Ein bisschen hier von, etwas davon und das da auch bitte von Tak-lung (Sammelsorium von Kurzgeschichten) ================================================================================ Kapitel 1: Der Mann mit dem Hut ------------------------------- Da war immer dieser Mann. Klein mit leichtem Bauch. Er trug immer einen schwarzen Anzug, mit ordentlich gebundener Krawatte, und einem schwarzen Hut und einen Regenschirm. Er hatte einen schwarzen Schnurrbart und schwarze Haare und man erwartete eine leichte Glatze unter dem Hut. Jeden Morgen um halb Acht ging er die Straße hinunter. Immer trug er den Anzug mit Krawatte und seinen Hut und seinen Regenschirm. Egal, ob die Sonne schien, oder es regnete, oder schneite. Um halb Acht ging er die Straße entlang. Es war einfach so. Jeden Morgen. Manchmal trug er einen schwarzen Mantel über dem Anzug, und von Zeit zu Zeit wechselte die Krawatte ihre Farbe. Aber immer trug er Hut und Schirm mit sich. Manchmal nickte er, zum Gruß, oder er fasste sich an die Krempe des Hutes und ging dann wortlos weiter. Jeden Morgen. Irgendwann kam er nicht. Kein Anzug. Kein Hut. Kein Regenschirm. Vielleicht ist er krank? Auch den nächsten Tag ist nichts von ihm zu sehen. Weder der Hut, noch der Regenschirm, noch die kleine etwas untersetzte Figur. Er kam nicht. Vielleicht war er im Urlaub? Die Woche vergeht. Man steht auf, kocht Kaffee und arbeitet. Wie immer. Doch der Mann mit dem Hut und dem Regenschirm kommt nicht mehr vorbei. Er grüßt auch nicht mehr, oder fasst sich an den Hut. Vielleicht war etwas passiert. Vielleicht ja ein Unfall. Man las doch in letzter Zeit immer öfter davon. Da schaut man einmal nicht hin und: Wammm schon liegt man unterm Auto. Letztens erst, die Nichte eines Cousins, war es der nicht auch so gegangen? Oder dieses Mädchen. Das war doch groß in der Zeitung gewesen. Sogar von einem Polizeiauto war die Kleine erwischt worden. Noch ein paar Tage gehen ins Land. Nichts zu sehen. Vielleicht ja auch ein Verbrechen. Davon waren die Zeitungen doch voll. Ja stand nicht letztens erst wieder etwas über einen Mordraub geschrieben, hier ganz in der Nähe? War da nicht von einem Mann die Rede gewesen? Die Zeit vergeht, doch kein Hut und kein Regenschirm kommen die Straße entlang, jeden Tag um halb acht. Dabei war er doch so nett gewesen. Immer freundlich gelächelt hatte er doch. Und genickt. Und immer gut gekleidet. Sicher ein anständiger Mann. Ja sicher anständig. Vielleicht ein Engländer. Er sah ja schon aus wie dieser eine aus der Serie... wie hieß die noch gleich? Mit Schirm Charme und Melone? Ja genau. Mit Schirm Charme und Melone. Der hatte auch immer einen Regenschirm und einen Hut dabei. Ob er zurück nach England gezogen war? Ob man ihn wohl wieder sehen würde? Vielleicht war er verheiratet. Vielleicht war die Frau krank, oder ein Kind. Nein, er sah nicht aus, als habe er eine Frau. Nicht, dass er zu unansehnlich gewesen wäre, aber irgendwie hatte er nicht die Ausstrahlung. Man merkt das ja schon irgendwie, oder? Vielleicht war er auch gefeuert worden, war Arbeitslos. Doch auch das wird verworfen. Er sah doch nicht aus wie jemand, der seinen Job nicht gründlich macht, wo er doch immer ordentlich mit Anzug und Krawatte gekommen war. Wo arbeitete er überhaupt? In einer Bank? Viele Engländer arbeiten in Banken. Es passt zu ihnen, so kühl und reserviert. Aber eigentlich wirkte er gar nicht so. War er überhaupt Engländer? Immer hat er geschwiegen. Hatte er etwas zu verbergen? Sicher nicht. Er ging hier vorbei, weiter nichts. Und wenn doch? Sicher war er Engländer. Ja, nur Engländer tragen immer einen schwarzen Schirm mit sich, auch wenn die Sonne scheint. Überhaupt ist das doch merkwürdig: Warum eigentlich auch bei Sonneschein? Da hätte doch ein Stock gereicht. Außerdem sah er doch nicht so gebrechlich aus. Das gibt einem doch zudenken... ja das ist schon irgendwie verdächtig. Vielleicht war er ein Spion, wie James Bond. Dann ist ja gut, wenn sie ihn haben. Kann man doch erleichtert sein. Ja das System funktioniert. Und wenn sie ihn nicht hatten? Ein Auftrag zum Beispiel und darum kommt er nicht? Eigentlich absurd. Sicher ist er nur umgezogen. Sicher hat er einen neuen Job oder etwas in der Art. Aber das ist langweilig. Nein, man bleibt doch lieber bei dem Englischen Spion. Inzwischen sogar englischer Meisterdieb. Ein ganz gewiefter, so gut, wie der sich getarnt hat. So harmlos hatte er ausgesehen, mit dem Hut und dem Schirm und dem ordentlichen Schnurrbart. Aber man lässt sich ja nicht täuschen. Man denkt ja mit. Der Englische Spion-Dieb bleibt Thema. Er taucht ja nicht mehr auf und normale Menschen verschwinden ja nicht einfach. Außer sie werden entführt. Aber warum sollte man einen englischen Spion schon entführen? Reich hatte er nicht gewirkt. Sicher der Anzug war nicht billig gewesen... aber immerhin hatte er doch jeden Tag den selben getragen. Nein, so viel Geld konnte er nicht gehabt haben und sicher hatten die Engländern noch genug Spione. Was soll der eigentlich hier spioniert haben? Hier ist doch nichts? Man ignoriert die Frage. Außerirdische. Zuerst lacht man. Außerirdische, ja sicher und Schweine können fliegen. Doch irgendwie bleibt es haften. Außerirdische die den Englischen Spion-Dieb entführten um... was? Den Menschlichenkörper zu analysieren? Da tut einem Ja sogar ein englischer Spion-Dieb leid. Wir alle sind doch schließlich Menschen. Ja darüber ist man sich einig. Wir alle sind Menschen. Die Zeit vergeht und nur dann und wann schaut man um halb Acht auf die Straße und denkt: Jetzt müsste er vorbeikommen. Er kommt nicht. Man zuckt mit den Schultern, ließt die Zeitung, schaut fern, unterhält sich. Letztens war die Neueröffnung von diesem Kaufhaus. Morgen wird es wieder regnen. Und schon wieder eine neue Grippewelle. Der Mann, der jeden Morgen um halb Acht mit seinem Hut auf dem Kopf die Straße hinunter gegangen war ist vergessen. Er war klein gewesen und... und hatte halt immer diesen Hut getragen. Mehr weiß man nicht. Aber man sieht nun jeden Morgen um viertel nach Sieben diese junge Frau. Sie hat rotes Haar und einen Minirock und lange elegante Beine und jeden Morgen kommt sie die Straße entlang. Um halb Sieben. Vielleicht ist sie eine Französin... Kapitel 2: Ausgesprochen unausgesprochen ---------------------------------------- Ich fahre Zug. Warum? Weil meine Mutter mich eingeladen hat, weil eine Tante aus Japan zu Besuch ist und ich Japan liebe. Was ist? Die Frau reist einen Tag, ehe ich komme ab. Zugtickets sind schon gekauft, meine Mutter sieht mich eh selten genug, also komme ich. Und jetzt fahre ich. Um halb Elf bin ich zuhause und morgen Unterricht zur ersten Stunde. Natürlich war mein Wagen, wo ein Platz reserviert ist ganz hinten. Der Letzte. Wenigstens bin ich mit wenig Gepäck: Nur ein Rucksack und das war es auch schon. Ich schaue im Vorbeigehen in die Abteile. Man da sind noch so viele Plätze frei! Und die Frau meinte ich solle unbedingt reservieren, von wegen Wochenende, aber wer fährt schon auf 'nen Sonntag so spät Heim? Ich natürlich dumme Frage. Ich schau noch mal auf die Reservierung. Platz 84. Die erste Nummer auf die ich schaue ist 104. Da ist ein Dreierplatz am Fenster und... ich glaube ich werd nicht mehr: DER Junge!!! Er hat schwarzes Haar, bis zu den Schultern, ganz glatt, ist eher blass, hat Ultra süße braune Augen und überhaupt: Total mein Typ. Den, genau DEN habe ich schon mal gesehen! Es war in der Buchhandlung. Damals habe ich mich hinter einem Buch versteckt aber ihn die ganze zeit beobachtet und mit dem Gedanken gespielt ihn anzusprechen. Aber da waren ja noch seine Freunde dabei gewesen und ich bin doch nicht geübt in so was. Hatte doch noch nie einen Freund und das mit 18... ganz schön deprimierend. Kurz schaut er auf, unsere Blicke treffen sich. Schnell gehe ich weiter die Nummern durch. Er soll doch nicht denken ich gaffe ihn an oder so was. „Darf ich mich dazu setzen? Alleine fährt es sich so schlecht.“ „Ist hier noch frei?“ „Hey du kommst auch aus Bremen oder? Hab dich da mal gesehen.“ „Willst du mich küssen?“ Ich sage nichts und gehe zwei Sitzreihen weiter. Ein Viererplatz mit Tisch, aber nicht den schönen großen. Nein es ist so ein komischer zusammenfaltbarer, wie ich ihn noch nie in einem Zug gesehen habe. Na ja, besser als nichts. Eine Frau sitzt mir gegenüber. Die Haare sind schon grau, ihre Augen streng und missbilligend. Ja die Brille macht sie noch unfreundlicher. Sie sieht aus wie die Art von Frauen die durch die Gegend rennen und ‚die Jugend von heute’ sagt. Auch mich schaut sie missbilligend an. Ich lächle und wünsche einen guten Abend, aber sie nickt nur reserviert. „Danke, zu freundlich. Und wie nett sie doch lächeln können.“ Ich lehne mich in meinen Sitz und gucke sie kurz an, denke mir meinen Teil. Aber es hilft ja doch nichts. Kurz schaue ich hinter mich durch die Sitzreihe. Da sitzt er, nur 2 Meter entfernt. Ich könnte aufstehen. Ich könnte fragen, ob ich mich dazu setzen dürfe. Aber das wirkt doch etwas seltsam, wo ich doch reserviert habe und gerade an ihm vorbei gekommen war. Ich schiebe den Gedanken bei Seite. ‚Dafür habe ich eh nicht genug Mumm’ denke ich mir und hole meinen Block heraus. Die Frau schaut auf die Manga Zeichnungen. ‚Kritzeleien’ ist ihrem Blick abzulesen. Ob sie ihm wohl gefallen hätten? „Hast du das gezeichnet?“ „Ja, ich mach das so aus Spaß, will aber auch Design studieren... natürlich übe ich dafür auch anderes als Mangas“ So etwas in der Richtung, aber ich stehe ja nicht auf und er sieht meine Zeichnungen nicht. Nur die Frau sieht sie und ihrem Blick ist wieder dieses abfällige ‚die Jugend von Heute’ abzulesen, auch wenn sie nichts sagt. In Gedanken stecke ich ihr die Zunge raus. „Sorry, wenn es ihnen nicht gefällt“, denke ich und suche meinen Stift der einfach im Rucksack rumfliegt. Dann suche ich meine Griffelmappe. „Ach ne 'ne?“ Ich murmle leise, so eine Angewohnheit von mir. Sicher denkt die Frau jetzt ich rede mit mir selber. Na und? Sicher besser, als mit ihr zu reden. Die Griffelmappe ist nicht da! Dabei hatte ich extra drei mal in mein Zimmer geschaut. Toll, also eine Woche ohne Füller. Eine Woche und zwei Klausuren und dann auch noch Geschichte ohne Füller. Ich bin so schrecklich demotiviert von meiner eigenen Dummheit, dass ich nach zwei Augen schon wieder auf höre und das blanke Papier starre. Dass ich die ganze Zeit denke ‚Der Junge ist sicher viel netter’ hilft mir auch nicht weiter. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass ich erst 15 Minuten unterwegs bin. Noch ganze 2 ½ Stunden Fahrt vor mir... Ich seufze und starre hinaus ins schwarze... na ja was da eigentlich ist erkennt man ja nicht, schließlich ist alles schwarz... Nicht mal der Landschaft kann ich beim vorbeifliegen zu sehen, oder Wolkenbilder finden, oder so was. Vielleicht denke ich mir eine kleine Geschichte aus? Ich beginne und unweigerlich wird etwas total kitschiges daraus. Wie sich eine 18 Jährige und ein Junge in einem Zug treffen. Er ist total süß, langes schwarzes Haar... Vielleicht sollte ich es einfach drauf ankommen lassen. Immerhin hätten wir beide dann was zu lachen! Ja ich bin schon quasi entschlossen aufzustehen. Nur die Bedenken ‚Was denkt, denn dann die Frau von mir?’ lassen mich innehalten. Sicher, es könnte mir egal sein, aber dummerweise ist es mir das nicht. Dann bestätige ich sie ja auch noch! Nein, nein! Ich lächelte sie lieber weiter an! Noch mal 25 Minuten vergehen so, bis der erste Halt angesagt wird. Vielleicht geht sie ja jetzt. So richtig dran glauben will ich nicht. Bisher ist derjenige von dem ich gehofft habe er gehe noch nie gegangen aber: Das Unmögliche geschieht: sie steht auf, nimmt ihre Jacke und Tasche und ohne einen Gruß geht sie. Mein Herz macht einen Hüpfer und sinkt gleichzeitig. Mein einziger Grund nicht hinzugehen war verschwunden. Jetzt sollte ich es tun. Ja ich sollte... Ich meine: Wie oft verknallt man sich auf den ersten Blick, spricht den Jungen nicht an und trifft ihn später alleine abends im Zug sitzend wieder? Das war eine einmalige Chance!!! Entschlossen tue ich meinen Block in meinen Rucksack. Ja, ich tu das jetzt! Mir egal für wie bescheuert er mich hält! Besser, als nichts zu machen und in das schwarze Draußen zu starren. Gerade will ich aufstehen, als vom nächsten Abteil jemand herüber schaut. „Hey bist du nicht...“ Ich sehe ihn an... ja das ist doch der Typ vom Go!!! Dann hatte ich mir das vorhin am Gleis gar nicht eingebildet! Lustig, die Welt war doch ein Dorf! „Hey, so ein Zufall!“ Ich grinse. Der Rucksack wird auf den Platz geschmissen wo die Frau gesessen hatte, er setzt sich neben mich. „Und, wo fährst du hin?“ Ich bin verwirrt. „Nach Bremen?“, frage ich zurück „Du bist doch der vom Go, oder?“ Ich bin verwirrt. Sollte ich mich doch getäuscht haben? Und das, wo ich ihn jede Woche treffe? „Nein, nein, ich... tut mir leid ich wusste ich kenne dich, aber ich konnte dich nicht zuordnen. Ich dachte erst du wärst die beste Freundin meiner Schwester.“ Er lächelt entschuldigend ich grinse nur doof. „Schon Ok, kann jedem passieren. War ja auch 'ne Weile nicht mehr da, Stress wegen Abitur und so.“ Wir reden. Er und ich haben unsere Eltern besucht. So ein Zufall aber auch. Ich schaue nur kurz nach hinten. Ob er da noch sitzt? Vielleicht hatte ich mich geirrt und es war ja doch nicht der Junge aus meiner Stadt gewesen und er war ausgestiegen? Na ja, jetzt war da ja... wie hieß er überhaupt? Ich habe kleine Ahnung. Ich sehe ihn zwar einmal wöchentlich, aber ich muss ja seinen Namen nie benutzen. Es ist immer nur ‚Hi’ und ‚wie geht’s?’ und ‚Spielen wir ’ne Runde?’. Dafür braucht man keinen Namen. Na ja, ist ja auch egal. Jetzt brauche ich den Namen ja auch nicht. Er ist Mitte 20, auch wenn man von der Haarpracht her etwas älter schätzen würde. Sicher wird er schon mit Mitte dreißig eine Halbglatze haben... Er trägt eine Brille, seien Augen haben keine schöne Farbe, ne Mischung aus braun und grün, aber freundlich sind sie. Genau wie er. Nicht mein Typ, aber nett, und immerhin kriegt man so die Zeit rum. „Du studierst... Ingenieur, oder?“, überlege ich. Ich weiß noch, irgendwann hatten sie beim Go darüber gerade... irgendwas von wegen, dass die Ingenieure aus einer anderen Welt stammen und am besten in einen Turm verband werden sollten, wohin man alle Arbeit schickt. „Nein, Mathe, aber ich arbeite viel mit Ingenieuren.“, antwortet er. Mir ist das peinlich. Er hatte es mir doch schon einmal gesagt gehabt. Ich versuche das zu überspielen, lache und winke ab „Ach hat beides was mit Zahlen zu tun, oder?“ Mein Herz bleibt stehen. Der Junge war aufgestanden und ging an uns vorbei. Sein Blick trifft meinen, und schon ist er vorbei. Er ist NICHT ausgestiegen. Ich freue mich. Warum weiß ich nicht, ihn ansprechen kann ich ihn jetzt nicht mehr. Jetzt redete ich doch mit dem Namenlosen Go-Spieler. Dem Bekannten. Wir redeten über allerlei. Vor allem über Lehrer und Professoren und die Unterschiede von unseren Schulen. Sportkurse, Sadisten, Lehrer die gar keine Klausuren schreiben. Ganz eine andere Welt und das, obwohl er doch gar nicht so viel älter ist. Aber es kommt mir so vor, als wäre er so viel älter. Jahrzehnte scheinen uns zu trennen und trotzdem reden wir, als wären wir beste Freunde. Es war schon komisch. Ich komme immer an Mathematiker. Ok ich hatte noch nie ein Verhältnis mit einem, auch wenn der eine sich in mich aus einem mir unverständlichen Grund verguckt hatte, aber gut klar kommen tat ich mit ihnen doch... dabei war ich Deutsch LK und dachte immer, dass die ein bisschen anders ticken, als wir Normalsterblichen. Das meine ich gar nicht böse! Aber sie denken einfach anders, packen Probleme anders an und so. Das erzähle ich dem Namenlosen Bekannten auch und er stimmt mir sogar zu. Irgendwie freut mich das. Dann und wann wird es still. Man schaut auf die Uhr und denkt sich ‚Noch immer eine Stunde. Als wir auch noch zwischen drin wegen einer Baustelle stehen bleiben wird das Thema gewechselt. Jetzt weiß ich, wie das Französische Bahnnetz aufgebaut ist und ich bin dankbar über das Deutsche. Schließlich kommen wir auf das alte Thema zurück. Ich erzähle ihm, dass ich Design studieren wolle, und dann würde ich bei meiner Mutter wohnen. Mein Zimmer habe ich die letzten Tage gedanklich eingerichtet und freue mich schon riesig. Er erzählt mir, dass er seine Dissertation schreibt und hoffentlich ende des Jahres fertig sein würde und dann nach Island wolle oder jedenfalls irgendwohin, wo es kalt ist. Ich kann das ja gar nicht verstehen, aber wie gesagt: Mathematiker denken anders. Das ist meine halbherzige Erklärung. An den Jungen denke ich fast gar nicht mehr. Warum auch? Ich werde ihn nicht ansprechen. Wette gewonnen, aber doch nur durch einen dummen Zufall. Ich hätte es getan wäre da nicht dieser Typ gekommen. Ich will das jedenfalls glauben aber der Anhang ‚glaubst du ja selbst nicht’ schwingt in meine Gedanken immer mit. Schade... sicher sehe ich ihn nicht noch ein drittes Mal. Ja wie hoch war die Wahrscheinlichkeit schon ihn ein drittes Mal zu treffen? Aber wenn, und das schwöre ich mir während er mir etwas über die Antarktis erzählte und ich einfach nur ‚Aha’ sage und nicke, wenn... if... dann werdei ch ihn nasprechen. Jawohl. Endlich wird unsere Station angesagt! Ich bin erleichtert, so nett der Typ auch ist, zwei Stunden mit ihm, einer für mich doch fremden und nicht sonderlich interessanten Person zu reden war anstrengend. Nett, aber anstrengend und ich bin froh Heim zukommen, schlafen zu können. Mein Herz schlägt kurz schneller, als ich sehe dass der Junge auch aussteigt. Ein Rucken von Zug und ich könnte gegen ihn fallen und einmal ein Wort mit ihm wechseln... Nur einmal, während er den schweren Koffer für mich zur Seite rückt. Aber es passiert nichts. Ich sage nichts, jedenfalls nicht zu meinem heimlichen Schwarm und während ich erkläre, ich müsse jetzt Richtung Altstadt weiter zähle ich die Sekunden, die ich noch in diesem Zug mit diesem Jungen verbringen würde, bis ich ihn nie wieder sehe. Ich kann nicht anders, als ihn anzusehen, während der Zug langsam abbremst. Auch er sieht mich kurz an, oder er schaut einfach nur aus dem Fenster, welches direkt hinter mir ist? Glauben möchte ich das erste tue aber das zweite. Ich bin hübsch, finde ich. Aber trotzdem denke ich immer, dass andere mich nicht hübsch finden... diese Mädchen Krankheit eben. Klingt nicht nur dumm, ist es auch, aber was soll man machen? Solange ich keine dummen Diäten (die ich 1. nicht nötig habe und 2. eh nicht durchhalten würde) mache und abmagre ist das OK. Der Zug hält. Scheiß Zug, kannst du nicht plötzlicher halten? Dann könnte ich doch noch einmal in seinen Armen liegen und... Ok so ist es im Film, nicht in der Realität ermahne ich mich. Und es ist Kitsch hoch drei. In Filmen hasse ich so etwas doch! Ich springe fröhlich heraus, der Junge mit seinem Koffer folgt. Ich könnte ihm helfen und dann ansprechen... aber da ist ja noch mein Namenloser Bekannter, außerdem sehe ich nicht kräftig aus... es wäre lächerlich ihm für die drei Stufen Hilfe anzubieten, so als Mädchen. Er geht und ich folge und mein Bekannter ist neben mir und erzählt mir, wo er hin muss und ich frage, wie er da hin kommt. Wir nehmen die Treppe und der Junge den Lift. Ich verliere ihn aus den Augen. Ich lächle. Ja, ich lächele, obwohl ich seufzen, ja schreien will. Der Junge war es! Ich wusste es einfach! Es konnte kein Zufall sein, dass ich ihn zum zweiten Mal getroffen hatte, und was war? Ich redete mit diesem, netten, aber doch mit diesem Namenlosen Bekannten! Ich möchte mich Ohrfeigen, lasse es aber dann doch. Tut ja schließlich weh. „Also, dann bis Freitag, hoff ich.