Dark Angel von Tomonyan (.:9.3.10 Kapitel 18 on:.) ================================================================================ Kapitel 9: Decision ------------------- Titel: Dark Angel Kapitel: 10/? Autorin: -Satty- Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc... Kommentar: So hier nach langem warten endlich mal was neues. Wobei ich hiermit sagen muss, dass dies nur der erste Teil des eigentlichen Kapitels ist. Der zweite wird am Donnerstag folgen und ich hoffe, dass ich euch dort eine angenehme Überraschung bereiten werde. Besonders für die, die endlich Ni~yas Auftauchen entgegen fiebern ^^ Nun aber erst mal viel Spaß… und vielen Dank für die tollen Kommis *plüsch* Kapitel 9: Decision Ein Dröhnen beherrschte seinen Kopf und er fühlte sich so, als müsse er sich sogleich übergeben. Alles um ihn herum war nur ein dumpfer Schmerz, der den Mittelpunkt in seinem Kopf fand. Was war passiert? Wo war er? Was war das für eine Dunkelheit? Er bekam nichts mit, fühlte sich wie in einer alles verschlingende Dunkelheit gefangen. Er öffnete seine Augen, blinzelte, öffnete sie noch mal, doch alles was er sah blieb ein schwarzes Nichts. Panik überkam ihm. Er versuchte mit den Händen um sich zu schlagen, doch nur ein gleißender ziehender Schmerz durchzog seinen schmächtigen Körper. Und dann mit einem Mal hörte er schwere Schritte, die sich ihm näherten, laut in seinen durch die gestohlene Sicht geschärften Ohren widerhallend. „Sieh an sieh an... ist unser Dornröschen endlich aufgewacht?“ Erschrocken zusammen zuckend blickte er sich erneut um, versuchte herauszufinden von wo diese ihm so fremde und doch auf eine unheimliche Art und Weise auch bekannte Stimme sprach. Er konnte nichts sehen, konnte sich nicht bewegen, lag also schutzlos wie ein Neugeborenes seinem Feind gegenüber. Und noch immer rührte der Schmerz in seinem Kopf wie ein dumpfes Schlagen. Und da plötzlich berührte ihn etwas. Er schrie erschrocken auf, versuchte in die Höhe zu schießen, doch es gelang ihm nicht. Grausames Lachen, das fast tausendfach in seinem Kopf widerhallte, den Schmerz nur wachsen ließ, erfüllte ihn. „Nanana... wer wird denn da so ängstlich sein? Bist du letzten Endes vielleicht doch nur ein scheues Häschen?“ „Wer... wer sind Sie?“, brachte er mit bebender Stimme hervor, bewegte den Kopf noch immer unruhig hin und her. Er kam sich so schutzlos, so ausgeliefert vor und in ihm wuchs die Angst. „Oww sag bloß du hast mich schon vergessen, mein kleiner schwarzer Engel, hm?“ Erneut schrie er auf, doch eine Hand schoss blitzschnell vor und legte sich auf seinen Mund, hielt den Schrei zurück. Er begann zu zittern und ohne dass er es wollte, bildeten sich Tränen in seinen Augen, wurden jedoch von dem schwarzen Stoff aufgesogen. Ein fremder Körper presste sich gegen seinen, ein fremder Atem strich über seine Wange. Gepeinigt schloss er die Augen. Wo war er? Und wo war Reita? Wieso war er nicht da um ihm zu helfen? „Na denkst du an Reita? Fragst du dich wieso er nicht hier ist um dich zu retten? Nun kleiner Aoi... Reita war zu feige. Er hat lieber sich selbst gerettet als dich.“ Nein! Das stimmte nicht! Reita würde ihn nie im Stich lassen, niemals! Und dann kamen sie mit einem Mal die Bilder. Reita und er, Reita der ging, eine fremde Person, ein Schlag und Dunkelheit. „Was haben Sie mit ihm gemacht?! Was haben Sie mit Reita gemacht!“, bäumte sich der Schwarzhaarige mit einem Mal auf, erhielt für diesen kläglichen Versuch jedoch nur ein höhnisches Lachen. „Oh du erinnerst dich. Wie wunderbar. Aber was soll ich schon mit ihm gemacht haben? Ich habe gar nichts gemacht. Er war es doch, der dich allein gelassen hat und einfach ging, oder?“ Aoi verkrampfte sich, als eine eiskalte Hand den Weg von seinem Nacken über seinen Rücken zum Rand des dünnen Pullovers fand, den er trug und sanft begann die weiche Haut darunter zu streicheln. „Fass mich nicht an!“, fauchte der Dunkelhaarige mit einem Mal, begann sich zu winden. Sofort packte ein zweiter Arm ihn an der Schulter und drückte diese schmerzhaft nach unten. Aoi biss sich auf die Lippe. „Scheues Häschen oder doch Wildkätzchen? Nun letzteres passt mir besser. Umso mehr Widerstand du leistet, desto mehr wirst du nachher schreien!“ Erneut erklang dieses kalte Lachen, dass Aoi Schauer aus Kälte und Angst über den Rücken jagte. Wo war er nur gelandet? In welchen Händen befand er sich? Doch rasant wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als sein Körper mit einem Mal auf den Boden gedrückt wurde, seine, wie er inzwischen bemerkt hatte, auf den Rücken zusammengebundenen Hände sich schmerzhaft in seinen Rücken bohrten. Er schrie leise auf, wollte nicht das, was hier passierte! Ein schwerer Körper schob seine Beine auseinander und legte sich auf ihn, presste ihn noch schmerzhafter gegen den kalten Betonboden. Er begann sich zu wehren, mit seinen Beinen zu treten. Diese waren das Einzige, was er bewegen konnte. „Hahaha begreifst du nicht, dass Gegenwehr keinen Sinn hat! Wenn du die Missgeburt Reita über die drüber gelassen hast, wirst es mit mir auch tun!“ Nun begann Aoi zu schreien. Wut füllte seinen Körper. „Geh von mir runter du Arschloch!“, kreischte er, begann noch heftiger um sich zu treten. Und als er die Beine anzog und mit voller Wucht austrat, traf er auch. Schmerzerfülltes Zischen erfüllte den Raum und das Gewicht verschwand. Aoi robbte so gut er konnte zurück, bis er die Wand im Rücken spürte. Und dann war da Gelächter. „Na was denn Hizumi, lässt der Kleine dich nicht ran?“ Ein verächtliches Ausstoßen. „Halts Maul, Zero!