Der Wolf im Schatten der Natur von Akkasuka (Teil 1: Die Katastrophenzeit) ================================================================================ Kapitel 11: Die Ruhe vor dem Sturm ---------------------------------- Am Nächsten Vormittag fuhr Jonas wieder nach Hause. Meinen Schutzgeist sah ich den ganzen Tag über nicht mehr, seit ich aufgestanden war. Ich war besorgt um ihn, doch rufen wollte ich ihn nicht. Vielleicht sollte er einfach mal allein darüber nachdenken. Es war sicher schwer für ihn mit mir darüber zu reden, weil er Angst hatte mich nicht schützen zu können. Ich suchte Ablenkung in einem Chat, den ich seit nun mehr 3 Jahren kannte und dort einige richtig gute Freunde gefunden hatte. Ich hoffte, bald würden aus den Internetfreundschaften reale werden, natürlich nicht, bevor ich mit den Personen telefoniert hätte. Es tat mir gut wieder mit ihnen herumzualbern und die Probleme vom Weltuntergang zu vergessen. Auch am Tag darauf kam Arcon vorerst nicht zum Vorschein. Ich beschloss einen kleinen Spaziergang durch den Wald zu machen und als ich auf einer Baumwurzel saß und in der Ferne einer kleinen Rehfamilie beim weiden zusah, erschien Arcon langsam neben mir. Er konnte mich nicht ansehen und schwieg. An der Stelle seiner Wunde war nur noch ein roter Fleck unter dem weißen Fell zu sehen. Ich sah ihm an, dass er Angst hatte, Angst, dass der Hedden seinem Vater etwas antun würde, dass er mir etwas antut, dass er die Welt der Schutzgeister und die der Menschen zerstört, er war bedrückt, ich wusste nicht, wie ich ihm helfen konnte. Als die Rehe nervös mit ihren Ohren zuckten und schließlich wieder im Wald verschwanden, legte ich meinen Arm um Arcon, streichelte ihn und fragte, „Kann... ich dir irgendwie helfen?“ „Nein...“, flüsterte der Wolf, „Er wird alle töten, die was mit meinem Vater zu tun haben... Er wird noch stärker als zuvor sein... und ich... ich bin zu schwach, ich habe nicht mal ein eigenes Element... Ich kann ja nicht mal dich allein beschützen, wie soll ich die ganze Welt schützen können?“ Arcons Augen waren klein, er sah trüb auf den Boden, sah eher durch ihn durch, „Es ist jetzt zu spät, Tia.“ „W... Was redest du da?“, fragte ich ihn entsetzt, „Du... Du bist nicht schwach! Du bist echt toll, auch wenn du kein Element hast. Warte doch erstmal ab... dein Vater sagte doch, dass du deine Prüfung machen sollst!“ „Glaubst du ernsthaft, dass der Hedden noch wartet, bis der Schutzgeist der Auserwählten sein Element hat?!“, antwortete Arcon, drehte seinen Kopf zu mir, sah mich mit kleinen, glänzend feuchten Augen an. „Er... ist ganz zerstört, er zerbricht daran“, dachte ich schockiert, mitleidig. „Für ihn ist das ganze doch nur ein Spiel, oder?“, fragte ich nachdenklich. Arcon nickte betrübt. „Einem Spieler macht es keinen Spaß einen ‚schwachen’ Gegner zu haben, schließlich ist in euren Augen ein Schutzgeist ohne Element schwach... Also wird er doch warten... schätze ich“ „Und... was bringt mir das dann? Neue Kräfte, die ich anfangs nicht richtig beherrsche… tolle Vorraussetzung um gegen die Zerstörung alles Lebens voranzugehen... richtig toll...“ „Sei nicht so Pessimistisch! Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass er noch darauf wartet, ohne einen richtigen Rivalen macht es selbst dem besten Spieler keinen Spaß... außerdem ist die Katastrophenzeit noch nicht vorbei. Uns bleibt noch Zeit... Und ich Filmen ist es auch immer so, dass die Bösen warten, bis die Guten zu Rivalen werden...“ „Das hier ist aber keie boße Geschichte, Tia!!