“ Ich streiche mir das Haar hinters Ohr, bin unsicher was ich machen soll. Er anscheinend auch. Manche geben sich die Hand, andere umarmen sich, wieder andere machen nichts... Es endet in einer Umarmung, dabei mag ich so etwas gar nicht. Nun, überleben tu ich es ja trotzdem. Mein Bus kommt und ich danke Gott endlich Heim zu kommen. Vielleicht träume ich ja von dem Jungen... enttäuscht stelle ich fest, dass er nicht im Bus sitzt. Nun, das wäre doch auch zuviel des Zufalls gewesen. Ob er mich bemerkt hatte? Ob er sich auch wünschte mich angesprochen zu haben und es nur nicht getan hatte, weil ich schon mit einem Typen geredet hatte? Konditionalsätze... Was wäre wenn... ? Ich hasse es, ich hasse mich dafür mich so etwas zu fragen! So schnulzig bin ich nicht! Ich beschließe lieber an Morgen, oder an mein Abi, oder an das Zimmer, das ich in weniger als einem Jahr einrichten darf zu denken. Kapitel 3: Das kannst du doch nicht tun --------------------------------------- Das kannst du nicht tun Ich sage es dir Das kannst du nicht tun Bitte glaube es mir. Sie lernten sich kennen, gut ein halbes Jahr ist es nun her. Sie ist meine beste Freundin, schon immer ist sie das gewesen und immer wird sie das bleiben. Ich weiß es. Warum? Keine Ahnung, aber ich weiß es. Es ist einfach so. Egal was sie tut, egal wohin sie geht, ich werde immer ihre Freundin bleiben. Selbst wenn wir uns kurz aus den Augen verlieren sollten. Wir sind wahre Freunde. Daran glaube ich. Umso schwerer fällt es mir das hier mit anzusehen! „Das kannst du nicht tun!“ Das habe ich ihr am Telefon gesagt, wieder und wieder: „Das kannst du nicht tun! Du kannst nicht bei ihm bleiben! Ich weiß ja er ist lieb, ich weiß er sagt es tut ihm ´Leid und, dass er die nächste Woche auch ganz lieb sein wird, aber es wird zurück fallen, es wird nicht andauern.“ Gestern noch warst du verzweifelt! Gestern noch hast du geweint, warst entschlossen! Warum nicht mehr? Warum nur ist sie so ein netter Mensch? Nette Menschen bringen es nicht weit! Ich wäre schon längst gegangen. Aber so ist sie nun einmal und ich kann es nicht ändern, kann nur hinter ihr stehen, für sie da sein. Aber trotzdem... „Das kannst du doch nicht tun!“ sie macht sich nur selbst kaputt! Ich dachte das schon, als ich ihn das erste mal sah. Nein, ich dachte das schon, als sie mir das erste mal von ihm erzählt hat. Aber ich habe doch gehofft, gebetet, dass sie es schafft. Sie hätte es verdient! Sie sollte glückliche sein dürfen! Ich habe es ihr doch gegönnt ich habe doch nichts gesagt. Sie wirkte ja auch glücklich... Er ist 25 und sie 18, aber was sagt das Alter schon? Er ist Arbeiter, sie geht auf’s Gymnasium, aber das macht doch keinen Menschen aus. Er war lieb und nett und zärtlich zu ihr und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Natürlich war sie glücklich. Sie hatte dann auch weniger Zeit, aber das war in Ordnung. Jedenfalls für mich. Aber, wenn er ihr etwas antut... das hatte ich mir damals geschworen. Und dann? Dann kam der erste Krach und die ersten Tränen und ich hätte ihn killen können! Aber ich habe es nicht getan „Das kannst du doch nicht tun!“ Und „Du hast etwas besseres verdient.“ hat sie auch. Aber gesagt habe ich nichts. Ich habe gehofft, dass sie es schafft, ihre Hoffnungen nicht umsonst sind. Sie kamen wieder zusammen. Er sagte er höre mit Trinken auf, entschuldigte sich für die Eifersuchtsattacke und sie hat ihm geglaubt. Sie hat gehofft und versucht ihm zu helfen, ihn aus seinem Sumpf heraus zu holen Aber so stark ist sie nun einmal nicht! Alleine schafft sie das nun einmal nicht! Als ich dann erfuhr, dass sie zusammen gezogen sind... ich dachte ich fiele aus allen Wolken. Aber es lief seid dem ja ganz gut... es war ja In Ordnung und ich hatte ihn inzwischen kennen gelernt und ja: er sieht gut aus. Und ja: er ist Charmant und nett. Aber trotzdem: Zusammen ziehen? Nur wegen dem Stress mit ihrer Mutter... alle wollten sie abbringen. Ich nicht. „Hast du dir das auch gut überlegt?“ habe ich gefragt und sie sagte „Ja.“ Es ist doch ihr Leben. Was hätte es gebracht hätte ich gesagt „Du machst den größten Fehler deines Lebens“, außer vielleicht, dass sie sich alleine gelassen und verraten gefühlt hätte. Und wenn es nicht funktioniert hätte sie auch nicht wieder kommen können. Nein, ich war geduldig. ich war eine Freundin, habe zu ihr gehalten und ihre Entscheidung akzeptiert. Was sonst sollte ich tun? Aber je öfter ich ihn sah, je öfter ich mit ihm sprach umso weniger mochte ich ihn. Ich weiß noch, ihr Geburtstag... Es gab Streit. Immer wenn ich da war gab es Streit. Gab es auch Streit wenn ich nicht da war? Er sagte ihre Freundinnen würden ihn eh nicht mögen, würden ihn wegen seiner Herkunft nicht akzeptieren. Er sagte es seien keine wahren Freunde. Meinte er damit auch mich? Ich habe mich doch bemüht, habe mit ihm geredet... Ich gebe ja zu die anderen waren nicht sehr einladend nett. Aber er doch auch nicht. Hat er alle begrüßt? Nein. Hat er sie angesprochen? Nein. Er stand nur da, griesgrämig, wütend und eingeschnappt. Nicht mal für sie hat er sich zusammen gerissen, war nett und freundlich. Und das zu ihrem 18. Geburtstag. Aber ich habe nichts gesagt. Nur wenn er mir erzählt George Bush sei ein Führsorglicher Kerl und alle ‚Islamisten’ seien Terroristen, dann bleibe ich eben nicht still. Dann Diskutiere ich auch. Aber das hat ja nichts mit seinem Charakter zu tun, er kommt eben aus solchen Kreisen. Das soll nicht abwertend klingen, aber so ist es nun einmal. Ich habe sie ja bewundert. Sie hat alles getan, sich bemüht, Schule und Haushalt auf die Reihe gekriegt, aber es reicht doch irgendwann!!! Als ich ein andern Mal da war hat er ihr diesen Schrott erzählt. „Wir sind der innere Zirkel“, hat er ihr gesagt „Und dann kommt die Familie und dann erst die Freunde.“ Ich dachte ich höre nicht recht!!! Freunde und ein ‚Freund’ sind doch grund verschieden! Mann kann da doch keine Priorität setzen!!! Aber bitte, wenn er meint! Soll er doch. Ich sage nichts. Es ist ihr Streit. Sie sollte kämpfen. Sie kämpfte nicht. Sie ist nicht der Typ der kämpft. Sie ist der Typ der zuhört, der stumm wütend ist. Sie widerspricht nicht in einer offenen Auseinadersetzung, sondern redet später in Ruhe darüber. Aber er diskutiert, schreit, wirft ihr vor sich nicht für ihn zu interessieren, wenn sie sich zurück zieht. Warum sind Menschen nur so? Warum tun sie sich selbst weh? Drei Wochen habe ich dann nichts gehört. Kein Anruf, keine SMS. Nichts. Und erreichen konnte ich sie auch nicht. Ihr kann nicht klar gewesen sein was für eine Angst ich um sie hatte! Er ist doch unberechenbar! Das hab ich doch gesehen! Er macht es vielleicht nicht mit Absicht, aber er gerät doch so leicht in Rage. Und wenn ich nun Recht habe? Und wenn sie nun sich traurig und alleine fühlt und sich nicht traut anzurufen? Warum sonst ist das Handy immer aus? Ich war fast verzweifelt verdammt!!! Ich habe sogar ihre Mutter angerufen und gefragt, aber da konnte ich auch niemanden erreichen. Ich habe mir die schlimmsten Horror-szenarien aus gedacht und was macht sie??? Sie ruft nach drei langen Wochen an und entschuldigt sich, sie hatte es einfach vergessen mir zusagen, dass sie ein neues Handy hatte. Ich wäre wütend gewesen, wäre ich nicht so erleichtert gewesen. Es war alles gut. Alles Ok. Das war das Wichtigste. Ich dachte dann auch fast es ginge alles gut, es funktioniere. Ja, sie konnte seltener kommen und ja, wir sprachen auch seltener. Aber immerhin war sie glücklich, lief es doch recht gut. Mal streiten tut man sich immer. Das ist in Ordnung, das ist gesund. Aber wenn er besoffen nach Hause kommt, wenn er ihr das Telefon aus der Hand reißt, wenn er mit Dingen durch die Gegend wirft weil er glaubt sie wolle ihn verlassen, das ist nicht gesund. Das ist nicht in Ordnung! Und sie hat es doch auch so gesehen! Sie hat doch auch gesagt so gehe es nicht weiter, dass sie seid zwei langen Wochen nicht mit ihm klar käme, dass er ihre Familie nicht anerkenne, genauso wenig wie ihre Freundinnen. Sie hatte Angst vor ihm! ANGST! Man sollte in einer Beziehung keine Angst haben müssen! Aber heute ruft sie an. „Ich gebe ihm noch eine Chance.“, sagt sie mir. „Vielleicht funktioniert es ja diesmal. Er hat erst mal allen Alkohol weggeschüttet. Er hat doch versprochen.“ Vielleicht. Vielleicht. Er hat doch. Versteht sie es nicht? Will sie es nicht verstehen? Diese Worte kenne ich doch schon, damals war es genauso gewesen, als er sie telefonisch terrorisierte hat, ihr vorgeworfen hat fremdzugehen. Damals war sie am heulen, konnte nicht mehr und kaum entschuldigt er sich ist alles wieder in Ordnung? Ich will das nicht mehr sehen! Ich will sie nicht mehr weinen sehen, leiden sehen. Ich will nicht mehr. Darum habe ich es dieses mal gesagt. „Das kannst du doch nicht tun.“ Habe ich ihr Gesagt. Wieder und wieder „Das kannst du doch nicht tun! Du kannst doch nicht bei ihm bleiben.“ Aber sie hat nicht auf mich gehört. Kapitel 4: Reflektion --------------------- Ich kann nicht mehr!!!! Ich will nicht mehr! Ich habe einfach die Schnauze voll!!!! Wütend starre ich mein Spiegelbild an. „Fang bloß nicht an zu heulen!“ Meine Hand ist eine Faust, doch meine Stimme zittert. Ich sacke auf den Boden, lehne mich zurück gegen die Couch, die Beine angewinkelt und unterdrücke die Tränen. „Nicht heulen.“, wiederholt die Reflektion mit Nachdruck. „Dazu hast du gar keinen Grund! Anderen geht es schlechter! Dir ging es schon schlechter und damals hast du auch nicht geheult!“ Doch wirklich überzeugt wirkt das Spiegelbild nicht. Ich ertrage es nicht, kann es nicht mehr ansehen. Warum? Warum habe ich solche Momente? „Es war doch nicht mal so, als wärst du mit ihm zusammen gewesen.“ Leise und erstickt klingt ihre Stimme. Ich schaue nur kurz auf, sehe das blasse, etwas verzerrte Gesicht. Das Gesicht eines dummen naiven Mädchens. Eines dummen, naiven und anscheinend wirklich widerlichen Mädchens! Ja, ich musste ein Egoistischer, dummer, gedankenloser Mensch sein. Total Ich-fixiert oder so was! Ich rede zu viel, und baue nur Mist und machte eh nie was richtig! Das war die einzige Erklärung. „Dumme Kuh.“, nennt mich das Spiegelbild. „Hör auf so etwas zu denken! Das stimmt doch nicht!“ Doch es stimmt! Warum sonst sind alle weg? Warum sonst mag mich keiner? Nicht mal er? „Und was ist mit deiner Familie?“ Ja Klar, die Familie mit der ich mich immer streite! Die Mutter die mir meine Gedankenlosigkeit und meinen Egoismus an den Kopf wirft, als wäre es ein tödlicher Dolch. Ich dächte eh nie an andere, ich stelle mich in den Vordergrund, Hauptsache mir ginge es gut. „Nein, die Familie die hinter dir steht! Die Familie die dich in den Arm nimmt, wenn du weinst, dir hilft, wenn es dir schlecht geht! Und dann ist da außerdem noch deine beste Freundin!“ Ja die beste Freundin... das einzige an dem ich mich wirklich festhalten kann, denn das mit der Familie will nicht ziehen. Aber die ist nach Frankreich gezogen. Sie ist nur noch Wort, nur noch Ton. Jetzt steigen mir doch die Tränen in die Augen, ich sehe es klar und deutlich im Spiegel. Langsam aber stetig werden sie wässerig. „NICHT HEULEN!“ Ich schreie. „Ich bin stark verdammt! Ich habe 4 Jahre ausgehalten! 4 Jahre in dieser schrecklichen Klasse! Ich komme alleine klar! Ich komme alleine klar! Ich brauche niemanden auch nicht IHN!“ Ich stehe schlage mit der Hand gegen den Schrank, neben den Spiegel. Die Hand tut weh, aber das ist egal. „Nicht wegen diesem Idioten. ‚Bin mir nicht mehr sicher ob ich dich noch liebe’. HA!“ Es ist ein wütender Ausstoß, das brüllen des Zornes aus mir. Oder doch eher der Verzweiflung? „NIE wieder eine Fernbeziehung mit ’nem Typen aus’m Internet der auch noch in Italien wohnt! NIE WIEDER“ Nun, die Wahrscheinlichkeit ist ja auch sehr gering... aber trotzdem... ohne ihn... Ich seufze und setze mich auf die Couch zurück. Ich will mir nicht eingestehen, dass ich nur durch ihn das letzte Jahr überlebt habe. Ich habe ihn nicht gesehen, aber... er war irgendwie da. Ich wusste, wenn ich heimkomme: Da ist eine Mail. Jeden Tag. In der Schule saß ich da ‚was schreibt er heute?’ und nur das hat mich die Einsamkeit überleben lassen. Ich bin doch ein schrecklicher Mensch. Ich drücke meinen Kopf in ein Kissen. Dieses schwache Ich will ich nicht sehen! Ich will es nicht sehen. Nie sehen. Alle verlassen mich... erst meine alten Freundinnen. Eine nach der anderen... manche meldeten sich einfach nicht mehr, mit anderen stritt ich, um eine Trennung zu verhindern... aber das Ergebnis war: Ich war alleine. Keiner der mit mir tratschte. Keiner der mit mir Inliner fuhr. Keiner. Nur ich. Und in der Schule halten sie mich für verrückt. Wenn ich jemanden grüße heißt es ich führe Selbstgespräche, versuche ich mich in ein Gespräch einzuführen dann rede ich zuviel und sage ich nichts schotte ich mich ab! Können die sich eigentlich entscheiden? Immerhin ignorieren sie mich endlich nur noch, anstatt meine Brotdose als Fußball zu benutzen! Ich muss ein schlechter Mensch sein! Warum sonst mag mich keiner? WARUM? Ich habe doch keinem was getan?! Solange er da war dachte ich... ‚Hey vielleicht liegt es doch an den anderen. Immerhin einer mag mich’. Wenigstens einer. Und dieser eine versuchte nun mich langsam los zu werden. Er hat mich belogen! Er wollte es mir nicht einmal sagen! Ich war ihm nicht einmal die Wahrheit wert! „Jetzt hör aber mal auf.“ Das Spiegelbild sieht mich wütend an, doch eine Träne läuft ihr über die Wange. Schnell wird sie weggewischt. „Du bist du! Du bist nett, du bist schlau und hübsch! Mit denen aus deiner Klasse WILLST du dich gar nicht befreunden! Das sind doch nur eingebildete Idioten!“ Aber wenn ich ihnen nicht einmal eine Chance gebe... schotte ich mich dann nicht wirklich einfach nur selbst ab? „Du hast ihnen doch eine Chance gegeben, damals. Und was haben sie gemacht? Lustig haben sie sich über dich gemacht. Keiner will freiwillig mit dir arbeiten, keiner kommt in den Pausen zu dir. Du hast genug gemacht. Die zwei Jahre hältst du noch aus, ob mit oder ohne ihn! Du bist stark!“ Die Rede des Spiegelbildes macht mir Mut. „Ich bin Stark.“ Wiederhole ich. Tränen rennen über mein Gesicht, egal wie sehr ich ihnen sage ich sei stark. Sie fallen wie ein Wasserfall. Unaufhaltsam. Ich bin stark, ab Morgen. Jetzt ist doch eh niemand da... jetzt darf ich doch einmal weinen, nur dieses eine Mal. Das Spiegelbild nickt. Ja das eine Mal ist Ok... aber nicht vergessen: Du bist Stark. Sag es dir wieder und wieder, egal was passiert: Du bist stark. Du bist stark. Nein. Ich bin nicht stark. Ich zerbreche unter der Last des Spiegels, den ich nicht einmal sehe, durch den ich nichts sehe, durch den mich niemand sieht. Kapitel 5: Paradise ------------------- White clouds passed silently, peacefully, freely over the blue sky. You wouldn’t know they were there, if you didn’t see the moving shadows on the ground, stretched over the landscape. That is, if you wanted to call this dry range of rocks a real landscape. He stood there. Grey eyes moving silently over the dry, dessert like land, which he was going to revive. On this ash like floor he would let flowers bloom. He would turn this brown and grey into a flourishing green. He would create a paradise. Silence was the answer to this thought. The clouds moved on, as if they didn’t care. That shadows followed. The landscape remained silent. But he knew that this was going to change. He knew, when this pipe he planned this huge construct of metal and other modern substances, heavier than any living thing, more impressive, then any river, the perfection only humans were able to create, when this pipe was finished silence would be there no more. First there would only be the flow of ton of water, rushing in an endless flow through this artificial river, betraying laws of physic by flowing up a mountain. Dredges, cement Mixers and Trackers would come to make agriculture in this area possible, and than territory would be bought, houses built and fields with all sort of plants would grow. Of course streets would have to be built, and a school, and a police station, and a bank, a whole town. There would be lots and lots of happy families in this paradise, his paradise, and alls would be so grateful and thankful towards him. Yes, today was the day all was to being decided… his dream coming true. He breathed out. Yes, that was the future he saw while looking on this stone dessert. He just stood there, watching his future paradise. The clouds seemed to stop moving. The became bigger, and bigger. Became one. It was so huge, like a massive carpet hanging under the sky so you wouldn’t see it. Grey, and dark, and dangerous. A drop fell on the face of the man. Then another, and yet another until you would call it rain. A shining crude lightning stroke like an evil grimace over the dark sky the dark ground. He wasn’t concerned. A thunderstorm was just a natural phenomenon after all. Still it was time for him to go… he had to sign the last piece to get everything done. He opened his Umbrella an turned towards his car which stood near by. The grimace screamed… A few years later a man was standing just on that pipe. Looking just on that landscape. Well, not really ‘that’ landscape anymore. There were fields with corn an wheat and other things. In the distance you saw a big street and many cars moving on it. A bit to the right was a village, or a small town indeed, and everywhere were power poles, as if they were trees. Here, years before, his father had died. A lightning had hit his umbrella.. just on the day his dream had been decided on. Kapitel 6: Die Seele der Musik ------------------------------ „C D E F G A H C non, non, C mit dem Kleinenfinger. Autre fois s’il vous plaît. C D E F G A, isch sagté A, nisch H , Autre fois, bis du es kannst.