Der Wolf im Schatten der Natur von Akkasuka (Teil 1: Die Katastrophenzeit) ================================================================================ Kapitel 7: Glut --------------- Tia komm mal schnell!“, rief die Stimme meiner Schwester aufgeregt von unten und weckte mich aus meiner verträumten Phase. Ich stand rasch auf und eilte zu Alex, „Was ist denn?“ „Da ist ein Bericht von der Flutwelle in Italien“, erklärte sie mir, während sie mich in das Wohnzimmer führte. Stumm setzte ich mich neben meine Mutter und verfolgte den Nachrichtenbericht. „Noch immer spekulieren Wissenschaftler über die Ursache der plötzlich verschwindenden Flutwelle in Italien an der nördlichen Küste der Adria. Diese Amateur-Aufnahmen erhielt vorgestern der Italienische Sender RAI2“, erzählte die Nachrichtensprecherin sachlich. Darauf folgte ein Ausschnitt aus dem genannten Video. Die schlechte Qualität der Bildaufnahme zeigte, wie der Tsunami sich rasch erhob und die Menschen auf dem Strand panisch schrien und wegrannten. Aus dem Hintergrund kam eine männliche, erschrockene Stimme, die etwas Italienisches sagte, was ich allerdings nicht verstand, es war etwa, „Mio dio! Un maremoto! Corre!“ Mit wackelndem Bild entfernte sich die Kamera von der Flutwelle, als diese urplötzlich, schneller als sie gekommen war, wieder ins Meer zurückzog. „Das ist nicht gut“, klagte Arcon. „Seit wann ist er wieder da?“, grübelte ich grinsend. „Die Menschen werden nie lösen können, welche Macht dahinter steckt, ich hätte die Zeitstille sofort machen sollen als die Flutwelle noch ganz klein war“ „Ach was, niemand wird das herausfinden“, murmelte ich und verfolgte die Nachrichten weiter. „Es ist für uns noch unerklärlich, wie dieses faszinierende Naturereignis zustande kam. Falls die Flutwelle durch einen Vulkanausbruch auf dem Meeresgrund ausgelöst wurde könnte es sein, dass eine ungewöhnlich starke Meeresströmung diese Umweltkatastrophe gebremst und wieder zurückgeführt hatte oder aber es hat sich ein Strudel oder eine ähnliche Strömung hinter der Flutwelle gebildet, welcher das Wasser des Tsunami, äh.. sozusagen... abgesogen hatte“, erklärte ein Wissenschaftler mit einfachen Worten und wirren Handbewegungen, mit denen er seine Theorien anhand einer Karte mit den verschiedenen Meeresströmungen zeigte. „Danke, Professor Beckhart“, bedankte sich die Reporterin, „Unsere Wissenschaftler tun alles, damit sich diese Sache möglichst bald aufklärt, nun zu den Nachrichten im Überblick... Moment bitte“, unterbrach sich die Nachrichtensprecherin und hörte aufmerksam zu, wie ihr von der Regie etwas durch ihr Headset gesagt wurde. „Soeben erhalte ich eine Nachricht, dass uns ein weiteres Video, offenbar von einem Italienisch-deutschem Nachrichtenteam, zugeschickt wurde. Wir werden es mal abspielen“ „Das wird doch nicht etwa...“, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, doch ehe ich ihn fertig denken konnte erwies er sich bereits als richtig. Nach einem kurzen Rauschen zeigte die schiefe Kamera Senior Banettes Gesicht in Großaufnahme, zoomte dann unentschieden vor und zurück, bis die Dame das Wort ergriff: „Ich bin hier im Haus von Tia, dem Mädchen, das dem Tsunami von gestern am nächsten war und alles unbeschadet überstanden hatte“ Nun schwenkte die Kamera schnell zu mir und alles lief ab, wie ich es in Erinnerung hatte: Meine recht patzige Antwort auf Bannettes Frage, die Szene, in der ich künstlich weinend weg rannte, wobei meine Familie mir verdutzt nachschaute und Seniorita Banette, etwas unverständliches stammelte. Ich bagann zu lachen, „Alex! Du hattest Recht! Die hat ja echt voll dumm geschaut!“ Meine Schwester unterdrückte ein Lachen und folgte der Filmaufnahme grinsend. Die Reporterin Benette wusste nicht was los war, sie schaute, als wäre ihr ein Geist begegnet, der sich vor einer Karotte fürchtet, fasste sich jedoch wieder und gerade als sie wieder reden wollte begann meine entsetzte Mutter zu rufen: „Sehen sie, was sie gemacht haben? Meine arme Tochter! Nun hat sie wieder ein Trauma, dabei ist sie doch gerade dabei gewesen sich prächtig zu erholen!“ Die Kamera war auf meine Eltern gerichtet, die sich nicht anmerken ließen, dass alles nur gespielt war. „Gehen sie aus dieser Wohnung!“, klang die Stimme meines Vater und er zeigte wütend an der Kamera vorbei Richtung Tür. Kurz sackte die Kamera nach unten, als würde der Kameramann, Senior Kuschluck, abgelenkt. Dann richtete sich das Bild wieder auf die Reporterin, welche übertrieben besorgt meinte: „Das arme Mädchen, ich denke es ist besser, sie nun in Ruhe zu lassen, auf Wiedersehen!“ Seniorita Benette winkte meiner Familie mit einem überheblichen Grinsen zu, welches sie sich anscheinend nicht verkneifen konnte und ging dann mit schnellen Schritten weg. Die Kamera schwankte kurz, ehe man Senior Kuschlucks dreckige braune Schuhe mit lila Schnürsenkeln sah, welche mit schnellen Schritten Seniorita Bennette hinterher rannten. „Ne oder? Der hat jetzt nicht wirklich vergessen die Kamera auszumachen?“, rief meine Mutter lachend während mein Vater schadenfroh lächelte. „Anscheinend doch!“, bemerkte Alex und begann nun auch zu lachen. Das Bild wurde schwarz und im Hintergrund des Fernsehbildes hörte man Die Nachrichtensprecherin, „War das jetzt der Bericht?“ Nun kam das Studio wieder zum Vorschein und wir hatten Mühe unser Gelächter im Rahmen zu halten, um den Rest der Nachrichten auch mit zu bekommen. Auch die Reporterin versteckte ihr Lachen hinter ihrer Hand während auf dem Bildschirm hinter ihr wieder ein scharfes Bild entstand. „Oh?