“ Verwirrt wanderte Aois Kopf hin und her. Dieser Kerl war nicht allein. Es waren mehrere und sie alle würden im Zweifelsfall ihren Freund unterstützen. Der Schwarzhaarige war nicht blöd. Er wusste längst, was dieser Fremde mit ihm vorhatte. Er zitterte noch immer am ganzen Leib, spürte die Angst die immer höher in ihm kroch und ihn zu lähmen drohte. Doch er durfte das nicht zulassen. Er durfte nicht schwach sein! Aber Aois Mut wurde auf eine harte Probe gestellt, denn mit einem Mal legte sich eine kalte Hand um seinen Hals, drückte ihm die Luft ab. Er würgte erschrocken, bekam nur ein gluckerndes Gurgeln heraus. „Du kleines Miststück!“, raunte jetzt die Stimme Unheil verkündend in sein Ohr. Aois Augen weiteten sich unter dem schwarzen Tuch, dass ihm die Sicht raubte. Wo war er so schnell hergekommen? Wieso hatte er ihn nicht bemerkt? „Das wirst du jetzt doppelt und dreifach bezahlen!“ Der Griff wurde fester um seinen Hals und er begann unruhig zu zappeln. Es war nur die eine Hand, die ihn hielt und wo die andere war, dass bemerkte er schnell. Kalte Finger griffen nach dem Saum seines Pullis, er spürte sie deutlich unterhalb seines Halses und mit nur einem Ruck, ein ekelhaftes Geräusch von reißendem Stoff zurücklassend, wurde sein Pulli auseinander gerissen. Er schrie auf, begann erneut zu treten, doch engte er so nur die Schlinge, die sich bereits um seinen Hals zog. Schmerzhaft, voller Pein wurde sein Hals zusammen gequetscht. Es kamen nur noch würgende, heisere Geräusche aus seiner Kehle hervor, während sein Atem rasselnd nach dem verlangte was sein Körper so dringend zum leben brauchte. Aoi traten die Tränen in die Augen, der Ekel übermannte seinen Körper. Fremde, ekelhafte Hände tasteten sich einen Weg über seinen Oberkörper, kratzten fahrig über die Haut und kniffen schmerzhaft in seine Brustwarzen. „Na du kleine Hure... das gefällt dir! Ich weiß es!“ Höhnend, verachtend klangen die Worte in Aois Kopf. „Gleich wirst du fühlen wie es sich anhört einen richtigen Mann in dir zu haben und nicht einen Schlappschwanz wie diesen räudigen Straßenköter Reita.“ Aoi trat verzweifelt nach seinem Angreifer, doch seine Bewegungen waren zu unkoordiniert und die heißen Tränen brannten in seinen Augen. Er wollte diese Worte nicht hören, diese Verachtung. Und dann spürte er kalte, brutale Lippen, die sich auf seine zwängten, ihm auch noch den letzten Weg zur Atmung nahmen und ihn wie einen Fisch auf dem Land unruhig werden ließen. Er öffnete den Mund um zu schreien, doch alles was er spürte, wahr nur diese eklige Zunge, die in seinen Mund eindrang und ihn plünderte, ihn auf eine brutale Art und Weise küsste, dass ihm schlecht wurde. Aois Geist bäumte sich auf, er erlebte in seinem Inneren den verzweifelten Kampf ums Überleben, die Verzweiflung, die ein jeder Körper spürte, sah er sich im Auge des Todes. Aoi wusste nicht was er tat, doch es rettete ihm das Leben. Er biss zu, schmeckte fremdes Blut und ein lauter Aufschrei ertönte, gefüllt von Schmerz. Aoi wurde nach hinten gestoßen, sein Kopf schlug gegen die Wand und die Hand löste sich von seinem Hals. Der Luftstrom der mit einem Mal auf seine Lungen einströmte, ließ ihn husten. Sein Körper sackte in sich zusammen und mit würgenden, hustenden Geräuschen erbrach sich der Schwarzhaarige in seinem Zustand. Wut dagegen herrschte in dem Körper seines Peinigers. Hizumi war zurückgeprallt, hatte sich eine Hand vor den Mund geschlagen, durch deren Zwischenräume dunkelrotes Blut seinen Weg suchte. Dieses kleine Aas hatte ihm auf die Zunge gebissen. Er schäumte vor Wut. Er stand mit einem Mal, ging bedrohlich auf die schmächtige Gestalt zu, die nur zitternd am Boden lag, holte aus und trat mit voller Wucht in die Seite des Schwarzhaarigen. Dieser schrie laut und gepeinigt auf und dazwischen war das Knacken gebrochener Rippen zu hören. Hizumi holte zu einem weiteren Tritt aus, doch er bremste diesen ab, hockte sich hin, krallte seine Hände in Aois Haarschopf und riss den verletzten Dunkelhaarigen daran hoch. „Das wirst du noch büßen, du kleine Schlampe!“ Damit spuckte er Aoi mitten ins Gesicht und rotes Blut, gepaart mit Speichel zog seine Bahn über die lädierte Wange des hübschen Jungen. Hizumi ließ Aoi einfach fallen, der sich sofort zu einem wimmernden Bündel zusammenrollte. Der Schwarzhaarige empfand seinen Leib nur noch als einzigen Schmerz. Hizumi hatte ihm mit seinem Tritt mindestens zwei Rippen gebrochen, die nun einen starken Schmerz verströmend seinen Körper lähmten. Hizumi ließ ihn einfach liegen und wandte sich Zähneknirschend ab, verschwand zurück zu seinen Gefährten, die am anderen Ende der Halle auf einigen Decken und Matratzen saßen, die Leichen der drei Obdachlosen einfach ignorierend. „Na das war wohl nichts, hm?“, schmunzelte Karyu und grinste Hizumi überlegen an. „Noch ein Wort und ich drehe dir den Hals eigenhändig um!“ „Etwa so wie deinem kleinen Spielzeug? Komm runter! Du hast noch drei Tage um den Kleinen ein zureiten.“ Damit deutete der groß gewachsene Dunkelhaarige auf den Platz neben sich. „Jetzt sollten wir erstmal darüber reden, wie es weiter gehen soll.“ „Ja, aber ohne, dass das Miststück da hinten zuhört! Tsukasa räum es weg!