Drachenherz von Xanderle (Ein kleiner Zujin Roman) ================================================================================ Kapitel 13:  Mitgefangen - Mitgehangen -------------------------------------- Der Tag begann fürchterlich. Kurz nach dem Tento, Zuko hatte eben ein kurzes Bad beendet, kam Fon mit einer Hiobsbotschaft. „Mylord?" Mylord hörte auf, sein Haar zu trocknen. „Fon?" „Minister Wong Shu ist bereit, Euch heute zu empfangen." „Ah, gut! Sehr gut!" Zuko legte das Handtuch beiseite, um nach einem schlichten Wickelhemd zu greifen. Endlich war er einen Schritt weiter! Zumindest in dieser Angelegenheit. Die letzten Tage war er ständig hin und her gehetzt.  Früh morgens begab er sich in die Stadt, um ein paar Worte mit Jin zu wechseln. Gegen Schweigen. Danach musste er sich hier haufenweise vorgeschobene Entschuldigungen und fadenscheinige Ausflüchte anhören, seine Zeit in muffigen Vorzimmern totschlagen und bündelweise Anträge ausfüllen. Eigenhändig. Am frühen Abend begab er sich WIEDER in die Stadt. Diesmal um ein paar Blicke auf Jin zu werfen. Blicke, die nicht zurückgeworfen wurden. Wenn er dann zurückkam, stand er wie ein geprügelter Hund auf diesem Balkon, starrte auf die Stadt und fragte sich wann sie ihn wieder ansehen würde. Zu allem Übel konnte er sich in dieser Lächerlichkeit von Palast nicht einmal austoben! Feuerbändigen käme hier einer Kriegserklärung gleich. Für Schwertübungen waren die Räume zu vollgestopft und die Trainingshallen der Wächter waren für ihn ebenfalls tabu.  In der Hexenküche seines Temperamentes brodelte und zischte es. Zuko schlang sich die Bänder des Hemds vollends um die Taille und band sie fest. Fon räusperte sich. Da er das nie ohne Grund tat, sah sein Dienstherr fragend auf. „Ähm, in einer Stunde mein Lord." „WAS?" „Der Minister erwartet Euch in einer Stunde." Flüche, von denen er nicht einmal geahnt hatte, dass er sie kannte, kamen dem Sonnengekrönten über die Lippen. Da Fon jahrelang beim Militär gewesen war, zuckte er nur ein einziges mal zusammen. Der Tag begann fürchterlich. Jin erwachte wimmernd aus ihrem Traum. Er war schrecklich gewesen! Der blaue Drache mit den gelben Augen hatte sich auf sie zu gewunden, näher und immer näher, bis er fast aus dem Traum gekrochen kam. Mit rauschender, zischender Stimme und ätzendem Atem hatte er Flüche über sie gegossen. Flüche, die sie nicht verstand und die deshalb umso beängstigender waren. Der Schweiss war ihr ausgebrochen. Sie mochte den Blauen nicht! Oh nein, sie mochte den blauen Drachen und seine kalten gelben Augen ganz und gar nicht. Zitternd wie Espenlaub rollt sie sich zusammen, um die Kälte auszuschließen. Warum hatte sie diese Träume? Warum waren manche davon so schrecklich? Warum konnte sie nicht nur von dem roten Drachen träumen? Aber der hatte sich die letzten drei Nächte immer weiter entfernt. Obwohl es noch ganze zwei Stunden waren bis sie würde aufstehen müssen, war an Schlaf nicht mehr zu denken. So kam es, dass Jin nach dem morgendlichen Blick in den Spiegel wünschte, sie hätte nicht hineingesehen. Sie sah zum Abgewöhnen aus! Der Gedanke, dies wäre der Anblick, der sich ihrem Zweitschatten bieten würde, ließ sie fast weinen. Was sie allerdings wirklich an den Rand der Tränen brachte, war die Tatsache, dass er gar nicht auftauchte. Anfangs dachte sie noch, sie sei vielleicht zu früh aus der Tür getreten. Aber auf der Strasse gingen die selben Leute, die um diese Zeit immer hier zu sehen