“, bemerkte sie und schaute hinter sich, „Geht es noch weiter?“ Auf dem Bild erschien wieder Seniorita Bennette, die sich ihre hellbraunen Haare zu Recht zupfte und dabei übertrieben grinste, „Bitte entschuldigen sie, dass wir nicht mehr herausfinden konnten, weiteres überlassen wir lieber den Profis… Auf Wiedersehen!“ Dann war wieder alles schwarz. Wir krümmten uns schon vor Lachen, und die Nachrichtensprecherin konnte ihr Lachen auch nur schwer zurückhalten. Doch wir beruhigten uns recht schnell, als die Nachrichten zu einem anderen Thema wechselten. „Eine weiteres unerklärliches Naturereignis erschüttert viele Wissenschaftler und Meteorologen. Eine Welle von plötzlichen, unerklärten Orkanböen bis hin zu Tornados fegte quer verteilt über die gesamte Welt. Besonders stark betroffen waren die Städte Brasília in Brasilien, Pol-e Khomri in Afghanistan, Heinola in Finnland und San in Mali. Der stärkste Tornado wütete mit einer Geschwindigkeit von bis zu 109 Stundenkilometern in der Nähe von Singapur. Bis weilen gibt es rund 13000 leicht bist schwer verletzte, 28 Todesfälle und einen weltweiten Sachschaden von etwa 12,8 Milliarden Dollar“ „Heftig“, stutzte ich. „Wahnsinn...“, keuchte meine Mutter. „Da ham‘ wir ja Glück gehabt, dass bei uns nur so‘n kleiner Sturm war“, bemerkte Alexandra, während in den Nachrichten Amateurviedeoaufnahmen der Vorfälle in den verschiedenen Regionen zeigten. Das Telefon klingelte. „Ich geh schon“, sagte ich und lief los, um das Telefon zu suchen und in der Küche zu finden. „Ja, Nocol?“, meldete ich mich und Naomi, meine Freundin aus Brandenburg, meldete sich. Wir waren auf derselben Grundschule, und dann zwei Jahre auf demselben Gymnasium. Doch dann bin ich mit meiner Familie vor erst 2 Jahren von Mittelfranken in den Süden gezogen. Und Naomi zog auch weg, sie war in der 2. und 3. Klasse Pflegekind bei uns, da ihre Mutter einen Ganztagsjob hatte. Unglücklicherweise verschlug es sie kurz nach uns in genau die andere Richtung: Während wir nach Süden kamen, wohnte sie nun im Norden Deutschlands. „Hey, Tia wir haben dich grad im Fernseher gesehen, stimmt das echt? Warst du bei dem Tsunami? Das glaub ich ja gar nicht“, redete meine Freundin sogleich los. „Tja, aber so ist es...“ Ich stellte das Telefon auf Lautsprecher, ging in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett. „Mama, des stimmt fei, ich hab die Tia grad gefragt“, rief sie am anderen Ende der Leitung. Ich hörte ihre Mutter sagen: „Sonst wär’s ja auch ned im Fernseher gewesen, wenn’s ned gestimmt hätte…“ „Du, Tia, was war des denn für ein Gefühl?“ Naomi stellte immer solche doofen Fragen, obwohl sie eigentlich ein cleveres Mädchen war. „Ich war überglücklich“, grummelte ich. „Echt?“ „Nee, natürlich nicht, das war schrecklich! Ich hatte solche Angst, das glaubst gar nicht“ „Weißt du…“, fing sie an, doch ich unterbrach sie: „Nein, ich weiß nicht, wieso der Tsunami so plötzlich zurückging, oder hast du dem Fernseher nicht zugeschaut?“ „Doch, na gut, ähm… was wollt ich denn sagen? Nein sag nichts ich komm schon noch drauf… Ach ja, ähm hast du da echt geweint?“ „Nee, ich wollte bloß meine Ruhe haben…“ „Sag mal spinnst du? So ’ne Chance ist einmalig!“ „Wenn du wüsstest was ich weiß hättest du das wahrscheinlich auch gemacht!“, sagte ich laut und merkte gleich, dass das zu viel gesagt war. Und wie ich es sofort merkte, hackte sie sofort nach: „Aha, was weißt du denn?“ „Du wirst es mir eh nicht glauben“, sagte ich etwas leiser. „Jetzt sag schon! Ich halt dich schon ned für verrückt“ „Doch, das wirst du“ „Nein“ „Doch“ „Nein“ „Doch“ „‘etz, nein!“ „Doch, wenn ich’s dir sage! Nicht mal die Alex hat’s mir geglaubt, geschweige denn meine Mutter oder mein Vater!“ „Und was is’ mit der Anna?“ Anna, auch eine sehr gute Freundin von mir, kannte ich ebenfalls aus meiner alten Schule, zum Glück ist sie nicht weggezogen. Zuerst konnten wir uns nicht ausstehen. Dann, glücklicher Weise, hat unsere Religionslehrerin uns nebeneinander gesetzt und wir haben nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch eine tiefe Freundschaft entdeckt. „Mit der hab ich noch gar ned gesprochen…“ „Erzählst du’s ihr?“ „Nee, die Anna hält mich doch ganz sicher auch für verrückt“ „Jetzt sag schon!“ „Nein! Naomi, wenn jetzt nicht aufhörst zu nerven leg ich auf“, drohte ich. „Ja okay, keine gute Drohung“, dachte ich mir, „aber wenn sie mit mir reden will, muss die drauf eingehen!“ „Menno, das ist gemein, ich dachte ich bin deine Freundin!“ „Ja, das bist du auch, aber, es… wenn dir sowas passiert wäre würdest du es mir bestimmt auch ned sagen“ „Nun komm’ schon, hab dich nicht so“ „Nein, Naomi, wie oft denn noch? Nein, nein und nochmals NEIN!“, rief ich wütend. „Können wir über irgendwas anderes reden? Bitte“, meinte ich schließlich etwas leiser. In diesem Moment erschien auf dem Handy-Display Anklopfen von Anna. „Du, Naomi, die Anna ruft grad‘ an, kann ich später irgendwann zurückrufen?“ „Ja, ja, aber dann möchte ich wissen, was wirklich…“ „Also dann tschüss, Naomi“ „Tschüss, Tia…“ Ich legte seufzend auf, lies das Telefon noch zwei Mal klingeln, während ich mich rücklings auf mein Bett fallen ließ, und Annas Anruf entgegen nahm. „Hi“, meldete ich mich und bekam die gleiche Begrüßung zurück. „Stimmt des echt mit der Tsunami?“, fragte Anna gleich. „Jepp, das war so schrecklich! Du glaubst gar ned wie eiskalt es einem den Rücken runterläuft.“ „Coole Show hast du bei dem Interview abgezogen! Du hast doch nur so getan, als würdest du weinen, oder?