamer Weise immer kleiner und enger wurde, bis es nur noch ein schmaler, langer Riss im Boden war, der auf ein Loch - etwa 200 Meter von uns entfernt – zu lief. Jonas und ich staunten und bekamen kein Wort aus uns heraus. „Macht so was NIE wieder!“, schimpfte Fijani plötzlich und drehte sich um, „Ihr seid am besten an dem Gitter aufgehoben, haltet euch dort fest und sonst nichts, okay? Ihr seid wohl verrückt! Wenn ihr in eine dieser Erdspalten fallt seid ihr tot! Tot, Tot, TOT! Töter gehts dann nich mehr!!“ Beschämt sahen wir auf den Boden vor uns, „Tut uns Leid“ „Das hilft jetzt auch nichts“, meinte Fijani schließlich, „wie Tia sagte, ihr helft uns, indem ihr heil bleibt. Und ihr seid dort am Treppengitter am besten aufgehoben, haltet euch fest und passt auf, dass ihr in keine Erdspalte fallt!“ Daraufhin begann die Erde abermals heftig zu Beben, Fijani sprintete auf die nächste Erdspalte zu und rief: „Schnell, rennt zurück zum Gitter!“ Jonas und ich liefen so gut wir bei dem Beben konnten auf das Gitter zu und klammerten und daran. „Passt auf euch auf, ich helfe jetzt Arcon den Ursprung zu finden!“ meinte Fijani, nachdem sie den zweiten Erdspalt aufgehalten hatte und stürmte auf das große Loch zu. Eine unangenehme Stille lag in der Luft, die nur durch das Beben gestört wurde. „Das... Das ist wohl echt kein Traum...“, flüsterte Jonas. „Schwer zu glauben, oder?“, meinte ich, „Als Arcon zu mir gekommen ist, dachte ich auch, dass es nur ein Traum war... aber mittlerweile ist er ein Teil von mir, ich könnte ohne ihn nicht mehr leben...“ flüsterte ich ebenso leise und sah auf das große Loch, „hoffentlich passiert ihm nichts“ „Er ist doch der Sohn von diesem Hedshyn-Greif, oder? Arcon passiert schon nichts und Fijani kennt sich damit auch aus!“, sagte Jonas motiviert, doch ich wusste, dass er sich auch Sorgen machte. Da bemerkte ich, dass Die anderen Menschen bei dem Erdbeben noch einen weiteren Schutz hatten. Schließlich wirkte die Zeitspanne zwar nicht auf den Boden, welcher von den Erdrissen aufgebrochen wurde, aber trotzdem fielen die Menschen nicht in die Risse, die sich unter ihren Füße öffneten. „Jonas, siehst du das?“, keuchte ich. „Was denn?“ „Na da, bei den anderen Menschen unter den Füßen und unter den Autos, da ist immer noch wie eine Art Brücke aus Erde, die alles vor dem Absturz schützt“ „Tatsache... aber warum wirkt die Zeitspanne bei uns nicht?“ „Arcon und Fijani brauchen die Energie, die in ihren Schützlingen, also in uns, steckt. Die Energie wird automatisch frei gesetzt, dagegen können wir nichts tun und wir können sie auch nicht beschleunigen. Sie ist einfach da und hilft unseren Schutzgeistern. Wenn wir jetzt auch in die Zeitspanne eingeschossen werden, dann kann diese Energie nicht mehr freigesetzt werden und die Schutzgeister werden schwächer“, erklärte ich. „Achso...“ In diesem Moment riss ein weiteres Mal die Erde auf, die tiefen Schluchten erweiterten sich und kamen auf uns zu. „Tia, und jetzt?“, fragte Jonas entsetzt, „darf ich Panik haben?!?“ „Nein!“ entgegnete ich und versuchte zu überlegen, meine Hand klammerten sich um das Treppengelände, während meine Blicke verzweifelt nach einer Lösung suchten. Ich suchte in der Luft und am Boden. Verzweiflung, keine Stimme, viel zu viele Gedanken, „DENK NICHT!“, schrie ich mir mental selbst zu. Im nächsten Moment stieg ich von außen auf die Stufen und zog Jonas nach oben. Das Gelände bebte heftig, Jonas und ich hielten uns gegenseitig fest, ich sah hinter mich, die Spalten kamen rasend schnell auf uns zu, legten tiefe Schluchten hinter sich und prallten unter unseren Füßen zusammen. Ein tosendes Geräusch betäubte meinen Körper, ich klammerte mich fest an das Treppengelände und an Jonas, schloss meine Augen und wartete bis sich das Beben legte. Doch im Gegenteil, es wurde immer heftiger, es schien, als würde der Boden unter mir danach streben uns zu erwischen. „Tia!!“, rief Jonas plötzlich, ich öffnete die Augen , sah zu Jonas, welcher den Blick geschockt nach unten richtete. Ich folgte seinem Blick, welcher gefesselt und starr vor Angst auf eine kleine Erdsäule starrte, die sich langsam zu unseren Füßen erhob. Ich schrie auf, zog mich an dem Gitter hinauf und hob meine Beine an. Jonas machte es gleichermaßen. Die Erdsäule rankte sich weiter nach oben, strebte nach meinem Fuß, ich strampelte und schrie, wollte nicht erwischt werden, Jonas schlang seinen Arm um mich und hielt mich fest. Es half nichts, so sehr ich auch strampelte und schrie, die Erdsäule war hart und schlang sich langsam um meinen Fuß. Ich konnte nicht entkommen, schlug mit meinem anderen Fuß kräftig gegen die harte Erde, doch alles was geschah war, dass die Säule mich mit einen heftigen Ruck nach unten zog. Ich schrie auf, klammerte mich um das Gelände, wurde nach unten gezogen, Schmerzen überall, Jonas hielt mich fest, versuchte auch mit seinem Fuß die Erde von mir zu schlagen, doch sie war zu hart. „Lass mich los, Lass mich los, Lass mich los!!“, schrie ich verzweifelt, hatte Tränen in den Augen, vor Schmerz, vor Angst, „Arcon!“ Die Säule rankte sich immer weiter hinauf, über mein Bein und riss mich weiter die Tiefe. Beine Hände schwitzten, ich rutschte ab, entglitt Jonas Griff und fiel... Jonas packte meine Hand im letzten Moment, versuchte mich wieder hoch zu ziehen. Ich sah ihn flehend an. „Tia, lass nicht los!