“, entgegnete Arcon laut, „Das ist die Realilät, wenn du falsch liegst mit deiner Vermutung, dann wird er wohl gleich nach dem Tondurio angreifen!!“ Arcon starrte mich ernst an, seine Augen funkelten, ich konnte jedoch nicht sagen, ob aus Zorn, Angst oder Trauer. „Tondurio?“, fragte ich ohne auf das vorherige Thema einzugehen. „Tondurio, der Rote Donner, so nennen wir das Gewitter der Katastrophenzeit. Es ist besonders aggressiv und die Blitze suchen gezielt ihre Opfer.“ „Und... warum ‚rot’??“ „Das wirst du sehen...“, seufzte er und wandte sich wieder ab. „Was ich nicht verstehe ist, warum er nur alles zerstören will... Was erreicht er damit... außer einer leeren Welt?“, seufzte ich nach einer Weile des Schweigend nachdenklich und sah Arcon an. Der Wolf antwortete erst nichtund räusperte sich schließlich, „Ich weiß es nicht genau, aber ich kann mir vorstellen, dass er eine neue Welt erschaffen will. Soviel ich weiß, hasst er die Menschen, weil sie uns Schutzgeister damals vor vielen Jahren in unsere Welt verbannt haben. Und die Schutzgeister hasst er, weil sie sich das gefallen haben lassen und die Menschen trotz allem weiterhin beschützen. Deswegen hat er sie vor 1000 Jahren versklavt und tyrannisiert... weil er sie so behandeln wollte, wie sie es in seinen Augen verdient haben. Und seit 1000 Jahren haben die Menschen viele Maschinen erfunden. Manche sind nützlich, andere weniger. Wahrscheinlich will er nun alles ausrotten, damit die Welt nicht vergiftet wird, damit die Schutzgeister dies nicht mehr dulden und er seine Welt aufstellen kann. Das ist es, was ich über ihn denke...“ „Wie wird diese Welt wohl aussehen...?“ „Keine Ahnung, ich will nicht daran denken...Jedenfalls ohne Menschen und schlimmer als es jetzt ist…“ „Arcon!“, rief ich ernst, hockte mich vor den Wolf und sah ihm tief in die Augen, „Wenn ich wirklich die Auserwählte bin, dann verspreche ich dir, dass wir ihn zusammen aufhalten können!“ „Kannst du etwas versprechen, von dem du nicht sicher bist, ob du es halten kannst?“, fiel mir Arcons ins Wort. „Wir dürfen nicht zulassen dass unsere Welten zerstört werden!“, fuhrt ich ungehindert fort, auch wenn ich Arcon insgeheim recht geben musst, „Ich weiß selbst, dass die Menschen nicht immer richtig handeln und oft wirklich egoistisch sind, aber deswegen dürfen sie nicht ausgerottet werden, du hast schließlich selbst gesagt, dass der Mensch den perfekten Körper hat, ihn aber nur falsch einsetzt! Und die Schutzgeister wollen den Menschen doch helfen! Also, was ist? Wir schaffen das, oder?? Zusammen schaffen wir das!“ Arcons Blick erfüllte sich mit Hoffnung, er lächelte mich an, nickte erst, ehe er wieder nachdenklich an mir vorbei starrte, „Ja... Vielleicht können wir es schaffen, aber es sind doch zwei Auserwählte, und... ohne den anderen können wir es nicht schaffen. So lautet die Prophezeiung: Zwei Menschen mit ihren Schutzgeistern können den Herrn der dunklen Elemente besiegen... Aber den Zweiten zu finden wird schwer. Die Erde is unglaublich groß, auf ihr leben zigmillonen Menschen, 1/4 von ihnen hat einen Schutzgeist und von den Shytorzi, also den Schützlingen, haben wohl 8-9 das Pech alle Naturkatastrophen mitzuerleben...“ „Aber das würde ja heißen, dass es gar nicht sicher ist dass ich eine der Auserwählten bin... !?