waren. Klammheimlich sah sie sich um... Bestimmt würde er jeden Moment um die Ecke kommen. Am Ende kam Jin fünfzehn Minuten zu spät zur Arbeit. Er war trotzdem nicht mehr aufgetaucht. Das Webmuster zeigte die Tendenz gefährlich zu verschwimmen. Er war einfach nicht aufgetaucht! Das hatte sie jetzt von ihrem Starrsinn. Was hatte sie sich denn gedacht? Er hatte ihr doch alles erklären wollen, und sie? Sie war schlichtweg zu beleidigt gewesen, ihn anzuhören. Sie hatte versucht ihn zu bestrafen, ihn hinzuhalten. Dabei war sie dazu weder abgebrüht, noch hübsch genug. Bei Weitem nicht hübsch genug! Die traurige Bilanz, die sie am späten Nachmittag ziehen konnte, waren schon wieder höllische Kopfschmerzen, ein verhunztes Webmuster und Überstunden. Als sie endlich alleine war, konnte wenigstens keine ihrer Kolleginnen die Tränen sehen.  Die Frauen hatten heute leiser getuschelt, als die letzten Tage. Jin hatte trotzdem hören können, über was sie tratschten: Jin We hatte einen Verehrer gehabt. Ganze vier Tage lang! Achtlos wischte sie mit dem Handrücken über ihre Wangen. Himmel, sie war wirklich eine Heulsuse geworden. Als sie zwei Stunden später ihre Arbeit beendete, war sie völlig erledigt. Sie wollte nur noch nach Hause und sich verkriechen. Sorgfältig schloss sie die Tür der Weberei hinter sich ab, warf den Schlüssel durch den Briefschlitz und schlich die Treppe hinunter. „Guten Abend, Jin!" Die leisen Worte klangen entschuldigend. Jin wirbelte herum und starrte ihn an. Die Rabenschwinge wölbe sich bedenklich, als er die Stirn runzelte. „Du siehst müde aus", murmelte er. Und Du zum niederknien! `Missy, so kann er Deine verheulten Augen sehen!´ Schnell richtete sie diese  Augen also wieder auf die Strasse und da ihre Müdigkeit plötzlich verflogen schien, konnte sie nun auch schneller gehen. Mit hochgezogenen Schultern stapfte sie voraus. „Jin?" Er klang tatsächlich besorgt. HA!  Es war ja nicht so, dass er einen Vertrag unterschrieben hätte, sie jeden Morgen auf ihrem Weg zur Arbeit zu begleiten. Jin fand jedoch, sie könne nach viermal durchaus auf ein gewisses Gewohnheitsrecht pochen. Aber der Herr hatte es ja nicht für nötig gehalten, sich für heute Morgen abzumelden. Und die selbe Jin, die noch vor wenigen Stunden zu der tränenreichen Erkenntnis gekommen war, durch ihr kindisches Verhalten die Liebe ihres Lebens vergrault zu haben, bekam einen Kurzschluss und beschloss dieses Risiko gleich noch einmal einzugehen. `Missy ... Du spielst mit dem Feuer!´ Wie Recht Tante Rias Stimme DAMIT hatte, konnte ja kein Mensch ahnen ... Trotzig die warnende Stimme in ihrem Kopf ignorierend, stolzierte Jin hoch erhobenen Hauptes die Strasse entlang. Allerdings erschrak sie nicht wenig über die eigene Courage, als sie einen tollkühnen Schwenk nach links vollführte und direkt auf eine der finstersten Gegenden der Stadt zusteuerte.  Die Bewohner Ba Sing Ses nannten dieses Viertel den `Frieden´, da es ab und an vorkam, dass man wesentlich friedlicher AUS diesen Gassen gezogen wurde, als man hineingegangen war. Niemand, der bei klarem Verstand war, ging freiwillig hier hinein. Niemand! Aber das mit dem Verstand hatte in letzter Zeit eh nicht so hingehauen. Die Stimme der Vernunft kam von völlig unerwarteter aber auch unerwünschter Seite: „Jin, Du hast doch nicht allen Ernstes vor, DA durch zu laufen?" „Wieso nicht? Ist viel kürzer. Und schlimmer als DU kann das auch nicht sein!" Nimm das, Schurke! „Jin, nimm doch