“ „Idiot!“, schrie ich wütend weinend, „Lass du mich nicht los!“ Ich spürte, wie die Erdsäule mein Bein zerquetschte, schrie auf, Tränen flossen, ein heftiger Ruck. Mein Arm rutschte von Jonas Hand, geschockt ohne Atem vernahm ich keine Geräusche mehr. Ich sah nur, wie sich Jonas Gesicht und sein Körper von mir entfernten. Sein Mund formte meinen Namen, ich hörte nichts, hatte Angst, dachte nichts, dachte an Arcon, schrie, rief Arcons Namen und hörte, wie Jonas Stimmte meinen Namen schrie. Ich wurde in die tiefe Dunkelheit der Erde gezogen, es war heiß und kalt zugleich, konnte nicht atmen, konnte nicht sehen. Meine Arme streckten sich wie von selbst nach der Wand, ich spürte sie, fasste sie, kratze an ihr, bis ich einen kleinen Stein spürte, hielt mich daran fest und schrie abermals Arcons Namen. Die Erdsäule zog weiter an meinem Fuß, ich vernahm ein grollendes, hämisches Lachen, das mir einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte und meinen Körper bis ins Mark lähmte. Ich kniff meine Augen zusammen, weinte, flehte leise, „Bitte Arcon, komm, hilf mir! Arcon komm, bitte, ich brauch dich, ich schaffs nicht, hilf mir!“ Dann hörte ich sanfte Pfoten, spürte, wie sich etwas angenehm Kühles um meinen Bauch schlang und merkte, wie sich der Druck um mein Bein löste. Langsam öffnete ich meine Augen, sah an mir herab: Ein Wasserring war um meinen Bauch geschlungen und gab mir halt, es war nicht nass, es war angenehm. An meinem Bein zerbiss Arcon die Erdsäule, die nun von meinem schmerzenden Körper bröckelte. „Arcon“, keuchte ich glücklich. „Es tut mir Leid Tia“, meinte dieser. „Du kannst den Stein loslassen“, sagte Fijanis Stimme über mir, „Ich halte dich“ Ich sah nach oben und merkte, dass ihr Erdkörper wieder von einer Wasserhülle umgeben war. Langsam ließ ich meine Hände vom Stein gleiten und spürte endlich, wie der letzte Erdbrocken von meinem Bein fiel. Arcon lief in seiner Erdform die Wand neben mir hoch, schmiegte seinen Kopf an meinen, „Tut mir Leid, dass ich erst jetzt da bin“ „Arcon!“, keuchte ich glücklich und umarmte den Wolf. „Könnt ihr euer Liebesgeturtel bitte für später aufheben? In wenigen Augenblicken krachen die Erdspalten ein“, meinte Fijani. Arcon und ich nickten peinlich berührt. „Tia, halt dich einfach genauso an mir fest“, befahl Arcon. Ich nickte, Fijanis Wasserring entfernte sich von meinem Körper und die zwei Schutzgeister liefen rasch die Bebende Wand hinauf. Nun sah ich schon Jonas verzweifelten Gesichtsausdruck, es war das erste mal, dass ich Tränen in seinen Augen schimmern sah. Als er uns sah, wischtte er mit seinem Arm grob über seine Augen, „Tia du blödes Schaf, erschreck mich nie wieder so!“, rief er mir zu. Jonas hing noch immer genauso am Gelände wie zu dem Zeitpunkt, als ich in die Schlucht stürzte und wollte eben loslassen und auf den Boden springen, als Fijani ihm zu rief, er solle warten. Ich hing noch immer an Arcons Rücken, hielt mich an seinem Hals fest und antwortete nicht auf Jonas Aussage. Als Arcon und Fijani wieder aus der Erdspalte kletterten setzte ich mich auf den Boden, lehnte mich an die Treppe, sah nach oben zu Jonas und lies Arme und Beine einfach hängen. „Was ist mit deinem Bein?“, fragte Jonas besorgt. „Das war von dieser komischen Erdsäule“ erklärte ich leise und sah auf meine Rechte Seite. An meinem Beim waren sämtliche Blaue Flecken, Kratzer und blutende Wunden. Ein stechender Schmerz durchzog mein Bein, ich gab ein schmerzerfülltes, zischendes Geräusch von mir und zuckte zusammen, „Es tut weh...“ „Fijani, darf ich jetzt runter kommen?“, fragte Jonas ungeduldig. Die Hündin nickte und Jonas hüpfte neben mich. „Sieht ja übel aus“, stellte er seine Diagnose. „So fühlt es sich auch an...“, seufzte ich und streichelte Arcon, welcher die Umgebung nach etwas absuchte. „Arcon, vielleicht wäre es besser, wenn wir die zwei mit einbeziehen in die Zeitspanne, dann können wir unbesorgt nach dem Ursprung der Mokjuroji suchen“, schlug Fijani vor. In dem Moment began Arcon triumphierend zu grinsen, „Ich denk das ist nicht nötig. Ich weiß jetzt, wo der Ursprung ist und ich weiß welche Macht genau hinter den Dans steckt“ Fijani, Jonas und ich sahen Arcon fragend an. „Der Hedden! Es steckt ja schon in seinem Namen, das ist klar...“, begann Arcon, wurde aber von Fijani unterbrochen, „Das ist völliger Blödsinn, Arcon! Der Hedden ist gestorben, der schwarze Nebel hat zwar seinen Nachfolger ausgewählt, aber er selbst wird erst nach der Katastrophenzeit wieder geboren!!“ „Der Hedden war nie weg, er selbst ist die Katastrophenzeit, nur sein Körper und seine ausgereifte übermächtige Kraft wird erst wieder geboren“, meinte Arcon. Fijani schwieg. Das war irgendwie logisch, schließlich war die ganze Sache mit der Katastrophenzeit ja böse und wollte Leben zerstören, hinter dieser Macht konnte nur der Hedden stecken. „Na gut“, seufzte Fijani, „wo glaubst du, ist der Ursprung?“ „Sieh dir das Muster auf dem Boden an, welches die Mokjuroji hinterlassen hat“ Fijani, Jonas und ich betrachteten den Verlauf der Erdspalten. Doch keiner von uns fand etwas. „Was meinst du?