Blood Heritage von abgemeldet
(1st Arc - Nerima im Wandel)
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Prolog: Prolog
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WARNUNG:
Diese Story enthält Situationen mit sexuellen Anspielungen, denn eine Story, in
der Succubi vorkommen, kommt schwerlich ohne solche Anspielungen aus. An einigen
Stellen wird der Text über diesen Punkt hinausgehen, aber ich werde diese
Stellen so gestalten, daß die entsprechenden Kapitel ohne Adult-Einstufung
auskommen werden.
"..." = jemand sagt
°...° = jemand denkt
/.../ = Telepathie
[...] = Panda-Schild
Prolog
Es war alles in allem kein guter Tag für die führenden Dämonen von Nifelheim.
Hild, die Magna-Regentin der Hölle, war mit einem unguten Gefühl in der
Magengegend aufgewacht, wissend, daß dies ein schlechtes Omen war. Ein Anruf
von ihrem ewigen aber respektierten Widersacher, Kami-sama, hatte ihr Gefühl
bestätigt. Ein großes Übel war im Begriff, seine Hand nach der Welt der
Sterblichen auszustrecken und wenn dieses Übel Erfolg hatte, würde es in
weniger als zwei Jahren keine Welt der Sterblichen mehr geben.
Wahrlich kein guter Tag.
Auch ohne die Details, die der Herr von Asgard ihr gegeben hatte, hätte diese
Meldung ausgereicht, Hild zu sofortigem Handeln zu veranlassen.
Sie rief augenblicklich alle führenden Dämonen der Hölle zu einer
Krisensitzung in ihr Domizil, das gewaltige mittelalterlich wirkende Schloß im
Zentrum Nifelheims.
Nachdem sie die Fakten präsentiert hatte, so wie sie sie erfahren hatte,
herrschte für einige Minuten schockierte Stille im Konferenzsaal. Dann redeten
alle Anwesenden fast schon panikartig durcheinander, bevor es Hild gelang,
wieder etwas Ruhe in die Versammlung zu bringen. Die einzige Person im Raum, die
ebenfalls Ruhe bewahrt hatte, bemerkte Hild erstaunt, war die Schwächste der
Anwesenden. Ein blauhaariger Succubus namens Yui. Eine einfache Dämonin der
ersten Klasse, in punkto reiner Stärke den anderen Anwesenden weit unterlegen.
Der Grund für ihre Anwesenheit fiel Hild nun ebenfalls wieder ein. Yui saß im
Rat als Vertretung für ihre bedeutend mächtigere ältere Schwester, die sich
momentan im Urlaub befand.
"In diesem Raum sind die mächtigsten Persönlichkeiten Nifelheims versammelt.",
rief Hild, nachdem die anderen Dämonen sich halbwegs beruhigt hatten.
"Vielleicht wäre es angebracht, wenn ihr euch eurem Stand entsprechend
verhaltet, also nicht wie ein kopfloser Hühnerhaufen."
"Aber Hild-sama,", erwiderte Baal, der Herr der Lügen, darauf geschmeidig,
"sicherlich könnt ihr unsere Besorgnis darüber nachvollziehen, was geschehen
würde, wenn wir die Welt der Sterblichen nicht mehr hätten."
"Ja.", grollte sein Bruder Mephisto, der Herr der Schrecken, mißmutig. "Wir
wären gezwungen uns in dieses widerliche Asgard zu begeben oder den
Götterabschaum hierher nach Nifelheim zu lassen, um uns mit ihnen befassen zu
können."
"Wohl wahr.", stimmte Hild zu. "Aber Zweck dieser Versammlung ist es, einen Weg
zu finden, die Welt der Sterblichen vor diesem Schicksal zu bewahren."
"Wenn Kamis Informationen überhaupt stimmen.", kommentierte Baal vorsichtig,
wobei er sich wie eine Reihe andere Dämonen auch weigerte, den Zusatz 'sama' zu
verwenden. "Wäre doch denkbar, daß er uns absichtlich in Panik versetzt, damit
wir den Schrecken aufhalten." Er schielte kurz zu seinem Bruder Mephisto, bevor
er hinzufügte: "Nichts gegen dich, Bruder."
"Momentan gibt es schlimmeres als deine Wortspiele.", gab der Herr der Schrecken
grummelnd zurück. "Aber ich stimme dir in einem Punkt zu, Baal: Die Vernichtung
Midgards ist für Kami-sama ein mindestens genauso großes Problem wie für uns.
Da frage ich mich, wieso ER nicht jemanden schickt, der sich um das Problem
kümmert."
"Wegen der Regularien, Lord Mephisto.", antwortete Yui, die bis dahin nur
schweigend zugehört hatte, bevor Hild dem Erzdämon dieselbe Antwort geben
konnte.
"Exakt.", beschränkte Hild sich denn auch auf schlichte Zustimmung, während
sie sich fragte, was Yui in den letzten dreißig Minuten der Versammlung,
während die anderen Dämonen wild durcheinander diskutiert hatten, an ihrem
Nidheg-Terminal getan hatte. Konnte es sein, daß die Unbedeutendste der Gruppe
einen Lösungsweg gefunden hatte?
"Kann nicht sein.", widersprach Mephisto kopfschüttelnd. "Der Schrecken ist
zwar ein Dämon, zugegeben, aber er kommt aus einer völlig anderen Region als
wir. Daher kann er unmöglich in das hiesige Segment des Doubletsystems
eingebunden sein und könnte somit gefahrlos von einem Gott vernichtet werden."
Yui schaute fragend zu Hild, die ihr mit einem knappen Nicken das Wort
erteilte.
"Ihr habt zweifellos Recht, wenn ihr davon ausgeht, daß die Götter Asgards
keine Konsequenzen durch die Vernichtung dieses Dämons zu befürchten hätten,
Lord Mephisto." Yui bediente sich absichtlich größtmöglicher Höflichkeit, um
zu vermeiden, den Erzdämon durch ihren Widerspruch allzu sehr zu verärgern.
"Ich habe mir gerade die Zeit genommen, zu versuchen, einen Lagebericht aus dem
Tau Ceti-System anzufordern, erhalte aber keine Antwort. Das bedeutet, daß der
Dämon dort entweder nicht nur Tau Ceti, sondern auch noch die höheren Ebenen
dieser Region ausgelöscht hat, oder daß die Vernichtung von Tau Ceti eine so
starke extradimensionale Schockwelle ausgelöst hat, daß die Verbindung
gestört ist."
"Ich habe keine Erkenntnisse über das Tau Ceti-Äquivalent von Nifelheim.", gab
Hild eine neue Information preis. "Aber Asgard hat in den letzten Stunden einige
neue Bewohner erhalten, die zuvor lokale Kami des Tau Ceti-Systems gewesen
sind."
"Das sollte doch wohl deutlich machen, daß dieser spezielle Dämon zerstört
werden muß, ganz gleich was es kostet.", grollte Luzifer, während seine beiden
jüngeren Brüder noch mit ihrem Entsetzen rangen. "Andernfalls sehen sowohl wir
als auch die Kami der Gefahr unserer Auslöschung entgegen. Das muß doch auch
Kami-sama bewußt sein. Seine Untergebenen sind naturgemäß besser für den
Kampf gegen Dämonen gerüstet als wir. Warum also unternimmt er nichts?"
"Die Antwort gab ich bereits Lord Mephisto, Luzifer-sama.", erwiderte Yui, nun
ein wenig selbstbewußter als noch zu Beginn der Sitzung.
"Ja, Succubus. Wegen der Regularien.", schnaubte Luzifer. "Aber welche
Regularien meinst du speziell?"
"Nun, Luzifer-sama, besagter Dämon ist nicht einfach ein simpler Avatar der
Zerstörung, wie man vielleicht von seinem Verhalten her annehmen könnte. Er
ist, und diesen Fakt habe ich durch mehrere Quellen verifiziert, ein Champion
der Ordnung."
"WAS?!", riefen die drei Brüder gleichzeitig und im Chor mit den bisher recht
schweigsamen Vertretern des viergeteilten Chaos, Khorne, Slaanesh, Tzeentch und
Nurgle.
"Wenn Kami-sama einen Gott oder eine Gruppe von Göttern damit beauftragt, sich
diesem Dämon entgegenzustellen, dann müssen diese Kami den Regularien
entsprechend als Champions des Chaos kämpfen. Und was DAS bedeutet, brauche ich
wohl niemandem hier zu sagen, nehme ich an."
"Vor allem da es bereits ein recht tragisches Beispiel für genau diesen Fall
gibt.", setzte Hild hinzu.
Alle Anwesenden wußten, worauf die Magna-Regentin anspielte. Eine fast ein
Millenium währende Fallstudie darüber was geschah, wenn sich ein Wesen einer
Philosophie verschrieb, die im absoluten Widerspruch zu seiner eigentlichen
Natur lag. Eine Studie, über deren Details weder in Asgard noch in Nifelheim
gerne gesprochen wurde. Über einen Punkt waren sich jedoch Kami und Dämonen
einig: Das Ergebnis derartigen Verhaltens war nie im Detail vorhersehbar, aber
in seinen Auswirkungen immer katastrophal und sollte daher wo immer möglich
vermieden werden.
"Nun gut. Also muß der Dämon von einem von uns vernichtet werden.", lenkte
Luzifer schließlich ein. "Aber wer wäre dazu in der Lage, wenn dieser Dämon
es fertiggebracht hat, die extraplanaren Regionen eines ganzen Sektors in der
Raumzeit auszulöschen?"
"Es muß nicht zwangsläufig einer von uns tun.", warf Yui ein und hatte damit
die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden.
"Was meinst du damit, Yui?", wollte Hild wissen.
"Ich habe gerade auch einen Blick auf die temporalen Prognosen für die Ankunft
des Schreckens geworfen, Hild-sama, und so wie es aussieht, wird es eine Gruppe
von Helden in Midgard geben, die sich dem Dämon und seinen Handlangern
entgegenstellen werden. Allerdings liegt die Erfolgswahrscheinlichkeit dieses
Widerstandes bei bestenfalls fünfzig Prozent."
"Ah, du meinst, einer von uns sollte einfach diesen Helden unter die Arme
greifen, damit ihre Chancen erhöht werden."
"So leicht wird es nicht werden, Hild-sama.", erwiderte Yui darauf bedauernd.
"Sie werden einem Erzdämon nicht weit genug über den Weg trauen, als daß er
einen Unterschied bewirken könnte. Eher noch könnte es deren Chancen
verschlechtern, wenn sie die Situation falsch interpretieren und ihre Kräfte
aufteilen, um den eigentlich helfen wollenden Erzdämon ebenfalls zu
bekämpfen."
"Hmm. Gutes Argument. Was schlägst du also vor?"
"Wir suchen uns unseren eigenen Champion, bilden ihn aus und lassen ihn dann an
der Seite dieser Helden kämpfen."
"Absurd.", dröhnte Khorne, Herr des Blutes und der Schädel, blutrünstigster
Dämon von allen. "Um einen Champion zu finden, geschweige denn auszubilden,
bräuchten wir viel mehr Zeit als uns bleibt."
"Ich vermute, Yui hat bereits jemanden gefunden, der geeignet wäre, oder sie
wäre nicht so impertinent gewesen, einen solchen Vorschlag zu machen.", warf
Tzeentch, der Wandler der Wege und Erzmanipulator, lächelnd ein – auch wenn
es einem Dämon mit Vogelkopf eigentlich unmöglich sein sollte, mit seinem
Schnabel ein Lächeln zu formen, aber das waren Nebensächlichkeiten, durch die
sich Tzeentch noch nie hatte aufhalten lassen.
"Mein Neffe.", antwortete Yui schlicht.
"Aber der ist doch nur ein Halbdämon.", kritisierte Mephisto, der damit bewies,
daß er über Yuis Familie besser informiert war, als man bei Yuis
vergleichsweise niedrigem Status hätte annehmen sollen. "Was soll der schon
bewirken können?"
"Er ist mehr als nur ein HALB-Dämon.", widersprach Yui. "Er besitzt auch von
väterlicher Seite aus ein dämonisches Erbe. Und gerade der menschliche Rest
ist ein Vorteil, ebenso wie die Tatsache, daß er aufgrund des Bannsiegels als
Mensch lebt und wie ein Mensch denkt. Er sollte daher, wenn es soweit ist, von
jenen Helden eher akzeptiert werden als ein reinblütiger Dämon hier aus
Nifelheim. Außerdem, Lord Khorne, hat er bereits ein mehr als zehnjähriges
Kampftraining erhalten."
"Aber ist die Entfernung eines Bannsiegels nicht auch ein Bruch der
Regularien?", warf Baal skeptisch ein.
"Kami-sama wird in diesem Fall sicher bereit sein, eine Ausnahme zu machen.",
antwortete Hild. "Verglichen mit dem zu lösenden Problem ist die Aufhebung
eines einzigen Bannsiegels eine Lappalie. Die Frage ist nur: Ist er wirklich so
stark, daß wir es riskieren können, unsere Hoffnungen auf deinen Neffen zu
setzen?"
"Die temporalen Prognosen für ihn sagen einen stetigen Anstieg seiner
Fähigkeiten über die nächsten zwei Jahre voraus. Am Ende wird er in der Lage
sein, einen Kriegs-Halbgott zu vernichten, und das ohne Aufhebung des
Bannsiegels."
Diese Aussage reichte den Anwesenden und Yui erhielt die Erlaubnis, ihren Plan
in die Tat umzusetzen, auch wenn Hild sich vorbehielt, über die Details und
Fortschritte genauestens informiert zu werden.
Kapitel 1: Zur Hölle mit Ranma
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Teil 1 – Zur Hölle mit Ranma
Es war ein milder Spätsommerabend, und Ranma Saotome, Kampfsportler und
zugleich Sündenbock und Objekt der Begierde für viele Menschen in Nerima, saß
an einem seiner Lieblingsplätze, unter einer der Kanalbrücken, ganz in der
Nähe der Praxis von Doktor Tofu, und brütete finster vor sich hin.
Sicher, der Weg eines wahren Kampfsportlers war hart und steinig. Meistens
schmerzhaft. Und oft verdammt einsam.
Während der zehnjährigen Trainingsreise mit seinem Vater hatte er seine
Erwartungen an sein gegenwärtiges Leben auf ein Minimum beschränkt. Da er
ohnehin keine andere Wahl gehabt hatte, war diese Entscheidung relativ leicht
gewesen, zumal Ranma ohnehin nicht besonders materialistisch orientiert war.
Und Genma hatte im Lauf der Trainingsreise gelegentliche Andeutungen fallen
lassen, wonach Ranma in nicht allzu ferner Zukunft eine gerechte Kompensation
für die ertragenen Härten erhalten sollte.
Der schwarzhaarige Junge stieß ein Schnauben aus, als er daran dachte, wie er
sich ausgemalt hatte, endlich ein wenig Ruhe und Frieden zu finden. Trainieren
zu können, ohne alle paar Tage vor wütenden Menschen fliehen zu müssen, die
sein dämlicher Vater irgendwie gegen sich aufgebracht hatte.
Wie hatte er nur so naiv sein können?
"Blödes Machoweib. Verdammter Bastard Ryoga.", murmelte er frustriert. "Womit
habe ich diesen ganzen Mist bloß verdient?"
"Bist du sicher, daß du das wissen willst?", erklang plötzlich eine melodische
Frauenstimme fast unmittelbar neben ihm.
"GAAAAH!", rief Ranma, während er vor Schreck in die Höhe sprang und sich
dabei den Kopf an der Brücke über ihm stieß. "Autsch! Verdammt! Blöde
Brücke!"
Während er sich die Beule an seinem Kopf rieb, warf er der Frau, die belustigt
hinter vorgehaltener Hand kicherte, einen bösen Blick zu.
Wie zum Teufel hatte sie sich ihm unbemerkt nähern können? Das war bisher
ausschließlich Colognes und Tofus Privileg gewesen.
"Tut mir leid, Ranma-kun. Ich sollte nicht über dein kleines Mißgeschick
lachen – auch wenn es sehr komisch anzusehen war."
Jetzt klingelten bei Ranma alle Alarmglocken.
Woher kannte diese fremde Frau seinen Namen?
Er musterte sie mit mißtrauisch zusammengekniffenen Augen.
Die Frau war etwa so groß wie er selbst, trug Halbstiefel aus schwarzem Leder,
Jeanshose und Jeansjacke ebenfalls in Schwarz, und ein dunkelrotes, bauchfreies
Top. Sie war schlank und strahlte trotz des eher lässigen Outfits einen Hauch
von vornehmer Eleganz aus. Ihre auffälligsten Merkmale waren ihr hellblaues,
bis zur Rückenmitte reichendes Haar, ihre roten Augen, und die seltsamen
Gesichtstätowierungen in Form je eines roten Dreiecks unterhalb ihrer Schläfen
und eines schmalen Karos auf der Stirn, die die exotische Schönheit ihres
elfenartigen Gesichts hervorhoben.
Ranma schätzte das Alter der Frau auf irgendwo zwischen zwanzig und dreißig.
"Woher kennen sie meinen Namen, Lady? Und wie konnten sie sich mir so leicht
unbemerkt nähern?", wollte er wissen. "Und wenn wir schon mal dabei sind: Wer
sind sie?" Und sein Tonfall machte klar, daß er sich mit nichts anderem als
einer klaren Antwort auf beide Fragen zufriedengeben würde.
Die Frau lächelte in einem Versuch, ihr Gegenüber ein wenig zu beschwichtigen
und spielte dabei nervös mit dem silbernen Pentagrammanhänger, der an einem
schwarzen Lederhalsband, das ein wenig an ein Hundehalsband erinnerte, befestigt
war, als sie merkte, daß ihr Lächeln Ranma nicht im geringsten beeindruckte.
"Entschuldige, Ranma-kun. Ich hätte wirklich etwas höflicher sein sollen.",
gab sie schließlich klein bei. "Mein Name ist Yui. Und was meinst du mit
unbemerkt nähern? Du warst ziemlich in Gedanken versunken. Da ist es doch kein
Wunder..."
"Nein, Lady.", unterbrach Ranma sie kopfschüttelnd. "Ich bin darauf trainiert
worden, unter allen Umständen zu erspüren, wenn sich mir jemand nähert."
"Ah, aber es gibt doch sicher in deiner Umgebung Personen, die sich dir
ebenfalls unbemerkt nähern können, oder?"
"Zwei.", räumte Ranma ein. "Beide sind ausgebildete Kampfsportler, und diesen
Eindruck habe ich von ihnen nicht. Also...letzter Versuch: Wie haben sie das
gemacht?"
Yui schmunzelte leicht.
"Du bist wirklich so dickköpfig, wie man von dir sagt, Ranma-kun. Naja, kein
Wunder bei der Mutter."
"Mom? Was hat meine Mutter damit zu tun?!", fuhr er sie an.
"Nun, da sie es war, die dich geboren hat, einiges. Meinst du nicht?", fragte
Yui unschuldig lächelnd, aber mit einem leicht spöttischen Unterton zurück.
"Mir reichts.", schnaubte Ranma irritiert, drehte sich um und stapfte davon.
"Spielen sie ihre idiotischen Spielchen mit jemandem, der in Stimmung für
diesen Schwachsinn ist.", rief er dabei, ohne Yui noch eines Blickes zu
würdigen.
Er kam vielleicht zwanzig Meter weit, bevor sie wie aus dem Nichts direkt vor
ihm wieder auftauchte.
"Du willst wirklich nicht wissen, wieso dein Leben so ein Chaos ist?",
erkundigte sie sich mit gespielter Verwunderung.
"Das weiß ich schon.", grollte er, während er einfach an ihr vorbeiging. "Weil
ich einen Vater habe, der mit seinem Bauch denkt und nicht mit seinem Kopf."
"Das ist nur indirekt wahr, Ranma Saotome.", rief Yui ihm hinterher.
Ranma blieb stehen und drehte sich um.
"Was wissen sie schon über meinen Vater?"
"Bis jetzt nur was in der Zusammenfassung seiner Akte steht.", antwortete Yui
darauf. "Und die vollständige Fassung habe ich nur deshalb nicht gelesen, weil
ich weiß, wer wirklich hinter deinen Problemen steckt. Zumindest hinter den
einundzwanzig Mädchen, die hinter dir her sind."
Binnen eines Blinzelns stand Ranma direkt vor der blauhaarigen Frau.
"Ein...undzwanzig?!", stammelte er fassungslos.
"Das Kuno-Mädchen und den bereits abgehandelten Verlobungsanspruch von diesem
Nudelmädchen Kaori mit eingeschlossen.", bestätigte Yui und klopfte ihm
mitfühlend auf die Schulter. "Mit anderen Worten: Es warten noch sechzehn
weitere potentielle Verlobte darauf, im Tendodojo vorbeizustolpern und dir das
Leben schwer zu machen." Sie bedachte ihn mit einem spekulativen Blick. "Und du
bist absolut sicher, daß du nichts über die Hintergründe wissen willst?"
"Im Augenblick denke ich gerade darüber nach, welche Knochen ich meinem
Baka-Oyaji zuerst brechen soll.", knurrte Ranma eine Antwort.
"Aber, aber.", tadelte Yui ihn kopfschüttelnd. "Du gehst das völlig falsch an,
Ranma-kun."
"Ach ja?"
"Hmm-hmm. Du hast doch häufiger Zusammenstöße mit einem gewissen Tatewaki
Kuno, nicht wahr?"
"Was hat Kuno damit zu tun?", fragte Ranma verwirrt zurück. "Und wieso zum
Teufel wissen sie soviel über mich?"
"Wenn Kuno dich angreift, Ranma-kun, bist du dann wütend auf ihn oder auf sein
Bokken?"
"Häh? Auf ihn natürlich. Was sollte es mir bringen, mich über seinen
dämlichen Stock aufzuregen? Das ist doch nur ein Ding ohne Verstand. Naja, auf
Kuno trifft diese Beschreibung ja auch irgendwie zu."
"Genau.", bestätigte Yui. "Und wieso willst du dann bei deinen
Mädchenproblemen gegen das Werkzeug vorgehen und nicht gegen den, der es
benutzt?"
"Ich verstehe nicht, was sie meinen, Lady."
Yui seufzte.
"An deiner Auffassungsgabe müssen wir wirklich arbeiten, mein Junge. Genma,
dein idiotischer Vater, ist nur das Werkzeug. Jemand benutzt ihn, um dir all
diese Mädchen aufzuhalsen, die du gar nicht haben willst."
"Was? Wer sollte sowas tun?"
"Komm mit mir und ich werde es dir zeigen." Yui streckte eine Hand aus. "Oh, und
auch die Frage, woher ich soviel über dich weiß, werde ich dir dann
beantworten können."
Ranma zögerte.
"Warum nicht hier und jetzt?"
"Weil du mir die Antwort nicht glauben würdest, wenn ich keine Beweise liefern
kann. Und DAS geht leider nur, wenn du mich begleitest."
"Und wohin?"
"Zu mir nach Hause."
"Ja sicher.", schnaufte Ranma. "Für wie blöd halten sie mich eigentlich?"
"Ranma-kun. Ich verspreche dir, daß dir nichts geschehen wird."
"Das sagen sie jetzt. Aber was ist später?", gab Ranma zurück.
"Ich habe dir gerade ein Versprechen gegeben.", erklärte Yui daraufhin ernst.
"Hör in dich hinein, was dein Herz und deine Instinkte dir sagen. Dann weißt
du, daß ich dieses Versprechen halten werde, genauso wie ich weiß, daß DU ein
einmal gegebenes Versprechen nicht brechen würdest."
Ranma schaute ihr in die Augen und fand in ihrem Blick kein Zeichen für eine
Täuschung. Und erstaunlicherweise hatte sie Recht. Sein Instinkt sagte ihm
tatsächlich, daß er einem Versprechen dieser Frau trauen konnte.
Dennoch blieb eine gewisse Restunsicherheit, aber dem Gegenüber stand die
Chance, Dinge in Erfahrung zu bringen, die ihm dabei helfen konnten, das Chaos
in seinem Leben etwas zu entwirren.
Er legte seine Hand in ihre.
Yui lächelte zufrieden.
"Du hast die richtige Entscheidung getroffen, Ranma-kun.", meinte sie zu ihm,
während sie die andere Hand hob und einmal mit dem Finger schnippte.
Es gab einen leisen Knall...und beide verschwanden in einer stinkenden,
gelblichen Schwefelwolke.
"Woah! Was war das denn?", stieß Ranma überrascht hervor. Für einen Moment
hatte er das Gefühl gehabt, der Boden unter seinen Füßen würde ihm
weggezogen werden. Was folgte, war eine kurze Phase der Desorientierung.
Es vergingen noch einige weitere Sekunden, bis Ranma plötzlich klar wurde, daß
mit seiner Umgebung etwas nicht stimmte.
Der Boden, auf den er gerade noch gestarrt hatte, war nicht der Asphaltboden,
auf dem er vor einigen Augenblicken noch gestanden hatte. Der Asphalt war
vielmehr einem polierten, obsidianartigen Material gewichen.
Ranma schaute nach oben und blickte auf einen wolkenlosen Himmel aus Rottönen.
Und waren das Menschen mit Fledermausflügeln, die hier und da durch die Luft
glitten?
Der nächste Schock waren die Gebäude.
Die meisten Häuser in der unmittelbaren Umgebung waren zwischen ein und drei
Stockwerke hoch, bestanden komplett aus demselben Material wie die Straße, und
schienen direkt einem Geschichtsbuch über das europäische Mittelalter
entsprungen zu sein.
Die Luft roch leicht nach verbranntem Schwefel, war aber dennoch so klar, daß
Ranma mehrere gewaltige schwarze Trutzburgen in den die Stadt umgebenden Hügeln
entdecken konnte. Ein weiterer Hügel im Zentrum der Stadt wurde ebenfalls von
einer solchen Festungsmonstrosität dominiert.
Yui stand neben ihm und wartete schweigend, gab ihm Zeit, die neuen Eindrücke
zu verarbeiten, die ihr Begleiter mit fassungslos aufgerissenen Augen in sich
aufnahm.
Sie war gespannt, wann er den ersten Kommentar zu den Bewohnern der Stadt
abgeben würde. Oder wann er seinen spontanen, wasserunabhängigen
Geschlechtswechsel bemerken würde.
Oder die...ähm...Modifikationen denen seine weibliche Form unterworfen worden
war.
"W-Wo sind wir hier?"
"In meiner Heimatstadt."
Ranma schaute sie stirnrunzelnd an.
"Und wie kommen wir hierher?"
"Teleportation, mein Junge.", antwortete sie mit einem fröhlichen Grinsen. "Und
nun komm mit. Hast du Hunger?"
Was für eine Frage. Die Erwähnung von Essen weckte sofort Ranmas
Aufmerksamkeit.
"Japanisch?", fragte sie nach. "Ich kenne ein gutes Restaurant, keine zehn
Minuten von hier."
Ranma zuckte mit den Schultern und nickte dann.
Yui nickte zurück und ging los.
Ranma folgte ihr, blieb jedoch nach wenigen Metern erneut stehen und schaute
sich überrascht um. Als seine Begleiterin dies bemerkte, kehrte sie zu ihm
zurück und erkundigte sich, was los sei.
"Die Leute hier.", bekam sie leise zu hören.
Yui schaute sich demonstrativ um und blickte ihn dann mit gespielter
Verständnislosigkeit an.
"Was ist mit den Leuten hier?"
"Sie sind...nun ja...anders."
Yui hob fragend eine Augenbraue.
"Der Mann da vorn zum Beispiel sieht aus wie eine Mischung aus Mensch und
Ziegenbock."
"Ein Sartyr. Und?"
"Und die Mädchen dort vorn, die aussehen als kämen sie gerade von der Junior
Highschool..." Er deutete auf eine Gruppe kichernder junger Mädchen, die in
einer schwarz-roten Version der in Japan üblichen Schuluniform gekleidet waren.
"Die haben kleine Fledermausflügel auf dem Rücken."
Seine Begleiterin schmunzelte amüsiert.
"Gerade DU hast wohl keinen Grund, sie deshalb ungewöhnlich zu finden.",
stellte sie fest und zog ihn vor das Schaufenster eines Geschäfts, so daß er
sein Spiegelbild betrachten konnte.
"Was? Wieso bin ich ein Mädchen?", rief er überrascht.
"Wenn du diesen Ort hier betrittst, bringt er verborgene Elemente deines Selbst
zum Vorschein.", erklärte Yui ihm daraufhin. "Wie zum Beispiel deine Fähigkeit
zum Gestaltwechsel...oder das hier.", fügte sie hinzu und zupfte an etwas auf
seinem Rücken.
Ranma-chan drehte sich verwundert zur Seite und starrte fassungslos auf ein paar
kleiner Fledermausschwingen, die zwischen ihren Schulterblättern aus ihrem
Rücken ragten.
Ihr Blick wanderte zu Yui und wechselte von Fassungslosigkeit zu Wut.
"Was hast du mit mir gemacht?"
"Ich? Gar nichts."
"LÜGNERIN!", fauchte Ranma-chan zurück. "Mach das sofort wieder weg!"
"Wie kommst du darauf, daß ich das könnte?"
Ranma-chans Blick zeugte von unbändiger Wut – nicht daß es angesichts einer
grell leuchtenden Kampfaura, die sie umgab noch dieses zusätzlichen Beweises
bedurft hätte – doch das frustrierte Öffnen und Schließen ihrer Hände
zeigte Yui, daß sie vorerst vor einem Angriff sicher war. Sie war eine Frau,
und egal was Ranma ihr vorwarf, er würde sie nicht angreifen, solange er noch
einen Hauch von Kontrolle über sich hatte.
"Ähm...entschuldigung..."
Ranma-chans Blick wanderte von Yui zu der Person, die sie angesprochen hatte. Es
war eines der Schulmädchen mit den Fledermausflügeln.
"Was willst du?", schnappte der Rotschopf irritiert.
"Ah...tut mir leid. Ich wollte sie nicht belästigen.", rief das Mädchen sofort
entschuldigend. "Aber...sind sie es wirklich?"
Ranma runzelte verwirrt die Stirn.
"Bin ich WAS wirklich?"
"Also...meine Freundinnen...", sie deutete auf die anderen Schulmädchen, die
sich mit gespannten Mienen im Hintergrund hielten und den Wortwechsel
erwartungsvoll verfolgten, "...sie haben gesagt, sie würden genauso aussehen
wie sie...und deshalb..." Das Mädchen atmete noch einmal tief durch, um seine
Aufregung unter Kontrolle zu bekommen. "Sind sie wirklich Nodoka-sama?"
Ranmas Kampfaura verschwand von einem Augenblick zum nächsten und er fühlte,
wie seine Knie weich wurden und alle Farbe aus seinem Gesicht wich.
Woher kannte dieses Mädchen seine Mutter?
Wo war er hier bloß gelandet?
"W-Was?"
Das Mädchen wiederholte die Frage und setzte nervös weitere Entschuldigungen
hinzu.
Yui schaute sich das Ganze für einen Moment amüsiert an. Dann entschied sie,
daß es besser war, einzugreifen, bevor Ranma durch die auf ihn einstürzenden
Neuigkeiten einen bleibenden psychischen Schaden erlitt.
"Hey, Mädchen. Wie ist dein Name?"
Das Mädchen schaute in Yuis Richtung, erkannte die Markierungen einer deutlich
ranghöheren Person an der Blauhaarigen und nahm sofort eine respektvolle
Haltung ein.
"Mein Name ist Miki.", erklärte sie mit einer tiefen Verneigung.
"Gut, Miki. Ich bin Yui. Und das hier", sie deutete auf die Rothaarige, "ist
Ranma."
"Oh. Sie ist also doch nicht Nodoka-sama?"
"Nein.", antwortete Yui lächelnd. "Aber ich kann verstehen, wieso du und deine
Freunde die Zwei verwechselt haben. Immerhin ist No-chan Ranmas Mutter und Ranma
sieht wirklich aus, wie No-chan im entsprechenden Alter."
Miki blinzelte verblüfft.
"Das...wow!" Sie tippte Ranma-chan, die erneut vor Überraschung sprachlos war,
auf die Schulter, um die Aufmerksamkeit der Rothaarigen wieder auf sich zu
lenken. "Hi, Ranma. Ich bin Miki." Sie drehte ihren Körper zur Seite und
positionierte sich so, daß ihre Figur möglichst vorteilhaft zur Geltung kam,
bevor sie Ranma einen koketten Augenaufschlag zuwarf. "Hast du heute abend schon
was vor?"
"Hah?", rief Ranma-chan verständnislos.
Yui, einem Lachanfall nahe, rettete sie aus ihrer Lage.
"Sorry, Miki-chan, aber Ranma-kun hat noch eine Menge zu lernen, bevor er mit
dir oder deinen Kameradinnen spielen darf."
Miki blinzelte verblüfft. "Ranma...KUN?!" Ein Strahlen trat in ihre Augen und
sie musterte Ranma-chan nun auf eine eindeutige Weise, die der momentan
weibliche Junge nur allzu gut von Shampoo kannte. Sie nestelte an der
Brusttasche ihrer Schuluniform und reichte Yui dann eine Karte. "Es wäre mir
eine Ehre und Freude, Ranma-KUN beim 'Lernen' helfen zu dürfen, Yui-sama.",
erklärte sie fröhlich und verabschiedete sich dann mit einer Verbeugung von
Yui, bevor sie sich Ranma-chan zuwandte und leidenschaftlich auf den Mund
küsste. "Ich hoffe, wir sehen uns wieder, Ranma-kun.", hauchte sie Ranma-chan
ins Ohr, kicherte einmal vergnügt, drehte sich um und ging langsam und mit
einem deutlich sichtbaren Hüftschwung davon.
Yui wartete mit einem amüsierten Grinsen neben dem reglos rumstehenden
Rotschopf.
Und wartete.
Und wartete.
Sie bewegte eine Hand vor Ranma-chans Augen hin und her.
Keine Reaktion.
Kopfschüttelnd packte sie das kleinere Mädchen bei den Schultern. Ranma-chan
ließ sich widerstandslos herumdrehen, wirkte ansonsten jedoch wie der perfekte
Zombie.
"Hmm...das Restaurant können wir dann wohl erstmal vergessen.", murmelte Yui
vor sich hin, nahm Ranma-chan bei der Hand und zog das Mädchen hinter sich
her.
Ranma-chan folgte ihr brav, machte allerdings nicht den Eindruck, von ihrer
Umgebung noch irgendetwas mitzubekommen.
Kapitel 2: Enthüllungen
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Teil 2 - Enthüllungen
Als Ranma-chan wieder zu sich kam, fand sie sich allein in einem für ihre
Verhältnisse riesigen beheizten Wasserbett wieder. Die Bettwäsche schien aus
Seide oder einem ähnlichen Material zu bestehen und verursachte bei jeder
winzigen Bewegung ein interessantes Gefühl auf ihrer nackten Haut.
Es war das wundervollste Bett, in dem sie je gelegen hatte.
Plötzlich riß sie die Augen auf, die Stirn gerunzelt.
"Nackt?!", rief sie verblüfft. "Wieso bin ich nackt? Und wo bin ich hier
eigentlich?"
"Sie sind ein Gast in Mistress Yuis Haus, Ranma-sama."
°Oh, Gott! Kodachi!? Nein. Aber...°
Ranma hob verwirrt den Kopf und erblickte ein Mädchen etwa in Kasumis Alter mit
hüftlangen blonden Haaren, das in einer schwarz-weißen Dienstmädchenuniform
ein paar Meter von seinem Bett entfernt neben einem Rollwagen, auf dem ein
Tablett mit Frühstück stand, auf dem dicken roten Teppich kniete, der den
Boden bedeckte.
Für einen Moment entspannte er sich, doch dann registrierte er die Pose, in der
sie sich befand, und plötzlich wurde seine Kehle staubtrocken.
Das Mädchen kniete nicht in der traditionellen japanischen Weise, mit
geschlossenen Beinen und quasi auf den Fersen sitzend, sondern leicht nach vorn
gebeugt mit gespreizten Oberschenkeln, so daß der Ansatz ihrer Brüste genauso
gut zu sehen war wie der fast schon mikroskopisch winzige schwarze Slip, den sie
trug. Und das was ein Slip eigentlich hätte bedecken und nicht einfach nur
schmücken sollen ebenfalls.
"GACK!", rief er panisch und schloß augenblicklich seine Augen. "Tut mir leid.
Ich hab nichts gesehen. Und wenn, dann war es keine Absicht. Wirklich nicht.
Ich..."
Selbst als sie belustigt kicherte, klang die Stimme der jungen Frau angenehm und
melodisch.
"Entschuldigt bitte, aber es ist schon so lange her, daß Mistress Yui einen so
lustigen Gast im Haus hatte."
"Wa...Wieso lustig?"
"Seid ihr hungrig, Ranma-sama?"
Ranma-chan brauchte diese Frage nicht zu beantworten, da ihr Magen sich
geräuschvoll meldete, also erhob das Mädchen sich von seinem Platz und trat
mit dem Tablett an das Bett der Rothaarigen heran.
"Ihr könnt euer Mahl gleich hier zu euch nehmen, wenn ihr wünscht."
"Ähm...aber..." Ranma-chan errötete heftig. Wenn sie sich aufsetzte, um zu
essen, würde die Blonde ihren nackten Oberkörper betrachten können.
Spätestens dann würde das Dienstmädchen sicherlich anfangen, sich über das
perverse Verhalten ihres Gastes aufzuregen, vermutete sie.
Das Mädchen schien zu ahnen, was den Gast ihrer Herrin gerade beschäftigte und
lächelte beruhigend.
"Wenn es ihnen unangenehm ist, daß ich ihren nackten Körper sehen könnte,
kann ich ihnen einen Morgenmantel holen."
Ranma-chan blinzelte verblüfft.
"Wenn es MIR unangenehm ist?", fragte sie überrascht. "Sie würden mich nicht
für...naja...pervers halten, wenn ich einfach so nackt hier sitzen würde?"
Jetzt war es an der Blonden, überrascht zu schauen.
"Warum sollte ich das pervers finden?"
"Nicht?", wunderte der Rotschopf sich. "Ich wurde bisher dauernd pervers
genannt, wenn man mich außerhalb eines Badezimmers nackt sehen konnte, egal ob
es meine Schuld war oder nicht."
"Dauernd? Wie schrecklich.", erwiderte das Dienstmädchen mitfühlend.
"Naja, es gibt auch Leute, die nichts dagegen hatten. Aber DAS waren Perverse,
die nur im Sinn hatten mich zu begaffen oder zu begrapschen. Aber mir fällt
gerade ein...wie heißt du überhaupt?"
"Mein Name ist Mari. Und ich finde es wirklich nicht pervers, sie nackt zu
sehen, Ranma-sama. Und wenn ich damit ein Problem hätte, wäre das meine
Sache."
"Wie meinst du das?", fragte Ranma-chan verständnislos.
"Nun, wenn ich den Anblick ihres nackten Körpers unerträglich finden würde,
dann dürfte ich halt nicht hinsehen.", antwortete Mari darauf. "Und wenn ich
ein Problem damit hätte, daß jemand mein Höschen oder meine Brüste sehen
kann, oder was ich sonst noch so zu bieten habe, würde ich mich schlicht anders
kleiden.", fügte sie mit einem schelmischen Lächeln hinzu. "Sie sind also
keineswegs dafür zu verurteilen, daß sie einen Blick auf etwas werfen, was
freiwillig gezeigt wird, Ranma-sama."
"Ähm...einfach nur Ranma ist okay."
"Aber..."
"Es gibt bei mir zu Hause eine Person, die mich Ranma-sama nennt, und damit sind
nicht gerade positive Erinnerungen verbunden."
"Natürlich. Entschuldigung. Wenn es euer Wunsch ist, werde ich euch
selbstverständlich mit Ranma anreden."
"Gut." Ranma-chan warf Mari einen skeptischen Blick zu. "Und es ist wirklich
okay, wenn ich...ähm...nackt?"
"Aber ja.", versicherte Mari ihr nochmal mit einem freundlichen, fast
mütterlich wirkenden Lächeln. "Um ehrlich zu sein habe ich bereits alles
gesehen, was es an eurem Körper zu sehen gibt, als ich Mistress Yui geholfen
habe, euch zu entkleiden."
"Oh.", sagte die Rothaarige nur, nicht wissend, was sie mit dem seltsamen Blick
anfangen sollte, den Mari ihr zuwarf. Ein wenig ähnelte er dem Blick mancher
Jungs in der Schule, die ihren, wenn auch in der Regel dann bekleideten, Körper
betrachteten. Und Ranma-chan hatte eine recht gute Idee davon, was dann in den
Köpfen dieser Jungs vor sich ging. Aber Mari war eine Frau. Also konnte es ja
kaum dasselbe sein. Nein. Sicher irrte sie sich da, und wenn sie Mari darauf
ansprach, würde die sie spätestens dann für pervers halten, unabhängig von
ihrer recht lockeren Einstellung, die sie zuvor zum Ausdruck gebracht hatte.