“ Eine Klarinette war dazu geschaffen wohl klingende weiche Töne zu schaffen. Eine Klarinette war dazu geschaffen mit gewitzten Sprüngen, langen Tönen und einer eleganten Art die Herzen der Menschen zu erreichen. Nun diese Klarinette erreichte auch die Herzen der Menschen, jedoch erfüllte sie diese nicht unbedingt mit einem Gefühl der Harmonie. Um genauer zu sein erfüllte sie das Gemüt eher mit dem Drang aus dem Raum heraus zu rennen. Doch die Lehrerin hielt sich wacker mit ihrer jungen Schülerin. Aller Anfang war eben schwer. „Bien, du übst die Tonleiter schön brav daheim und vielleischt können wir nächste Woche endlisch weiter kommen, non?“ Sie konnte sich nicht zurücknehmen, konnte den genervten, ja fast anklagenden Ton nicht aus ihrer Stimme nehmen. Dieses Mädchen vergewaltigte dieses zarte, feinfühlige Instrument und die Musik und die Ohren aller Menschen die sich dieses Getute anhören mussten. Aber die Eltern zahlten und egal wie unmusikalisch dieses Kind auch sein mochte, von schöner Musik alleine konnte man nicht leben. „Ja Madame Oublier.“ Immer dieses Gemecker! Als gäbe sie sich keine Mühe. Ja, langsam gab sie sich auch keine Mühe mehr! Sie konnte es ja doch nicht. Dieser Unterricht war doch Sinnlos, und überhaupt, wofür sollte Musik eigentlich gut sein? Die Klarinette wurde in die Tasche gesteckt, man verabschiedete sich und die 6 jährige Schülerin ging wieder heim. Endlich war die Stunde zuende. Endlich nach Hause. Und sie würde die Klarinette nicht mehr anfassen, bis sie wieder zu dieser dummen Lehrerin geschleift wurde. „Bin wieder zuhause.“ Heraus war sie aus der Winterkälte wieder in’s warme Heim, weit fort von der Lehrerin und ihren dummen ‚C D E F G A, ich meine A nischt H“ dabei sprach sie doch beide Buchstaben gleich aus!!! „Hallo Liebes, wie war der Unterricht?“ Die tiefe freundliche Stimme kam aus dem Wohnzimmer. „Sind Mami und Papi nicht da?“, erwiderte das Mädchen, während sie ihre Schuhe auszog und ihre Jacke auf den extra für sie angebrachten Kleiderhaken auf Kindergröße aufhängte. „Sie sind einkaufen glaube ich. Wieso?“ „Ich will mit der Klarinette aufhören!“ Nun kam der braune Lockenkopf mit dem mürrischen Gesicht in das Zimmer. Das Mädchen war gerade mal einen Meter groß. Sie war klein und hager, trug eine rot gelb gestreifte Stumpfhose und einen Jeansrock darüber und einen orangen warmen Pullover. Ihr rundes Gesicht war zu einer Schnute verzogen, die klar und deutlich ihre Wut ausdrückte. Der ältere Herr, welcher im Wohnzimmer in einem gemütlichen schwarzen Ledersessel vorm Kamin saß, die Zeitung aufgeschlagen, schaute, die weiß-grauen Augenbrauen hochgezogen zu ihr herüber. „Ich dachte dir gefiele die Musik, Madleine.“ Das Mädchen rollte mit den großen grünen Augen, die geradezu dazu prädestiniert schienen damit zu rollen. Darum auch die passende Bezeichnung ‚Kulleraugen’. „Musik ist ja auch toll, aber was ich da spiele ist keine Musik, das ist einfach nur grausam.“ Das Gesicht des Großvaters hellte sich in Verständnis auf. „Madleine, komm mal her meine Kleine.“ Das Mädchen gehorchte und stand nun neben dem Sessel, gegenüber des angenehm duftenden Feuers. „Madleine, ich stelle dir eine Frage: Welches Geräusch macht Schnee?“ Das Kind lachte „Gar keines, was ist das für eine dumme Frage Opi?“ Doch dieser lächelte lediglich besonnen weiter. „Und das Feuer?“ Der Mädchen wandte den Blick in Richtung der Flammen. Ihr Gesicht zeigte deutlich, dass sie die Frage nicht ganz verstand, oder sie für unsinnig befand. „Es knistert. Was soll die Fragerei Opi?“ „Weißt du ich dachte nur gerade daran, dass ich finde, das Feuer ein tolles Instrument ist.“ Wieder schnellten die Augen zu den Flammen, dann in fragendem Unverständnis zurück auf den Großvater. „Das ist doch Schwachsinn, Feuer ist kein Instrument, das macht doch nicht einmal einen Ton!“ Lächeln war die stumme Antwort. Mehr sagte er nicht und nur das Knistern der Flammen erfüllte den Raum. „Jedes Geräusch kann ein Ton, jede Minute eine Strophe und jeder Tag eine Sinnphonie. Man muss nur richtig hin hören.“ Er folgte Stille. „Ich höre nichts... ich verstehe das nicht.“ „Ehrlich gesagt ich auch nur zum Teil... aber vielleicht hilft dir ja eine Geschichte beim verstehen.“ Sofort erhellte sich das Gesicht des Kindes „AU JA eine Geschichte!“ Augenblicklich wurden die nötigen Vorkehrungen getroffen: Ein Kissen wurde geholt, etwas zum Knabbern, die lieblings Wolldecke und Trinken. Denn Großvaters Geschichten waren sogar besser, als Fernsehen und das wollte schon etwas bedeuten. „Es ist die Geschichte, der Seele, der Musik...“, begann er in typischer ppalicher Weise mit seinem Märchen. Es war einmal, vor nicht all zu langer Zeit ein Junge. Sein Name war Mavis. Er war recht normal, hatte ein durchschnittlich gutes Zeugnis, durchschnittlich viele Freunde, lebte ein durchschnittliches Leben. Er ging jeden Tag zur Schule, machte mal seine Hausaufaufgaben und mal auch nicht. Dann und wann gab es Streit mit seiner kleinen Schwester, Marie, aber im Endeffekt vertrugen sie sich doch wieder, so wie in jeder normalen Familie. Doch ein Tag sollte sein Leben verändern. Auch der Tag schien ganz normal zu werden. So stand er auf, wie Millionen von Jungen und Mädchen im ganzen Land es auch taten, putzte sich die Zähne mittelmäßig gründlich, aß seine Haferflocken und nahm einen Apfel mit zur Schule, auf die er natürlich, wie eigentlich keiner in seiner Klasse, großartig Lust hatte. Alles also wie man es kennt und erwartet. Und tatsächlich schien dieser Tag, in dem Moment, da er in lebte nichts besonderes an sich zu haben. Ein Tag wie jeder andere, doch später sollte er ein ganz besonderer Tag für ihn werden. An diesem Tag sollten die Projektarbeiten in Musik verteilt werden und Mavis hoffte darauf mit Justine, einem Mädchen in seiner Klasse, an einem Projekt arbeiten zu können. Justine... in seinen Augen war sie das bezauberndste Mädchen der gesamten Schule. Nussbraune Augen, schwarzes lockiges Haar, und ein leicht brauner Teint. Ihr weißen Zähne schienen wie Perlen zu leuchten und ihr Lächeln kam den Strahlen einer Sonne gleich. Aber, was für eine Chance hatte er schon bei einem außergewöhnlichen Mädchen wie ihr? Er würde sich nie trauen sie anzusprechen und welchen Grund hatte sie, ihn anzusprechen? Es war ja nicht unbedingt so, als wäre er der best aussehendste an der Schule, oder auch nur in der Klasse, während sie, und das wusste er aus verlässlichen Quellen, sogar von älteren Jungs begehrt wurde. Sie war groß, schlank, sportlich. Einfach eine Wucht! Und er? Er war zwar nicht klein, aber auch nicht groß, er war ein wenig mollig, wenn auch nicht dick und sportlich war das Gegenteil von ihm, außer in Tischtennis. Gerade momentan hatte er mal wieder ein Pickelproblem. Nicht, dass er Aussichten hatte dies jemals in den Griff zu kriegen, während sie mit ihrer reinen samtenen Haut geradezu zu glänzen schien. Aber vielleicht, durch die Fügung das Schicksals würde das Los sie zusammen fügen. Ihr Musik Lehrer machte seid 3 Jahren jedes Jahr ein Musikprojekt in zweier Gruppen, wobei er per Losverfahren entschied wer mit wem ein Paar bildete. Den Großteil der Busfahrt also verbrachte Mavis mit beten. Es war bei ihm so eine Sache mit beten. Er glaubte nicht wirklich daran, ja sicher er war getauft und wurde von seiner Mutter in die Kirche geschleift... aber wirklich glauben tat er nicht an Gott, zumindest sagte er das immer. Aber in Momenten wie diesen betete er dann doch. Dann kam so was wie ‚Ich weiß ich sage immer ich glaube nicht an dich, aber bittebittebittebitte dieses EINE MAL erfüll meinen Wunsch!!! Dann glaube ich auch ganz sicher an dich!!!“ und genau so sah es auch an jenem Tag im Bus aus. Beinahe hätte er glatt vergessen an der richtigen Haltestelle auszusteigen, hätte ein Klassenkamerad den 16 Jährigen nicht daran erinnert. „Und, was hoffst du mit wem du in ein Team kommst?“, wie es der Zufall so wollte war der Klassenkamerad Robert, ein Freund Mavis’s nennen, und so kamen sie natürlich ins Gespräch. „Na, dreimal darfst du raten.“ „Also schon wieder.“ Der Junge seufzte und klopfte Mavis halb ermutigend halb bedauernd auf die Schulter. „Und selber?“, fragte dieser zurück und ignorierte den Gesichtsausdruck seines Freundes. Er kannte diesen Ausdruck nur zu genüge. Jeder der von seiner Schwärmerei wusste sah ihn so an und warum war wohl kein großes Geheimnis. „Mir egal, solange es nicht Spooky wird.“ Ja, das war glatt noch ein Gebet wert. Natürlich war Justine seine Erstwahl, aber genauso wichtig war die ‚Letztwahl’ und das war Leron Flattermann. Er war Anfang des Jahres in ihre Klasse gekommen. Er war ausnehmend hübsch, glattes blondes Haar und dennoch schwarze treue Augen, dazu glatte weiße Haut. Ja er hatte nicht mit Problemen wie Pickeln oder schnelles Zunehmen zu kämpfen, doch das war nicht der Grund, warum man ihn nicht als Partner haben wollte. Er war einfach... spooky, strange, total verrückt. Zunächst war er fast nie anwesend. Oft fand man ihn einfach auf dem Flur stehen und aus dem Fenster starrend, obwohl er im Klassenraum sitzen sollte. Er führte auch keine Notizen oder Mappen und überhaupt schien ihm die Schule egal zu sein. Doch auch das war nicht der Grund, weshalb er so seltsam war. Es gab genug Schwänzer an der Schule, Leute denen ihre Zukunft schlicht weg egal zu sein schien, die dafür rumhingen, sich öfters die Kante gaben, oder sonstigen Unfug trieben. Aber er... er saß einfach im Park, oder auf einer Bank, und starrte seltsam abwesend lächelnd vor sich hin. Das sah schon manchmal etwas krank aus, so als lebe er in seiner ganz eigenen Welt und kapsle sich von der außen Welt ab. Er sprach auch nicht, weder im Unterricht, noch in den Pausen und an sich war er ein großes Mysterium und keiner wollte es lösen. Es schien ja auch nicht so, als wolle Leron, dass jemand es löste. Um punkt Acht kam der Anfang 50 Jährige beleibte Musik Lehrer mit dem sarkastischen Namen Mr. Fröhlich, denn er schaute stets streng und ernst und... nun, eben das absolute Gegenteil von Fröhlich, in den Klassenraum . Ohne einen Mucks zu machen setzten sich die Schüler schnell an ihre Plätze, denn nach 3 Jahren hatten sie gelernt, dass es besser war ihn nicht zu reizen. Bei manchen Lehrern war es lustig im Unterricht zu reden, aber Mr. Fröhlich gehörte eindeutig nicht in diese Kategorie Lehrer. Die alljährliche Prozedur begann um 5 nach Acht. Wie um einen Weihnachtsbaum versammelt saßen die Schüler und starrten auf ihren Lehrer der in der Hand das Geschenk hielt. Entweder ‚Äpfel und Nüsse’ oder aber ‚Kohlen’, das war die Frage. Das gemeine war nur, dass man keine Liste heraus holen und sagen konnte ‚sehen sie mal ich habe so viel gutes im letzten Jahr getan und das eine mal Hausaufgaben vergessen war wirklich ein Versehen.' Nein, hier konnte man nur Bibbern und Beten und das wurde Reih um auch getan. Wer würde dieses mal seinen Wunscherfüllt bekommen? Einer der Schüler hatte die Namenszettel vorbereitet und nun wurden sie in die heilige, ja fast schon mystische Losbox getan. Die alte, jedoch noch immer kräftige Hand griff in den Behälter, alle Augen waren auf ihn gerichtet. Die Zeit stand still, kein Geräusch, als das Knistern der an einander vorbei rauschenden Papierzettelchen und das der vor Aufregung klappernden Zähne. Und schließlich begann es, dass alljährliche Ritual der Verteilung. „Ronald und J-“ Mavis Herz blieb stehen. ‚nicht Justine, nicht Justine!!! Ich will auch immer brav sein!!!’ „-ami.“ Erleichtertes aufatmen einer ganzen Reihe von Jungs. So ging es weiter, Paar für Paar und noch immer waren Mavis und Justine im Rennen. Es gab Seufzer des Schreckens, der Niederlage und dann und wann auch des Triumphes. „Justine.“ Der Moment der Wahrheit. „Und Robert.“ Vorbei. Er war einfach vorbei geflogen dieser Moment, geradezu, als wäre er nie da gewesen. „Es gibt eben doch keinen Gott.“, murmelte der Junge vor sich hin, während sein Freund wohl etwas gänzlich anderes dachte, als er sich zu seiner Partnerin setzte. „Und damit bleiben nur noch zwei. Mavis, du gehst zu Leron.“ Na super... Leron war ja sowieso mal wieder nicht anwesend, wie es nicht überraschte zu hören. Alle setzten sich also in ihren Paaren zusammen, außer Mavis der ja nicht nur den schrecklichsten, nein der auch den einzigen nicht anwesenden Partner bekommen hatte. Das hieß, selbst wenn Leron körperlich anwesend gewesen wäre, wäre es doch sehr unwahrscheinlich, dass das auch auf seinen Geisteszustand zugetroffen hätte... Der Tag war also gelaufen. Nicht einmal die drei Plus in Französisch konnte ihn aufheitern. Es war ja nicht nur dieser Tag, nein, es würde darin enden das JEDER Tag doof werden würde, weil er sich mit diesem Spinner unterhalten musste. Robert schlug ja vor Leron einfach nichts zu sagen und alles alleine zu machen. Wahrscheinlich würde das eh darin Enden, selbst wenn er mit ihm redete. Er reagierte schließlich nie, selbst wenn man ihn ansprach. Aber das war Mavis wirklich zu doof. Er hatte keine Lust das alleine zu machen, aber Robert hatte ja gut reden! Er konnte ja mit Justine rumhängen! Also gut, die Aufgabenstellung lautete: „Schreibt ein euch bekanntes Lied in einen anderen Stil um und tragt es vor der Klasse vor.“ Super, als hätte er eine Ahnung von Musik, oder Noten, oder verschiedenen ‚Stilen’. Ihm fiel ja nicht mal ein vernünftiges Lied zum umschreiben ein! Na toll, das würde sicher die erste Fünf in Musik seines Lebens werden (nicht die erste fünf überhaupt). Irgendwie wünschte er sich gerade, er hätte die Jahre vorher in Musik besser aufgepasst... oder er hätte einen kompetenteren, oder zumindest anwesenden Partner, der mit ihm zusammen verzweifelte. Aber all das half ja nun doch nichts. Er seufzte und überlegte verkrampft weiter, welches Lied er denn umschreiben könne, aber alle schienen einfach zu schwierig zu sein, zumindest für seinen Geschmack. Abgesehen davon würde er die Noten der Lieder brauchen... Unüberwindbare Hindernisse also, und das Robert und Justine nur 10 Meter von ihm entfernt standen und sich angeregt über ihr Heft beugten, um alles zu klären war auch nicht sonderlich Konzentrationsfördernd. Ganz unbewusst, wie immer wenn er verzweifelt versuchte sich zu konzentrieren, begann Mavis ein Lied zusummen. Er achtete nicht darauf welches Lied, realisierte es kaum. Er summte halt einfach. War so zu sagen eine schlechte Angewohnheit von ihm. Schon klingelte die Glocke, die Pause war zu ende und die Schülerscharen strömten zurück ins Gebäude, nur er ein wenig geknickt und lustlos. Er erhob sich von der Bank, auf welcher er gesessen hatte drehte sich um und wäre beinahe in einen Jungen hinein gelaufen, der direkt hinter ihm gestanden hatte. „Hey was... Leron?“ Schwarze Augen lächelten Mavis entgegen. „Was willst du?“ Der Junge lächelte immer noch beständig weiter, als habe er die leicht säuerlich klingende Frage nicht gehört. Oder aber, und das erschien Mavis nicht so ganz unwahrscheinlich, nicht verstanden. „Ok, wenn nichts ist gehe ich jetzt zurück in den Klassenraum und zur Abwechslung solltest du das auch mal tun.“ Mit diesen Worten ging er einfach an dem blonden Jungen vorbei. Wirklich seltsam der Typ... und er musste mit diesem stummen Jungen zusammenarbeiten! Gerade öffnete er die Tür, wobei er mehr zufällig zur Seite schaute und sein Herz wäre ihm beinahe stehen geblieben. Da war schon wieder diese dumm grinsende Fratze Lerons. Das hatte er schon gar nicht erwartet, schließlich schwänzte Leron andauernd den Unterricht. „Musst du dich immer so an andere heran schleichen?“ Mavis rollte mit den Augen, als die Antwort lediglich ein Lächeln blieb. Gezwungenermaßen zusammen stiegen die zwei die Treppe hoch und weiter zum Klassenraum, wo der Deutschunterricht jeden Moment anfangen würde. Die nächsten Tage gingen so weiter. Jeden Tag kam Leron jetzt zum Unterricht, das fiel fast schon auf. Bewusst wird hier das Wort ‚fast’ verwendet, denn der Junge war, auch wenn er rein Materiell auf seinem Platz saß dennoch fast nicht existent. Keiner nahm Notiz von ihm. Stumm lächelnd saß er einfach nur da, bis die Schulglocke läutete. Dann erhob er sich und folgte Mavis, wohin auch immer dieser ging. Allmählich wurde das richtig lästig. Was hatte dieser Junge denn bloß für ein Problem? Und warum musste er ausgerechnet ihm hinterherlaufen, als wäre er sein Herrchen, oder etwas in die Richtung? Am Freitag hatte Mavis schließlich genug. Er hatte genug davon sich eigentlich nirgendwo mehr blickenlassen zu können. Er hatte genug nicht machen zu können was er wollte. Er hatte genug von Leron. Der Typ war doch einfach nur krank! Wenn jemand immer nur lächelte, aber nie was sagt und jemandem in der Schule auf Schritt und Tritt folgte war das sicher nicht mehr normal! Der Typ sollte in ein Irrenhaus gesteckt werden! Eigentlich war es Mavis egal wohin, solange es weit, weit weg war. „Hör mal zu.“, wandte er sich schließlich unter den aufmerksamen Blicken einiger Klassenkameraden an Leron. Robert hatte ihm erzählt, dass man über ihn und den Jungen tuschelte und Gerüchte verbreiteten sich. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass er diesen Gerüchten bis zum Wochenende ein Ende bereiten musste, denn das Wochenende war so etwas wie der Schlusspunkt des Satzes. Unterband er das ganze nicht vor dem Wochenende würde dieses Gerücht unauslöschbar sein, und das wäre sein gesellschaftlicher Ruin. „Was ist eigentlich dein Problem, he? Ich meine, du läufst mir den ganzen Tag hinterher, als wärst du ein Hündchen, redest nicht mal mit mir, sondern grinst nur doof vor dich hin! Was läuft da falsch in deinem Kopf?“ Eigentlich hatte er sich vorgenommen in Ruhe mit Leron darüber zu reden, aber wenn er schon dieses dumme Grinsen sah stieg in ihm einfach die kalte Wut empor. „Lass mich endlich in RUHE! Freak!