“, fragte ich. Daraufhin begann Arcon Erde als Sand von seinem Körper zu bröckeln, bis er eine Fläche vor sich hatte, auf der er mit seiner Pfote Linien zog, die die Erdspalten darstellten. „So“, meinte Arcon als er fertig war, „So verlaufen die Erdspalten. Die da unten so wirr verlaufen sind die, die euch attackiert haben. Die anderen bilden ein Muster. Wenn man die Linien verlängert bekommt man einen Schnittpunkt. Und genau hier muss der Ursprung sein“ „Das ist ja wie ein Rätsel...“, meinte Fijani. "Das ist mir bei den anderen Katastrophen auch aufgefallen. Ich erzähl euch das, wenn ich den Ursprung erledigt habe. Fijani, kannst du auf unsre Schützlinge aufpassen?“ „Klar!“ Daraufhin stürmte der Wolf vorwärts, sprang über die Spalten, bis er weit hinten, am Ende des Parkplatzes, zu dem Punkt gekommen war, den er vor uns in die Erde gezeichnet hatte. Nun spürte ich wieder den stechenden, pochenden Schmerz in meinem Bein, meine Arme zuckten, schwebten über dem Schmerz und ich gab ein schmerzerfülltes Geräusch von mir. Jonas legte seine Hand sanft auf meine Schulter, „Gehts?“ „Ich kann Wunden zwar nicht heilen, wie der Hedshyn, aber ich kann dein Bein kühlen, wenn du möchtest...“, bot Fijani an. Ich nickte dankend und die Hündin schloss konzentriert die Augen. Aus der Erde unter ihren Vorderpfoten stieg klares Wasser auf, Fijani öffnete ihre Augen und das Wasser schwebte über meinem Bein. Dann sank es langsam herab und floss behutsam über mein Bein. Es brannte kurz, doch dann tat es gut. Es war kühl und angenehm, ich entspannte mich und schloss die Augen. „Mit noch einem Schutzgeist, der Luft oder Feuer als Element hat könnten wir deine Wunden heilen“, seufzte Fijani. „Is schon gut, Fijani, danke“, meinte ich, betrachtete mein Bein und bemerkte, „Oh, die blauen Flecken sind weg und einige Kratzer auch“ „Du kannst ja doch heilen, Fijani!“, freute sich Jonas. „Nein, eigentlich kann ich das nicht“, stutzte Fijani, „ich weiß auch nicht warum...“ Dann sah sie Jonas und mich an, lachte und sagte, „Achso, jetzt weiß ich es! Ihr seid verliebt!“ Jonas und ich stutzten, sahen uns einander an und riefen dann gleichzeitig: „BITTE?!?“ Fijani begann abermals zu lachen, „Euer Gesichtsausdruck ist einmalig! Nein, ich meinte das nicht so, wollte nur mal wissen, ob Menschen auf so etwas genauso reagieren wie Schutzgeister... und oh wunder, oh wunder, es ist so. Herrlich... Nein, ernsthaft. Ihr zwei seid gute Freunde und ich bin Jonas Schutzgeist. Seine Energie gelangt über diese Bindung zu mir und als ich mein Wasser über Tias Bein gegossen hatte war automatisch Jonas Energie mit dabei und ... äh... gibt das noch Sinn!?“ Jonas und ich schüttelten den Kopf. „Naja, is ja auch egal, Hauptsache es geht deinem Bein besser“, grinste Fijani. „Außerdem sind wir Cousin und Cousine, falls du das vergessen hast!“, meinte Jonas. „HALBcousin und HALBcousine!“. verbesserte ich. „Darauf wirst du wohl ewig rumreiten, oder?“, lachte Jonas. „Jap“, grinste ich und piekte ihn in die Seite, „und außerdem ist Jonas mein allerbester Kumpel, mit dem man jeden Scheiß machen kann“ „Gleichfalls, HALBcousine!“ Die Erde bebte plötzlich heftig, mein Blick schweifte rasch über das Feld von Erdrissen und ich erblickte Arcon, welcher mit unglaublicher Geschwindigkeit auf uns zu jagte, als er über die Erdspalten sprang dachte ich kurz, er würde mit einem Hinterfuß humpeln, doch er rannte so schnell auf uns zu, dass ich das nicht glauben konnte. Nach wenigen Augenblicken überwand er die letzte Schlucht und landete zielgenau mit einer Drehung in der Luft neben mir, so dass er auf die Strecke sah, die er gerade zurückgelegt hatte. Er hechelte heftig und ich konnte wirklich sein Hinterbein sehen, mit dem er tatsächlich humpelte. Dort hatte er am Oberschenkel eine blutende Wunde. „Arcon...“, begann ich. „Schon gut, Tia, nicht schlimm“, meinte er, legte sich erschöft nieder, während er grinste und die Erde von sich bröckeln lies, um wieder in seiner Normalform zu sein, „hab den Ursprung putt gemacht, zerbissen. Gleich schließen sich die Erdspalten wieder“ „Super Arcon!“, lobte ich den Wolf und wuschelte kräftig durch sein weiches Fell, was ihm sogleich zu erfreutem Schwänzeln und Hecheln verleitete. Und auch Fijanis Erdform zerfiel von ihrem Körper und ihr goldgelbes Fell kam zum Vorschein, von dem sie die letzte Staubschicht schüttelte. Der Boden unter uns begann heftig zu beben, die Spalten schlossen sich langsam wieder und der Parkplatz sah, bis auf ein paar Erdbröckchen und Krümel aus, als wäre nichts gewesen. „Woher hast du gewusst, dass es genau da ist? Hätte es nicht ein anderer Punkt sein können, wo sich andere Erdspalten schneiden?“, fragte Jonas. „Nein, hätte es nicht. Bei allen Katastrophen bis her war ein bestimmtes Muster und bei jedem Muster gab es einen Punkt, auf den zwar in irgendeiner Weise gezeigt wurde, die aber selbst von der Katastrophe nie direkt berührt wurde, weil sich der Dan im Ursprung sonst selbst zerstört hätte. Es ist wie ein Puzzle, ein Rätsel“ „Das heißt, für den Hedden ist das hier ein Spiel?!