Also entschied Ranma sich für den einzig sinnvoll erscheinenden Weg und ließ
die Angelegenheit auf sich beruhen.
Mari hatte bei weitem nicht so viel Erfahrung wie ihre Herrin, aber schon genug,
um mit Leichtigkeit einiges von dem zu entschlüsseln, was im Kopf des
attraktiven Rotschopfs vor sich ging. Sie unterdrückte ein trauriges Seufzen.
Wenn diese Mischung aus Unwissenheit, Fehlinformationen, Halbwahrheiten,
Unerfahrenheit, Unsicherheit und unterdrückter Sexualität nicht wäre, würde
Ranma sicher ein deutlich zufriedeneres Leben führen können. Und das wenige,
was sie von ihrer Herrin über den Hintergrund des jungen Rotschopfs erfahren
hatte, machte das Durcheinander in Ranmas Kopf nur umso tragischer.
Nun ja...mit etwas Glück und Arbeit würde Mistress Yui der Rothaarigen die
Augen öffnen. Und mit noch mehr Glück würde sie, Mari, ihrer Herrin bei
dieser Arbeit behilflich sein dürfen.
Nach einem blitzschnellen Frühstück brachte Mari Ranma-chan ihre inzwischen
gereinigte Kleidung und wartete, bis die Rothaarige sich angezogen hatte, bevor
sie sie zu Yui geleitete. Ranma-chan staunte über die Weitläufigkeit des teuer
aber sehr geschmackvoll eingerichteten Anwesens. Unterwegs trafen sie mehrere
andere Dienstmädchen, die Ranma-chan sehr freundlich begrüßten. Die Tatsache,
daß viele von ihnen weniger oder knappere Kleidung trugen als Mari, irritierte
sie jedoch zusehends. Ebenso die Tatsache, daß diejenigen unter den
Dienstmädchen, die er von hinten zu sehen bekam, eindeutig diese kleinen
Fledermausflügel auf dem Rücken trugen. Genau wie Mari. Und genau wie sie
selbst, wie sie nach einem prüfenden Blick über ihre Schulter feststellte. Was
auch immer es mit diesen Flügeln auf sich hatte, sie würde diese Yui dazu
zwingen, es rückgängig zu machen.
Als sie das Haus durch eine Seitentür verließen und durch einen kleinen
japanischen Garten zu einem Areal gingen, in dem sich mehrere miteinander
verbundene Schwimmbecken und eine Reihe kleiner gemütlicher Whirlpools
befanden, erblickte sie Yui, die gemütlich auf einem Liegestuhl lag, während
eines der Dienstmädchen ihr gerade ein Getränk servierte und ein anderes
Mädchen, dessen Alter Ranma-chan auf höchstens vierzehn schätzte, sorgfältig
irgendein Öl in die Haut der Blauhaarigen einmassierte.
"Ah, guten Morgen, Ranma.", begrüßte Yui sie lächelnd und deutete auf einen
benachbarten Liegestuhl. "Mach´s dir gemütlich. Dann können wir uns ein wenig
unterhalten."
"Zuerst sorgen sie dafür, daß diese dämlichen Flügel wieder verschwinden,
Lady.", brummte die Rothaarige grimmig. "Und dann werden sie mir erzählen, was
das alles eigentlich soll."
"Wenn du mir erlauben würdest, die Erklärung vorzuziehen, wäre es einfacher.
Also setz dich doch bitte, Ranma."
"Hrmpf. Hauptsache ich werde diese blöden Flügel bald wieder los.", schnaufte
sie, während sie sich auf dem Liegestuhl niederließ. "Und könnte ich
vielleicht etwas heißes Wasser haben?"
"Das würde nichts helfen, Ranma.", erwiderte Yui darauf und nippte gelassen an
ihrem Drink.
"WAS? Wieso nicht? Was haben sie mit mir gemacht?"
Yui seufzte.
"Wenn du einfach nur zuhören würdest, Ranma, könnte ich dir die Situation
erklären."
"Na schön. Ich höre."
"Zunächst einmal ist es wichtig, daß du mir bis zum Ende zuhörst, bevor du
Fragen stellst. Einige Dinge, die ich dir zu sagen habe, sind schwer zu glauben,
aber ich schwöre dir, daß ich dir die Wahrheit sage."
"Okay.", erwiderte Ranma-chan daraufhin nur und wartete gespannt.
"Bevor ich auf dich selbst zu sprechen komme, werde ich dir erst mal ein paar
Hintergrundinformationen geben müssen. Ansonsten wirst du vieles, was dich
betrifft, nicht verstehen können. Auch wenn du mir hier und da nicht glauben
solltest oder eine andere Meinung hast als ich, möchte ich, daß du dir
eventuelle Widersprüche aufhebst, bis ich fertig bin. Verstanden?"
"Nun mach es doch nicht so spannend und komm endlich zur Sache, Yui-chan.",
schnaufte jemand zu Ranmas rechten.
Ranma-chan blickte überrascht auf den bis dahin leeren Liegestuhl, wo
plötzlich wie aus dem Nichts ein junger Mann in schwarzen Shorts lag. Eine
dichte pechschwarze Haarmähne, die ihm, wenn er aufrecht stand, wohl bis fast
zum Poansatz reichen mußte, breitete sich um ihn herum auf der Liegefläche
aus. Im Kontrast zu seinem Haar wirkte seine glatte Haut fast marmorhaft. Genau
wie Yui hatte er rote Dreiecke auf den Wangen, während auf seiner Stirn in Rot
das Kanji-Symbol für Neko – Katze – eintätowiert war.
Die Rothaarige studierte abschätzend die Figur des Mannes, dessen Alter er auf
irgendwo in den frühen Zwanzigern schätzte. Athletisch, aber nicht vom Typ
breitschultriger Muskelmann. Selbst jetzt, wo er einfach nur entspannt auf einem
Liegestuhl lag, hatte seine Haltung etwas von einem grazilen Raubtier.
Gelbe Augen musterten mit einem amüsierten Funkeln Ranma-chans blaue Augen.
"Gefällt dir, was du siehst?" Die Stimme des Mannes war ungewöhnlich weich und
mit so etwas wie einem schnurrenden Unterton unterlegt, der Ranma-chan eine
Gänsehaut verursachte.
"Hah?" Ranma-chan verstand zuerst nicht, worauf der Mann hinauswollte. Ein paar
Sekunden später jedoch...
"W-Was wollen sie damit sagen? Seh ich vielleicht aus wie ein Perverser?", fuhr
Ranma-chan ihn mit hochrotem Kopf an.
"Aber natürlich nicht." Der Mann grinste schelmisch. "Entschuldige, Ranma. Ich
weiß sehr genau, wer und was du bist, aber kleine Spielchen wie dieses zu
treiben liegt mir einfach im Blut."
"Na gut. Entschuldigung angenommen. Aber machen sie das in Zukunft nicht noch
mal.", schnappte sie irritiert.
"Ich werde mich bemühen.", versprach der Mann mit einem schelmischen Grinsen,
das Ranma-chan mehr als tausend Worte sagte, daß sie sich ihre Forderung auch
hätte sparen können.
"Gut. Dann hätte ich jetzt eine Frage."
"Schieß los."
"Wie haben sie es geschafft, unbemerkt hier reinzukommen?"
"Wie meinst du das?"
"Stellen sie sich doch jetzt nicht dumm. Bis vorn einer Minute war der Platz auf
diesem Stuhl noch leer."
"Nun...das stimmt nicht.", widersprach der Mann grinsend.
"Aber natürlich.", widersprach Ranma-chan. "Ich hätte sie doch sonst sehen
müssen, als ich hier angekommen bin. Ich bin doch nicht blind."
"Oh, ich weiß, daß jemand mit meinem guten Aussehen nur schwer zu übersehen
ist.", meinte der Mann augenzwinkernd. "Aber gerade du solltest wissen, daß es
Mittel und Wege gibt, Dinge anders erscheinen zu lassen als sie wirklich sind."
"Worauf wollen sie hinaus?"
"Was wäre, wenn unsere Positionen vertauscht wären?", fragte der Mann zurück.
"Glaubst du, DU hättest dich hier direkt vor meiner Nase verbergen können?"
Die Rothaarige brauchte nicht lange zu überlegen.
"Natürlich. Kleinigkeit für mich."
"Und weshalb ist das so?"
"Es gibt eine Kampfkunsttechnik, mit der ich mich unsichtbar machen kann."
"Oh, um genau zu sein gibt es auf der Welt mindestens sechs solcher Techniken.",
korrigierte der Mann sie lächelnd. "Aber die Umisenken tut es natürlich für
den Anfang."
"Woher wissen sie..."
"Glaubst du wirklich, daß diese Technik ein Geheimnis deines Vaters ist,
Ranma?"
"Ist es das nicht?"
"Genma Saotome hat mit der Umisenken und Yamasenken lediglich Zugang zu zwei der
vielen Techniken gewonnen, die Teil seines Geburtsrechts sind.", erklärte der
Mann. "Was sie natürlich auch zu einem Teil DEINES Geburtsrechts macht."
"Was ist mit Ryo Kumon? Er beherrschte die Yamasenken, obwohl er ganz sicher
nicht zu meiner Familie gehört."
"Oh, im weitesten Sinne gehört er sehr wohl zu deiner Familie. Aber wenn ich
mir das wütende Gesicht der liebreizenden Yui so ansehe, halte ich es für
besser, meine Ausführungen zurückzustellen, bis sie mit ihrer Erklärung
fertig ist."
"Ich bin dir ja SO dankbar, daß du mich endlich zu Wort kommen lässt.",
entgegnete Yui sarkastisch.
Ranma-chan drehte sich zu Yui herum und sah tatsächlich enorme Verärgerung in
ihrem Blick.
"Ich hasse unnötige Unterbrechungen.", erklärte die Blauhaarige ihr. "Und ich
hasse es, wenn Neunmalkluge, wie Neko-kun hier, dazwischenquatschen.
Insbesondere in Situationen, in denen die Reihenfolge, in der Dinge erzählt
werden, wichtig ist."
"Sein Name ist...N-Neko?"
Yui lächelte amüsiert.
"Keine Sorge, Ranma. Er wird dich nicht kratzen oder beißen...solange du ihn
nicht darum bittest."
Bei dieser Bemerkung lief Ranma-chan von Kopf bis Fuß rot an, während ihr vor
Verlegenheit ganz heiß wurde.
"Wenn du so weitermachst, Yui-chan, wirst du nie zum Punkt kommen, und der arme
Ranma hier wird sich im Pool abkühlen müssen."
"Still, Neko.", schnaufte Yui mit einem Hauch von Belustigung.
"Also...lass mich dir zunächst eine kleine Geschichte erzählen, Ranma."
Ranma-chan nickte gespannt.
"Neben der Welt, die du kennst, der Welt der Sterblichen, gibt es noch die
Domänen der Unsterblichen, von den Menschen allgemein Himmel und Hölle
genannt.", begann Yui. "Die korrekten Namen dieser beiden Ebenen lauten Asgard
und Nifelheim. Asgard ist die Heimat der Götter, während Nifelheim von
Dämonen bewohnt wird. Und nur unter den außergewöhnlichsten Umständen kann
ein Gott Nifelheim oder ein Dämon Asgard betreten. Da ein solcher Schritt mit
dem vorübergehenden Verlust der eigenen Kräfte verbunden ist, ist sicher zu
verstehen, daß solche Besuche überaus selten sind. Um ohne lästige
Einschränkungen miteinander interagieren zu können, müssen Götter und
Dämonen also die Welt der Sterblichen aufsuchen. In früheren Zeiten geschah
dies sehr häufig und relativ offen, weshalb es viele Legenden aus vergangenen
Zeiten gibt, die sich mit den Ereignissen befassen, die mit solchen Besuchen
verbunden gewesen sind. Gelegentlich ist es vorgekommen, daß Götter oder
Dämonen sich während ihres Aufenthalts sterbliche Geliebte genommen und mit
ihnen Kinder bekommen haben. Daher stammen Geschichten über Halbgötter und
Halbdämonen. Konntest du mir soweit folgen?"
Ranma-chan nickte.
"Wunderbar. Nun, in der heutigen Zeit sind Besuche von Göttern und Dämonen in
der Welt der Sterblichen keineswegs weniger selten als früher. Heute jedoch
sind diese Wesen bemüht, ihre wahre Natur während solcher Besuche zu
verbergen, um keinen unnötigen Aufruhr unter den Menschen zu verursachen. Auch
kommt es immer noch vor, daß Götter und Dämonen Kinder mit Sterblichen haben.
Die besonderen Kräfte dieses Nachwuchses werden jedoch zum Zeitpunkt der Geburt
mit einem Bannsiegel belegt, denn die Zeit der großen halb-unsterblichen
Champions wie Herakles ist laut einer Übereinkunft zwischen Kami-sama und Hild,
der Magna-Regentin der Hölle, vorbei. Solche Kinder profitieren von ihrem
unsterblichen Elternteil lediglich durch eine höhere Lebenserwartung,
Beinaheimmunität gegen Krankheiten und eine beschleunigte Heilung von
Verletzungen. Mehr Boni sind normalerweise nicht gestattet. Aber es gibt
Umstände, die das ändern können."
"Zum Beispiel?"
"Wenn das Bannsiegel aus irgendeinem Grund geschwächt wird, manifestieren sich
weitere Fähigkeiten."
"Fähigkeiten wie übernatürliche Stärke beispielsweise.", warf Neko ein.
"Oder enorme Schnelligkeit."
"Willst du wohl ruhig sein?", grollte Yui. "Dazu komme ich gleich schon noch.
Wenn du nicht still sein kannst, geh und spiel mit einem der Dienstmädchen."
"Was für eine verlockende Einladung." Neko schaute das Mädchen, das Yui
massiert hatte, fragend an. Das Mädchen nickte daraufhin mit einem
erwartungsvollen Lächeln auf den Lippen und verschwand zusammen mit Neko im
Haus.
"So. Jetzt wo er eine Weile beschäftigt ist, können wir hoffentlich ohne
weitere Störungen miteinander reden."
"Ähm...die Zwei tun jetzt nicht was ich denke, oder?", fragte Ranma-chan
stirnrunzelnd.
"Ich weiß zwar nicht, was du denkst, aber wenn du an Sex denkst, dann vermute
ich, daß du richtig liegst.", erwiderte Yui mit offener
Selbstverständlichkeit.
"WAS? Aber das geht doch nicht!"
"Oh? Wieso nicht?", fragte Yui in gespielter Verblüffung.
"Das Mädchen ist doch höchstens vierzehn!", rief sie aufgebracht. "Das...das
ist doch krank!"
"Ranma, beruhige dich wieder. Es ist alles in bester Ordnung und ich werde dir
auch sofort erklären, warum."
Ranma-chan bedachte Yui mit einem Blick der sagte: "DIE Erklärung muß aber
verdammt überzeugend sein, oder ich werde verdammt ungemütlich."
"Wie du vielleicht weißt, gibt es verschiedene Arten von Dämonen. Es sind zu
viele, um sie alle aufzuzählen, aber neben Tierdämonen und Höllenengeln sind
für dich besonders zwei Kategorien interessant: Oni und Succubi."
"Oni und Succu-was?"
"Succubi, Ranma. Weißt du, was ein Succubus ist?"
Ranma-chan schüttelte den Kopf.
"Ein Succubus ist ein Dämon mit der Fähigkeit, seine Gestalt zu ändern und
sie so den sexuellen Ansprüchen seines Gegenübers anzupassen. Mit anderen
Worten: Ein Succubus erspürt, wie der Wunschpartner seines Gegenübers
beschaffen sein soll und kann sich entsprechend verwandeln, um dem Partner
maximale Befriedigung zu verschaffen. Im Gegenzug ernährt sich der Succubus vom
Überschuß-Ki, das beim sexuellen Akt freigesetzt wird."
"Und was hat das mit diesem Mädchen zu tun?"
"Simpel, du Dummie. Kia ist ein Succubus. Trotz ihres sehr jugendlichen
Aussehens ist jede Form von Sex für sie so normal wie Atmen."
DAS mußte Ranma-chan erstmal verdauen.
"Wieso", fragte sie nach einer Weile, "hast du einen Dämon bei dir zu Hause?
Ist das nicht gefährlich?"
Diese Frage brachte Mari, die gerade eine Kanne mit kaltem Tee auf einem Tablett
aus dem Haus geholt hatte, zum Kichern.
"Wie kommt ihr darauf, daß Mistress Yui nur einen Dämon im Haus hätte?",
fragte sie den Rotschopf mit gespielter Unschuldsmiene, während sie ein Glas
mit Tee füllte und dem geschockten Teilzeitmädchen reichte.
"Du...auch?", fragte sie vorsichtig.
"Ich habe die Ehre.", antwortet die Blonde darauf mit einem eleganten
Hofknicks.
"Obwohl Sex zu haben für einen Succubus etwas völlig Natürliches ist, bedarf
es dennoch einer gründlichen Ausbildung, um alle Aspekte perfekt zu
beherrschen. Schließlich ist das Ergebnis für den Succubus um so positiver, je
besser er den Partner oder die Partnerin zufriedenstellen kann.", fuhr Yui an
dieser Stelle fort. "Das Mädchen, das dich gestern in der Stadt geküßt hat,
befindet sich in einem frühen Ausbildungsstadium, während die Mädchen und
Frauen hier auf meinem Anwesen in verschiedenen Phasen der fortgeschrittenen
Ausbildung stehen."
Ranma-chan war sprachlos.
"Und da du dich über die Flügel gewundert hast, die die Damen hier
tragen...sie sind ein Erkennungsmerkmal."
"Wofür?"
"Genau wie die leicht vergrößerten Eckzähne für Oni charakteristisch sind,
sind es die Fledermausflügel für Succubi."
"Moment mal. Soll das heißen, du willst aus mir so einen perversen Sex-Dämon
machen? Vergiß es. Da mache ich ganz sicher nicht mit."
"Aber nein, Ranma. Das habe ich nicht vor.", erwiderte Yui beruhigend. "Wie ich
dir gestern schon sagte, bringt dieser Ort hier verborgene Eigenschaften zum
Vorschein. Die Tatsache, daß du die Flügel eines Succubus und die
Dämonenmarkierungen im Gesicht hast", sie zeigte zur Verdeutlichung auf ihre
eigenen roten Dreiecksmarkierungen, "bedeutet lediglich, daß zu deinen
Vorfahren ein Succubus gehört."
Ranma-chan begriff plötzlich, warum Yui ihr die Geschichte über Kinder von
Dämonen und Menschen erzählt hatte.
"Aber nur weil einer meiner Vorfahren MÖGLICHERWEISE ein Dämon gewesen ist,
und ich sage nicht, daß ich diese Story glaube, bedeutet das noch lange nicht,
daß ich auch ein Dämon bin."
"Es gibt da kein 'möglicherweise', Ranma-kun. Und ich kann dir sogar sagen,
welchem deiner Vorfahren du dein besonderes Erbe verdankst."
"Oh. Und wem? Meiner Ururururoma?"
"Nein, Ranma-kun." Yui lächelte freundlich. "Meiner Schwester Nodoka. Deiner
Mutter."
"Meiner..." Ranma-chan war sprachlos.
"Ja, geliebter Neffe. So ist es."
"Da-Das glaube ich nicht.", stieß sie hervor.
"Oh doch. Das tust du. Du hast nur Probleme damit, die Wahrheit zu
akzeptieren."
"Welche Wahrheit?", schnaubte Ranma-chan trotzig. "Daß meine Mutter ein
perverser Sex-Dämon sein soll?"
"Wenn du mir nicht glaubst, frag sie doch selbst."
"Oh, sicher. Ich gehe zu meiner Mutter, und sage zu ihr: 'Entschuldige, Mama,
aber ich habe neulich eine Frau getroffen, die behauptet, deine Schwester zu
sein, und die gesagt hat, du wärst ein perverser Sex-Dämon. Hat sie Recht
damit?' Für wie blöd halten sie mich?"
"Du hast doch nur Angst, daß ich die Wahrheit gesagt haben könnte.", gab Yui
zurück.
"Ich habe vor gar nichts Angst.", widersprach Ranma-chan hitzig. "Aber ich geh
doch nicht mit so einem Schwachsinn zu meiner eigenen Mutter."
"Zumal du dich vor ihr in deiner Mädchenform versteckst, nicht wahr, Ranko
Tendo?"
"Genau. Ich..." Ranma-chan stutzte und funkelte Yui wütend an. "Woher weißt du
DAS denn schon wieder?"
"Aus deiner Akte natürlich."
"Akte?"
"Die Aufzeichnung deines Lebens.", antwortete Yui. "Das Universum, die gesamte
Realität, wird vom Yggdrasil-System in Asgard kontrolliert, einer Art riesigem
Supercomputer. Und jeder Gegenstand und jedes Lebewesen, alles was in dieser
Realität existiert, wird durch ein Programm repräsentiert, das auf dem
Yggdrasil-Computer ausgeführt wird. Du, ich, Mari hier, Götter, Dämonen,
Menschen...wir alle sind letztlich nichts anderes als Programme auf dem großen
Computer, der die Realität lenkt."
"Programme?" Ranma-chan verstand trotz ihres geringen Wissens über Computer
genug von Yuis Worten, um die allgemeine Aussage zu verstehen. Sie war geschockt
und zugleich fasziniert von dem Konzept.
"Ich gebe zu, es ist eine starke Vereinfachung. Aber es trifft den Kern recht
gut. Aufgrund meines Ranges habe ich gewisse Zugriffsrechte, die mir
beispielsweise erlauben, die Aktivitätsprotokolle diverser Programme
anzusehen."
Ranma-chans Blick zeigte pure Verständnislosigkeit.
"Ein Aktivitätsprotokoll zeichnet auf, was ein Programm seit seinem Start alles
getan hat. Wenn ich also das Protokoll zum Programm 'Ranma Saotome' aufrufe,
kann ich mir jedes Detail deines Lebens anschauen."
"Und das können sie für jedes Lebewesen machen?"
"Für alle Sterblichen und für niederrangige Dämonen.", korrigierte Yui.
"Dämonen können nicht die Akten von Göttern ansehen. Die Akten von gleich-
und höherrangigen Dämonen sind ebenfalls gesperrt. Außerdem können Kami-sama
oder Hild-sama Zugangssperren für beliebige Akten verhängen, wenn ihnen danach
ist."
"Hild ist die Chefin der Hölle, richtig?"
Yui nickte.
"Und sie hat Zugriff auf dieses Yggda-Dingsbums?"
"Nifelheim hat ein eigenes System namens Nidheg.", erklärte Yui. "Nidheg
kontrolliert Nifelheim und ist so mit dem Yggdrasilsystem verbunden, daß ein
Austausch von Informationen möglich ist. Hild schickt also genaugenommen über
diese Verbindung eine Anfrage an Yggdrasil, wenn sie beispielsweise den Zugriff
auf bestimmte Protokolle gesperrt haben möchte."
"Aber warum sollten die Götter zulassen, daß jemand aus der Hölle an der
Realität herumpfuscht?", fragte die Rothaarige verwirrt. "Ich meine, Götter
und Dämonen sind doch Feinde, oder? Und Dämonen richten allen möglichen
Schaden an..."
"Kennst du das Konzept sich bedingender Gegensätze?"
Ranma-chan schüttelte den Kopf.
"Gut und Böse sind solche sich bedingenden Gegensätze. Das eine kann nicht
ohne das andere existieren, weil der jeweilige Gegenpart benötigt wird, um das
Konzept zu definieren. Um etwas als Böse zu definieren, brauchst du einen
moralischen Vergleichsmaßstab, auf dem du sagen kannst, was gut ist und
umgekehrt.", erklärte Yui langsam. "Denk mal in Ruhe darüber nach, wenn du
Zeit hast. Das ist kein Konzept, das man mal so eben auf die schnelle komplett
verstehen kann. Man könnte aber sagen, daß Götter und Dämonen einfach zwei
Seiten derselben Münze sind."
"Das soll jetzt aber wohl nicht heißen, daß alles Friede, Freude, Eierkuchen
zwischen beiden Seiten ist, oder?"
"Kaum.", bestätigte Yui mit einem leisen Lachen. "Die Götter haben ihre Pläne
und Aufgaben und wir Dämonen haben unsere. Und wenn sich die Gelegenheit
ergibt, die Arbeit der anderen Seite ein wenig zu sabotieren, dann tun wir das
– vorausgesetzt, es bietet uns einen Vorteil. Häufig ist es so, insbesondere
bei den hochrangigen Göttern und Dämonen, daß sich über die Zeit bereits
Paare oder Gruppen von Gegenspielern fest etabliert haben. So wie es bei dir und
deinen Rivalen ist."
Ranma-chan nickte verstehend.
"Es gibt selbstverständlich auch Rivalitäten zwischen einzelnen Dämonen,
genau wie es das auch unter den Göttern gibt. Deshalb würde sich ein Dämon
zweimal überlegen, ob er die Arbeit eines Gottes sabotiert, der ein bekannter
Gegenspieler eines eigenen Rivalen ist."
"Das klingt so, als wenn die Beziehung zwischen Göttern und Dämonen gar nicht
so verschieden von meinem Leben in Nerima wäre."
"Auf gewisse Weise hast du Recht. Der bedeutendste Unterschied ist wohl, daß
wir eher selten zu Gewalt greifen, wenn wir uns mit Göttern
auseinandersetzen."
"Du machst Witze."
"Nein, Ranma. Hild-sama und Kami-sama haben vor langer Zeit beschlossen, daß
ein Krieg zwischen unseren Lagern nicht wünschenswert wäre. Deshalb haben sie
das Doubletsystem eingeführt."
"Und was macht dieses Doubletsystem?"
"Das wollte ich gerade erklären. Das Doubletsystem kommt bei allen Göttern und
Dämonen zur Anwendung, die ein nennenswertes Maß an Macht besitzen, und
verbindet je einen Gott und einen Dämon, die beide zufällig ausgewählt werden
und nicht wissen, wer der Gegenpart ist, miteinander. Sollte nun ein Dämon
einen Gott töten, dann wird im gleichen Moment auch der dämonische Gegenpart
des Gottes gelöscht. Umgekehrt natürlich genauso."
"Eine schlaue Idee."
"Dann glaubst du mir jetzt also endlich?"
"Was diese Götter-Dämonen-Story betrifft...ja. Aber nicht daß meine Mutter
ein Dämon sein soll."
Yui nickte.
"Immerhin etwas."
"Aber wenn ich mich richtig erinnere, wollten sie mir etwas über meine
Verwicklungen mit all diesen vielen Mädchen erzählen."
"Stimmt. Das wollte ich."
"Und?"
"Ich nehme nicht an, daß dir der Name Urd etwas sagt?"
"Nein. Wer ist das? Eine neue Verlobte?"
"Das wäre mal eine interessante Vorstellung.", meinte Yui schmunzelnd. "Nein,
Ranma. Urd ist die Göttin der Vergangenheit. Eine der drei Nornen. Ihre
Schwestern Belldandy und Skuld sind für die Domänen Gegenwart und Zukunft
zuständig."
"Interessant. Aber was hat das mit den..."
"Urd ist auch die selbsternannte Göttin der Liebe. Und die Betonung liegt
hierbei auf selbsternannt."
"Göttin der...Liebe?" So langsam bekam Ranma-chan eine Idee, worauf das nun
hinauslaufen würde.
"Nun siehst du, Urd neigt dazu, von ihren eigentlichen Aufgaben schnell
gelangweilt zu sein, sagt man. Und dann beginnt sie eigenständig irgendwelche
Projekte, mit denen sie sich die Zeit vertreiben kann. Eines ihrer bevorzugten
Hobbies ist es, sich irgendeinen Sterblichen herauszupicken und den perfekten
Partner für ihn oder sie zu suchen. Perfekt nach ihrem eigenen Maßstab und
ihrer aktuellen Laune versteht sich."
Ranma-chan begann langsam zu verstehen.
"Und das alles wäre ja auch halb so wild, wenn Urd nicht so eine sprunghafte
Persönlichkeit besitzen würde.", fuhr Yui fort. "Denn nachdem sie einen
Partner für ihren aktuellen Projekt-Sterblichen gefunden und die Weichen für
ein Zusammenkommen der Zwei gestellt hat, passiert es häufig, daß sie
irgendwann einen ihrer aktuellen Laune entsprechend noch besseren Partner
findet, den sie dann ebenfalls mit ihrem Projekt-Sterblichen zusammenbringt. Und
so weiter, und so weiter. Natürlich ist es nicht ihre Absicht, damit all dieses
Chaos zu verursachen. Sie ist nur eine gedankenlose Dilletantin, für die das
alles nichts als ein Spiel ist, mit dem sie sich die Zeit vertreiben kann."
"Soll das heißen,", fragte Ranma-chan mit gefährlich leiser Stimme, "daß mein
Leben ein Chaos ist, weil eine gelangweilte Göttin mich als Spielzeug zur
persönlichen Unterhaltung benutzt?"
"Du hast es präzise auf den Punkt gebracht.", antwortete Yui. "Wobei ich
ehrlicherweise sagen muß, daß das Chaos in den letzten anderthalb Jahren
deines Lebens zu einem kleinen Teil auch auf meinen Mist gewachsen ist."
Ranma-chans Blick bohrte sich mit der Intensität eines Laserstrahls in die
Blauhaarige.
"Wie bitte?!"
"Ich mußte einen Weg finden, um das Bannsiegel auf deinen Kräften zu
schwächen, damit du nicht mehr als simpler Sterblicher zählst, Ranma.",
erklärte Yui hastig, da sie spürte, daß ein enormer Wutausbruch Ranmas
unmittelbar bevorstand. "Solange du 'nur' ein Sterblicher warst, hatte ich keine
Möglichkeit, dich gegen Urd zu unterstützen, oder dich überhaupt über ihre
Einmischung in dein Leben zu informieren."
"Und was präzise haben sie in den letzten anderthalb Jahren getan, um mein
Leben schwer zu machen?"
"Nicht IN, sondern VOR anderthalb Jahren."
Die Rothaarige verstand augenblicklich, worauf die Blauhaarige sich bezog.
"JUSENKYO?!?"
Ranmas Kampfaura fegte Yui glatt von ihrem Liegestuhl.
"HABEN SIE EINE AHNUNG, WAS ICH WEGEN DIESES VERDAMMTEN FLUCHS ALLES ERTRAGEN
MUSSTE?!?"
Yui rappelte sich wieder auf.
"Das habe ich, Ranma. Und ich kann deine Verärgerung verstehen. Aber denk für
einen Moment nach: Eine kurze Zeit unter dem Einfluß eines Fluchs zu leben, ist
doch ein fairer Tausch für die Möglichkeit, die Kontrolle über das eigene
Leben zurückzubekommen, oder?"
Ranma-chan rang sichtlich um Selbstkontrolle.
"Was soll das heißen? Eine kurze Zeit?", presste sie zwischen
zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Mit ein wenig Training und Hilfe von mir und Neko kannst du das Bannsiegel so
weit schwächen, daß du die völlige Kontrolle über den Formwechsel
erlangst.", antwortete die Blauhaarige. "Vergiß nicht: Die Fähigkeit zum
Gestaltwandel liegt dir im Blut. Die Transformationsmagie von Jusenkyo war nur
notwendig, um deine unterdrückten Talente zu stimulieren. Sobald du deine
Kräfte gemeistert hast, braucht kaltes Wasser dich nicht mehr interessieren."
"W-Wirklich?"
"Wirklich."
Ranmas Kampfaura erlosch schlagartig.
"Mann. Das hätten sie doch gleich sagen können. Dann hätte ich mich nicht so
aufgeregt."
"Das ist eine deiner Schwächen.", schnaufte Yui.
"Was soll DAS jetzt wieder heißen?", schnappte Ranma-chan irritiert.
"Das soll heißen, daß du zu leicht dein Temperament zügelst, und dir jeden
Mist ohne echte Gegenwehr gefallen lässt, mit dem du konfrontiert wirst. Die
prominentesten Beispiele: Akane, Ryoga und Nabiki."
Ranma-chan ließ ein wenig den Kopf hängen.
"Aber weißt du was?", meinte Yui und klopfte dem Rotschopf aufmunternd auf die
Schulter. "Ich weiß, daß dein Vater dir nicht beigebracht hat, wie man
Konflikte löst, die nichts mit Kampfsport zu tun haben. Genauso wie er dir
andere Dinge nicht beigebracht hat, die du wissen solltest."
"Da sagen sie mir nichts neues."
"Deine Mutter wollte, daß du zu einem Mann unter Männern wirst. Aber das, was
dein Vater aus dir gemacht hat, würde No-chan wohl eher einen Neandertaler
unter Männern nennen. Wie wäre es, wenn ich dir ein paar Tips geben würde, wo
und wie du dich verbessern kannst?"
"Und was wollen sie dafür haben?"
"Hmm?"
"Kein Mensch würde ein so großzügiges Angebot machen, ohne eine Gegenleistung
haben zu wollen."
"Ich werde mich einfach darüber freuen, meiner hier in Nifelheim so
hochgeschätzten Schwester einen Gefallen getan zu haben, Neffe."
"Ich glaube ihnen das mit der Verwandtschaft nicht wirklich, Lady."
"Oh, ich denke das tust du, Ranma-kun.", erwiderte Yui mit einem überzeugten
Lächeln. "Du kannst es nur noch nicht zugeben. Aber das macht nichts. Du wirst
mich Tante nennen, sobald du dich dazu bereit fühlst. Ich kann warten."
"Hmm. Sie wollen mir also wirklich helfen?"
"Das sagte ich doch gerade."
"Und was erwarten sie, was ich tun soll?"
"Gute Frage." Sie schaute Ranma-chan ernst in die Augen, bevor sie fragte: "Was
willst du denn tun?"
Diese Frage kam offenbar überraschend.
"Mich hat seit ich denken kann noch niemand gefragt, was ICH tun will.",
erklärte sie verdutzt.
Yui legte ihre Hände auf die Schultern des kleineren Mädchens und lächelte
warmherzig.
"Nach den Maßstäben der Sterblichen, unter denen du aufgewachsen bist, bist du
fast volljährig. Da wird es höchste Zeit, daß du herausfindest, was du tun
möchtest. Es ist schließlich DEIN Leben, also denk sorgfältig darüber nach,
was du damit anfangen willst." Dann gab sie dem erstaunten Mädchen einen Kuß
auf die Stirn. "Tu nichts, was dich unglücklich machen würde, nur weil andere
es von dir erwarten. Und solange du hier bist, hast du die Möglichkeit, eine
Menge Dinge auszuprobieren, über Optionen nachzudenken und so weiter."
Ranma-chan nickte langsam. Yuis Vorschlag klang nach einem sehr guten Plan.
Aber...
"Was ist mit den Tendos und den anderen Leuten? Sie werden mich in Nerima
vermissen, wenn ich hier bin. Es wird schon schwer genug werden, zu erklären,
wo ich über Nacht gewesen bin."
"Das ist kein Problem, Ranma. Nifelheim existiert außerhalb der gewöhnlichen
Raumzeit. Anders gesagt: Ich kann dich an einem Zeitpunkt kurz nachdem wir
Nerima verlassen haben, dort wieder abliefern."
"Wirklich?"
"Du könntest Jahre hier verbringen und trotzdem fünf Minuten nach verlassen
Nerimas dort wieder auftauchen.", bekräftigte Yui. "Allerdings würdest du in
der Zwischenzeit ganz normal altern, also würde jemand in Nerima zwangsläufig
den Altersunterschied bemerken. Trotzdem denke ich, daß ein kleiner Urlaub in
Nifelheim dir ganz gut tun würde. So ein bis zwei Monate vielleicht."
Ranma-chan schmunzelte belustigt.
"Ryoga hat immer gesagt, wegen mir hätte er die Hölle gesehen. Nun, jetzt habe
ich ihm DAS auf jeden Fall voraus."
"Oh, dein Rivale Ryoga ist ein ähnlicher Fall wie du, also kann es durchaus
sein, daß er eines Tages die Hölle sehen wird."
"Was?"
"In Ryogas Familie fließt Erd-Oni-Blut. Und dank Jusenkyo ist SEIN Bannsiegel
ebenfalls geschwächt.", erläuterte Yui ihre Worte. "Da Oni jedoch keine
Gestaltwandler sind, wird er anders als du niemals Kontrolle über den Fluch
erlangen können. Eure Rivalität hängt übrigens auch damit zusammen. Zwischen
Erd-Oni und Succubi herrscht eine jahrtausendealte instinktive Rivalität. Je
schwächer also eure Bannsiegel werden, desto stärker werdet ihr diese
Rivalität gegeneinander in euch fühlen." Sie zuckte mit den Schultern.
"Nichts, worüber du dir Gedanken machen müßtest. So ist halt der Lauf der
Dinge."
"Noch etwas, was ich wissen sollte?"
"Von meiner Seite wäre das vorerst alles. Aber Neko hat dir noch ein paar Dinge
zu sagen."
"Vorausgesetzt, er ist mit seinen perversen Spielchen fertig.", schnaufte die
Rothaarige irritiert.
"Wenn Sex wirklich so schrecklich und ablehnenswert ist, wieso hat die Erde dann
das Problem der Überbevölkerung?", fragte Yui sie mit einem dünnen Lächeln.
"Aber..."
"Ich sage nicht, daß du hinter jedem Rock herjagen solltest, der in dein
Sichtfeld gerät, aber deine totale Anti-Haltung ist auch nicht das Wahre.",
unterbrach Yui ihn seufzend. "Aber darüber können wir später noch reden.
Jetzt sollten wir mal sehen, ob Neko schon wieder ansprechbar ist."
Das Teilzeitmädchen neben ihr kommentierte das nur mit einem vielsagenden
Brummen, trottete aber nichtsdestotrotz brav hinter dem blauhaarigen Succubus
her.
Neko war in der Tat schon wieder ansprechbar. Gerade als Yui und Ranma-chan das
Haus betraten, kam ihnen der Schwarzhaarige in einen dunkelblauen Yukata
gekleidet und mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen entgegen.
"Hi, Ranma. Hat Yui-chan dich inzwischen gut unterhalten?", fragte er mit einem
schelmischen Grinsen.
"Wir hatten ein aufschlußreiches Gespräch.", erwiderte Ranma-chan darauf und
wunderte sich ein wenig über Yuis leises Kichern bei seiner Antwort.
"Na dann können wir uns ja jetzt mal miteinander unterhalten, hmm?", meinte
Neko fröhlich.
"Aber behalt bloß deine Griffel bei dir, klar?!"
"Glaubst du wirklich, ich würde mich an einem unschuldigen Wesen wie dir
vergreifen?", gab Neko gespielt beleidigt zurück.
"Jemandem, der sich an kleinen Mädchen vergreift, ist alles zuzutrauen."
"Oh, diese Jugend.", seufzte der Schwarzhaarige theatralisch. "Einfach kein
Vertrauen mehr in die ältere Generation."
"Hättest du auch nicht, wenn du mit Leuten wie Happosai und dieser Cologne
leben müßtest.", erwiderte Yui trocken. "Und vergiß Genma und Soun Tendo
nicht."
"Natürlich. Bei solchen Vorbildern ist es kein Wunder, wenn die Jugend das
Vertrauen in ihre Älteren verliert.", stimmte Neko verständnisvoll zu. "Komm,
Ranma, wir machen einen kleinen Spaziergang durch den Garten."
Ranma-chan folgte Neko schweigend durch die ausgedehnten Gartenanlangen, dass
Geräusch zweier Fußpaare auf ordentlich geharkten Kieswegen der einzige
akkustische Begleiter, bis nach einer Weile das leise Plätschern eines
künstlich angelegten Miniaturwasserfalls hinzukam, der einen kleinen See
speiste, an dessen Ufer Neko schließlich stehenblieb.
"Cool.", murmelte die Rothaarige leise, während ihr Blick bewundernd über die
friedliche Szenerie schweifte.
"Das hier ist einer meiner Lieblingsplätze auf Yui-chans Anwesen.", erklärte
Neko.
"Neben dem Schlafzimmer eines Dienstmädchens, meinst du wohl." Ranma-chans
Erwiderung klang bei weitem nicht mehr so feindselig oder empört wie ihre
früheren Kommentare zu diesem Thema.
"Oh, wer braucht DAFÜR schon Schlafzimmer?", gab Neko schmunzelnd zurück. "Es
gibt wesentlich interessantere Orte. Aber mehr hierüber herauszufinden
überlasse ich dir selbst."
"Da bin ich dir ja sooo dankbar.", gab Ranma-chan mit beißendem Sarkasmus
zurück.
"Mir ist bewußt, daß das ein unangenehmes Thema für dich ist, mein Freund.
Und ich kann durchaus rücksichtsvoll sein, wenn ich will.", bemerkte der
Schwarzhaarige sichtlich amüsiert.
Ranma-chan blinzelte überrascht.
"Freund?"
Neko drehte sich zu ihr um und lächelte freundlich.
"Wie würdest du jemanden nennen, der dich über mehrere Jahre deines Lebens
begleitet hat?"