“, meinte sie und ich konnte mir schon ihr Lächeln bei diesem Satz vorstellen. „Klar“, stimmte ich zu, „Ich hatte keinen Bock darauf, ich war nicht mal vorbereitet, die kamen einfach so rein! Und unfreundlich waren die obendrein auch noch!“ „Hast du im Fernsehen diese lila Schnürsenkel gesehen?“ „Ja, mein Gott, sahen die bekloppt aus, die waren echt blöd!“ „Ja wirklich!“ Anna und ich lachten und wir redeten noch etwas länger über unsere Zeugnisse und die Ferien. Ich war froh, dass sie mich nicht so wie Naomi über das, was passiert war, ausfragte. Wie dem auch sei, es tat mir echt gut mal wieder mit ihr zu telefonieren. Ich überlegte, ob ich sie fragen sollte, ob sie an Schutzgeister glaube. Doch ich tat es letztendlich doch nicht, schließlich könnte es wieder in einem ständigem Gefrage seitens Anna enden, wie bei Naomi. Als wir uns verabschiedeten war es spät geworden, seit den Acht-Uhr-Nachrichten hatten wir etwa zwei Stunden telefoniert. „Vielleicht hat Jonas ja Lust zu kommen“, überlegte ich. Er war mein Halbkousin, aber noch viel mehr mein bester Kumpel. Mit dem Zug brauchte ich eine Stunde zu ihm. Die Familiäre Beziehung zwischen seiner Familie und meiner war etwas kompliziert. Sein einer Opa und meine eine Oma waren beide schon früh gestorben. Seine Oma und mein Opa haben sich vor etwa 12 Jahren kennen gelernt und noch mal geheiratet. So waren Jonas Eltern sozusagen meine Stieftante und Stiefonkel. Beziehungsweise waren wir eigentlich nicht wirklich Verwandt. Und sahen wir uns einander nicht als Tante, Onkel, Neffe und Kousin an, sondern eher als sehr gute Kumpel und Freunde und das Gefühl war auch einfach anders, wenn ich bei meinen richtigen Tanten und Onkels war. Nachdenklich starrte ich auf das Telefon. „Was ist, Tia?“, fragte Arcon sanft. „Ach, ich überlege nur“, antwortete ich, wanderte stumm zu meinem Sofa, wo Arcon lag, und nahm Platz. „Und was überlegst du?“ „Ob ich meinen Kousin fragen soll, dass er morgen kommt“ „Warum denn nicht?“, fragte Arcon. „Wegen der Katastrophenzeit, es kann jederzeit wieder etwas geschehen“ „Dafür gibt es die Zeitspanne, die ich in Zukunft nicht mehr vergessen werde“ „Na gut“, lächelte ich zufrieden und wählte Jonas Nummer. „Björklund?“, hörte ich die Stimme von Jonas Mutter Annette sagen. „Ja Hallo hier ist die Tia“ „Ja, Grüß dich, Tia, was gibt’s denn?“ „Ist der Jonas noch wach?“ „Ja, warte ich such ihn mal schnell“ „Okay, danke“ „Wie geht’s euch denn?“, fragte Annette, während sie Jonas suchte. „Ganz gut soweit und euch?“ „Joa, auch. Ah, hier ist er ja, ich geb dich dann mal weiter!“ „Danke, Ciao“ Ein kurzes Rauschen folgte, dann Jonas Stimme: „Hallo?“ „Hi, Jonas!“, meldete ich mich. „Oh mein Gott, ein Schaf!“, sackte Jonas’ Stimme genervt zusammen. Ich antwortete, ich indem ich grinsend ein Schaf nachahmte. Zwischen Jonas lief ein Gespräch meist so ab. Es war einfach ein kleiner Tick von uns, Schafe und mähen. Wir fanden es witzig und uns war klar dass es für andere selten dämlich hinüberkam. Doch davon ließen wir uns nicht stören, es war einfach so und wir wollten es so. „Sag mal, hassu morgen Zeit?“, fragte ich lieb. „Eigentlich schon“ „Hättest du dann Lust zu kommen und bis Dienstag oder so zu bleiben?“ „Nein, zu dir nicht“, meinte Jonas ironisch. „Na gut, dann halt nicht“, gab ich künstlich zickig zurück. „Nein Scherz, ja klar hab ich Lust, warum nicht?“, meinte Jonas. „Vielleicht, weil ich ein Schaf bin?“, fragte ich grinsend. Jonas lachte, „Ja, Das wäre ein Grund! Also ich frag mal schnell meine Mutter“ Ich hörte, wie er durch sein Zimmer lief. „Okay, ich frag auch mal“, entgegnete ich und lief schnell die Treppe hinunter und dann ins Wohnzimmer. „Du, Mama? Darf der Jonas morgen kommen und dann noch 3 Nächte bis Dienstag bleiben?“ „Von mir aus“, meinte sie gleichgültig. „Ah, danke!“, freute ich mich und ging mit schnellen Schritten wieder in mein Zimmer. „Jonas?“, fragte ich derweil vorsichtig. „Ja, also bei mir geht’s“ „Super, bei mir auch! Wann kommst du dann morgen?“ „Irgendwann gegen Mittag, ich ruf dann an, wenn ich unterwegs bin, wahrscheinlich gegen 12, okay?“ „Okay“ „Können wir dann auflegen? Weil ich bin ein wenig müde, hatte heute ’nen recht stressigen Tag“ „Kein Problem, dann Gute Nacht, schöne Grüße und bis morgen!“, verabschiedete ich mich. „Ja, dir auch ne gute Nacht und auch Grüße bei dir, Ciao“ Daraufhin legte er auf und ich gähnte müde. „Jetzt bin ich auch müde“, stellte ich fest und kraulte Arcon an seinem Ohr. „Dann geh schlafen“, flüsterte dieser entspannt, obwohl er eigentlich wollte, dass ich ihn weiter streichelte. Meine Finger wanderten seine Schnauze hinab, dann wandte ich mich ab und zog mich um. Als ich im Bett lag, kam auch Arcon und legte sich neben meine Beine. Es dauerte nicht lange, bis auch unser Kater Tiger auf mein Bett sprang und begann schnurrend auf meinem Kopfkissen umher zu tapseln. Ich ließ meine Hand über meinen Kopf gleiten und streichelte das braun-schwarz getigerte Fell. Nach einer Weile legte sich der bereits 12 Jahre alte Kater hin, indem er sich um meinen Kopf schmiegte und behaglich Schnurrte, während ich weiter seinen Kopf kraulte. Nur an seinem weißen Bauch durfte man ihn nicht streicheln, da war er empfindlich und Biss sanft. Mit Tigers Schnurren neben meinem Ohr konnte ich besser schlafen, auch wenn es für andere eher störend klang. So dauerte es nicht lange, bis ich friedlich einschlief. Als ich am nächsten morgen aufwachte, streckte ich Arme und Beine von mir und gähnte herzhaft. Ich merkte, dass Arcon von meinen Beinen rutschte und mein Arm Tigers Kopf streifte, welchen ich anschließend kraulte. So blieb ich kurz liegen ehe ich mich verschlafen aufsetzte. „Guten Morgen, Arcon“, gähnte ich und kraulte meinen Schutzgeist. „Morgen“, murmelte er. „Was ist los?