“, warf ich ein. „Naja, bei dir ist da was anderes. Erstens hat mein Vater bei dir die goldene Aura gesehen und zweitens waren bei dir auch theoretisch unmögliche Rojis, wie das Erdbeben oder die kleinen Vulkanausbrüche. Aber es gibt auch Menschen, die an solch ungünstigen Orten leben, dass sie alle Katastrophen der Katastrophenzeit miterleben... Und... wenn wir den falschen Auserwählten finden, dann gibt es keine Hoffnung mehr...“, erklärte Arcon. Seufzend setzte ich mich auf den Waldboden und sah Arcon stumm an. Wir schwiegen lange, ich überlegte, wie ich ihn aufmuntern könnte, doch es war vergebens, ich musste es irgendwie schaffen ihn wieder zu ermuntern, ihm klar machen, dass alles gut wird, dass wir das schaffen... und das möglichst schnell und möglichst so, dass er mir nicht widersprechen kann. Und das sollte schwer werden. Während ich überlegte kraulte ich Arcon sanft am Hals. Doch es war vergeblich, ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Etwas zu finden, dem Arcon nicht widersprechen konnte war extrem schwierig. Nach einer Weile lehnte ich mich vor und umarmte Arcon, „Komm, Arcon, wir gehen nach Hause. Das Leben geht weiter und solange die letzte Naturkatastrophe nicht bei mir aufgetaucht ist, ist doch noch alles in Ordnung. Komm...“ Während ich aufstand, strich ich sanft über Arcons Fell und bewegte meinen Körper Richtung Waldweg. Arcon folgte mir zögernd, „Weißt du, es ist einfach kein schönes Gefühl zu wissen, dass der eigene Vater bald… sterben wird...“ Ich sah betrübt zu Boden. „Aber... es ist doch gar nicht gesagt, dass das sicher so passiert. Ich meine, wenn ich wirklich die Auserwählte bin, dann werden wir den Hedden aufhalten und wir haben ja auch immer noch Zeit den anderen Auserwählten zu finden. Lass dich nicht hängen.“ „Aber wo sollen wir anfangen? Wir haben keinen einzigen Anhaltspunkt!“ Ich schwieg, wir beide schwiegen den ganzen restlichen Weg nach Hause. Mein Körper bebte. Ich hatte Angst. Natürlich wollte ich helfen... aber der Gedanke eine Auserwählte zu sein behagte mir gar nicht und machte mir Angst. Einen kurzen Moment zitterte ich. Gedankenversunken betrat ich unser Wohnzimmer durch die Terrassentür, zog meine Schuhe aus und stieg die Treppe hinauf. „Ach, Tia. Naomie hat vorhin angerufen, wegen Flug und so...“, meinte meine Mutter beiläufig. Ein Schauer jagte mir über den Rücken, Naomie hatte ich in der ganzen Aufregung um die Katastrophen total vergessen. Sie wollte doch in zwei Ferienwochen kommen! In den kommenden zwei! „Wo is‘n das Telefon?“, fragte ich meine Mutter, welche mir das Gerät daraufhin gab. Während ich die Nummer meiner Freundin aus dem Telefon suchte schlenderte ich in mein Zimmer und setzte mich bequem auf das Bett. Nach wenigen Tönen meldete sich Naomie, „Hallo?“ „Hi Naomie!“ „Ah, hallo Tia, du ich komm ja Morgen, ge?“ „Ja, wann kommst du denn an?“ „Weiß ich grad nich, aber ich freu mich schon voll!“ „Ich mich auch!“ „Hey, ähm... hat die Alex etz eigentlich scho ihren Führerschein?“ „Ja schon lange, seit Pfingsten...“ „Oh… na dann... dann kann se uns ja au rumfahren oda? Also i mein etz, wenn se mag, so Kino oder sowas.“ „Solange meine Mutter dabei ist, schon“ „Wieso denn das?“ „Mensch, Mädel, was ist an den Worten Führerschein mit 17 so schwer zu verstehen?“ „Aso, kla. Ah, Tia… soll ich irgendetwas Bestimmtes mitnehmen?“ „Nimm halt das mit, was du willst ich bin doch net deine Mutter“, lachte ich. „Okay… auch meinen Freund?“ Ich langte mir verzweifelt an die Stirn „Oh man Naomie, du kannst wirklich bescheuerte Fragen stellen, echt jetzt“, lachte ich, und sie auch. „Wann kommst du etz an? Schaust du bitte ma nach?