“, warf ich entsetzt ein. „Ja.. so könnte man es sagen“, seufzte Arcon, „Bei den anderen Katastrophen war ja bis jetzt auch eine Art Muster zu sehen. Bei dem Tsunami war es die Art der Dans, wie sie sich bewegten, denn sie flogen in einem kaum bemerkbaren Bogen aus der Welle, waren nur unwesentlich in Höhe zum Boden unterschieden, aber alle hätte sich, wären sie weiter und gleichzeitig geflogen, an einem Punkt getroffen. Wenn man diesen Schnittpunkt parallel zum Boden Richtung Tsunami verlängert, dann war das der Aufenthaltsort des Hauptdan. Dann war der Tornado. Bei ihm konnte ich erkennen, dass alle Dans, die ihn verliesen, vorher aus dem tiefsten Punkt erst steil nach oben wanderten und sich dann von der Wucht der Drehung hinausschleudern liesen. Dieser gemeinsame Punkt ganz unten war die zu vernichtende Stelle. Bei den Vulkanen gab es zwei, die die Feuerdans und Lavabrocken nach Westen verliesen uns dann erst eine andere Richtung einschlugen, zwei nach Osten und je weitere zwei nach Norden und Süden. Bei den anderen 3 schossen die Dans gerade nach oben und teilten sich dann in verschiedene Richtungen. Diese drei galt es zuerst zu zerstören, danach würde die Kraft nachlassen und die anderen wären einfacher zu ‚besiegen’... wie ich dann bei der Hilfe meines Vaters bemerkte. Ja und zu letzt war nun das Erdbeben mit seinem Muster“ Jonas, Fijani und ich starrten den Wolf verdutz an und ich stellte mir die dargestellten Muster in meinem Kopf vor. Wenn ich genauer darüber nachdachte erinnerte ich mich tatsächlich an einige Parallelen zu Arcons Erzählung, die mir vorher nicht aufgefallen waren“ „Jetzt wo du es sagst... Ja... damals hat er auch Rätsel gemacht, er hat immer mit dem Blut eines ermordeten Schutzgeistes Rätsel auf den Boden gemalt, in dessen Lösung stand, welcher Schutzgeist als nächstes sterben wurde, dieses Arschloch“, meinte Fijani bedrückt. „Wie grausam...“, flüsterte Jonas entsetzt. „Du... du warst damals dabei?“, fragte ich vorsichtig. „Ja zumindest von den letzten 50 Jahren der Endschlacht habe ich was mitgekriegt. Früher hat er, soviel ich weiß, einfach so getötet. Und der Grund, warum der Endkrieg so lange gedauert hat ist eben, weil der Hedden alles als ein Spiel gesehen hat. Und erst im Endkrieg hat er diese Rätsel gemacht, mir denen wir herausfinden sollten, wann und wo welcher Schutzgeist getötet wurde. Aber die Rätsel waren so kompliziert und komplex, dass wir nur wenige lösen konnten. Und selbst die Schutzgeister, die wir versucht haben vor dem Hedden zu verstecken wurden von ihm verschleppt und an den Ort gebracht, den er im Rätsel beschrieben hatte“, fuhr Fijani fort, „Der Grund, warum dein Vater, Arcon, zum Hedshyn wurde ist, weil er einige Rätsel lösen konnte und bei Zeiten sogar zwischen den Zeilen gelesen und herausgefunden hat, was man tun muss, um den 'verurteilten' Schutzgeist zu retten. Außerdem hat Zero-Cho eine perfekte Strategie entwickelt, mit der wir den Hedden austricksen konnten. Mit dieser Strategie wurde er schließlich auch getötet. Ich war damals allerdings noch ganz klein und weiß nichts Genaueres über diese Strategie. Und jetzt bist du dran, Arcon. Ich wäre nie auf dieses Muster gekommen. Ich glaub daran, dass du dieses Monster besiegen kannst, wie dein Vater es damals gemacht hat!“ „Danke...“, meinte Arcon etwas verlegen. Darauf folgte eine Weile Stille, in der jeder nachdenklich auf den Boden sah. „Wie alt bist du dann eigentlich, Fijani? Du bist doch älter als Arcon!?“, fragte ich. „Ja, stimmt, ich bin 413 nach unserer Zeit und ca 206 nach eurer Zeit“, antwortete Fijani. „Eure Zeit? Wessen Zeit?“, fragte Jonas verwirrt. „In der Welt der Schutzgeister läuft die Zeit doppelt so schnell wie bei uns. Also eine Sekunde bei und sind zwei Sekunden bei ihnen“, erklärte ich, „Arcon ist 133 nach unserer Zeit und 266 nach der der Schutzgeister“ „Ach so...“ „Vielleicht sollten wir mal die Zeitspanne lösen?“, meinte Arcon, nachdem er sich mit viel Mühe verdreht hatte und seine Wunde behutsam geleckt hatte. „Was ist mit deiner Wunde?“, fragte ich besorgt. „Keine Sorge, bei uns heilt sowas ziemlich schnell“, lächelte Arcon indem er aufstand, „Was ist jetzt mit der Zeitspanne?“ Jonas und ich nickten, standen auf und liefen die wenigen Meter zurück zu Alex. „Kann ich mich etwas bei dir abstützen?“, fragte ich Jonas, welcher daraufhin nickte. Arcon und Fijani lösten die Zeitspanne und wir liefen mit Alex zum Auto. Ich versuchte möglichst normal zu laufen und riss mich zusammen, um wenigstens nicht zu humpeln. Wir holten unser Essen, fuhren nach Hause und aßen. Als meine Mutter und Alex fragten, was ich an meinem Bein gemacht hätte, sagte ich, dass ich ihm Wald einfach dumm gefallen war und mich im Kino noch mal angestoßen hätte. So machte ich eine Salbe und Mulltücher auf die große Schnittwunde über meinem Knie und verband sie mit einem leichten Verband, um die Salbe nicht zu verwischen. Wir erzählten meiner Mutter wie der Film war, pokerten abends wieder bis spät in die Nacht und gingen gegen 2 Uhr ins Bett. Der Tag war richtig anstrengend, ich war einfach nur müde und wollte schlafen. Arcon ging es da nicht anders. Aber es machte mich glücklich, dass ich endlich wen gefunden hatte, mit dem ich über Schutzgeister reden konnte. Ich wünschte meiner Familie, Jonas und Fijani eine gute Nacht, legte mich entspannt ins Bett und schlief rasch neben Arcon ein, dessen Wunde jetzt bereits kleiner war. Kapitel 