“, fragte ich und lachte, „Du bist doch sonst auch immer fit am morgen“ „Ich darf doch nach dem gestrigen Tag auch mal etwas müde sein“, meinte er, streckte sich und grinste mich müde an. „Ach ja...“, seufzte ich. Ich erinnerte mich an den vergangenen Tag. Zero-Chos auftauchen, der Tornado, unbewusst verdrängte ich all diese Geschehnisse immer wieder. „Wie geht’s dir?“, erkundigte ich mich bei ihm. „Gut soweit“ „Deine Wunden?“ „Alles in Ordnung, ein paar Prellungen noch, nichts, was mich umbringt. In euer Welt kann sich der Körper eines Schutzgeistes schneller erholen.“ „Das freut mich“, meinte ich lächelnd und kraulte Arcons Bauch, während er wohlwollend mit seinem Hinterbein zuckte. Ruckartig drehte mich zu dem kleinem Schränkchen neben meinem Bett und schaute auf die Uhr: 11:23 „Ach du meine Güte!“, rief ich, riss die Bettdecke von meinen Füße und huschte aus dem Bett. Im Bad wusch ich mich rasch, kämmte meine Haare und band die zu dem üblichen Pferdeschwanz zusammen. Ein lautes Grummeln kam aus meinem Magen. „Sei leise“, zischte ich, „ich ess’ ja gleich was.“ Daraufhin schritt ich rasch aus dem Badezimmer. „Was hast du es denn so eilig?“, fragte Arcon und trabte neben mir her. „Ich muss wissen, ob der Jonas schon angerufen hat“, meinte ich darauf, blickte mich im Haus um und bog letztendlich ins Wohnzimmer ein. „Mist, meine Mutter ist nicht da...“, schloss ich aus dem leeren Haus. „Es ist keiner hier“, bemerkte Arcon, „Ich höre nichts!“ „Hinten am Parkplatz steht kein Auto...“, meinte ich, als ich aus der Terrassentür lugte. Dann ging ich an dem großen Fenster daneben vorbei und warf einen Blick aus dem Fenster der Breitseite unseres großen Wohnzimmers. „Vor der Garage steht auch kein Auto“, murmelte ich. „Ich sag doch, dass keiner da ist“, bestätigte Arcon. „Ja, ich wollte nur mal nachsehen! Dann frühstücke ich mal“, meinte ich und machte mich wieder auf den Weg Richtung Küche. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel: Jonas hat angerufen. Er kommt um 11:45 am Bahnhof an. Seufzend starrte ich auf unsere Küchenuhr, welche halb 12 anzeigte. „Na toll“, grummelte ich. Arcon stieß ein Glucksen von sich und hielt einen Lachanfall zurück. „Du bist doof“, sagte ich zu ihm und begann zu lachen. „Ich weiß“, stieß er aus und lachte ebenfalls. Ihr wuschelte ihm grob durch sein Fell, ehe ich durch den Flur ging, um mir Sandalen anzuziehen. „Na wieder beruhigt?“, fragte ich grinsend und blickte zurück in die Küche. „Ja schon... hehe... aber deine Katze hat Hunger“, bemerkte er rasch. Ich verdrehte genervt die Augen und hörte auch schon Nalas kreischendes Miauen. „Is ja gut, Nala“, rief ich genervt, woraufhin sie wieder miaute, und lief schnell zurück zur Küche, vorbei am Küchentisch und schüttelte mit meinem Fuß den Futterspender der Katzen. Nala kam gleich miauend angetrabt und starrte das Futter an. „Na komm, iss doch“, flehte ich und schüttelte das Futter noch ein Mal leicht. Nun endlich beugte sich Nala zum Futter hinab und begann zu fressen. Mein Blick wanderte wieder zur Uhr, 11:34. „Verdammt!“, knurrte ich, rannte in mein Zimmer, schnappte mein Handy und lief ebenso schnell wieder nach unten. Während ich unser Haus durch die Terrassentür mit schnellen Schritten verließ durchsuchte ich meine Handykontakte nach Jonas. „Vorsicht Tia da...“, wollte mich Arcon warnen, doch da stolperte ich schon über einen großen Stein, der in einem Beet lag, welches die Terrasse von unserem Hof trennte. „...ist ein Stein“, beendete Arcon seinen Satz langsam. „‘zefix“, fluchte ich leise und taumelte am Stein vorbei. Endlich hatte ich Jonas Nummer gefunden und wählte diese, als ich den Hof in Richtung Straße entlangging. „Ja?“, meldete sich seine Stimme nach einer Weile. „Hallo Jonas, ich bin grad auf dem Weg zum Bahnhof, wenn du ankommst und ich noch nicht da bin dann komm mir schon mal entgegen, den Weg dürfest du ja mittlerweile kennen!“ „Okay mach ich, bis gleich.“ „Ja bis gleich.“ Daraufhin legte ich auf und begann los zu rennen. „Warum hetzt du dich, wenn er dir entgegenkommt?“, fragte mich Arcon und galoppierte neben mir her. „Weil es zwei Wege gibt und ich weiß nicht welchen er nimmt“, keuchte ich. „Und warum rufst du ihn dann nicht an und sagst, welchen Weg er gehen soll?“ „Damit ich wieder über etwas falle?“ „Nein, du läufst doch auch ner Straße! Da kannst du doch über nichts fallen!“ „Sag das nicht, ich schaff das schon!“ Arcon lachte, „Du bist echt einmalig, Tia.“ „Was denn? Wenn ich es nicht schaffe über meine eigenen Füße zu stolpern, heiß ich nicht mehr Tia Nocol!“, entgegnete ich lachend Mittlerweile war ich die 300 Meter bis zur Kreuzung zu einem Fußgängerweg gerannt. Keuchend stoppte ich meine Geschwindigkeit während ich in den Weg einbog und lief in Schritttempo weiter. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr meines Handys. „Elf Siebenunddreißig“, schloss ich und beschleunigte mein Tempo wieder. Arcon und ich schwiegen uns an, bis ich den Weg verließ und Richtung Hauptstraße joggte. „Wie weit ist es noch?