"Du hast mich jahrelang begleitet? Wieso? Und wie?"
"Das verdankst du deinem Vater. Und seiner überstürzten Entscheidung, dir
etwas beizubringen, wofür du nicht bereit warst. Schau gut zu. Ich werde dir
demonstrieren, was ich meine."
Neko ging zu einem der kleinen Felsen, die am Ufer des Sees lagen und hob seinen
rechten Arm, die Hände zu Krallen geformt. Dann schlug er zu, wobei seine Hand
den Felsen jedoch kaum streifte.
Den Felsen, der kurz darauf, in fünf Stücke geschlagen, auseinanderfiel.
Ranma-chan starrte die Bruchstücke für einen Augenblick staunend an. Ihr
fielen sofort die wahnsinnig glatten Bruchflächen auf, und sie verstand. Der
Felsen war nicht in Stücke geschlagen, sondern in Stücke geschnitten worden.
"Wie...?"
"Das, Ranma,", erklärte Neko mit einem stolzen Lächeln, "ist die wahre
Neko-ken."
"DU beherrscht die WAHRE Neko-ken?"
"Als Meister der Tierfaust-Kampfkünste sollte ich das wohl.", erwiderte Neko
schmunzelnd.
"Tierfaust-Kampfkünste?" Sie betrachtete Neko mit völlig neuem Respekt.
"Die Inu-Ken, die Mibu-Ken und die Neko-Ken.", antwortete Neko. "Techniken, die
von Hunde-, Wolfs- und Katzendämonen praktiziert werden."
"Kannst du mir das beibringen?" Ranma-chans Blick strahlte regelrecht vor
Enthusiasmus.
"Setz dich."
Die Rothaarige setzte sich neben Neko auf einen der Felsen.
"Die Fähigkeit eine dieser Künste zu beherrschen ist eine Frage der
Herkunft.", begann Neko seine Erklärung. "Wenn einer deiner Vorfahren ein
Hundedämon war, ist es einfach für dich, die Inu-Ken zu beherrschen, weil es
zu deinen Geburtsrechten gehört."
"Du sagtest, die Yamasenken und Umisenken wären auch solche Geburtsrechte. Was
hat es damit auf sich?"
"Nun, dein Vater denkt, er hätte zwei neue Techniken erfunden, aber das ist
Blödsinn. Die Yamasenken und Umisenken gehören beide zum Neko-Ken-System.",
antwortete Neko darauf. "In den Adern deines Vaters fließt Katzendämonenblut,
was er natürlich nicht ahnt. Gleiches gilt für die Kumon-Familie."
"Deshalb konnte Ryo also die Yamasenken meistern.", erkannte Ranma.
"Richtig."
"Hmm. Okay. Das bedeutet, ich könnte diese Inuken und Mibuken mit Leichtigkeit
meistern, wenn ich Hunde- und Wolfsdämonen in meiner Ahnenreihe hätte."
"Ich sehe, du begreifst schnell."
"Aber was meintest du damit, daß du mich seit Jahren begleitet hättest?"
"Nach deinem verunglückten Versuch, die Nekoken zu lernen, hattest du
Alpträume, die sich auf deine Erlebnisse mit Katzen bezogen, nicht wahr?"
Ranma-chan nickte mit unbehaglicher Miene.
"Diese Alpträume waren meine Versuche, dich auf unterbewußter Ebene zu
kontaktieren und den mentalen Schaden zu beseitigen, den das Training bei dir
angerichtet hatte. Auf diese Weise hättest du schon vor Jahren lernen können,
deine Angst vor Katzen zu besiegen und die wahre Nekoken zu meistern. Und wenn
du dich jetzt fragst, wieso ich all diesen Aufwand betreiben sollte..." Er
machte eine kleine Effektpause. "...ich sehe es als meine Verantwortung als
Meister der Nekoken an, denjenigen zu helfen, die so mutig oder verrückt waren,
zu versuchen diese Technik zu meistern, sofern sie meine Hilfe benötigen."
"Hmm. Dann verstehe ich nicht, wieso Cologne gesagt hat, das Training sei in
allen ihr bekannten Fällen für den Schüler tödlich verlaufen.", wunderte
Ranma-chan sich.
"Natürlich. Wenn ein MENSCH versucht, die Nekoken zu meistern, bleibt mir
leider nicht viel mehr übrig, als einen Akt von Barmherzigkeit zu zeigen."
"WAS?" Ranma-chan sprang auf und starrte den Schwarzhaarigen fassungslos an. "Du
willst sagen, DU hast all diese Leute UMGEBRACHT?!"
"Du hast selbst erlebt, welchen Schrecken das Training bedeutet, Ranma.",
erwiderte Neko darauf. "Und bei dir hielt es sich noch relativ in Grenzen, weil
du tatsächlich die Veranlagung hattest, diese Technik zu lernen. Wird jedoch
jemand, der diese Veranlagung nicht besitzt, dem Training unterzogen, ist der
mentale Schaden vieltausendfach schlimmer."
"A-Aber..."
"Ich verstehe deine Aufregung, Ranma. Aber in solch bedauernswerten Fällen
zerstört das Training den Verstand des Schülers völlig und ohne Aussicht auf
Heilung. Wenn du jemals Zeuge gewesen wärst, würdest du verstehen, daß es
wirklich ein Akt der Gnade meinerseits gewesen ist. Keiner der Betroffenen
hätte als das weiterleben wollen, was das Training aus ihm gemacht hatte. Und
in den letzten fünfhundert Jahren habe ich Anstrengungen unternommen,
Trainingshandbücher der Tierfaust-Kampftechniken überall auf der Welt aus dem
Verkehr zu ziehen."
"Wieso hatte mein Vater dann so ein Handbuch?"
"Weil er als Mitglied einer Katzendämonenfamilie das Recht darauf hatte."
Das ergab für Ranma erstaunlicherweise Sinn. Auch wenn die Unwissenheit seines
Vaters bezüglich seines Erbes diese Erlaubnis reichlich dubios erscheinen
ließ.
"Und? Kann ich die Inuken oder die Mibuken lernen?", wandte er sich wieder für
ihn wichtigeren Dingen zu.
"Nicht von mir.", antwortete Neko darauf. "Und ganz sicher nicht, solange du die
wahre Nekoken noch nicht gemeistert hast."
"Okay. Aber die kannst du mir doch sicher beibringen, oder?"
"Sobald du wieder in Nerima bist."
"Warum nicht hier?"
"Das hier ist Yui-chans Anwesen."
"Und?"
"Nun, hier macht sie die Regeln. Und eine dieser Regeln sagt, daß sie...nun ja,
sagen wir einfach, sie hat gewisse Vorrechte."
"Vorrechte?", fragte die Rothaarige verständnislos.
Neko lächelte schmal.
"Lass es mich so formulieren: Möchtest du in der Lage sein, wieder deine
männliche Form anzunehmen, bevor du nach Nerima zurückkehrst?"
"Blöde Frage. Natürlich will ich das."
"Dann solltest du dich mit deiner Tante arrangieren.", riet Neko ihm. "Auch wenn
du gelernt hast, Dämonen nicht zu vertrauen, solltest du ihr ein wenig
Spielraum gewähren."
"Warum sollte ich das tun?"
"Weil sie nur dein Bestes im Sinn hat."
"Hrmpf. Das sagen mir mein Vater und Soun Tendo zu Hause auch."
"Zugegeben. Aber Yui-chans einziges Anliegen ist, dir dein wahres Erbe bewußt
zu machen und dich mit deinen größtenteils noch versteckten Fähigkeiten
vertraut zu machen."
"Und was ist mit dieser Urd?", unterbrach Ranma ihn. "Yui erwartet doch mit
Sicherheit, daß ich mich mit dieser Göttin anlege. Wer sagt mir, daß DAS
nicht ihre versteckte Agenda ist?"
Neko kicherte.
"Du bist ziemlich klug.", meinte er. "Das wäre durchaus eine Möglichkeit. Aber
du hast alle Zeit der Welt, um herauszufinden, ob und wenn ja was Yui-chan im
Schilde führt."
"Und wie soll das gehen?"
"Warte bis deine Kräfte sich soweit entwickelt haben, daß eine Registrierung
erforderlich ist. Dann steht dir die Hilfe von Nidheg zur Verfügung. Außerdem
kannst du deine Tante einfach nach ihren Plänen fragen und sie schwören
lassen, dir die volle Wahrheit zu sagen."
"Als wenn ein Dämon nicht lügen dürfte.", schnaubte die Rothaarige
abfällig.
"Du wirst lachen, aber genau so ist es."
"Bitte?"
"Wir dürfen Fakten verschweigen oder hier und da ein wenig übertreiben. Aber
ein Schwur ist dasselbe wie ein Vertrag, und an so einen Vertrag sind wir
gebunden."
Ranma-chans Blick verriet, daß sie nicht überzeugt war.
"Götter und Dämonen sind gezwungen, ihre Versprechen einzuhalten. Aber
während Götter sich auch an den Geist einer Vereinbarung halten müssen, sind
wir Dämonen ausschließlich an den Wortlaut gebunden. Ich bin sicher, durch
deine Bekanntschaft mit Nabiki bist du mit dem Unterschied zwischen diesen
beiden Konzepten vertraut."
Der Rotschopf nickte mit säuerlicher Miene.
"Normalerweise formulieren wir Verträge immer so, daß wir uns durch
Schlupflöcher davor drücken können, uns an den Geist des Vertrages halten zu
müssen.", erklärte Neko. "Oft, gerade wenn wir es mit Sterblichen zu tun
haben, gelingt es uns sogar, zu einer Formulierung zu kommen, die es uns
gestattet, den Vertrag letztlich fast völlig außer acht zu lassen. Daran
solltest du denken, wenn du mit einem anderen Dämon verhandelst, Ranma.
Formuliere Vereinbarungen so einfach und unmißverständlich wie möglich. Und
achte darauf, daß es keine Ausschlußklauseln oder ähnlichen Nonsens gibt."
"Du bist also auch ein Dämon. Und wieso sagst du, wenn ich mit einem 'anderen'
Dämon verhandele?"
"Ich bin natürlich ein Dämon." Neko erhob sich und verneigte sich dann elegant
vor der Rothaarigen. "Erlaube mir, mich vorzustellen. Ich bin Neko. Dämon
erster Klasse ohne Beschränkungen. Und um deine zweite Frage zu beantworten: In
deinen Adern fließt Dämonenblut. Sowohl von der väterlichen als auch von der
mütterlichen Seite aus, was ein ziemlich seltener Fall in Midgard ist, wie ich
vielleicht mal bemerken sollte. Das macht aus dir zumindest einen Halbdämon."
Neko zeigte ein breites Grinsen und setzte sich wieder. "Dadurch fällst du
natürlich auch unter die Regeln für Dämonen. Oder was glaubst du, weshalb es
dir so schwer fällt, ein Versprechen zu brechen, hmm?"
"Was heißt hier schwer fällt? Ich habe mein Wort noch nie gebrochen!"
"Natürlich nicht. Die Ultimative Kraft, manche nennen sie auch Schicksalskraft,
sorgt dafür, daß du deine Versprechen halten musst, auch wenn dir nicht
bewußt ist, daß du dies nicht immer aus eigenem Antrieb tust."
"Kannst du das beweisen?"
"Denk an Ryoga. Oder besser gesagt: Denk an die Situationen, in denen du kurz
davor standest, Akane sein Geheimnis zu enthüllen.", erwiderte der Katzendämon
darauf. "Ist nicht jedesmal irgendetwas passiert, was dich daran gehindert hat,
dein Versprechen zu brechen?"
Ranma-chan schwieg für eine Weile nachdenklich, während sie die unzähligen
Ereignisse Revue passieren ließ. Am Ende ihrer Introspektive schaute sie Neko
fassungslos an.
"Jetzt verstehst du vielleicht, warum gerade jemand deiner Herkunft mit
Versprechungen vorsichtig sein sollte, nicht wahr? Andernfalls besteht die
Gefahr, daß du ausgenutzt wirst und völlig unfähig bist, etwas dagegen zu
unternehmen." Neko seufzte mitfühlend. "Es ist natürlich gemein und unfair,
aber die Ultimative Kraft interessiert sich nicht dafür, wie tragisch die
Situationen sind, in die du durch ein Versprechen gerätst. Sie ist einfach nur
ein Werkzeug, dessen Zweck darin besteht dafür zu sorgen, daß auf das Wort von
Göttern und Dämonen verlaß ist. Das ist der Preis, den wir für unsere Macht
zu zahlen haben."
"Aber warum muß ich diesen Preis auch zahlen? Ich habe doch keine Macht."
"Du hast noch nicht gelernt, deine Kräfte zu nutzen, was auch daran liegt, daß
sie größtenteils durch das Bannsiegel unterdrückt werden. Aber das Potential
ist da und deshalb fällst du auch unter die Reglementierung der
Schicksalskraft.", widersprach Neko seiner sichtlich frustrierten Begleiterin.
Der Katzendämon betrachtete Ranma prüfend und erhob sich schließlich wieder.
"Bleib ein Weilchen hier und denk über dich und deine Situation in Ruhe nach.",
riet er ihr. "Komm zum Haus zurück, wenn du dich bereit fühlst. Oder", fügte
er augenzwinkernd hinzu, "wenn du Hunger bekommst."
Dies entlockte Ranma-chan ein schiefes Grinsen. Sie nickte Neko zustimmend zu
und beobachtete dann, wie der Katzendämon in den Weiten des Gartens
verschwand.
Sie hatte wirklich eine Menge Dinge erfahren, über die sie nachdenken mußte.
Seufzend legte sie sich in das warme, weiche Gras am Ufer des kleinen Sees und
schloß ihre Augen.
Kapitel 3: Training der etwas anderen Art
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Teil 3 – Training der etwas anderen Art
"Na, endlich bereit für den nächsten Schritt?", fragte Neko Ranma grinsend,
als der Rotschopf fast pünktlich zum Abendessen von Mari ins Esszimmer geleitet
wurde, in dem Neko und Yui an einem reichlich gedeckten Tisch von Yuis
Hauspersonal bewirtet wurden.
"Nein.", entgegnete Ranma-chan trocken. "Hungrig."
Diese Antwort entlockte Neko, und nach einer kurzen Erklärung seinerseits auch
Yui ein herzhaftes Lachen, während Ranma-chan sich an den Tisch setzte und
ordentlich zulangte.
Nach einigen Portionen Reis, Fisch, einem dutzend Fleischspießchen und einer
Reihe anderer Speisen schien sie hinreichend gesättigt, um an einer
Unterhaltung teilzunehmen.
Yui und Neko, die sich bis dahin nur über ein paar Belanglosigkeiten und den
neuesten Klatsch aus Nifelheims riesiger Gerüchteküche unterhalten hatten,
wandten sich ihr zu, als sie bemerkten, daß Ranma-chans Eßgeschwindigkeit
deutlich abgenommen hatte.
"War das Essen nach deinem Geschmack?", wollte Yui wissen.
"Yeah. Absolut fantastisch.", antwortete Ranma-chan strahlend und unterdrückte
im letzten Moment einen lauten Rülpser.
"Wunderbar. Dann können wir ja jetzt über dein weiteres Training sprechen."
"Eigentlich würde ich lieber nach Nerima zurückkehren."
"Oh?", kommentierte Yui ein wenig überrascht. "Warum das?"
"Naja, Neko sagte, er könne mir die wahre Nekoken erst beibringen, wenn ich
wieder in Nerima bin. Und er sagte auch, daß er mich hier auf ihrem Anwesen
nicht trainieren dürfte."
"Verstehe.", erwiderte der Succubus mit einem ärgerlichen Seitenblick auf einen
gespielt entschuldigend mit den Schultern zuckenden Neko. "Und hat er dir auch
gesagt, daß sein Training dir erst etwas nützt, sobald du mit meinem Training
zumindest fortgeschritten bist?"
Der Ausdruck von Überraschung auf Ranma-chans Gesicht war Antwort genug.
"Um die Tierfaust-Techniken wirklich zu meistern, ist dein Bannsiegel noch zu
stark, Ranma.", erklärte die Blauhaarige. "Mein Training wird dieses Problem
beseitigen. Zusammen mit einigen anderen Problemen, unter denen du leidest."
"Von was für Problemen reden sie?", wunderte Ranma-chan sich. "Wenn ich meinen
Fluch kontrollieren kann und keine Angst mehr vor K-K-Ka..diesen Viechern
habe..."
"Zum Beispiel deine Unfähigkeit, weibliche Wesen in deiner Umgebung nicht
ständig gegen dich aufzubringen.", unterbrach Yui ihn mit einem unschuldigen
Lächeln. "Es ist natürlich nicht deine Schuld, daß du nicht über ein
Mindestmaß an sozialen Fähigkeiten verfügst, denn schließlich wollte dein
Vater einen Sohn haben, der in allem, was nicht unmittelbar mit Kampfsport zu
tun hat, von ihm abhängig ist, und hat deshalb dafür gesorgt, daß du nicht
lernen würdest, wie man mit anderen Menschen umgeht. Aber das ER es dir nicht
beigebracht hat, bedeutet nicht, daß du es nicht lernen solltest, oder?"
DAS saß. Und Ranma brauchte fast eine Minute, um zu verdauen, was Yui ihm so
unverblümt gesagt hatte. Sein Vater hatte nicht nur durch die multiplen
Verlobungen und anderen Mist sein Leben ruiniert, sondern in voller Kenntnis der
Konsequenzen dafür gesorgt, daß er nicht die Dinge lernen würde, die ihm
dabei helfen konnten, allein aus dieser Situation hrauszukommen. Sicher war es
entnervend, immer wieder wegen des eigenen Vaters in Schwierigkeiten zu geraten,
aber Ranma hatte sich inzwischen daran gewöhnt, daß sein Vater einfach zu
gedankenlos war, um keine Schwierigkeiten anzuziehen. Jetzt zu erfahren, daß
sein Vater offenbar geplant hatte, ihn so zu erziehen, daß er sich ohne den
alten Mann nicht in der Gesellschaft zurecht finden würde, war ein Schock. Was
Ranma in diesem Moment empfand, ging weit über die bisherige gelegentliche
Abneigung für seinen Vater hinaus und reichte fast schon an echten Haß heran.
Er war jedoch zu sehr Kampfsportler, um sich von seinen Emotionen kontrollieren
zu lassen und glitt daher fast automatisch in einen Zustand der Meditation, aus
dem er erst zurückkehrte, als er seine emotionale Mitte wiedergefunden hatte.
"In Ordnung.", sagte er mit fester, ruhiger Stimme zu Yui. "Ich bleibe und werde
hier trainieren. Ich hoffe nur, das Training wird nicht so verrückt wie das
meines Vaters."
Yuis anschließendes Schmunzeln trug nicht allzuviel dazu bei, ihn zu
beruhigen.
"Nach dem Essen solltest du dich entspannen und gut ausruhen.", riet der
Succubus ihm mit einem fast mütterlich wirkenden Lächeln auf den Lippen. "Dein
Training beginnt dann morgen nach dem Frühstück. Und ich hoffe, du wirst
deiner Reputation gerecht und wirst nicht alle fünf Minuten wie ein kleines
Kind herumnörgeln, daß du mit dem Training aufhören willst."
"Für was halten sie mich?", schnaubte der Rotschopf ein wenig beleidigt. "Das
Training, vor dem ich weglaufe, muß erst noch erfunden werden."
"Deine Worte, lieber Neffe, sind Musik in meinen Ohren.", erwiderte Yui darauf
mit sichtlichem Vergnügen.
Hätte Ranma geahnt, was ihn erwartete, so wäre er wahrscheinlich in der Nacht
vom Grundstück geflohen, um sich den unbekannten Gefahren Nifelheims zu
stellen.
So jedoch, zumal er versprochen hatte, das Training zu absolvieren, folgte er am
nächsten Morgen nach dem Frühstück Yui in einen Raum, in dem ein einzelner
bequemer Sessel vor einem sechs Meter im Quadrat messenden Bereich lag, der mit
Futons und einigen Kissen bedeckt war, und den man somit als gemütliche
Liegewiese bezeichnen konnte.
Die Rothaarige hatte keine Vorstellung, welche Art von Training in einer solchen
Umgebung ablaufen mochte, und betrachtete den Aufbau mit entsprechend
skeptischer Miene.
"Was jetzt?"
"Ausziehen und setzen.", antwortete Yui knapp.
"WAAAAS?!"
"Du hast gehört, was ich gesagt habe, Schüler.", schnappte der Succubus
streng.
Ranma-chan schluckte ihre Proteste herunter und nickte langsam.
"Jawohl, Sensei."
"So ist's recht.", grinste die Blauhaarige zufrieden, während sie zusah. "Die
Boxershorts auch.", verlangte sie schließlich mit einem leichten Naserümpfen.
"Aber..."
"Du wirst für den Rest des Trainings Mädchenunterwäsche tragen, falls ich
noch mehr Widerworte höre."
Binnen eines Blinzelns stand Ranma-chan splitternackt da.
"Brav. Und jetzt setz dich."
Ranma-chan gehorchte, und staunte nicht schlecht. Der Sessel passte sich ihrer
Körperform an und war zudem irgendwie beheizt, was bedeutete, daß er eine
Temperatur hatte, die leicht über Körpertemperatur lag.
Natürlich hatte dieser bequeme Sessel auch einen Haken.
Kaum saß das Teilzeitmädchen, da wuchsen aus Teilen der Arm- und Rückenlehnen
und aus einigen anderen günstig platzierten Bereichen des Sitzmöbels dünne
Tentakel, die sich um ihren Körper legten und in ihrer Position fixierten.
"Die Fixierung soll dir dabei helfen, dich besser auf das Training konzentrieren
zu können.", beruhigte Yui Ranma-chans Proteste. "Später wirst du ganz sicher
ohne auskommen."
Nach dieser Versicherung beruhigte die Rothaarige sich wieder, allerdings nur,
bis Mari den Raum betrat und zwei Meter vor ihr stehenblieb.
"Wie in den Künsten, die du bisher studiert hast, gilt auch hier der Grundsatz:
Fundiertes Basiswissen ist die Grundlage für die Anwendung komplexerer
Techniken.", beantwortete Yui Ranma-chans fragenden Blick mit einem
enthusiastischen Grinsen, das mehr als tausend Worte vermittelte, wie sehr sich
der Succubus über diese Situation freute. "Lektion eins: Weibliche Anatomie.
Demonstriert an und von Mari-chan."
Mari posierte nach dieser Ankündigung aufreizend vor Ranma-chan und zwinkerte
ihr fröhlich zu.
"Warum ich?", seufzte Ranma-chan an dieser Stelle deprimiert und senkte den
Kopf. Der Tentakelstrang unter ihrem Kopf reagierte darauf mit genug Zugkraft,
um ihn wieder in eine gerade Position zu zwingen.
Mari legte auf Yuis Anweisung hin ihre Kleidung ab, woraufhin Ranma-chan
augenblicklich ihre Augen schloß .
Der Sessel reagierte darauf mit leichten Elektroschocks und Nadelstichen in den
Po, bis sie ihre Augen wieder öffnete.
Nach zwei Minuten, überraschend schnell für einen passionierten Dickschädel
wie Ranma, kam die Einsicht, daß Widerstand völlig sinnlos war.
"Wie ich schon sagte, Ranma,", erklärte Mari freundlich, "ist es völlig in
Ordnung, wenn du hinschaust, solange du die Erlaubnis dafür hast. Und ich bin
mir ziemlich sicher, daß ich dir diese Erlaubnis bei unserer ersten Begegnung
erteilt habe."
"Ähm..."
"Kein Grund zur Aufregung, Ranma.", schaltete Yui sich hier ein. "Es geht bei
dieser Lektion nur um eine ganz normale Unterweisung in korrekter Benennung
gepaart mit einer Erklärung der wesentlichen Funktion der Dinge, die die Frau
vom Mann unterscheiden. Bedenkt man deine Situation mit dem Fluch, müsstest du
erkennen können, daß derartige Kenntnisse wertvoll für dich sind, nicht
wahr?"
"Hmm...okay. Aber nichts Perverses, klar?!"
"Mein lieber Neffe, hast du überhaupt eine Ahnung, was dieses Wort bedeutet?"
"Klar."
Yui und Mari sahen Ranma-chan erwartungsvoll an.
"Hmm...also es bedeutet...mal sehen...also genau weiß ich es nicht, aber es hat
irgendwas mit etwas zu tun, was Jungs mit Mädchen tun und Mädchen nicht gut
finden."
Mari schaute sie nach dieser Erklärung verständnislos an.
Yui seufzte nur und schüttelte leicht den Kopf.
"Im Verlauf deines Trainings werden wir auf diesen Punkt näher eingehen, Ranma.
Für den Moment behalte im Gedächtnis, daß es keinen festen Standard dafür
gibt, was pervers ist und was nicht."
"Häh?"
"Ich gebe zu, für jemanden, der so unwissend ist wie du, ist das schwer zu
verstehen.", brummte Yui.
"Sie halten mich also für blöd."
"Nein. Nicht blöd.", erwiderte sie kopfschüttelnd. "Du bis nicht dumm, sondern
uninformiert."
"Wo ist denn der Unterschied?", wunderte Ranma-chan sich.
"Ganz einfach. Jemand der dumm ist, der begreift Zusammenhänge nicht, auch wenn
man ihm alle Fakten zur Verfügung stellt, die er zum Verständnis braucht. Dir
jedoch fehlen einfach nur die Fakten, um die Zusammenhänge verstehen zu
können.", erklärte der Succubus geduldig. "Darum geht es in diesem Teil des
Trainings."
"Um...Fakten?"
"Nun, wenn ich Nidheg bitten würde, den über Sex und Mädchen
uninformiertesten Jungen deiner Altersklasse zu finden, würde vermutlich dein
Name herauskommen.", meinte Yui. "Und selbst wenn du ein normaler Junge ohne
dämonisches Erbe wärst, wäre das ein inakzeptabler Zustand. Oder willst du
riskieren, dich durch reine Unwissenheit vor deinen Altersgenossen lächerlich
zu machen, oder, schlimmer noch, manipuliert oder ausgenutzt zu werden?"
Ranma-chan schüttelte mißmutig den Kopf.
"Gut. Nun ein Versuch, zu erklären, was pervers ist – zumindest im Bezug auf
das Thema Sex."
"Es gibt auch andere Dinge die...pervers sind?"
"Oh ja, die gibt es. Aber lass uns beim Thema bleiben."
"Okay."
"Als 'normal' wird das angesehen, was die Mehrheit der Menschen als Standard
ansieht. Das ist beim Sex so, aber auch bei anderen Dingen. Deine extreme
Fixierung auf Kampfsport beispielsweise ist eine Abweichung von der
Verhaltensnorm. Und das ist einer der Gründe, warum du Probleme im Umgang mit
vielen dieser sogenannten normalen Menschen hast."
"Aber sie wollen jetzt nicht sagen, ich wäre pervers, weil ich Kampfsport
mache, oder?", rief Ranma-chan sichtlich entsetzt.
"Nein, Ranma. Deine Obsession mit Kampfsport würde man schlicht 'ungewöhnlich'
nennen. Und die gewissermaßen 'gewöhnlichen' Menschen neigen dazu, die
'ungewöhnlichen' entweder zu meiden, auszugrenzen oder zu versuchen, Druck auf
sie auszuüben, damit sie ihr Verhalten so ändern, daß sie sich mehr an die
gewöhnlichen Menschen annähern."
Ranma-chan nickte verstehend. Derartige Erfahrungen hatte sie selbst schon
gemacht, auch wenn es nur wenige gab, die jemals versucht hatten, ihrer
'Obsession' mit Gegendruck zu begegnen.
°Vermutlich haben die Leute zu viel Angst davor, diesen Weg bei einem
Kampfsportler zu versuchen.°, überlegte sie.
"Wenn es nun um den Bereich Sex geht,", fuhr Yui fort, "tritt der Begriff
'pervers' an die Stelle des Wortes 'ungewöhnlich'. Viele Leute haben, gerade
wenn es um sexuelle Praktiken geht, eine sehr niedrige Toleranzschwelle für
Abweichungen von dem durch das Verhalten der Mehrheit festgelegten Standard.
Kleinere Abweichungen werden dann in die Schublade 'gewagte Experimente'
geschoben, größere werden als 'pervers' deklariert. Und pervers gilt deshalb
als schlecht, weil es in den meisten Kulturkreisen in so ziemlich jedem Bereich
als fragwürdig gilt, von der Norm abzuweichen. Allgemeiner Konsens in
toleranten Gesellschaften ist übrigens, daß alles das als akzeptabel – und
somit nicht als pervers – gilt, was von allen Beteiligten akzeptiert wird und
niemandem schadet."
"Aber das ergibt keinen Sinn.", platzte es aus Ranma-chan heraus. "Akane weiß,
daß ich keinen Sex habe, also wieso beschuldigt sie mich dann ständig, ich
wäre pervers?!"
"Diese Frage werden wir zu einem späteren Zeitpunkt deines Trainings
beantworten.", erwiderte Yui mit einem wissenden Lächeln.
"Wieso nicht jetzt?", wollte die Rothaarige wissen.
"Weil, mein lieber Neffe, du noch nicht den nötigen Durchblick hast.",
antwortete der Succubus darauf. "Natürlich könnte ich dir alles bis ins Detail
erklären, aber das wäre letztlich nur meine Ansicht. Und du würdest an meiner
Antwort sehr wahrscheinlich zweifeln. Wenn du wartest, bis deine Ausbildung
genügend fortgeschritten ist, wirst du die Antwort aber selbst finden können.
Ist das nicht eine viel befriedigendere Lösung?"
Ranma-chan verstand die Alternativen. Entweder ihr Sensei übernahm das Denken
für sie, oder ihr Sensei brachte ihr bei, für sich selbst zu denken. Und genau
wie Yui bevorzugte Ranma die zweite Alternative. Auch wenn sie ihm von seinen
bisherigen Senseis nur äußerst selten angeboten worden war.
Die nächsten drei Stunden waren einer ausführlichen Erklärung des weiblichen
Körpers, der Fortpflanzungsorgane und des Menstruationszyklus gewidmet. Die
letzten beiden Punkte vor allem, weil Yui Ranma-chans Antwort auf die Frage nach
dem Grund für zwei Menschen miteinander Sex zu haben, zu vage fand:
"Warum haben zwei Menschen miteinander Sex?"
"Hmm. Da kommen Babies bei raus." Ranma-chans Antwort klang halb wie eine
Frage.
"Oho. Mein lieber Neffe weiß also, wie Babies entstehen. Na dann lass mal
hören."
Ranma-chan war erst knallrot geworden und hatte sich einige Minuten sammeln
müssen, bevor sie den Mund aufbekommen hatte.
"Naja...der Junge steckt sein Ding da unten in das Mädchen rein. Solange bis
so'n weißes Zeugs aus seinem Ding rauskommt. Das Zeug läuft dann in das
Mädchen rein und es wird schwanger. Dann wird das Mädchen neun Monate lang
immer launischer und dicker und am Ende kommt dann nen Baby raus."
Mari war irgendwann im Lauf dieser Erklärung prustend auf der Liegewiese
zusammengebrochen. An den durch die Kissen gedämpften Lauten und dem
verräterischen Zucken ihrer Rippenmuskulatur war erkennbar, daß sie von einem
heftigen Lachanfall überwältigt worden war.
Yui musterte den blonden Succubus irritiert wegen der mangelnden Disziplin,
konnte sich aber selbst ein Schmunzeln nicht verkneifen.
"Ranma, mein Junge, ich bin ja so froh, daß du in deine Erklärung nicht UPS
oder den Klapperstorch eingebaut hast.", stellte sie trocken fest. "Diese Art
von Erklärung ist genau das, was ich von deinem Vater erwarten würde. Und die
Art wie Mari reagiert, ist so ziemlich das, was du erwarten kannst, wenn du
deine Erklärung vor einem deiner Altersgenossen wiederholen würdest."
"Toll. Ich hab also keine Ahnung.", schnaufte Ranma-chan beleidigt darüber,
daß sich offenbar alle über sie lustig machen wollten. "Aber dann kannst du es
mir sicher besser erklären, oder, Sensei?"
"Natürlich."
Und was dann folgte, waren besagte drei Stunden intensiven Biologieunterrichts,
an dessen Ende Ranma-chan alle relevanten Fakten – zusammen mit ein paar
weniger relevanten aber nichtsdestotrotz nützlichen Randbemerkungen und
Ratschlägen – eingepaukt bekommen hatte. Zu ihrer eigenen Verblüffung
stellte sie dabei fest, daß ihr der Unterricht sogar Spaß zu machen begann,
nachdem sie ihren anfänglichen instinktiven Widerwillen gegen die
Beschäftigung mit 'Mädchenkram' überwunden hatte.
"Was kommt als nächstes, Sensei? Noch mehr Biologie?"
"Nein, Ranma. Lektion zwei ist eine Lektion in angewandter Psychologie. Und sie
lautet: Akzeptiere, daß du so in Ordnung bist, wie du bist." Yui setzte ein
gewinnendes Lächeln auf. "Natürlich ist das eine sehr große Aufgabe und
deshalb ist diese Lektion in viele kleine Schritte unterteilt. Wir beginnen mit
Lektion zwei A: Die äußere Form." Sie wandte sich an ihre Untergebene.
"Mari-chan, geh bitte vor und triff die nötigen Vorbereitungen."
"Natürlich, Mistress Yui.", erwiderte der blonde Succubus und verließ den
Raum.
"Die äußere Form?", fragte Ranma-chan stirnrunzelnd nach.
"Exakt.", bestätigte Yui mit einem knappen Nicken und betätigte einen Kontakt
auf der Rückseite des Sessels, der die fesselnden Tentakel verschwinden ließ.
"Jetzt gehen wir erstmal zum Mittagessen."
"Yippie! Mittagessen!", jubelte der Rotschopf und sprang enthusiastisch auf.
Nach einem suchenden Blick in die Runde wich der Enthusiasmus leichter
Irritation.
"Ist was nicht in Ordnung? Hast du etwa doch keinen Hunger?", erkundigte Yui
sich besorgt.
"Doch. Schon."
"Aber?"
"Wo sind meine Sachen?"
"Die hat Mari mitgenommen."
"Oh. Und wie komme ich jetzt zum Essen?"
"Ähm. Du läufst?", gab Yui in gespielter Verwunderung zurück.
"N-N-Nackt?!"
Ein dünnes Lächeln machte sich auf Yuis Gesicht breit.
"Lektion zwei A trägt ihren Namen nicht umsonst, hmm?"
"Äußere Form. Oh. Ich soll wirklich..." Ranma-chans Gesicht war voller
Zweifel.
Yui nickte aufmunternd.
"Dein Körper ist ein Teil von dir, Ranma. Und solange du dich für deinen
Körper schämst, bedeutet das, daß du nie ein wirklich zufriedenes Leben wirst
führen können. Der erste Schritt auf dem Weg zur Akzeptanz deines Körpers
liegt in der Erkenntnis, daß es keinen Grund gibt, sich für ihn zu schämen."
"Aber das bedeutet nicht, daß ich später zu Hause auch nackt rumlaufen soll,
oder?"
"Sicher nicht. DAS würde gegen die dort geltenden Normen verstossen, und du
erinnerst dich sicher, was ich dir über Abweichungen gesagt habe, nicht wahr?
Ohne Rechtfertigung nackt herumzulaufen, würde dich dort unter Umständen als
pervers brandmarken, auch wenn die Perversion hierbei sich meiner Meinung nach
eher in den Köpfen der Betrachter abspielt.", antwortete Yui. "Das ist aber ein
Thema für eine spätere Lektion."
"Hmm. Und warum genau soll ich jetzt nackt herumlaufen?"
"Es ist ein nützliches Training für später."
"Später?"
"Nun, es wird irgendwann in deinem Leben Situationen geben, in denen du dich
einer anderen Person nackt zeigen möchtest, und wenn du DANN Unbehagen dabei
empfindest, ist das nicht hilfreich.", erläuterte der Succubus geduldig. "Durch
das Training lernst du, dieses Unbehagen, das größtenteils auf deiner
Erziehung beruht, zu überwinden."
"Aha. Aber wieso sollte ich mich denn jemandem nackt zeigen wollen?"
Yui unterdrückte einen frustrierten Aufschrei, wenn auch mit Mühe, und sah
Ranma-chan zweifelnd an. Tat sie so begriffsstutzig, oder war sie wirklich
so...hohl?
"Sollte der Fall eintreten, daß du mit jemandem Sex haben willst, nach deiner
Heirat beispielsweise, dann ist anzunehmen, daß du und deine Partnerin bei
dieser Gelegenheit nackt sein werden. Oder sehe ich das falsch?", schnappte sie
irritiert.
Ranma-chan lief erneut vor Verlegenheit rot an und antwortete mit einem
unsicheren Nicken.
"Gut daß du das einsiehst. Es besteht also noch Hoffnung für dich.", scherzte
Yui. "Ich sehe, eines der ersten Ziele deines weiteren Trainings muß nun sein,
diese irritierende Angewohnheit loszuwerden, bei jeder Kleinigkeit rot
anzulaufen."
"Es ist nun mal nicht so leicht, über dieses Thema zu reden.", verteidigte
Ranma-chan sich.
"Stimmt. Es ist viel leichter, es zu tun.", erwiderte Yui mit einem
Augenzwinkern.
Prompt wurde Ranma-chan noch roter als zuvor.
"Naja, lass uns erst mal essen gehen.", meinte Yui dazu seufzend und mit einem
ungläubigen Kopfschütteln.
Es war ihr nahezu unbegreiflich, daß ein eigentlich völlig gesunder
siebzehnjähriger Junge bei der geringsten Andeutung, die auch nur am Rande mit
Sex zu tun hatte, eine fast schon allergische Reaktion zeigen konnte. DAS war
sicherlich nicht das Ergebnis, das Nodoka sich von Genmas Erziehung ihres Sohnes
erhofft hatte.
°Aber Moment... allergische Reaktion. Hmm. Interessanter Gedanke. Ich bin
gespannt, ob das funktioniert.°
Hätte Ranma-chan in diesem Augenblick Einblick in Yuis neue Ideen und Pläne
gehabt, wäre sie sicher zunächst rot wie ein gekochter Hummer geworden und
anschließend an Bluthochdruck eingegangen.
So jedoch marschierte sie frohen Mutes zur Tür hinaus und machte sich an Yuis
Seite auf den Weg in den Speisesaal.
Was sie zu dem Zeitpunkt nicht wußte, aber in den nächsten Minuten
herausfinden sollte, war, daß Mari in Yuis Auftrag dafür gesorgt hatte, daß
Ranma-chan auf dem Weg zum Essen praktisch jedem Bewohner des Anwesens über den
Weg laufen und auch im Speisesaal nicht ohne eine Menge Gesellschaft sein
würde.
Die emotionale Anspannung, die dadurch entstand, daß er für über zwei Stunden
ununterbrochen den neugierigen und vor allem lüsternen Blicken von fast drei
Dutzend Succubi ausgesetzt war, ließ Ranma unbewußt in die 'Seele aus
Eis'-Mentalität wechseln. Erst sehr viel später würde Ranma aufgehen, daß er
hiermit für sich einen Präzedenzfall für die Anwendung einer seiner
Kampftechniken außerhalb einer Kampfsituation geschaffen hatte. Damit hätte er
dann auch einen wesentlichen Schritt zur Meisterung von
Problemlösungsstrategien im Umgang mit anderen Menschen getan.
Nach dem Essen ging es zurück in die Trainingskammer, wo Ranma-chan erneut auf
dem Sessel Platz nahm, der auch prompt wieder ihre Gliedmaßen fixierte.
"Wie geht's jetzt weiter, Sensei?", erkundigte sie sich ein wenig unsicher. Sie
hatte nicht vergessen, daß ihre aktuelle Trainingslektion den Namen 'Äußere
Form' trug.
"Nun, lieber Neffe, mir ist vorhin etwas durch den Kopf gegangen.", teilte ihr
Sensei ihr freundlich mit. "Wir werden deine aktuelle Lektion unterbrechen, um
uns mit einem wichtigen mentalen Problem von dir zu befassen."
°Jetzt krieg ich sicher wieder zu hören, wie dumm ich doch bin.°, dachte das
Teilzeitmädchen und wartete irritiert auf Yuis Erklärung.
"Mir kam der Gedanke, daß deine mentale Abwehrreaktion wann immer es um das
Thema Sexualität oder auch nur um nackte oder teilweise unbekleidete weibliche
Personen geht, so etwas wie das psychologische Gegenstück einer Allergie sein
könnte.", erklärte der Succubus. "Und bei den Sterblichen gibt es eine mit
großem Erfolg angewandte Methode, um Allergien zu kurieren: Die sogenannte
Desensibilisierungstherapie."
"Häh?", kommentierte Ranma-chan verständnislos.
"Bei dieser Therapie wird der Körper in langsam steigenden Dosen über einen
längeren Zeitraum der Substanz ausgesetzt, gegen die er allergisch ist, mit dem
Ergebnis, daß der Körper sich irgendwann an die Substanz gewöhnt und die
Allergie somit verschwindet."