11: Die Ruhe vor dem Sturm ---------------------------------- Am Nächsten Vormittag fuhr Jonas wieder nach Hause. Meinen Schutzgeist sah ich den ganzen Tag über nicht mehr, seit ich aufgestanden war. Ich war besorgt um ihn, doch rufen wollte ich ihn nicht. Vielleicht sollte er einfach mal allein darüber nachdenken. Es war sicher schwer für ihn mit mir darüber zu reden, weil er Angst hatte mich nicht schützen zu können. Ich suchte Ablenkung in einem Chat, den ich seit nun mehr 3 Jahren kannte und dort einige richtig gute Freunde gefunden hatte. Ich hoffte, bald würden aus den Internetfreundschaften reale werden, natürlich nicht, bevor ich mit den Personen telefoniert hätte. Es tat mir gut wieder mit ihnen herumzualbern und die Probleme vom Weltuntergang zu vergessen. Auch am Tag darauf kam Arcon vorerst nicht zum Vorschein. Ich beschloss einen kleinen Spaziergang durch den Wald zu machen und als ich auf einer Baumwurzel saß und in der Ferne einer kleinen Rehfamilie beim weiden zusah, erschien Arcon langsam neben mir. Er konnte mich nicht ansehen und schwieg. An der Stelle seiner Wunde war nur noch ein roter Fleck unter dem weißen Fell zu sehen. Ich sah ihm an, dass er Angst hatte, Angst, dass der Hedden seinem Vater etwas antun würde, dass er mir etwas antut, dass er die Welt der Schutzgeister und die der Menschen zerstört, er war bedrückt, ich wusste nicht, wie ich ihm helfen konnte. Als die Rehe nervös mit ihren Ohren zuckten und schließlich wieder im Wald verschwanden, legte ich meinen Arm um Arcon, streichelte ihn und fragte, „Kann... ich dir irgendwie helfen?“ „Nein...“, flüsterte der Wolf, „Er wird alle töten, die was mit meinem Vater zu tun haben... Er wird noch stärker als zuvor sein... und ich... ich bin zu schwach, ich habe nicht mal ein eigenes Element... Ich kann ja nicht mal dich allein beschützen, wie soll ich die ganze Welt schützen können?“ Arcons Augen waren klein, er sah trüb auf den Boden, sah eher durch ihn durch, „Es ist jetzt zu spät, Tia.“ „W... Was redest du da?“, fragte ich ihn entsetzt, „Du... Du bist nicht schwach! Du bist echt toll, auch wenn du kein Element hast. Warte doch erstmal ab... dein Vater sagte doch, dass du deine Prüfung machen sollst!“ „Glaubst du ernsthaft, dass der Hedden noch wartet, bis der Schutzgeist der Auserwählten sein Element hat?!“, antwortete Arcon, drehte seinen Kopf zu mir, sah mich mit kleinen, glänzend feuchten Augen an. „Er... ist ganz zerstört, er zerbricht daran“, dachte ich schockiert, mitleidig. „Für ihn ist das ganze doch nur ein Spiel, oder?“, fragte ich nachdenklich. Arcon nickte betrübt. „Einem Spieler macht es keinen Spaß einen ‚schwachen’ Gegner zu haben, schließlich ist in euren Augen ein Schutzgeist ohne Element schwach... Also wird er doch warten... schätze ich“ „Und... was bringt mir das dann? Neue Kräfte, die ich anfangs nicht richtig beherrsche… tolle Vorraussetzung um gegen die Zerstörung alles Lebens voranzugehen... richtig toll...“ „Sei nicht so Pessimistisch! Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass er noch darauf wartet, ohne einen richtigen Rivalen macht es selbst dem besten Spieler keinen Spaß... außerdem ist die Katastrophenzeit noch nicht vorbei. Uns bleibt noch Zeit... Und ich Filmen ist es auch immer so, dass die Bösen warten, bis die Guten zu Rivalen werden...“ „Das hier ist aber keie boße Geschichte, Tia!!“, entgegnete Arcon laut, „Das ist die Realilät, wenn du falsch liegst mit deiner Vermutung, dann wird er wohl gleich nach dem Tondurio angreifen!!“ Arcon starrte mich ernst an, seine Augen funkelten, ich konnte jedoch nicht sagen, ob aus Zorn, Angst oder Trauer. „Tondurio?“, fragte ich ohne auf das vorherige Thema einzugehen. „Tondurio, der Rote Donner, so nennen wir das Gewitter der Katastrophenzeit. Es ist besonders aggressiv und die Blitze suchen gezielt ihre Opfer.“ „Und... warum ‚rot’??“ „Das wirst du sehen...“, seufzte er und wandte sich wieder ab. „Was ich nicht verstehe ist, warum er nur alles zerstören will... Was erreicht er damit... außer einer leeren Welt?“, seufzte ich nach einer Weile des Schweigend nachdenklich und sah Arcon an. Der Wolf antwortete erst nichtund räusperte sich schließlich, „Ich weiß es nicht genau, aber ich kann mir vorstellen, dass er eine neue Welt erschaffen will. Soviel ich weiß, hasst er die Menschen, weil sie uns Schutzgeister damals vor vielen Jahren in unsere Welt verbannt haben. Und die Schutzgeister hasst er, weil sie sich das gefallen haben lassen und die Menschen trotz allem weiterhin beschützen. Deswegen hat er sie vor 1000 Jahren versklavt und tyrannisiert... weil er sie so behandeln wollte, wie sie es in seinen Augen verdient haben. Und seit 1000 Jahren haben die Menschen viele Maschinen erfunden. Manche sind nützlich, andere weniger. Wahrscheinlich will er nun alles ausrotten, damit die Welt nicht vergiftet wird, damit die Schutzgeister dies nicht mehr dulden und er seine Welt aufstellen kann. Das ist es, was ich über ihn denke...“ „Wie wird diese Welt wohl aussehen...?“ „Keine Ahnung, ich will nicht daran denken...Jedenfalls ohne Menschen und schlimmer als es jetzt ist…“ „Arcon!“, rief ich ernst, hockte mich vor den Wolf und sah ihm tief in die Augen, „Wenn ich wirklich die Auserwählte bin, dann verspreche ich dir, dass wir ihn zusammen aufhalten können!