“, knurrte Hizumi noch immer schlecht gelaunt. Seine Sprache klang etwas lallend, war seine Zunge doch durch den Biss etwas angeschwollen. Aber keiner der drei weiteren Anwesenden verlor darüber ein Wort, auch wenn der Jüngste unter ihnen nur widerwillig aufstand. Er hatte eine Menge an Respekt durch das Versagen seines Auftrages verloren und dies spürte er auch deutlich. Besonders Hizumi ließ es ihn spüren. So stand er auf und trabte hinüber zu der zusammen gekauerten Gestalt des Schwarzhaarigen. Als er das Elend sah, schüttelte er leicht den Kopf. Er hatte alles andere als Mitleid, nein eher noch im Gegenteil. Er verspürte eher den Drang sich an dem Dunkelhaarigen abzureagieren, immerhin war es Reitas und Sakitos schuld, dass er versagt hatte und nun darunter leiden musste. Aber hatte Hizumi dieses Stück Fleisch schon für sich beansprucht und sein Respekt vor dem Älteren war größer als der Durst nach Rache. So packte er Aoi nur an den Schultern, der sogleich wieder wimmerte, jedoch nur ein Augendrehen bei dem Älteren hervorrief. „Hab dich nicht so!“, zischte er, hievte den leichten Körper hoch, ignorierend, dass er ihm damit Schmerzen zufügte. Laufen würde der Kleinere nicht, also musste er ihn wohl tragen. Mit einem leisen Knurren packte er den Schwarzhaarigen und hob ihn hoch. Aoi zuckte nur wenig, anscheinend hatte er nicht mehr die Kraft dazu. Hizumi hatte auch keine schlechte Arbeit geleistet, betrachtete die dunklen Blessuren und bereits erkennbaren Würgemale am schlanken Hals des Jungen. Tsukasa brachte den Schwarzhaarigen in einen kleinen Nebenraum des Hauses, welches sie nun besetzen. Hier hatten sie bereits eine Matratze und eine dünne Decke vorbereitet. Nicht gerade sanft legte er den geschwächten Körper auf der Matratze ab, suchte nach dem Seil, welches sie bereits in der Wand verankert hatten und band den Kleinen daran fest. Diesmal wollte er sich gehen, dass nichts schief ging. Also der würde nirgends hingehen, wenn sie es nicht wollten. Er schmiss die verfilzte Decke über den Körper und verschwand, schloss die Tür und kehrte zurück zu der Lagerstätte seiner Gefährten, setzte sich im Schneidersitz neben Zero. „Hast du ihn auch ordentlich fest gemacht? Ich will nicht schon wieder, dass du was vermasselst, denn diesmal hängen wir alle mit drin!“, knurrte Hizumi. Tsukasa nickte. „So wie wir es abgesprochen hatten.“, murrte er nur. Des Respekt der anderen hatte er sich wohl erstmal verspielt, wobei Zero sich eh selten mit ihm abgab und Karyu seine eignen Dinge drehte. „Also wie wollt ihr vorgehen?“, fragte der Jüngste. „Ganz einfach... abwarten und wenn das Kätzchen in die Falle tappt schnappen wir zu.“ „Sofern #668 alles plangemäß erledigt.“ „Oh glaub mir, das wird er. Immerhin haben wir sein kleines Goldstück.“ Das dunkle Lächeln Hizumis verhieß nichts Gutes. *** Der nächste Morgen brach an und die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg über die Dächer der Stadt, vertrieben nach und nach die Schatten der Dunkelheit. Und zwischen den Häusern schleichend, machte sie die zwei Gestalten sichtbar, die schon seit frühester Dämmerung durch die Straßen schlichen. Sie beide waren verhüllt in dunkle Tücher und nur ihre stechenden Augen ließen erkennen wer sie waren. Sakito, der mit seinen Augen bisher sie beide geleitet hatte, wechselte nun die Position mit Reita, übernahm Ruka, der doch recht schwer, aber für ihn kein Problem darstellte. Der Braunhaarige hatte die Nacht überlebt und Sakito hatte am Morgen seine Verbände gewechselt. Danach waren sie aufgebrochen. Sie sprachen nicht miteinander, fanden es nicht für nötig. In der letzten Nacht hatten sie genug miteinander gesprochen für ihre Verhältnisse. Und sie beide wussten, dass zwischen ihnen niemals eine Freundschaft würde entstehen können. Dafür war zu viel vorgefallen. Sakito bekümmerte dieser Gedanke, denn er mochte Reita eigentlich, aber der Ältere würde nie begreifen, dass es nicht seine schuld war, dass Menticore hier aufgetaucht waren. Es war alles eine Reihe unglücklicher Zufälle gewesen. „Da vorn ist es!“ Es waren die ersten Worte, die am heutigen Tag zwischen ihnen gesprochen wurden. Reita deutete nur auf ein unscheinbares Gebäude, welches wie die meisten anderen hier mehr einer Ruine glich, als alles andere. Er hatte sie aus dem Viertel in dem Sakito seine Zuflucht gefunden hatte längst verlassen, waren durch die halbe Stadt gezogen und näherten sich nun dem Ort, an dem die Menschen hausten, von denen Reita sich Hilfe erhoffte. Der Blondschwarzhaarige kannte diese Leute nicht sehr gut, aber er wusste, dass es ein Straßentribe war, der oft zusammen mit ihnen gearbeitet hatte und besonders Ruka und Aoi hatten den Kontakt zu zwei Mitgliedern dieses Tribes gepflegt. Tora und Saga hießen sie. Sakito folgte ihm dicht auf, hatte zum Verständnis genickt. Er würde Reita kommentarlos alles überlassen, etwas, dass sie schweigend vereinbart hatten. Er selbst war erst einmal hier gewesen, doch seine feine Nase und sein außerordentlich guter Spürsinn verdankte er es, dass er den Weg schnell wieder gefunden hatte. Und als sie kurz vor dem Gebäude waren begann er zu lauschen. Es war noch außerordentlich früh, die Sonne kaum aufgegangen und dennoch war er sich sicher, dass bereits Leben dort herrschte. Und er hörte die feinen, leisen Stimmen, die durch die Wände des verfallenen Gebäudes zu ihm durchdrangen. „Sie sind da.“, murmelte er leise zu sich selbst, bemerkte aber, dass auch Sakito diese Worte verstanden hatte. Gemeinsam näherten sie sich nun dem fremden Haus, Reita umrundete es, während Sakito selbst eher im Hintergrund blieb, Rukas Puls und Herzschlag kontrollierte. Das Fieber war in der Nacht gesunken, doch der Braunhaarige war noch lange nicht über dem Berg. Es würde dauern bis die Wunden heilten und ob nicht doch ein bleibender Schaden zurückblieb, konnte keiner sagen. Reita suchte nach dem Eingang, wusste er doch, dass Tora und seine Truppe in den unterirdischen Kellern dieses alten Gebäudes ihr Reich aufgeschlagen hatten. Es war einfach der sicherste Platz. Und schließlich fand er den kleinen Verschlag, der versteckt zwischen einigen Steinen lag. Er ging in die Hocke und klopfte einige Male gegen das alte Holz. Erst regte sich nichts im Inneren, bis er das leise Geräusch vorsichtiger Schritte hören konnte. „Wer ist da?