"Oh.", meinte der Rotschopf dazu, zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich
verstehend, worauf Yui hinauswollte. Langsam ging sie die Erklärung Schritt
für Schritt im Geiste durch, versuchte, sich vorzustellen, wie eine solche
Therapie wohl aussehen mochte. Als in ihrem Kopf schließlich die Verbindung
zwischen 'dein Problem ist der Anblick von leicht oder gar nicht bekleideten
Frauen/Mädchen' und 'die Therapie beruht darauf, den Körper an die
Problemsubstanz zu gewöhnen' hergestellt war, weiteten sich ihre Augen und sie
bedachte den blauhaarigen Succubus mit einem Blick, der eine Mischung aus
Entsetzen und Unglauben war. "D-Das...das ist nicht ihr Ernst, oder?"
"Ich vermute, du hast schon eine Idee, was ich vor habe. Was wieder beweist,
daß du über einen wachen Verstand verfügst.", erwiderte Yui lobend. "Man muß
ihm nur etwas geben, womit er arbeiten kann."
"A-Aber..."
"Zwei der Personen, die deine diesbezügliche Schwäche regelmäßig ausnutzen,
sind Shampoo und Nabiki.", unterbrach Yui Ranma-chans Widerspruch im Ansatz.
"Würdest du nicht gern lernen, besser mit ihnen fertig zu werden?"
"Moment. Shampoo...das verstehe ich. Aber wieso Nabiki?"
"Sie hat dich mit versteckten Andeutungen sexueller Natur, Doppeldeutigkeiten
und einer ganzen Reihe weiterer Techniken oft genug in Verlegenheit gebracht.
Richtig?"
"Ja, schon, aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?"
"Wenn du verlegen bist, befindest du dich mental in der Defensive und dein
logisches Denken ist beeinträchtigt.", erläuterte Yui. "Deshalb hat Nabiki es
so leicht, dich um den Finger zu wickeln. Betrachte es als ihre Version von
Anything goes." Der Succubus bedachte Ranma-chan mit einem eindringlichen Blick.
"Dieselben Taktiken, die du anwendest, um einen Kampf zu gewinnen, setzt Nabiki
auch ein. Nur setzt sie die Prinzipien entsprechend der Handhabung sozialer
Situationen, wie Verhandlungen mit Personen, von denen sie etwas haben will,
ein."
"Ich...verstehe, Sensei.", erwiderte Ranma-chan langsam. Nachdenklich. "Und
dieses Training wird mir helfen, mit Nabiki und ihrer manipulativen Art
fertigzuwerden?"
"Wenn du damit fertig bist, wird es ihr auf jeden Fall schwerer fallen, dich aus
der Ruhe zu bringen. Damit ist sie dir in euren kleinen 'Verhandlungen' nicht
mehr so hoffnungslos überlegen. Es ist ein Anfang, aber es macht dich gegen
ihre Fähigkeiten keineswegs immun.", relativierte Yui. "Vergiß nicht, daß sie
in der Anwendung diverser Manipulationstechniken jahrelange Erfahrung besitzt."
"Toll. Und was hilft mir dieses Training dann? Ich werde mehr Widerstand leisten
können, aber am Ende wird sie doch gewinnen."
"Aber, aber. Wer wird denn so schnell die Flinte ins Korn werfen, hmm?" Sie
tätschelte Ranma-chans Kopf. "Das gleich beginnende Training ist der erste
Schritt. Du wirst später lernen, ihre Manipulationstechniken zu erkennen und zu
kontern. Ich kann schließlich nicht zulassen, daß ein Dämon von einer
einfachen Sterblichen beim Verhandeln in die Tasche gesteckt wird, nicht wahr?"
Bei der Erwähnung seines angeblichen dämonischen Erbes schnitt Ranma eine
Grimasse. Trotzdem war der Gedanke verlockend, Nabiki irgendwann nicht mehr so
ausgeliefert zu sein wie bisher.
"Okay. Dann lass uns beginnen, Sensei."
Yui lächelte zufrieden.
"Es wird dich sicher freuen zu hören, daß sich alle Mädchen, die in meinen
Diensten stehen, sofort freiwillig gemeldet haben, um bei deinem Training zu
helfen."
"Wieso überrascht mich das jetzt nicht?", seufzte Ranma-chan
schicksalsergeben.
"Oh, sei froh, daß deine Mutter nicht hier ist, um dein Training zu
überwachen.", kicherte Yui.
"Wieso?"
"Nun, bei ihrer Populariät würde schon das Gerücht reichen, daß sie sich auf
meinem Anwesen aufhält, und ganze Horden junger Succubi würden versuchen, das
Grundstück zu stürmen."
"Das verstehe ich nicht. Das klingt so, als würdet ihr meine Mutter als etwas
ganz besonderes betrachten."
"Das ist sie auch. Ich werde dir den Grund dafür heute beim Abendessen
verraten, vorausgesetzt, du gibst dir beim Training Mühe und mogelst nicht."
"Mogeln?!", protestierte Ranma-chan augenblicklich.
"Gerade beim Mittagessen hast du die 'Seele aus Eis'-Technik benutzt, um deine
Gefühle zu kontrollieren."
"Selbst wenn, wo ist das Problem?"
"Dummkopf. Wie willst du lernen, mit deinen Gefühlen umzugehen, wenn du deine
Gefühle während des Trainings blockierst?"
"Oh. Das macht Sinn, schätze ich."
"Du kannst solche Techniken mit Neko trainieren, wenn wir Zwei miteinander
fertig sind. Aber innerhalb meines Trainings haben solche Methoden nichts
verloren. Verstanden?"
"Ja, Sensei."
"Gut. Dann wollen wir mal mit der Desensibilisierungstherapie beginnen."
"Eine Frage noch."
"Ja?"
"Wie kriegen wir raus, ob es funktioniert?"
"Es wird in dem Moment funktionieren, in dem du leicht bekleidete Frauen
betrachten kannst, ohne Verlegenheit oder Unbehagen zu empfinden.", erklärte
Yui.
"Wieso habe ich das Gefühl, daß sie mich zu einem Spanner erziehen wollen?",
seufzte der Rotschopf.
"Denkst du das wirklich?", fragte der Succubus interessiert.
"Hrmpf. In den letzten Tagen ist so viel passiert, daß ich nicht wirklich
weiß, was ich denken soll. Aber der Verdacht drängt sich schon auf, oder?"
"Zugegeben. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied, den du offensichtlich
nicht bedacht hast."
"Und der wäre?"
"Ein Spanner betrachtet die Objekte seiner Begierde, selbst wenn sie ihm dazu
keine Erlaubnis gegeben haben. Alle Teilnehmerinnen an diesem kleinen Projekt
sind jedoch explizit damit einverstanden, daß du einen oder auch mehrere Blicke
auf sie wirfst. Sonst würden sie ja nicht mitmachen, ne?!"
Diese Erklärung beruhigte Ranma-chan sichtlich. Sie war zwar alles andere als
begeistert von Yui-Senseis Plan, aber da sie bisher fast nur unter ziemlich
eigenwilligen Senseis mit sehr skurilen Methoden trainiert hatte, würde sie
sich auch hier schlichtweg durchbeißen, ihr Unbehagen überwinden, und am Ende
die zu lernenden Techniken meistern. Und die Aussicht auf die ersten Techniken,
die gegen Nabiki geeignet waren, ließ es für sie mehr als lohnenswert
erscheinen, sich einer Situation zu stellen, die man wohl am Besten als
'Happosais Traumland' bezeichnen konnte.
Ranma-chan stocherte lustlos in ihrem Abendessen herum. Das lag allerdings nicht
an einem Mangel an Appetit – so etwas gab es bei Ranma nur dann, wenn Akane
die Mahlzeit gekocht hatte. Und es lag auch nicht daran, daß das Essen nicht
geschmeckt hätte. Im Gegenteil, auch wenn einige für ihn exotische Speisen
dabei waren, schmeckte das, was der kleine Rotschopf probierte absolut
vorzüglich. Nein, es lag einfach daran, daß Ranma-chan im Geiste immer noch
mit den heutigen Trainingsstunden beschäftigt war.
Die Succubi in Yuis Diensten waren allesamt sehr, sehr attraktive Frauen und
Mädchen. Sogar jemand mit Ranmas bisheriger Ignoranz in derartigen Fragen
konnte sich nicht davor drücken, dies zu bemerken. Und jeden dieser Succubi
hatte Ranma-chan heute kennenlernen dürfen. Gekleidet in immer weniger Haut
bedeckende Kleidung, die zum Ende der Sitzung hin immer enger oder transparenter
geworden war.
Oder beides.
Nur ihr Versprechen an Yui hatte sie davon abgehalten, den ganzen Tag die 'Seele
aus Eis' zu praktizieren. Und ihr Körper hatte auf die immer erotischer
werdenden Posen, in denen die Succubi sich für sie präsentiert hatten, mit
wachsender und für jeden, der mit den Anzeichen vertraut war, deutlich
sichtbarer Erregung reagiert.
Als Kampfsportler hätte sie in der Lage sein müssen, die völlige Kontrolle
über ihren Körper zu behalten. Das war schließlich einer der Grundpfeiler
ihrer Ausbildung.
Aber sie hatte es nicht tun können. Sie war einfach nicht in der Lage gewesen,
dem wachsenden Strom neuartiger Emotionen und den für sie teilweise
verwirrenden Reaktionen ihres Körpers auf die auf sie einströmenden
Sinneseindrücke Einhalt zu gebieten. Außerdem war Ranma ein Junge, wie er sich
selbst immer wieder sagte. Wie konnte sein Mädchenkörper es da wagen, den
Anblick leicht bekleideter Frauen derart positiv zu kommentieren? Wenn er zu
diesem Zeitpunkt wenigstens ein Junge gewesen wäre, wäre es zwar peinlich aber
trotzdem noch irgendwie erträglich gewesen.
So jedoch fühlte Ranma sich von seiner ohnehin ungeliebten weiblichen Hälfte
verraten.
Und jetzt schämte sie sich für ihr Versagen wie nie zuvor in ihrem Leben.
Daher der offensichtliche Mangel an Enthusiasmus beim Abendessen.
Ranma-chan seufzte schwermütig.
"Was ist los, Ranma?", erkundigte Yui sich freundlich besorgt.
"Ach, nichts.", brummte die Rothaarige mürrisch.
"Hat man dir nicht gesagt, daß es eine schlechte Angewohnheit ist, seinen
Sensei zu belügen?", erwiderte der Succubus darauf. "Komm schon, spuck´s aus.
Mit mir kannst du über alles reden.", setzte sie verständnisvoll hinzu.
"Will nicht.", schnaufte Ranma-chan mit gesenktem Kopf.
"Gut. Dann werde ich raten.", entschied Yui mit einem vielsagenden Funkeln in
den Augen. "Dich beschäftigt dein heutiges Training. Richtig?"
Ranma-chan brummte unwillig etwas, was man als Bestätigung auslegen konnte.
"Hmm, wenn das so ist, verstehe ich deinen miesepetrigen Gesichtsausdruck
nicht.", meinte die Blauhaarige nachdenklich. "Du schienst in den letzten
Stunden doch ziemlich viel Spaß gehabt zu haben."
Ranma-chans Kopf ruckte hoch.
"Oh. Habe ich einen Nerv getroffen?"
"Sie würden das nicht verstehen.", knurrte der Rotschopf.
"Nicht wenn du es mir nicht erklärst."
"Na schön. Sonst geben sie wohl doch keine Ruhe, was?"
Yui lächelte.
"Schön, daß wir uns verstehen, lieber Neffe."
"Als Kampfsportler", erklärte Ranma-chan dann, "sollte ich immer die Kontrolle
über meinen Körper haben."
"Klingt sinnvoll.", stimmte Yui zu.
"Aber was heute mit meinem Körper passiert ist, hatte nichts mit Kontrolle zu
tun.", schnappte die Rothaarige gereizt. "Dieser verdammte Mädchenkörper tut
einfach was er will. Ich wollte bestimmt nicht, daß er auf diese Weise
reagiert."
"So? Ist es denn so falsch, auf den Anblick attraktiver leicht bekleideter
Frauen mit sexueller Erregung zu reagieren?", fragte der Succubus unschuldig.
"JA!", rief ihr Gegenüber aufgebracht. "Zum einen war ich während des
Trainings ein Mädchen. Und Mädchen sollten nicht so auf andere Mädchen
reagieren. Und zum anderen wollte ich diese Reaktion nicht." Ein feuchter
Schimmer legte sich auf die Augen des Teilzeitmädchens. "Was wenn mein Körper
auch in Zukunft Dinge tut, die ich nicht will?"
Yui spürte, daß Ranmas Problem tiefer lag und stellte sich deshalb weiter
begriffsstutzig, um ihren Neffen aus der Reserve zu locken.
"Ich will das einfach nicht.", fauchte Ranma-chan, offensichtlich wütend auf
sich selbst.
"Warum nicht? Ist doch nichts dabei.", gab Yui unschuldig zurück.
"Es ist aber mein Körper, verdammt. Meiner! Verstehen sie?"
"Und? Was heute passiert ist, ändert daran doch nichts."
"Doch, verdammt!" Ranma-chan klang jetzt ungewöhnlich verzweifelt. Ihr Körper
bebte leicht, und von ihr unbemerkt liefen Tränen ihre Wangen herab. "Wenn ich
nicht die Kontrolle über meinen Körper habe, ist es so, als wenn er mir nicht
gehört." Plötzlich war es, als würde ein Damm in ihr brechen. "Mein Vater hat
mir die Kontrolle über mein Leben weggenommen. Ucchan, Shampoo, der alte Ghoul,
die Tendos und all die anderen, die mir Verpflichtungen aufzuladen versuchen,
die ich nie wollte, nehmen mir dadurch die Kontrolle über meine Zukunft. Der
Fluch hat mir die Kontrolle über einen wichtigen Teil meiner Identität
genommen." Die Traurigkeit in ihrem Blick hätte vermutlich selbst einem Stein
Tränen entlocken können. "Was soll ich denn noch alles verlieren?", wisperte
sie mit erstickter Stimme, als Yui längst ihren Platz verlassen hatte, um den
Rotschopf in eine tröstenden Umarmung zu ziehen.
Manchmal, das wußte der Succubus, mußte man einfach nur jemanden haben, bei
dem man sich ausweinen konnte, um sich den Herausforderungen des Lebens mit
neuem Mut stellen zu können. Und so hielt sie das zitternde, weinende Bündel
Halbdämon in fester Umarmung und spendete der Rothaarigen in der nächsten
Stunde schweigend Halt und Trost.
Ranma-chans Tränen versiegten nach einer Weile, und das emotional völlig
ausgelaugte Teilzeitmädchen schlief schließlich in Yuis Armen ein. Als die
Blauhaarige das bemerkte, lächelte sie gerührt und übernahm es dann
persönlich, den leichten, kleinen und im Schlaf so verletzlich wirkenden
Mädchenkörper den langen Weg in den Gästeflügel zu tragen, wo sie Ranma-chan
vorsichtig ins Bett legte. Nachdem sie aus dem Zimmer geschlichen war, so leise
sie konnte, um die Schlafende nicht zu wecken, gab sie Mari die Anweisung dafür
zu sorgen, daß niemand den Schlaf der Rothaarigen störte, bis sie von selbst
wieder aufgewacht war, und Yui dann sofort zu benachrichtigen.
Als Ranma-chan am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich seltsam leicht.
Sie war sich zwar nicht sicher, woher dieses Gefühl stammte, aber es gefiel ihr
trotzdem.
Sie rieb sich gerade den Schlaf aus den Augen, als die Tür ihres Zimmers sich
öffnete und Yui zusammen mit Mari, die ein Tablett mit Frühstück trug, das
Zimmer betrat.
"Guten Morgen, Ranma.", grüßte Yui fröhlich. "Ich hoffe, du fühlst dich
heute besser." Sie nahm Mari das Tablett aus der Hand und schickte den blonden
Succubus hinaus. Dann stellte sie es neben Ranma auf das Bett und setzte sich.
"Magst du heißen Kakao und Pfannkuchen mit Marmelade?"
"Ähm...keine Ahnung."
"Bedien dich einfach. Die sind lecker.", erwiderte Yui grinsend, während sie
ihrem eigenen Rat zu folgen begann.
Ranma-chan verteilte etwas Kirschmarmelade auf einem warmen Pfannkuchen, der
etwas größer als eine Handfläche war, und probierte neugierig.
"Lecker.", lautete ihr zufriedener Kommentar.
"Iß soviel du willst. Ich kann jederzeit Nachschub organisieren.", meinte Yui
zwischen zwei Bissen.
Ranma-chan nickte, und für eine Weile waren nur die Geräusche zweier Personen
beim Pfannkuchenessen zu hören.
"Danke.", murmelte Ranma-chan irgendwann.
Yui sah sie fragend an.
"Wegen gestern.", lautete die leise zugefügte Erklärung.
"Kein Problem, Ranma. Manchmal ist es einfach notwendig, sich auszuweinen."
"Aber es ist nicht männlich.", seufzte der Rotschopf in einer Mischung aus
Verlegenheit und Niedergeschlagenheit.
"Hrmpf. Deine Schule, dieses Musabetsu Kakuto Ryuu, hat doch die Philosophie,
das alles gerechtfertigt ist, was dabei hilft, ein Ziel zu erreichen, richtig?
Das ist ja wohl einer der Gründe, warum alle, die diese Kunst praktizieren,
sich in vielen Dingen stark voneinander unterscheiden. Jeder kann halt andere
Mittel einsetzen, um zum Ziel zu kommen. Lediglich die Grundlagen sind
identisch, während im späteren Verlauf seiner Ausbildung jeder Schüler
unterschiedliche Techniken oder Variationen einer Technik in sein persönliches
Arsenal integriert."
Ranma-chan nickte bestätigend.
"Schon. Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?", wollte sie wissen.
"Nun, stell dir vor, die Aufgabe wäre nicht, einen bestimmten Gegner zu
besiegen, sondern schlicht dafür zu sorgen, daß es dir gut geht. Dein Vater
scheint alle Techniken gemeistert zu haben, die er braucht, um dieses Ziel für
sich selbst zu erfüllen."
"Ja. Auf Kosten anderer Leute leben und jeglicherVeratwortung weiträumig aus
dem Weg gehen."
"Du benutzt diese Techniken jedoch nicht, obwohl du von ihm ausgebildet wurdest,
nicht wahr?"
"Natürlich nicht." Ranma-chan schüttelte sich angewidert. "Sicher, er ist mein
Vater, und vielleicht sollte ich deshalb nicht so reden. Aber ich will auf
keinen Fall so werden wie er."
"Aber wenn du die Techniken ablehnst, die er anwendet,", argumentierte der
Succubus mit triumphierender Miene, "dann bedeutet das, daß du seine Autorität
als dein Sensei nicht wirklich anerkennst. Und dann kannst du doch genausogut
die Beschränkungen ignorieren, die er dir auferlegt hat, oder? Und das
bedeutet, daß du Emotionen zeigen darfst, wenn es dir dabei hilft, dich besser
zu fühlen."
Ranma-chan überdachte das sorgfältig, bevor sie antwortete.
"Das ist sicher ein gutes Argument. Aber es fällt mir nicht leicht."
"Das verstehe ich völlig."
"Wirklich?" Ranma-chan war von dieser Reaktion überrascht. Ihre bisherigen
Senseis, Senseis wie ihr Vater, Cologne der Happosai, hatten bestenfalls mit
Ungeduld und Beschimpfungen oder erniedrigenden Aufgaben reagiert, wenn sie
etwas nicht sofort hatte umsetzen oder begreifen können. In Yui jedoch fand sie
zum ersten Mal jemanden, der ihr zuhörte und für sie da war, und ihre
Sympathie für den Succubus nahm mehr und mehr zu – trotz des seltsamen
Trainings.
"Du wurdest dein Leben lang dazu gezwungen, deine Gefühle zu verbergen und
alles in dich hineinzufressen. Da wäre es unsinnig zu erwarten, daß du ganz
plötzlich mit einer Leichtigkeit über deine Gefühle sprechen kannst, als wenn
wir uns über das Wetter unterhalten würden.", erklärte Yui verständnisvoll.
"Aber jeder Mensch mit etwas Hirn im Kopf wird dir sagen, daß es nicht gut ist,
seine Gefühle in Ketten zu legen oder vor ihnen davonzulaufen. Oder gar zu
bestreiten, überhaupt welche zu besitzen. Auch unter den Leuten, die du in
Nerima kennst, würden dir das sehr viele sagen können, aber sie haben eigene
Interessen daran deine bisherige Unfähigkeit im Umgang mit der Situation dort
für sich auszunutzen. Cologne zum Beispiel. Oder Nabiki Tendo. Währenddessen
zeichnen sich deine Verlobten eher durch Ignoranz aus, was sie nicht gerade für
ihre Ansprüche qualifiziert."
"Wie meinen sie das, Sensei?"
"Nun, wenn ich einen Verlobten hätte, und dieser Verlobte hätte emotionale
oder sonstige Probleme, dann würde ich alles in meiner Macht stehende tun, um
ihm zu helfen.", antwortete Yui. "Diese Mädchen jedoch tun entweder gar nichts,
oder machen deine Lage noch schlimmer, während sie sich miteinander um das
Recht auf die Verlobung mit dir prügeln wie um einen billigen Preis auf dem
Jahrmarkt. Als Succubus habe ich zwar keinen körperlichen oder seelischen
Bedarf für Liebe, aber ich weiß genug darüber, um zu wissen, daß DAS ganz
sicher keine Liebe sondern schlichte Besessenheit ist. So wie bei Kindern, die
ein bestimmtes Spielzeug nur haben wollen, weil es gerade von jemand anderem
benutzt wird."
"Sie meinen...keines dieser Mädchen liebt mich wirklich?"
"Ich denke, daß sie fest daran glauben, dich zu lieben, Ranma. Aber keine von
ihnen hat eine Ahnung davon, was Liebe wirklich bedeutet. Dafür sind sie noch
zu jung und unerfahren." Der Succubus zuckte bedauernd mit den Schultern. "Die
Besessenheit, von der ich gerade sprach, äußert sich in dem Wunsch, dem Objekt
ihrer Begierde so nah wie möglich sein zu wollen. Und ich fürchte, sie
verwechseln in ihrer Unwissenheit einfach diese Besessenheit mit dem, was man
allgemeinhin unter dem Begriff Liebe versteht."
"Das klingt irgendwie...deprimierend. All dieser Ärger...und eigentlich für
nichts."
"Ja, nicht wahr? Aber deine Beziehung zu anderen Menschen und deren Beziehungen
untereinander zu verstehen, wird dir dabei helfen, deinen Weg zu finden. Auch
wenn manche dieser Erkenntnisse schmerzhaft sind, lohnt es sich, zu lernen, wie
man andere Leute, ihre Ziele und Motivationen versteht, um herauszufinden, wie
man mit diesen Leuten am besten umgehen kann."
Ranma-chan nickte langsam. Das klang nach einer guten Möglichkeit, um einen Weg
durch das Chaos seines Lebens zu finden. Aber dieses theoretische Konzept in die
Tat umzusetzen würde sicher nicht einfach werden.
"Würden...sie mir helfen, Sensei?", fragte sie zögerlich. "Zu lernen, Leute
besser zu verstehen?"
Auf Yuis Gesicht legte sich ein breites Grinsen.
"Stolz zu ignorieren, wenn er unangebracht ist, und um Hilfe zu fragen, wenn man
sie braucht. Beides Zeichen dafür, daß du langsam anfängst, erwachsen zu
werden. Behalte diese Lektion gut im Gedächtnis, Ranma. Sie kann dir in Zukunft
noch gute Dienste leisten. Und um deine Frage zu beantworten: Natürlich werde
ich dir helfen."
"Danke. Sie wollten mir gestern abend auch etwas über meine Mutter erzählen."
"In der Tat. Aber du warst nicht in der Verfassung dafür. Und nach allem was
ich heute gehört habe, halte ich es für besser, dieses Thema auf einen
anderen Tag zu verschieben."
"Warum?" Ranma-chan rechnete aufgrund ihrer Erfahrungen mit anderen Leuten, die
Entscheidungen für sie getroffen und ihr Informationen vorenthalten hatten,
nicht mit einer Antwort. Und wenn, dann bestenfalls mit einer Antwort in der Art
von "Es ist zu deinem Besten."
"Deine Mutter hat hier bei uns einen gewissen Ruf. Und ich habe die
Befürchtung, wenn ich dir jetzt davon erzähle, könntest du dem Irrtum
erliegen, daß dein Training dich dazu bringen soll, in ihre Fußstapfen zu
treten. Es ist aber nicht meine Absicht, dich in eine bestimmte Richtung zu
treiben, sondern dich mit deinen dir selbst noch nicht bewußten Möglichkeiten
vertraut zu machen."
"Und warum das?"
"Nun, wenn dir nur zwei Wege offen stehen, die beide nicht wirklich gut sind,
dann wählst du naturgemäß den weniger schlechten, also das kleinere Übel,
wie man so sagt.", erklärte Yui geduldig. "Das hilft dir aber nicht dabei,
wirklich zufrieden mit deinem Leben zu sein, sondern sorgt nur dafür, das Maß
an Unzufriedenheit ein wenig zu reduzieren. Je mehr Wege dir in deinem Leben
offen stehen, desto wahrscheinlicher ist es, daß du auf einen Weg stösst, mit
dem du wirklich zufrieden sein kannst."
"Sie machen das alles also wirklich nur für mich?", fragte Ranma-chan in einer
Mischung aus Zweifel und Mißtrauen.
"Oh, am Ende des Programms wirst du einige Entscheidungen treffen müssen. Ein
paar davon sind Entscheidungen endgültiger Natur, die dir allerdings noch mehr
Wege öffnen können, wofür du dann im Gegenzug gewisse Verantwortlichkeiten
übernehmen mußt. Aber um die Details brauchst du dir jetzt noch keine Sorgen
machen. Wenn es soweit ist, wird alles erklärt werden."
"Na dann ist ja gut.", seufzte der Rotschopf erleichtert.
"Und bevor wir nun mit dem heutigen Trainingsprogramm fortfahren,", wechselte
Yui schlagartig das Thema, "muß ich noch eine Sache zum Thema Kontrolle
loswerden. Ich hätte das gestern schon getan, aber da warst du nicht in der
Verfassung, mir aufmerksam zuzuhören."
Ranma-chan nickte zerknirscht.
"Du kannst doch deinen Atem anhalten, nicht wahr?"
"Sicher. Keine große Sache." Ranma-chan schaute Yui verwundert an. Was sollte
diese seltsame Frage?
"Wie lange?"
"Hmm. Keine Ahnung. Drei Minuten. Vielleicht vier oder fünf. Ich hab das noch
nie getestet."
"Zehn?", fragte Yui.
Ranma-chan machte große Augen und schüttelte den Kopf.
"Versuch es.", verlangte Yui, während sie eine Uhr hervorholte. "Und gib dir
Mühe.", fügte sie ermahnend hinzu.
Die Rothaarige nickte, atmete einige Male tief ein und aus und hielt dann die
Luft an.
Nach vier Minuten und achtundzwanzig Sekunden schnappte sie, bereits dunkelrot
angelaufen, heftig nach Luft.
"Das waren nur knapp viereinhalb Minuten.", erklärte Yui knapp. "Weniger als
die Hälfte des gesetzten Limits. Hatte ich nicht gesagt, daß du dir Mühe
geben sollst?"
"Doch, aber..."
"Nochmal.", unterbrach der Succubus sie barsch.
"N-Nochmal?"
"Du hast mich gehört. Und dieses Mal wird nicht einfach so schlapp gemacht,
klar?!"
Ranma-chan gehorchte, kam aber wieder nicht über die viereinhalb Minuten-Marke.
Nach zwölf weiteren Fehlversuchen verlangte Ranma-chan protestierend zumindest
eine Pause von der ihrer Meinung nach sinnlosen Übung.
"Warum schaffst du die zehn Minuten nicht?", fragte Yui mit gepielter
Enttäuschung. "Fehlt es dir an Willen?"
"Sicher nicht.", ächzte Ranma-chan noch ein wenig atemlos. "Aber wieso müssen
es zehn Minuten sein?"
"Hmm. Soll ich fünfzehn draus machen?"
"Sensei, sie sind irre. Es gibt nun mal ein Limit dafür, wie lange der Körper
ohne frischen Sauerstoff auskommen kann. Und das hat nichts mit Willenskraft zu
tun."
Yui lächelte und klopfte ihrer Schülerin zufrieden auf die Schulter.
"Gut.", meinte sie. "Jetzt, wo du das endlich eingesehen hast, können wir uns
ja wieder deinem richigen Training zuwenden."
"Hä? Ich verstehe nicht. Was sollte das alles?"
"Du verstehst es wirklich nicht?" fragte Yui erstaunt.
Ranma-chan schüttelte den Kopf.
"Es ist doch ganz einfach. Hast du nicht gerade endlich erkannt, daß es Dinge
gibt, die dein Körper tut, auf die du auch mit der besten Kampfsportausbildung
keinen Einfluß hast?", fragte sie mit einem unschuldigen Lächeln. "Alles was
du also tun kannst ist zu lernen, welche Reaktionen dein Körper für dich parat
hält, und wie du damit umzugehen hast, nicht wahr?"
"Ähm...ja."
"Oh, und die Art, wie dein momentan weiblicher Körper seine Erregung zeigt,
sollte dir nicht peinlich sein. Erregung beginnt hier oben." Sie tippte
Ranma-chan gegen die Stirn. "Und dein Körper ist in dieser Angelegenheit ein
Werkzeug deines Geistes. Der weibliche Körper hat nun mal bestimmte relativ
festgelegte Möglichkeiten, um Erregung zum Ausdruck zu bringen. Einige davon
unterscheiden sich von den Möglichkeiten des männlichen Körpers, wie wir
später noch sehen werden." Sie warf an dieser Stelle ein gewinnendes Lächeln
ein. "Unabhängig vom Körper ist dein Geist jedoch unzweifelhaft männlich. Da
ist deine Reaktion auf meine Angestellten doch verständlich, oder?"
"Sie meinen, mein Geist hat keine Wahl als die Reaktionen des weiblichen
Körpers zu benutzen, eben weil er in einem feststeckt. Ist es das, was sie mir
sagen wollen?"
"Genau."
"Dann will ich meinen männlichen Körper zurück."
"Kein Problem.", erwiderte Yui.
"Nicht? Aber..."
"Du musst lediglich dein Erbe akzeptieren. Dadurch wird der Teil des Bannsiegels
geschwächt und mit Glück sogar zerstört, der auf deinen
Gestaltwandlerfähigkeiten liegt."
"Toll. Mein Erbe akzeptieren.", brummte Ranma-chan nicht allzu enthusiastisch.
"Und wie mache ich das?"
"Das ist ja das einfache daran.", gab Yui fröhlich zurück. "Du musst einfach
nur mein Training erfolgreich absolvieren."
"Warum", seufzte Ranma-chan mit gesenktem Haupt, "hab ich mir sowas bloß
gedacht?"
"Weil du ein kluger Schüler bist.", antwortete Yui schmunzelnd. "Und jetzt
komm. Die Mädchen warten."
"Dieses Mal habe ich dich.", erklärte Ranma-chan mit einem triumphierenden
Kichern, nachdem sie ihren Zug gemacht hatte.
"So?" Neko hob in mildem Amusement eine Augenbraue und betrachtete forschend das
Spielbrett.
"Jawohl.", stellte der Rotschopf zufrieden fest. "Ich gebe zu, es hat lange
gedauert, bis ich das Spiel in den Griff bekommen habe, aber es gibt keine
Chance für dich, diesem Zweifrontenangriff zu entgehen. Nach meinem nächsten
Zug bist du erledigt."
"Hmm.", murmelte der Tierfaust-Meister und runzelte skeptisch die Stirn. "Ich
gebe zu, du hast tatsächlich gewaltige Fortschritte gemacht. Ich hätte nicht
gedacht, daß du dieses Spiel nach nur neun Tagen so gut beherrschen würdest."
"Ranma Saotome ist halt der Beste.", meinte die Rothaarige grinsend.
"Oh. Und wie läuft dann dein Training mit Yui-chan?"
Das Grinsen wich schlagartig aus Ranma-chans Gesicht, während sie zugleich den
Blick senkte.
"Du weisst vermutlich, wie Yui-Senseis Training aussieht, nicht wahr?"
"Ich habe eine ziemlich gute Vorstellung.", gab Neko schmunzelnd zurück.
"Wieso? Hast du immer noch diese Probleme?"
"Naja, nicht wirklich.", gestand Ranma-chan. "Aber ich glaube, ich bekomme so
langsam neue Probleme."
"Und was für Probleme wären das?"
"Nun, der Anblick leicht- oder gar nicht bekleideter Frauen macht mir jetzt kaum
noch was aus. Aber ich schätze, Sensei hat das gemerkt und deshalb das Training
verschärft."
"Verschärft, hmm?" Er fragte sich, ob Ranma-chan in diesem Zusammenhang die
Doppeldeutigkeit ihrer Wortwahl bewußt war. "In welcher Hinsicht?", fragte der
Katzendämon interessiert.
"Als ich gestern nacht ins Bett gegangen bin, lag eine von Yuis Succubi schon
drin."
"Oh, wirklich? Du Glückspilz.", kicherte Neko belustigt.
"Ja, ja. Lach du nur.", schnappte Ranma-chan. "Aber mir wär vor Schreck fast
das Herz stehengeblieben, weil ich dachte, ich wär im falschen Zimmer."
"Das hätte ich ja zu gern gesehen.", gluckste Neko. "Und was ist dann
passiert?"
"Silvy, so hieß der Succubus, meinte, das wäre der nächste Schritt meines
Trainings. Sie sagte, Sensei hätte in meiner Akte gesehen, wie schlecht ich
damit zurechtkomme, daß Shampoo sich gelegentlich in mein Bett schleicht."
"Verstehe. Du sollst dich also jetzt daran gewöhnen, mit einer Frau in einem
Bett zu schlafen, damit du bei Shampoos nächstem Streich besser reagieren
kannst und nicht durch deine Verlegenheit gelähmt wirst."
"Ja. Aber das heißt nicht, daß mir das gefallen muß, ne?!"
"Du meinst, du hasst dein Training?", wunderte Neko sich. "Was ist los mit dir?
Bist du schwul, oder was?"
"NEIN!", protestierte Ranma-chan heftig. "DAS ist es nicht."
"Sondern?"
"Naja, es gefällt mir irgendwie schon. Das ist ja das Problem."
"Also DAS musst du mir erklären."
"Bevor ich irgendetwas in dieser Art mit einer Frau anstelle, sollte ich doch
wohl mit ihr verheiratet sein, oder?"
"Oh." Neko blinzelte verblüfft und zuckte dann mit den Schultern. "Wenn du
meinst. Es ist zwar eine sehr romantische Einstellung, aber nicht gerade eine
zeitgemässe."
"Na und? Ist doch wohl meine Sache."
"Sicherlich. Aber frag mal bei Gelegenheit irgendwelche Mädchen, egal ob deine
Verlobten oder sonstwen, ob sie mit dem ersten Mal bis zur Ehe warten wollen
würden. Die Mehrheit der Antworten könnte dich überraschen."
"Hrmpf. Machst du jetzt deinen nächsten Zug, damit ich endlich gewinnen kann?",
schnappte die Rothaarige irritiert.
"Oh. Sicher." Neko setzte seine Dame auf ein neues Feld und verkündete mit
nonchalanter Selbstverständlichkeit: "Schachmatt."
"Scha..." Ranma-chan starrte offenen Mundes auf das Spielfeld. "Verdammt. Das
ist nicht fair. Du hast sicher irgendwie gemogelt."
"Ranma, mein guter, das war jetzt dein wievieltes Spiel? Dein
hundertachtundfünfzigstes?"
"Hunderneunundfünfzigstes."
"Okay. Und du spielst seit neun Tagen Schach."
"Richtig."
"Und was glaubst du, wie lange ich schon spiele?"
"Keine Ahnung. Ein paar Jahre?"
"Ein paar. Dreihundertneunundvierzig, um genau zu sein.", antwortete Neko
schmunzelnd. "Und denkst du nicht, daß ich dann wohl etwas mehr Erfahrung habe
als du?"
"Hast du dann nur drauf bestanden, mir dieses dämliche Spiel beizubringen,
damit du mit jemandem spielen kannst, den du nach belieben vorführen kannst?"
"Wohl kaum. Diese Art von Streicheleinheiten sind für mein Ego unnötig.",
meinte der Katzendämon sichtlich amüsiert. "Schach bietet dir die
Möglichkeit, eine sehr wichtige Lektion zu lernen. Und wenn du es schaffst,
diese Lektion vom Spielfeld auf dein Leben zu übertragen, bekommst du ein sehr
nützliches Werkzeug, um dein Leben unter Kontrolle zu bringen."
"Und welche Lektion soll das sein?"
"Nun, der Wert von Vorausplanung gegenüber Reaktion und Improvisation
natürlich.", antwortete Neko. "Wenn du es beim Schach zu etwas bringen willst,
musst du mehrere Züge im Voraus denken und Alternativen einplanen, die die
möglichen Reaktionen deines Gegners abdecken."
Ranma-chan nickte. Dieselbe Rede hatte der Katzendämon ihr schon einmal
gehalten, als er ihr die Regeln des Spiels erklärt hatte.
"Dieselben Prinzipien lassen sich anwenden, um deine Probleme in Nerima in
Ordnung zu bringen."
"Meinst du wirklich?"
"Aber sicher.", erwiderte Neko zuversichtlich. "Und wenn du deine Ausbildung bei
Yui-chan abgeschlossen hast, werden dir auch ein paar nüzliche Ressourcen zur
Verfügung stehen."
"Wovon redest du?"
"Das...ist ein Geheimnis.", antwortete der Katzendämon mysteriös und mit einem
Augenzwinkern.
"Menno, du bist'n Spielverderber."
"Sorry, aber so sind die Regeln, Kleiner."
"Welche Regeln?"
"Regeln für Dämonen. Welche sonst?"
"Danke. Du bist ja wirklich sehr informativ.", schnaufte Ranma-chan
sarkastisch.
"Ja, nicht wahr." Neko grinste von einem Ohr zum anderen. "Es ist nun mal so,
daß du die Details erst erfahren darfst, wenn dein Training abgeschlossen
ist."
"Ich sag's auch nicht weiter."
"Keine Chance. Und das nicht wegen Yui-chan. Die Anweisung stammt direkt von
Hild-sama, und es wäre Selbstmord, wenn ich mich mit ihr anlegen würde.
Abgesehen davon, würde sie mir zur Strafe für die nächsten tausend Jahre die
ödesten Jobs geben, die sie finden kann."
"Na schön.", seufzte der Rotschopf. "Aber wenn es wieder was gibt, wovon ich
nichts wissen darf, dann fang nicht damit an, mit diesen halbgaren Hinweisen um
dich zu schmeissen, klar?!"
"Okay. Noch ein Spiel?", fragte Neko mit Blick auf das Spielbrett. "Oder willst
du lieber ins Bett gehen?", fragte er mit einem vergnügten Funkeln in den
Augen.
Ranma-chan errötete heftig, als ihr ins Gedächtnis gerufen wurde, was sie
heute abend wieder erwarten würde.
"Ähm...n-noch ein Spiel."
"Hmm. Wie du willst.", meinte der Katzendämon und begann damit, seine Figuren
wieder auf ihren Startfeldern zu platzieren.
In den folgenden sieben Tagen legte Yui die Messlatte in Ranmas Training nochmal
eine Etage höher. Nachdem sie gemerkt hatte, daß ihr Schüler bei der
Betrachtung posierender Succubi völlig entspannt bleiben konnte, dabei jedoch
noch immer die typischen Zeichen sexueller Erregung zeigte, die bewiesen, daß
Ranma nicht mogelte, indem er die Seele aus Eis einsetzte, und zudem nur noch
wenig Anzeichen von Verlegenheit zeigte, wagte sie den nächsten
offensichtlichen Schritt. Ein Schritt, auf den die am Training beteiligten
Succubi bereits sehnsüchtig gewartet hatten. Yui erlaubte ihnen, auf den
gemütlichen Kissen vor dem Sessel, in dem Ranma-chan nach wie vor für das
Training fixiert war, auf eine sehr stimulierende Art und Weise zu
masturbieren.
Natürlich schoß der Verlegenheitsindex der Rothaarigen zu Beginn dieses
neuartigen Trainings steil in die Höhe, aber genau wie in der ersten
Trainingseinheit begann auch hier nach einigen Tagen ein Gewöhnungseffekt
einzutreten.
Am Abend des zweiten Tages dieses Trainings wurde Ranma-chan erstmals in eine
Kammer geführt, die von einem Podest dominiert wurde, auf dem eine gut zwei
Meter durchmessende flache Schale aus rotem Kristall platziert war. Eine Wand
des etwa fünf Meter im Quadrat messenden Raumes wurde gänzlich von einem
großen Spiegel eingenommen, dessen silberner Rahmen mit winzigen Runengravuren
übersäht war.