“ Rot vor Zorn drehte er sich weg, wartete keine Reaktion ab. Der Kreis auf dem Schulhof war inzwischen größer geworden und das Getuschel begann. Doch das interessierte Mavis nicht. Ihm war es total egal solange er nur nicht mehr dieses ewige Lächeln sehen musste. Das konnte einem ja so auf den Geist gehen! Leron erschien nicht zu Mathe. Auch in Geschichte war er nicht zu sehen. Eigentlich egal. Robert bekräftigte ihn in seiner Entscheidung und schlug sogar vor am Montag den Lehrer zu fragen, ob Mavis nicht mit in seine Gruppe kommen könne, da Leron ja offensichtlicher Weise nie kam. Mavis war seinem Freund dankbar dafür, aber trotzdem... irgendwie fühlte er sich unwohl. Er wusste nicht mal genau weshalb, doch sein Magen sagte ihm, dass irgendwas nicht stimmte, und das hatte nichts mit dem Tunfischsandwich, dass er von seinem Vater geschmiert bekommen hatte zu tun. Das Gefühl wurde verdrängt. Er konnte schließlich beruhigt und unbekümmert ins Wochenende gehen. Alle seine Probleme würde sich bis Montag verflüchtigt haben. Kein nerviger Leron mehr, keine Einzel-Gruppenarbeit und am besten: Keine Schule. Hausaufgaben wurden einfach wie immer ignoriert und mit dem Vorwand ‚ach heute Abend’ und am Abend ‚ach morgen hab ich ja auch noch Zeit’ vor einem hergeschoben. Eigentlich wusste man schon, dass es wie immer darin enden würde, dass man verzweifelt die Pause opferte, um alles hinzukritzeln. Tag: Samstag. Ort: Park. Wetterbericht: Teils Sonnig teils wolkig, Regenwahrscheinlichkeit von 25%. Mavis war von seiner Mutter abkommandiert worden fürs Mittagessen einkaufen zu gehen. Er hätte sich diesem Urteilsspruch, der ihn um kostbare Minuten des Chattens brachte, vielleicht auch wiedersetzt, doch die Aussicht auf kostenlose Schokolade (auf Grund eines Abkommens mit seinen Eltern: Wenn er Einkaufen ging durfte er sich etwas Süßes mitbringen) hatte dann doch seiner Mutter zu, sieg verholfen. So ging er diesen Frühsommerlichen Vormittag also durch den Park, beladen mit einer prall gefüllten Extra-Tüte, als er etwas hörte. Es handelte sich um ein Lied, ein wunderschönes Lied, welches ihm jedoch irgendwie bekannt vorkam. Gespielt war es auf einem für ihn nicht identifizierbarem Instrument... Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch genug Zeit hatte, abgesehen davon war seine Neugierde zu groß. Statt also wie gewohnt den kürzesten Weg zu nehmen suchte er die Umgebung nach dem Erzeuger jenes eigenartigen Geräusches ab. Für gewöhnlich interessierte ihn Musik ja nicht. Er hörte Techno, Rap, und selbst das eher selten. Er konnte nicht einmal eine Lieblingsband nennen, wurde er gefragt, und normalerweise ging er auch an Straßenmusikern und ähnlichem einfach vorbei, ohne dem Gedudel weiter Beachtung zu schenken. Irgendwann mit 6 hatten ihn seine Eltern für ein halbes Jahr zum Klavierunterricht gezwungen, doch letztlich hatte er sich so stark geweigert, dass ihnen keine andere Wahl geblieben war, als ihn wieder abzumelden. Es war also höchst befremdlich, dass er nun versuchte einen Musiker in einem Park zu finden, weil ihm die Musik so gut gefiel. Schritt für Schritt, immer wieder stehen bleibend, um die Richtung, aus der die Melodie, die ihm so merkwürdig bekannt vorkam zu orten ging der Junge über den Rasen, bis er vor einer dicken Rotbuche ankam und genau hinter dieser war die Quelle der Musik. Also nur noch einpaar wenige Schritte. Fast schon aufgeregt den Künstler, der diese wunderbaren Klänge hervorzauberte zu treffen ging er an dem mächtigen braunen Stamm entlang. Was er dahinter fand ließ ihn nicht schlecht staunen. „Leron?“ War das jetzt ein Traum, oder ein Alptraum? An den Stamm gelehnt saß der dünne blonde Junge, eine Säge und einen Violinbogen in den Hand und schaute nun, da sein Name gerufen worden war auf. „Was... was machst du hier?“ Alles hatte Mavis erwartet, aber nicht Leron. Wohnte er hier? Warum hatte er ihn dann nie gesehen? Oder hatte dieser Freak ihn schon bis nach Hause verfolgt? Hatte wirklich er diese Musik gespielt??? Er war total verwirrt und so starrte er nur den, wie immer lächelnden Jungen an. „Hallo.“ Das verwirrte ihn noch mehr. Eine sanfte, helle melodische Stimme war aus Lerons Mund gekommen. Er hatte gesprochen. Mavis konnte sich nicht erinnern den Jungen jemals etwas sagen gehört zu haben. „H-hallo...“, erwiderte er schließlich nachdem er den ersten Schock überwunden hatte. „Wie geht es dir?“ Ja, das ‚Hallo’ war also doch keine Halluzination gewesen. Der stumme Freak war gar nicht stumm. Unfähig etwas zu sagen hob er einfach die Einkaufstasche. „Sieht schwer aus, soll ich helfen?“ „N-nein, schon Ok... was... was machst du hier?“ Endlich war er wieder Herr über seinen Körper und der Überraschungseffekt verflüchtigte sich langsam. „Ich mache Musik.“, lächelte der Junge als Antwort. „Und wo ist dein Instrument?“ Er sah ja nur den Bogen einer Violine, aber der Rest des Instrumentes war nicht zu sehen... Leron lächelte, nahm die Säge und strich mit dem Bogen draüber, dass das Sägeblatt zu schwingen begann und jener, Mavis’s Ohren fremder Ton erzeugt wurde. „Boah, das ist ja voll krass!!! Wie machst du das denn? Ich meine, das ist eine Säge und kein Instrument, oder so was!!!“ Die Tüten wurden hingestellt, die beiden Jungen kamen ins Gespräch, als wäre nie etwas gewesen. Es war erstaunlich, so fand Mavis, dass er noch nie vorher mit Leron geredet hatte. Ja sicher, er war immer noch seltsam, und lächelte die ganze Zeit und manche Antworten die der seltsame Junge gab konnte er auch nicht verstehen, aber im Großen und Ganzen erschien er doch recht nett. Auf die Frage, weshalb er denn nie zum Unterricht käme antwortete Leron, dass er den Klang der Kreide nicht mochte. Und der Grund weshalb er nie sprach sei, dass er lieber zuhörte. Am lustigsten aber fand Mavis die Antwort auch die Frage, weshalb Leron ihm die letzte Woche stumm hinterher gelaufen war. „Ich habe dich diese Melodie summen gehört und ich fand das sehr schön... überhaupt hast du einen schönen Klang und dem wollte ich zuhören.“ Hatte er gesagt, jedoch so ernst und ruhig, dass Mavis verstand, dass es Lerons Ernst war und nicht lachte, ja gar nicht richtig darüber lachen konnte. Das Wochenende verbrachten sie zusammen, um gemeinsam die Zeit aufzuholen die sie schon verloren hatten und das Projekt zu gestalten. „Wie wäre es mit diesem Lied das du auf deiner... Säge gespielt hast? Das war sehr schön.“, schlug Mavis vor, „Wie heißt es denn?“ Leron zuckte mit den Schultern. „Du weißt es nicht?“ Lächeln. „Aber ich kenne die Melodie doch... also muss es schon etwas berühmteres sein...“ „Es war das was du auf der Bank gesummt hattest.“, wurde er schließlich aufgeklärt. Er dachte ihm fielen die Ohren ab. „Aber das war doch gar keine Melodie! Das war.. irgendwas. Mir war langweilig, da erfinde ich immer irgendwelche Melodien, die ich aber sofort wieder vergesse.“ Und da konnte doch nicht einer ankommen, einmal zuhören und fast eine Woche später eben dieses Gedingse als wunderschöne Melodie wiedergeben! Das gab es doch einfach nicht! Vor allem nicht, nachdem er es nur einmal gehört hatte. Nun Leron schien das nicht so zu sehen. Er nahm die Säge und spielte darauf jene seltsam betörenden Noten, die sich wie ein samtener Flaum auf die Gedanken legte und alles fragende und unruhige zu überdecken schien. Mavis selbst fand es schwer zu erklären, schwer zu verstehen, aber so war es nun einmal. So war Leron nun einmal, das lernte der Junge schnell. Leron liebte Musik. Täglich, um des Projektes willen, trafen sie sich bei Mavis, welcher selbst den Vorschlag seines Freundes abgelehnt hatte, um mit Leron an dem Projekt zu arbeiten. „Ist nur wegen dem Projekt, wäre ihm gegenüber doch unfair.“, sagte er den Klassenkameraden in den Pausen, in denen Leron sich nicht blicken ließ. Überhaupt erschien er nur sporadisch in der Schule und das meistens nur, um Mavis beim Summen einer Melodie zu zuhören, die er dann später auf den kuriosesten Instrumenten neu interpretierte. Er wartete meist an dem Baum im Park und auf dem Heimweg von der Schule las Mavis ihn dann auf. Sie redeten fast nur über das Projekt. Es war das sicher seltsamste Projekt, dass er je abgeben würde... aber etwas beschäftigte Mavis doch. Am Dienstag nach der Schule, als er wieder an der großen Rotbuche vorbei ging, um sich dort mit Leron zu treffen fragte er ihn schließlich, was schon solange auf seinem Herzen lag, seit er festgestellt hatte, wie nett Leron war, wenn auch auf eine etwas verquere Art und Weise. „Sag mal... warum redest du nur mit mir? Nur wegen des Projekts?“ Er war gespannt auf die Antwort des Jungen, der da, wie eine Blume so zart und zerbrechlich im Graß saß, sich den Wind durch das helle Haar wehen ließ und nun die Flöte, auf der er gespielt hatte vom Mund nahm. Er schüttelte stumm den Kopf und lächelte. Warum bloß lächelte er immer nur? War es ein echtes Lächeln? War er einfach immer fröhlich, oder war es etwas anderes? Mavis verstand es nicht, verstand diesen Jungen nicht. Gerade als dieser wieder nach seiner Flöte greifen wollte fing Mavis jedoch wieder an zureden, als fürchte er das Spiel der Musik. „Ich meine, du bist seit fast einem Jahr an unserer Schule.“ Keine Miene verzog sich auf dem unbeschwert lächelndem Gesicht, während die klaren schwarzen Augen zu Mavis empor sahen. „Ich meine...“, setzte der Junge wieder an nicht genau wissend, was er eigentlich meinte. „Willst du denn gar nicht lernen? Und was ist mit deiner Zukunft? Und Freunden? Warum... warum willst du denn nicht zur Schule kommen? Weil die Kreide sich nicht schön anhört ist doch nun wirklich kein Grund. Ich meine... fehlt dir da nicht... etwas? Den ganzen Tag irgendwo zu sitzen und... was machst du eigentlich den ganzen Tag? Ich sehe dich hier jeden Nachmittag sitzen aber du –“ Leron erhob sich langsam, lautlos und ehe Mavis den Satz hätte beenden können spürte er den sanften bestimmenden Druck Lerons's Finger aus seinen Lippen. „Hör zu.“, waren die einzigen zwei Worte, die er sagte. Einfach nur ‚hör zu’ und doch erklärten diese Worte alles. Oder jedenfalls erschien Mavis das in jenem bedeutungsvollen Moment so. Er sah nur jene schwarzen undurchdringlichen Augen, die alles, alle Farbe, alle Träume und Gedanken in sich zusammeln schien, ohne jedoch deren Schatz zu enthüllen. Aber er hatte den Schlüssel nicht. Er wünschte er hätte den Schlüssel, denn es schien der Schlüssel zum Glück zu sein. Ja, Leron schien Glücklich zu sein, so wie er war. Und wie viele konnten das schon von sich behaupten? Für den Moment herrschte Stille, und Mavis hörte dieser zu, so wie Leron es ihm gesagt hatte. Er hörte den Wind säuseln, hörte das aus der Ferne kommende Lachen vom Spielplatz, einen Spatz der sein Lied trällerte, jemand der nach seinem Hund pfiff. Es war nicht besonderes, die alltäglichen Geräusche des Parkes eben. Er verstand nicht, was Leron ihm damit sagen wollte. „Was hörst du?“, fragte dieser schließlich und trat wieder einen Schritt zurück. Mavis zuckte mit den Schultern. Was wollte der Junge denn jetzt hören? Was sollte die alberne Frage? „Die Kinder drüben und irgendwer ist mit seinem Hundspazieren.... sollte da mehr sein?“ Ein wenig traurig schien nun das Lächeln zu werden und ein seltsamer Schleier verbarg den Schatz, den die Augen vorhin noch so großzügig präsentiert hatten. Er atmete tief durch und schloss die Augen. „Ich höre eine Sinfonie.“, sprach er nach kurzem Verharren. „Ich höre Glocken geläutet von Engeln.“ Er deute in Richtung Spielplatz „Ich höre das Streichkonzert der Gräser.“ Seine Hand glitt über den Boden „Den Rhythmus der Erde, begleitet von der Stimme des Windes.“ Die Augenlider glitten wieder auf und waren direkt auf Mavis gerichtet. Ernst war das Gesicht, oder nicht wirklich ernst, auch nicht traurig oder verletzt, jedoch auch nicht mit dem sonst stetig anwesenden Lächeln versehen. Zugegebener maßen verdutzte Mavis diese Ernsthaftigkeit ein wenig, sodass er nichts erwidern konnte. „Ich versuche nur in diesem Konzert meinen Platz zu finden. Und dabei den anderen zu lauschen.“, beendete Leron schließlich seinen Vortrag, und erneut legte sich wie eine Maske das Lächeln auf sein Gesicht. Dieses Gespräch verwirrte den jungen Geist Mavis’s nur noch mehr. Lebte Leron wirklich so? Saß er nur da und... und hörte zu? Ließ ihn das alleine glücklich sein? In jener Nacht saß Mavis an seinem Fenster, die Augen geschlossen und stumm der Welt lauschend, darauf hoffend sie möge ihm sagen, was er nicht verstand. Doch sie sagte ihm nichts. Er begriff nichts. Dabei wünschte er sich nichts sehnlicher, als Leron verstehen zu können... Es war schon eigenartig, wie das Schicksal mit einem spielte. Nie hatte er sich über diesen Jungen Gedanken gemacht. Nie. Höchstens, dass er hoffte nicht mit ihm in ein Team zu kommen... und nun? Nun betrachtete er ihn fast schon als Freund. Und plötzlich tat ihm all das, was er mit seinen Freunden über ihn geredet hatte schrecklich leid und es kam ihm ungerecht vor. Ja, er beschloss das habe sich zu ändern. Das hatte Leron einfach nicht verdient! Zufrieden mit diesem Beschluss legte sich der Schüler schließlich schlafen. Der Mittwoch kam und voller Tatendrang, wie er ihn schon lange nicht mehr gefühlt hatte eilte Mavis zur Schule. Er würde Leron helfen sich in der Klasse zurecht zu finden. Er sagte zwar er wolle es so, aber leben konnte man so letztlich doch auch nicht. Und vielleicht war das auch nur eine Phrase, vielleicht hatte er einfach Angst von den anderen gehänselt zu werden. Jeder brauchte doch Freunde. Davon jedenfalls ging Mavis aus, musste davon ausgehen, der er kannte ja nicht anderes. Er rannte zu Robert, welcher gerade wie es schien eine Unterhaltung mit Justine hatte. Sie sah blendend aus wie eh und je, trug einen bis zu den Knien gehenden Rock mit gekräuselten Volants in Rot und dazu eine weiße Bluse mit spitzen Besatz. Ihr schwarzes lockiges Haar war mit einem roten Haarreif zurück gesteckt und sie trug rosé farbenes Lipgloss. Eben all diese Kleinigkeiten auf die Mavis sonst so stark geachtet hatte und die ihm nun kaum mehr am Rande auffielen. „Robert ich muss mit dir reden!!!“ „Mavis siehst du nicht, dass ich mich gerade unterhalte? Wo sind deine Manieren?“, halb scherzhaft, jedoch auch halb anklagend klang der Junge. „Tut mir leid, hi Justine.“ Das Mädchen schien verwirrt, was Mavis nicht weiter auffiel. Auch Robert war verwirrt, vor allem darüber, dass sein Freund das Mädchen seiner Träume kaum beachtete. „Also... was ist?“ „Ich hab nen Plan!!!“ „Warum nur lässt mich das nichts gutes ahnen?“ Justine kicherte leicht, doch das wurde einfach übergangen. „Es geht um Leron.“ „Den Spinner? Spooky?“, fragte Robert wie aus der Pistole geschossen. „Nein... also ja, aber er ist kein Spinner!“ „Ach ja, ihr seid ja neue dicke Kumpels.“, grinste Robert neckisch. „Was hat er denn so gesagt, dein‚ nicht-Spinner.“ „Dass...“ Mavis hielt inne. Es war zugegeben etwas schwer auszudrücken, ohne, dass sie seinen neu gewonnen Freund, denn als solchen sah er Leron bereits, nicht für einen Spinner hielten, wenn er ihnen sagte, was Leron ihm gesagt hatte. „Ich gebe zu, er ist... unkonventionell.“, formulierte er es schließlich um. „Also doch ein Spinner. Komm Justine wir wollten noch die Akkorde umschreiben.“ Aber Justine drehte sich nicht weg. „Ich finde das interessant. Was ist denn dein Plan?“, fragte sie mit leuchtenden Augen. Und endlich realisierte der Junge, mit wem er da überhaupt sprach: seinem Schwarm!! Sein SCHWARM hatte IHN angesprochen! Alle Gedanken schienen wie weggefegt, während sie da stand und ihn anstrahlte. Ihr Licht blendete ihn einfach so sehr, dass er nicht einmal seine Gedanken sehen konnte. „Also, was ist dein ‚Plan’?“ fragte nun auch Robert und stieß seinen Freund neckisch mit dem Ellbogen an. „Also... ich wollte ihn mehr in die Klasse integrieren, ihn dazu bringen freiwillig öfter zum Unterricht zu kommen... vielleicht befreundet er sich auch noch mit anderen und so... ich meine... er ist wirklich nett.“ Robert seufzte, Justine jedoch war vollauf begeistert. Armen verirrten ‚Kindern’ zu helfen schien ihr wohl die Tat eines Heiligen zu sein. Es beeindruckte sie und das machte Mavis nur noch sicherer, das Richtige zu tun. Alles wurde in der Klasse abgesprochen und durch Mithilfe von Justine und Robert waren bald alle überzeugt dem ‚Neuen’ eine Chance zu geben. Es lag nur an Mavis, dass Leron überhaupt kam und das wurde gleich diesen Nachmittag in Angriff genommen. Wie immer trafen die Beiden sich an der Rotbuche im Park, wo Leron bereits, dieses mal eine selbst gebastelte Panflöte in der Hand, auf ihn wartete. Eigentlich hatten sie das Projekt ja schon fertig, aber trotzdem trafen sie sich weiter. In der kurzen Zeit hatte es sich schon zu einer Gewohnheit entwickelt, gerade so, als liefe es schon seid Jahren so. So zumindest erschien es Mavis. Ganz begeistert kam er angerannt, warf seine Schultasche gegen den Stamm und hockte sich vor Leron. „Morgen kommst du mit zur Schule!“, offenbarte er ihm, als sei das eine tolle Überraschung. „Weshalb?“ „Damit du Freunde kriegst, ein wenig ein ‚normales Leben’ führst, du weißt schon. Ich habe mit allen geredet und sie werden sich alle bemühen dich zu verstehen.“ Die schwarze Augen sahen ihn fragend, unverständig an. „Ich meine alleine sein ist doch schrecklich, oder? Und auch alleine zuhören kann nicht das wahre sein.“ Einen Moment schien Leron nachzudenken, auch wenn sein makelloses Gesicht das nicht zeigte. Schließlich nickte er und lächelte. „Stimmt. Allein sein ist nicht schön.“ „Siehst du? Das wird echt spitze!! Ich meine du bist so toll in Musik, aber ohne Abschluss bringt dir das doch auch nichts, leider. Und du kannst ja auch nicht alleine Leben. Das wird SO TOLL!!! Du wirst sehen, sie werden dich alle mögen, oh und du wirst sie mögen, ganz gewiss. Das hast du nur Justine zu verdanken.“ Er schmiss sich, überwältigt von Vorfreude in den Rasen und lauschte dem Flötenspiel Lerons. Es schien ihm heute so heiter, so fröhlich. Ja, wahrscheinlich freute er sich auch über diese Chance. „Sag mal Leron... warst du schon mal verliebt?“ er musste an Justine, jenes gebräunte Wunder eines Mädchens denken, das ihm so sehr geholfen hatte, das alles zu bewerkstelligen. Jener Engel in Designerklamotten. Leron spielte weiter auf seiner Flöte, als sei das die Antwort und in Gewisser weise war sie das ja auch. „Ich meine nicht die Musik, ich meine... ein Mädchen.“ Der Flötenspiel verstummte. „Ich ... weiß nicht...“, antwortete Leron schließlich, „Was ist Liebe?“ Im ersten Moment musste Mavis laut auflachen. Hatte man das denn schon einmal gehört? Was Liebe war fragte dieser Junge. „Liebe ist...“, setzte er an und kam jedoch so gleich ins Stocken. Ja, wie erklärte man denn Liebe? „Also wenn man ein Mädchen liebt, dann... will man bei ihr sein, jede Minute und jeder Blick den sie einem schenkt brennt sich in das Herz...“ Er seufzte, während er an die schönen mandelförmigen Augen Justines dachte. „Das ist wenn du diese Person glücklich machen willst, egal was ist, selbst, wenn dich das unglücklich macht... Liebe ist einfach toll.“ Diese Worte ließ er einfach so in der Luft stehen, sodass Leron sie sich noch eine Weile ansehen konnte. Stumm betrachtete er sie, als enthalte das Satzkonstrukt so viele Fremdwörter, dass er erst den Inhalt dechiffrieren musste, um es verstehen zu können. „Ich... glaube ich verstehe.