“ „Kannst du etwas versprechen, von dem du nicht sicher bist, ob du es halten kannst?“, fiel mir Arcons ins Wort. „Wir dürfen nicht zulassen dass unsere Welten zerstört werden!“, fuhrt ich ungehindert fort, auch wenn ich Arcon insgeheim recht geben musst, „Ich weiß selbst, dass die Menschen nicht immer richtig handeln und oft wirklich egoistisch sind, aber deswegen dürfen sie nicht ausgerottet werden, du hast schließlich selbst gesagt, dass der Mensch den perfekten Körper hat, ihn aber nur falsch einsetzt! Und die Schutzgeister wollen den Menschen doch helfen! Also, was ist? Wir schaffen das, oder?? Zusammen schaffen wir das!“ Arcons Blick erfüllte sich mit Hoffnung, er lächelte mich an, nickte erst, ehe er wieder nachdenklich an mir vorbei starrte, „Ja... Vielleicht können wir es schaffen, aber es sind doch zwei Auserwählte, und... ohne den anderen können wir es nicht schaffen. So lautet die Prophezeiung: Zwei Menschen mit ihren Schutzgeistern können den Herrn der dunklen Elemente besiegen... Aber den Zweiten zu finden wird schwer. Die Erde is unglaublich groß, auf ihr leben zigmillonen Menschen, 1/4 von ihnen hat einen Schutzgeist und von den Shytorzi, also den Schützlingen, haben wohl 8-9 das Pech alle Naturkatastrophen mitzuerleben...“ „Aber das würde ja heißen, dass es gar nicht sicher ist dass ich eine der Auserwählten bin... !?“, warf ich ein. „Naja, bei dir ist da was anderes. Erstens hat mein Vater bei dir die goldene Aura gesehen und zweitens waren bei dir auch theoretisch unmögliche Rojis, wie das Erdbeben oder die kleinen Vulkanausbrüche. Aber es gibt auch Menschen, die an solch ungünstigen Orten leben, dass sie alle Katastrophen der Katastrophenzeit miterleben... Und... wenn wir den falschen Auserwählten finden, dann gibt es keine Hoffnung mehr...“, erklärte Arcon. Seufzend setzte ich mich auf den Waldboden und sah Arcon stumm an. Wir schwiegen lange, ich überlegte, wie ich ihn aufmuntern könnte, doch es war vergebens, ich musste es irgendwie schaffen ihn wieder zu ermuntern, ihm klar machen, dass alles gut wird, dass wir das schaffen... und das möglichst schnell und möglichst so, dass er mir nicht widersprechen kann. Und das sollte schwer werden. Während ich überlegte kraulte ich Arcon sanft am Hals. Doch es war vergeblich, ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Etwas zu finden, dem Arcon nicht widersprechen konnte war extrem schwierig. Nach einer Weile lehnte ich mich vor und umarmte Arcon, „Komm, Arcon, wir gehen nach Hause. Das Leben geht weiter und solange die letzte Naturkatastrophe nicht bei mir aufgetaucht ist, ist doch noch alles in Ordnung. Komm...“ Während ich aufstand, strich ich sanft über Arcons Fell und bewegte meinen Körper Richtung Waldweg. Arcon folgte mir zögernd, „Weißt du, es ist einfach kein schönes Gefühl zu wissen, dass der eigene Vater bald… sterben wird...“ Ich sah betrübt zu Boden. „Aber... es ist doch gar nicht gesagt, dass das sicher so passiert. Ich meine, wenn ich wirklich die Auserwählte bin, dann werden wir den Hedden aufhalten und wir haben ja auch immer noch Zeit den anderen Auserwählten zu finden. Lass dich nicht hängen.“ „Aber wo sollen wir anfangen? Wir haben keinen einzigen Anhaltspunkt!“ Ich schwieg, wir beide schwiegen den ganzen restlichen Weg nach Hause. Mein Körper bebte. Ich hatte Angst. Natürlich wollte ich helfen... aber der Gedanke eine Auserwählte zu sein behagte mir gar nicht und machte mir Angst. Einen kurzen Moment zitterte ich. Gedankenversunken betrat ich unser Wohnzimmer durch die Terrassentür, zog meine Schuhe aus und stieg die Treppe hinauf. „Ach, Tia. Naomie hat vorhin angerufen, wegen Flug und so...“, meinte meine Mutter beiläufig. Ein Schauer jagte mir über den Rücken, Naomie hatte ich in der ganzen Aufregung um die Katastrophen total vergessen. Sie wollte doch in zwei Ferienwochen kommen! In den kommenden zwei! „Wo is‘n das Telefon?“, fragte ich meine Mutter, welche mir das Gerät daraufhin gab. Während ich die Nummer meiner Freundin aus dem Telefon suchte schlenderte ich in mein Zimmer und setzte mich bequem auf das Bett. Nach wenigen Tönen meldete sich Naomie, „Hallo?“ „Hi Naomie!“ „Ah, hallo Tia, du ich komm ja Morgen, ge?“ „Ja, wann kommst du denn an?“ „Weiß ich grad nich, aber ich freu mich schon voll!“ „Ich mich auch!“ „Hey, ähm... hat die Alex etz eigentlich scho ihren Führerschein?“ „Ja schon lange, seit Pfingsten...“ „Oh… na dann... dann kann se uns ja au rumfahren oda? Also i mein etz, wenn se mag, so Kino oder sowas.“ „Solange meine Mutter dabei ist, schon“ „Wieso denn das?“ „Mensch, Mädel, was ist an den Worten Führerschein mit 17 so schwer zu verstehen?“ „Aso, kla. Ah, Tia… soll ich irgendetwas Bestimmtes mitnehmen?“ „Nimm halt das mit, was du willst ich bin doch net deine Mutter“, lachte ich. „Okay… auch meinen Freund?“ Ich langte mir verzweifelt an die Stirn „Oh man Naomie, du kannst wirklich bescheuerte Fragen stellen, echt jetzt“, lachte ich, und sie auch. „Wann kommst du etz an? Schaust du bitte ma nach?