“, fragte eine kalte Stimme und Reita wusste, dass derjenige, der sich hinter der Tür befand mit Sicherheit bewaffnet war. „Reita... ein guter Freund von Ruka!“ Es herrschte einige Momente Stille, anscheinend wusste der andere nicht ob er ihm glauben sollte. Es vergingen wohl einige Minuten in denen sich nichts rührte, aber Reitas Ohren erzählten ihm eine andere Geschichte. Der Typ hinter der Luke war verschwunden und statt seiner, näherten sich dieser jetzt schwerere Schritte. Der Blondschwarze trat zurück, als ein Riegel verschoben wurde und die Luke sich endlich öffnete. Ein dunkelbrauner Haarschopf erschien und blickte Reita aus misstrauischen Augen an. Dieser bemerkte schnell wie sich die Hand, die eben noch lauernd an der Seite gelegen hatte, von jener löste. Ohne Zweifel verbarg sich unter der Weste und dem weißen Shirt eine Waffe. Doch der Dunkelhaarige hatte ihn erkannt und so wandte sich der misstrauische Blick zu einem höflich kühlen und die Mundwinkel umspielte ein feines Grinsen. „Wie kommen wir zu der Ehre, dass gerade du uns besuchst? Ich wusste gar nicht dass Ruka beim nächsten Gig mitmischen will. Oder gibt es einen anderen Grund wieso du auftauchst?“ Etwas Misstrauen schwang aus den Worten des Dunkelhaarigen mit, den Reita längst als Tora identifiziert hatte. Verübeln konnte ihm das keiner, immerhin kannten sie sich so gut wie gar nicht, aber Tora und sein Tribe waren die einzigen Menschen, die er noch kannte und von denen er Hilfe erwarten konnte. Er musste über seinen Schatten springen. So schüttelte er seinen Kopf. „Nein, es geht nicht darum. Ich bin hier, weil ich eure Hilfe brauche, Tora.“ Reita sah den anderen abwartend an. Es fiel ihm mehr als schwer solche Worte zu äußern, einen für ihn Fremden zu vertrauen, ihm seine Lage so offen darzulegen und damit auch seine Ängste. Tora selbst schien mit diesen Worten etwas überfordert zu sein, denn seine Augenbrauen wanderten nach oben und sein Mund verzog sich etwas. Reita handelte schnell. „Hör mir erstmal zu. Gestern Nacht wurde unsere Gruppe angegriffen. Ayumi und Ryoko sind tot, Ruka sehr schwer verletzt und Aoi wurde entführt. Du und dein Tribe sind die einzigen, die ich um Hilfe bitten kann!“ Der Blondschwarzhaarige hatte seinem Gegenüber die bloßen Fakten entgegengeworfen, versuchte zu viele Gefühle zu vermeiden, denn sie machten schwach. Er hatte es doch an seinem eigenen Leib erfahren. Seine Liebe zu Aoi war an dem ganzen Desaster Schuld. Tora war gerade mit der ganzen Situation überlastet. Er hatte die Worte verstanden, sie aufgenommen, aber ihre Bedeutung, ihre Schwere blieb ihm in diesem Moment versagt. Doch er begriff die Informationen. Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Wer hat euch angegriffen und wo bitte ist Ruka?“, fragte er scharf. Reita hatte diese Frage erwartet. Er drehte den Kopf nach links und stieß einen leisen Pfiff aus. Tora sah ihn irritiert an. Er schien das Ganze nicht zu verstehen. Als dann plötzlich eine schlanke Person aus dem Schatten heraustrat und langsam auf sie zukam, schwankte sein Blick zurück zu Reita. „Wer ist das?“, fragte er schneidend, hatte er Sakito doch vorher noch nie gesehen. „Jemand, der mir geholfen hat Ruka zu retten. Und wenn wir hier noch lange stehen und Smalltalk betreiben, stirbt uns Ruka unter den Fingern weg!“ Er deutete auf den leblosen Braunhaarigen, den Sakito noch immer auf dem Rücken trug. Dieser hatte sich bisher aus allem herausgehalten und hatte auch nicht so schnell vor einzugreifen. Tora schien jedoch erst jetzt Rukas Gestalt zu bemerken. Seine Augen weiteten sich leicht, aber schnell wurden sie wieder ausdruckslos. Er haderte mit sich, ob er sie aufnehmen sollte oder nicht? Reita war ihm schon immer etwas komisch vorgekommen. Diese kalte distanzierte Handlung, die stechenden Augen. Selbst bei den ganzen Diebstähle oder Erkundungen, die ihre beiden Tribes gemeinsam ausgeführt hatten, hatte er sich stets zurückgehalten, doch immer solide Arbeit geleistet. //„Er ist ein stiller Mensch und sogar uns scheint er immer noch nicht zu vertrauen, außer Aoi. Aber für ihn würde ich meine Hand ins Feuer legen!“// Diese Worte schossen Tora in diesem Augenblick durch den Kopf. Ruka selbst hatte sie einmal zu ihm gesagt, als der Dunkelhaarige ihn auf den Blondschwarzhaarigen angesprochen hatte. Toras Blick schweifte misstrauisch zu dem für ihn Fremden. Er scannte die zierliche Gestalt, der er auf den ersten Blick nicht die Kraft zugetraut hätte, eine Person wie Ruka so mühelos tragen konnte. Aber schon jetzt wo er Sakito nur betrachtete, spürte er die besondere Aura, die diesen umgab. Und mit einem Mal richteten sich diese goldgelben Katzenaugen auf ihn, sodass er bei dem durchdringenden Blick erschauderte. „Also, was ist nun?“, fragte Reita nochmals und dieses Mal ungeduldiger. In ihm herrschte Unruhe, denn wenn Tora sie abwies hatten sie ein großes Problem. Der Dunkelhaarige warf noch mal kurze Blicke zu den beiden Bittstellern und schließlich rang er sich zu einem knappen Nicken durch, auch wenn das Misstrauen blieb. Aber er sah ein, dass es hier um Rukas Leben ging und es Reita ernst war, sonst wäre er nicht zu ihm gekommen und hätte ihn so flehendlich gebeten. „Folgt mir!