“, erklang nach einigen Sekunden der Stille die zarte Stimme. „Wirklich? Und wer ist, oder war deine Flamme? Also, sagt dir Justine was? Wohl eher nicht, aber morgen zeige ich sie dir! Sie wird dir gefallen! Sie ist hinreißend, Klug und schön und nett... sie hat sehr geholfen den Rest der Klasse von meiner Idee zu überzeugen, weißt du? Aber ich lass dich ja gar nicht zu Wort kommen. Also, wer denn nun? Kenn ich sie vielleicht?“ Die Antwort blieb er ihm schuldig. Oder aber, das Lied, das er nun anstimmte war Antwort genug, denn es beschieb Liebe besser, als jedes Wort, das Mavis gesprochen hatte. Sanft und weich war die Melodie. Die Töne schienen wie die Schmetterlinge die einem im Bauch flatterten, wenn man verliebt war. Sie schienen die Träume über goldene Sonnenuntergänge, und Mondschein Nächte zu umfangen. Sie war klar und deutlich und doch schien ein Hauch, ein Nebelschleier über allem zu liegen und das wahre Wesen, die Natur der Melodie zu verbergen. Sie war die Lösung und das Rätsel zugleich. Noch eine ganze Weile blieb Mavis dieses Lied im Kopf. Ja, Leron war schon ein toller Mensch... er verstand Dinge die sonst keiner verstand und erklärte sie, wie keiner es vermochte. Er war jemand ganz besonderes... Ein wenig überkamen ihn Zweifel über sein Vorhaben ihn in die Klasse zu integrieren. Passte das denn zu Leron? Freute er sich wirklich darüber, wenn er sich anpassen musste, nicht sein konnte wie er wollte, hören konnte, was er mochte? Und selbst wenn er sich anpasste... wäre er dann noch der selbe Leron? Doch im Halbschlaf schwanden diese Zweifel, lösten sich förmlich in Rauch auf. Leron selbst hatte doch sehr glücklich gewirkt, es würde also alles gut werden. Und er tat das ja nur zu seinem Wohl, schließlich konnte Leron nicht ewig so weiter leben. Er musste erwachsen werden, Geld verdienen... Ein neuer Tag ein neuer Start. Ganz begeistert und voller Vorfreude ging Mavis heute zur Schule und tatsächlich. Vorm Eingang stand Leron und wartete, etwas unsicher schauend auf ihn. Erst, als er seinen Freund kommen sah lächelte er wieder und kam sogleich auf ihn zu. „Morgen.“, grüßte dieser lässig. „Komm rein, wir kommen sonst noch zu spät!“ Der Klang der Füße hallte durch die Korridore, Leron schloss für einen Moment die Augen, um das Echo zu genießen, wie Mavis mutmaßte, doch dieser packte seinen Freund sogleich bei der Hand. „Ausgerechnet heute wollen wir doch nicht zu spät kommen, oder?“ Endlich erreichten sie die hölzerne Tür. „Komm, öffne sie und siehe eine neue Welt.“ Sicher, es war etwas übertrieben, aber Mavis hatte es sich einfach nicht nehmen lassen können. Die weißen Hände griffen nach der Klinke, drückte sie runter, vorsichtig, langsam. Als hätten sie nicht die Kraft dafür. Doch schließlich öffnete sich die Tür und das für Mavis alt gewohnte Klassenzimmer lag vor ihnen. Alles hielt inne und gut 30 Paar Augen wanderten zur Tür, durch welche nun Leron geschubst wurde. „Komm schon die beißen nicht.“, grinste Mavis. „Ah, wie ich sehe gedenkt auch der junge Herr Flattermann, zum Unterricht zu erscheinen. Na, da bin ich ja mal gespannt.“ Es war die gehässige Stimme des Mathelehrers. Ja, wie sollte es auch anders sein, es lag nun einmal in der Natur der Mathelehrer gehässig und penibel zu sein und nie das Fehlen eines Schülers zu vergessen, erst Recht, wenn dieser gut ein Jahr gefehlt hatte. An sich brachte es natürlich nichts mehr, so kurz vor Ende des Schuljahres noch zu kommen und sicher musste Leron die Klasse wiederholen, aber es ging hier um etwas ganz anderes. Dass der Pauker das nicht verstand war natürlich klar gewesen. Alle lächelten, auch wenn manches Lächeln recht steif aussah und Leron wurde auf einen Platz, direkt zwischen Justine (sie hatte darauf bestanden neben Leron sitzen zu dürfen) und natürlich Mavis pletziert. Der Tag verlief... nun nicht so wie Mavis sich erhofft hatte, auch wenn er das nicht mitbekam. Alle redeten mit Leron, alle bemühten sich, teilten ihr Essen, fragten, redeten. Er selbst unterhielt sich mit Justine und sie beglückwünschten sich zu ihrem Erfolg. Dann kam Freitag und wieder sollte Leron zur Schule kommen. Er kam nicht. Erst dachte man er käme nur zu spät. Mavis wollte nicht ganz daran glauben, auch wenn er es sich immer wieder sagte. Er saß geistesabwesend am Fenster und schaute hinaus und wartete. Der Lehrer brabbelte irgendwas und ein oder zweimal wurde Mavis auch angesprochen, doch das bemerkte er nur am Rande. Die erste Stunde verging. Nichts zu sehen. Auch die zweite Stunde verstrich, ohne, dass der Blondschopf mit dem sanften Lächeln durch die Tür kam. Mit der Pause kamen die Gerüchte, das Gemurmel, welches wie ein rauschender Fluss von einem Mund zum anderen ging. „Man hätte damit rechnen müssen.“, sagte jemand „Ja, er will einfach nicht.“ „Ist ja sein Fehler, nicht unserer!“ „Genau, wir haben uns bemüht, aber wahrscheinlich hat er das gar nicht mitgekriegt.“ „Der kriegt doch nie was mit.“ Und so machte es seine Runde. Mavis wollte das nicht hören. Er war sauer. Er war traurig. Er wusste nicht was er denken sollte. Warum ließ Leron ihn jetzt im Stich? Warum kam er nicht? War etwas passiert? Wollte er einfach nicht? Aber warum sollte er nicht wollen? Warum? „Na, bist du zufrieden?“ Robert war an ihn heran getreten und legte seien Hand auf die Schulter Mavis’s. Spott und Hohn lag in seiner Stimme. Warum auch nicht? Es war geschehen, was er erwartet hatte. „Sieh es ein, er gehört hier nicht her, er ist ein verrückter kleiner Freak der es nicht anders haben will.“ „Was weißt du schon?“ es war ein Flüstern, ein unterdrückter Schrei. Die Hände zu Fäusten geballt stand Mavis auf und sah seinen vermeintlichen Freund wütend entgegen. „Was weißt du schon, was er will und was er nicht will?! Du kennst ihn doch gar nicht!“ Die Hand die noch auf seiner Schulter ruhte wurde weg geschlagen. „Ach, aber nach knapp zwei Woche kennst du ihn, ja?“, erwiderte Robert halb hochmütig, halb ernst. „Hey du hast es versucht und gut ist. Ok? Wir rechnen es dir alle hoch an, dass du dich um ihn gekümmert hast – “ „Gekümmert?“ unterbrach ihn Mavis „Ich? Um IHN? Hör mal, diese Aktion war nicht ‚oh ich helfe dem armen Außenseiter!' Er ist ein FREUND!“ „Ach ein Freund, nicht ein ‚helft dem Außenseiter’, ja? Und warum ist dein sogenannter 'Freund' nicht hier?“ „Wegen Idioten wie dir!“ Es war raus, ehe Mavis noch länger hätte nachdenken können. Er hatte das nicht sagen wollen, denn Robert war eigentlich kein Idiot. Aber er war einfach zu sauer. Fassungslos sah Robert ihn an, und diesen Blick, den mochte Mavis nicht. Stumm, ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging. „Wohin?“ ertönte Roberts Stimme hinter ihm, doch er antwortete nicht. Er konnte einfach nicht antworten, selbst wenn er gewollt hätte. Sein Körper zitterte vor Wut, und den Mund aufzumachen bedeutete zu schreien, vielleicht sogar zu weinen. „Mavis?“ Es war Justine die ihm entgegen kam, einen besorgten Ausdruck auf ihrem schönen jungen Gesicht, doch der Junge ignorierte sie, blickte starr an ihr vorbei und ging, langsam Schritt für Schritt, gefolgt von allen Blicken auf dem Korridor zum Ausgang. „Dann geh doch zu deinem Freak-Freund, wenn dir der mehr wert ist als wir!“, hörte er noch Roberts rufen. Endlich erreichte er den Ausgang der Schule und er begann zu rennen. All die Wut die seine Glieder hatte beben lassen wurde in die Beine gesteckt welche nun fast von alleine rannten und nicht mehr zu stoppen schienen. Er rannte und rannte und rannte und achtete gar nicht wohin der eigentlich rannte. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er war wütend. Nicht auf Robert, nein, nicht auf Robert. Er war wütend auf Leron. Wieso war er nicht gekommen? Wenn es ihm gestern nicht gefallen hat, hätte er doch etwas sagen können!!! Aber nein, er sagte ja nie etwas! Er stand da und grinste, egal was war er grinste, geradeso, als wäre das alles was er konnte! Wofür hatte er denn den Mund? Nur, um damit Flöte zu spielen? Er war wütend, weil Robert recht hatte. Leron wollte nicht, Leron war anders und er hatte versucht ihn zu einem Freund zu machen. Wie dumm er doch gewesen war. Er wusste nicht, wie lange er gelaufen war, zehn Minuten oder eine Halbe Stunde, oder länger, es schien keinen Unterschied zu machen. Seine Lungen brannten, die Beine fühlten sich schwer an, wie aus Blei. Endlich musste er stehen bleiben. Er blieb nicht nur stehen, er fiel zu Boden, die Augen geschlossen, das braune Haar zerstreut vor sein Gesicht fallend und nach Atem ringend. Erst nach einigen Minuten fand er die Kraft aufzusehen und er fand sich unter einer Rotbuche. Nicht unter irgendeiner, nein unter DER Rotbuche. Doch da saß keiner. Da war nur ein leerer Fleck, wo eigentlich Leron sitzen sollte. Irgendwie schleppte Mavis sich dorthin und saß mit dem Rücken an den Baum gelehnt einfach nur da, die Augen geschlossen. Es war beruhigend... er hatte nie gemerkt, wie ruhig es hier war... nur das rascheln der Blätter, der Wind der ihm über das verschwitzte Gesicht strich... und ein wenig verstand er nun, was Leron ihm damals gesagt hatte, was die Frage ‚was hörst du?’ bedeute. Sie bedeutete hier, an diesem Ort Frieden, Ruhe, Behaglichkeit. Die Zeit verstrich. Die Schule musste schon zu ende sein. Regentropfen fielen vom von grauen Wolken überzogenem Himmel, welcher so gut Mavis’s Gemütslage wiederspiegelte. Mit jedem Augenblick der verging schien es sich noch mehr zu verdunkeln. Aus zwei Tröpfchen wurden Tropfen und aus den Tropfen schließlich Regen. Regen, so sagt man, spült alles weg. Allen Dreck und Schmutz nimmt er einfach und trägt ihn fort. Doch davon merkte Mavis nichts. Im Gegenteil, jeder Tropfen der auf sein Gesicht fiel schien ihn mehr zu grämen. Wo blieb Leron? Schritte näherten sich, die grünen Grashalme wurden von einem Paar brauner Sportschuhe runtergedrückt, bis sie schließlich wenige Meter vor dem Baum zum stehen kamen. Es war das erste mal, dass nicht Leron schon vorher am Baum gesessen hatte. „Was machst du hier?“ Jetzt erst öffnete Mavis die Augen, erst als er Lerons Stimme hörte. Er sah durch den Regenschleier hinüber zu dem anderen Jungen. Er trug einen gelben Regenschirm bei sich und einen Rucksack und sah auch sonst ganz normal aus. Fragend lagen seine schwarzen Augen auf Mavis. „Wo warst du heute?“, wollte dieser wissen, ohne auf Lerons Frage zu reagieren. Sein fester Blick und die Bestimmtheit der Frage ließen sein Gegenüber zu Boden schauen. „Ich habe mich so bemüht.“ Er gab sich alle Mühe seine Wut zurück zuhalten. Vielleicht gab es ja auch eine gute Erklärung für das alles. Er wollte es wissen, wollte nicht grundlos wütend sein. „Also?“ die Stille war nicht auszuhalten. „Sie wollten doch gar nicht reden.“ , antwortete Leron schließlich kleinlaut. „Das ist Schwachsinn, alle haben dir eine Chance gegeben!“, entgegnete Mavis etwas zu heftig. Unwillkürlich wich sein Gesprächspartner einen Schritt zurück. Er schüttelte den Kopf. „Nein... sie haben das vielleicht gesagt, aber nicht gefühlt.“ „Und woher weißt du was sie fühlen?“ Für Mavis jedenfalls hatte es so ausgesehen, als hätten sich die anderen bemüht. Klar, sie waren nicht gleich dicke Freunde mit Leron, er war so lange nicht zur Schule gekommen und hatte nie geredet, aber sie haben sich ehrlich bemüht! Alle waren zu ihn gegangen, hatten geredet, gelächelt, und jetzt meinte Leron Gedanken lesen zu können? Das war doch lächerlich. „Du würdest mir eh nicht glauben.“ „Versuch es.“ Aber er würde ihm nicht glauben. Welche Erklärung könnte plausibel genug sein, dass sie das erklären konnte? „Ich höre es.“ Der Regen prasselte auf die grünen Blätter, ein Vogel verkroch sich in sein Vogelhäuschen, um vor dem kalten Nass Schutz zusuchen. Der Park war ansonsten leer. Keine Menschen mehr, keine spielenden Kinder auf dem Spieplatz, oder Leute die ihren Hundspazieren führten. Ein Blitz durchzuckte den Himmel, Donner hallte hinterher. „Du... hast es gehört?“, wiederholte Mavis schließlich skeptisch. „Wenn ich zuhöre, höre ich mehr auf... auf die Stimme, als die Worte, denn die sagt mir, was ich wissen muss und niemand mit dem ich bisher geredet habe wollte mit mir reden, oder mich verstehen. Jedenfalls nicht richtig... bis...“ er sah endlich wieder auf und es war fast ein Schock für Mavis, als er direkt in diese Onyx schwarzen Augen sah „bis ich dich getroffen habe.“ Er kam einpaar Schritte näher, den Regenschirm schließlich über Mavis haltend und matt lächelnd. Dieser seufzte und stand schließlich auf. „Ist Ok... komm gehen wir zu mir, ich brauch trockene Klamotten.“ Er sah an seinen nicht nur nassen, sondern durch das auf dem nassen Boden sitzen schmutzigen Klamotten die sich an ihm festgeklebt hatten und schwer von seinem Körper herunter hingen, herunter. Die Wut in seinem Bauch war in dem Moment verdampft, da die schwarzen Augen sich in Trauer und gleichzeitiger Hoffnung auf ihn gelegt hatten. „Du kommst also nicht mehr zur Schule.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Leron nickte stumm und nahm die Tasse mit dampfenden Tee in die Hände. Sie waren zu Fuß, Seite an Seite, stumm zu Mavis gegangen. Seine Mutter hatte sich erst schrecklich aufgeregt, erstens wo er denn gewesen sei – die Schule hatte sie von seinem Schwänzen informiert – und zweitens die nassen verdreckten Kleider. Immer regte sie sich so auf, dabei war es doch gar nicht so kalt draußen, als dass er deswegen gleich mit Fieber im Bett lag oder so etwas. Und natürlich hatte sie Leron herzlichst empfangen, wie sollte es auch anders sein? Gäste waren ja eh immer ein anderes Thema, als die eigenen Kinder, warum sollte man zu denen auch nett und sorgvoll sein? Nun, immerhin hatte auch er heißen Tee bekommen und frische Klamotten hatte er sich auch schon angezogen. Nun saßen sie in seinem Zimmer und schwiegen einander an. Keiner schien so recht zu wissen, was er sagen sollte, oder zumindest ging es Mavis so. „Das hättest du mir auch gestern nach der Schule sagen können.“ Er versuchte nicht zu beleidigt zu klingen, was nicht so recht gelingen wollte. Und stimmte was Leron ihm im Park gesagt hatte so wäre es ohnehin zwecklos gewesen. „Ich...“ „Sag einfach, dass es dir leid tut, dann ist das schon Ok.“ Er lächelte zu dem anderen herüber und dieser lächelte dankbar zurück. „Es tut mir leid.“ Er hatte es nicht so mit reden, mit Wörtern und diese finden und das wusste Mavis inzwischen. Er hatte das Gefühl seinen Partner jetzt viel besser verstehen zu können. Das Projekt war ein voller Erfolg. Sie hatten ein Romantisches Lied in Stomp verwandelt, was mächtig Eindruck geschunden hat und tosenden Applaus einbrachte. Außerdem, und das war ja auch viel wichtiger, eine 1, die erste eins in Musik seid Christine (Mavis's Partnerin aus der 7ten Klasse). Die Freundschaft zwischen Leron und Mavis wuchs von Tag zu Tag. Zwar kam Leron wieder nur sporadisch zur Schule, jedoch trafen sie sich weiterhin täglich nach der Schule am Park. Hatte Mavis Fußballtraining saß Leron nicht weit vom Platz und schaute zu, ein oder zwei mal war er sogar überredet worden mitzuspielen, was ihm zwar Spaß zu machen schien, jedoch nicht ganz das Richtige war. Er war viel fröhlicher und sogar ein wenig gesprächiger geworden. Ja, sie lernten voneinander. Mavis jedenfalls lernte, die Musik wertzuschätzen und das manche Menschen einfach anders waren. Doch eines Tages kam Leron nicht zur Buche. Und auch den nächsten Tag kam er nicht. Eine Woche verstrich und er kam nicht. Schließlich entschied Mavis etwas zu tun. Er wusste nicht wo Leron wohnte, aber das ließ sich ja herausfinden. Es dauerte zwar eine Weile, aber der Klassenlehrer fand die Adresse und so konnte Mavis der Sache selbst auf die Schliche kommen. Dieser Besuch sollte sein Leben verändern. Das Haus in dem Leron wohnte war am Stadtrand, weit weg von der Schule, oder dem Park entfernt. Es war klein, schäbig, dreckig und sah aus, als müsse es jeden Moment auseinanderfallen. Erst hatte Mavis bezweifelt, das überhaupt jemand dort wohnte, ehe er eine Frau auf der Veranda erblickte. Sie hatte das selbe blonde Haar wie Leron, starrte jedoch mit traurigen braunen Augen in die Leere. Sie war dünn, geradezu mager und trug ein abgetragenes, ausgeblichenes Kleid. Sie bemerkte Mavis gar nicht, auch, als er die knarrenden alten Holzustufen zu ihr empor stieg. „Entschuldigen Sie?“, fragte er vorsichtig und sah sich unsicher um. Vielleicht konnte er Leron doch noch erspähen? Doch nichts, nur die Straße und einpaar andere Häuser. „Sind sie Lerons Mutter?“, fragte er weiter, doch die Frau starrte nur stumm vor sich hin, realisierte gar nicht, dass jemand mit ihr sprach. „Madame?“ Er stand inzwischen direkt vor ihr und wedelte mit der Hand vor ihren Augen. Keine Reaktion, nicht einmal ein Zucken mit der Wimper. Verloren sah er sich in dem verwilderten kleinen Vorgarten um und ging schließlich zur Tür. Sie war offen. „Ich... ich gehe mal rein, ja?“ Natürlich kam keine Reaktion, damit hatte der Junge fast schon gerechnet. Er drehte den Knauf dessen grüne Lackierung schon am Ablättern war und ging hinein. Das Innere des Hauses sah nicht besser aus, als das Äußere. Es war verstaubt, überall lagen Sachen herum, die Möbel wirkten alt und kaputt. Eine Treppe führte nach oben und, obwohl Mavis befürchtete, sie könnte jeden Moment unter seinen Füßen zusammenbrechen, stieg er sie empor. Oben war ein altes, recht widerliches stinkendes Bad, eine Rumpelkammer und schließlich Lerons Zimmer. Da war keine Beschriftung, aber die war auch nicht notwendig. Lerons Zimmer war beeinduckend. Es war hell, und freundlich. Ja, es war verstaubt und alt, und doch hatte es einen gewissen Charme. Überall hingen Instrumente, die meisten selbst gemacht, dann war da noch ein alter CD-Spieler und viele alte CDs, ein Sammelsurium aus allem Möglichen und ein Kinderklavier. Außerdem ein Foto auf einem kleinen Tisch direkt neben dem verlumpten Bett. Darauf abgebildet war ein kleiner drei oder vier jähriger Junge, direkt bei dem Klavier, der mit seinen kleinen Fingern darauf spielte, daneben hockte eine junge Frau, anscheinend jene, die unten vor dem Haus saß, und dann war da noch ein Mann, den schwarzen Augen nach zu schließen Lerons Vater. Das Foto in den Händen haltend belächelte Mavis dieses Bild der glücklichen Familie. Er hatte noch nie darüber nachgedacht, wie es bei Leron Daheim wohl war, wie seine Eltern waren, und wie er überhaupt täglich die Schule schwänzen konnte. Irgendwie war es einfach so gewesen. „Bist du ein Freund von Leron?