“, bat ich meine Freundin schließlich. „Ja, warte -“ Ich hörte, wie sie durch die Wohnung lief und dann in einem Papierstapel blätterte. „Hier... also ich komm morgen Abend um 18:47 Uhr an... auf Terminal 1“ Rasch eilte ich zu meinem Schreibtisch, nahm Zettel und Stift und schrieb mir die Daten auf. „Muss jetzt auflegen, Tia, noch wen anrufen.“ „Okay, dann bis Morgen und schöne Grüße an deine Mutter“ „Ja danke, dir auch und bis Morgen!“ Daraufhin legte ich auf und lies mich seufzend nach hinten fallen. Einige Zeit lag ich einfach nur in meinem Bett, ohne Gedanken, ohne Regung. Ich starrte einfach nur gen Decke und wartete auf etwas Unbekanntes. Nach einer Weile hörte ich wie meine Mutter von ihrem Stuhl aufstand, in mein Zimmer kam und mich fragte, ob ich etwas Essen wolle. Ich nickte, „Mama?“ „Was denn, mein Schatz?“, antwortete diese. „Ich.. bin zu faul zum Aufstehen“, gestand ich lachend. „Tja, da gibt’s wohl nur zwei Möglichkeiten“, grinste meine Mutter. „Ich weiß“, seufzte ich lächelnd, während ich mühsam aufstand, „Entweder oder... Entweder ich steh auf oder nicht.“ „Du hast es erfasst!“, lachte meine Mutter. Grinsend stand ich mühsam auf und folgte meiner Mutter in die Küche. Während ich den Tisch deckte rief meine Mutter meinen Vater an und fragte ihn wie weit er sei und ob er zum essen käme. Aus der Verabschiedung meiner Mutter verstand ich, dass mein Vater bald zu Hause sein würde. „Was will Papa denn essen?“, fragte ich. „Woher soll ich das wissen? Bei deinem Vater weiß man nie...“ Lächelnd lies ich meinen Kopf hängen. Das stimmte. Es konnte sein, dass mein Vater einfach Bratkartoffeln oder Spiegelei macht. Konnte auch Salatsuppe oder sonst was sein. Ihn zu fragen machte wenig Sinn, seine Meinung konnte sich schnell ändern, er sagt er isst ein Brot und macht sich dann Spiegeleier... mit Brot. „Und Alex? Wann kommt die?“ „Was weiß ich?“, grinste meine Mutter schulterzuckend, „Sie wird schon kommen“ Ich nickte und drückte den Schalter unseres Toasters nach unten. Langsam merkte ich, wie ich müde wurde und setzte mich gähnend an den Tisch. Zur gleichen Zeit als meine zwei Toastbrote hüpften, hörten wir das Praxisauto meines Vaters in den Hof einfahren. Darauf folgte das Geräusch der zugezogenen Autotür, dann der Eintritt in das Wohnzimmer durch die Balkontüre, während ich aufstand und meine Toasts holte. Aus dem Wohnzimmer kam ein Räuspern. „Der müde Krieger ist zurückgekehrt“, grinste meine Mutter. Mein Vater kam in Küche, „N’abend ihr Hübschen!“ „N’abend!“, rief ich und umfasste den nicht wirklich schlanken Bauch meines Vaters. „Na, kleiner Wolf wie geht’s dir?“ „Gut“, lächelte ich setzte mich wieder an den Tisch. „Schatz, was willst du denn essen?“ „Ein Brot“, fasste sich mein Vater kurz, „Setzt euch und esst ich mach mir das schon.“ Nach den Essen half ich den Tisch abzuräumen und die Spülmaschine einzuräumen, ehe ich in mein Zimmer ging und mich auf mein Sofa setzte, mein Vater hatte sich übrigens Spiegeleier gemacht… mit Brot. „Arcon?“, fragte ich in den Raum. Sogleich erschien der Wolf vor mir, sprang neben mich und legte sich betrübt nieder. Ich berührte mit meiner Hand sanft seinen Kopf und begann, ihn, vom Kopf aus angefangen, über den Rücken zu streicheln, „Ich kenne da ein Sprichwort, vielleicht hilft uns das weiter…“ Arcon blickte auf, seine Augen wurden größer, ich meinte sogar einen kleinen Hoffnungsschimmer in ihnen zu sehen, „Sag, wie lautet es?“ „Wenn du suchst und nicht findest, dann werde gefunden“ Arcon überlegte kurz, sprang dann urplötzlich auf, trat mit seinem Gesicht so nah an meines heran, dass ich schockiert zurückwich, und sagte fröhlich laut: „Das ist es, Tia, vielleicht ist es nicht unsere Bestimmung den Auserwählten zu finden, sondern es ist die Bestimmung des anderen uns zu finden!“ Für wenige Sekunden sah ich nur in sein überzeugt lächelndes Gesicht. Der Blick meinerseits muss seltsam ausgesehen haben, denn nach wenigen Sekunden spannungsvoller Stille wandelte sich Arcons Lächeln in einen schmalen Spalt und seine Auge sahen mich verwirrt und zugleich skeptisch an. „Hm...“, überlegte ich schließlich, „ich dachte eher daran, dass die Zeit danach sucht.“ „Die Zeit?“, hakte Arcon entgeister nach. Ich nickte und kam mir für einen Moment wie in der falschen Rolle vor. Normalerweise erklärte Arcon mir alles und ich verstand nicht, was er sagte. „Ja... Die Zeit sucht einen Weg die Auserwählten zu vereinen, also, ich meine, dass der Auserwählte uns früher oder später sowieso über den Weg läuft. Unsere Wege müssen sich in nicht allzu ferner Zukunft kreuzen und ich glaub es bringt nichts sich den Kopf über eine Sache zu zerbrechen der man nicht gewachsen ist. Weil, wie du sagst, kann der Auserwählte irgendwo auf der Welt sein...“, erklärte ich mit wilden Gestiken. „Kann schon sein... nur will ich hoffen, dass diese Wegkreuzung nicht all zulange auf sich warten lässt. Wir wissen nicht, wann die nächste Naturkatastrophe kommt...“ Ich nickte, stand auf und schaltete meinen Computer an. In den vergangenen Wochen konnte ich mich kaum ein wenig Entspannung widmen. Zu viele Gedanken plagten mich, zu viele Ereignisse nagten an mir und Arcons Missmut kam auch hinzu. „Ich brauch etwas Ablenkung“, seufzte ich. „Mit dem Kasten?“, fragte Arcon. „Ich hab dir doch schon gesagt, dass das ein Computer ist“, lachte ich und knuffte Arcon spielerisch in sein Ohr, „Weißt du, was ich mich schon die ganze Zeit frage?