“, bat ich meine Freundin schließlich. „Ja, warte -“ Ich hörte, wie sie durch die Wohnung lief und dann in einem Papierstapel blätterte. „Hier... also ich komm morgen Abend um 18:47 Uhr an... auf Terminal 1“ Rasch eilte ich zu meinem Schreibtisch, nahm Zettel und Stift und schrieb mir die Daten auf. „Muss jetzt auflegen, Tia, noch wen anrufen.“ „Okay, dann bis Morgen und schöne Grüße an deine Mutter“ „Ja danke, dir auch und bis Morgen!“ Daraufhin legte ich auf und lies mich seufzend nach hinten fallen. Einige Zeit lag ich einfach nur in meinem Bett, ohne Gedanken, ohne Regung. Ich starrte einfach nur gen Decke und wartete auf etwas Unbekanntes. Nach einer Weile hörte ich wie meine Mutter von ihrem Stuhl aufstand, in mein Zimmer kam und mich fragte, ob ich etwas Essen wolle. Ich nickte, „Mama?“ „Was denn, mein Schatz?“, antwortete diese. „Ich.. bin zu faul zum Aufstehen“, gestand ich lachend. „Tja, da gibt’s wohl nur zwei Möglichkeiten“, grinste meine Mutter. „Ich weiß“, seufzte ich lächelnd, während ich mühsam aufstand, „Entweder oder... Entweder ich steh auf oder nicht.“ „Du hast es erfasst!“, lachte meine Mutter. Grinsend stand ich mühsam auf und folgte meiner Mutter in die Küche. Während ich den Tisch deckte rief meine Mutter meinen Vater an und fragte ihn wie weit er sei und ob er zum essen käme. Aus der Verabschiedung meiner Mutter verstand ich, dass mein Vater bald zu Hause sein würde. „Was will Papa denn essen?“, fragte ich. „Woher soll ich das wissen? Bei deinem Vater weiß man nie...“ Lächelnd lies ich meinen Kopf hängen. Das stimmte. Es konnte sein, dass mein Vater einfach Bratkartoffeln oder Spiegelei macht. Konnte auch Salatsuppe oder sonst was sein. Ihn zu fragen machte wenig Sinn, seine Meinung konnte sich schnell ändern, er sagt er isst ein Brot und macht sich dann Spiegeleier... mit Brot. „Und Alex? Wann kommt die?“ „Was weiß ich?“, grinste meine Mutter schulterzuckend, „Sie wird schon kommen“ Ich nickte und drückte den Schalter unseres Toasters nach unten. Langsam merkte ich, wie ich müde wurde und setzte mich gähnend an den Tisch. Zur gleichen Zeit als meine zwei Toastbrote hüpften, hörten wir das Praxisauto meines Vaters in den Hof einfahren. Darauf folgte das Geräusch der zugezogenen Autotür, dann der Eintritt in das Wohnzimmer durch die Balkontüre, während ich aufstand und meine Toasts holte. Aus dem Wohnzimmer kam ein Räuspern. „Der müde Krieger ist zurückgekehrt“, grinste meine Mutter. Mein Vater kam in Küche, „N’abend ihr Hübschen!“ „N’abend!“, rief ich und umfasste den nicht wirklich schlanken Bauch meines Vaters. „Na, kleiner Wolf wie geht’s dir?“ „Gut“, lächelte ich setzte mich wieder an den Tisch. „Schatz, was willst du denn essen?“ „Ein Brot“, fasste sich mein Vater kurz, „Setzt euch und esst ich mach mir das schon.“ Nach den Essen half ich den Tisch abzuräumen und die Spülmaschine einzuräumen, ehe ich in mein Zimmer ging und mich auf mein Sofa setzte, mein Vater hatte sich übrigens Spiegeleier gemacht… mit Brot. „Arcon?“, fragte ich in den Raum. Sogleich erschien der Wolf vor mir, sprang neben mich und legte sich betrübt nieder. Ich berührte mit meiner Hand sanft seinen Kopf und begann, ihn, vom Kopf aus angefangen, über den Rücken zu streicheln, „Ich kenne da ein Sprichwort, vielleicht hilft uns das weiter…“ Arcon blickte auf, seine Augen wurden größer, ich meinte sogar einen kleinen Hoffnungsschimmer in ihnen zu sehen, „Sag, wie lautet es?