“, es war eine Frauenstimme, die den Eindringling zusammen zucken ließ. Als er sich umdrehte erwartete Mavis das fahle, graue Gesicht der Frau, die unten auf der Veranda saß, doch sie war es nicht. Es war eine jüngere Frau, 18 Jahre würde er schätzen. Sie hatte hellbraunes kurzes Haar das mit einpaar Klammern zurecht gesteckt worden war und trug ein grünes Kostüm. „Ja... ich bin Mavis...“, antwortete er verlegen „Unten war offen und ich habe gefragt, aber die Frau...“ „Schon in Ordnung. Du bist ein Freund Lerons?“, fragte sie höflich und trat weiter ein. Er nickte stumm. „Und Sie sind?“ „Ich bin eine freiwillige Sozial Arbeiterin, ich kümmere mich um Mrs. Falttermann und ein wenig den Haushalt, solange Leron nicht da ist. „Wo ist er?“ Ihr Gesicht trübte sich, als sie auf ihn zu kam und schließlich direkt vor ihm stehen blieb. „Im Krankenhaus.“, erklärte sie. Das Wort wollte nicht so recht in seinen Kopf herein. 'Krankenhaus' sagte ihm einfach nichts, es ergab keinen Sinn. Leron war ja nicht in besonderer Weise krank gewesen oder dergleichen. „W-wieso?“ er stotterte. Er wollte es eigentlich gar nicht wissen, denn wie sie ihn ansah sagte ihm, dass es nichts gutes war, was sie ihm zu sagen hatte. „Eine Gehirnhautentzündung... durch einen Zeckenbiss... warte ich gebe dir die Adresse des Krankenhauses. Er freut sich bestimmt über Besuch. Seine Mutter ist für einen Besuch einfach nicht in der Verfassung.“ Gehirnhautentzündung? Was war das? Was bedeutete das? „Was ist mit seinem Vater?“, fragte er jedoch stattdessen, während die Fremde ein Papier und einen Stift hervor kramte und zu schreiben begann. „Er ging vor vielen Jahren, ich weiß auch nicht genau ob er gestorben, oder weggegangen ist, jedoch ist sie anscheinend seitdem so... hier grüß ihn von mir.“ Sie lächelte, aber er konnte es nicht erwidern. Er nickte nur, bedankte sich und ging wieder. Er fragte nicht einmal nach ihrem Namen. In Gedanken war er schon im Krankenhaus, zu welchem er nun ging. Das Krankenhaus bedarf keiner großen Beschreibung. Es war wie jedes Krankenhaus, ein großer weiß angestrichener Klotz, ein Garten davor und ein nettes Café. Die Gänge waren weiß und steril nur dann und wann hing ein Bild an der Wand, um es freundlicher wirken zulassen, was jedoch nicht wirklich funktionieren wollte. Die Krankenschwester an der Rezeption war eine von Millionen Krankenschwester, wie sie in jedem Krankenhaus zu finden waren. Sie hatte kein ungewöhnliches Gesicht, oder sonstige Besonderheiten, sie war einfach eine von vielen. „Ich würde gerne Leron Flattermann besuchen.“, erklärte er der älteren Dame, welche in ihrem Computer suchte. „Fünfte Etage Raum 569, aber du musst erst diese Formulare ausfüllen.“ Leron lag also auf der Intensivstation. Sofort machte Mavis sich daran alles auszufüllen und kam schließlich für zehn Minuten in das Zimmer seines Freundes, welcher schlafend auf dem Krankenbett lag. Enzephalitis war die Diagnose. Übertragen war dieser Virus durch einen Zeckenbiss, es handelte sich dabei um eine Hirnhautkrankheit. Bisher war alles gut verlaufen und wahrscheinlich würde Leron ohne große Behinderungen wieder genesen, so hoffte jedenfalls der betreuende Artzt. Allerdings -ja, wie immer gab es dieses tödliche ‚allerdings’- allerdings waren einige Nervenzellen, die die Geräuscherkennung steuerten verletzt worden. Folge dessen war Taubheit für den Jungen. Doch es hätte schlimmer kommen können. Hätte die Pflegerin den Jungen nicht sofort ins Krankenhaus gebracht hätte es auch zu einer geistigen Behinderung, oder gar zum Tod kommen können. Laut der Ärtzte hatte Leron also Glück gehabt. Doch Mavis wusste es besser. Er war da, jeden Tag, schwänzte die Schule für seinen Freund. Er konnte es kaum ertragen. Selbst, wenn Leron wach war, so starrte er nur vor sich hin und glich mehr denn je seiner Mutter. Keine Freude war in seinem Gesicht, auch nicht, wenn er Mavis sah. Zwar hob er dann den Kopf, bewegte seine Mundwinkel, doch kein Lächeln wollte das blasse Gesicht zieren. Er würde nie wieder hören können. Eines Tages, Mavis kam wieder, dieses mal mit einem Strausblumen in der Hand, war das Zimmer leer. Leron war inzwischen von der Intensivstation runter, sollte jedoch laut ärztlichen Anweisungen das Bett hüten. „Wo ist er?“, fragte Mavis sofort, als er das leere Zimemr vorfand. Die Krankenschwester wusste es auch nicht. Sie regte sich auf, dass die Kinder nie hören würden und sie in einpaar andere Krankenschwestern starteten eine Suchaktion nach dem Jungen. Mit einer Gehirnhautentzündung sollte man wirklich nicht spaßen, sagte sie ernst. Dabei war der Junge doch sonst so ruhig gewesen... Mavis rannte durch das Krankenhaus, krank vor Sorge. Egal ob Leron ihn hören konnte, oder nicht, er rief den Namen seines Freundes. Schließlich, ohne genau zuwissen weshalb rannte er zum Dach. Eigentlich dumm. Eigentlich sinnlos. Was sollte Leron schon auf dem Dach suchen? Vielleicht hatte er innerlich auch einfach gespürt, dass er ihn dort finden würde. „Leron“ Obgleich Taub drehte der Junge sich um und die schwarzen Augen sahen traurig zu dem erschrockenen Mavis herüber. Er stand an der Brüstung, nur wenige Zentimeter vom Tod entfernt. Mavis schüttelte seinen Kopf, erst leicht, ungläubig, hoffend gleich aufzuwachen, schließlich heftig. „Nein.“, sagte er „Nein, nein das tust du nicht.“ Er kam auf ihn zu, doch Leron wich einen Schritt zurück. Beide verharrten in der Bewegung. „Leron, bitte, komm her.“ Er machte eine Handbewegung, deute zu sich. Die Schwarzen Augen ruhten auf den warmen, helfenden Händen, dann wieder auf Mavis’s Gesicht. Dieser kam näher, langsam, Schritt für Schritt. Der Wind peitschte in dieser Höhe gegen sein Gesicht, lies sein braunes Haar wild erst nach links nach rechts wehen. Lerons geschmeidiges Blondes wehte nur sacht, so sacht wie sein Blick war. Schließlich stand er endlich vor ihm. Fast schon erleichtert nahm er seine Hand. „Komm.“ Er drückte sie auffordernd und zog sie in Richtung Eingang, in Richtung Sicherheit, in Richtung Leben. Doch nicht einen Zentimeter wollte sich sein Freund bewegen. „Komm schon.“ Etwas verzweifeltes lag in der Stimme, die nun zu beben begann. Er zog doller. „Komm schon Leron, bitte! Du kannst hier nicht bleiben! Mit wem soll ich sonst zusammen sein, wer versteht mich so gut, mit wem habe ich so viel Spaß? Mir ist egal ob du mich hören kannst, oder nicht, du bist du! Komm mit.“ Seine Stimme verstarb, wurde von den aufkommenden Tränen überschwemmt. Er hatte sich schon zum Ausgang gedreht, ihn mit sich nehmen wollen, nun aber sah er ihm mit Tränen in den Augen ins Gesicht. Der Blick, dieser Blick er würde ihn nie vergessen. Es lag keine wirkliche Trauer in den onyxfarbenen Augen. Sie waren klar, und rein, und dankbar, jedoch entschlossen. „Du hast keine Wahl, oder?“, fragte Mavis, doch der Blick war Antwort genug. Heiße, nasse Perlen rannen über das Gesicht des Teenagers, als dieser seinem Freund um den Hals fiel ihn innig umarmte. Er weinte, weinte aus ganzer Seele, weinte und zitterte. Er spürte wie eine zarte, warme Hand über sein Haupt strich, wie die den schmale Kopf näher an ihn heran kam. „Es tut mir leid, aber ich kann sie nicht verlieren, ich kann sie nicht vergessen.“ Im nächsten Moment berührte sich die Lippen der beiden Jungs, die lösten sich und Mavis fand sich schluchzend am Boden liegend wieder, während sein Freund die letzten Schritte zum Abgrund machte. Er stand da, wie ein gefallener Engel, so schön und traurig, und er sang. Es war das erste und einzige mal, dass Mavis ihn singen hörte, und es war jenes Lied, das er bei ihrer ersten richtigen Begegnung gesummt hatte. Es war schöner, als alles, was er je gehört hatte... es waren seine letzten Worte, und sie erzählten von Friede, von Freiheit, von etwas unendlichem, unendlich schön oder unendlich traurig und von einer Hoffnung, die immer weiterlebte. Sie erzählte von der Seele der Musik. Der Großvater endete und nun bleiben nur die großen, Tränen gefüllten Augen seiner Nichte. „Was ist aus Mavis geworden?“, fragte sie heiser. „Oh, er lebte weiter. Er traf des öfteren jene Sozialarbeiterin, und kam schließlich mit ihr zusammen. Außerdem begann er wieder Klavier zu spielen, um so seinen Teil in dem großen Orchester des Lebens zu finden und seinem Freund ein wenig näher zu sein. Er wurde ein großer Musiker und ein glücklicher Vater.“, lächelte der alte Mann. „Ich will auch!!! Ich werde ganz fleißig üben!!!“, sagte das Mädchen sehr ernst und wischte sich das Gesicht ab, als das Klacken der Haustür zu vernehmen war. „Mami, Papi!!!“ sie sprang auf, um in den Flur zu rennen. Der alte Mann lächelte ihr hinterher, schob seinen Brille zurecht und erhob sich schließlich. „Na wie war der Klarinettenunterricht, Schatz?“, hörte er die Stimme seiner Tochter aus dem Flur „Toll!!! Ich werde GANZ viel üben und dann werde ich auch die Seele der Musik hören!“ verkündete ihr Madeleine. Der Großvater schritt durch den Festtagsraum und blieb schließlich an einem Regal stehen. Darin stand ein kleines Spielzeugklavier und ein Foto. Eine alte Erinnerung aus einer nie vergessenen Zeit. Kapitel 7: Ausgesprochen unausgesprochen II ------------------------------------------- 20.30 Uhr. Ich stehe an diesem ersten Advent am Gleis 9 Abschnitt E und mir ist kalt. Mein Zug ist vor fünf Minuten abgefahren, jedenfalls laut Fahrplan. Eigene Beobachtungen, die ich seid 15 Minuten mache sagen mir aber etwas anderes. Um es kurz zu machen, natürlich hatte mein Zugverspätung. Aber gut, shit happens, mich grimmt dies nicht. Jedenfalls nicht heute. Zu Weihnachten kann leider nicht die Familie zusammen kommen, dafür an diesem ersten Advent. Ich habe also meine 10 Monate alte Nichte wieder gesehen, meine beiden Schwestern und meine Mutter und das ist schon ein Grund sich auch von Wind und Regen die Laune nicht trüben zu lassen. Ja nicht einmal von einer verspäteten Bahn. Ein wenig muss ich zurück an meine letzte Heimfahrt denken. Es war sogar der selbe Zug gewesen nur gut 2 Monate zuvor. Damals war ich eher sauer gewesen und ich wurde immer noch sauer wenn ich an damals zurück dachte... ‚Vielleicht gibt es ja ein Weihnachtswunder?’, denke ich und steige endlich in den Zug ein. Ich hatte mich ein Stück zu weit nach vorne gestellt um in mein Abteil einzusteigen, aber da es ohnehin nicht so voll ist (erneut frage ich mich, warum ich überhaupt reserviert habe, aber wer kann das schon an einem ersten Advent ahnen?) steige ich halt ein, wo ich gerade bin und will einfach durchgehen. Im Gehen krame ich in meiner Tasche, um die Reservierung zu suchen. Wagen 254 Sitz Nummer.... Doch soweit komme ich gar nicht. Mein Herz bleibt stehen, um schließlich in meiner Brust Salsa zu tanzen. Schwarzes Haar, welches elegant über ein etwas kantiges, blasses Gesicht fällt, welches müde gegen das Fenster gelehnt ist. Es ist ein vierer Platz und nur ein anderer Mann sitzt da und es handelt sich dieses mal um keinen alten Bekannten. Ich schaute meine Reservierung nicht mehr an und stecke sie wieder ein. Nicht noch einmal den selben Fehler begehen. „Ist hier noch frei?“, frage ich der Höflichkeit halber, bin jedoch schon dabei meine Reisetasche hoch zu verfrachten und setze mich gegenüber dem Jungen, dessen Name ich noch immer nicht kannte. Das dritte zufällige Treffen in einem halben Jahr. Ich MUSSTE ihn ansprechen! Ich hatte es mir geschworen!!!! Mit einem Ruck setzte der Zug sich in Bewegung und ich starre nur dumm mein Gegenüber an, was dieser nicht merkt, da er schläft. Na super... ich kann ihn auch schlecht wecken nur weil ich meine ihn wieder zu erkennen! Also echt, das geht ja nun nicht. Außerdem habe ich ja genug Zeit... Ich krame in meiner Tasche und hol meine Biologie Mappe hervor. Natriumionen strömen ein, wodurch eine Depolarisation stattfindet, am Höchstpunkt beginnt ein Kaliumionen Ausstrom, wodurch die Repolarisation beginnt und... man sieht er süß aus wenn er schläft... wie das schwarze Haar über sein Gesicht fällt... aber da war ich ja nicht! Also weiter... Repolarisation durch Kaliumionen, genau und schließlich die.... die.... Hat er rüber geguckt? Ich bin mir fast sicher er hat rüber geguckt... ach quatsch, wahrscheinlich hat nur sein Auge gezuckt... Also, wo war ich? Ach ja das Endpotenzial, ein Hyperpolarisation dadurch das Natrium Einstrom auf Null und Kalium Ausstrom noch aktiv ist... oder war es Kalium Einstrom und Natrium Ausstrom??? Ich erwische mich dabei wie ich, statt meine Notizen zu durchsuchen wieder aufsehe und meinen schlafenden Gegenüber anschmachte. Es hat ja doch keinen Sinn, beschließe ich und die Mappe wandert wieder in meine Tasche. Eine weile Stille. Okaaay... Der Zug rattert, die schwarze Landschaft fliegt vorbei. Keiner sagt etwas, anscheinend sind sie alle viel zu kaputt, um irgendwas zu sagen. Das gilt auch für meinen Sitznachbarn. Ich frage mich, ob mein Gegenüber mich wohl wieder erkannt hat, und einfach nichts sagt, denn richtig schlafen tut er nicht. Er döst nur von Zeit zu Zeit, dann wird die Pose unbequem und geändert. Wahrscheinlich eher nicht... ich bin ja nur so verrückt... Ich frage mich auch, wie er wohl so ist.. ich bin mir fast sicher, dass er viel mit Musik zu tun hat. Ja die meisten Jungs mit langen Haaren machen viel Musik, das ist einfach eine Erfahrung, die ich gemacht habe. So richtig erklären kann ich mir das nicht, aber ich kenne 3 Fälle auf die das zu trifft und das sind 100% der Jungs mit langen Haaren, die ich kenne. Das sollte dieses kleine Vorurteil wohl erklären. Ich stelle mir auch vor, dass er sehr kühl ist, und seine Meinung hat und eher ein Einzelgänger ist. Ich stelle mir vor, dass er ziemlich cool ist, und einen auf unnahbar macht, aber in Wahrheit eigentlich sehr nett ist und dass ich diese Nettigkeit hervor zaubere. Wie in einem Manga, oder einer Liebesgeschichte. Ratlos, was ich tun soll hole ich schließlich meinen Block heraus. Ich hole einen Bleistift hervor, natürlich habe ich kein Radiergummi, oder Spitzer dabei, und beginne den schlafenden zu skizzieren. Wenn der das mitkriegt hält er mich für bescheuert. Andererseits... vielleicht ein Grund für in, mich anzusprechen? ‚Sprich mich bitte an’, denke ich die ganze Zeit, jedes Mal wenn ich aufgucke, um meine Skizze zu erweitern. ‚Bitte sprich mich an’, aber er schweigt und dreht nur den Kopf und so beginne ich eine neue Skizze. Nun wenigstens die eine mit Bleistift gefällt mir recht gut, die mit Fineliner überhaupt nicht, aber eine Reicht ja. Wie sein Haar über die arme, aus die er seinen Kopf gebettet hat fällt... einfach süß. Nach der zweiten Station höre ich dann aber doch auf. Langsam gebe ich die Hoffnung auf, dass er mir deswegen mehr Aufmerksamkeit schenkt, auch wenn er von Zeit zu Zeit mit offenen Augen aus dem Fenster starrt. Seine Augen sind übrigens braun, wie ich leicht enttäuscht feststelle. Ich hatte nämlich einmal so einen Traum... also nicht dass ich ihn so ernst nehmen würde, aber dennoch, wenn man sich nie an Träume erinnert und dann aber schon an einen und dieser eine beinhaltet einen Kuss, obwohl man noch nie geküsst hatte, und einpaar strahlend blaue Augen, und wenn dieser jemand noch so romantisch veranlagt ist wie ich, da spielt es doch irgendwo eine Rolle. Nun egal, auch braune Augen sind wirklich sehr, sehr schön... sie haben immer etwas ruhiges, angenehmes. Wir kommen zwei Haltestellen vor meiner an. Ich sehe auf die Uhr... „Also die Verspätung holt der ja auch nicht auf.“, murmle ich, halb auf eine Antwort hoffend. „Ach, bis Bremen holen wir das wieder auf, hoffe ich.“ Es ist der blonde Sitznachbar, nicht mein heimlicher Schwarm. Nun egal, besser, als keiner. „Ja und da kann endlich raus.“, erwider ich, und da von ihm keine Reaktion mehr kommt „Und Sie?“ „Hamburg.“ „Ach soweit ist das doch nicht mehr“ „Ja nur noch eine Stunde“ „Na immerhin ist das Ziel in Sicht.“ „Ja“ „Ja“ „...“ „...“ So viel zum Thema Konversationen im Zug um zehn Uhr. Jetzt höre ich zwischen durch Musik, mache sie jedoch immer wieder aus. Es ist ein ewiges Hin und her: Annhören, oder nicht? Wenn ich mit Ohrenstöpseln dasitze, wird er mich ja doch nicht ansprechen... aber das wird er ohnehin nicht!!! Also warum nicht die Zeit irgendwie totschlagen? Aber ich sollte ihn auch ansprechen! Alleine der Gedanke lässt mein Herz schneller schlagen, dass ich meine ich könne gar nicht mehr reden, weil es bis zum Hals schlagen muss. Aber ich MUSS!!! Wenn nicht jetzt wann dann??? Ich würde es immer bereuen! IMMER. Ich schweige und höre ‚My immortal.’. Inzwischen haben wir die letzte Station vor meiner passiert. Passiert ist im Abteil jedoch nichts nennenswertes außer dreimaligem ein und auspacken meines MP3-players. Jetzt singe ich auch noch leise. Ich deduziere: Er Typ hat lange Haare, er mag sicher Musik. Selbst wenn er nicht speziell Musik macht, mögen tut sie doch ohnehin irgendwie jeder, oder? Also singe ich. Um Aufmerksamkeit zu kriegen. ‚Reflection’, ‚A whole new world’, ‘Someone like you’, ich singe alles mögliche wild durch einander. Er schaut nicht einmal auf. Vielleicht bin ich zu leise... aber lauter kann ich ja auch nicht singen, schließlich versuchen mehrere, er eingeschlossen, zu schlafen. Egal ich singe leise weiter vor mich hin. Jedenfalls kriegt man so die Zeit rum, wobei ich mich frage, ob mein Gegenüber wohl gerne sang, und wenn ja was für Lieder, und ob wir wohl jemals gemeinsam etwas sängen. „Nächster Halt...“, erklag die Stimme des Schaffners, der mich aus meinen Tagträumerein weckte. Ich packe meine Sachen wieder zusammen und auch er erhebt sich. Ok ,die Chance. „Ha, ich wusste du steigst hier aus, ich habe dich nämlich schon einmal im Zug gesehen.“ Er geht seine Tasche holen, schließlich habe ich auch nichts gesagt, nur gedacht. Ich selber hole meine Tasche herunter. „Entschuldigung, kannst du mir mal helfen?“ Ich hole die Tasche alleine herunter, denn ich habe ja nicht um Hilfe gebeten. Sie ist ja auch nicht schwer. In meiner Rechten halte ich einen Zettel. Darauf geschrieben steht mein Name und meine Mailadresse. Sie zufällig in seine Tasche stecken, das wäre doch etwas!!! Sie einfach rein fallen lassen und hoffen er würde sie finden.... Der Zettel wandert durchaus in eine Tasche, jedoch in meine, statt in seine. Wieder die letzten Meter, in denen ich denke, der Zug könne ruhig abrupter halten, damit ich zufällig gegen ihn fallen könnte. Aber, nichts. Konnte Gott denn nicht noch ein klein wenig nachhelfen? Er musste doch wissen wie unfähig ich war, wenn es denn einen Gott gibt. Aber sein Glück hat wohl jeder in der Hand. Die ganze Zeit denke ich, ich sollte ihn ansprechen, überlege mir Sätze und alles. Aber meine Lippen bleiben verschlossen, mein Herz schlägt zu doll, als dass ich auch nur einen Ton hätte heraus bringen können. Ich verfluche den Zug, als dieser hält. ‚Nein’, denke ich. Und wieder ‚nein.’ Es wird ein ganzer Regen ‚neinneinneinneinnein’ ,aber es hilft ja doch nichts. Die Türen öffnen sich. Er steigt aus, ich hinter ihm, laufe neben ihm her. ‚du wohnst in Bremen, nicht wahr?’ ‚Hey warte mal, mir ist das zwar peinlich ,aber wie heißt du?’ ‚Im Zug wollte ich nicht stören, also frage ich jetzt einfach...’ So viele Möglichkeiten und dazwischen immer wieder der Gedanke: ‚Ich kann ihn nicht gehen lassen. Ich kann das einfach nicht!!!’ Ich stehe mit ihm im Lift. Ich benutze nie einen Lift um vom Gleis runter zu kommen, aber ich denke wenn man da so zu zweit steht... aber nichts. Er geht ich folge. Ja, er geht zu den Haltestellen. Ich sehe meinen Bus, muss eine Entscheidung fällen. „Warte!!!“ Ich kann nicht glauben, dass diese Worte aus meiner Kehle gekommen sind, dass meine Beine rennen. „Hi, ähm ich weiß das klingt komisch, wo wir uns die ganze Zeit gegenüber gesessen haben, aber wie heißt du???“ Er antwortet, aber weil er leise spricht und gerade eine Bahn hält verstehe ich es nicht, traue mich auch nicht weiter zu fragen. Ich sage ihm meinem Namen, wenn auch stotternd. Er sieht verwirrt aus, das kann ich verstehen. „Oh man, du muss mich für total bescheuert halten.“, sage ich verlegen und verstecke meine zitternden Hände in der Jackentasche. Ich verhasple mich beinahe beim sprechen. Immer wenn ich aufgeregt bin rede ich viel zu schnell. „Ich... ich habe dich schon mal im Zug gesehen.... und ... ich würde mich einfach hassen wenn ich nicht gefragt hätte.“, sage ich wahrheitsgetreu. „Mir sind Sie noch nie aufgefallen.“ Oh mein Gott, er SIEZT mich, ich will lachen, obwohl das doch gar nicht lustig ist, aber wenn man nervös ist, ist wohl alles lustig. „Ja... ist auch egal... ich wollte nur... also ich sehe so selten Jungs bei denen langes Haar gut aussehieht und darum frage ich... um so ganz ehrlich zu sein.“ Jetzt hält er mich erst Recht für bekloppt. Ja, jemand der Leute wegen ihrer Haare anspricht ist doch bekloppt! Nein, jetzt er redet er mit mir, wir kommen ins Gespräch. Er ist... eher zurückhaltend. Ich erfahre, dass er eigentlich studieren wollte und nun doch eine Ausbildung macht, weil er Angst hat fürs Studium nicht gut genug zu sein und einfach kein Durchhaltevermögen hat. Ich erfahre, dass er eher ruhig ist und er seid kurzem hier ist noch keinen kennt. Ich gebe ihm meine E-mail Adresse, wenn er Internet hat kann er sich melden. Ich bin glücklich, ja ich könnte vor Freude in die Luft springen, als ich in meine Bahn steige. Ich habe ihn angesprochen! Ich kann es nicht glauben, es überwältigt mich. „Ich habe ihn angesprochen“ grinse ich in mich hinein „ICH habe IHN angesprochen!!!“ Er selbst ist nicht so wie ich es erträumt habe. War ja klar, hatte ich mit gerechnet. Aber trotzdem, ich bin glücklich. Ich habe Mut bewiesen, habe es mir selbst gezeigt: Ich habe mich überwunden und vielleicht einen neuen Freund so kennen gelernt, ich weiß ja nicht, wie die Zukunft aussieht, aber immerhin: Ich habe es ausgesprochen. Kapitel 8: Eine Stunde ---------------------- Ich habe keine Lust. Ich sitze hier jede Woche und was bringt es mir? NICHTS, aber auch GAR NICHTS! Wenn ich mir überlege, was ich in dieser Zeit alles tun könnte... ich könnte draußen spazieren gehen. Ich könnte meine Lieblingssendung, die gerade läuft, anschauen. Ich könnte IRGENDWAS machen, aber warum muss ich HIER sitzen? Ist doch einfach nur hol. Ist dumm... und die Zeit geht hier auch so langsam rum. Ich frage mich, wieso die Zeit hier so langsam rum geht, die Zeiger ticken doch an sich genauso schnell, aber immer, wenn ich auf die Uhr schaue das ist nicht mal eine Minute herum und dabei erscheint es mir ein Stunde zu sein. Ach wäre es doch eine Stunde, dann wäre ich endlich raus hier. Ich habe keine Lust. Jeden Tag das selbe. Jeden Tag die selben leeren Gesichter und das seid Jahren. Warum mache ich mir noch die Mühe? Ich hätte damals etwas anderes werden sollen... Der Schlimmste Fehler meines Lebens. Ich hasse es hier. Draußen scheint die Sonne, ich könnte einen schönen Spaziergang machen und einfach die Seele baumeln lassen, statt in diesem stickigen Raum zu sitzen. Aber irgendwie muss das Geld ja aufs Konto, nicht wahr? Von Luft kann man ja nicht leben, also mach ich eben weiter. Sind ja nur noch 20 Jahre bis zu Pensionierung... 20 Jahre... die Zeit vergeht und vergeht nicht... Ich habe keine Lust mehr. Der Block liegt da ja, der Stift auch, und ich spiele mit ihm rum, versuche mich zu überzeugen, aufzuhören ihn auf der Hand herum zu balancieren und ihn endlich zu benutzen. Stattdessen mache ich diesen dummen Zaubertrick, den ich immer mache, wenn mir langweilig ist, ich lasse ihn zu 'Gummi' werden. Der Trick ist so leicht, man möchte fast Schnarchen: Also man nimmt den Stift, greift etwa bei einem Viertel der Länge mit Daumen und Zeigefinger zu und wippt dann hoch und runter. Nicht zu schnell nur ein bisschen. Der Stift geht mit und da er sich für unser Auge zu schnell bewegt sieht es aus, als sei er aus Gummi, obwohl er hart ist. Ich find's immer wieder toll, wie uns das Auge so einen Streich spielen kann, auch wenn ich genau weiß, was dahinter steckt. Bestimmt war das ein Schüler wie ich, der sich einfach gelangweilt hat und mit dem Stift gespielt hat und dann die Entdeckung gemacht hat. Das war vielleicht schon vor hundert oder zweihundert Jahren, aber trotzdem war das bestimmt so. „Das Ergebnis? Kunze“, ich schrecke auf. Ich habe keine Lust mehr. Einer Gähnt, der nächste redet und einer spielt sogar Gameboy unterm Tisch. Den sollte mans zeigen. Die sollte man zur Rechenschaft ziehen, einem so das Leben zu vermiesen. Es ist ihre PFLICHT aufzupassen und meine es ihnen beizubringen. Aber wofür denn? Es interessiert sie nicht. Ich interessiere sie nicht. Ach, der schon wieder. Er spielt mit seinem Stift, wie immer. Dieser alberne Trick mit dem labilen Stift. Ja, das habe auch ich damals gemacht, im Deutschunterricht. Jetzt tut mir das Leid für meine Lehrerin, jetzt weiß ich was sie damals dachte. Aber, langsam reicht's wirklich. Was glauben die, für wen ich mich hier zum Affen mache, für wen ich mein ganzes Leben verschwende? „Das Ergebnis? Kunze?“, Das wird ihn lehren, nicht auf zu passen und nicht einmal mitzuschreiben, sondern zu spielen. Das ist schließlich fürs Leben. Das ist schließlich mein Leben. Mehr als das hier bin ich doch nicht und er macht sich darüber lustig. Nun hoffentlich hat er eine Antwort parat. Ach was denk ich, die hat er eh nicht. Die hat keiner, so starr und dumm wie die schauen. Ich habe einfach keine Lust mehr. Immer nimmt er mich dran! Warum nicht Chucky, der spielt sogar Gameboy, und grinst mich doof aus seinen Schlitzaugen an. So etwas gemeines. Jedesmal bin ich es der dran kommt und jedes mal habe ich keine Antwort. Früher, da war ich gar nicht so schlecht in diesem Fach. Aber jetzt? Jetzt ist mir die lust vergangen. Diese kuriosen Erklärungen versteht eh keiner, also warum sich anstrengen? Und wer fragt wird als dumm dargestellt und man kriegt keine Antwort und wer nicht fragt ist dumm und eine Antwort gibt es immer noch nicht. Aber, dass immer ich der Dumme sein muss!!! Lehrerchen hat was gegen mich, das weiß ich einfach, nur warum, das weiß ich nicht. Ein Blick auf meinen Zettel. Leer. Ein Blick auf meine Armbanduhr (der 50zigste Blick in den vergangenen 5 Minuten), noch 20 Minuten unterricht. Ein Blick in die Klasse. Hämisches Grinsen, schlafende Gesichter, Gähnen. Nichts davon ist hilfreich. Ich habe einfach keine Lust mehr. Hätte der Junge aufgepasst wüsste er wie es geht. Aber es hält ja keiner für nötig meinen Ausführungen zu zuhören. Dabei wäre der Junge gar nicht so dumm, würde er sich nur mal anstrengen! Darum nehme ich ihn doch immer dran, um seinen Ehrgeiz zu wecken, aber er sieht mich nur aus leeren Augen an, schaut sein eben leeres Blatt an und in die Wissens-leere Klasse. Es ist einfach hoffnungslos. Und dieses Hoffnunglose, die Energieverschwendung, die geht schon seid Jahren so! Ich kann einfach nicht mehr und ich will auch nicht mehr! Und immer diese nervigen Eltern, die immer die selben Sprüche drauf haben. Die verstehen das einfach nicht. Die kennen das Gefühl ja nicht, mit einer 24 Köpfigen Wand zu reden, gegen die zu laufen, zu hämmern, sich die Hände aufzuscheuern und doch nichts zu bewirken. Die können sich leicht beschweren 'ihre Lehrmethoden funktionieren einfach nicht' und sowas. Ich habe wirklich einfach keine Lust mehr. Dieser ganze Kram hängt mir zum halse raus. Ich hätte es wie Ole machen sollen und schwänzen, aber das wäre schlecht. Meine Eltern würden nur meckern. Aber die haben das auch leicht! Die müssen nicht immer dieser Schlaftablette zu hören und sich durch den Unterricht quälen. Die gehen nur immer zum Elternsprechtag hin und sagen er solle etwas ändern, aber ändern tut sich ja sowieso nichts und so bleibt es einfach wie es ist. Und ich muss weiter hier versauern, statt mit Ole durch die Stadt zu gehen. Ich bin eh zu dumm. Das beweise ich ja gerade wieder. Ich bin zu dumm für die einfachsten Sachen und starre nur Löcher in die Luft. Peinlich ist mir das schon gar nicht mehr. Ich starre nur und warte, dass er 'setzen' sagt, und das sagt er dann auch. „Setzen, Kunze.“ und ich sitze und schiele wieder auf meine Uhr. 2 Minuten und 26 Sekunden habe ich gestanden, ehe ich wieder sitzen durfte. Jetzt nehme ich ich Geldstück und lasse es kreisen. Ich finde es immer recht lustig wie das kreiseln langsam aufhört. Eigentlich finde ich es nicht lustig, aber im Vergleich zum Unterricht ist alles lustig. Ich wünscht ich hätte auch einen Gameboy, das macht sicher mehr Spaß, als eine Münze kreisen zu lassen. Ich habe wirklich einfach keine Lust mehr. Kaum sage ich sitzen sitzt er auch schon und spielt mit etwas Neuem. Warum noch erklären? Warum sich Mühe geben beim Erklären? Warum etwas ändern? Ändern? Das geht sowieso nicht. Die Schüler sind doch voreingenommen. Sie gehen davon aus, dass es keinen Spaß macht und dann hab ich schon verloren. Dann und wann gibt es einen Lichtblick und dann kriege ich zu hören, ich mache nur mit einen Schüler Unterricht. Nur ein Schüler macht mit mir Unterricht, so ist das. Aber das sagt keiner, ich auch nicht. Ich bin was ich bin und ich muss meinen Job erfüllen und auf Spaß kommt es nicht an. Nicht mehr. Nur die Zeit rumkriegen. Irgendwie die Zeit rumkriegen bis zur Pension und dann an den Strand fahren und keine leeren Gesichter mehr sehen, und keinem Kreidestaub einatmen und keine Konferenzen und schlaflosen Nächte wegen Klausuren die eh nur eine Enttäuschung sind und mir sagen was alle tun: Versager. Ich hätte was anderes werden sollen. Wirklich. Aber jetzt ist es zu spät und irgendwie muss man sein Geld ja verdienen. Ich habe wirklich ernsthaft einfach keine Lust mehr. Dieser Lehrer ist nur unfähig. Der hätte was anderes werden sollen, dann wären wir nicht mit ihm gestraft. Und wer muss das ausbaden? Ich. Ich und der Rest des Kurses. Manchmal frag ich mich was ich verbrochen hab. Ok, ich hab meine Geschwister oft geärgert, das eine mal mit dem Foto, das war schon nicht nett. Und damals mit der Luise, wo ich sie ausgelacht habe, das war auch nicht nett. Aber habe ich dafür das verdient? Nein. Ich finde nein. Ich finde es reicht, dass meine Ohren abstehen. Ich finde das reicht. Aber der Lehrer sieht das wohl nicht so. Vielleicht sind es ja die Ohren, weswegen er mich auf den Kieker hat? Vielleicht hat er was gegen Segelohren. Eine unangenehme Erfahrung mit einem Elefanten oder so... Ich versuche mir den Lehrer auf einem Elefanten in Indien mit Turban und so vorzustellen, wie ich es letztens in diesem Film gesehen hatte. Es klappt nicht so recht. Aber auf so einen Opferscheiterhaufen, als Menschenopfer für die Göttin Kahli, das geht ganz gut. Ich muss grinsen. Ich weiß es ist fies und ich würde das nie ernsthaft wollen. Aber der Gedanke lässt mich trotzdem grinsen in diesem Moment. Mein Blick schnellt gleich wieder zur Uhr. Jetzt habe ich mir soviel Gedanken gemacht, jetzt muss die zeit doch weiter gegangen sein. Tatsächlich 5 Minuten. Mir kam es mehr vor. Ich habe wirklich ernsthaft einfach keine Lust mehr. Ich schreibe die Lösung hin. Ich erkläre. Ich bin sauer und gereizt. Warum versteht das denn keiner? Ich habe das doch schon tausend mal erklärt und wir müssen mit dem Stoff weiter kommen. Ich habe mir den Lehrplan schließlich nicht ausgedacht. Ich schreibe also und denke an den Feinstaub den ich, so beim Beschreiben der Tafel einatme und dass das auf die Lungen geht... ob ich wohl irgendwas mit den Lungen kriege? Irgend einen Schaden? Vielleicht, dass ich früher Pensioniert werden kann? Nein, das wohl nicht, aber der Gedanke daran ist doch ganz schön. Für eine Sekunde halte ich ein und denke an Palmen und eine leichte Meeresbriese und Mango-Kokosnuss-Saft in einer Ananas mit so einen süßen rosanem Schirmchen oben drauf. Aber ein lautes Gähnen und Kichern holt mich in die Realität zurück. Die Realität und die Dummheit und die Leere. Ich schreibe lustlos zu ende. Ich habe wirklich ernsthaft einfach absolut keine Lust mehr. Jetzt schreibt er an, was ich nicht wusste und immer noch nicht verstehe. Er sagt irgendwas, aber auch das verstehe ich nicht. Könnte daran liegen, dass ich nicht zuhöre und über Meerschweinchen nachdenke. Ich krieg nämlich bald eines und ich will kein so ein Rosetten Ding haben. Die sehen ja aus, wie durch den Mixer gedreht und man weiß gar nicht so recht, wie man die streicheln soll, weil es doch heißt 'nie gegen den Strich', aber da ist ja gar kein Strich, oder zu viele, wie man es sehen will. Nein ich will ein Kurzhaar, die Haaren auch weniger, und ich will ein schwarzes, dass ich dann Black-Smith Jr. der 5te nenne, obwohl es keinen Sen. Gibt und er auch eigentlich der erste ist. Das Klacken der Kreide an der Tafel hält inne. Er weiß selbst nicht weiter. Ich und ein paar andere müssen kichern. Und der will uns unterrichten! So ein Schwachmat. Er kann die Aufgabe selbst nicht lösen! Na ja, es heißt wohl nicht umsonst 'Leerkörper'. Jedenfalls komm ich mir da doch gleich halb so dumm vor, und auch die anderen müssen jetzt sehen: Wenn der Lehrer es nicht konnte, konnte es ja erst recht sonst keiner wissen. Bei ihm weiß eh keiner die Lösung, also hält mich auch eh keiner für dumm, aber eine Erleichterung ist es trotzdem irgendwie. Ehre gerettet sozusagen. Ich habe wirklich ernsthaft einfach absolut keine Lust mehr. Dieser ganze Müll, dieser Dreck, dieses ganze vermaledeite Leben. Wo ist denn der Sinn darin? Ich mache einen Kurs durch der mich hasst und der nächste kommt und der hasst mich genauso und so geht das Jahr für Jahr. Was soll das ganze? Für das bisschen Geld. Aber besser, als nichts und man darf ja nicht vergessen: Anderen ergeht es schlimmer. Und immerhin: Mein Fehler ist es nicht. Die Kinder hören bloß nicht zu! Das ist nicht meine Schuld, wenn keiner aufpasst. Ich mach einfach weiter und mir ist inzwischen egal, ob jemand aufpasst oder nicht. Hauptsache durch damit und dann nach Hause zu Frau und Kindern und zu Kuchen und zu meinem lieben Garten. Ja die Blumen sind netter als diese Schüler. Die Blumen sind bunt und leuchten in allen Farben und bedanken sich so für meine Aufopferung. Aber diese Bälger hier sind schon lange verwelkt und wollen auch nicht blühen. Die Pflege ist schon lange überflüssig geworden und ich bin ihrer überdrüssig. Wenn doch nur die Stunde vorbei wäre... Ich habe wirklich ernsthaft einfach absolut gar keine Lust mehr. Immer noch 10 Minuten. Was wohl in seinem Kopf abläuft? Kann der überhaupt denken? Ok, dumme frage. Natürlich denkt er, er ist ja ein Mensch und Menschen haben es so an sich, dass sie denken. Ich würde gerne mal in seinen Kopf rein schauen. Ich erinner mich an so eine Simpson Karte mit der Aufteilung von Homers Gehirn und versuche mir vorzustellen, wie diese Anteile bei dem Herrn Lehrer wohl aussähen. Also ein großes Stück wäre: Langweilig sein. Sie Form müsste die einer großen Schlaftablette haben. Dann ein nicht zu kleiner Anteil Gemeinheit. Ein großer Fleck wäre auch noch sein Fach, das ist ja klar. Ganz klein aber wäre dann wohl nächsten Liebe. Aber haben tut er sie doch sicher... er ist doch ein Mensch... glaube ich zumindest. Ich habe wirklich ernsthaft einfach absolut gar keine Lust mehr. Ich bin auch nur ein Mensch. Ich kann mein bestes geben. Ich kann meine ganze Kraft verwenden, aber nicht über 20 Jahre!!! Und so viel habe ich jetzt noch einmal vor mir! Ich kann das einfach nicht! Meine anderen Hobbies mussten sogar schon zurück stecken, wegen Seminaren, Klausuren, Hausaufgaben Kontrollen, Unterrichtsvorbereitungen... Man kann nicht verlangen, dass jemand das auf dauer aushält, nicht mit diesen leeren Gesichtern die einen höhnisch, teuflisch, sadistisch angrinsen oder einfach nur da sind und schlafen vor Augen. Aber wenn die Glocke gleich läutet wachen sie wieder auf Ich habe wirklich ernsthaft absolut ganz und gar keine Lust mehr. Aber die Glocke klingelt und erlöst mich. Jedenfalls bist zur nächsten Stunde. Kapitel 9: Freiheit ------------------- Ich sitze im Raum so eng und so leer und ich sehe durchs Fenster hinaus. Der Himmel da draußen ist blau wie das Meer doch meine Seele, sie ist so schwer ich wünschte ich könnte hier raus Ich sitze und zittre und muss stets bangen denke an die so ferne Welt. Wo Vögel fliegen, ganz unbefangen und ich wollt ich wäre mit ihnen gegangen weil es mir hier drin nicht gefällt. Ich sitze im Dunklen und träume ganz Sacht von Freiheit, die mit ist verwehrt. Ich sitze und Träume so die ganze Nacht, Der niemals wird ein ende gemacht in meinem Kopf, der sich nicht wehrt. Ach, könnt befreien mich meine Wut und könnt ich die Ketten zerstören. Doch nichts fesselt mehr, als Gedankengut nichts raubt einem besser den Mut Nie werd ich mir selber gehören. Denn alles was ihr lehret mich hier und alles, was ich je sah machte enger die Kette von mir löschte dass Licht, auch das von dir doch der Wunsch nach der Freiheit bleibt nah. Kapitel 10: Blues eyes ---------------------- Blue Eyes Your blue eyes, as fair as you see whisper to me, whisper to me Your blue eyes, as deep as the sea talking to me, talking to me Your blue eyes, as cold as can be crying to me, crying to me for something to meld them for something indeed for someone to hold them for someone like me Kapitel 11: Beauty is in the eye of the beholder ------------------------------------------------ The neighbour: “Annie? Oh she was sexy, a real babe I tell ya. That husband of hers was one lucky guy, having such a woman by his side. ” A colleague: “Oh yeah, Annie. She was mostly