“, sagte er nur knapp und öffnete die Luke. Reita warf einen Blick auf Sakito und nickte. Der Brünette verstand und vorsichtig setzte er sich in Bewegung und trug Ruka in das Innere des Hauses. Dort wartete Tora auf sie und geleitete beide in die hinten liegenden Räume, aus denen bereits dumpfes Stimmenwirrwarr zu hören war. Jenes brach sofort ab, als Tora gefolgt von Sakito und Reita den Raum betrat. Etwa ein Dutzend Augenpaare richtete sich auf sie und sah erst Tora, dann die beiden anderen an. Sakito warf nur kurze, aber scannende Blicke auf die Gruppe von mehrheitlich jungen Männern in seinem Alter. Er fühlte sich unwohl, spannte seinen Körper an. So zeigte auch Reita ähnliche Körperreaktionen, kannte er zwar die meisten dieser Jungen vom Sehen her, hatte aber sonst nur sehr wenig Kontakt zu ihnen gehabt. Einzig einen dunkelblonden, hübschen jungen Mann, derbei ihrem Eintreten aufgestanden war und sie aus den dunkelblonden Ponysträhnen hindurch aufmerksam beobachtete und auf den Namen Saga reagierte, als auch den rothaarigen Daisuke kannte er durch die monatigen Kampfturniere näher. Tora war es schließlich, der die Stille brach. „Gestern hat es einen Übergriff gegeben auf Rukas Tribe gegeben. Deshalb ist Reita hier. Ruka ist verletzt. Saga, kümmere dich um ihn und zeige…“ Er brach ab, als ihm auffiel, dass er keine Ahnung hatte, wie der Fremde überhaupt hieß. Jenen sah er nun auffordernd an. Sakito erwiderte den Blick nur kühl und distanziert. „Sakito“, sprach er seinen Namen und Tora nickte, beendete so seinen zuvor angefangenen Satz. „…Sakito, wo er ihn hinlegen kann!“ Toras Worte waren kühl gesprochen, doch der angesprochene Dunkelblonde nickte und deutete Sakito ihm zu folgen. Dieser kam dem Ganzen nach und verschwand zusammen mit Saga aus dem Raum. Reita blieb zurück und musste sich nun den genaueren Fragen stellen, von denen jede Einzelne die grausamen Erlebnisse der Nacht noch einmal aufreißen würde. Doch er wollte dies nicht vor allen tun. So sah er Tora genau in die Augen. „Ich werde es erzählen, doch bitte ich darum mit dir und Daisuke allein zu reden.“ Etwas erstaunt über diese Worte blickte Tora zu Daisuke und dieser ebenso erstaunt zurück. Damit hatten sie wohl beide nicht gerechnet. Das Reita allein mit Tora reden wollte, hätten sie verstanden, aber warum mit Daisuke? Doch Tora schluckte seine Fragen hinunter und nickte. „Okay... wenn du es so möchtest. Ich respektiere deine Bitte. Dann gehen wir in mein Zimmer.“ Er deutete sowie Reita und Daisuke ihm zu folgen und beide taten, was der Dunkelhaarige von ihnen verlangte. *** Sakito und Saga währenddessen begaben sich in einen abgelegen Raum des Gebäudes. Sakito bemerkte, dass dieses Haus weitaus größer war, als es von außen den Anschein hatte. Er folgte dem dunkelblonden bis dieser endlich stehen blieb und auf eine Liege deutete, die von der Öllaterne und dem einfallenden Licht aus dem kleinen Fenster beleuchtet wurde. Vorsichtig und behutsam legte Sakito Ruka auf der Pritsche ab, fühlte sogleich nach seinem Post und schloss erleichtert die Augen. Ruka atmete noch immer. Ein gutes Zeichen... Er hörte wie Saga die Lampe an einem Haken an der Wand auf hing und sich dann neben ihn kniete. Sakito beachtete ihm kaum, ließ die Nähe aber zu. Es ging keine Gefahr von dem etwa Gleichaltrigen aus, das spürte er intuitiv. „Was genau fehlt ihm?“, fragte eine kühle und dennoch freundlich klingende Stimme und ein forschender, interessierter Blick ruhte auf der Gestalt des Brünetten. „Ihm wurde die Kehle durchgeschnitten, aber man verfehlte die Halsschlagader.“, sagte Sakito kurz angebunden, im gleichen Tonfall wie es von seinem Gegenüber zu hören war. Dieser nickte leicht und richtete den Blick wieder auf Ruka. „Dann ist seine Überlebenschance gering. Hat er sehr viel Blut verloren?“ Es war ein neutrales Gespräch, das sich einzig um die Verletzungen und den Zustand des Verletzten drehte. Sakito bejahte. „Sehr viel. Ich hab mit den wenigen Mitteln versucht seinen Zustand soweit wie möglich zu stabilisieren.“, antwortete er. Es dauerte eine Weile bis eine Antwort fiel. Der Junge, der auf den Namen Saga hörte, machte sich daran Sakitos provisorischen Verband vorsichtig zu entfernen und die Wunde zu untersuchen. Der Riss, den eine Klinge unsauber in die Haut gerissen hatte, war auseinander geklafft und zeigte das rohe Fleisch, welches sich darunter verbarg. Saga erblickte nun im besseren Licht die bereits behandelten Wundstellen und das tatsächlich nur noch wenig Blut aus der Wunde trat. Anscheinend hatten der Entzündungshemmer und das Antibiotikum wirklich gewirkt. „Gute Arbeit... aber noch ist er lange nicht über den Berg.“ „Er gehört in ein Krankenhaus, doch Reita hat sich dagegen geweigert.“ „Nicht ohne Grund. Ich denke du bist noch nicht lange in der Stadt. Du sprichst mit einem weiter nördlichen Dialekt.“ Ein kleines Lächeln huschte über Sagas Lippen. „Wir können heute nicht mehr in die Krankenhäuser gehen. Jede Behandlung kostet Geld, dass wir nicht haben und wenn die Obrigkeiten uns kriegen wandern wir in den Bau. Sie mögen uns nicht, Kids und Teenager die auf der Strasse leben.“ Er schwieg kurz, wandte den Blick ab und sah zu einer Kommode, die hier stand. „Öffne bitte die Kommode und hole was sich in der ersten Schublade befindet.“ Sakito antwortete nicht, aber gehorchte. Ein komisches Gefühl beschlich ihn. Er kannte Saga nicht und doch hatte dieser etwas an sich, was es ihm leichter machte ihm zu vertrauen. Er kehrte mit einem Tablett zurück auf dem einige sterile Behandlungsgegenstände lagen und auch eine Box, die wohl verschiedene Medikamente enthielt. Saga dankte ihm mit einem Nicken. Die folgende halbe Stunde herrschte zwischen ihnen Schweigen und gemeinsam versorgten sie Rukas Verletzungen, wobei Saga die Rolle des Arztes und Sakito die des Helfers einnahm. Er war innerlich beeindruckt von dem Können des etwas Älteren. //Er muss mit Medizin zu tun gehabt haben...