"Das hier ist eine Divinationskammer.", erklärte Yui. "Divination ist die
Fähigkeit, Dinge, Orte oder Personen aufzuspüren und zu betrachten. Und als
Dämon erster Klasse mit Limitierungen ist es für mich eine Kleinigkeit, von
hier aus die Welt der Sterblichen zu betrachten."
"Und dafür brauchen sie den Spiegel, Sensei?"
"Den Spiegel oder die Kristallschale.", antwortete Yui. "Beides liefert
letztlich dasselbe Ergebnis, aber manchmal ist es vorteilhafter das eine oder
das andere zu benutzen, abhängig von gewissen Details. Meister spiritueller
Meditation und elementarer Magie können einen Feuerelementar an eine
Feuerstelle binden und dann diese Flamme zu Divinationszwecken benutzen, aber
das ist eine schwierige Kunst hier in Nifelheim, da Elementare die Ebenen der
Hölle nicht gern aufsuchen und hier nur schwer zu binden sind."
"Wenn sie es sagen, Sensei.", erwiderte Ranma-chan mit einer gewissen
Gleichgültigkeit. "Warum bin ich hier? Doch nicht, um dieses
Divinationsdingsbums zu lernen, oder?"
"Oh, nein. Das ist momentan noch viel zu schwer für dich, mein lieber Neffe.",
antwortete Yui kopfschüttelnd. "Du bist hier, weil ich deine Perspektive etwas
erweitern möchte. Es wird Zeit, daß dir jemand die Augen darüber öffnet, was
für einen Menschen ganz normales Verhalten ist."
"Aha.", meinte Ranma-chan dazu nur und runzelte skeptisch die Stirn. Sie hatte
zwar keine Ahnung, worauf Sensei jetzt wieder hinauswollte, würde sich aber
hüten, zu widersprechen. Bisher hatte Yui-Sensei schließlich auch immer
richtig gelegen. Das und die Tatsache, daß Ranma in Yui den ersten...nun ja,
Mensch traf es zwar nicht richtig, aber was soll's?...vor sich hatte, der dem
jungen Kampfsportler das Gefühl gab, sich für ihn als Person zu interessieren,
sorgte dafür, daß Ranma großes Vertrauen in den Succubus setzte. Und dabei
entging ihm keineswegs die Ironie der Situation. Er mußte erst in die Hölle
gelangen und einen Dämon treffen, um jemanden zu finden, der ihn als Person und
nicht als Werkzeug, Sündenbock oder Hindernis betrachtete. Andererseits, wenn
Yuis Worte der Wahrheit entsprachen und das Blut in Ranmas Adern zu mehr als der
Hälfte dämonischer Natur war, sollte ihn das wohl auch nicht wirklich wundern,
oder?
"Ich weiß, daß dir meine Worte nicht viel sagen, aber stell dich zu mir vor
den Spiegel und sieh zu, was ich tue.", unterbrach Yui seine Gedanken. "Und dann
beobachte vor allem gut, was ich dir zeigen werde."
Yui begann dann eine Anrufung in einer Ranma unverständlichen Sprache, und
während die Dämonenmale in ihrem Gesicht in dunklem Rot zu leuchten begannen,
füllte sich der Spiegel mit Leben. Anfangs waren die Bilder verschwommen, doch
im Laufe von wenigen Sekunden wurden sie scharf, und das in mehr als nur einem
Sinn des Wortes.
Der Spiegel teilte sich in quadratische Felder von je etwa zwanzig Zentimetern
Kantenlänge auf. Das Motiv in jedem dieser Felder wechselte alle zwei Minuten,
was Ranma-chan genug Zeit gab, um alle aktuellen Bilder kurz zu überfliegen.
Und was der Spiegel zeigte, öffnete Ranma tatsächlich ein wenig die Augen.
Denn jedes Motivfeld zeigte ein Mädchen oder eine Frau im Alter von dreizehn
bis fünfzig Jahren, und alle hatten eine Gemeinsamkeit:
Alle waren mehr oder weniger intensiv mit Selbstbefriedigung beschäftigt. Und
das mal mit und mal ohne den Einsatz diverser Hilfsmittel, wie Ranma-chan mit
schockierter Faszination bemerkte.
"Wieso zeigen sie mir das, Sensei?", wollte Ranma-chan nach gut einer halben
Stunde wissen. "Ich meine, es ist doch irgendwie unanständig, all diese Frauen
ohne ihr Wissen zu beobachten, oder?"
"Das ist eine Frage, die jeder für sich selbst klären muß.", antwortete Yui
darauf schulterzuckend. "Ich denke, solange wir für uns behalten, was wir
gesehen haben, ist es so, als ob niemand etwas gesehen hätte. Immerhin fügt es
niemandem einen Schaden zu, wenn wir die Dinge, die wir wissen, für uns
behalten. Aber diese kleine moralische Frage ist nicht der Punkt."
"Sondern?"
"All diese Menschen dort tun etwas, von dem du bisher offensichtlich gedacht
hast, daß es unanständig wäre. Wenn du willst, können wir diese Bilder
tagelang betrachten. Und weisst du, was du dann feststellen wirst?"
"Nein. Was?"
"Daß es mit Ausnahme von einigen wenigen Menschen, die sich ebenfalls
eingeredet haben, oder denen von anderen eingeredet wurde, daß es unanständig
sei, so ziemlich jeder Mensch auf der Erde tut. Mit anderen Worten: Du wirst
sehen, daß es völlig natürliches Verhalten ist."
"Warum sagen dann so viele Leute, daß es unanständig wäre?"
"Das hat viele Gründe. Doppelmoral bei denjenigen, die nach außen hin
besonders rein und unschuldig erscheinen wollen. Unsicherheit oder gar Angst bei
Leuten, die Probleme mit ihrer eigenen Sexualität haben. Und noch eine Reihe
anderer weniger offensichtliche Gründe. Manchmal auch ein bißchen was von
mehreren Gründen."
"Klingt kompliziert."
"Ranma, mein Lieber, eine der ersten Lektionen über die Sterblichen, die wir
Dämonen gelernt haben ist, daß sie alle kompliziert sind, selbst wenn sie
oberflächlich betrachtet einfach wirken.", erwiderte Yui darauf. "Verlasse dich
niemals darauf, völlig verstanden zu haben, wie ein Mensch tickt. Denn gerade
dann passiert es dir, daß er dich mit etwas total Unerwartetem überrascht."
Ranma-chan nickte zustimmend, hatte ihren Vortrag jedoch nur wenig beachtet. Der
Großteil ihrer Aufmerksamkeit, so bemerkte der Succubus amüsiert und mit nicht
wenig Zufriedenheit, lag bei den Bildern, die ihr der Divinationsspiegel zeigte.
Kapitel 4: Auf dem richtigen Weg
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Teil 4 – Auf dem richtigen Weg
Ranma-chan saß am Ufer des kleinen Sees, mit dem Neko ihn bekannt gemacht
hatte, und meditierte.
Sie war besorgt, denn irgendetwas konnte mit ihrem Körper nicht stimmen.
Während der letzten Trainingswoche waren die Schlafpausen extrem kurz gewesen
– zusammengenommen höchstens fünfzehn Stunden – aber dennoch fühlte
Ranma-chan keine Müdigkeit.
Nun saß sie ganz entspannt da und horchte in sich hinein, um eine
Bestandsaufnahme zu machen und dabei hoffentlich eine Erklärung für dieses
Phänomen zu finden.
°Ob ich irgendwelche Aufputschmittel bekommen habe?°, überlegte sie, verwarf
den Gedanken jedoch wieder, weil sie bezweifelte, daß sie so lange nur unter
dem Einfluß von Drogen hätte fit bleiben können, ohne irgendwelche
Nebenwirkungen zu bemerken.
Ihre letzte Meditationssitzung war schon eine Weile her, mehrere Wochen bevor
sie Yui kennengelernt hatte. Deshalb stellte sie mit ziemlicher Verblüffung
fest, daß ihre Wahrnehmungsfähigkeit für den Ki-Fluß in ihrem Körper im
Vergleich zu früher um ein Vielfaches an Sensitivität gewonnen hatte.
Fasziniert verfolgte sie die Energiebahnen in ihrem Körper, die sie vor ihrem
geistigen Auge in Form verschlungener blauer, roter, gelber und weißer Fäden
wahrnehmen konnte, die ein komplexes Muster bildeten. Die Deutlichkeit, mit der
die die einzelnen Fäden wahrnehmbar waren, änderte sich mit ihrer Intensität,
und Ranma-chan stellte nach einer gewissen Zeit der Beobachtung fest, daß die
verschiedenen Energiebahnen in gewissen Rythmen pulsierten. Nachdem sie diesen
Effekt eine Weile staunend beobachtet hatte, konzentrierte sie sich auf einzelne
Stränge, dann auf die Fasern, aus denen sie aufgebaut waren, und entdeckte
dabei, daß auch die Fasern noch aus kleineren Subeinheiten bestanden. Neugierig
versuchte die Rothaarige, in immer kleinere Dimensionen vorzudringen, stieß
jedoch nach kurzer Reise auf eine durchscheinende Membran. Die Intensität des
einfallenden Leuchtens ließ vermuten, daß eine enorme Quelle auf der anderen
Seite der Membran liegen mußte, aber egal wie sehr Ranma-chan sich bemühte,
sie konnte die Membran nicht durchdringen.
Sie versuchte es an einigen anderen Stellen, aber am Fakt der Unpassierbarkeit
änderte sich nichts.
Etwas enttäuscht über den Mißerfolg zog Ranma-chan ihre Aufmerksamkeit aus
ihrem Selbst zurück und richtete ihre Sinne wieder nach außen auf das Hier und
Jetzt.
Überrascht bemerkte sie, daß Mari keine zwei Meter von ihr entfernt auf dem
weichen Gras kniete und schweigend wartete.
"Oh. Hi, Mari. Tut mir leid, ich habe dich gar nicht bemerkt."
"Schon in Ordnung, Ranma. Ich hatte den Eindruck, daß du gerade etwas wichtiges
zu tun hattest."
"Ich habe meditiert, um herauszufinden, wieso mein Körper anscheinend
problemlos eine Woche fast ohne Schlaf auskommt."
"Warum hast du nicht einfach gefragt?", erkundigte der blonde Succubus sich
lächelnd. "Jeder hier im Haus hätte dir auf diese Frage eine Antwort geben
können."
"Oh. Das wußte ich nicht. Und was ist dann die Antwort?"
"Das Training zeigt langsam Wirkung und das Bannsiegel wird tatsächlich
schwächer.", antwortete Mari erfreut.
"Ich verstehe den Zusammenhang nicht ganz."
"Nun, dein Körper hat begonnen, während des Trainings das freiwerdende Ki der
anderen Succubi zu absorbieren. Das hält dich fit, so daß du Schlaf nur
benötigst, damit dein Bewußtsein ein wenig Pause machen und dein
Unterbewußtsein ein paar Dinge in deinem Oberstübchen reorganisieren kann."
"Oh. Heißt das, ich brauch ab jetzt fast keinen Schlaf mehr?"
"Nur solange du regelmäßig Ki absorbierst.", schränkte Mari ein. "Aber jetzt
haben wir genug Zeit vertrödelt. Mistress Yui wünscht deine Anwesenheit im
Haupthaus."
Ranma-chan nickte.
"Okay. Dann lass uns gehen. Sonst wird Sensei noch sauer."
Als Mari Ranma-chan ins Haupthaus führte, konnte der Rotschopf lange vor
Erreichen von Yuis Studierzimmer, welches das Ziel der Reise war, die
überwältigende Präsenz eines unglaublich mächtigen Wesens im Haus spüren.
"Du spürst ihre Anwesenheit auch, nicht wahr?", erkundigte Mari sich leise, als
sie die unbehaglichen Blicke ihrer Begleiterin bemerkte.
"Wer ist das, Mari?", wisperte Ranma-chan beinahe ehrfürchtig. "Ich habe noch
nie eine so starke Aura gespürt."
"Das ist Hild-sama."
"Die...Magna-Dingsbums?"
"Magna-Regentin, Ranma-chan.", korrigierte Mari leise aber nachdrücklich. "Tu
in ihrer Gegenwart nichts, was sie auch nur annähernd als Beleidigung auffassen
könnte, oder du wirst für den Rest deines dann sehr kurzen Lebens in
Schwierigkeiten stecken."
Ranma-chan nickte langsam.
Sie hatte diese Hild noch nicht gesehen, empfand aber bereits jetzt mehr Respekt
vor ihr, als sie je zuvor für jemanden empfunden hatte. Ranma wußte, daß er
eigentlich nicht der Typ war, der anderen Leuten leicht Respekt zeigte, und
gerade deshalb war ihm diese Reaktion doppelt unheimlich.
Als sie dann das Studierzimmer betraten, konnte Ranma-chan es sich trotz aller
guten Vorsätze nicht verkneifen, die ihm unbekannte Person, die Yui gegenüber
in einem bequemen Ledersessel nahe des Kamins saß, fassungslos anzustarren.
Hild war ein vielleicht zwölfjähriges Mädchen mit gebräunter Haut und
langen, silberblonden Haaren. An Stelle der dreieckigen Dämonenmale trug sie
genau wie auf der Stirn fünfzackige rote Sterne. Gekleidet war sie in ein
knielanges Kleid aus schwarzer Seide in chinesischem Stil.
Aus den Augenwinkeln nahm Ranma-chan zur Kenntnis, daß irgendwann im Laufe
ihrer gründlichen Musterung Hilds Mari in eine knieende Position gewechselt war
und sich so tief verneigt hatte, daß ihre Stirn den Boden berührte.
"Mistress Yui, Hild-sama, wie verlangt bringe ich euch Ranma, Kind von Nodoka."
Yui kommentierte das mit einem knappen Nicken, während Hilds Blick von Maris
Respektsbezeugung spekulativ zu Ranma-chans selbstbewußt vor ihr stehender
Figur wanderte.
Erst als Hild in einer demonstrativen Geste eine Augenbraue hob und ihren Blick
von der Rothaarigen kurz zu der knieenden Blonden wandern ließ, begann
Ranma-chan zu verstehen, daß sie wohl schon wieder in ein Fettnäpfchen
getreten war, indem sie die oberste Höllenfürstin nicht mit angemessenem
Respekt begrüßt hatte.
Maris Warnung kam ihr plötzlich wieder in den Sinn, und in einer Mischung aus
Sorge und Unsicherheit, röteten sich ihre Wangen, während sie ein verlegenes
"Uhm... Hi, ich...ähm...bin Ranma S-Saotome.", stammelte.
"Wenn du wieder in der Welt der Sterblichen bist, Ranma-chan,", erklang Hilds
samtige Stimme mit einem leicht schnurrenden Unterton, der dem Rotschopf eine
Gänsehaut verursachte, "dann solltest du dich von No-chan unbedingt in
korrekten Formen des Verhaltens unterweisen lassen."
"Ähm...tschuldigung."
"Es ist offensichtlich, welcher deiner Elternteile für deine Erziehung bisher
verantwortlich gewesen ist, und du tust gut daran, diese Lektionen
schnellstmöglich zu vergessen.", erwiderte Hild ruhig und erstaunlich
freundlich, während aus ihren Augen pure Verachtung für Genma sprach. "Wäre
deine Mutter jetzt hier anwesend, wäre sie angesichts deines Mangels an
Manieren sicher vor Scham im Boden versunken. Aber ich will nicht weiter darauf
herumreiten. Dafür ist unsere Zeit nämlich zu knapp."
Ranma-chans Blick wechselte von Unsicherheit zu Verwirrung.
"Setz dich erst mal.", forderte Yui sie auf. "Mari, lass uns allein."
"Jawohl, Mistress."
Mari verschwand aus dem Raum, während sich Ranma-chan auf dem dritten Sessel,
dem einzigen freien Sitzplatz im Raum, niederließ.
"Ich nehme an, jetzt ist der Zeitpunkt, wo ich endlich erfahre, wieso ich
wirklich hierhergebracht wurde und diesem sogenannten Training unterzogen worden
bin."
"Ich habe dir über deine Ausbildung nie die Unwahrheit gesagt.", korrigierte
Yui ihren Schüler. "Ich habe dir aber auch gesagt, daß du Details über einige
Entscheidungen, die du treffen musst, erst am Ende deines Trainings erfahren
würdest."
Ranma-chan nickte.
"Ja. Ich erinnere mich."
"Nun, dieser Punkt hat sich gerade geändert. Gewisse Ereignisse machen es
notwendig, dich jetzt schon mit diesen Dingen zu konfrontieren. Aber bevor wir
beginnen, habe ich eine Frage: Was hast du da vorhin am See gemacht?"
"Ich habe meditiert, Sensei. Und dabei habe ich die Ki-Bahnen in meinem Körper
genauer betrachtet."
"Und ist dir dabei etwas ungewöhnliches aufgefallen?"
"Hmm. Ich habe noch nie so sehr in die Tiefe geschaut wie dieses Mal, also weiß
ich nicht, ob es ungewöhnlich ist. Aber ich bin auf so etwas wie eine
durchscheinende Membran gestossen, die ich nicht durchdringen konnte."
"Das war dein Bannsiegel.", warf Hild an dieser Stelle ein. "Und auch wenn es
vorteilhafter wäre, das Siegel langsam aufzulösen, so wie Yui es bisher getan
hat, fehlt uns die Zeit dafür. Dein Training wird also ab sofort massiv
beschleunigt werden müssen, damit du deine Aufgabe erfüllen kannst."
"Wovon zum Teufel redet ihr?", schnappte Ranma-chan und erbleichte
augenblicklich angesichts des plötzlichen Ausbruchs von Hilds Aura.
"...ähm...Hild-sama...", setzte sie daher hastig hinzu, um die Magna-Regentin
zu beschwichtigen.
Offenbar war heute Ranmas Glückstag, denn das Manöver gelang.
"Du hast ihn noch nicht informiert, Yui?" Hilds wütender Blick wechselte das
Ziel.
"Ich habe Ranma versprochen, daß ich ihm helfen würde, sein Leben in den Griff
zu bekommen, weil er zur Familie gehört, Hild-sama.", erklärte Yui daraufhin,
hoffend, daß ihre Herrscherin jetzt keinen Wutanfall kriegen und sie in ein
Häufchen Asche verwandeln würde. "Ich wollte nicht, daß er denkt, ich würde
ihm nur helfen, weil wir eine Gegenleistung wollen."
"Wenn wir keinen Erfolg haben, wird es kein Leben geben, daß er in den Griff
bekommen müßte.", zischte Hild verstimmt. "Also spar dir in Zukunft diese
elende Gefühlsduselei."
"Könnte mir jemand erklären, worum es geht?", warf Ranma-chan vorsichtig ein.
"Da Yui es versäumt hat, das zu tun, wäre es wohl reichlich sinnlos, wenn wir
fortfahren würden, ohne dir eine Erklärung gegeben zu haben.", schnaufte Hild.
"Aber hör gut zu, denn ich erkläre das nur ein einziges Mal."
Ranma-chan nickte eifrig.
"Die universellen Kräfte, also Kräfte wie Gut und Böse, Leben und Tod,
Ordnung und Chaos, befinden sich in einem Zustand des konstanten Konflikts,
wobei die tatsächlichen Kämpfe von lokalen Champions ausgetragen werden, die
im Namen der Kraft, die sie vertreten, gegen Champions der entgegengesetzten
Kraft kämpfen. Die mächtigeren dieser Champions treten unter der Bezeichnung
Avatar auf, was ihnen einen besonderen Status einräumt und ihnen eine Vielzahl
von besonderen Fähigkeiten verleiht. Eine Kraft kann dabei gleichzeitig viele
Champions aber zu jeder gegebenen Zeit immer nur einen einzigen Avatar haben.
Eine weitere Regel besagt, daß in jeder Region, die zum Kampfplatz zwischen
zwei Kräften erklärt wird, jede beteiligte Kraft nur einen Champion einsetzen
darf, damit es ein fairer Kampf eins gegen eins bleibt.", begann Hild ihre
Erklärung. "Normalerweise stellen wir Dämonen Champions für die Seiten von
Chaos, Tod, Böse und anderen sogenannten negativen Kräften, während die Kami
die sogenannten positiven Kräfte mit Champions versorgen. In Regionen, in denen
Kami und Dämonen noch den Einsatz von Helden, also Nachkommen mit Sterblichen,
die kein Bannsiegel tragen, praktizieren, können auch diese Helden als
Champions eingesetzt werden."
Ranma-chan blinzelte überrascht. Plötzlich machte sich ein Verdacht in ihrem
Kopf breit. Eine Idee, wieso es für diese Dämonen so wichtig war, daß Ranmas
Bannsiegel aufgelöst wurde.
"Ihr...wollt, daß ich als Champion für euch kämpfe, stimmts?", fragte die
Rothaarige mit einer Miene, die wenig Begeisterung ausdrückte.
"Entweder das, oder wir riskieren das Ende der Welt.", gab Hild grimmig zurück.
"Und ich bin genausowenig begeistert darüber wie du, Ranma. Oder glaubst du,
ich lege mein Schicksal und das von ganz Nifelheim gern in die Hände eines in
dieser Art von Konflikt völlig unerprobten Kämpfers?"
Ranma-chan überdachte diesen Einwand sorgfältig.
"Wieso dann?", wollte sie schließlich wissen.
"Wie ich sagte, stellen Dämonen normalerweise die Champions für die negativen
Kräfte. Aber manchmal kommt es vor, daß ein Dämon sich entschließt, Champion
einer positiven Kraft zu werden, genauso wie es manchmal vorkommt, daß ein Kami
sich entschließt, für eine negative Kraft zu streiten. Die Ergebnisse sind in
jedem dieser beiden Fälle stets fatal."
"Warum das?"
"Weil es eine generelle spirituelle Inkompatibilität zwischen diesen Paarungen
gibt.", antwortete Hild darauf. "In unserem speziellen Fall geht es um einen
Dämon, der als Champion der Ordnung antritt."
"Also ich kann ja verstehen, daß euch das nicht passt, wenn ein Dämon eure
Ideale verrät, aber..."
"Kami-sama persönlich hat mich über dieses Individuum informiert und mich
gebeten, Maßnahmen zu ergreifen.", unterbrach Hild Ranma an dieser Stelle.
"Spirituelle Inkompatibilität bedeutet, daß das Individuum nicht in der Lage
ist, den wahren Kern der Sache zu begreifen, die es vertritt, und daher dann
eine verzerrte Form der ursprüngliche Philosophie anwendet. In diesem Fall will
besagter Dämon den Zustand völliger Ordnung herstellen, indem er alles
vernichtet, was Unodnung verursachen könnte."
"Nani?!"
"Er hat unter anderem das Tau Ceti-System entvölkert und dabei auch die
dortigen Gegenstücke von Asgard und Nifelheim ausradiert.", stellte Hild
grimmig fest. "Und jetzt ist er auf demWeg hierher nach Midgard."
"Oh." Ranma-chan war sichtlich betroffen. "Aber...wie soll ich ein Wesen
aufhalten, das die Macht hat, ein ganzes Sonnensystem zu vernichten? Und wäre
es nicht eine Aufgabe für Kami, einen wildgewordenen Dämon zu vernichten?"
"Normal ja.", gab Yui zurück. "Aber da dieser Dämon Champion einer
universellen Kraft ist, müßten der oder die Kami ebenfalls als Champions
antreten, und zwar als Champions der entgegengesetzten Kraft."
"Und ein Kami, der als Champion des Chaos kämpft, ist eben wegen der
spirituellen Inkompatibilität ein genauso großes Problem wie ein Dämon, der
als Champion der Ordnung antritt.", knurrte Hild.
"Ich verstehe. Aber trotzdem..."
"Es gibt bereits Mächte in Midgard, die gegen ihn und seine Schergen antreten
werden. Sterbliche mit besonderen Fähigkeiten.", erläuterte Hild. "Aber ihre
Chancen auf einen Sieg liegen nach unserer Einschätzung bestenfalls bei
fünfzig Prozent. Sollten sie verlieren, bedeutet das unser aller Ende."
"Verstehe. Ich soll diesen Kämpfern beistehen, um ihre Chancen zu verbessern."
"Exakt."
"Aber wieso muß ich dafür ein Dämon werden? Wieso muß ich dieses Bannsiegel
verlieren?"
"Weil wir nicht das Risiko eingehen können, daß du im Endkampf plötzlich
einen Tick zu schwach bist.", erklärte Yui.
"Und weil du als Dämon eine Reihe von Talenten hast, die diesen Helden dabei
helfen könnten, den Feind zu schlagen.", setzte Hild hinzu. "Ich weiß, daß
dir die Andeutung nicht gefällt, du könntest zu schwach sein. Aber angesichts
dessen, was auf dem Spiel steht, ist für Ego-Streicheleinheiten kein Platz."
Ranma-chan nickte einsichtig.
"Wieso haben sie mir das nicht sofort gesagt, Sensei?"
"Wir sind hier in Nifelheim und nicht in Bushido-Land, Ranma. Wenn du zustimmst
zu helfen, wird das dein gesamtes zukünftiges Leben verändern, und deshalb
darf deine Hilfe nicht auf reinem Pflichtgefühl basieren. Du wirst uns nicht
einfach den Rücken zukehren können, sobald diese Aufgabe gelöst ist.",
antwortete Yui bedächtig. "Du hast nun die Chance, die ich dir am Ende deines
Trainings ohnehin gegeben hätte. Du hast die Chance, unter den gerade genannten
Bedingungen deine Hilfe zu verweigern. Wir haben ausreichende Ressourcen, um uns
nach einem Ersatz für dich umzusehen."
"Bevor ich darauf antworte, wüßte ich gern, was mich zu eurer ersten Wahl
gemacht hat.", erwiderte Ranma-chan. "Doch sicher nicht nur meine Herkunft,
oder?"
"Deine bisherige Kampfkunstausbildung. Deine Anpassungs- und Lernfähigkeit, die
dir hoffentlich helfen werden, dir das nötige Wissen schnellstmöglich
anzueignen. Deine absolute Loyalität, wenn du von der Richtigkeit eines Weges
überzeugt bist. Deine Fähigkeit, dich emotional belastenden Situationen zu
stellen, ohne an ihnen zu zerbrechen. Und die Tatsache, daß du nun fast
siebzehn Jahre als Mensch gelebt hast.", zählte Yui auf.
"Wenn es um Stärke oder Macht geht, wären wir besser dran, wenn wir einen
vollwertigen Dämon mit Erfahrung schicken würden.", ergänzte Hild. "Aber
einen reinblütigen Dämon würden die, die du unterstützen sollst,
wahrscheinlich als Feind ansehen und ebenfalls bekämpfen. Allein durch die
Aufspaltung ihrer Kräfte würden sich ihre Siegchancen gegen das wahre Übel
noch mehr verringern. DU jedoch hast gute Chancen, sie davon zu überzeugen,
daß du auf ihrer Seite stehst."
"Verstehe. Und was genau meinen sie mit Änderungen meines zukünftigen Lebens,
Sensei?"
"Wenn du diese Aufgabe akzeptierst, wenn du einer von uns wirst, dann gibt es
kein Zurück.", antwortete Hild an Yuis Stelle. "Als Dämon hat deine Loyalität
zuallererst Nifelheim zu gehören. Man wird dir gemäß deiner Macht und deiner
Fähigkeiten Aufgaben und Verantwortung zuweisen und als Magna-Regentin erwarte
ich, daß du deine Aufgaben erfüllst und dir deiner Position im Gefüge des
Universums bewußt bist."
"Was ist mit den Leuten in Nerima? Pops, den Tendos, Ucchan, den Amazonen..."
"Yui sagte, du kennst ihre Divinationskammer bereits.", antworte Hild darauf
lächelnd. "Lass uns dort hin gehen und einen Blick auf das Labyrinth der
Möglichkeiten werfen."
"Yui kann mit ihren Kräften und Befugnissen in die Gegenwart und Vergangenheit
sehen.", erklärte Hild vor dem großen Divinationsspiegel. "Mächtigere
Dämonen wie meine Wenigkeit sind außerdem noch in der Lage, 'Was wäre
wenn?'-Fragen zu untersuchen oder bestimmte für das Auge normalerweise
unsichtbare Effekte sichtbar zu machen."
"Ich nehme an, das ist nützlich, wenn man Pläne machen will.", meinte
Ranma-chan nachdenklich.
"Das ist es.", bestätige Hild. "Obwohl es natürlich kein Mittel ist, mit dem
man Erfolgsgarantien bekommen kann. Aber es ist ebenso nützlich, um Argumente
mit Beweisen zu unterstützen."
"Wie meinen sie das?"
"Nun, du fragst dich doch sicher inzwischen, ob es nicht besser gewesen wäre,
wenn Yui niemals dein Bannsiegel geschwächt hätte, nicht wahr?"
"Der Gedanke ist mir gekommen.", gab Ranma-chan zu. "Zumindest hätte ich dann
meinen Jusenkyo-Fluch nicht."
"Nun, mal sehen was dann passiert wäre.", erwiderte die Magna-Regentin. "Ich
habe mich darauf vorbereitet, dir einige Situationen so zu zeigen, wie sie ohne
Yuis Eingriff wahrscheinlich verlaufen wären."
Hild erteilte dem Spiegel dann mit einer Reihe von Worten und Gesten, die Ranma
völlig unverständlich waren, Befehle.
Kurz darauf zeigte der Spiegel eine Ranma sehr gut in Erinnerung gebliebene
Situation.
Es war der Tag seiner Ankunft bei den Tendos. Akane hatte ihr Sparringmatch
gegen Ranma haushoch verloren und war stinkwütend geworden. Später, nach einem
in dieser Fassung ereignislosen Bad des fluchfreien Jungen, erklärte Soun
Tendo, Ranma solle sich nun seine Verlobte auswählen, woraufhin Akane erneut
einen Streit vom Zaun brach. Der Ranma im Spiegel setzte sich mit einem
Schnauben auf die Veranda und erklärte, ohne sich zu ihr umzudrehen, sie
bräuchte sich keine Sorgen machen. So ein streitsüchtiges, unhübsches
Machoweib, das noch dazu flach wie ein Brett wäre, würde er ganz sicher nicht
heiraten wollen. Ranma-chan verzog das Gesicht zu einer mitfühlenden Grimasse,
als die Akane im Spiegel den dortigen Ranma unter dem Wohnzimmertisch begrub.
"Warum kommt er nicht raus?", wunderte Ranma-chan sich nach einer Weile.
"Das ist relativ schwierig, wenn man einen zertrümmerten Schädel und ein
gebrochenes Genick hat.", bemerkte Hild trocken und schnippte einmal mit dem
Finger.
Das Bild, das sich dem schreckensbleichen Kampfsportler nun zeigte, war eine
Szene beim Abendessen.
"Diese Szene setzt voraus, daß du die Begegnung mit dem Tisch vermieden hast.",
erklärte Hild.
Ranma-chan erkannte mit Grauen, daß der Ranma im Spiegel in Kürze
Bekanntschaft mit Akanes sogenanntem Essen machen würde. Ein Essen, das
besagtem Ranma nach anfänglicher und sehr verständlicher Verweigerung von
einer wütenden Akane mit Gewalt eingeflößt wurde. Eine Geste Hilds
beschleunigte an dieser Stelle den Zeitablauf der Darstellung bis zu einem
späteren Punkt, als Ranma krank, geschwächt und von Krämpfen geschüttelt in
seinem Bett lag.
Die Variante 'Tod durch Vergiftung' fand Ranma-chan noch furchtbarer anzuschauen
als die Variante 'Tod durch zertrümmerten Schädel'.
"Ich könnte noch einige Dutzend Beispiele von Situationen zeigen, die du ohne
Schwächung des Siegels und die damit einhergehende Verbesserung deiner
Heilungsrate und Giftimmunität nicht überlebt hättest.", stellte Hild fest.
"Man könnte also durchaus sagen, daß wir dir das Leben gerettet haben."
"Ihr?"
"Ich hätte dir ohne Hilds Erlaubnis nicht helfen dürfen.", erklärte Yui.
Ranma-chan nickte verstehend.
"Dann schulde ich euch beiden mehr, als ich mit Worten ausdrücken kann."
"Freut mich, daß du das einsiehst.", gab die oberste Höllenfürstin grinsend
zurück. "Und nun lass mich dir zeigen, wie meine etwas mißratene Tochter dein
Leben beeinflußt hat."
Mit diesen Worten ließ Hild den Spiegel eine Reise in die Vergangenheit
antreten und Ranma-chan genau zeigen, wie, wo und wann Urd jeweils verschiedene
Menschen manipuliert hatte, um ihm die Mehrheit der unglaublichen Zahl von
einundzwanzig Verlobten zu verschaffen. Zwei der Mädchen waren dabei
Ausnahmefälle. Kodachi war Opfer der von Urd offenbar nicht einkalkulierten
verstärkenden Wirkung von Kodachis Rosenextrakten, mit denen sie an sich selbst
experimentierte, auf eines von Urds Liebeselixieren. Und in Shampoos Fall hatte
Urds Einfluß sich auf den kurzen Regenschauer kurz vor Ranmas Besuch im
Amazonendorf beschränkt. Auf diese Weise hatte sie sichergestellt, daß es
wirklich zu Ranmas Kampf mit Shampoo kommen und Genma für seinen 'Angriff' auf
den Siegespreis des Turniers nicht sofort Bekanntschaft mit ein paar unangenehm
scharfen Amazonenspeeren machen würde.
"Wenn du als Mann in das Dorf gekommen wärst, hätten sie den Kampf mit dir
entweder komplett verweigert, oder du hättest bereits vor Beginn des Kampfes
von diesem furchtbar altmodischen Brauch mit dem Kuß der Heirat erfahren.",
stellte Hild klar. "Das sagen zumindest meine Simulationen dieser Situation."
Ranma-chan nahm das mit großem Interesse zur Kenntnis. Momentan hoffte sie für
Urd, daß die Göttin ihr niemals in die Finger geraten würde. Dann fiel ihr
jedoch eine Bemerkung Hilds wieder ein.
"Was meintet ihr, als ihr von eurer mißratenen Tochter spracht, Hild-sama?"
"Urd ist meine und Kami-samas Tochter.", antwortete die Magna-Regentin darauf
geradeheraus. "Sie hat sich entschlossen, für Kami-sama tätig zu sein und ist
deshalb als Göttin gelistet, obwohl sie zur Hälfte Dämonin ist. Ihre
rebellische Art und Disziplinlosigkeit bringen ihr dort ständig Ärger, aber
bisher weigert sie sich beharrlich, meinem Ruf zu folgen und nach Nifelheim
überzusiedeln." Sie zuckte mit den Schultern. "Was soll's? Früher oder später
wird sie hoffentlich vernünftig werden."
"Bedeutet das, ihr werdet eingreifen, wenn ich ihr für ihr Verhalten eine
Lektion erteilen werde?"
"Warum sollte ich?", gab Hild grinsend zurück. "Je mehr Schwierigkeiten sie
bekommt, desto früher wird sie erkennen, daß sie für den Job als Göttin
nicht geschaffen ist."
Diese Worte trugen wesentlich zu dem Gefühl der Zufriedenheit bei, das die
Rothaarige momentan empfand. Bisher waren die Ursachen für die ständig neuen
Probleme in ihrem Leben oft nebulös gewesen. Jetzt hatte sie endlich jemanden,
den sie tatsächlich für ihr Schicksal verantwortlich machen konnte.
°Ich wußte ja gleich, daß Pops zu dumm ist, um all den Mist auszuhecken, mit
dem ich mich ständig rumärgern muß.°, dachte sie bei sich. °Wenn ich mit
Yui-Senseis Training fertig bin und Neko mich von meiner Angst vor K-Ka-diesen
Dingern befreit hat, werde ich mich um den Rest kümmern. Es wird Zeit, daß ich
endlich die Kontrolle über mein Leben wieder an mich nehme.°
"So wie ich das momentan sehe, gibt es drei Mädchen, deren Verlobungen aktuell
sind.", riß Yui den Rotschopf aus seinen Gedanken. "Akane Tendo, Ukyo Kuonji
und Xian Pu von den Amazonen."
"Danke, daß sie Kodachi nicht mitgezählt haben, Sensei."
"Würde mir nicht im Traum einfallen.", erwiderte Yui grinsend. "Aber von dir
hätte ich jetzt gerne eine Antwort auf die Frage, was mit diesen Verlobungen
geschehen soll."
"Bevor du darauf antwortest, Ranma, denke daran, daß es für alle drei
Verbindungen Wege gibt, sie ohne Ehrverlust zu lösen, wenn du das willst.",
setzte Hild hinzu. "Dieser Schritt verlangt allerdings eine gehörige Portion
Vorausplanung deinerseits."
"Wenn sie das wissen, dann kennen sie doch auch die Lösung, nicht wahr?"
Hild lächelte süßlich.
"Natürlich."
"Und...sagen sie sie mir?"
"Natürlich nicht."
"Warum nicht? Das würde doch vieles einfacher machen.", schmollte die
Rothaarige ein wenig mürrisch.
"Weil du mir beweisen sollst, daß du deinen Kopf auch zum Denken und nicht nur
als Sandsack- oder Amboßersatz verwenden kannst.", erwiderte die
Magna-Regentin. "Wenn du in der Hierarchie aufsteigen und dein Leben nicht als
Laufbursche der höherrangigen Dämonen verbringen willst, dann mußt du mir
demonstrieren, daß du eigenständig Probleme analysieren und lösen kannst."
"Hmm. Jetzt weiß ich wenigstens, wieso Neko darauf bestanden hat, daß ich
Schach lerne.", schnaufte Ranma-chan, als sie das hörte. "Und um ihre Frage zu
beantworten, Sensei: Ich kann kein Mädchen heiraten, wenn Liebe und Vertrauen
fehlen. Alle Drei zeigen mir auf ihre Art, daß sie mir nicht vertrauen, und
Shampoo demonstriert zudem regelmäßig, daß ich ihr auch nicht trauen kann.
Ukyo wird für mich nie mehr sein als meine beste Freundin oder eine Schwester.
Shampoos Anspruch basiert auf einem Wettkampfbetrug, weshalb ich ihn nicht
anerkennen kann. Und Akane..." Sie seufzte traurig. "Manchmal denke ich, wir
könnten das perfekte Paar werden. Aber ich kann und will keine Beziehung
führen, in der ich mich ständig vor körperlichen Angriffen fürchten muß.
Zumal diese Angriffe meist ohne ersichtlichen Grund stattfinden."
"Gute Entscheidung.", stellte Hild kurz und bündig fest. "Ich wollte es vorher
nicht ansprechen, weil ich deine Entscheidung nicht beeinflussen wollte, aber
eine Beziehung mit Akane hätte ohnehin nicht funktioniert."
"Warum das nicht?"
"Lass es mich so formulieren: Sobald du Yuis Training beendet hast, wofür ich
dir noch eine Woche gebe, wirst du als Klasse-3-Dämon registriert werden, was
die niedrigste mögliche Einstufung für Dämonen mit Rang und das absolute
Minimum für einen Einsatz als Champion ist.", antwortete Hild. "Das wird bei
weitem nicht ausreichen, um deinen Rettungseinsatz erfolgreich zu absolvieren,
aber es reicht, um dir ein paar grundsätzliche Möglichkeiten zu eröffnen. Du
bekommst danach zwei Wochen, um deine Angelegenheiten in Nerima zu regeln und
Nekos Training zu beginnen, bevor deine eigentliche Mission beginnt."
"Das beantwortet meine Frage aber nicht, Hild-sama."
"Natürlich nicht, Dummkopf.", gab die Angesprochene zurück. "Eine deiner
ersten Aufgaben als Klasse-3-Dämon wird sein, zu beweisen, daß du deinen Kopf
zum Denken benutzen kannst. Mit anderen Worten: Du wirst das Geheimnis um Akane
Tendo eigenhändig lösen müssen. Und vergiß nicht: Überzeugende Leistungen
im Einsatz sind der einzige Weg zur Beförderung und damit zu mehr Macht."
Ranma-chan nickte knapp.
"Gut." Hild wandte sich an Yui. "Ich komme in einer Woche wieder. Dann erwarte
ich, daß Ranma zur Initiation bereit ist."
"Ich werde euch nicht enttäuschen, Hild-sama."
Das silberhaarige Mädchen grinste bedrohlich.
"Ich weiß."
Nach diesen Worten ließ sie Ranma-chan und Yui allein.
Und natürlich verschwendete der blauhaarige Succubus keine Zeit und beorderte
Ranma-chan sofort in den Trainingsraum.
"Und wie geht's jetzt weiter, Sensei?"
"Du hast ja gehört, daß wir dein Training beschleunigen müssen.", erwiderte
Yui mit einem Seufzer auf den Lippen und wandte sich ihrem Schüler zu. "Das
bedeutet, wir werden dich mit Dingen, an die du besser langsam herangeführt
worden wärst, in einem Tempo konfrontieren müssen, bei dem ich nur hoffen
kann, daß es nicht zu viel für deine Psyche ist."