“ „Wenn du suchst und nicht findest, dann werde gefunden“ Arcon überlegte kurz, sprang dann urplötzlich auf, trat mit seinem Gesicht so nah an meines heran, dass ich schockiert zurückwich, und sagte fröhlich laut: „Das ist es, Tia, vielleicht ist es nicht unsere Bestimmung den Auserwählten zu finden, sondern es ist die Bestimmung des anderen uns zu finden!“ Für wenige Sekunden sah ich nur in sein überzeugt lächelndes Gesicht. Der Blick meinerseits muss seltsam ausgesehen haben, denn nach wenigen Sekunden spannungsvoller Stille wandelte sich Arcons Lächeln in einen schmalen Spalt und seine Auge sahen mich verwirrt und zugleich skeptisch an. „Hm...“, überlegte ich schließlich, „ich dachte eher daran, dass die Zeit danach sucht.“ „Die Zeit?“, hakte Arcon entgeister nach. Ich nickte und kam mir für einen Moment wie in der falschen Rolle vor. Normalerweise erklärte Arcon mir alles und ich verstand nicht, was er sagte. „Ja... Die Zeit sucht einen Weg die Auserwählten zu vereinen, also, ich meine, dass der Auserwählte uns früher oder später sowieso über den Weg läuft. Unsere Wege müssen sich in nicht allzu ferner Zukunft kreuzen und ich glaub es bringt nichts sich den Kopf über eine Sache zu zerbrechen der man nicht gewachsen ist. Weil, wie du sagst, kann der Auserwählte irgendwo auf der Welt sein...“, erklärte ich mit wilden Gestiken. „Kann schon sein... nur will ich hoffen, dass diese Wegkreuzung nicht all zulange auf sich warten lässt. Wir wissen nicht, wann die nächste Naturkatastrophe kommt...“ Ich nickte, stand auf und schaltete meinen Computer an. In den vergangenen Wochen konnte ich mich kaum ein wenig Entspannung widmen. Zu viele Gedanken plagten mich, zu viele Ereignisse nagten an mir und Arcons Missmut kam auch hinzu. „Ich brauch etwas Ablenkung“, seufzte ich. „Mit dem Kasten?“, fragte Arcon. „Ich hab dir doch schon gesagt, dass das ein Computer ist“, lachte ich und knuffte Arcon spielerisch in sein Ohr, „Weißt du, was ich mich schon die ganze Zeit frage?“, meinte ich während ich die Adresse des Chats eingab. „Was denn?“ „Du erzählst von der Welt der Schutzgeister… wie sieht es dort aus, wie und wo wohnt ihr?“ Arcon schwieg kurz, ich loggte mich mit dem Nickname ‚San’ ein. Ein Ansturm von Chatbefehlen, welche mich umarmten, knuddelten und mir Schmatzer auf den Bildschirm gaben, sowie Smilies mit breiten Grinsen und fröhlichen Gesichtern überfielen mich. Sie nannten mich „Sahne“, „Sahnehaufen“ und „Sahni“, weil sich „San“ eben ähnlich anhörte. Mein Herz wurde warm. Für einige ist es eben nur ein Chat, aber für mich war es wie eine dritte Familie, in der sich alle halfen. „Wir wohnen auch in Häusern“, meinte Arcon. Ich war überrascht und sah den Wolf an, „Wie? Ich meine, wie baut ihr die Häuser??“ Das interessierte mich nun doch und meldete mich nach meiner eigenen Begrüßung, im Chat ab - mit dem Grund ‚Gleich wieder da’ „Wie du weißt leben wir Schutzgeister um einige Jahrhunderte länger und viele von uns betrachteten die Forschritte der Menschen, beobachteten, mit welchen Mitteln ihr Häuser aus Holz gebaut habt. Wir haben versucht es nachzuahmen. Doch ihr Menschen habt einfach die besseren Körper für solche Dinge. Schließlich lehrten wir uns selbst eine Möglichkeit aus Holz und Steinen Hütten zu bauen, mit Hilfe unserer Elemente. Einfache Hütten, aus dem einfachen Grund, dass wir von klein auf kennen lernen wie Menschen leben, in welchen Bauten. Damit Schutzgeister mit ihrem ersten Auftrag nicht überfordert sind und sich nicht davor fürchten. Also haben Schutzgeister sowas wie Dörfer gebaut. Natürlich sind unsere Gebäude nicht annähernd so bewundernswert wie eure, schließlich können wir unsere Körper nicht auf diese Weise einsetzen, aber andeutungsweise erkennt man die Form eines Hauses.