//, schoss es durch seinen Kopf, während Saga mit einem Skalpell vorsichtig die Wundränder etwas sauberer schnitt und die tiefe Wunde behandelte, ehe er sie vorsichtig zunähte. Er legte zusammen mit Sakito einen stabilen Druckverband um die Wunde und packte dann die benutzten und teilweise blutigen Instrumente zur Seite auf ein weißes Tuch. Er verstand wirklich etwas von dem was er tat. Sakito beobachtete den etwas Größeren aus den Augenwinkeln und erst jetzt bemerkte der etwas Jüngere die schwarzweiße Augenklappe in Form eines Schmetterlings. Saga schien seinen Blick bemerkt zu haben, denn er drehte sich ihm zu. Ein trauriger Schimmer erschien in seinem braunen Auge. „Ein Rückbleibsel von dem Terrorangriff. Ein Glassplitter traf mein Auge bei dem Erdbeben, als das Haus meiner Eltern einstürzte.“ Sakito schwieg. Er wusste nicht was er sagen sollte. Er selbst hatte nie Eltern gehabt. Eine Mutter, ja die hatte es gegeben, doch hatte er sie nie gesehen. „Du bist sehr gut in dem medizinischen Bereich.“, entgegnete Sakito nur um von dem für Saga schmerzhaften Thema abzulenken. Doch anscheinend schien dieser Wechsel nicht besser zu sein. Saga senkte noch mehr den Blick. „Hai... meine Eltern waren beide Ärzte und ich lernte viel von ihnen. Aber sie kamen damals ums Leben, wie viele andere auch.“ Auch Sakito senkte den Blick. Er hatte von dem großen Beben, dass damals kurz nach seiner Flucht Japan erschütterte und fast die gesamte Wirtschaft des Landes lahm legte, kaum etwas mitbekommen. Sicher hatte er die Erschütterungen gespürt, doch im Gegensatz zu fielen anderen, sah er dieses Beben als ein glücklicher Zufall, denn nur durch es konnte er Menticore entkommen. Kurz darauf hatte er Zuflucht bei Shake und seiner Truppe gefunden. Er schüttelte den Kopf. „Gomen... ich wollte kein solches Thema anklingen lassen.“. Brachte er dann noch hervor, erhielt jedoch nur ein Kopfschütteln. „Schon okay. Es ist nur eines von vielen Schicksalen.“, lächelte der Dunkelblonde und jegliche Art von Misstrauen und Distanz war aus seinen Zügen verschwunden. Etwas, dass ihn sehr verwunderte, wie auch Saga selbst. Normaler weise vertraute er keinem so schnell, doch dieser Junge, der auf den Namen Sakito hörte, hatte etwas an sich, was einen magisch anzog. Eine Aura aus Distanz und Eiseskälte, doch darunter, das würde jeder spüren, der empfindlich und sensibel war, verbarg sich ein Kern aus Schmerz und Angst. Etwas, dass er auch bei Reita sofort gespürt hatte. //Die beiden verbindet etwas... etwas tiefgehendes.//, dachte sich Saga. Er blickte wieder zu Ruka, der noch immer schlief. „Hoffen wir, dass es ihm schnell besser gehen wird.“, murmelte er. Sakito nickte. „Was ist gestern passiert? Warst du dabei?“, fragte Saga nach einer gewissen Zeit der Stille. Sakito sah ihn an, schüttelte jedoch nur den Kopf. „Nein... ich weiß nicht viel mehr als du. Du musst Reita fragen, wenn du Informationen haben willst. Er tauchte gestern Nacht nur bei mir auf.“ „Ein Zeichen, dass er dir vertraut.“, begann Saga erneut mit einem leichten Lächeln, was jedoch mit einem Kopfschütteln des Angesprochenen wieder verschwand. „Nein... alles, aber das mit Sicherheit nicht!“ Und damit war für Sakito das Gespräch fürs Erste beendet. *** Reita indes hatte den beiden anderen alles von den Ereignissen der vergangenen Nacht berichtet, jedoch von den Unterredungen Aois und ihm nichts erwähnt. Diese gingen niemand was an. Tora und Daisuke hatten zuerst geschockt reagiert, dann verwirrt und nun sahen sie ihn mit ernsten und nachdenklichen Mienen an. Besonders der Rothaarige hatte die Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen. Er war einer der besten Freunde Rukas, der Hauptgrund, wieso Reita ihn noch als Zuhörer gewählt hatte. Tora brach die unangenehme Stille. „Das... klingt alles mehr als tragisch. Und du weißt nicht wer euch attackiert haben könnte oder warum gerade Aoi entführt wurde?“ Misstrauen klang mit. Reita schüttelte den Kopf. „Nein!“, log er. „Und eine weitere Frage: Wie sollen wir dir helfen? Sollen wir dir helfen die Entführer aufzuspüren und zu eliminieren?“ Tora sah ihn auffordernd an, doch zu seinem Erstaunen schüttelte Reita nur den Kopf. „Nichts von beidem. Ich möchte lediglich, dass ihr auf Ruka aufpasst und euch um ihn kümmert. Die Sache mit den Entführern machen Sakito und ich allein. Sie haben meine Familie umgebracht und dafür werden sie bezahlen!“ Reitas Augen wurden bei diesen Worten dunkler und sein Gesicht verdüsterte sich. Tora und Daisuke warfen sich einen schnellen Blick zu. Sie kannten Reita so nicht, so wutgeladen und sie beide spürten, dass der Blondschwarzhaarige doch mehr wusste, als er zugeben wollte. Doch sollten sie nachfragen? Sollten sie sich in die Angelegenheiten der anderen Gruppe einmischen? Tora bekam innere Gewissensbisse. Am liebsten würde er Reita gehen lassen, denn wenn er ihm mehr half, brachte er auch seine Gruppe in Gefahr, aber wenn nicht, könnte es sein, dass auch noch Aoi den Entführern zum Opfer fiel. Er kannte den Schwarzhaarigen, welcher stets lebhaft und dazu noch sehr gut befreundet mit vielen aus seinem, Toras, Tribe war. Es war eine sehr schwierige Entscheidung. „Wie willst du bitte die Entführer allein besiegen? Oder mit der Hilfe von diesem Fremden?“ Es war Die, der diese Fragen und damit die Stille sprach. „Das ist meine Sache. Ich habe nicht vor euch in dieses Unterfangen einzubinden. Ich will nur, dass Ruka in Sicherheit ist.“, erwiderte Reita immer noch kalt. In Dies Augen leuchtete Misstrauen auf. „Du weißt mehr, als du zugeben willst, Reita. Und dieser Kerl… Sakito. Ich kenne ihn… ich weiß es!