Vernunft an!" „Ich soll nichts von Fremden nehmen." „Das ist doch kompletter Schwachsinn! Wenn Du wütend auf mich bist, schön. Aber das ist kein Grund Deine Sicherheit so leichtsinnig auf´s Spiel zu setzten." „Wieso? Ich hab doch Mr. Mörderblick an meiner Seite. Kann ja wohl nix passieren." „JIN!" Er packte sie am Arm, um dieser Farce ein Ende zu setzen. „Lass mich ja los! Ich kann tun und lassen was ich will! Ist schließlich die Devise, nach der DU auch lebst." „Verstehe." Er ließ ihren Arm los. „Dann lass Dich mal nicht aufhalten." Jetzt klang Mr. Mörderblick wieder einmal gefährlich. War ihr doch egal! Mit einem letzten schnippischen Blick auf Lee betrat sie den `Frieden´. Nach wenigen Schritten wurde Jin sich der bedauerlichen Tatsache bewusst, dass ihr Dauerschatten nicht mehr direkt neben ihr ging. Er zog es vor dies mit vielsagend verschränkten Armen gute zehn Schritte hinter ihr zu tun. Wenn er dachte, sie würde dadurch kleinbeigeben, hatte er sich geschnitten! Alles Bestens, Jin. Das hier ist nur eine Gasse ... Das da vorn auch. Da drüben hängt nur ganz harmlose Wäsche. Und das da hinten ist auch nur ein Schatten, der aussieht wie ein Typ, der böses im Schilde führt. Der Typ, der böses im Schilde führte, vertrat Jin den Weg. `Ich hab´s ja gewusst!´ sagte Tante Ria. „Ich hab´s ja gewusst!", sagte der dunkle, ziemlich verärgerte Samt hinter ihr. Trotzdem besass ihr Begleiter die unendliche Güte, plötzlich wie aus dem Boden gewachsen direkt hinter ihr zu stehen. Jin stellte fest, was für es ein herrlich tröstendes Gefühl es war, seinen festen, beruhigend starken Körper hinter sich zu spüren. „Soll ich einschreiten, oder willst Du ihn vielleicht weg argumentieren?" Jin erkannte Sarkasmus, wenn sie ihm begegnete ... aber Einschreiten? War er wahnsinnig? „Du...äh... wir sollten vielleicht tun, was er sagt." Ihre Stimme bebte verräterisch. „Er HAT noch gar nichts gesagt!", meinte Zuko, auf den nicht sehr appetitlichen Gauner deutend. „Wenn ihr zwei Hübschen vielleicht die Klappe halten würdet? Und dann wäre ich euch sehr verbunden, wenn ihr mit eurer Barschaft rüberwachsen würdet!" „Wie käme ich dazu?" Für einen ehemaligen Teekellner war die Frage ein bisschen lebensmüde, fand Jin. Und ziemlich arrogant! „Hä?“ Neunfinger-Bo blinzelte kurz. Dann erhellte ein böses, zahnlückenübersätes Grinsen sein Gesicht. „Na, Du bist mir ja ein Held! Aber warte, ich stell Dir mal kurz meinen Freund vor ..." Der Freund des Schurken war traurigerweise ein langes, rostiges Krummschwert. „Kenn ich schon", antwortete Zuko gelassen. „Ach? Und die da hinten? Kennst Du die auch schon?" `Die da hinten´ waren ein Haufen schmutziger, finsterer Gestalten.  Drei der heruntergekommensten Individuen, die Seine Herrlichkeit, Zuko der Erneuerer, je zu Gesicht bekommen hatte. „Nein, noch nicht."  Jin stand mittlerweile kurz vor einem hysterischen Anfall. Was zu Teufel tat er da? Anstatt auf die Forderungen einzugehen, die die Bande stellte, schaltete Lee auf stur. Sie sah sich verpflichtet, ihm eine Warnung zukommen zu lassen und zerrte an dem Ärmel, den sie ohnehin schon fest umklammert hielt. „Lee! Tu einfach was sie sagen!" „Ja, Lee. Sei ein nettes Bürschchen und tu einfach was ich sage!" Der Dieb brachte seine Visage gefährlich nahe an das fürstliche Riechorgan und ... beleidigte es. „Schon mal über den Sinn von Bädern nachgedacht?", erkundigte sich das nette Bürschchen. „Jetzt wäre der genau richtige Zeitpunkt, eines zu nehmen. Dann