“ Ich betrachte den Wolf skeptisch. Tiere in Häusern? In Dörfern? Wie funktionierte das? „Was denn?“, fragte Arcon entsetzt, „Es ist wirklich so! In eurer Welt leben Tiere auf natürliche Weise, doch wir Schutzgeister beobachten die Menschen und eignen uns nützliche Sachen an. Doch das machen wir hauptsächlich, um zu Hause so leben zu können, wie bei unseren Schützlingen!“ Ich zog meine Augenbrauen skeptisch nach oben. „Das wird wohl kein Mensch verstehen können… Pass auf, bei uns gibt es zwei Sorten von Schutzgeistern, die einen haben Schützlinge, die anderen haben ihre Aufgaben in unserer Welt. Bei uns gibt es genauso Regeln, Gesetze und Pflichten. Was diese zweite Sorte von Schutzgeistern macht ist so wie bei euch… wie heißt das… ähm... wenn die Menschen Arbeiten um dieses Geld zu bekommen?“ „Äh… Berufe?!“ „Ja, genau!“ „Is… kla…“ „Nein wirklich! Bei mir im Dorf gibt’s jemanden, der Essen besorgt und wen, der sich um Kranke kümmert, und einige müssen den kleinen Shyns ja auch alles beibringen!!“ „Ich weiß ja nicht warum, aber irgendwie komme ich mir grad verarscht vor…“ „Tia… du… wirst es…“, begann Arcon und wurde immer leise, „wohl sowieso… sehen…“ Ich sah Arcon wortlos an, welcher sich wegdrehte und sich auf mein Bett nieder lies. „Hab ich ihn jetzt beleidigt?“, dachte ich besorgt. Das lag nicht in meiner Absicht. Doch es war einfach unvorstellbar, wie in einem Kinderbuch, wo die Tiere mit Kleidung in Dörfern leben und Berufe haben. In der Realität so etwas zu erleben war unvorstellbar. Vorsichtig blickte ich den weißen Tundrawolf an. Sein Kopf ruhte auf den überkreuzten Vorderläufen. Geschlossene Augen, hängender Schweif und schlaffe Ohren. Es war, als hätte ich eine Träne über sein dickes Fell rinnen sehen. Nun stand ich auf, ging auf den Wolf zu und meinte besorgt, „Arcon, wenn ich dich…“ Doch Arcon schüttelte den Kopf, sagte mit zitternder Stimme: „Nein Tia, ist okay. War dumm von mir dir das zu erzählen, ist vollkommen klar, dass du so etwas nicht glauben kannst, ich denke über was anderes nach… bitte… lass mich kurz.“ Ich nickte besorgt, streichelte kurz Arcons Kopf und setzte mich dann wieder an den Computer. Später am Abend kam Alex, ihr gefiel es am Falkenhof richtig gut und, auch wenn sie einwenig kaputt war freute sie sich auf den nächsten Morgen. Am Tag darauf war Arcon wieder besser gelaunt und vertrug wieder mehr Humor. Dennoch waren wir beide jederzeit darauf gefasst auf die letzte Katastrophe zu treffen. Doch es kam nichts. So vergingen die Tage bis zu Naomies Ankunft rasch und ich saß mit meiner Mutter im Auto Richtung München Flughafen. Gebannt warteten wir in der großen Halle und betrachteten die Tafeln mit den ankommenden Flügen. Nun endlich sahen wir die Naomies Flugnummer aus Berlin auf dem großen digitalen Schild auftauchen. „Ganz schon laut hier“, grummelte Arcon. Ich nickte lächelnd und wibbte ungeduldig mit meinem Fuß, betrachtete jeden Passanten, welcher aus der Tür von der Landehalle in die Aufenthaltshalle trat, genau, wollte Naomie nicht übersehen und konnte es kaum erwarten sie wieder zu sehen, nach einem Jahr. Und endlich! Endlich erblickte ich Naomies Gesicht, ihre braunen Haare zu einem Zopf gebunden. Ihr Blick suchte die Halle ab. Ich lief auf sie zu, sie sah mich und kam auch auf uns zu. Als wir uns erreichten stellte sie ihre große Reisetasche auf den Boden und wir umarmten uns herzlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)