nice. Like... you know, like she smiled a lot and was always on time and never sick. She worked at the newspaper for... what was it? I guess seven years or so, after she moved here with her husband. She was, like, gorgeous, and Frank, her husband, as well, they were such a pretty couple… like, so sweet, like from TV or something.” The mother: “She always was such a cute child. The other parents always envied me. Don’t know why though, I mean, look at me, right? And I was never slim or anything, never pretty. And my husband, well as much as I like him but he could use some exercise. But not Annie. Her dark brown hair, her bright blue eyes ... she was my little angel.” A friend: “Yeah, yeah, she did look good alright? Well up till then at least. But she also was getting old, you know, small wrinkles around the eyes and stuff like that. She said she didn’t mind, but she did. Oh yeah she did, at least after that incident with her husband. “ Diary entry Annie Potter Date: 14. March I look into the mirror in the bathroom. Sad blue eyes look at me, they are all red from the tears I shed this night, without even realizing it. I see the wrinkles that surround the eyes, the forehead... My dark brown hair seems to have lost all it’s brightness, all its volume no matter what I try. No make-up seems to help. The mirror always shows the truth, and the truth is: I’m getting old. I finally noticed it. I’ve never been so concerned with looks, never had to. I always looked fairly pretty. Girls would be jealous of my figure, of my soft and clear skin, of my intense blue eyes. Boys would stare at me, compliment me. Everyone envied me, but I never did something for it. It was just how things were. But now things have changed. I’m old. Last Tuesday was the day I got to know the truth. Last Tuesday I saw him, with her. Frank, with this young student girl of his. Not even twenty. She had white skin, smooth red hair, a trained body, neither to big nor to small, neither to light nor to heavy. No wrinkles. No white hair. Not any trace of decay. Now it’s me envying, because she has got what I lost. I loved Frank. I did everything for him, moved here, found work here, gave up my family back home, but it seems without my beauty I’m worthless. Without my beauty I’m nothing. Oh, what wouldn’t I give to be beautiful, to be young again, like that girl. He wouldn’t have left me. No he would have stayed with me and we’d have lived happily ever after. The neighbour: “Well, you shouldn’t talk about this kind of stuff, you know, but between you and me: this Frank cheated on her for quite some time. I always found it suspicious that guy left so late and stuff like that. Personally I would never have done that if I had a woman like that with me. And I tried telling her, but she believed in him… well, that was one of her good sides I guess… still I wished she would have believed me, I t might not have ended, as it did.” Psychiatrist: “Well, you see: Seeing her husband with a younger woman was a shock for her, a trauma. She couldn’t cope with this. After being advised to see me she came two or three times directly after what had happened. All I could see was her anger, her frustration with her life and herself, which in fact is nothing unusual in this kind of situation, nothing you wouldn’t expect from someone in her condition. She stopped seeing me rather quickly, but I did not think of it as being strange, and I certainly did not anticipate what happened after that.” A friend: “Whether she changed after that? Oh, she did take more care of her looks, wearing make up and stuff. I really didn’t get why I mean she did look great still, but she really tried showing off. I was half annoyed; half pitied her that she tried to be in the middle of the attention of everyone. But that was so like her. I guess she is just used to that, since High school she was always getting all the attention, I mean: she was cheerleader, always class representative, prom-night-queen… hello? Guess she couldn’t cope with her husband giving someone else all his attention.” Diary entry Annie Potter Date: 26. March Today I was in this antiquity shop near St. Michaels church. I liked it the minute I saw it, I literally couldn’t take my eyes of it. It is round with a very artistic wooden frame in the colour of my hair. Maybe because of this frame I thought I looked better in it, like my skin seemed whiter and my eyes had their old glow back. I bought it immediately and hung it into my bedroom. My husband Frank never wanted to have something like that in the bedroom. He always said he felt as if he was being watched when there was a mirror, well but now it doesn’t matter anymore, at least not to me. Shop owner: “Oh yeah dat lady widda mirror. I saw dat in da news, sad story really. So let me think... I remember de day she bought it, cloudy, always looked as if’t was goin to rain and den dis woman came in, quiet attractive, I mean for her age ya know. Well she was very interested in it, but it also was- well she didn’t just look at it, she really stared at it. I didn’t think too much about it, just dat she was quite narcissistic, ya know?” A friend: “Oh yes I saw the mirror. On the first day when she bought it I came over for a visit, you know, since her husband had left her alone I frequently came over to see whether she was all right. Well, I thought the mirror was creepy. Also it totally did not fit into her house I mean all she had was so modern and stylish, flat screen TV and modern art paintings and that kind of thing, and then there was this old fashioned mirror. I don’t know what she though buying this thing. I found it rather creepy.” Diary entry Annie Potter Date: 29. March Mirror, mirror on the wall, who is the prettiest of them all? “Not you, not yet.”, the reflection replied “Look at you. You were once so beautiful, the most beautiful of them all. Once, when you were young, and fresh. Now you use make up, you do diets; you hide yourself behind a mask. That is no real beauty, that is not you, you don’t need all this.” I keep looking at my reflection, and I see how true those words are. All I do is in vain, all those creams, those shampoos, the make-up. All that is no good. I stay old. I stay ugly. But this mirror will help. It will show me the truth, its reflection will guide me, and so I will regain all, which I’ve lost. Local newspaper Date: 1.4 Slaughtering in the woods Police clueless This morning the 19 year old Angelina Martez was found dead in the forest. A ranger spotted her on his patrol through the woods “It was horrible”, he reports as he explains how he had found the corpse lying naked in the floor. There were no traces of sexual abuse, a police officer informs us. The breast was cleanly cut open, and her heart taken. Until now the motives remain uncertain, yet the murder was done in such a peculiar way, that the police suspects the culprit to be either a psychopath or some kind of religious sect. Whether Angelina had bad luck of it was a planned murder is yet uncertain. Clear is that who ever was capable of something like that is mentally challenged and thus all inhabitants of this area are clearly warned and asked to be extra cautious. Police officer: “I don’t really know how to describe it. The least I can say is that I will never forget the sight of this body of her. I mean… you must imagine this you beautiful girl -I mean like Model-beautiful- lying there, split naked in the ground in the forest, but only very little blood around her… the breast… It was cleanly cut open, it was like there was this red, bloody hole right in the middle of the white skin. Everything else was still perfect, I mean her beautiful long and black her, her white skin... except… Well we did not tell the newspaper and it was really a nasty sight… her face. Even more then the hole this still gives me nightmare: it was all scratched, totally disfigured. It was a nightmare.” Diary entry Annie Potter Date: 3.4 “Do you feel younger?” Yes indeed. Yes I feel younger. I look younger. I look into the mirror and see my true beauty. Only what I see in the mirror is the truth, not what others say or think, nothing but my very reflection. The blood of a young woman, the heart of a young woman, the soul of a young woman is inside of me and makes me what I am. A colleague: “The day after this murder she didn’t come to work. We were speculating naturally. Some, not me of course I thought this was, like totally rude and stuff. Anyway I happen to overhear some saying she might have killed herself. Well, like, most thought she was sick like I did, or maybe drunk, after what has happened to her that was at least possible, though I didn’t think so…well… or… -what else was there?- Oh, I don’t remember but most of it was not, like, serious and we all hoped she’d return quickly again.” Her mother: I had come over, since I was sure my little angel must feel bad all alone in that house, like any loving mother would have done. When she opened the door I was, mildly said shocked. She was… I don’t know… I hardly recognised her. What had happened to my beautiful, dear child? Oh I was so angry at the guy who had taken her from us and done that to her, I even went over to his house and … What? Oh yes, pardon me, you wanted to know about the house? Well let me think… she was redecorating. At least all the mirrors were taken from the walls, even in the bathroom. Also she wanted me to stay in a hotel, rather then in her house, telling me she didn’t want any old people near her. Can you imagine that? Saying something like that to you mother who came all the way to help you? I just thought she was simply overworked and psychologically broken to have said so, so I remained calm, yet it hurt. And it was so unlike her. A friend: “I met her like a week after that murder case and was shocked what she looked like. I guess she couldn’t bear loosing her husband and stopped eating properly or something. Her skin was nearly greyish, her eyes kind of dark, and the lips … I don’t know it was weird, like she was really sick or something. I tried talking her into going to a doctor, just to check, but she just smiled this creepy smile at me saying: “What do you mean? I didn’t feel better in years.” That really freaked me out a little because… I just wasn’t like her, I don’t know…” A neighbour: “I did visit her quite often in that time, to help her overcome the thing with her husband. She also began to look skinnier, I think she did some diet or was just so… well you know just couldn’t eat. So I tried my best to be there for her and help her and in the beginning I thought she… well but I gave up after some time. She always kept asking me how beautiful she was, and how anyone would leave her, and how young she was and stuff like that. I mean, I understand she though about it and stuff but… jeez it was the only thing she was capable talking about. She didn’t even talk about Frank or anything just how she looked. In the end I couldn’t stand it any more, I mean, I also had own problems at that time with the car, and at the job and stuff. Diary entry Annie Potter Date: 10.4 “They are jealous at you my darling” Yes indeed, jealous, of my beauty, my youth “Yes, but it is not perfect yet.” And I looked up as saw a grey hair. Me: a grey hair, a single grey hair, a symbol of decay, of old age. “No, no!” I pleaded, “It can’t be, I have it all, I have the heart, the blood.” “Yes, but not the best. You know whose to get” and yes, I knew. I knew all along. Frank: “I know what you think. Like her mother that came to me the other day, or her old friend, they all think it’s my fault. But it’s not! You see, I just wanted a small adventure, nothing big. Ok, she discovered it but, be honest most people had some kind of affair in their life right? It’s not that unusual, right? I can’t be blamed. She kicked me out on the street! She stopped our relation ship, not me. “ Local Newspaper Date: 13.4. Murderer strikes again New Jack the Ripper? The young student Lilly Meyer (18) was found dead this morning in the woods. According to the police everything indicates a serial killer in the town, since this is the second case in only ten days. After the murder of Angelina Martez, also this student was found naked and without hear not blood, the police is still clueless. Together with her current boy friend Frank Potter (35) she lived near the woods. According to Mr. Potter she was called that evening by a friend, she went out and told him that she would be back in no time. “But when she wasn’t back at midnight”, he tells us “I went looking for her.” Yet he couldn’t find anything. After waiting until morning he again went looking for her, and finally found her in the woods. He instantly called an ambulance and the police but there was nothing he could have done to help her. The police are convinced that it is the work of the same killer and they are working on the case. Yet they remind everyone, especially young student girls, to stay away from the forest and be especially cautious. A friend: “Well the second case was the little bitch Frank had gone out with… I didn’t particularly think ‘oh it must have been Annie’, of course not, she is my friend after all. It was more like ‘well she got what she deserved’. After all it was her fault what happened to Annie, right?” A colleague: “Annie was looking sicker and sicker, but she’d insist she felt fine. We were all, like, so worried on the one hand, on the other hand most people started avoiding her. It was kinda sad, like, she used to be so nice and charming but now she gave of this… creepy feeling, I mean except for looking just awful and sick. Most started avoiding her that time, and she’d freak out, like, always. It was somehow scary, like she was someone totally different. Psychiatrist: “She became obsessed with looks, and started hallucinating. It is a common phenomenon to see yourself in the mirror not objective, as you might think. It’s a common mental issue many people with eating disorders have to see themselves differently. Additionally she must have developed a kind of schizophrenia, hearing voices which told her to do what she has done, that’s probably the most plausible explanation.” Frank: “I did see her again after Lilly died. I wanted to return, I really did but, man you don’t believe what I saw. It was disgusting really. When I saw her I did not think that way my wife anymore and talking to her made it even worse. I really would have returned to her, I would have dealt with what I had done and all that, I know it would have been work and so on but I was ready. I changed my mind immediately and I swear, had you seen her would’ve done the same. Anyone with their mind in the right place would’ve done so. “ Diary entry Annie Potter Date: 10.4 “It’s not enough. You need more, more.” The reflection told me. I already look so beautiful. My dark brown hairs shining, my red voluptuous lips, the bright blue eyes, my round and firm breasts. Looking at my naked reflection there was hardly anything wrong. Everything I had done made me more and more beautiful. Yet, why is it he refused me? “It’s alright, darling, it’s alright. He will see what he missed, he will see…” Passerby: Yo, I jus did wha’ I always did, listen music and jog down da road, not thinking no bad thing when I saw him, oh you know that guy. Then –wham – something attacked ‘im from the forest and dragged him in these. I was like ‘Yo, gotta help’ thought a dog attacked him and called the police before following them into the woods. Police officer: “Well I did not think of the murder case when I got the call of a wild dog having attacked someone near the woods, who would have right? It’s nothing that happens a lot… I don’t think I have ever heard of a wild dog attacking someone in this area, but there is a first time for everything right? Where was I? Oh right, so my partner, and me we drove there, the one who had called had marked where they had entered the forest so we were able to follow them. Passerby: “So, I totally ran through the forest - yeah? - as fast as I could to help that poor guy. It was so damn dark I swear it sometimes were jus’ inches I woulda run straight –wham- into a tree. So, I ran and I ran and I thought ‘Wow, this dog is pretty fast’ and then I thought: ‘Wait… why would a dog drag a man all this way instead of killing him instantly?’ and that’s when I thought: “Yo man, maybe ‘tis no dog.”” Note to Frank: “Beloved Frank. Come out side this evening to the forest. I will show you all you will miss if you don’t stay with me. I need you, and I know you want me. So come.” Record, police radio 1.4 Officer 1: “We’re on the Winston-street, where did he say was it? Over.” Central: “Near corner Victoria-street. Over.” Officer 1: “Roger. Over and out.” Officer 1: “Ok, we got it. … Here is quite some blood, must’ve been a nasty dog. Sent an ambulance over. Over.” Officer 1: “I heard something, we head east. (hearing food steps, the strong breathing of someone) Oh my god! What is that? Officer 2 (background, same time): Oh my god! That’s no dog! What is it? (screaming of a man) Central: “What’s wrong?” Officer 1: “I think … it’s a human! A woman. But she just threw this guy against the next tree! Holy shit…” (hearing hectic breathing, a kind of ‘shhhh’ sound) Central: “Stay calm. I’ll send reinforcement.” Officer 2 (background): “Sir are you alright?” Officer 1: “Put your hands up… slowly. Madame, are you listening? I said to put your hands!” Woman voice: “Leave us alone!” Officer 1 (cries): Ahhhh shit, ahhhhh (hear cloth being ripped, angry woman cries, words not understandable) Officer 2 (background): “SCOTT!” (two shots, a long cry) Officer 1: “Central, culprit is wounded at the leg. I repeat, she was shot in the leg and is now taken captive. Victim is unconscious… Officer 2 (background): “He’s alive.” Officer 1: “… but alive. Witness also alive but hurt. Jeez… Central: “Wh-what happened?” Officer 1: “I don’t know. I mean … she just jumped at me and she was so strong… Milly shot her, luckily for me. Honestly…. A friend: “I visited Annie in the psychiatry she was put in. She did not talk, nor did she look at me. I was told she hardly eats and what she eats has to be fed to her. She does not look into any mirrors, when she sees one she starts screaming and panicking. It is, as if she had lost every part of her personality… I’m sorry for her. She does not deserve that… What happened to the mirror? Oh, I don’t know… I guess Frank sold it or something. The End Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)