“, fragte Arcon. „Nicht mehr weit, normalerweise brauche ich 15 Minuten zum Bahnhof. Mit dem Tempo schaffen wir das noch“ Vor der Hauptstraße bog ich in einen kurzen Weg ein und sah auch schon ein Geschäft und dessen Parkplatz. „Noch eine Kurve und eine Straße“, sagte ich knapp und beschleunigte wieder meine Geschwindigkeit bis ich rannte. Der Parkplatz war schnell überquert und dank des wenigen Verkehrs konnte ich auch schnell auf die andere Straßenseite kommen. „So, die letzte Kurve“, bemerkte ich und lief auf dem Gehweg die Hauptstraße entlang. Ich sah bereits am Ende der Straße das Bahnhofgebäude, dessen Uhr nur ein oder zwei Minuten nach 11:45 anzeigte. Mein Handy klingelte. Ich schob das Telefon auf und meldete mich. „Ja hier ist der Jonas, der Zug hat Verspätung“ Wie von Blitz getroffen blieb ich stehen und dachte daran, dass heute wirklich nichts klappen konnte. Arcons Beine gaben nach, er fiel vor Lachen auf den Boden und konnte gar nicht mehr aufhören. Meinen giftigen Blick bemerkte er nicht und ich meinte zu Jonas: „Okay, ich warte am Bahnhof“ „Ciao, bis dann“ „Ciao“ Ich sah mich um, niemand war zu sehen. „Hör auf zu lachen, Arcon“, murrte ich. „Entschuldige bitte, Tia“, stieß er glucksend aus, versuchte sich zu beruhigen und stellte sich hechelnd auf, „aber... hehe... es ist einfach zu komisch. Du bist echt tollpatschig, wenn du im Stress bist.“ „Danke das weiß ich auch“, grummelte ich und stapfte wütend zum Bahnhof. „Wenigstens verpasst ihr euch nicht“, gluckste Arcon fröhlich. „Ja da hast du recht“, murmelte ich seufzend und versuchte mich auch wieder zu beruhigen. „Schlechte Laune bringt eh nichts“, meinte ich schließlich, als ich die letzte Seitenstraße zum Bahnhof überquerte und mich dort auf die Bank auf dem Bahnsteig setzte. „Er kommt schon“, meinte Arcon sogleich, der vor auf dem Boden saß. „Meinst du?“ „Ja, ich höre ihn“ Ich stand auf und ging ein paar Schritte auf die Gleise zu. „Tatsache“, stelle ich fest, als ich meinen Kopf vorbeugte und den Zug über den Bahnübergang fahren sah. So trat ich wieder zurück und wartete, bis der Zug still stand. „Ich habe ein seltsames Gefühl“, knurrte Arcon und blickte sich misstrauisch um. Ich wusste, was er sagen wollte. Er glaubte, dass die nächste Katastrophe bald ausbrach. Reden konnte ich nichts, da mittlerweile die Leute aus dem Zug strömten. „Was könnte denn hier kommen?“, überlegte ich, „Flutwelle haben wir, Tornado auch, Feuer... aber so warm wird es bei uns ja dann doch nicht und Erdbeben, aber das ist hier unmöglich. Hier, im Alpenvorland. Ein Erdbeben könnte hier nie zu Stande kommen“ Ein heftiger Stoß riss mich aus den Gedanken und ich merkte, dass Jonas mich umarmte. „Hi Jonas!“, rief ich erfreut und erwiderte seine Begrüßung. Jonas war einen Kopf größer als ich und ein dreiviertel Jahr jünger. Er trug ein orangenes Shirt und eine Jeans. Ich spürte eine merkwürdige innere Unruhe in meinem Körper. „Bei euch auf dem Land is es ja noch wärmer als bei uns“, meinte Jonas spaßhaft und grinste mich an. „Tja, wir sind halt einfach besser als ihr Stadtfuzis“, gab ich lachend zurück. Als wir nebeneinander den Bahnsteig in Richtung Straße entlang gingen, spürte ich ein kurzes, leichtes vibrieren unter meinen Füßen. „Arcon ich glaub es geht los“, flüsterte ich, sah ihn an und bemerkte, dass seine Augen ihre blutrote Farbe angenommen hatten. „Ja“, meinte er ernst neben mir und Erde begann sich um seine Füße zu schlingen, „ich leite jetzt schon mal die Zeitspanne ein“ Daraufhin stand alles still. Ich löste mich vorsichtig von Jonas’ Griff und betrachtete, wie Arcon zu seiner Erdgestalt wurde. Die Erde verschlang seinen ganzen Körper und legte sich dann geschmeidig um die Figur des Wolfs. „Ein Erdbeben...“, seufzte ich. „Denke ich zumindest“ „Aber wie ist das möglich?“ „Naja, dazu muss ich dir erst etwas anderes Erzählen, dazu haben wir jetzt keine Zeit, jederzeit kann das Beben richtig losgehen“ Kaum, dass er das ausgesprochen hatte begann ein heftiges Beben, ich verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings auf den Boden. „Das ist kein Erdbeben“, rief Arcon plötzlich. „Was?“, fragte ich verdutzt. „Schau genau hin!“, befahl Arcon und ließ die Erde von seinem Körper bröckeln. Die Erde hob sich an verschiedenen Stellen leicht an und auch der Betonboden brach auf und erhob sich zu kleinen Hügelchen. „Was bildet sich da?“, stutzte ich nachdenklich. „Lava“, meinte Arcon, sein Fell wurde in ein schwaches Rot getunkt und das Ende seines Schweifs sowie seine Pfoten begannen zu brennen. „Lava?“ „Ja, die Lava aus dem Erdinneren wird durch ein spezielles Beben an die Oberfläche gedrückt und bahnt sich einen Weg an verschiedene Stellen, dann strömt es in Form von mehreren kleinen Vulkanartigen Hügelchen aus der Erde“ Es geschah genau, wie Arcon es erklärt hatte. An den Stellen, wo sich die Erde bereits leicht erhoben hatte, entstanden kleine Hügel, nicht höher als bis zu meinem Knie. Die Erde bebte und unter meinem Körper brodelte es. Ich spürte, wie sich auch die Erde unter mir erhob. „Weg da!“, rief Arcon und stieß mich auf die Seite. Ich schlug mit meinem Elenbogen auf der Erde auf und stöhnte schmerzhaft auf. Arcon landete vor mir und sprintete sogleich zurück zu dem Hügel, der sich bildete. Er rammte seine Krallen mit aller Gewalt in den Hügel und knurrte angestrengt. Der Hügel wurde langsam wieder zurück in die Erde gedrängt. Der Feuerwolf ließ den Hügel kurz los, sprang in die Luft und stürzte dann mit gewaltiger Kraft wieder auf den Erdhaufen hinab. Dieser brodelte kurz und schrumpfte rasch, bis nichts mehr davon zu sehen war. „Ich muss Die Hügel zurückdrücken, solange die Lava noch nicht raus kommt!“, beschloss Arcon und sprintete auf den nächsten Hügel zu. „Aber das sind zu viele!“, rief ich, stand auf, taumelte auf einen anderen Hügel zu und hatte große Schwierigkeiten bei dem Beben unter meinen Füßen das Gleichgewicht zu halten. „Bleib wo du bist!