passiert auch niemandem was. Noch habt ihr die Gelegenheit, euch aus meinem Sichtfeld zu verpissen!" Zukos Stimme hatte leise zu knistern begonnen. Ein kleiner Teil von ihm war über die Entwicklung der Dinge einigermassen erfreut. Hatte er sich nicht schon eine Gelegenheit gewünscht, seinen Temperament-Stau abzubauen? Das einzige, was ihm Sorge bereitete war Jin. Sie musste aus der Gefahrenzone. Er manövrierte so, bis sie schließlich im Schutz eines Hausecks stand und er sie komplett abschirmte. Neunfinger-Bo war inzwischen herzlich irritiert. Die Leute, die er bisher überfallen hatte, gaben Dinge wie "Oh Gott, verschon mein Leben", „Können wir nicht vernünftig darüber reden?" oder "Nimm die Frau, aber lass mich gehen!" von sich. Auf keinen Fall sagten sie solche Sachen, wie dieser grössenwahnsinnige Schnösel da! „Okay, das war´s Schrumpfbirne! Zeigt ihm, wer hier die Witze reisst!", befahl er dem Pack hinter sich. Um nicht aufzuschreien presste Jin fest die Hände vor den Mund. Vielleicht war das der Grund, weshalb sie die anschließende Szene nicht genau mitbekam. Oder ihr Verstand weigerte sich einfach zu glauben, dass ein Mensch sich so schnell bewegen konnte.  Zwei waren schon entwaffnet. Ein dritter lag stöhnend am Boden und hielt sich das Bein. Dabei hatte Lee nur eine einzige, fliesende Bewegung gemacht. Halt! Wo war der vierte? Sie bekam die Antwort in Form einer schmutzigen Hand, die in ihre Richtung schoss, um sie als Schutzschild zu missbrauchen. Kurz bevor diese Hand ihr Ziel erreichte, wurde sie geröstet. Ein hoher, schriller Schrei entwich Bos Kehle. Da die Flammen ihn geblendet hatten, stolperte er rückwärts, über einen seiner Kollegen. Seine mutigen Mitstreiter schrieen oder stammelten vor Angst und rappelten sich auf, um das Weite zu suchen. Oder, noch besser, das nächste Wirtshaus. Vierkokelfinger-Bo beschloss, sich ihnen anzuschließen. Durch den dichten Adrenalin-Nebel in Zukos Hirn drangen drei Dinge zu ihm durch. Erstens: Er hatte Feuer gebändigt; vor ihr! Zweitens: Er hatte Feuer gebändigt; in Ba Sing Se! Drittens: Eine Trillerpfeife schrillte nicht weit von hier! Ein `Viertens´ hätte er ruhigen Gewissens auch noch hinzufügen können, denn um die Ecke stürmte ein Polizist. Ein beklagenswert bekannter Polizist. Nach circa zehn Sekunden hatte er die Lage überschaut. „Sowas, sowas, sowas. Wenn das nicht mein Traumpärchen von letztem Montag ist.“ Das Traumpärchen versuchte unauffällig zu wirken. Inmitten züngelnder Restflammen. „Und wer, bitte sehr hat hier Feuer gebändigt?" „Ich!" „Die Diebe!" Noch bevor der Ordnungshüter die junge Dame auf die Tücken eines Meineids hinweisen konnte, tat es ihr Freund. „Feuerbändigende Diebe in Ba Sing Se, Jin?"  „Wer war denn so bekloppt, die Bande herauszufordern?" Bevor die beiden in ihre eigene, kleine, liebeskranke Welt abdriften konnten hielt der Polizist es für angebracht zu brüllen. „Maul halten! Mitkommen! Alle beide!" Auf dem Weg, den die kleine Versammlung nun hinter sich brachte, linste Jin immer wieder zu Lee. Stocksteif ging er neben ihr her und starrte stur auf den Scheitel des Polizisten. Er hielt das durch, bis sie die Hauptwache erreichten. „Hinsetzten!" Zuko warf sich auf einen Stuhl.  