Ranma musterte den Succubus aus zusammengekniffenen Augen.
"Ich hab früher schon verrückte Trainingsmethoden überlebt. Aber sie sind der
erste Sensei, der sich ehrliche Sorgen um mich macht. Ich weiß das mehr zu
schätzen als sie ahnen können, aber wenn ich Hild-sama richtig verstanden
habe, haben wir keine Wahl, oder?"
"Nein, Ranma. Haben wir nicht.", bestätigte Yui. "Aber bisher orientierte sich
das Tempo des Trainings an der Geschwindigkeit, mit der du dich an neue Reize
anpassen und neue Sichtweisen verstehen konntest. Diesen Luxus haben wir jetzt
nicht mehr und ich fürchte, das wird dein Training auf psychischer Ebene für
dich nun erstmal ziemlich unangenehm machen."
"Wie gesagt...nichts, woran sie oder ich etwas ändern könnten."
"Behalte im Hinterkopf, daß alles, was wir hier tun, letztlich nicht gegen
deine eigentliche Natur ist. Sei neuen Emotionen und Sinneseindrücken
gegenüber aufgeschlossen, anstatt dich vor ihnen zu verstecken. Und, und das
ist besonders wichtig, versuche auf jeden Fall, so viel Spaß wie möglich
während deiner letzten Trainingswoche zu haben."
"Sensei. Erst erklären sie mir, daß das Training unangenehm werden wird, und
jetzt sagen sie mir, ich soll Spaß dabei haben? Ein wenig seltsam, oder?"
"Wie man's nimmt, Ranma.", erwiderte Yui darauf mit einem schmalen Lächeln.
"Ich werde dir jetzt eine neue Ki-Technik demonstrieren."
"Succubi lernen auch Ki-Techniken?", rief die Rothaarige in einer Mischung aus
Verwunderung und Begeisterung.
"Sicher. Es gibt eine ganze Reihe von Ki- und Shiatsu-Techniken, die speziell
für ein sexuelles Umfeld optimiert worden sind. Diese hier heißt 'Passion
Touch'."
Bevor Ranma den Inhalt dieser Aussage komplett verdaut hatte, hatte Yui bereits
eine Hand auf eine von Ranma-chans Brüsten gelegt.
Der Rotschopf spürte, wie Ki über diese Verbindung in ihren Körper strömte.
Im nächsten Moment...
"GAAAAAAAAAAAAAAAAAH!", rief Ranma-chan mit weit aufgerissenen Augen.
Dann sackte sie zu Boden, als ihre Knie weich wurden und bunte Lichter in ihrem
Kopf zu explodieren schienen. Ihr ganzer Körper zitterte, als ob er an eine
Stromleitung angeschlossen worden wäre. Jeder Versuch einen klaren Gedanken zu
fassen erwies sich als unmöglich, während ihr Körper minutenlang die
Nachwehen eines extrem starken Orgasmus erlebte.
"W...w-was...war'n das?", murmelte Ranma-chan schließlich nach einer Weile mit
schwacher Stimme.
"Weisst du noch, was du über erogene Zonen gelernt hast?"
Ranma-chans Kopf deutete ein Nicken an. Zu mehr fühlte sie sich im Augenblick
nicht im Stande.
"All diese erogenen Zonen deines Körpers sind logischerweise mit dem
Lustzentrum in deinem Gehirn verknüpft. Und die gerade demonstrierte Technik
sendet einen starken Ki-Impuls über jede beliebige dieser erogenen Zonen direkt
in besagtes Lustzentrum und sorgt dort für maximale Stimulation.", erklärte
Yui ihre Technik. "Je größer oder empfindlicher die ausgewählte erogene Zone
ist, desto mehr Ki lässt sich übertragen und desto stärker ist der Effekt.",
fuhr sie fort. "Außerdem sendet das derart stimulierte Lustzentrum Reize zu
allen anderen für sexuelle Belange relevanten Bereiche deines Körpers."
Ranma-chan machte große Augen, als sie das Gehörte zu begreifen begann. Ein
Vorgang, der nun bei weitem nicht mehr so viel Zeit in Anspruch nahm wie er es
noch zu Beginn des Trainings getan hätte. Wieder einmal wurde Ranma bewußt,
wieviel er in den vergangenen Wochen über sich und seinen Körper gelernt
hatte. Und obwohl es sein weiblicher Körper war, über den er nun so gut
Bescheid wußte, stellte er fest, zumindest wenn er ehrlich war, daß ihn dieser
Umstand nicht mehr wirklich störte.
Noch während er so über diese neue Erkenntnis nachdachte, merkte er, daß sein
Sensei wieder zu reden begonnen hatte.
"Sorry, Sensei. Was war das?", unterbrach er Yuis Erklärung, da er nicht
zugehört hatte.
"Ich sagte, daß die gerade demonstrierte Technik recht einfach zu lernen und
anzuwenden ist, und daß sie sexuelle Erfüllung für jeden potentiellen Partner
garantiert.", wiederholte der Succubus geduldig. "Aber diese Technik hat einen
Haken."
"Oh. Und der wäre?"
"Denk daran, daß wir Succubi uns durch sexuelles Überschuß-Ki ernähren,
Ranma. Wenn du gleich zu Beginn diese Technik einsetzt, wird die von deinem
Partner beim Höhepunkt freigesetzte Energie bestenfalls die für diese Technik
aufgewandte Energie ausgleichen.", erläuterte sie. "Außerdem ist es auf Dauer
unbefriedigend, ja sogar beleidigend für deinen Partner, wenn du ihn lediglich
durch eine simple Berührung zum Höhepunkt bringst und es dabei bewenden
lässt."
"Aber ich bin kein vollblütiger Succubus.", wandte Ranma ein. "Und ich
bevorzuge richtige Mahlzeiten."
"Lass es mich anders formulieren, SCHÜLER: Die Kenntnis dieser Ki-Technik ist
für dich keine Entschuldigung, nicht zu lernen, für die gegenseitige
Erfüllung auf die gute alte traditionelle Art und Weise zu arbeiten. Betrachte
die Ki-Technik als eine Abkürzung für Notfälle, nicht als die anzuwendende
Norm."
Nach diesen Worten schnippte Yui demonstrativ mit den Fingern, woraufhin mehrere
Tentakel, ähnlich denen, die in den Ranma-chan so vertrauten Sessel eingebaut
waren, aus der Zimmerdecke herabschossen und sich um Ranmas Arme, Beine und
ihren Unterleib wickelten.
"Hey, was...?", konnte der Rotschopf gerade noch rufen, bevor er etwas über
einen Meter in die Höhe gehievt und in eine waagerechte Position gebracht
wurde.
Frei im Raum hängend drehte Ranma-chan ihren Kopf, bis sie Yui gefunden hatte,
die mit zwei ihrer Bediensteten irgendwo hinter ihr stand und leise ein paar
Worte wechselte.
"Was soll das werden, Sensei?", erkundigte sie sich mit einem leichten Beben in
der Stimme, das Unsicherheit vermittelte.
"Nun, Ranma, bisher hat dein Training daraus bestanden, anderen bei ihren
Aktivitäten zuzuschauen und dich daran zu gewöhnen.", erklärte Yui sachlich.
"Nun wird es Zeit, daß du eine etwas aktivere Rolle übernimmst, findest du
nicht?"
"Hä? Aktivere...Moment...AAAAH!"
Der Aufschrei resultierte nicht etwa aus der Erkenntnis, was Yui mit ihren
Worten meinte.
Er resultierte aus der Überraschung, die Ranma-chan empfand, als zwei
Handpaare, zwei sehr kundige Handpaare obendrein, damit begannen, Ranma-chans
anatomische 'Besonderheiten' genauer zu erkunden.
Überraschung, die schon recht bald einem weiten Spektrum anderer Emotionen zu
weichen begann.
Die letzte Phase von Ranma-chans Training in den besonderen Künsten der Succubi
hatte begonnen...
Ranma-chan war so nervös wie nie zuvor in ihrem Leben, als sie das Vorzimmer
von Hilds Büro betrat. Auch der freundliche Empfang durch den blonden Succubus,
der dort Dienst tat, änderte an ihrer Nervosität nicht viel.
"Du kannst gleich durchgehen, Ranma.", erklärte die Blondine lächelnd. "Der
Boß erwartet dich bereits."
"Wie beruhigend.", murmelte die Rothaarige mit gespielter Begeisterung.
"Oh, keine Angst. Wenn du nach deinem Besuch bei Hild-sama Aufmunterung
brauchst..." Sie lehnte sich weit genug vor, daß Ranma-chan einen Blick tief in
den Ausschnitt der semitransparenten dunkelroten Bluse werfen konnte, bevor sie
weitersprach. "...dann komm einfach zu mir."
Ranma-chan atmete einmal tief durch.
"Mal sehen, wie es sich da drin entwickelt.", erwiderte sie dann mit einem
höflichen Lächeln, nickte der Blondine noch einmal kurz zu und öffnete dann
die Tür zu Hilds Büro.
Nachdem sie eingetreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte,
verneigte sie sich tief vor der Magna-Regentin, die auf der anderen Seite eines
breiten Schreibtisches aus Chrom und Glas saß.
"Guten Tag, Hild-sama. Ihr habt mich rufen lassen."
Hild lächelte Ranma-chan freundlich zu und deutete auf einen Sessel vor ihrem
Schreibtisch.
"Schön daß sich deine Manieren verbessert haben, Ranma. Setz dich doch."
Ranma kam der Aufforderung nach und wartete dann darauf, daß die Magna-Regentin
sich mit ihm befassen würde.
Hild beendete einige Eintragungen in einem offenbar holographischen
Computerdisplay, bevor sie eine auf ihrem Schreibtisch liegende Aktenmappe
aufschlug.
"Weisst du, was ich hier in der Hand halte, Ranma?"
"Woher sollte ich das wissen, Hild-sama?", gab er irritiert zurück.
"Stimmt. Woher solltest du das wissen?", stimmte Hild ihm zu. "Ich habe hier
deine Dienstakte."
Ranma-chan blinzelte verblüfft.
"Dienstakte?"
"Glaubst du, wir in Nifelheim kennen keine Bürokratie?", fragte sie
schmunzelnd. "Jeder Dämon der hier arbeitet hat eine Akte, in der seine
Aktivitäten verzeichnet werden. Berichte über besondere Leistungen, aber auch
über Fehler.", erläuterte sie. "Wenn es gut für dich läuft, werden sich hier
drin Belobigungen ansammeln. Und wenn eine gewisse Zahl von Belobigungen
erreicht ist, werden Beförderungsempfehlungen ihren Weg in diese Mappe finden."
Ihr Lächeln wurde eine Spur bedrohlicher. "Solltest du allerdings wieder und
wieder versagen, dann werden sich in dieser Mappe Rügen und
Degradierungsempfehlungen wiederfinden und man wird dir über einen mehr oder
weniger langen Zeitraum wirklich unangenehme Arbeiten aufhalsen, bis du deinen
Wert unter Beweis gestellt oder dich irgendwie rehabilitiert hast." Nun
wechselte Hilds Lächeln von bedrohlich zu finster. "Glaube mir, Ranma, wenn ich
dir sage, daß es in deinem ureigenen Interesse ist, nicht zu versagen.
Verstehen wir uns?"
Ranma-chan schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter.
"V-Vollkommen, Hild-sama.", antwortete sie nickend.
"Sehr schön." Hilds Lächeln war nun wieder strahlend und freundlich. "Dann
können wir ja nun zu den wichtigen Dingen kommen. Du hast dein Training unter
Yui erfolgreich abgeschlossen, nehme ich an?"
"Einige sehr spezielle Dinge haben wir noch nicht behandelt, aber Yui-Sensei ist
zuversichtlich, daß ich mir dieses Wissen in naher Zukunft mit Hilfe eines
Tutors aneignen kann. Aber sonst habe ich das Training erfolgreich beendet."
"Ah ja, ihren Antrag für einen Tutor habe ich heute schon gesehen." Hild
musterte Ranma-chan erwartungsvoll. "Wenn du dein Training wirklich beendet
hast, dann müßtest du dich ja nun ohne Probleme in deine andere Form
transformieren können."
Ranma-chan schloß die Augen, konzentrierte sich kurz und wurde binnen weniger
Augenblicke zu Ranma-kun.
"Zufrieden, Hild-sama?"
"Für den Moment ja. Aber dir muß bewußt sein, daß das hier erst der Anfang
für dich ist. Um die bevorstehende Aufgabe bewältigen zu können, hast du noch
einen weiten Weg vor dir."
"Das ist mir bewußt, Hild-sama. Und ich verspreche, daß ich mein Bestes geben
werde."
"Sehr schön. Damit greifst du fast schon der traditionellen Zeremonie vor, aber
egal." Hild erhob sich von ihrem Platz und trat um ihren Schreibtisch herum.
"Knie nieder."
Ranma gehorchte.
"Ranma Saotome. Bist du bereit, aus freiem Willen und in vollem Bewußtsein der
damit verbundenen Verantwortung deine bisherigen Verpflichtungen als
halbsterblicher Bewohner Midgards hinter dir zu lassen, deine Position im
kosmischen Kreislauf aufzugeben und in den Dämonenstand überzutreten, alle dir
von deinen Vorgesetzten übertragenen Aufgaben nach besten Kräften und zum
Wohle Nifelheims zu erfüllen, und dich an die Vorschriften und ethischen
Richtlinien, wie sie für Dämonen gültig sind, zu halten? Dann sage: Ich bin
bereit."
Hild wartete gespannt auf die rituellen Worte, während Ranma sich den ihm
abverlangten Eid durch den Kopf gehen ließ, bevor er antwortete. Schließlich
war er eindringlich genug davor gewarnt worden, keine vorschnellen Versprechen
mehr abzugeben.
"Ich bin bereit.", erklärte er schließlich mit fester Stimme, nachdem er
einige Minuten lang das Für und Wider abgewogen und sich so seine Gedanken
über den Eid und seine Bedeutung für sein gesamtes weiteres Leben gemacht
hatte.
Hild legte ihm daraufhin die linke Hand auf das gesenkte Haupt und ließ ihre
Kraft fließen.
Ranma seinerseits hatte für einen kurzen Augenblick das Gefühl, als würde
sich ihm das gesamte Universum öffnen. Es war ein wundervolles Gefühl, das ihn
in Erstaunen versetzte und ihn mit Ehrfurcht erfüllte. Er begriff nun, was Yui
gemeint hatte, als sie Dämonen und Kami als zwei Seiten derselben Münze
bezeichnet hatte. Er begriff nun, daß Dämonen tatsächlich eine genauso
wichtige Rolle im Gefüge des Kosmos spielten wie die Kami. Und er begriff noch
so viele andere Dinge, die er in dem kurzen Augenblick gar nicht in Worte zu
fassen im Stande war.
Dann war dieses Gefühl, dieser magische Augenblick, vorbei und wich erst
extremer Desorientierung, dann totaler Schwärze.
Als Ranma wieder zu sich kam, plagten ihn bohrende Kopfschmerzen und er fand
sich auf einem weichen Ledersofa in einer Ecke von Hilds Büro wieder.
"Oh, mein Kopf.", brummte er mürrisch.
"Ah, du bist wieder wach.", meldete sich Hild zu Wort.
Wenig später wurde Ranma ein Glas an die Lippen gesetzt.
"Trink."
Ranma gehorchte, hätte die scheußlich schmeckende Brühe jedoch am liebsten
nach dem ersten Schluck wieder ausgespuckt. Dies jedoch ließ Hild nicht zu und
zwang ihn stattdessen, das ganze Glas in einem Zug zu leeren.
Bereits nach weniger als einer Minute ließen die Kopfschmerzen deutlich nach.
Zurück blieb lediglich ein leichtes Brennen, das von seiner Stirn auszugehen
schien. Er konnte es zwar nicht sehen, aber er trug nun ein rotes Symbol auf der
Stirn. Ein Symbol, das wie ein Rad mit acht Speichen mit langen Spitzen aussah.
Ranma wußte es zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, aber dieses Symbol
war das Zeichen des Ungeteilten Chaos, der vier Mächte, die ihn zu ihrem Avatar
bestimmt hatten.
"Wow. DAS nenne ich mal nen Kopfschmerzmittel.", freute er sich.
Als er sich aufsetzte, saß Hild bereits wieder hinter ihrem Schreibtisch und
hatte wieder Ranmas Dienstakte in der Hand.
"Fühlst du dich schon im Stande, mir zuzuhören?"
"Klar."
"Gut. Denn was du jetzt hören wirst, solltest du dir gut merken."
Diesen Hinweis nahm der frischgebackene Dämon sehr ernst.
"Fangen wir mit den einfachen Sachen an. Fragen kannst du stellen, wenn ich
fertig bin.", begann Hild. "Dein Titel ist: Ranma, Dämon dritter Klasse mit
Beschränkungen. Talente: Sex und Kampf. Einflußbereich: Wandel.
Transportmedium: Wasser. Primäre Energiequelle: Sexuelles Ki. Sekundäre
Energiequelle: Eiscreme. Schwachpunkt: Katzen." Hier endete Hild ihre
Aufzählung und schaute Ranma fragend an.
"Also um ehrlich zu sein...ich versteh nur Bahnhof."
Hild schmunzelte.
"Hatte ich auch nicht anders erwartet. Schließlich ist es das erste Mal, daß
du mit diesen Fachbegriffen konfrontiert wirst. Also gehen wir alles der Reihe
nach durch."
Ranma nickte gespannt.
"Deine Klasse gibt an, wie mächtig du bist, also wie hoch dein Kraftniveau
ist.", begann die Herrscherin Nifelheims ihre Erläuterungen. "Die meisten
Dämonen sind nicht mächtig genug, um überhaupt eine Rangeinstufung zu haben.
Klasse Drei ist die niedrigstmögliche Kategorie der Dämonen mit
Rangeinstufung. Innerhalb eines Ranges gibt es dann noch die Unterscheidung in
mit und ohne Beschränkungen. Diese Einstufung ergibt sich aus der Fähigkeit
des Dämons mit der Macht, die er aufgrund seiner Klasse erhält, umzugehen.
Anders gesagt: Sobald du im Umgang mit deinen Kräften geübt bist und einen
hohen Grad an Präzision erreicht hast, wirst du als unbeschränkt eingestuft.
Bis dahin werden dir Beschränkungen auferlegt, die unter anderem bestimmen,
wieviel Kraft du auf einmal einsetzen kannst."
Ranma nickte verstehend. Auch wenn er noch keine Vorstellung von den Ausmaßen
seiner Fähigkeiten hatte, so erschien es ihm sinnvoll, unerfahrenen Neulingen
Beschränkungen aufzuerlegen, damit sie keine Gefahr für sich selbst
darstellten oder versehentlich ganze Landstriche in die Luft sprengten.
"Deine Talente ergeben sich aus deiner Herkunft. Sex, da du zum Teil ein
Succubus bist, und Kampf aufgrund deiner bisherigen Ausbildung in Kombination
mit deinem Katzendämonenerbe.", fuhr Hild fort. Einflußbereich beschreibt das
Konzept oder den Aufgabenbereich, dem du zugeteilt bist. Es ist auch der
Bereich, in dem deine Kräfte, insbesondere Magie, sich am leichtesten anwenden
lassen. Und nebenbei bemerkt ist Wandel einer der üblichsten Bereiche, denen
ein Dämon des Chaos zugeteilt wird."
Bei dieser Erklärung schaute Ranma ein wenig verständnislos drein.
"Es ist wie bei den Kami.", erklärte Hild daraufhin. "Die Göttin der Jagd
beispielsweise kann Einfluß auf alles nehmen, was auch nur im entferntesten mit
der Jagd zu tun hat. Der Gott des Donners kann in gewissen Grenzen das Wetter
beeinflussen, zumindest wenn Gewitterwolken in der Nähe sind. Und so weiter."
"Das bedeutet, ich kann jetzt als Zauberer auftreten und mit Leichtigkeit
Mohrrüben in den Hut stecken und dafür Karnickel rausholen.", brummte Ranma.
"Genau.", meinte Hild lachend.
"Toll. Genau was ich brauche."
"Wandel ist einer der Aspekte des viergeteilten Chaos. Tzeentchs Aspekt, um
genau zu sein.", warf die Magna-Regentin ein. "Es macht auch den Wechsel
zwischen deinen beiden Formen wesentlich leichter für dich. Es ist zudem ein
sehr vielseitiger und flexibler Aspekt, der, bei intelligenter Anwendung, enorm
mächtig sein kann."
"Und wozu ist das gut?", fragte Ranma zurück. "Um Wasser brauche ich mir doch
jetzt keine Gedanken mehr zu machen. Das bedeutet also, ich brauche mich nicht
mehr zu verwandeln."
"Das ist so nicht ganz richtig, Ranma.", widersprach Hild kopfschüttelnd.
"Beide Formen sind ein Teil von dir. Und wenn du keinen spirituellen Schaden
davontragen willst, musst du Zeit in beiden Formen verbringen. Du hast es jetzt
lediglich in der Hand, WANN du in welcher Form unterwegs bist."
"Wenigstens etwas.", seufzte der junge Kampfsportler ein wenig enttäuscht.
"Mach dir nicht so viele Gedanken um etwas, was du nicht ändern kannst.", riet
Hild ihm. "Aber weiter im Text. Dein Transportmedium ist die Substanz, die du
brauchst, wenn du teleportieren willst."
"Ausgerechnet Wasser?!", protestierte Ranma naserümpfend.
"Du kannst auch ohne Wasser teleportieren, aber das kostet dich eine Menge
Energie. Außerdem kannst du so keinen Ort aufsuchen, an dem du noch nie gewesen
bist. Wenn du jedoch eine Wasserquelle in der Nähe hast, kannst du von dort zu
jeder beliebigen anderen Wasserquelle teleportieren, ohne dabei allzuviel
Energie zu verbrauchen."
"Verstehe."
"Damit kommen wir zu einem sehr wichtigen Punkt: Energie. Nidheg leitet allen
Dämonen Energie zu. Wenn du jedoch besondere Kräfte über einen längeren
Zeitraum einsetzen musst, oder wenn du sehr energieaufwendige Kräfte, wie
beispielsweise Kampfmagie, in größerer Menge einsetzen musst, dann kann Nidheg
diese Energie nicht so schnell ersetzen, wie du sie verbrauchst."
"Das Ergebnis dürfte dann so ähnlich ausfallen, wie wenn ich meine Ki-Reserven
verbrauche, richtig? Ich kann dann nicht mehr kämpfen."
"Schlimmer, Ranma. Wenn du deine Energie verbraucht hast, kippst du einfach um
und fällst in einen schlafähnlichen Zustand, aus dem du erst wieder erwachst,
wenn deine Energie wieder aufgeladen ist.", korrigierte sie ihn. "Deshalb ist es
wichtig, daß du dich unter allen Umständen aus einer gefährlichen Situation
zurückziehst, bevor es dazu kommt. Die primäre oder sekundäre Energiequelle
kannst du dann als eine Art Schnelllademechanismus benutzen, der dir einen
kurzen Energieschub gibt. Aber die so gewonnene Energie verbraucht sich
schneller als die über Nidheg gelieferte. Der Effekt ist in etwa mit einem
starken Aufputschmittel vergleichbar. Falls du übrigens eine weitere Motivation
brauchst, um auf eine Beförderung hinzuarbeiten, solltest du wissen, daß je
höher dein Rang ist, desto größer deine Reserven sein werden und desto mehr
Energie Nidheg dir regelmäßig zur Verfügung stellen wird."
Ranma zog eine Grimasse als er das hörte. Das ganze klang verdächtig nach
Doping.
"Nun zu deinem Schwachpunkt."
"Meine Angst vor Katzen sollte ich doch mit Nekos Hilfe loswerden.", wunderte
Ranma sich.
"Das mag sein.", meinte Hild dazu. "Aber der Schwachpunkt hat nicht
zwangsläufig etwas mit Angst zu tun."
"Womit dann?"
"Das ist von Dämon zu Dämon verschieden.", erwiderte Hild schulterzuckend.
"Ich kenne eine Dämonin, die anfangen muß zu tanzen, wenn sie Diskomusik
hört. Welchen Effekt die Nähe einer Katze auf dich hat, wirst du
unglücklicherweise selbst herausfinden müssen. Und dann rate ich dir, diesen
Effekt als dein größtes Geheimnis zu betrachten. Insbesondere gegenüber
anderen Dämonen, da diese deine Schwäche im Falle eines Streits sonst gegen
dich verwenden könnten."
Ranma nickte zustimmend.
"Das werde ich mir merken, Hild-sama."
"Gut. Dann bleibt mir jetzt nur noch, dich mit Neko und deinem Tutor zurück
nach Midgard zu schicken.", erklärte Nifelheims Herrscherin zufrieden. "Du
wirst beide bei deinem Sensei antreffen."
Ranma nickte bestätigend und erhob sich von seinem Platz.
"Dann wünsche ich dir viel Erfolg bei deinem ersten Auftrag."
"Ähm...was ist mein erster Auftrag?", wunderte Ranma sich.
"Hab ich dir doch schon mal gesagt, Baka.", seufzte Hild kopfschüttelnd. "Ich
habe Akane Tendos Akte für dich sperren lassen. Deine Aufgabe wird sein,
dennoch das Geheimnis aufzudecken, welches dieses Mädchen umgibt und mir somit
zu beweisen, daß du deinen Kopf zum Denken benutzen kannst." Sie lächelte
schmal. "Wie du auf Nidheg zugreifen kannst und was du sonst noch so für
Fähigkeiten besitzt, dies sind Dinge, die dir dein Tutor genauer erklären
wird."
"Geht klar."
"Und wenn du mit deinem Training unter Neko fertig bist, solltest du dich mit
dem Gedanken anfreunden, dir eine Waffe zuzulegen."
"Waffe?" Ranma rümpfte die Nase. "Waffenbenutzer sind schwach. Nimmt man ihnen
ihre Waffe weg, sind sie erledigt. Das ist ein Weg, den ich nicht gehen
möchte."
"Blödsinn.", widersprach Hild. "Die Schwäche, die du ansprichst, besteht nur
dann, wenn du von der Verwendung einer Waffe abhängig wirst. Waffen sind
nützliche Werkzeuge, Ranma."
"Aber..."
"Kein aber. Dein Kampfstil trägt doch frei übersetzt den Namen Anything goes,
richtig?"
"Ja. Und?"
"Wo bitte ist das 'Anything', wenn du eine Unmenge von Kampftechniken von
vornherein ausschließt?"
Ranma öffnete den Mund, um zu antworten, schloß ihn jedoch sofort wieder, als
er erkannte, daß es kein vernünftiges Gegenargument gab.
"Na schön.", grummelte er schließlich mit hängenden Schultern. "Ich kann's ja
mal versuchen."
"Sehr schön. Dann wäre es das jetzt. Viel Spaß in Midgard. Und grüß No-chan
von mir, wenn du sie triffst."
"Ihr kennt meine Mutter?", fragte Ranma, von der vertraulichen Anrede sichtlich
überrascht.
"Aber sicher. Wenn sie gerade keinen Urlaub in der Welt der Sterblichen macht,
sitzt sie im Rat der höchstrangigen Dämonen Nifelheims, wo sie eine wichtige
Ratgeberin für mich ist."
Das war eine Information, die Ranma erst einmal verdauen mußte.
Als Ranma später am Tag zu Yuis Villa zurückkehrte, wartete neben Yui, Neko
und Ranmas Bettgefährtinnen der letzten Tage, Sylvie und Mari, auch ein junges
Mädchen auf den frischgebackenen Dämon. Zunächst erkannte er das Mädchen
nicht, doch nach einigen Augenblicken des Nachdenkens fiel ihm ein, daß es das
Mädchen war, das ihn direkt nach seiner Ankunft in Nifelheim angesprochen
hatte, weil es ein Fan seiner Mutter war.
°Und dann war da ja auch noch dieser Kuß.°, überlegte er. Ein Kuß, der ihn
in einen hirnlosen Zombie verwandelt hatte, zumindest im übertragenen Sinne.
Irgendwie war ihm der Gedanke daran peinlich.
Nachdem er die 'Passion Touch'-Technik kennengelernt hatte, vermutete er
allerdings, daß dieser Kuß auch Teil einer speziellen Technik sein mochte.
°Sicher wird Yui-Sensei dafür sorgen, daß ich im Laufe der Zeit noch viel
mehr dieser Techniken lerne.°, überlegte er zuversichtlich und voller
Vorfreude. Yuis Training war auf seine Weise genauso verrückt wie alles, was er
unter Genma, Cologne und anderen Meistern durchgemacht hatte, aber es machte
nun, wo er endlich seine anerzogenen Hemmungen überwunden hatte, wesentlich
mehr Spaß.
Nun, genaugenommen war das nicht ganz korrekt. Kampfsporttraining machte ihm
noch genauso viel Spaß wie zuvor und war ihm sehr wichtig. Diese neue Art von
Training machte halt auf eine andere Art und Weise Spaß.
"Was macht das Mädchen hier, Sensei? Eine neue Schülerin?"
"Das ist Miki, Ranma. Du erinnerst dich vielleicht noch an sie?"
"Klar. Sie ist das Schulmädchen, das mir einen Kuß gegeben hat, kurz nachdem
ich hier in Nifelheim angekommen war."
"Richtig.", bestätigte Yui. "Sie ist außerdem dein Tutor.", fügte sie
grinsend hinzu.
"Sie...WAAAAS?!"
"Sie ist eine der besten Schülerinnen ihres Jahrgangs. Als solche wird sie nun
nach Midgard gehen und dort ein wenig praktische Erfahrung im Leben unter
Menschen sammeln. Das ist so ähnlich wie bei Studenten in Midgard, die
zwischendurch ein Auslandssemester absolvieren, um ihren Horizont zu erweitern.
Und genau wie bei diesen Studenten verbessert praktische Erfahrung in Midgard
Mikis spätere Karrierechancen hier in Nifelheim.", erläuterte Yui gelassen.
"All die Basistechniken, die du noch lernen mußt, beherrscht sie perfekt. Und
zusammen mit Neko wird sie dir beibringen, was du als Dämon unbedingt wissen
mußt."
"Hmm. Okay.", gab Ranma sich geschlagen, da er genau wußte, daß er kein
wirkliches Argument vorbringen konnte, das gegen den jungen Succubus als Tutor
sprach. "Aber wenn du jetzt sagst, sie soll mit mir bei den Tendos wohnen,
Sensei, dann wird jemand dafür leiden. Und dieser Jemand werde ausnahmsweise
mal nicht ich sein."
"Nur keine Sorge, Ranma.", warf Neko beruhigend ein. "So unterhaltsam es auch
wäre, Miki bei den Tendos einzuquartieren...", er kicherte bei der
Vorstellung, wie Akane auf den Gast reagieren würde, "für deine Ausbildung
wäre es eher kontraproduktiv."
"Und wo wird Miki dann wohnen?"
"Yui-sama hat erlaubt, daß ich als ihre Tochter auftreten darf.", antwortete
Miki darauf fröhlich. "Ich werde also bei meiner Tante wohnen, liebster
Cousin."
Ranma blinzelte verblüfft, zuckte dann jedoch mit den Schultern. Wenn seine
Mutter damit einverstanden war, und nachdem sie zehn lange Jahre allein gewesen
war, würde sie sich sicher nicht dagegen streuben, ein junges Mädchen unter
ihre Fittiche zu nehmen, hatte er dies zu akzeptieren. Nicht daß er damit ein
Problem hatte, solange seine Mutter nicht versuchte, ihn mit Miki zu
verkuppeln.
"Gut. Nachdem das geklärt ist, Ranma, könnt ihr euch ja auf den Weg machen.",
bestimmte Yui und umarmte Ranma zum Abschied. "Komm bald mal wieder vorbei und
besuch mich, Neffe."
"Werde ich machen, Tante Yui.", antwortete der junge Kampfsportler darauf,
während er die Umarmung erwiderte.
Yui lächelte glücklich. Das war das erste Mal, daß Ranma sie Tante genannt
und damit ihr Verwandtschaftsverhältnis akzeptiert hatte.
"Ranma.", wandte Neko sich an den frischgebackenen Dämonen.
"Was gibt's, Neko?"
Der andere Dämon gab ihm daraufhin eine Kopfnuß.
"Ab sofort bin ich dein Meister. Zumindest bis du die Neko-Ken gemeistert hast.
Also etwas mehr Respekt, klar?!"
"Sorry. Was wollt ihr von eurem unwürdigen Schüler, Sensei?"
"Naja, in den Arsch kriechen brauchst du mir nun auch wieder nicht.",
schmunzelte der Katzendämon. "Ich werde uns drei gleich nach Midgard
teleportieren, und ich möchte, daß du dabei meine Aura im Auge behältst,
damit du eine Idee bekommst, wie es gemacht wird."
"Hild-sama sagte, ich könnte schon teleportieren.", warf Ranma daraufhin ein
wenig verständnislos ein.
"Baka.", brummte Miki darauf nur. "Das ist wie mit einem kleinen Kind und dem
Laufen.", erklärte sie. "Die Fähigkeit zu haben es zu können, bedeutet nicht,
daß du es nicht lernen mußt, bevor du es tatsächlich tun kannst."
"Oh."
"Teleportiere unter keinen Umständen allein, solange Neko-sama oder ich nicht
sagen, daß du dazu bereit bist.", warnte der Succubus mit dem bis zum Po
reichenden fliederfarbenen Haar ihn eindringlich. "Wenn dir ein Fehler
unterläuft, könntest du mitten in einer Wand landen, was verdammt schmerzhaft
ist." Ihre türkisfarbenen Augen fingen Ranmas Blick ein und ließen ihn erst
wieder los, als Miki sicher war, daß ihr Schützling die Warnung ernst nehmen
würde.
Neko legte seine Hände auf Ranmas und Mikis Schultern und fragte ein letztes
Mal, ob beide bereit wären. Nachdem er von beiden eine Bestätigung erhalten
hatte, schloß er die Augen, konzentrierte sich auf seinen Zielort einer- und
die Unterwerfung kosmischer Energien unter seinen Willen andererseits.
Dann verschwanden er und seine Begleiter in einer stinkenden Schwefelwolke, um
fast im gleichen Augenblick im Hinterhof von Nodokas Haus wieder aufzutauchen.
Kapitel 5: Im Herzen des Chaos – Ein Besuch in Nerima
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Teil 5 - Im Herzen des Chaos – Ein Besuch in Nerima
"Es ist schön, daß du mich mal besuchst, mein Sohn.", erklärte Nodoka
erfreut, als sie Ranma und dessen Begleitern in ihrem Wohnzimmer gegenübersaß.
Alle Vier hatten Tassen mit dampfendem Grünen Tee vor sich stehen. "Ich
wünschte, du würdest häufiger die Zeit dazu finden."
"Ich auch, Mama.", seufzte Ranma. "Mein Leben ist nur immer ziemlich hektisch
und ich habe oft keine Kontrolle darüber, wann ich wo bin."
"Ich verstehe was du meinst.", erwiderte Nodoka darauf verständnisvoll und mit
einem leichten Schmunzeln. "Aber sag, was führt dich und deine Begleiter
hierher?"
"Nun...bevor ich darauf antworte, muß ich dir erst eine Frage stellen."
"Nur zu, Sohn."
"Sagt dir der Name Hild etwas?"
Nodokas Augen weiteten sich für einen Moment überrascht, während sie ihren
Mund öffnete, um etwas zu sagen, ihn aber sofort wieder schloß.
"Jetzt verstehe ich, wo du in den letzten Tagen gewesen bist.", erklärte sie
nach einem Moment des Schweigens. "Du warst in Nifelheim."
"Dann...ist es also wahr."
"Kommt darauf an, was du mit 'es' meinst, Ranma.", antwortete seine Mutter
darauf. "Wenn du meinst, daß ich nicht von dieser Welt stamme, dann ja. Es ist
wahr."
"Und eine gewisse Yui, ein blauhaariger Succubus, ist wirklich deine
Schwester."
"Oh, dann warst du also bei ihr zu Gast und nicht bei Hild. Ich hatte mich schon
gewundert.", erwiderte Nodoka lächelnd. "Hild muß viel zu sehr auf ihre
Reputation achten, als das sie für jemanden, der nicht mal in der Nähe ihres
eigenen Status anzusiedeln ist, Gastgeber spielen könnte."
"Ranma-kun hat unter Yui-sama trainiert, Nodoka-sama.", warf Miki an dieser
Stelle ein.
"Ist das so?" Ranmas Mutter machte ein überraschtes Gesicht. "Ich glaube, ich
werde mit meiner Schwester ein paar Worte über die ungefragte Einmischung in
das Leben MEINES Kindes wechseln müssen."
"Yui-chan hat lediglich im Auftrag von Hild-sama gehandelt."
"Und das rechtfertigt einen solchen Schritt, ohne Rücksprache mit mir, Ranmas
Mutter, zu halten?"
"Sie hat mir die Situation erklärt und mich selbst entscheiden lassen, ob ich
das tun wollte oder nicht.", stellte Ranma an dieser Stelle fest. "Ich habe mich
freiwillig dafür entschieden. Und letztlich sollte es ohnehin meine
Entscheidung sein, Mama. Nicht deine, nicht die des fetten dummen Pandas, oder
von irgendeiner der vielen anderen Personen, die bisher mein Leben kontrolliert
haben. Yui-Sensei war die erste Person in meinem Leben, die sich dafür
interessiert hat, was ICH will, und dafür bin ich ihr dankbar."
"Wenn das so ist." Nodoka seufzte leise. "Dämonen können ziemlich manipulativ
und rücksichtslos sein, und ich hatte angenommen, daß du unter Druck gesetzt
worden wärst."
"Naja..." Ranma kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Als sie mich nach
Nifelheim gebracht hat, hat sie mich in meine Fluchform gesperrt und darüber
war ich zunächst ziemlich wütend. Aber sie wollte mich damit nur motivieren zu
lernen, meinen Fluch unter Kontrolle zu bekommen."
"Du bist ihr also nicht mehr böse deswegen."
"Nein, Mama. Im Gegenteil."
"Könnte das an den vielen netten Sachen liegen, die sie dir beigebracht hat?",
fragte Miki unschuldig.
Ranma errötete leicht.
"Wer weiß?", gab er dann mit einem hintergründigen Lächeln zurück. "Und ich
bin ja gespannt auf die Dinge, die ich von meinem Tutor so lernen werde, hmm?"
Das zauberte ein schelmisches Lächeln auf das Gesicht des jungen Succubus.
"Ich bin sicher, du wirst nicht enttäuscht sein.", schnurrte sie
vielversprechend.
"Könntet ihr mir nun erklären, warum ihr hier seid?", brachte Nodoka das
Gespräch wieder auf den von ihr gewünschten Kurs zurück.
"Nun, Neko-sensei wird mir beibringen, die Neko-Ken zu meistern und meine Angst
vor K-Ka- diesen Felldingern in den Griff zu bekommen." antwortete Ranma auf die
Frage. "Und Miki hier soll praktische Erfahrungen auf der Erde sammeln und für
mich als Tutor fungieren, um mir einige Dinge beizubringen, die ich wissen muß,
in den paar Wochen bei Yui-Sensei aber nicht lernen konnte. Sie ist offiziell
meine Cousine und Yui bittet darum, daß du Miki während ihres Aufenthalts hier
bei dir aufnimmst."
"Unter der Voraussetzung, daß dein Tutorium hier stattfindet, bin ich
einverstanden.", stimmte Nodoka zu. "Auf diese Weise hast du einerseits eine
gute Entschuldigung den Tendos und all den Idioten die dir das Leben schwer
machen gegenüber, und ich kann mehr Zeit mit dir verbringen."
"Coole Idee.", rief Ranma begeistert.
"Und ich bin sicher, ein Klasse 1-Dämon wie ich kann euch beiden noch ein paar
nützliche Tips mit auf den Weg geben.", setzte Nodoka schmunzelnd hinzu. "So
von erfahrenem Succubus zu Succubus-Neuling."
"Ähm...sicher.", erwiderte Ranma etwas unsicher darauf, während Miki
angesichts dieses Angebots total aus dem Häuschen war.
Kein Wunder. Nodoka war schließlich ihr Idol.
"Was ich jetzt nur noch nicht verstanden habe ist, wieso sich Yui überhaupt die
Mühe gemacht hat, dich zu kontaktieren, Ranma."
Ranma erklärte ihr daraufhin das Problem, zu dessen Beseitigung Hild ihn
rekrutiert hatte.
Nodoka hörte ihrem Sohn schweigend und mit großem Interesse zu, und als er mit
seiner Erklärung fertig war, betrachtete sie ihn mit einer bisher noch nie
dagewesenen Mischung aus Ernst und Stolz.