“, schrie Arcon, der eben einen Hügel in die Erde zurück gerammt hatte, „Geh nicht zu nah an sie ran!“ Ich blieb erschrocken stehen, wollt ihm erwidern doch im nächsten Moment stand er vor mir, „Du hast recht: Es sind zu viele“ Nun brachen die ersten Hügel auf und spuckten große Lavabrocken. Der Boden vibrierte immer stärker, machte es mir immer schwerer halbwegs aufrecht zu stehen. „Beweg dich nur, wenn die Lava auf dich zukommt, ja?“, befahl Arcon, „Sonst machst du gar nichts!“ Ich nickte widerwillig und taumelte wenige Schritte zurück. „Setz dich lieber gleich hin, bevor du fällst“, meinte Arcon ohne mich anzusehen. Doch ich taumelte nur an das Busschild und hielt mich daran fest. Ein Lavageschoss kam auf mich zu und ich wich ihm aus, indem ich meine Hände um die Stange des Schildes gleiten ließ, um auf die andere Seite zu kommen, drehte mich dann um, sodass ich wieder Arcon sehen konnte. Die Hitze des Vorbeiziehenden Feuergeschosses durchfuhr meinen Körper. „War das ein Feuerdan?“, fragte ich. „Naja“, meinte Arcon und zerschlug einen Feuerball mit seiner Pfote, „Die Feuerdans sind in der Lava und steuern diese. Besser gesagt steuert eine andere Macht das Feuer, das Feuer die Dans und die Dans die Lava“ „Aber warum sind sie so stark auf mich fixiert, ich meine, also auch die Wasser- und Winddans“ „Erklär ich dir wann anders, Tia!“ Ich nickte wortlos, während Arcon einigen Feuerdans auswich und andere zerbiss. „Kann ich dir wirklich nicht helfen?“, rief ich. Zwei Feuerdans kamen auf mich zu. Vor Angst fühlte ich meinen Körper nicht, konnte mich nicht bewegen. Der Wolf sprang zwischen mich und die Lavageschosse, schlug beide mit seinen Pfoten weg und landete elegant vor mir. „Hilf mir, indem du heil bleibst!“, meinte Arcon darauf und wehrte wieder ein Lavageschoss mit einem gezielten Taztenschlag ab, „Ich werde versuchen die Krater zu zerstören, denn ohne Krater keine Lava“ Stumm sah ich zu, wie Arcon sich auf einen der Mini-Vulkane stürzte und dabei den ihm entgegen kommenden Dans auswich. Er tat sich sehr schwer, musste seine Augen überall haben, wurde von allen Seiten attackiert. Er musste, ausweichen, zerschlagen und gleichzeitig mit aller Kraft versuchen den Lavahügel zu zerstören. Während er seine eine Pfote stets in dem Hügel gekrallt ließ nutze er die andere um seinen Körper schneller nach oben heben zu können, um den Feuerdans ausweichen zu können und sie gegeben falls zu zerschlagen, falls sie seiner Pfote im Boden zu nahe kamen. Sein Blick traf mich kurz, dann gab er ein wütendes Brüllen von sich, riss seine Krallen aus dem Boden und sprintete auf mich zu. Einige Feuerdans hinter ihm prallten zusammen, die anderen wichen sich selbst aus und folgten Arcon. „Duck dich!“, schrie mich dieser an. Geschockt folgte ich seinem Befehl, fiel auf die Knie und hielt meine Arme über meinen Kopf. Arcon sprang wenige Meter vor mir ab, über mich, ich kniff die Augen zu und hörte nur, wie etwas über mir zerrissen wurde. Fast zeitgleich jaulte Arcon schmerzhaft auf und landete unsanft hinter mir. Ich drehte mich abrupt um und sah eine blutende Wunde an Arcons Rippen, das Fell und die Haut unmittelbar um die Wunde herum war verkokelt schwarz. Seine Augen waren wieder hellblau und eine Pfote voller Erde, während die andere geschwollen war. Mit der verdreckten Pfote stützte er sich stöhnend ab, konnte vorerst nicht aufstehen und hob seine geschwollene Pfote an, um sie nicht zu belasten. „Arcon“, keuchte ich. „Nicht so schlimm“, stöhnte er und stand auf, „Vorsicht, Tia!“ Die Augen des Wolfs färbten sich wieder blutrot und blickten an mir vorbei. Ein eiskalter Schauer jagte durch meinen Körper und ich wagte es kaum mich umzusehen. Ob Angst oder Neugierde, eines davon brachte mich dazu, ich meinen Kopf zu drehen. Nun kam ein ganzer Schwarm von Lavabrocken auf uns zu, als wäre ihr einziges Ziel meinem Schutzgeist und mir den Gar aus zu machen. Panisch und voller Angst konnte ich mich nicht mehr bewegen. Arcon sprang über mich, dann wich dann einigen Geschossen geschickt aus, andere zerbiss er und wieder andere schlug er mit seinen Pfoten weg. Die meisten verfehlen ihr Ziel und schlugen neben mir ein. Ich zuckte zusammen, hielt meine Arme über meinen Kopf und schrie. „Tia! Bemühe dich ein bisschen! Versuch wenigstens den meisten auszuweichen, ich habe nicht überall Augen!“, knurrte Arcon, „bitte, ich habe nicht ewig viel Kraft!“ Ich nahm meine Arme herunter. Arcon hatte Recht, ich musste wenigstens versuchen, ihm zu helfen, auch wenn es nur das ist, dass ich mich rette, so muss er sich dann nicht auch noch um mich kümmern. Die Lava flog nun ziellos quer durch die Gegend. „Pass gut auch, Tia! Die Lava ist stark! Sie wird plötzlich wieder ein genaues Ziel verfolgen!“ Arcon blickte mich mit einem durchdringenden, scharfen Blick seiner roten Augen an. Nun sprintete er wieder auf den Krater zu und tat alles, was er konnte um diesen zu zerstören. Er biss, kratzte, rammte… doch nichts wollte helfen. Tapfer hielt er den Schmerz an seiner von Brandwunden übersäten und geschwollenen Pfote aus. Das Beben hatte sich etwas beruhigt, zwar war es schwierig wieder auf zustehen, doch mit ein bisschen Mühe schaffte ich es. Kaum stand ich, kam sogleich ein Lavageschoss mit rasender Geschwindigkeit auf mich. Reflexartig schnellte mein Kopf und mein Oberkörper nach hinten, der Feuerdan raste knapp über meinem Gesicht vorbei und zerschlug dann an etwas hinter mir, an dem Bahnhofsgebäude. Durch das Beben gelang es mir nicht das Gleichgewicht zu halten, geschweige denn mich wieder aufzurichten und ich fiel abermals um. Doch ich stützte mich seitlich mit meinen Händen ab und verweilte in dieser halben Brückenposition. „Wow“, dachte ich, „dass ich das kann wusste ich gar nicht!