“ Zwei Blicke richteten sich auf den Rothaarigen. Dieser lehnte an der Wand des kleinen Raumes und hatte seinen undurchdringlichen Blick auf Reita gerichtet. „Letzte Woche… bei dem Turnier. Er war der Fremde gegen den du gekämpft hast. Und er ist verdammt gut. Ich habe euren Kampf gesehen. Wer ist das Reita?“, fragte er und seine Stimme wurde dunkler je länger er sprach. Reita knirschte mit den Zähnen. Es war nicht gut, dass Die ihn erkannt hatte. „Jemand, den ihr nicht kennen müsst!“ Nun schellten auch in Toras Ohren die Alarmglocken. Er warf Die einen schnellen Blick zu. „Sprich Reita! Wer ist das?“, drängte nun auch Tora. Der schwarzhaarige verspürte nun noch tieferes Misstrauen, was auch Reita deutlich fühlte. //Mist! Das kann ich nicht gebrauchen! Wieso müssen sie solche Fragen stellen!// Der Blondschwarze sah sich in einer Zwickmühle. Wenn er diese Frage nicht beantwortete, würden Tora und Die sich letztendlich noch vollkommen weigern, ihm zu helfen. Er drehte den Kopf zur Seite. „Er ist ein alter Bekannter. Letzte Woche habe ich ihn erst wieder getroffen bei diesem Kampf. Reicht das? Oder wollt ihr auch noch seine Eltern, seine Sexualität und seine Adresse wissen?“ Die letzten Worte zischte er fast und bei diesen wurden Tora und Die schlagartig rot. Beide räusperten sich schließlich. „Ähm nein… aber was bitte ist schlimm daran uns zu sagen, dass er ein alter Bekannter von dir ist?“ Tora hatte sich schnell wieder gefangen. „Ich wollte einfach nichts mehr damit zu tun haben, ja! Und ich denke ihr seid nun wahrlich die Falschen, denen ich das alles erzählen sollte.“ Reitas Stimme klang ungewöhnlich kühl und sein Blick war starr auf einen Fleck an der Wand gerichtet. Erneut warfen Die und Tora sich einige Blicke zu. „Nun hör mal… wir wollen dir nicht zu nahe treten, ja.“, meinte der Dunkelhaarige schließlich. Reita blickte nur kurz zu ihm. Tora fuhr einfach fort. „Aber es ist nun mal so, dass auch wir ein Risiko eingehen. Und wir sollten schon wissen, was du in etwa vorhast.“, sagte Tora ruhig. Reita wandte ihm nun wieder den Blick zu, zuckte mit den Schultern. „Ihr geht kein Risiko ein Tora. Ihr sollt euch nur im Ruka kümmern…“, er brach kurz ab, „…und wenn es möglich wäre auch um Aoi, wenn ich ihn befreit habe.“ Diese Worte waren leise gesprochen, ja kaum mehr als ein Flüstern. Reita biss sich kurz auf die Lippen. Ja er hatte beschlossen, Aoi hierher zu bringen, wenn er ihn befreit hatte. Er würde nicht bei dem Schwarzhaarigen bleiben. Nein, es war zu gefährlich. Diese Gedanken waren ihm in diesem Moment klar geworden. Sakito hatte recht. Er musste weg, er konnte nicht länger bleiben… Tora sah Reita mit großen Augen an. „Wie meinst du das?“ „So wie ich es sage. Wenn ich Aoi da raus habe, werde ich ihn herbringen und ich wäre euch dankbar, wenn ihr ihn und Ruka aufnehmt. Sie haben niemanden sonst mehr.“, erwiderte Reita, blickte jedoch nicht in die Richtung des Angesprochenen. Tora stutze, dann lächelte er warm. „Sicher können sie hier bleiben. Sie sind hier gern willkommen.“ Reita atmete aus. „Danke…“ „Aber was ist mit dir?“, mischte plötzlich Die sich wieder in das Geschehen ein. „Das ist egal. –es spielt keine Rolle was mit mir ist. Wenn Aoi hier ist, werde ich verschwinden. Und bitte stellt keine Fragen.“ Damit stand Reita auf und ging. Zurück blieben Tora und Die, die sich fragende, ja gar zweifelnde Blicke zuwarfen. Sie beide verstanden nicht, was Reita mit diesen Worten meinte. Doch dies war gut so. *** Sakito und Reita verließen das Quartier von Tora und seiner Gruppe bei Sonnenuntergang. Erneut schweigend und jeder in seine eigenen Gedankengänge vertieft. Sie hatten einen Weg vor sich, ein Vorhaben, welches besonders den Blondschwarzen innerlich mit Schmerz und Trauer füllte. Nun hieß es Abschied von seiner Familie nehmen… für immer. Der Tempel ragte schwarz und düster vor ihnen auf, als sie ihn im Schimmer der letzten bleibenden Sonnenstrahlen erreichten. Das was ihm immer Gefühle von Wärme und Friede gegeben hatte, weckte jetzt einen Anflug von Trauer und Wehmut in ihm. Das Gebäude war verlassen, totenstill. Nur in einer Nacht hatte man ihm das ruhige und friedvolle Leben gestohlen, welches immer seine Mauern gefüllt hatte. Reita riss sich von den beklemmenden Gedanken los, spürte den Blick, der auf ihm ruhte, doch er wandte sich nicht um. Dies war das letzte Mal, dass er den Tempel betrat, der ihm mehr als vier Jahre lang das Gefühl von Hoffnung und Zuversicht, ja Liebe und inneren Frieden geschenkt hatte. Alles Dinge, die er in seinem vorherigen Leben nicht einmal hätte definieren können. Er schob die beiden Türen auf, betrat somit das Innere des Tempels. Aber er blickte sich nicht um, denn zu groß würde der Schmerz sein das Vertraute zu betrachten. Starr suchte er den Weg in das nächste Zimmer und dann zu dem Raum, in dem noch immer die Leichen der beiden Mädchen ruhten. Süßlicher Gestank schlug ihm entgegen und Übelkeit kam in ihm auf. Doch er ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen, ging einfach auf die Erste der beiden leblosen Körper zu. Ryoko. Der kleine Mädchenleib lag wie schlafend in dem Schlafsack eingehüllt. Ihr langes Haar verbarg ihm den Blick in ihr kindliches Gesicht. Sie wirkte noch jetzt so unschuldig und liebenswürdig, als würde sie gleich die großen fröhlichen Augen aufschlagen, ihn ansehen und um den Hals fallen, fragen, ob sie nicht etwas spielen wollten. Ohne, dass Reita groß etwas dagegen tun konnte, begann die Sicht vor seinen Augen zu verschwimmen. Er schloss sie, blinzelte die aufkommenden Tränen fort, griff nach dem