"Als ich dich zur Welt gebracht habe, Ranma, war mir bewußt, daß zumindest die
theoretische Möglichkeit bestand, daß irgendein Ereignis dein Bannsiegel
lösen könnte. Aber ich hätte nie gewagt, mir vorzustellen, daß du einmal ein
Avatar werden würdest." Sie erhob sich von ihrem Platz, ging zu Ranma herüber,
der daraufhin ebenfalls von seinem Platz aufstand, und umarmte ihren Sohn. "Du
kannst dir nicht vorstellen, wie Stolz ich auf dich bin, mein Sohn."
"D-Danke, Mama. Das bedeutet mir viel.", erwiderte er darauf, während er die
Umarmung erwiderte.
In diesem Augenblick fühlte er sich geborgen, geliebt und akzeptiert.
Es war einer der schönsten Augenblick in seinem bisherigen Leben.
"Und du bist sicher, daß die Tendos dich bei sich wohnen lassen werden?",
wunderte Ranma sich zum x-ten Mal, während er mit Neko auf dem Weg zu besagten
Tendos war.
"Nun, nach allem was ich von dir gehört habe, wird diese Nabiki nicht allzu
begeistert sein, solange ich keine Miete zahle. Aber das geht mir sowas von am
Arsch vorbei.", antwortete der Katzendämon darauf schulterzuckend. "Denn Kasumi
wäre niemals so unhöflich, einen Gast vor die Tür zu setzen. Insbesondere
wenn es sich um deine einzige Chance handelt, deine Katzenphobie loszuwerden.
Und wenn diese Akane mir zu sehr auf den Keks geht, werde ich ihr eine Lektion
erteilen, denke ich."
"Sei nicht zu hart zu ihr, okay?"
"Keine Angst. Ich würde ihr keinen permanenten Schaden zufügen.", beruhigte
Neko seinen Begleiter. "Aber sie sagt doch selbst immer, sie sei eine
Kampfsportlerin und wolle auch so behandelt werden. Und genau das wird sie
erwarten, wenn ich die Geduld mit ihr verliere."
Ranma zuckte mit den Schultern.
"Selbstverteidigung ist eine Sache. Aber wenn du sie provozierst, wirst du bei
ihrer Familie nicht gerade Punkte sammeln. In dieser Hinsicht ist Akane das
kleine verwöhnte Prinzesschen, das sich um nichts kümmern muß, und dem jeder
Wunsch erfüllt wird."
"Dann ist es ja gut, daß der liebe kleine Neko eine große Portion Realität im
Gepäck hat, die er der kleinen Prinzessin notfalls in den Rachen stopfen kann,
hmm?!"
Ranma seufzte daraufhin nur schicksalsergeben und schüttelte den Kopf.
Wieso hatte er das Gefühl, daß er schon bald Zeuge des dritten Weltkriegs
werden würde?
°Wäre ja halb so wild, aber irgendwie werde ich sicher nicht als 'Zeuge'
sondern irgendwo mittendrin enden. Naja, ein chaotisches Leben ist womöglich
Voraussetzung für den Job als Avatar des Chaos.°
Eine Ebene von Midgard entfernt, in einer der großen Burgen Nifelheims, saß
Tzeentch, Herr des Wandels und Manipulator der Wege, auf seinem Thron, eine
Kristallkugel in seiner krallenbewehrten Linken haltend, und formte mit seinem
Vogelschnabel ein zufriedenes Lächeln.
"Endlich beginnst du, zu verstehen, Ranma.", schnurrte er mit seidenweicher
Stimme.
Hild trat an die Seite des Chaosdämons und warf einen kurzen Blick in dessen
Divinationskugel, bevor sie ebenfalls lächelte.
"Wieso bloß habe ich den Verdacht, daß er auch ohne Yuis Eingreifen zu einem
Avatar geworden wäre?", fragte sie in gespielt unschuldigem Ton.
Tzeentch wandte der Höllenfürstin seinen Kopf zu und blinzelte verblüfft,
während er versuchte, den Eindruck von Verständnislosigkeit zu vermitteln.
"Mein lieber Tzeentch. Du magst der Erzdämon der Manipulation sein, aber ich
bin nicht blöd. Der Junge hat weit mehr Chaos als normal in seinem Leben, auch
schon vor dem Jusenkyofluch, und ich glaube in dieser Hinsicht nicht an
Zufälle."
"Der Junge ist einfach der perfekte Kandidat für die Position unseres Avatars,
Hild-sama. Yuis kleine Manipulationen haben ihn nur noch perfekter gemacht."
"Wie beschränkt du doch in deiner Sicht bist, Intrigenschmied.", grollte eine
laute Stimme vom Eingang des Saals her. Dann trat eine gewaltige Gestalt mit
donnernden Schritten in den Raum. Der Dämon hatte eine Größe vom etwa fünf
Metern, was bedeutete, daß er kaum durch die Tür passte und seine roten
ledrigen Schwingen, die an Drachenflügel erinnerten, noch enger als gewöhnlich
anlegen mußte, um nicht im Türrahmen stecken zu bleiben. Er war gekleidet in
eine runenbesetzte Bronzerüstung auf einem muskelbepackten Körper, der aussah,
als habe man ihm sämtliche Haut abgezogen. In der rechten Hand trug er eine
doppelblättrige Kriegsaxt, die fast so groß war wie er selbst.
Hild ignorierte den Geruch nach Blut, der zusammen mit Khorne, dem Herrn der
Schädel, Erzdämon des Schlachtens – nicht im Sinne von Tierschlachterei oder
Metzgerei, sondern im Sinne von Abschlachten wohlgemerkt – in den Raum
eindrang.
Seine Bemerkung ignorierte sie allerdings nicht.
"Worauf willst du hinaus?", erkundigte sie sich bei dem blutrünstigsten aller
Dämonen.
"Sehr einfach, Hild-sama. Der Junge hat Potential, aber er ist alles andere als
ein Krieger."
"Nur weil er nicht jedem den Kopf abreißt, dessen Nase ihm nicht gefällt...",
begann Tzeentch ein wenig genervt, doch Khorne unterbrach ihn mit einem
Schütteln seines an einen Büffel erinnernden Kopfes – nun, wahrscheinlich
hätten Büffelköpfe so ausgesehen, wenn die Natur den Büffel zu einem wilden
fleischfressenden Raubtier gemacht hätte – und stieß ein belustigtes
Schnauben aus.
"Für einen Dämon, der sich so viel damit beschäftigt, den Dingen auf den
Grund zu gehen, begreifst du erstaunlich wenig, Bruder."
Tzeentch schaute nun ein wenig beleidigt drein.
Natürlich ging er den Dingen auf den Grund. Für eine umfassende Manipulation
war es schließlich am Besten, wenn man die Dinge an ihrer Wurzel manipulierte,
denn so ließen sich mit minimalem Aufwand maximale Effekte erzielen.
"Unser Avatar ist ein Kämpfer. Kein Krieger."
"Könntest du den Unterschied erläutern?", fragte Hild.
"Selbstverständlich, Herrin. Ranma hat gelernt wie man kämpft, und er hat dies
zugegebenermaßen sehr gut gelernt.", erwiderte der Herr der Schädel. "Doch die
Basisdoktrin unter der er gelernt hat, ist eine Doktrin, die ihn zwingt, Leben
zu schützen und zu achten. Auch die Leben derjenigen, die ihn bekämpfen."
Tzeentch und Hild blinzelten verblüfft. Khorne hatte hier in der Tat einen
wichtigen Punkt angesprochen.
"Ich habe seine Kämpfe beobachtet.", fuhr der Dämon fort. "Egal wie sehr seine
Gegner versuchen, ihn zu töten, er beschränkt sich darauf, sie kampfunfähig
zu machen. Mehr noch, er verplempert Zeit damit, mit ihnen zu spielen, anstatt
ihnen unmißverständlich aufzuzeigen, ein wie großer Fehler es war, sich mit
ihm anzulegen."
"Und wenn er wirklich in der ihm bevorstehenden Aufgabe erfolgreich sein will,
muß er zumindest im Ernstfall in der Lage sein, ohne Zögern zu töten.",
setzte Hild an dieser Stelle begreifend an. "Und damit haben wir ein Problem."
"Nicht wirklich, Gebieterin.", erwiderte Tzeentch nach einem Augenblick
nachdenklichen Schweigens.
"Worauf willst du hinaus, Tzeentch?", wollte Hild sofort wissen. "Und dieses Mal
kein langes Drumherumgerede."
"Ich hatte bereits mit Slaanesh über die Notwendigkeit diskutiert, unserem
Avatar noch ein wenig Unterstützung zukommen zu lassen."
"Wenn er Verstärkung bräuchte, um seinen Job zu erledigen, wäre er nicht
würdig, unser Avatar zu sein.", schnaubte Khorne als Reaktion auf diesen
Vorschlag verächtlich.
"Mein lieber Bruder, ich wollte keineswegs andeuten, ihm einfach Helfer zur
Seite zu stellen."
"Was dann?", fragte Hild ungeduldig.
"Nun, Hild-sama, ich hatte überlegt, daß unserem Avatar ein paar zusätzliche
Erfahrungen gut tun würden.", erklärte der Erzmanipulator. "Wie ihr wisst,
Hild-sama, sind wir in den verschiedensten Multiversen aktiv, um dort eine
Machtposition zu erlangen und den Einfluß der Kami zu brechen."
Hild nickte. Damit erzählte Tzeentch ihr wahrlich nichts neues.
"Ich stelle mir vor, und Slaanesh ist da mit mir einer Meinung, daß jeder von
uns Chaosfürsten ein Multiversum auswählt, in dem Ranma einmalige und
wertvolle Erfahrungen sammeln und neue Fähigkeiten erlernen kann."
"Klingt fast so, als würdest du Ranma wie einen Charakter aus einem Rollenspiel
betrachten.", meinte Hild grinsend. "Lass ihn Erfahrungspunkte sammeln, seine
Attribute steigern, magische Items finden, und so weiter."
"Ähm...in der Tat. Das ist eine treffende Analogie.", stimmte Tzeentch zu.
"Die Idee gefällt mir.", meinte die Höllenfürstin. "Informiert Slaanesh und
Nurgle über den Plan. Dann trefft eure Wahl für passende Multiversen und teilt
mir diese Wahl mit. Sobald sich ein günstiger Zeitpunkt ergibt, schicken wir
ihn auf die Reise."
"Wer ist denn dein Begleiter, Saotome? Und wo warst du die letzten zwei Tage?"
"Huh?"
°Verdammt. Ich hätte doch an dem Tag hier auftauchen sollen, an dem ich
Midgard verlassen habe. Was ist denn jetzt wieder schiefgegangen?°
"Mein Name ist Neko. Und Ranma-kun hat die letzten Tage in meiner Gesellschaft
verbracht, um sich von seinen Verletzungen zu erholen, Tendo-san.", antwortete
der Katzendämon an Ranmas Stelle.
"So?" Nabiki warf Ranma einen skeptischen Blick zu. "Normalerweise gehst du in
solchen Fällen immer zu Doktor Tofu."
"Ähm...", begann Ranma ein wenig unsicher, wurde jedoch sofort von Neko
unterbrochen.
"Zweifelst du an meinem Wort, Mädchen?" Seine Stimme klang so, als warte er nur
auf eine geeignete Entschuldigung dafür, Ärger zu machen.
"Wie soll ich den Wert des Wortes einer Person beurteilen, die ich nicht
kenne?"
"Gute Frage.", erwiderte Neko anerkennend und beugte sich mit einem
unheilverkündenden Grinsen vor. "Mein Rat wäre: Höre auf deinen
Überlebensinstinkt."
"Müssen wir unsere Zeit mit Streitereien vertrödeln, Sensei?", mischte Ranma
sich ein. Sicher, er hatte nicht allzu viel für Nabiki übrig, aber deswegen
wollte er sie nicht unbedingt ins offene Messer laufen und sie sich mit dem
Katzendämon anlegen lassen.
Nabiki ihrerseits ergriff die Gelegenheit beim Schopfe, sich aus einer
Konfrontation zurückziehen zu können, ohne das Gesicht zu verlieren.
"Sensei?"
"Du hörst doch sonst so gut, Nabs.", spottete Ranma, was ihm einen
vernichtenden Blick der Ice Queen einbrachte. "Sogar die Dinge, die nicht für
deine Ohren bestimmt sind."
"Ich vermute, die Kleine ist einfach nur überrascht.", setzte Neko amüsiert
hinzu. "Doch es stimmt. Ich bin Ranmas neuer Sensei."
"Pah! So ein Unsinn.", tönte eine laute Stimme aus dem Hausflur. "Wozu sollte
mein Junge einen Wicht wie dich brauchen?"
Dick und Doof...ähm...ich meine Genma und Soun waren von einer ihrer üblichen
Kneipentouren heimgekommen und hatten die letzten Fetzen der Unterhaltung im
Raum vor ihnen aufgeschnappt.
Neko drehte sich langsam herum und musterte Genma mit angewiderter Miene.
"Also du bist diese wertlose Verschwendung von Biomasse, die meinte sich
anmaßen zu können, meinem neuen Schüler die Nekoken beizubringen."
Bei dem Wort Nekoken wurden Genma und Soun blitzartig nüchtern.
Neko manifestierte eine der berüchtigten Ki-Klauen an seinem rechten
Zeigefinger, bevor er auf den fetten Kampfsportler deutete.
"Du kleiner unbedeutender Wurm wagst es, die Techniken meiner Schule zu
unterrichten, nur um dann auch noch katastrophal zu versagen. Sage mir, Genma
Saotome, warum sollte ich dir für diese Respektlosigkeit nicht einfach die Haut
in kleinen Streifen herunterschneiden, hmm?"
Normalerweise hätte Genma eine aggressive Verbalattacke parat gehabt. Aber er
war nicht so verrückt, einen Meister der Nekoken unnötig zu reizen. Also
wählte er Alternative zwo:
"Ähm...das ist alles nicht meine Schuld. Ranma hat unbedingt darauf bestanden,
diese gefährliche Technik zu lernen."
Bevor Ranma auch nur zu einem Widerspruch ansetzen konnte, hatte Neko bereits
seine Ki-Klaue verschwinden lassen, was einen Ausdruck von Erleichterung auf
Genmas Gesicht zauberte. Dann jedoch sprang der Katzendämon auf sein Opfer zu
und streckte den kahlköpfigen Mann mit einem einzigen Schlag nieder.
"Die Feigheit deines Vaters widert mich an, mein Schüler.", murmelte Neko so
leise, daß nur Ranma ihn verstehen konnte. Dann blickte er zu Nabiki herüber.
"Ich werde im Dojo wohnen, bis Ranmas Training abgeschlossen ist.", schnappte
er. "Einmischungen in besagtes Training oder gar Behinderungen werden nicht
toleriert und entsprechend geahndet. Sorg dafür, daß jeder den es betrifft,
darüber informiert ist."
"Das kann ich tun.", erwiderte Nabiki, die Mühe hatte, sich nicht anmerken zu
lassen, wie beeindruckt sie vom Auftreten ihres Gegenübers war. "Für den
richtigen Preis."
Neko nickte.
"Klingt fair.", meinte er. "Im Austausch für deine uneingeschränkte
Kooperation mit meinen Bedürfnissen wird deine kleine Schwester für etwaige
Verfehlungen keine permanenten Schäden davontragen."
"Wie bitte?", schnaufte die mittlere Tendotochter empört. "Was soll an dieser
Vereinbarung fair sein?"
"Dir wäre es also lieber, wenn ich deine Schwester die volle Härte meines
Zorns spüren lassen würde, wenn sie sich danebenbenimmt?", gab Neko in
gespielter Verwunderung zurück.
"Nun...natürlich nicht. Aber ich dachte eher an finanzielle Kompensation.
Außerdem sehe ich nicht, was dir das Recht gibt, meine Schwester bestrafen zu
dürfen."
"Oh, das will ich dir gern erklären.", antwortete der Katzendämon
zuvorkommend. "Ich betrachte einen Angriff auf einen meiner Schüler als
gleichbedeutend mit einem Angriff auf mich selbst. Und wenn ich angegriffen
werde, schlage ich selbstverständlich zurück. Wenn du natürlich davon
ausgehst, daß deine kleine Schwester über genügend Selbstbeherrschung
verfügt, sich anständig zu benehmen, ein Versprechen zur Schonung ihrer
Gesundheit also unnötig wäre, können wir gern über finanzielle Kompensation
verhandeln."
Natürlich wußte Nabiki, daß es utopisch war anzunehmen, daß Akane Ranma
gegenüber Zurückhaltung üben würde, selbst wenn man ihr mit ernsten
Konsequenzen drohte. Dafür war Akane, wie Nabiki sich eingestehen mußte,
leider zu stur, zu stolz und...ja, leider auch zu dumm.
Mit finsterer Miene musterte sie erst Ranmas neuen Sensei und dann Ranma
selbst.
"Und was denkst du darüber, daß dein Sensei deine Verlobte bedroht?"
"Ich denke, daß es nicht an mir ist, die Methoden meines Senseis zu
kritisieren, bevor ich ihn in Aktion gesehen habe.", entgegnete der
frischgebackene Dämon für Nabiki überraschend gleichmütig. "Abgesehen davon
habe ich beschlossen, Mißhandlungen gleich welcher Art von niemandem mehr
hinzunehmen. Wenn du also Nachrichten über mich verbreitest, solltest du diese
Information nicht vergessen, wenn du meine selbsternannten Verlobten und
Möchtegern-Rivalen kontaktierst."
"DAS glaube ich erst, wenn ich es sehe.", schnaubte Nabiki kopfschüttelnd.
"Es steht dir frei zu glauben, was immer du willst.", erwiderte Ranma nur mit
einem gleichgültigen Schulterzucken. "Wenn sich allerdings irgendwer darüber
beschwert, nichts darüber gewußt zu haben, daß sich die Spielregeln geändert
haben, werde ich meine Hände, wie man so schön sagt, in Unschuld waschen, und
betreffende Person an dich verweisen."
Die nächsten Tage über war Ranma so beschäftigt, daß er kaum bemerkte, wie
die Zeit verstrich. Von Sonnenaufgang bis zur Mittagszeit meditierte er unter
Nekos Aufsicht, wobei der Katzendämon seine mentalen Fähigkeiten nutzte, um
Bilder von Katzen in Ranmas Bewußtsein zu projizieren. So sollte er sich seinen
Ängsten stellen und sie schließlich überwinden. Nach dem Mittagessen, dessen
Menge von Kasumi für ihn verdoppelt worden war, um das verpasste Frühstück zu
kompensieren, ging er zum Haus seiner Mutter, wo er bis zum Sonnenuntergang von
einer Dämonin erster Klasse namens Mara, die von Hild extra für diesen Zweck
von ihren eigentlichen Aufgaben freigestellt worden war, in Verhandlungstaktiken
und Vertragsrecht geschult wurde. Schließlich konnte es nicht angehen, daß der
Avatar des Ungeteilten Chaos in einer Verhandlung von jedem fünftklassigen
Dämon über den Tisch gezogen werden konnte.
Ab Sonnenuntergang unterrichtete ihn dann Miki in Techniken und Fertigkeiten,
die spezielle Merkmale eines Succubus waren oder zu seinen neuerlangten
magischen Fähigkeiten gehörten. Darunter fielen Fertigkeiten wie Empathie,
Aureninterpretation, Flug, Materietransformation, Teleportation und Verwandlung.
Mindestens drei Stunden reservierte Miki jede zweite Nacht außerdem für das
Training von Sex- und Stimulationstechniken. In der fraglichen Zeit in der
anderen Hälfte der Nächte unterwies Nodoka ihn mit Mikis Hilfe ausführlich in
diversen Verführungstechniken, insbesondere in Kombination mit seiner
empathischen Begabung und der Fähigkeit, die Reaktion auf Worte und Taten in
der Aura des Gegenübers lesen zu können.
Succubi waren nun mal Sexdämonen, und daher war es aus Nodokas Sicht
unumgänglich, Ranma nach besten Kräften zu trainieren, auch wenn er "nur" ein
Halbsuccubus war.
Nach der ersten Woche änderte sich der Stundenplan leicht.
Ranma beherrschte einen Großteil seiner dämonischen Fähigkeiten nun
weitestgehend, oder zumindest soweit, daß das Erreichen von Perfektion
lediglich eine Frage von genügend Übung und Erfahrung war. Daher begann nun
eine genaue Unterweisung in der Funktionsweise von Nidheg und dessen göttlichem
Gegenstück Yggdrasil. Ranma lernte, mit dem System umzugehen, insbesondere wenn
es um das Abrufen von Informationen ging, denn die drei Dämoninnen in seinem
Leben hatten ihm inzwischen klar gemacht, wie groß der Wert von Wissen war.
Akane hatte in all der Zeit nur zwei mal versucht, sein Training unter Neko zu
stören.
Beim ersten Mal war sie morgens in die Trainingshalle geplatzt, und bestand
lautstark darauf, daß Ranma beim Frühstück anwesend zu sein hatte. Nach einer
hitzigen Diskussion mit Neko, in der sie sich nicht durch Worte, nicht mal durch
Drohungen, vom Gegenteil überzeugen ließ, packte der Katzendämon sie genervt
und beförderte sie mit einem Wurf nach draußen in den Karpfenteich.
Als sie wutentbrannt ins Dojo zurückstürmte, wurde sie von dem grinsend
wartenden Katzendämon mit einem Ki-Blast begrüßt, der zu schwach war, um
sichtbare Schäden an ihr anzurichten, aber dennoch stark genug war, um sie wie
von einer Kanone abgefeuert erneut nach draußen zu befördern.
Als sie das Bewußtsein wiedererlangte und feststellen mußte, daß Ranmas neuer
Lehrer keinerlei Skrupel hatte, sie mit drastischen Mitteln an Störungen zu
hindern, und Ranma ihr zudem nicht zur Hilfe gekommen war, gab sie vorerst klein
bei.
Irgendwann würde dieser brutale, aufgeblasene Bastard verschwunden sein, und
dann würde Ranma schon sehen, was er davon hatte, sie im Stich zu lassen...
Am Abend des zehnten Trainingstags lag Ranma entspannt und mit hinter dem Kopf
verschränkten Armen auf dem Dach des Tendohauses und starrte nachdenklich in
den klaren Nachthimmel hinauf.
Ein leises Rauschen hinter ihm ließ ihn den Kopf drehen, doch es war nur Miki,
die fast lautlos auf ihren nachtschwarzen fledermausartigen Schwingen auf das
Dach zuglitt und mit geübter Leichtigkeit neben ihm landete, bevor die Flügel
sich in ihre Schulterblätter zurückzogen.
"Du bist zu spät für deinen Unterricht.", bemerkte sie knapp und hockte sich
neben ihm auf das Dach. "Und bevor Mara ausflippt, dachte ich, ich schaue nach
und finde raus wieso."
"Hild-sama hat mir zwei Wochen gegeben, um ein Rätsel in Akanes Umfeld zu
lösen und meine Angelegenheiten hier in Nerima zu regeln.", antwortete Ranma
seufzend. "Bei all dem Training hatte ich bis jetzt kaum Zeit, über diese Dinge
nachzudenken. Aber jetzt habe ich nur noch vier Tage und den heutigen Abend, bis
meine Zeit abgelaufen ist."
"Hmm.", brummte die fliederhaarige Dämonin nun ebenfalls nachdenklich. "Wenn es
so ein Rätsel ist, dürfte ihre Akte vermutlich gesperrt sein."
"Yep. Hild-sama hat gesagt, sie will sehen, daß ich meinen Kopf benutzen kann,
um an Hindernissen vorbeizukommen."
"Und vermutlich hat sie damit nicht gemeint, daß du deinen Dickschädel als
Rammbock verwenden sollst, oder?", erwiderte Miki kichernd. In ihren
türkisfarbenen Augen lag ein spöttisches Funkeln.
"Bist du nur hier, um mich zu ärgern, Mi-chan, oder hast du auch irgendwas
nützliches zu sagen?"
"Nun, ich denke, da Hild-sama dir diese Aufgabe gestellt hat, um deine
intellektuellen Fähigkeiten zu testen, wird das Rätsel auf jeden Fall lösbar
sein."
"Wie beruhigend.", schnaubte Ranma leicht irritiert.
"Nur keine Aufregung, ne?!" Sie tätschelte Ranmas Kopf, als wenn er ein kleines
Kind wäre, das Aufmunterung brauchte. "Bei solchen Rätseln kommt es oft auf
die richtige Perspektive an. Wenn du Nidheg nicht direkt benutzen kannst, um dir
die Akte anzusehen, mußt du schlicht nach einem Umweg suchen."
"Aber Miki. Ich bin keiner von diesen Computerfreaks, die sich um hundert Ecken
durch das System schleichen und irgendwelche gesperrten Daten klauen können."
"Das weiß ich. Und Hild-sama weiß das auch.", erwiderte Miki gelassen.
"Abgesehen davon könnte absolut niemand in eine Datei einbrechen, die von der
Magna-Regentin persönlich gesperrt wurde."
"Und was jetzt?", schnappte Ranma frustriert. "Ich habe mir echt schon den Kopf
zerbrochen, aber ich sehe einfach keinen Weg, wie ich an die Infos in dieser
Akte kommen sollte."
"Vielleicht solltest du mal nachprüfen, ob diese Infos noch woanders
gespeichert sind.", schlug Miki vor.
"Ja. Sicher. Akane ist eine Sterbliche. Also müßte es im Yggdrasil-System eine
Menge Informations schnipsel und...wie hießen die noch...irgendwas mit Schief
oder so... geben?!"
"Querverweise zu anderen Akten?", meinte Miki kichernd.
"Ja, genau. Die müßte es dort geben. Aber ich glaube nicht, daß es eine gute
Idee ist, wenn ich mich durch das Computersystem der Kami zu wühlen versuche.
Das könnte leicht zu Mißverständnissen führen, die dann wieder zu Ärger
für mich führen würden."
"Stimmt. Außerdem wäre das eine Aufgabe, für die selbst ein erfahrener
Datensucher mehrere Wochen brauchen würde.", räumte Miki ein. "Verdammt. Wenn
du mindestens ein Klasse 2-Dämon ohne Beschränkungen wärst, könntest du
Divination benutzen, um selbst einen Blick auf ihre Vergangenheit zu werfen."
"Das ist es!", rief Ranma plötzlich, als er über Mikis Bermerkung nachdachte.
"Du willst doch hoffentlich nicht einen höherrangigen Dämon darum bitten, das
für dich zu übernehmen, oder?"
"Natürlich nicht. Mara hat mich schließlich eindringlich davor gewarnt, allzu
schnell allzu vielen Dämonen allzu viele Gefälligkeiten zu schulden. Ich habe
ganz sicher nicht vor, den Rest meiner Existenz als Sklave zu verbringen."
"Gut. Für einen Moment hatte ich schon an dir gezweifelt.", meinte Miki
erleichtert. "Aber was genau ist dein Plan?"
"Nun... ich werde jemanden aufsuchen, der kein Dämon ist, aber über die
Fähigkeit zur Divination verfügt."
"Du willst ein Geschäft mit einem Kami machen?!", rief Miki ungläubig.
"Aber nein. Ich habe kürzlich von einem Sterblichen gelesen, der über
Ressourcen verfügt, die für meine Zwecke ideal sind, Mi-chan. Aber mehr
verrate ich noch nicht.", entgegnete Rana grinsend. "Jetzt sollten wir
vielleicht zu Moms Haus entschwinden und mit dem Training fortfahren, hmm?!"
Mikis Antwort bestand nur aus einem lüsternen Grinsen. Aber das war für Ranma,
dessen Grinsen zwar nicht von der Intensität aber von der Art her identisch
war, Antwort genug.
Ranma hatte sich lange überlegt, wie er die Sache anpacken sollte. Lange
Gespräche mit seiner Mutter, Mara und Miki, sowie das Training in
Sozialverhalten, das er erhalten hatte, hatten ihn gelehrt, daß es viele
Situationen gab, in denen seine frühere an Gedankenlosigkeit grenzende
Impulsivität, ihm mehr schadete als nutzte. Und Neko-sensei hatte ihm allzu oft
auf frustrierende Art und Weise die Vorteile von Vorausplanung demonstriert.
Also hatte sich Ranma zum ersten Mal in seinem noch jungen Leben hingesetzt und
über mögliche Wege zu tun, was er zu tun beabsichtigte, nachgedacht, um die
Erfolgschancen möglicher Alternativen abzuwägen. Daß er mit Hilfe von Nidheg
Zugriff auf Unmengen allgemeiner Informationen hatte, die ihn bei diesem Prozeß
unterstützen, war ein großer Vorteil, den er allmählich zu schätzen lernte.
Seine Tante Yui hatte wohl Recht gehabt, als sie gesagt hatte, er wäre nicht
dumm, sondern nur uninformiert.
Jetzt stand er in seiner weiblichen Form vor der Tür eines großen,
zweistöckigen Einfamilienhauses, von dessen Terrasse man sogar das Meer sehen
konnte, und das vom offensichtlichen Wohlstand seiner Bewohner kündete, und
drückte einmal auf den Klingelknopf.
Michiru Kaioh war überrascht, als sie die Türklingel hörte. Es war früher
Nachmittag, und sie und Haruka erwarteten eigentlich keinen Besuch.
Als sie die Tür öffnete, sah sie sich einem freundlich lächelnden rothaarigen
Mädchen in dunkelroten Jeans und bauchfreiem schwarzen T-Shirt gegenüber.
"Guten Tag. Ich bin Ranma Saotome, aber meine Freunde nennen mich Ranko-chan.",
erklärte das Mädchen zusammen mit einer höflichen Verbeugung. "Ich bin auf
der Suche nach Setsuna Meioh und hörte, sie solle hier wohnen."
Michiru blinzelte verblüfft.
Zu keinem Zeitpunkt hätte sie damit gerechnet, einen Besucher für ihre
zurückgezogen lebende Mitbewohnerin vor ihrer Tür vorzufinden.
"Guten Tag. Mein Name ist Michiru Kaioh.", antwortete sie und erwiderte höflich
die Verbeugung. "Es ist richtig, daß Meioh-san hier wohnt. Allerdings ist sie
noch nicht zu Hause. Wir erwarten sie erst in einigen Stunden zurück."
"Wer ist denn an der Tür, Mi-chan?", fragte in dem Moment eine weitere Stimme
aus dem Inneren des Hauses. Wenig später trat die hochgewachsene blonde Haruka
Tenoh an die Tür neben ihre grünhaarige Freundin.
Beim Anblick von Ranko-chans wohlgeformter Figur ließ sie einen anerkennenden
Blick über den Körper des Rotschopfs wandern. Bis Michiru dies bemerkte und
ihr einen Ellbogen in die Rippen stieß.
Ranko stellte sich erneut vor und wiederholte ihr Anliegen.
"Es ist schon so lange her, daß wir Gäste hatten.", meinte Haruka daraufhin zu
Michiru. "Bitten wir sie doch herein, damit sie auf Setsuna warten kann."
"Das sagst du doch nur, weil du sie attraktiv findest.", erwiderte die junge
Künstlerin leise und mit einem Unterton, der eine Mischung aus freundlichem
Spott und einer kleinen Portion Eifersucht war.
"Du etwa nicht?", gab Haruka ebenso leise und mit einem kecken Grinsen zurück.
"Außerdem bin ich neugierig, was Setsuna mit so einem Babe zu schaffen hat.
Vielleicht steckt ja mehr hinter ihrer kühlen Fassade, als wir bisher
angenommen hatten, hmm?"
Michiru rollte mit den Augen und beschloß, das nicht weiter zu kommentieren.
Stattdessen wandte sie sich wieder dem geduldig wartenden Mädchen zu.
"Also wenn es dir nichts ausmacht, Ranko-chan, kannst du gern drinnen auf
Setsuna warten."
"Gern.", antwortete Ranko und strahlte die beiden jungen Frauen mit ihren
großen blauen Augen fröhlich an.
Michiru und Haruka nahmen sie daraufhin in die Mitte und führten sie durch den
großzügig gestalteten Eingangsbereich in den eigentlichen Wohnraum. Unterwegs
kamen sie an mehreren Gemälden vorbei, die alle in düsteren Mischungen aus
schwarz, dunkelblau, blutrot und violett gehalten waren. Die düstere
Farbpalette passte hervorragend zu den sehr lebendig dargestellten
apokalyptischen Szenarien, die das gemeinsame Thema aller Gemälde waren.
Die junge Dämonin erkannte mit einer gewissen Bestürzung, daß es sich bei
diesen Bildern um Visionen dessen handelte, was eintreten würde, wenn sie mit
ihrer Mission scheiterte und ihr baldiger Gegenspieler, der Champion der
Ordnung, gewinnen würde.
Diese Erkenntnis stärkte sie in ihrer Entschlossenheit, alles zu tun, was
notwendig war, um eine Niederlage zu verhindern.
"Das sind sehr...interessante Bilder.", bemerkte sie auf dem Weg ins Wohnzimmer.
"Auf gewisse Weise sehr realistisch.", fügte sie hinzu, nachdem Michiru sich
bedankt hatte. "Ich frage mich, woher sie die Inspiration dafür bekommen haben,
Kaioh-san."
Für einen kurzen Moment trat ein Ausdruck von tiefer Seelenpein in Michirus
Augen.
"Möchtest du vielleicht einen Tee mit uns trinken, Ranko-chan?", fragte Michiru
an Stelle einer Antwort auf die Frage nach ihrer geheimen Muse.
Ranko ihrerseits begriff sofort, daß sie wohl einen wunden Punkt getroffen
hatte und bedauerte ihren Schnitzer.
"Gern.", antwortete sie und gab Michiru damit einen Weg, sich in die Küche und
damit aus dem Gespräch zurückzuziehen, um ihre durch diese Frage
aufgewühlten Emotionen unter Kontrolle zu bringen.
"Hmm. Kaioh-san ist also eine Küstlerin.", brummte Ranko. Dann warf sie Haruka
einen interessierten Blick zu. "Und was machen sie, Tenoh-san, wenn sie nicht
zur Schule gehen?"
"Rennsport.", antwortete Haruka und lehnte sich entspannt in ihrem Sessel
zurück. "Früher hauptsächlich Autos, aber heute zieht es mich mehr zu
Motorrädern. Und ich mache Kampfsport. Und selbst?"
"Nachdem ich laufen gelernt hatte, entschied mein Vater, aus mir ein Denkmal
für seine angeblichen Fähigkeiten als Meister und Lehrer der Kampfkünste zu
machen.", antwortete Ranko darauf mit einem Seufzen. "Die folgenden zehn Jahre
lang bestand jeder Tag meines Lebens aus fünf Stunden Schlaf und neunzehn
Stunden Training. Mehr oder weniger."
"Dann müßtest du ja ziemlich gut sein, hmm?", erwiderte Haruka mit einem
herausfordernden Unterton. Wettkämpfe aller Art lagen der blonden Senshi nun
mal im Blut, und Ranma konnte sie gut verstehen.
"Als Vater hat er nichts getaugt, aber nach zehn Jahren unter einem
erbarmungslosen Ausbilder sollte ich wohl was können.", schnaubte die Dämonin.
Sie hob fragend eine Augenbraue und grinste frech. "Interesse an einem
kleinen...Sparringmatch?"
Sie legte in den Tonfall, mit dem sie das letzte Wort aussprach, gerade so viel
Zweideutigkeit, daß Harukas Wangen sich ein wenig röteten.
Aus den Nidheg-Archiven wußte Ranma natürlich alles notwendige über die
Senshi und hatte sich gründlich informiert, da er ja später mit ihnen
irgendwie zusammenarbeiten sollte.
Daher kannte er natürlich Harukas und Michirus Neigung zum eigenen Geschlecht.
Deshalb war er in seiner weiblichen Form hier. Um später eine gute
Zusammenarbeit sicherzustellen, konnte es von Vorteil sein, bei diesem ersten
Besuch bereits ein paar Sympathiepunkte zu sichern.
"Gehen wir...auf die Terrasse.", schlug Haruka vor, nachdem sie den Kloß in
ihrem Hals losgeworden war.
Sie sagte noch kurz Michiru Bescheid, die gerade dabei war, in der Küche den
Tee aufzugießen. Dann folgte sie ihrem Gast nach draußen...
Kapitel 6: Akanes Geheimnis
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Anmerkungen:
@Subtra:
Natürlich lade ich alle fertigen Kapitel nach und nach hier hoch. Gehe gerade
mit dem Korrekturkamm über die letzten Kapitel von Arc 1 (während ich schon
fleißig an den Planungen für Arc 2 sitze ^__^ ).
@Dax:
re- :-)
@illustrious&Ghost6:
Vielen Dank *smile*
Die Story wird allerdings nicht nur lustige Elemente enthalten (s.
beispielsweise den Schluß dieses Kapitels).
Begonnen hat diese Story übrigens mit der Frage, warum Nodoka so versessen
darauf war, daß Ranma sich "männlich" benehmen sollte. Eine mögliche Antwort,
die mir einfiel: Nodoka ist in Wahrheit ein Succubus auf Urlaub und wollte durch
diese Bedingung im Seppukuvertrag eigentlich nur gewährleisten, daß ihr Sohn
während des Heranwachsens ein wenig Spaß haben würde. ^^"
Alle anderen Elemente haben sich dann nach und nach um diesen Kern herum
entwickelt (außerdem hatte ich zu viele Ranma-OMG-Crossover gelesen, in denen
Ranma aus den verschiedensten Gründen zu einem Kami gemacht wurde, und ich
finde, ein Kami zu sein passt nicht wirklich zu ihm).
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Teil 6 – Akanes Geheimnis
Als Setsuna nach Hause kam, bot sich ihr ein seltsames Bild. Michiru saß auf
einem Liegestuhl auf der Terrasse und las ein Buch.
Das war nicht weiter ungewöhnlich.
Haruka jedoch, die, mit ausgestreckten Armen und Beinen heftig nach Luft
schnappend, sichtlich erschöpft und naßgeschwitzt rücklings neben ihr auf dem
kalten Steinboden lag, das war ein nicht gerade alltäglicher Anblick.
"Was ist denn mit Haruka los?", wunderte die älteste Senshi sich.
"Jemand mußte unbedingt die Grenzen seiner Fähigkeiten herausfinden.",
antwortete eine amüsierte Stimme von der Seite.
Setsuna drehte den Kopf und erblickte ein rothaariges Mädchen, das mit vor der
Brust verschränkten Armen neben der Schiebetür der Terrasse an der Wand
lehnte.
Die leichte Schweißschicht auf ihrer Stirn verriet, daß sie sich erst
kürzlich körperlich betätigt haben mußte.
Im Vergleich mit Haruka wirkte sie jedoch taufrisch.
"Du bist ein Monster!", grollte Haruka von ihrem Platz auf dem Boden in Richtung
des Mädchens.
Ranko lachte fröhlich.
"Ich hatte dir gesagt, daß ich dir an Erfahrung und Können um Lichtjahre
voraus bin, aber du mußtest es ja auf die harte Tour rausfinden." Der Rotschopf
kicherte sichtlich vergnügt vor sich hin. Endlich traf sie mal jemanden, der
nicht nach ihrem Kopf schrie, nachdem er deklassiert worden war.
"Wer konnte denn ahnen, daß es so extrem werden würde?"
"Wenn es dich tröstet, Haruka-chan, du hast eine Menge Potential. Alles was dir
fehlt ist das richtige Training."
"Würde mir jetzt mal jemand verraten, was hier los ist?", verlangte Setsuna
nach Information.
"Power-Sparring.", antwortete Ranko grinsend.
Setsuna blinzelte verblüfft.
"Power-Sparring?"
"Yup."
"Okay. Und wer bist du?"
Diese Frage Setsunas sorgte für alarmierte Blicke bei ihren Mitbewohnerinnen.
Bisher hatten sie angenommen, daß Setsuna ihren Besuch kannte. Aber offenbar
war das nicht der Fall.
"Sie kennen mich noch nicht, Meioh-san. Mein Name ist Ranma Saotome. Meine
Freunde nennen mich Ranko. Und im Augenblick brauche ich ihre Hilfe."
Setsunas Augen verengten sich, als sie ihr Gegenüber kritisch musterte.
"Und welchen Grund", fragte sie, "sollte ich haben, dir zu helfen?"
Ranma seufzte. An dieser Stelle wurde es Zeit für eine Anwendung von Maras
Lehrstunden in einem Fach, das sie mit dem vielsagenden Titel 'Lügen ohne die
Unwahrheit zu sagen' belegt hatte. Selbst als Dämon durfte Ranma keine
Behauptungen aufstellen, die nicht der Wahrheit entsprachen. Daher waren ihm
einige Techniken beigebracht worden, wie er Wahrheiten verschleiern und falsche
Antworten geben konnte, ohne tatsächlich zu Lügen. Techniken, die im großen
und ganzen so auch von Nabiki gern angewandt wurden. Das war zwar immer noch
etwas, was er nicht gern tat, aber wenn er jetzt erklärte, daß er ein Dämon
sei, würden ihm alle Sympathiepunkte, die er bei Haruka und Michiru angesammelt
hatte, nicht helfen. Also würde er ein paar falsche Fährten legen und das
Ganze mit ein paar harmlosen Wahrheiten garnieren, die ihm hoffentlich dabei
helfen würden, sich das Vertrauen der drei Senshi zu erarbeiten, bis sie bereit
waren, seine wahre Herkunft zu akzeptieren.