Die Beine weit von sich gestreckt, die Arme vor der Brust fest verschränkt, lümmelte er auf dem viel zu kleinen Ding herum. Jin sank auf dem Stuhl neben ihm in sich zusammen. „Lee..." Vielleicht war er inzwischen einem Entschuldigungsversuch zugänglich. Wellen der Empörung und des Unmuts gingen von ihm aus. Jin schielte auf sein schroffes Profil. Sein ganzer Kiefer war kantig vor rechtschaffenem Zorn, die Augenbraue hatte Tiefststand erreicht und selbst die sonst so aristokratisch geschwungene Nase war eckig vor Wut. „Lee?" Er wühlte sich lediglich tiefer in den Stuhl. Sein Schweigen hatte wirklich eine einzigartige Qualität. „Ich wollte ganz bestimmt nicht, dass das passiert!", flüsterte Jin kläglich und fingerte an ihren Nägeln herum. Zuko knirschte mit den Zähnen. Sie hatte also nicht gewollt, dass `Das´ passiert? Sie wusste ja gar nicht, was `Das´ überhaupt war! Es würde einen Skandal geben, soviel stand fest! Mit etwas Pech konnte er das Projekt `Bodensanierung´ jetzt in den Kamin schreiben. Der neue Feuerlord, demütigster aller Bittsteller vor dem Angesicht des Erdkönigreichs, war eine Woche nach seiner Ankunft wie ein streunender Vagabund von einer Polizeistreife aufgegabelt worden, da er die Gesetzte der Stadt missachtet hatte. Und das alles nur, weil er ja unbedingt mit einer störrischen Göre durch die Gosse ziehen musste. Zuko konnte die Schlagzeilen förmlich vor sich sehen. Und die dämlichen Karikaturen, die sie hier so liebten ebenfalls. Karikaturen! Pah! Diese verleumderischen Schmierereien waren beinahe ein Grund, seine ablehnende Haltung willkürlicher Tyrannei gegenüber nochmals zu überdenken. Onkel Iroh schien sie natürlich köstlich zu finden. Jeden Tag bekam Zuko die neusten Zeitungen vorgehalten, die mit Bildern von ihm gespickt waren, wie er, tobend wie ein kleines Kind, versuchte einen riesenhaften Felsbrocken mit lächerlich kleinen Flämmchen zu erschüttern oder mit dem Kopf versuchte eine meterdicke Mauer einzurennen. Wirklich zum totlachen. Dieses bescheuerte, rauchschnaubende dürre Männchen mit riesiger Schleife auf dem Kopf sah ihm ja nicht einmal ähnlich! „Lee, bitte ... Es tut mir leid!" Diesen Namen konnte er auch nicht mehr ertragen! Wenn er sich nicht bald in den Griff bekam, würde der Stuhl noch Feuer fangen. Sie schniefte leise. Er schielte. Jin hatte sich von ihm weggedreht und lass angeblich interessiert ein humoristisches Schild mit der Aufschrift Beamte machen´s langsam! Nur schien sie es, ihrem Geschniefe nach zu urteilen, nicht lustig zu finden. Er würde ihr den Witz bestimmt nicht erklären. „Ihr Zwei da! Mitkommen! Der Haftrichter will euch sehn." In ihrem Bemühen, die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, sprangen sie gleichzeitig auf und kamen sich natürlich prompt in die Quere. „Was soll das? Schmusen könnt ihr später!" Jin wurde puterrot. Schmusen! Lee sah nicht so aus, als würde er jemals wieder schmusen wollen. Höchstens mit ihrer Leiche. Der Haftrichter war eine hübsche Frau, in der Blüte ihres Lebens. Die ehrenwerte Richterin Sazu. Sofort stellten sich Zukos Nackenhaare auf.  „So. Sie haben also Bändigerkräfte eingesetzt. Mitten in Ba Sing Se. Feuer ... Ahaaaa." Die Richterin sah auf. „Waren das ...“ Sie fixierte Zuko. „Sie?