“ Ich sah, dass das auf dem Kopf stehende Gebäude keinen Kratzer hatte. Erst wunderte ich mich, doch dann fiel mir wieder die Zeitspanne ein. Etwas ratlos stand ich in einer halben Rückenbrücke und kam nicht mehr hoch. „Tia beweg dich!“, hörte ich Arcons Stimme. Panik verbreitete sich in meinem Körper wie ein Feuer. „Kommt da wieder ein Feuerdan?“, dachte ich, „Was jetzt? Ich komm nicht hoch!“ Mein Atem beschleunigte sich. „Denk nicht nach, mach einfach was“, sagte ich schnell zu mir, ließ mich dann auf eine Seite kippen und rollte noch weiter, bis ich auf dem Bauch lag und meine Hände dicht zu mir zog. Mein Arm, auf den ich gefallen war, schmerzte und wenige Sekunden später hörte ich etwas neben mir einschlagen. Eine kurze Hitzewelle fegte über mich hinweg, warme Kieselsteine und anderes regneten auf mich herab. Ich verdeckte mein Gesicht schützend mit den Händen und spannte meinen Körper an. Als ich nichts mehr spürte, stützte ich mich auf meine Arme und setzte mich langsam auf. Staub, Betonsplitter und kleine Steine bröckelten von meinem Körper. Ein Meter neben mir war ein Loch, um das sich eine Menge Schotter und Kiesel verteilt hatte. In dem Loch lag ein recht kleiner Geröllbrocken, welcher noch etwas glühte und an einer Ecke leicht brannte. „Was ist mit der Zeitspanne?“, dachte ich verblüfft, „sie schützt doch auch die Umgebung?“ Meine Beine waren verkratzt und taten weh und mein Ellenbogen aufgeschürft, doch ich versuchte die Schmerzen zu ignorieren, sah mich um. Die Menschen standen still. „Die Zeitspanne besteht noch...“ Meine Augen suchten ich die Gegend nach Arcon ab, fanden ihn und sahen, wie ein Arsenal von Lava auf ihn abstürzte. Der Wolf rannte hechelnd Richtung Schienen, machte einen Bogen um mich und hing damit die Feuerdans ab, die entweder neben ihm einschlugen oder sich selbst im Weg waren. Es schien, als würden sich die kleinen Vulkane wieder beruhigen, einen davon konnte Arcon anscheinend noch zerstören, denn ich zählte nur noch 5. Nun stießen wieder Feuerdans aus den Hügeln, donnerten jedoch ziellos durch die Gegend. Arcon nutzte das und rannte auf mich zu, stoppte neben mir und wirbelte unheimlich viel Staub auf, was zu einem Hustenanfall meinerseits führte. Arcon war völlig außer Atem, er hechelte stark. „Scheiße… die Dinger sind nicht nur schnell, sondern auch verdammt stark.“ Er machte eine Pause, schloss seine Augen und legte sich erschöpft hechelnd ganz hin. Als er seine Augen wieder öffnete waren sie wieder hellblau. Arcon leckte seine geschwollene rechte Pfote liebevoll, mit der er sich gegen die Feuerdans wehrte. An seinem gesamten Körper waren viele, kleine wie große, Schürf- und Brandwunden. Ich streichelte ihn mit meiner zitternden Hand über sein weiches Fell, welches vom Staub grau gefärbt war. „Verdammt… ich hätte nicht gedacht, dass diese Zeitspanne so anstrengend ist… ich kann sie nicht mehr lange halten“, bemerkte er als er das Loch neben uns erblickte. „Ist es deswegen?“, fragte ich. „Ja, wenn ich merke, dass meine Kraft nachlässt, schwäche ich erst die Zeitspanne in meiner Umgebung. Warum gerade die Zeitspanne an dieser Betonstraße nachgegeben hat und nicht die um das Hölzerne Bahnhäuschen, weiß ich allerdings nicht. Wichtig ist, dass den Menschen nichts passiert. Vielleicht schließe ich dich auch noch mit ein“ „Aber du hast doch eh schon kaum noch Kraft. Mich einzuschließen ist doch noch gefährlicher für dich“ „Es geht weiter“, seufzte er und blickte auf, während seine Augen wieder rot wurden, „bleib ganz ruhig sitzen, vielleicht schaffe ich wenigstens einen kleinen Schild um dich“ Ich nickte unsicher und zog meine Hand zurück. Arcon stand auf, hob seine geschwollene Pfote und schloss seine Augen. „Deine Pfote...“, begann ich. „Lass nur, Tia, wichtig ist, dass du mir jetzt vertraust“ Ich nickte ängstlich und Arcon schloss seine Augen. Er verharrte wenige Sekunden in konzentrierter Stille. Einige Feuerdans schwirrten wenige Meter hinter Arcon umher, bereit für den nächsten Angriff. Ich wagte nicht Arcon darauf anzusprechen. Die Feuerdans formierten sich und kamen rasend auf Arcon zu. Dieser bewegte sich nicht, stand regungslos vor mir und hielt seine Augen geschlossen. Sekunden verrannen, die Feuerdans schienen sich nicht nähern zu können und standen starr. Nun öffneten sich Arcons Augen langsam, blutrot und um meinen Körper erschien kurzzeitig ein leichtes helles Licht. „Beweg dich nicht, sonst löst sich der Schild wieder“, schnaufte Arcon, drehte sich um und rannte auf die Lavabrocken zu. Diese rasten ihm nun wieder entgegen. Gebannt und regungslos beobachtete ich den Kampf. Arcon wich aus, schlug und biss, doch er war zu langsam, hatte keine Kraft mehr. So wurde er von einem Dan erwischt, jaulte auf und wurde prompt vor meine Beine geschleudert. „Arcon“, flüsterte ich und sah seine neue, große Wunde am Rücken. Er rappelte sich wieder auf und versuchte vergeblich den nächst kommenden Dans auszuweichen. Einige verfehlten ihn, kamen auf mich zu und prallten gegen mich. Zu mir drang weder Hitze noch Schmerz, doch mit jedem mal, mit dem Arcon getroffen wurde spürte ich, wie der Schutzschild schwächer wurde, bis ein Feuerdan auf den Schild einschlug und eine unglaubliche Hitze verbreitete sich um mich. „Nicht bewegen, nicht bewegen“, redete ich mir immer wieder ein und schloss meine Augen verkrampft. „Tia“, keuchte Arcon erschöpft, „ich schaff es nicht“ Voller Angst öffnete ich meine Augen wieder, Arcon stand vor mir, hechelnd, schnaufend und mit blutenden Wunden überall. „Es tut mir Leid...