Auf der Schneide von abgemeldet (Wofür man durchhält - und wie) ================================================================================ Kapitel 1: Auf der Schneide --------------------------- Für alle bin ich der VERRÄTER. Dieses Wort steht auf meiner Stirn, man hat es mir dort eingebrannt, sodass es jeder gleich sehen kann. Nur ist es so: Ich bin WIRKLICH ein Verräter. Nur keiner weiß, WEN ich verrate. Das weiß nur ich. Und es ist ein verdammt riskantes Dasein. Und es macht auch keinen Spaß. Hast du dir das aufregend und spannend vorgestellt? Wie schön für dich. So ist es aber nicht. Ich tue das, um für das einzige einzutreten, was ich noch habe. Den Glauben an das Gute, den mir Albus vermittelt hat. Dafür tue ich das alles. Aber für mich selbst ist ein ausgesprochen unbequemer Zustand. Natürlich ist es nicht schön, die Nächte mit Heiltränkebrauen zu verbringen, für den Fall, dass man am nächsten Abend vollkommen zerfetzt nach Hause kommt. Natürlich ist es NICHT schön, Muggel zu foltern und zu ermorden, um bei den Todessern nicht aufzufallen. Aber damit, dass ich einen Muggel töte, rette ich ein paar Jahre vorausschauend vielleicht hunderten das Leben. Die Todesser auszuspionieren ist wie ein Tanz barfuß auf einer Messerschneide. Nur einziger, winziger falscher Schritt, und es ist aus. Das eigentümliche beim spionieren in einer MAGISCHEN bösen Gemeinschaft ist, es braucht nicht mal ein Messer, um alles zu beenden, nur ein Stück Holz mit einem Hauch Magie. Ein einziger Todesfluch kann den Tanz durch Kälte und Endlosigkeit mit einem Schlag beenden und alles bisher erreichte sinnlos machen - in einem Augenblick. Ich tanze diesen Tanz seit mehr als zwei Jahrzehnten schon. Ich sollte stolz auf mich sein, sagte Albus immer. Doch ich bin nicht stolz. Ich bin leer. Durch viele Morde und viel Folter - foltern und gefoltert werden - verliert man irgendwann einfach den Sinn für Gnade und Barmherzigkeit. Trotzdem, ich tanze, ich tanze. Der erste Zauberer, den ich töten musste, war ein Mädchen um die sechzehn Jahre. Ich hätte sie schänden müssen, bevor ich sie töte, das hat mir der Lord befohlen. Doch ich habe nur mehrmals Crucio angewendet. Ich habe mich geweigert, sie zu schänden. Sie war damals kaum ein paar Jahre jünger als ich. Ich höre immer noch in meinem Kopf, was sie sagte, als Voldemort ihr freundlicherweise anbot, sie möge doch betteln. "Ich werde nicht betteln, ihr Verbrecher. Ihr könnt mit mir machen, was ihr wollt, aber betteln werde ich niemals." Nun, nach dem vierten oder fünften Crucio hat sie gebettelt. Doch drei oder vier weitere hatte sie noch überstehen müssen, ehe ich den tödlichen Fluch sprechen durfte. Ich träume immer noch manchmal von ihr. Dass ich sie nicht geschändet hatte, kostete mich selbst mehrere Stunden Folter. Und nicht nur durch den Crucio. Damals war ich noch unerfahren und musste daheim erst einmal einen Heiltrank brauen, weil ich keine Vorräte hatte. Heute gehört es für mich zur Routine, ein- oder zweimal monatlich blutverschmiert nach Hause zu kommen und erst mal einige Schnellheiltränke zum sofortigen Wundenschließen einzuwerfen, bevor ich mich wasche und zu Bett gehe. Und dennoch, unter mir liegt eisig kalt der spiegelglatte See, wenn ich hineinfalle, tauche ich niemals wieder auf, und ich tanze barfuß auf der Messerschneide, die an zwei Elfenhaaren festgebunden darüberhängt, barfuß auf Stahl. Ich spüre die Kälte des Stahls an meinen Fußsohlen. Nur leicht schmerzend, aber immer present. Und dennoch, ich tanze, ich tanze. Lange Zeit hielt Albus meine Hand beim Tanz und es war nicht ganz so schwer und ich sah in seine Augen anstatt auf den See oder meine müden, geschundenen Füße. Nun gibt mir keiner die Hand, nur eine lang vergessene Schattengestalt mit schönem Gesicht schwebt neben mir und singt mein heiliges Lied für mich, wenn ich nicht mehr kann. Der Tanz ist einsam und kalt und grausam - und dennoch, ich tanze, ich tanze. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)