Schlafsack und zog ihn langsam bis oben zu. Er hob die Kinderleiche auf seine Arme, trug sie nach draußen in die laue Nachtluft. Er hörte nur, wie Sakito ihm mit Ayumi auf den Armen folgte. Gemeinsam trugen sie die beiden Mädchen in den verwilderten Garten, welcher das Gebäude umgab und legten sie dort in das taunasse Gras. Reita ging nur um kurze Zeit später mit zwei Schaufeln wiederzukommen. Stillschweigend verrichteten sie ihre Arbeit, hoben zwei Gräber aus, die sie mit Gras füllten, ehe sie die beiden toten Mädchen hineinlegten. Sakito wollte gerade beginnen das erste Grab wieder mit dunkler Erde zu bedecken, doch Reita hielt ihn zurück. „Warte noch einen Augenblick…“ Mit diesen Worten verschwand der Blondschwarze erneut, doch diesmal führte sein Weg ihn zurück in sein altes Zuhause. Er brauchte nicht lange um zu finden was er suchte und damit zurückzukehren. In den Händen hielt er nun zwei kleine Gegenstände, ein kleines geschnitztes Holzpferdchen und eine gläserne Blume. Dies waren die wertvollsten und schönsten Sachen von Ryoko und Ayumi gewesen. Beides legte er den toten Mädchen mit in die Gräber. Erst jetzt konnten sie mit ihrer Arbeit beginnen. Immer mehr dunkle Erde bedeckte die beiden toten Körper, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Reita hatte nichts mehr für sie tun können, um sie zu retten, doch die letzte Ehre, ihnen beiden ein Grab zu errichten, dies hatte er getan. Und mit zwei letzten Tränen in den Augen steckte er persönlich zwei Holzkreuze in die frische Erde. „Möge es euch dort oben wo ihr seid, besser gehen als hier.“ Mit diesen Worten legte Reita noch zwei kleine Wildblumen auf die Grabhügel. Ein Zeichen seines Abschieds. Es war ein Abschied für die Ewigkeit. *** Mit übereinander gekreuzten Beinen saß Tsukasa auf dem Boden, hatte sich leicht an die Wand nach hinten gelehnt. Seine dunklen Haare hingen ihm im Gesicht. Er war an der reihe mit der Nachtwache, was für ihn jedoch nicht sonderlich von Wichtigkeit war. Was bitte lohnte es sich zu bewachen? Etwa dieses kleine Häufchen Elend da drin, dass sich nicht mehr zu regen wusste? Kein Geräusch drang durch die Tür und er selbst hatte ihn schließlich angekettet und dafür gesorgt, dass der Junge nicht fliehen konnte. Doch anscheinend wollte Hizumi ihm einmal mehr zeigen, wie sehr er an Respekt verloren hatte. Die anderen hatten sich zurückgezogen, dass sie schliefen, davon ging er nicht aus. Sie hatten ihn, nachdem er zusammen mit Zero die beiden Leichen der Obdachlosen weggeschafft hatte, schlicht und einfach ausgegrenzt. So hatte er Zeit genug um einmal nachdenken zu können. Seine Gedanken glitten zurück zu dem Zeitpunkt als er das Gespräch zwischen #668 und #443 belauscht hatte. Er hatte die Aussagen Sakitos noch ganz genau im Ohr und davon bisher nichts erzählt. Schlagartig begannen die verschürften Wunden auf seiner Brust zu kribbeln und zu schmerzen, als er bloß an diesen Tag dachte. Sie waren gut verheilt, was zum einen an seinen veränderten Genen und zum anderen an dem Medikament Vitasiakum lag. Dieses Medikament wurde in den Laboren Hakueis hergestellt und illegal auf dem schwarzen Markt verkauft. Die Regierung hatte die Vermarktung dieses Medikamentes sofort wieder verboten, da es, trotz seiner überragenden Heilwirkung, starke Nebenwirkungen hervorrief. Doch Hakuei hielt es nicht davon ab, es weiter herzustellen und an Rebellen und Terroristen zu verkaufen. Die Zusammensetzung jedoch hatte er verändert und nun arbeiteten auch ihre eignen Leute mit diesem Präparat. Eine Hand des Dunkelhaarigen glitt unter das eigne Shirt und suchte nach den Narben des Angriffs. Rissig und halbverheilt zogen sie sich über seine Brust und schmerzten schon bei der bloßen Berührung. Dafür würde Tsukasa sich noch höchstpersönlich bei Sakito rächen, das hatte er sich geschworen und den wohl wichtigsten Trumpf in diesem Spiel hielt er in der Hand. Dennoch schwirrten unzählige Fragen in seinem Kopf umher, die ihn faszinierten, gleichsam aber auch abschreckten. Er fragte sich was sich Hakuei und Niikura-san dabei gedacht hatten einen solchen Menschen wie diesen Transgeno zu erschaffen? Er selbst hatte die Verwandlung des Brünetten miterlebt und am eignem Leib erfahren. Diesen mörderischen Ausdruck, der mit einem Schlag die katzenhaften Augen beherrscht hatte und wie seine Finger sich um die Wurfmesser gekrallt und ohne Gefühl einfach zugestochen hatten. Tsukasa zog seine Hand wieder hervor. Er lebte bereits so lange in dem Laboren Menticores, hatte unzählige Kinder und Experimente gesehen und dennoch war keines von ihnen dabei gewesen, dass auch nur im Ansatz an die Erscheinung von #443 heranreichte. Weder im Verhalten, noch in den Fähigkeiten. Er selbst hatte mit den anderen seiner Einheit die Akte des Jungen gesehen, die Testergebnisse und Körpermerkmale, wie auch von den anderen beiden entflohenen. Doch schon als er in der alten Kirchruine den schlanken Körper gesehen hatte, hatte er die Ausstrahlung gespürt, die ihn umgab. //Gruselig…//, dachte er und schauderte kurz, etwas, dass er sich nie in der Gesellschaft von den anderen erlauben würde. Schwäche war tödlich, egal in welchem Zusammenhang. Die Gedanken des jungen Mannes glitten weiter und seine Hände griffen in die Hosentasche, umfassten das kleine Mobilfunktelefon, welches sich noch immer in seinem Besitz befand. Er hatte vollkommen vergessen es an Hizumi abzugeben, als sie aufeinander getroffen waren. Und mit einem Mal kam ihm eine Idee, die ihn teuflisch Grinsen ließ. Er würde sich den Respekt schon wieder erkaufen… und er wusste auch wie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)