“ Ein Feuerdan kam heran geflogen, verfehlte Arcon knapp, welcher sich keinen Zentimeter regte, durchbrach das Schild um mich und striff mein Bein. Ich schrie vor Schmerz auf. Tränen sammelten sich in meinem Auge. Die Wunde brannte und blutete und tat fürchterlich weh. „Es tut mir so leid, das sich so schwach bin... aber ich bin am Ende meiner Kräfte“ Arcon drehte sich zu mir, humpelte wenige, kleine Schritte und legte sich vor mich hin. „Wenn die Feuerdans uns nicht so fixiert hätten, würde um uns herum alles in Asche liegen, die Zeitspanne hält nicht mehr lange“ Ich starrte ihn stumm an, versuchte meine schmerzende Brandwunde zu ignorieren und streichelte zitternd sein Fell. Es war wie ein Wunder, dass uns die Lavabrocken verfehlten. „Etwas hält sie ab. Etwas hindert sie“, meinte Arcon schließlich keuchend. Wieder kam ein Schwarm Feuerdans auf uns zu. „Arcon schnell weg hier!“, rief ich. Mit einem Mal donnerte es, ein schwarzer Blitz schlug vor Arcon und mir ein, an dem die Feuerdans zerschellten. „Zero-Cho?“, stutzte ich. Vor uns stand der Greif, seine Flügel brannten und er war in ein dumpfes rot getaucht. „Arcon, ich hatte gemeint, du schaffst es, doch wie ich sehe brauchst du doch Hilfe“, sagte er freundlich, schaute über seine Schulter zu mir, „Die haben euch ja mächtig zugesetzt“ Seine Augen blinkten kurz schwarz auf und augenblicklich brandte meine Wunde nicht mehr so stark und schrumpfte ein wenig. Auch Arcons Wunden wurden weniger. Mein Schutzgeist seufzte erleichtert, das Feuer an seinem Schweif ging aus und seine natürliche Fellfarbe kehrte zurück. „Danke, Vater“, keuchte er Ehe ich Zero-Cho dankten konnte, drehte er seinen Kopf wieder weg und stieß er ein lautes Brüllen aus. Ein schwarzer Schimmer umhüllte Arcon und mich, Zero-Cho stürmte auf die Krater zu, wich dabei geschickt den Feuerdans aus und zerschlug den ersten Krater mit einem einzigen Hieb seiner flammenden Klaue. Die Dans, die aus diesem Krater strömten, flogen steil in die Luft und explodierten schließlich weit oben. Es dauerte nicht lange, bis er auch die restlichen Vulkane zerstört hatte und dabei erwischte ihn kein einziger Feuerdan. Als er fertig war verschwand seine Feuergestalt wieder und er kam auf uns zu. „Arcon, du hast dich wacker geschlagen. Für jemanden, der kein eigenes Element besitzt hast du das wirklich gut gemacht. Du musst nun mal noch viel lernen“ „Ja Vater...“ „Wa...“, begann ich und überlegte ob ich ihn wirklich fragen sollte, „warum sind sie nicht früher gekommen?“ „Weißt du“, meinte Zero-Cho freundlich, doch streng, „Ich habe viele Pflichten und hatte gehofft, dass Arcon das alleine schafft. Nun ja, es ist ja nichts allzu schlimmes passiert... Und nun muss ich wieder gehen“ Ich nickte, „Auf Wiedersehen“ „Wir werden uns sicher wieder sehen“ Darauf hin donnerte es, ein schwarzer Blitz schlug an der stelle ein, auf der der Hedshyn stand und damit verschwand dieser. Arcon lag noch kurz friedlich da, stand dann auf und meinte schnaufend: „Warum ist es so seltsam?“ Fragend schaute ich den Wolf an, welcher darauf meinte, „Normalerweise sind Wychos stärker als Tyroji und diese sind stärker als Kaeroji, wörtlich die ‚Feuerkatastrophe’, aber der Tornado ist mir wesentlich leichter gefallen als das hier eben... und die Flutwelle fiel mir im Vergleich zum Tornado auch schwerer. Bei dem war nur das Problem, dass ich durch den starken Auftriebswind im Inneren nicht an den Punkt gekommen bin, an den ich wollte...“ Ich wusste nicht, was ich darauf sagen wollte... war es letztendlich nicht gut, dass ihm das eigentlich schwere so leicht gefallen war? „Ich löse die Zeitspanne...“, meinte mein Schutzgeist schließlich, „geh zu deinem Kousin“ Ich nickte und brachte mich wieder in die Stellung, in der ich vor der Zeitspanne war. „Hast du das auch gerade gespürt? Das Beben?“, fragte Jonas und sah mich verblüfft. „Hm?“, fragte ich ahnungslos. „Ach vergiss es, ich hab mir eingebildet so ein komisches Beben zu spüren... muss wohl an der Sonne liegen“, lachte er. „Ne das liegt sicher daran, das ich so umwerfend bin“, gab ich lachend zurück. „Oder so“, grinste er. Ich blickte kurz an die Stelle zurück an der Arcon stand, doch sie war leer. „Das Loch ist weg“, stellte ich stutzend fest. „Wie bitte?“, fragte Jonas. „Ach, da war mal so ein Loch in der Wand da“, improvisierte ich, „Ist mir erst jetzt aufgefallen, dass es wieder weg ist“ „Achso“, meinte Jonas und wir liefen gemeinsam zu mir nach Hause. „Hast du Lust ins Kino zu gehen?“, fragte ich ihn auf dem Weg. „Können wir schon machen“, meinte er, „Wenn ein guter Film läuft.“ „Das kann man nachschauen.“ „Ehrlich?“, fragte er grinsend. „Jap, ganz ehrlich“, lachte ich zurück, „Was hälst du davon, wenn wir morgen früh wieder im Wald frühstücken?“ „Gerne!“ Wir unterhielten uns noch über alles Mögliche und machten uns über diverse Dinge lustig. Als wir die letzte Kurve vor unserer Hofeinfahrt entlang gingen, erschien Arcon neben mir. Er hechelte noch stark und war noch angeschlagen von den Feuerdans. „Tia?“, meinte er nach einer kurzen Weile bedrückt. „Hm?“ Ich vergaß für einen kurzen Moment, dass Jonas neben mir lief. Als ich ihn wieder wahrnahm summte ich eine fröhliche unbekannte Melodie vor mich her. „Du bist ja heute gut drauf“, lachte Jonas. „Mhmmhmm“ summte ich und nickte dabei. Doch im Grunde war ich besorgt, denn irgendetwas schien Arcon stark zu beunruhigen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)