“, meinte ich während ich die Adresse des Chats eingab. „Was denn?“ „Du erzählst von der Welt der Schutzgeister… wie sieht es dort aus, wie und wo wohnt ihr?“ Arcon schwieg kurz, ich loggte mich mit dem Nickname ‚San’ ein. Ein Ansturm von Chatbefehlen, welche mich umarmten, knuddelten und mir Schmatzer auf den Bildschirm gaben, sowie Smilies mit breiten Grinsen und fröhlichen Gesichtern überfielen mich. Sie nannten mich „Sahne“, „Sahnehaufen“ und „Sahni“, weil sich „San“ eben ähnlich anhörte. Mein Herz wurde warm. Für einige ist es eben nur ein Chat, aber für mich war es wie eine dritte Familie, in der sich alle halfen. „Wir wohnen auch in Häusern“, meinte Arcon. Ich war überrascht und sah den Wolf an, „Wie? Ich meine, wie baut ihr die Häuser??“ Das interessierte mich nun doch und meldete mich nach meiner eigenen Begrüßung, im Chat ab - mit dem Grund ‚Gleich wieder da’ „Wie du weißt leben wir Schutzgeister um einige Jahrhunderte länger und viele von uns betrachteten die Forschritte der Menschen, beobachteten, mit welchen Mitteln ihr Häuser aus Holz gebaut habt. Wir haben versucht es nachzuahmen. Doch ihr Menschen habt einfach die besseren Körper für solche Dinge. Schließlich lehrten wir uns selbst eine Möglichkeit aus Holz und Steinen Hütten zu bauen, mit Hilfe unserer Elemente. Einfache Hütten, aus dem einfachen Grund, dass wir von klein auf kennen lernen wie Menschen leben, in welchen Bauten. Damit Schutzgeister mit ihrem ersten Auftrag nicht überfordert sind und sich nicht davor fürchten. Also haben Schutzgeister sowas wie Dörfer gebaut. Natürlich sind unsere Gebäude nicht annähernd so bewundernswert wie eure, schließlich können wir unsere Körper nicht auf diese Weise einsetzen, aber andeutungsweise erkennt man die Form eines Hauses.“ Ich betrachte den Wolf skeptisch. Tiere in Häusern? In Dörfern? Wie funktionierte das? „Was denn?“, fragte Arcon entsetzt, „Es ist wirklich so! In eurer Welt leben Tiere auf natürliche Weise, doch wir Schutzgeister beobachten die Menschen und eignen uns nützliche Sachen an. Doch das machen wir hauptsächlich, um zu Hause so leben zu können, wie bei unseren Schützlingen!“ Ich zog meine Augenbrauen skeptisch nach oben. „Das wird wohl kein Mensch verstehen können… Pass auf, bei uns gibt es zwei Sorten von Schutzgeistern, die einen haben Schützlinge, die anderen haben ihre Aufgaben in unserer Welt. Bei uns gibt es genauso Regeln, Gesetze und Pflichten. Was diese zweite Sorte von Schutzgeistern macht ist so wie bei euch… wie heißt das… ähm... wenn die Menschen Arbeiten um dieses Geld zu bekommen?“ „Äh… Berufe?!“ „Ja, genau!“ „Is… kla…“ „Nein wirklich! Bei mir im Dorf gibt’s jemanden, der Essen besorgt und wen, der sich um Kranke kümmert, und einige müssen den kleinen Shyns ja auch alles beibringen!!“ „Ich weiß ja nicht warum, aber irgendwie komme ich mir grad verarscht vor…“ „Tia… du… wirst es…“, begann Arcon und wurde immer leise, „wohl sowieso… sehen…“ Ich sah Arcon wortlos an, welcher sich wegdrehte und sich auf mein Bett nieder lies. „Hab ich ihn jetzt beleidigt?“, dachte ich besorgt. Das lag nicht in meiner Absicht. Doch es war einfach unvorstellbar, wie in einem Kinderbuch, wo die Tiere mit Kleidung in Dörfern leben und Berufe haben. In der Realität so etwas zu erleben war unvorstellbar. Vorsichtig blickte ich den weißen Tundrawolf an. Sein Kopf ruhte auf den überkreuzten Vorderläufen. Geschlossene Augen, hängender Schweif und schlaffe Ohren. Es war, als hätte ich eine Träne über sein dickes Fell rinnen sehen. Nun stand ich auf, ging auf den Wolf zu und meinte besorgt, „Arcon, wenn ich dich…“ Doch Arcon schüttelte den Kopf, sagte mit zitternder Stimme: „Nein Tia, ist okay. War dumm von mir dir das zu erzählen, ist vollkommen klar, dass du so etwas nicht glauben kannst, ich denke über was anderes nach… bitte… lass mich kurz.“ Ich nickte besorgt, streichelte kurz Arcons Kopf und setzte mich dann wieder an den Computer. Später am Abend kam Alex, ihr gefiel es am Falkenhof richtig gut und, auch wenn sie einwenig kaputt war freute sie sich auf den nächsten Morgen. Am Tag darauf war Arcon wieder besser gelaunt und vertrug wieder mehr Humor. Dennoch waren wir beide jederzeit darauf gefasst auf die letzte Katastrophe zu treffen. Doch es kam nichts. So vergingen die Tage bis zu Naomies Ankunft rasch und ich saß mit meiner Mutter im Auto Richtung München Flughafen. Gebannt warteten wir in der großen Halle und betrachteten die Tafeln mit den ankommenden Flügen. Nun endlich sahen wir die Naomies Flugnummer aus Berlin auf dem großen digitalen Schild auftauchen. „Ganz schon laut hier“, grummelte Arcon. Ich nickte lächelnd und wibbte ungeduldig mit meinem Fuß, betrachtete jeden Passanten, welcher aus der Tür von der Landehalle in die Aufenthaltshalle trat, genau, wollte Naomie nicht übersehen und konnte es kaum erwarten sie wieder zu sehen, nach einem Jahr. Und endlich! Endlich erblickte ich Naomies Gesicht, ihre braunen Haare zu einem Zopf gebunden. Ihr Blick suchte die Halle ab. Ich lief auf sie zu, sie sah mich und kam auch auf uns zu. Als wir uns erreichten stellte sie ihre große Reisetasche auf den Boden und wir umarmten uns herzlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)