“ Er nickte knapp. „Antworten sie bitte laut und deutlich!" „Ja!", knirschte er. „Hm! Wo sind die Personalien dieses Mannes?" Die leicht ungehaltene Frage wurde an den Polizisten gerichtet. „Hab ihn schon gefragt. Er hat keine Papiere bei sich. Er behauptet, er heiße Lee. Wer´s glaubt! Kann er sich ja gleich Chang nennen." „Danke für diesen überaus unprofessionellen Kommentar, Wachmeister. Sie heissen also Lee?" „Ja." „Und weiter?" „Song." Über eine randlose Brille hinweg wurde Seine Lordschaft misstrauisch gemustert. „Wohnhaft?" „Gasthaus." „Darf ich annehmen, das ... Etablissement hat keinen sonstigen Namen?" Süffisant, dieser Tonfall. „Goldener Drache", knirschte Zuko. Den gab´s schließlich in jeder Stadt. „Aha! ... Papiere haben Sie keine?" „Nicht bei mir." „Wie schade. Sie müssen sie innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden hier vorlegen, ansonsten..." Madame Justizia legte eine Kunstpause ein. „Werden wir diese junge Dame hier nach ihrem Verbleib befragen. Streng befragen. Ist das klar?" Glasklar! Wenn er nicht wiederkam, würde seine `Komplizin´ es ausbaden müssen. Die Richterin griff nach einem Bündel Papiere vor sich und wandte sich nun an Jin. „Sie sind Jin We?" „Ja." „Wohnhaft in der Färbergasse 33, Ba Sing Se? „Ja." „Geboren in Gaoling?" „Ja." Akkurat wurde alles in die Akte übernommen. „Gut. Ihre Papiere bekommen Sie nachher wieder ausgehändigt." Richterin Sazu faltete die Hände. Jetzt kam der spassige Teil. „Haben Sie gewusst, dass es gegen das Gesetz verstösst in Ba Sing Se zu bändigen?" „Ja", murmelte Zuko. „Kennen Sie die Strafe dafür?" „Fünftausend Yu oder fünf Tage Haft." Jin blinzelte. Woher wusste er denn so was? „Korrekt! Und welche Strafe schwebt Ihnen denn nun vor, um ..." „Er konnte doch aber nichts dafür!", platzte Jin heraus. "Diese Diebe haben uns bedroht! Er hat ..." „JUNGE DAME!" Die Richterin hatte sich erhoben. Jin machte einen kleinen Schritt rückwärts. „Was FÄLLT ihnen ein, in meinem Gericht so herumzuschreien?" „Es tut mir leid", flüsterte Jin. „Aber er hat uns nur verteidigt!" „Ist dem so?" Jetzt richtete sich die Dame wieder an Zuko. „Ja." „In diesem Fall könnte sich das Strafmaß mindern. Erzählen Sie!" Ihr Blick fiel auf Jin. „Getrennt voneinander! Wachmeister? Die junge Dame hat die Güte, draußen zu warten." Eine endlos lange Stunde später kam Jin mit gesenktem Kopf aus der Polizeiwache geschlurft. Inzwischen war es natürlich stockdunkel und kalt. Sie hätte beinahe aufgeschrieen, als eine harte, raue Hand sich ihre Linke schnappte und sie mitzog. Lee! Er sah sie nicht an, sprach nicht mit ihr ... er zerrte sie einfach hinter sich her. „Was tust Du denn?" „Ich bring Dich auf dem schnellsten Weg nach Hause!" Seine Stimme klang mehr wie das Knurren eines wütenden Wolfs. „Ich kann nicht so schnell!" Er stürmte weiter. Jin versuchte ein Zeit lang verzweifelt, sein Tempo zu halten und stolperte prompt. Bevor sie jedoch hinfiel, wurde sie gepackt und wieder hingestellt. „Da vorn ist Deine Strasse!" Er zog sie weiter, ein wenig langsamer als zuvor. Vor ihrer Haustür ließ er ihre Hand los, presste ein "Gute Nacht!" durch die Zähne und ging.  „Lee!" Wenigstens blieb er stehen, auch wenn er sich nicht umdrehte. „Ich ... Seh ich ... seh ich Dich morgen?" Verdammt! Verdammtes Ba Sing Se! Verdammter Minister `Wichtig´! Verdammtes, teuflisches Temperament, das ihn heute tatsächlich dazu gebracht hatte, ihre Sicherheit auf´s Spiel zu setzten, nur weil er sich hatte prügeln wollen! Vor Wut auf sich selbst sprengte es Zuko fast den Kiefer weg. „Morgen kann ich nicht!", stieß er aus. Lange sagte sie nichts, dann, ganz leise: „Ich verstehe."  Zuko wirbelte herum. „Gar nichts verstehst Du!" Vier lange Schritte, und er hatte sie! „Gar nichts!" Der dritte Kuss, den Jin in ihrem Leben bekam, war eine explosive Mixtur aus Leidenschaft, Sehnsucht, Vergebung und einer ziemlichen Ladung Zorn. Jin war das egal! Solange sein Zorn nach Ingwer und Zimt schmeckte, konnte er für den Rest seines Lebens wütend auf sie sein. Sie wurde geküsst, dass ihr Hören und Sehen verging. Eigentlich verkrümelten sich so ziemlich alle Sinne, bis auf Schmecken und Fühlen. Es war ihr auch egal, als er sie mit seinem gesamten Körper beinahe grob gegen die Hauswand presste und sie so hart und heftig küsste, dass ihre Lippen wieder anschwellen würden. Nein. Egal war das falsche Wort dafür. Jin war verzückt. Überwältigt. Hingerissen. Mit beiden Händen umklammerte sie seinen Kopf. Wenn es nach ihr ging, würde er diesmal nicht so bald wieder aufhören! Ihr heissen Münder schienen verschmelzen zu wollen und ihre rauen Zungen umwarben einander kriegerisch. Seine Hände fuhren an ihren Seiten hinab, umklammerten ihre Hüften und zogen sie dichter an die seinen. Heiliger Himmel! Blitze wüteten in Jins Körper. Heiliger Himmel! Sie warf den Kopf zurück, um nach Luft zu japsen. Ihr wurde nur ein winziger Atemzug gegönnt, bevor sein Mund zurückforderte, was sein war. Langsam, ganz langsam wurde er sanfter. Was er sich zuvor genommen hatte, wurde nun nach und nach durch Betörung erschmeichelt. Als er noch sanfter wurde, gab sie einen Laut zwischen Frustration und Hingabe von sich. Er konnte doch jetzt nicht aufhören wollen? Widerwillig löste Zuko seine Lippen von ihren. Noch immer hielt er Jin zwischen sich und der Hauswand eingekeilt. Heftig atmend legte er seine Stirn gegen ihre. Sein Daumen fuhr zärtlich über ihre Unterlippe, während seine gierigen Augen ihren Mund bereits wieder in Besitz nahmen. „Ich bin Feuerbändiger, Jin!" Das heisere Flüstern durchrieselte sie in kleinen, flirrenden Schauern. Oh, Gott! Jins Finger strichen zart über sein Gesicht. Wie sie es liebte! „Das wusste ich doch schon vor sechs Jahren, Du Trottel", wisperte sie atemlos. Ah, seine kluge Jin. „Fünfeinhalb!", raunte er und verschloss ihren vorlauten Mund auf sehr effektive Art. Sie gab sich geschlagen. Lee wusste es bestimmt besser. Jemand, der so küssen konnte, musste einfach Recht haben! Hunderte atemlose Laute später wandelte er die langen, schmelzenden Küsse in neckende Liebkosungen. Nahe ihrer Ohren und in ihres Nackens wurden winzige, knabbernde Zärtlichkeiten verteilt. Woher wusste der Mann nur, dass das ihren Willen komplett lahm legte? „Lee!" Sein geseufzter, falscher Name ließ Zuko in die Realität zurückfinden. So viele Geständnisse standen noch aus. Doch sie würden warten müssen. Seine verrückte Liebste fiel, sobald sie wieder klar denken konnte, vor Müdigkeit bestimmt um. „Ich denke wirklich..." Er drückte einen Kuss auf ihre Nasenspitze. „Du solltest jetzt..." Auf ihr rechtes Augenlid. „schlafen gehen." Dann das Linke. Jin nickte. Sie zog seinen Kopf herab, drehte sacht die Vernarbung zu sich und schmiegte Wangen und Lippen daran. So standen sie etliche Augenblicke, bis Zukos vorwitzige Lippen meinten, wieder auf Wanderschaft gehen zu müssen. „Ich werde morgen wahrscheinlich keine Zeit finden herzukommen." Das heisere Murmeln direkt an der empfindlichsten Stelle ihres Halses ließ die Nervenenden dort zucken. Das war eindeutig die falsche Taktik um sie loszuwerden.  Jin zog seinen Mund auf ihren und zögerte den Abschied auf diese Weise um zwei weitere Minuten hinaus. „Übermorgen?", wisperte sie atemlos. Wenn er nur nicht so wundervoll schmecken würde! „Bestimmt." „Gute Nacht, Drache!" „Gute Nacht, Kobold." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)