"Das ist eine gute Frage.", gab Ranko zu. "Aber eine bessere Frage ist: Welchen
Grund sollten sie haben, mir nicht zu helfen?"
Setsuna öffnete den Mund, um zu antworten, schloß ihn jedoch sofort wieder,
weil jede Antwort, die ihr spontan einfiel, so dumm oder so unhöflich gewesen
wäre, daß es ihre Reputation als unerschütterliche mysteriöse Senshi
gefährdet hätte.
"Zumal alles was ich benötige ein wenig von ihrer Zeit ist, Meioh-san."
"Wieviel Zeit und warum ich?", fragte Setsuna, während die anderen beiden
Senshi dem Wortwechsel gebannt folgten.
"Ich habe keine Ahnung, wie lange die zu erledigende Aufgabe dauern wird.", gab
Ranko eine ehrliche Antwort. "Und bei meiner Suche nach Personen mit Zugriff
auf eine bestimmte Art von Ressource, waren sie die erste, die ich gefunden
habe. Wenn ich ihnen mein Anliegen erkläre, werden sie vermutlich eher
abschätzen können, wie lange es dauern wird."
"Von was für einer Ressource reden wir hier? Geld?"
"Nein. Aber bevor ich das erkläre, sollte ich vielleicht etwas mehr darüber
erzählen, warum ich hier bin."
Setsuna nickte knapp und wartete gespannt.
"Zunächst einmal sollte ich wohl sagen, daß ich mehr über euch Drei weiß,
als ich bisher den Anschein erweckt habe zu wissen.", begann Ranko
entschuldigend. "Michiru-san, es tut mir Leid, daß ich nach der Inspiration
für deine Bilder gefragt habe. Es war mir nicht klar, wie unangenehm und
belastend das für dich sein würde."
"Schon gut. Aber wieso erwähnst du das in diesem Zusammenhang?"
"Weil ich ziemlich genau weiß, daß du ein...wie hieß es noch gleich...ah
ja...ein prekognitives Talent hast, das allerdings nie durch Ausbildung
gefördert wurde.", antwortete Ranko. "Ich weiß, was es heißt, ständig unter
Alpträumen zu leiden, denn dank eines Trainingsunfalls in meiner Kinderzeit
hatte ich bis vor wenigen Tagen dasselbe Problem."
"Was? Woher weißt du so viel über mich?"
"Und was weißt du sonst noch?", warf Haruka mißtrauisch ein.
"Ich weiß mehr oder weniger alles.", erwiderte Ranko mit einem bedauernden
Seufzer. "Eure Akten sind nunmal sehr genau.", fügte sie murmelnd hinzu, aber
die drei Senshi hatten sie dennoch verstanden.
"Akten? Was für Akten?"
"Ich weiß, das ihr Senshi seid.", fuhr Ranko fort. "Michiru und Haruka sind die
Reinkarnationen der ersten Senshi für Neptun und Uranus, während sie,
Meioh-san, die originale Sailor Pluto sind."
"Was für Akten?", wiederholte Setsuna Harukas Frage langsam. Wenn irgendeine
Regierungsbehörde hinter ihr Geheimnis gekommen war, würde das zu einer Menge
Schwierigkeiten führen.
"Als Senshi seid ihr vermutlich mit dem Übernatürlichen vertraut.", antwortete
Ranko darauf, und erkannte, daß sie die Geduld ihrer Zuhörer ziemlich
strapazierte. "Aber ich frage vorsichtshalber nach: Glaubt ihr an die Existenz
von Kami?"
"Kami?", riefen die drei Senshi im Chor.
"Nun, ihr habt gegen Dämonen gekämpft, und da deren Existenz damit wohl
bewiesen sein dürfte, warum sollte es keine Kami geben?"
"Sie muß verrückt sein.", brummte Haruka kopfschüttelnd.
"Meioh-san, was sagen ihre speziellen Sinne über meine Existenz im Zeitstrom?"
Setsunas Blick wurde für einen Moment glasig, als sie sich auf ihre Verbindung
zum Timegate konzentrierte.
Als sich ihr Blick klärte, starrte sie Ranko mit geweiteten Augen an.
"Du bist im Zeitstrom unsichtbar.", hauchte sie.
"Wie kann das sein?", wollte Michiru wissen.
"Es gibt Wesen, deren Existenz Regeln folgt, die sie für dieses Artefakt schwer
erfassbar machen.", antwortete Ranko darauf, da sie zu dieser Frage bereits
Nachforschungen angestellt hatte. "Das Timegate ist letztlich ein sehr
mächtiges Instrument zur Divination, in das ein Fokus für Teleportationszauber
integriert wurde, um Sailor Pluto die freie Bewegung in der Raumzeit zu
ermöglichen. Da es jedoch von sterblichen Magiern erschaffen wurde, kann es
Wesen aus anderen Ebenen, wie Kami beispielsweise, nicht oder nur sehr unscharf
wahrnehmen."
Ranko erwähnte natürlich nicht, daß höhere Dämonen unter dieselben Regeln
fielen, um ihre Gesprächspartner nicht auf Ideen zu bringen, auf die sie nicht
kommen sollten. Technisch gesehen war das Verschweigen von Details keine Lüge
und somit bewegte sie sich auf sicherem Terrain.
"Und wozu braucht ein Kami Zugang zum Timegate?"
"Die Kami arbeiten auf Basis eines streng regulierten und hierarchisch
aufgebauten Systems. Ein teilweise ziemlich bürokratisches System noch dazu.
Wer Erfolg hat wird befördert und wer versagt wird degradiert. Meine
Vorgesetzten haben mir eine Aufgabe gestellt, die ich lösen muß, um auf der
Karriereleiter voran zu kommen.", erklärte Ranko, womit sie ebenfalls die
Wahrheit erzählte. "Die Aufgabe lautet, Informationen über das Leben einer
bestimmten Person zu finden, um ein Geheimnis zu lüften. Der direkte Zugang zu
den Informationen, also die Akte der Person, wurde jedoch für meinen Zugriff
gesperrt, da dies die Aufgabe so einfach machen würde, daß sie als Test keinen
Wert hätte. Nachdem ich die Idee verworfen hatte, in das System einzubrechen,
und die Informationen, die ich brauche, gewissermaßen mit der Brechstange zu
Tage zu fördern – ein Vorgehen, für das es mir an Macht und Erfahrung fehlt
– dachte ich, hey Ranma, alles was du brauchst ist eine Gelegenheit, das Leben
dieser Person zu betrachten. Sprich: Eine Methode, einen Blick in die
Verganganheit zu werfen. Eine Anfrage nach Möglichkeiten hierzu ließ mich das
Timegate und euch Senshi finden."
"Nehmen wir an, ich glaube was du sagst...", erwiderte Setsuna nachdenklich
darauf.
"Du überlegst dir, was du dafür fordern könntest, einem Kami zu helfen?",
erkundigte Ranko sich, und schrammte damit haarscharf an einer Verletzung der
Regeln vorbei. Schließlich hatte sie nicht direkt behauptet, ein Kami zu sein,
sondern eine rein hypothetische Frage gestellt.
"Du bist also wirklich ein Kami?", fragte Haruka nach.
Autsch. Genau solche Fragen waren es, mit denen sie Ranko wörtlich genommen in
Teufels Küche bringen konnte. Aber glücklicherweise hatte Mara, ihre
vorausschauende Lehrerin, ihr auch für solche Situationen einen Ausweg
erklärt.
"Hatte ich das nicht bereits gesagt?", beantwortete sie Harukas Frage daher mit
einer Gegenfrage und achtete genau auf einen leicht genervten Unterton.
Die Wahrheit war natürlich, daß sie keineswegs gesagt hatte, ein Kami zu sein.
Sie hatte lediglich Andeutungen gemacht, die die Annahme ermöglichten, daß dem
so wäre. Wenn Haruka jedoch prinzipiell gewillt war, ihr zu glauben, würde der
leicht genervte Unterton sie hoffentlich zögern lassen, darauf herumzureiten
und zu riskieren, einen leibhaftigen Kami zu verärgern.
Psychologie war doch etwas wundervolles – wenn man diese Thematik begriff. Und
Ranko verstand nun endlich, wieso Nabiki ihr in Gesprächen immer so
hoffnungslos überlegen gewesen war.
"Aber ich will nicht undankbar erscheinen.", setzte sie nach einer kurzen Pause
hinzu. "Ich weiß von dem Konflikt, der kurz vor dem Ausbruch steht. Ich biete
euch im Austausch für eure Hilfe an, daß ich euch später unterstützen werde,
soweit es mir im Rahmen der Regeln, an die ich gebunden bin, möglich ist."
"Wie könnte diese Hilfe aussehen?", wollte Haruka wissen, da ihr das Angebot
etwas zu vage war.
"Ich könnte dir bei deinem Kampfsporttraining helfen. Und ich könnte prüfen,
ob es eine Möglichkeit gibt, Michirus Alpträume zu lindern.", bot Ranko an.
"Und natürlich müßte ich mit meinen Vorgesetzten darüber Rücksprache
halten, daher kann ich mich noch nicht auf Details festlegen, aber
möglicherweise könnte ich auch in etwas direkterer Form bei den bevorstehenden
Kämpfen helfen. Mehr kann ich leider nicht versprechen."
Setsuna brauchte nicht lange nachzudenken. Wenn diese Ranko auch nur einen
Bruchteil von dem erfüllte, was sie als Gegenleistung in Aussicht gestellt
hatte, würde es mit Sicherheit die paar Stunden Wert sein, die die Suche mit
dem Timegate maximal in Anspruch nehmen würde.
"Also gut.", erklärte die Senshi entschlossen. "Wann soll es losgehen?"
"Wäre jetzt ein unpassender Zeitpunkt?", fragte Ranko vorsichtig zurück.
Setsuna seufzte leise.
"Irgendwie hatte ich mit dieser Antwort gerechnet."
Sie transformierte in ihre Senshiform, rief ihren Stab aus dem Subspace herbei
und öffnete mit ihm ein Portal, welches direkt zum Timegate führte.
"Nach dir, Ranko-san."
Ranko nickte und trat durch das Portal in eine Welt, die Grau in Grau war. Es
gab einen Boden, der von einer knöchelhohen Nebelschicht bedeckt war. Aber es
gab keine Geräusche, keine Gerüche, und nur ein diffuses Licht. Ansonsten war
die Welt um sie herum eine sich bis in unbekannte Weiten erstreckende graue
Leere.
"Und wo ist jetzt das..." In dem Moment trat Setsuna hinter ihr durch das
Portal, und plötzlich begann die Luft etwa ein Dutzend Schritte vor ihr zu
Flimmern. Irgendetwas erschien quasi aus dem Nichts. "Wow."
"Ein magisches Tarnfeld.", erläuterte Setsuna. "Das Gate ist unsichtbar,
solange ich nicht hier bin. Eine Sicherheitsmaßnahme für den Fall, daß sich
mal eine unbefugte Person in diese Dimension verirrt."
"Ziemlich originell."
"Danke. Und wonach genau suchen wir nun?"
"Meine Aufgabe besagt, daß es ein Geheimnis im Leben von Akane Tendo geben
soll, einem momentan siebzehnjährigen Mädchen, das in Nerima lebt."
"Nerima?", seufzte Pluto kopfschüttelnd. "Das könnte dauern. Dieser Bezirk ist
dafür berühmt, seltsam zu sein."
"Schlimmer als Juuban, hmm?"
"In Juuban ist es nur der Kampf Gut gegen Böse. In Nerima hingegen ist ein
ständiges Chaos am Werk. Das macht die Suche mit Hilfe des Gates nicht gerade
leicht. Zumal wir nicht wissen, in welchem Zeitrahmen wir dieses Geheimnis
suchen müssen, oder?"
Ranko schüttelte den Kopf.
"Tut mir Leid, wenn meine Infos zu vage sind."
"Ach, schon okay.", erwiderte Pluto gelassen. "Es kann nicht schaden, wenn ich
mich gelegentlich solchen Herausforderungen stelle."
Sie trat vor das Gate und platzierte ihren schlüsselförmigen Stab in einer
Öffnung an der Basis der ringförmigen Struktur.
"Timegate. Voller Zeitlininienscan der Existenz von Akane Tendo aus Nerima,
gegenwärtig siebzehn Jahre alt. Suche konzentrieren auf ungewöhnliche
Ereignisse. Darstellung in Liniendiagrammform."
Es vergingen einige Sekunden. Dann erschien ein Koordinatensystem, das in Monate
skaliert war. In diesem System erschien nun eine Linie, die größtenteils flach
und horizontal verlief, wie die Flatline auf einem EKG-Monitor. Gelegentlich
gab es jedoch einen mehr oder weniger starken Ausschlag dieser Linie.
"Diese Linie repräsentiert das Leben von Akane Tendo.", erklärte Pluto. "Das
Timegate stellt Zeiten, in denen nichts ungewöhnliches geschehen ist, als
Flatline dar, während Ereignisse, die von der Norm abweichen, durch die
Ausschläge bestimmt werden. Je stärker der Ausschlag, desto stärker weicht
das Ergebnis vom normalen Alltag ab."
"Verstehe.", antwortete Ranko nickend. "Aber warum beginnt die Linie nicht bei
null?"
Setsuna hob amüsiert eine Augenbraue, als sie den angeblichen Kami musterte.
"Der Nullpunkt ist der Zeitpunkt ihrer Geburt.", antwortete sie schließlich.
"Da wir jedoch nicht ausschließen können, daß irgendetwas ungewöhnliches in
den neun Monaten geschehen ist, bevor sie geboren wurde, beginnt der Scan zum
Zeitpunkt ihrer Zeugung."
Ranko nickte erneut und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Diagramm zu, das
bedeutend mehr Ausschläge zeigte, als sie erwartet hätte.
"Wenn wir uns jeden dieser Ausschläge genauer anschauen müssen, wird das hier
ziemlich lange dauern, oder?"
"Falls du etwas mehr über diese Akane Tendo weißt, könnte das helfen, einige
der Ausschläge für unsere Zwecke auszuschließen. Ansonsten fürchte ich, wird
das tatsächlich eine Weile dauern."
"Hmm...könntest du zusätzlich zu der Monatsskalierung das tatsächliche Datum
einblenden?", erkundigte Ranko sich. "Ich meine, zu sehen, daß irgendetwas im
hundertsten Monat ihres Lebens geschehen ist, ist ja schön und gut. Aber das
Datum zu wissen, macht die Sache leichter."
"Wenn der Scan beendet ist, lasse ich zu allen Ausschlägen die Echtzeit
einblenden."
Fünf Minuten später war es soweit.
Ranko betrachtete nachdenklich die Datumsangaben. Einige der Ausschläge
stimmten mit Akanes Geburtstag überein.
°Also zählen Geburtstagsfeiern auch schon als Abweichung. Interessant.°
"Diese Daten hier sind die Geburtstage ihres Vaters und ihrer beiden
Schwestern."
Setsuna nickte und markierte die regelmäßig auftauchenden Peaks farblich.
Ranko blickte auf eine Reihe von Ausschlägen, die in Jahresabstand auftauchten,
allerdings nur bis in Akanes sechstes Lebensjahr hinein.
"Das hier könnten Geburtstage ihrer Mutter sein.", vermutete sie. "Sie starb,
als Akane sechs Jahre alt war."
"Womit vermutlich auch dieser große Ausschlag kurz nach ihrem sechsten
Geburtstag erklärt wäre.", setzte Pluto hinzu.
"Stimmt.", bestätigte Ranko. "Das ist der Todestag ihrer Mutter."
Setsuna markierte die entsprechenden Ausschläge ebenfalls, genauso wie ein paar
andere regelmäßig auftauchende Peaks, die sich als Geburtstage von Freunden
entpuppten.
"Das hier könnte Ryugenzawa sein.", spekulierte Ranko und tippte auf einen
großen Peak in Akanes achtem Lebensjahr. "Sie ist dort während eines
Familienausflugs für mehrere Tage verlorengegangen."
"Damit hätten wir bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr alle bis auf zwei Peaks
zugeordnet.", meinte Sailor Pluto und blickte voller Mißfallen auf die wirre
Anhäufung von Ausschlägen, die sich von diesem Zeitpunkt an praktisch im
Tagesrythmus aneinanderreihten.
"Diesen letzten Bereich können wir vergessen.", meinte Ranko.
"Sicher?", fragte Pluto zurück. "Ich meine, ich bin nicht scharf darauf, mir
ein Jahr ihres Lebens in Echtzeit anschauen zu müssen, aber gerade in diesem
letzten Jahr scheint es eine Menge Chaos zu geben, in dem sich ein Geheimnis
verbergen könnte."
"Das mag sein. Aber über dieses letzte Jahr weiß ich bereits Bescheid."
"Ich dachte, du hättest keinen Zugriff auf ihre Akte."
"Habe ich auch nicht."
"Trotzdem scheinst du erstaunlich viel über sie und ihre Familie zu wissen."
"Weil ich bis vor ein paar Wochen gedacht habe, ich wäre ein normaler
Sterblicher.", antwortete Ranko. "In diesem letzten Jahr habe ich bei den Tendos
gelebt. Darum weiß ich so gut über diese Zeit Bescheid."
"Und daher kennst du die Geburtstage und wußtest über Dinge wie diese
Ryugenzawa-Geschichte Bescheid."
"Genau."
"Dann bleiben eigentlich nur noch diese zwei Peaks hier.", meinte Pluto, und
deutete auf einen Peak kurz nach Akanes zwölftem Geburtstag und einen zweiten,
der interessanterweise mit dem Zeitpunkt ihrer Zeugung übereinzustimmen
schien."
"Wieviel wollen wir darauf wetten, daß der interessante Punkt der
Zeugungszeitpunkt ist?", fragte Ranko.
Setsuna lächelte dünn.
"Wenn man bedenkt, daß es ziemlich außergewöhnlich ist, bereits zu diesem
frühen Zeitpunkt der eigenen Existenz ein ungewöhnliches Ereignis vorzufinden,
ist das keine Wette, die ich eingehen würde.", erklärte sie mit der für sie
üblichen Distanziertheit. "Timegate. Zeige Details zu Scanpeak bei
Relativkoordinate -9. Nur Bildmodus."
Was das Timegate nun zeigte, hätte den alten Ranma vor Scham rot anlaufen und
sich irgendwo verkriechen lassen. Der neue, von Succubi trainierte Ranma jedoch
war kaum beeindruckt und beobachtete das Zusammenkommen von Soun und Kimiko
Tendo in deren gemeinschaftlichem Schlafzimmer mit großer Gelassenheit.
Unterbewußt und ohne es selbst zu realisieren, analysierte er die beiderseitig
verwendeten Techniken und kam nach zehn Minuten zu dem Schluß: °Das könnte
ich besser.°
Trotzdem drängte sich dem aufmerksamen Beobachter bereits nach kurzer Zeit eine
Frage auf.
"Warum ist das Gesicht von Soun Tendo nur verschwommen sichtbar, während alles
andere gestochen scharf zu erkennen ist?"
"Das frage ich mich auch gerade, Ranko.", meinte Sailor Pluto nachdenklich. "Der
Effekt ähnelt den Illusionszaubern, die in die Senshirüstungen integriert
sind, um ihre Gesichter vor Wiedererkennung zu schützen. Aber warum sollte der
Mann hier..."
"Weil es vielleicht nicht der echte Soun Tendo ist?!", rief Ranko, einer
plötzlichen Eingebung folgend.
Die grünhaarige Senshi blinzelte verblüfft.
Konnte es so einfach sein?
Sie ließ das Timegate den Aufenthaltsort von Soun Tendo zum fraglichen
Zeitpunkt ausfindig machen.
Die Tatsache, daß er zusammen mit Genma Saotome betrunken in einer Kneipe saß,
während seine jüngste Tochter gezeugt wurde, war für beide Bestätigung
genug.
"Wer würde so etwas tun?", fragte Ranko sich selbst.
"Die Frage ist: Wer könnte so etwas tun, und gleichzeitig so mächtig sein,
daß sein Zauber sogar gegen das Timegate wirkt?", präzisierte Pluto kühl.
"Ich werde sehen, ob ich eine Antwort auf diese Frage finden kann.", versprach
Ranko. "Wäre es in Ordnung, wenn ich morgen wiederkomme und wir unsere
Untersuchung fortsetzen?"
Setsuna nickte.
"Ich gebe zu, dieses Vorkommnis hat mich auch neugierig gemacht. Sollen wir noch
einen Blick auf den letzten Peak werfen, bevor wir für heute Schluß machen?"
Ranko zuckte mit den Schultern.
"Wer weiß, vielleicht ergeben sich hier auch Fragen, auf die ich Antworten
suchen muß, bevor wir weitermachen können. Schaden kann es ja wohl nicht, wenn
wir mal nen Blick drauf werfen."
Sekunden später würde sie bereuen, diesen letzten Satz jemals ausgesprochen zu
haben.
Die Szene war noch nicht ganz eine Minute alt, da sank Ranko bereits totenbleich
und mit weichen Knien zu Boden.
Nach fünf Minuten war ihr bereits so flau im Magen, daß sie sich nicht sicher
war, jemals wieder etwas essen zu wollen.
Nach zwanzig Minuten verschwamm ihre Sicht unter einer stetig wachsenden Flut
von Tränen, die ihr die Sicht auf das grausige Schauspiel nahm. Dies war das
erste Mal in ihrem Leben, das Ranko für ihre Tränen dankbar war, eben weil sie
ihr die Sicht nahmen.
Einer Woge des Mitleids und der Verzweiflung folgte ein Tsunami eisiger Wut und
Tod versprechenden Hasses.
Ranko erhob sich und verfolgte mit geballten Fäusten und bedrohlich
gefletschten Zähnen, was das Timegate ihr zeigte. Sie prägte sich die
Gesichter der zwölf älteren männlichen Teenager ein, die sie zu sehen bekam,
und schwor sich im stillen, daß sie jeden von ihnen ausfindig machen und so
sehr leiden lassen würde, wie noch nie ein Mensch zuvor gelitten hatte.
Für das, was sie dort taten, konnte und würde es keine Gnade geben.
Doch auch das Entwerfen von Racheszenarien täuschte Ranko nicht über das
Gefühl absoluter und deprimierender Hilflosigkeit hinweg, das sie empfand, als
sie zuzusehen gezwungen war, wie eine zwölfjährige Akane von einem Dutzend
älterer Jugendlicher wieder und wieder brutal vergewaltigt wurde...
Kapitel 7: Avatar
-----------------
Vorbemerkungen
@Ghost6: Danke für das Lob. Und ja. Englische Fanfics. Da haben wir dann so
Dinge wie:
- Nabiki spielt mit ihrem PC, landet durch einen Bug im Yggdrasil-System, hält
es für nen Jux und macht Ranma ("versehentlich") zu einer Göttin 1. Klasse,
1.Kategorie, ohne Beschränkungen.
- Ranma war schon immer ein Kami (Bruder der 3 Göttinnen aus OMG) und erfüllt
bei den Tendos/Saotomes nur einen Vertrag aufgrund eines Wunsches.
- Kami-sama beschließt, daß er sowohl für Heilung als auch für Martial Arts
neue Kami braucht, legt beide Positionen mal eben so zusammen und sucht sich
unter allen Sterblichen, die er befördern könnte, ausgerechnet Ranma aus.
uvm ^^""
@Phibrizo: Vielen Dank.
Und natürlich ist es extrem, aber ich habe mir da schon was bei gedacht (auch
wenn es nicht nett klingt, ihre Vergewaltigung ist nicht einfach nur ein Mittel,
um euch Leser zu schocken, sondern es ist wirklich ein wichtiges Puzzleteil für
die spätere Story; insbesondere Arc 4).
Ich stimme dir zu, daß es für sich genommen als Grund für ihre Haltung nicht
ausreicht. Eine genaue Erklärung der Zusammenhänge wird es erst mit der Zeit
geben (Ranma wird Zeit und Gelegenheit brauchen, um mehr Informationen zu
sammeln). Da es in Arc 1 hauptsächlich darum geht, daß Ranma sich mit seiner
neuen Position anfreundet und Vorbereitungen trifft, um Nerima verlassen zu
können, und da Arc 2 für Trainingsmissionen reserviert ist, muß ich alle
Leser um Geduld bitten.
@Umi: Wir diskutieren ja zur Zeit fleißig per ENS, also spare ich mir hier,
alles zu wiederholen, was ich schon gesagt habe ^__^
Nur eines noch: Sein Erziehungs-Training bestand keineswegs nur aus Theorie. Ist
so wie ich es geschrieben habe, wohl nicht ganz klar, also werde ich dazu noch
was schreiben (vielleicht als Flashbacks in Arc 2, mal sehen).
@illustrious: Danke. Wenn dir Ranmas Interaktionen mit den Senshi bisher
gefallen haben, dann warte mal auf das 9. Kapitel ^__^
Und ich wußte nicht, daß es sowas wie Deadlines für Kommis gibt ^_~
Egal ob eine Stunde, einen Tag oder ein Jahr nach Veröffentlichung, ich freue
mich über jeden Kommi (aber das versteht sich ja eigentlich von selbst, oder?)
Oh, und als Klarstellung für alle, die es nicht offensichtlich finden:
Wenn Ranma in seiner männlichen Form unterwegs ist, benutze ich Ranma und er.
Ist Ranma in seiner weiblichen Form anzutreffen, heißt es Ranko und sie.
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Teil 7 – Avatar
Ranko stapfte wütend durch die Straßen Tokyos. Momentan war sie in einem
Zustand, in dem sie kaum klar denken konnte, und wäre sie von einem ihrer
üblichen Rivalen überfallen worden, hätte sie ihn vermutlich getötet, bevor
sie realisiert hätte, was geschehen war.
In diesem Zustand befand sie sich, seit sie das Timegate und dann das Haus von
Setsuna, Haruka und Michiru verlassen hatte.
Für Ranko war ihr augenblicklicher Zustand ungewohnt.
Nie zuvor hatte sie den Drang verspürt, einfach irgendjemanden finden zu
wollen, den sie zu Muß schlagen konnte.
Nie zuvor hatte sie so viel angestaute Wut und so viel Haß in sich verspürt
wie in diesem Augenblick.
"Zeit, daß ich mir ein paar Antworten hole.", knurrte sie finster vor sich
hin.
Zwischen zwei Schritten wechselte Ranko ihre äußere Form und wurde wieder zu
Ranma.
Der nächste Schritt brachte ihn direkt in eine Pfütze, wo seine Form sich
unter dem leisen Plopp von Luft, die einen plötzlich leeren Bereich füllt, in
Nichts auflöste.
Ranma tauchte auf dem Vorplatz vor Hilds Festung über einem kleinen Brunnen,
der aus dem Maul eines Gargoyls gespeist wurde, wieder auf.
Von dort aus stapfte er weiter unbeirrt und in gerader Linie auf den Eingang des
Gebäudes zu.
Hild hatte ihm diese Aufgabe gestellt.
Sie hatte Akanes Akte gesperrt.
Also mußte sie bereits gewußt haben, was Ranma finden würde, wenn er in
Akanes Vergangenheit herumschnüffelte.
Und sie hatte ihn blind in dieses Horrorszenario hineinstolpern lassen, ohne den
Hauch einer Warnung.
An diesem Punkt war es Ranma egal, ob Hild die Magna-Regentin war. Er würde ihr
für diese Aktion gründlich die Meinung sagen.
Entschlossen griff er nach dem Griff der Eingangstür, um das schwere Portal
aufzudrücken, als plötzlich von hinten ein Schatten über ihn fiel.
Ranma hielt in der Bewegung inne und erblickte hinter sich eine
furchteinflößende Gestalt, die mehr als doppelt so groß war, wie er selbst.
Für einen Moment wunderte er sich, warum der penetrante Blutgeruch, den dieser
Dämon verbreitete, ihn nicht schon früher auf dessen Anwesenheit aufmerksam
gemacht hatte.
"Ich schätze deinen Mut, auch wenn es an selbstmörderischen Wahnsinn grenzt,
zu tun, was ich denke, was du tun willst.", grollte die tiefe Stimme Khornes.
"Aber es wäre für uns alle kontraproduktiv, wenn du dich mit Hild-sama
anlegst, solange du deine Aufgabe noch nicht erledigt hast."
"Und ich hatte gedacht, gerade deshalb wäre der Zeitpunkt passend.", gab Ranma
giftig zurück. "Schließlich werde ich gebraucht, also kann sie mich jetzt
nicht abservieren."
"Narr!", gab Khorne kopfschüttelnd zurück. "Unabhängig von deinen Pflichten
kann Hild-sama es sich nicht erlauben, dich einfach so davonkommen zu lassen,
wenn du sie beleidigst. Andere Untergebene könnten auf den gleichen Gedanken
kommen, und das wäre schlecht für ihre Position. Aber ich weiß, was dir
helfen wird, einen klaren Kopf zu bekommen."
Mit diesen Worten packte der riesige Dämon Ranma mit einer seiner gewaltigen
Pranken und schleppte den protestierenden Jungdämon zu einem weiteren
Gargoyl-Brunnen, der jedoch mit Blut statt Wasser gefüllt war.
Von dort teleportierte Khorne sich und seinen Schützling in eine gewaltige
Arena aus Basalt und Onyx, die dem römischen Kollosseum nachempfunden war.
Die Ränge waren besetzt mit kreischenden Dämonen, die ausgelassen die Kämpfer
in der Arena anfeuerten. Andere Dämonen, die ihr Bestes gaben, sich gegenseitig
spektakulär mit Klauen, Zähnen, Äxten, Schwertern und anderen Waffen in
Stücke zu hacken, füllten den Kampfplatz im Zentrum des zehntausende von
Zuschauern fassenden Runds.
Als Khorne, der Herr des Schlachtens, mitten im Zentrum des Kampfplatzes
erschien, wurde es schlagartig totenstill und die Kämpfe rundherum erstarben in
angespannter und ehrfürchtiger Erwartung dessen, was Lord Khorne, der Herr und
Meister der hier Anwesenden, nun tun würde.
Ranma schaute sich ein wenig verunsichert um.
"Warum sind wir hier?"
Khorne grinste belustigt.
"Hier kannst du in aller Ruhe ein wenig Dampf ablassen, Kleiner. Und du kannst
mir zeigen, aus welchem Holz du geschnitzt bist."
"Huh?"
"Viel Spaß.", grollte Khorne jedoch nur als Antwort. Dann breitete er seine
ledrigen Schwingen aus, ohne Rücksicht auf die Horden kleinerer Dämonen zu
nehmen, die er damit umherschleuderte, und erhob sich geschickt in die Luft.
Nach kurzem Flug landete er auf einem breiten Beobachtungspodest, von dem aus er
den besten Blick auf das Geschehen hatte.
Dort breitete er seine muskulösen Arme aus und schaute erwartungsvoll in die
Runde.
"MÖGEN DIE SPIELE BEGINNEN!", röhrte er.
Die Menge antwortete mit frenetischem Jubel.
Lauter und lauter werdende Sprechchöre skandierten das Motto ihres Herrn:
"BLUT FÜR DEN BLUTGOTT!" "BLUT FÜR DEN BLUTGOTT!" "BLUT FÜR DEN BLUTGOTT!"
Khorne setzte sich auf den Schädelthron, der die Hälfte des Podests besetzte,
und grinste zufrieden.
Ranma hatte unterdessen keine Zeit mehr, sich über seinen unerwarteten Auftritt
in dieser Arena zu wundern.
Die Dämonen rund um ihn herum fauchten und zischten aggressiv. Waffen wurden
bereit gemacht, und plötzlich, wie auf ein unsichtbares Zeichen, stürzte sich
die wilde Horde auf den jungen Kampfsportler in ihrer Mitte.
Ranma konterte mit Blocks und Attacken, die den Gegner so sanft wie möglich
ausschalten sollten, so wie er es bisher immer mit seinen Gegnern getan hatte.
Mit dieser Taktik fertigte er die Dämonen gleich im Dutzend ab, aber für jeden
ausgeschalteten Gegner kamen drei neue an die Front.
Khorne lehnte sich zurück und beobachtete amüsiert, wie die ersten Treffer
Ranmas Deckung durchbrachen. Er spürte die Verzweiflung seines Avatars über
die scheinbar nicht enden wollende Flut von Klingen, Klauen und Zähnen, die nur
ein Ziel kannten: Ihn in Stücke zu reißen.
Sengender Schmerz durchzuckte Ranmas Körper, als ihn eine klauenbewehrte Hand
erwischte und eine blutige Spur auf seinem Rücken hinterließ.
Abgelenkt von dieser Verwundung schaffte er es nicht, einem Schwert mit
Sägezahnklinge auszuweichen, das tief in seinen linken Oberschenkel schnitt und
dank der gezackten Klinge Fleisch in Fetzen herausriß.
Ranma schrie gepeinigt auf.
Sollte er hier in dieser Arena draufgehen? Als Attraktion für eine geifernde
Menge?
Nein!
So würde es nicht enden!
Ranmas Schrei wechselte die Tonlage und die Ursache.
Ranma sah Rot.
Und Khorne lachte aus vollem Halse über das Spektakel, das sein Avatar der
Menge nun bot, als er endlich die sprichwörtlichen Samthandschuhe auszog und
die Nekoken-Klauen manifestierte, mit denen er sich in einer ebenso
gedankenlosen wie unterhaltsamen Orgie der Vernichtung durch seine Gegner
metzelte, bis das Blut knöcheltief den Boden der Arena bedeckte, und nicht ein
einziger der niederen Dämonen auf dem Platz mehr am Leben war.
Halbwegs durch das Massaker wechselten die Sprechchöre der Menge mehr und mehr
vom üblichen "BLUT FÜR DEN BLUTGOTT!" zu einem frenetischen "RANMA!" "RANMA!"
Erst als ihn niemand mehr angriff, erwachte Ranma aus seiner Berserker-Trance
und wurde sich bewußt, was er getan hatte.
Über sich selbst entsetzt, wurde er von einer plötzlichen Schwächewelle
gepackt, und er wäre vermutlich in dem See aus Blut um ihn herum
zusammengebrochen, wenn Khorne nicht neben ihm gelandet wäre und ihn mit einer
Hand, die fast so groß wie Ranmas Brustkorb war, festgehalten hätte. Nicht
daß er sich über sturzbedingte Blutflecken auf seiner Kleidung hätte Sorgen
machen müssen. Immerhin war er von Kopf bis Fuß mit Blut und undefinierbarer
Dämonenmasse bedeckt.
"Nun?", fragte Khorne gut gelaunt. "Steht dir der Sinn immer noch nach einer
Konfrontation mit Hild-sama?"
Ranma schüttelte matt den Kopf.
Das Verlangen nach einer Konfrontation war ihm gründlich vergangen. Nun fühlte
er sich erschöpft und emotional ausgelaugt, wunderte sich allerdings darüber,
daß seine im Kampf erlittenen Verletzungen verschwunden waren.
"Gut. Dann verabschiede dich von deinen Fans. Wir haben zu tun."
"Fans?", gab er fassungslos zurück. "Mach keine Witze. Glaubst du, ich wollte
dieses...dieses Massaker anrichten?"
"Gegenfrage: Glaubst du, daß die Antwort auf diese Frage für irgendeinen
dieser Dämonen hier eine Rolle spielt?"
Ranma seufzte fatalistisch.
"Wohl nicht."
Khorne beschloß, das Gespräch an einem ruhigeren Ort fortzusetzen und
teleportierte sich und Ranma aus der Arena in den Vorhof einer gewaltigen Burg
aus dunkel schimmerndem Stein.
"Alles was für die Menge in der Arena von Bedeutung ist, ist, daß du deine
überlegene Position als Kämpfer unter Beweis gestellt und dir damit den
Respekt der niederen Dämonen des Kriegs-Aspekts verdient hast."
"Und dafür mußten hunderte von ihnen sterben?"
"Dämonen, junger Avatar, sterben nie wirklich, außer unter sehr besonderen
Umständen.", antwortete Khorne darauf gelassen. "Deine heutigen Opfer werden
also früher oder später wieder da sein. Und dann werden sie es sich dreimal
überlegen, ob sie es wagen wollen, dich herauszufordern."
"Aber..."
"Ranma.", unterbrach Khorne seinen Protest im Ansatz. "Es ist eine Sache, ob du
dem Namen nach mein Avatar und der Avatar meiner Brüder bist. Wirklich
respektieren wird man dich in dieser Rolle erst, wenn du bewiesen hast, daß du
der Position auch gerecht werden kannst."
"Dann war die Szene in der Arena also eine Art Test.", erwiderte er nach kurzem
Schweigen.
"Du brauchtest eine Möglichkeit, Streß abzubauen. Warum das also nicht mit
einem Test kombinieren? Abgesehen davon wollte ich dir dabei helfen, einen
großen Schwachpunkt loszuwerden."
"Was für einen Schwachpunkt?"
"Du bist ein guter Kämpfer, aber dein Zögern, einen Feind zu töten, kann in
manchen Situationen fatale Folgen für dich haben. Oder für die, die du
schützen willst.", erläuterte der Dämonenlord geduldig. "Wenn es nur nach mir
ginge, würde ich sagen, vernichte jeden, der sich dir in den Weg stellt. Aber
damit wären meine Brüder nicht unbedingt einverstanden. Da dieser Weg zudem zu
einer merklichen Persönlichkeitsveränderung bei dir führen könnte, müßte
ich mich dann auch vor deiner Mutter und eventuell sogar Hild persönlich
verantworten."
"Oh."
"Und deshalb reicht es mir, wenn du einen Killerinstinkt entwickelst, der
funktioniert, wenn immer die Situation es erfordert. Dann aber ohne Zögern oder
Reue."
Ranma nickte verstehend.
Khorne war nun mal ein blutrünstiger Dämon, also sollte er sich wohl über
seine Ansichten nicht wundern. Eigentlich konnte er die Gründe für sein
Handeln sogar verstehen, auch wenn ihm nicht gefiel, daß er so überraschend
mit einer Arena voller blutrünstiger Killerdämonen konfrontiert worden war.
Aber anscheinend war es für diese hochrangigen Dämonen normal, Dinge zu tun,
ohne dabei Rücksicht auf die Befindlichkeiten ihrer Untergebenen zu nehmen.
Wenn das tatsächlich die Art und Weise war, wie die Dinge hier in Nifelheim
geregelt wurden, dann konnte er wohl auch Hild nicht mehr wirklich böse für
ihr Vorgehen sein.
"Noch irgendwelche Fragen?", riß Khorne ihn aus seinen Gedanken.
"Ja. Was ist aus meinen Verletzungen geworden? Und wo sind wir hier?"
"Sobald du deine Kräfte kontrollieren kannst, wirst du in einem Kampf Wunden
heilen können, indem du deine Feinde eliminierst.", erklärte der Dämonenlord
daraufhin. "Bis dahin wird diese Fähigkeit von deinem Unterbewußtsein
aktiviert werden, wenn du in Berserkerwut gerätst, was immer dann der Fall sein
wird, wenn du dich in einem lebensbedrohlichen Kampf befindest."
"Heißt das, ich werde von nun an in jedem Kampf möglicherweise die Kontrolle
über mich verlieren?", gab Ranma wenig begeistert zurück.
"Es ist so ähnlich wie mit der Nekoken. Wenn du die Technik gemeistert hast,
behältst du auch im Berserkerzustand die Kontrolle über dich. Anstatt
unaufhaltsamer Wut wirst du dann eine klarere, erweiterte Wahrnehmung des
Kampfes haben, fast so, als wenn du einen Kampfcomputer im Kopf hättest."
"Verstehe."
"Und zu der Frage, wo wir hier sind..." Der Dämon stieß ein leicht
angewidertes Schnauben aus. "Wir befinden uns vor den Toren der Burg meines
widerlichen älteren Bruders."
"Wer?"
"Tzeentch, der Wandler der Wege. Meister der Täuschung und Manipulation."
Das schimmernde Hologramm eines reich geschmückten Vogelkopfes erschien
plötzlich in der Luft vor ihnen.
"Du vergißt mal wieder: Meister der Magie, Bruderherz.", schnurrte die
samtweiche, einschmeichelnde Stimme des ältesten der vier Chaosdämonen.
"Die einzig wahre Magie ist die Magie einer scharfen Axt, mit der ich meine
Feinde in Stücke schlage.", gab Khorne daraufhin zurück.
"Wenn du es so siehst, bin ich natürlich wahrlich kein Meister.", gab Tzeentch
mit einem gespielt theatralischen Seufzer zurück. "All das Blut und die
sinnlose Gewalt schlagen mir einfach viel zu schnell auf den Magen, wie du sehr
wohl weißt."
"Weichei.", schnaubte Khorne.
Ranma gewann zu Recht den Eindruck, daß der Streit um 'die wahre Magie' schon
ziemlich lange zwischen den beiden Brüdern wogen mußte.
"Ich erwarte euch im Regenbogensaal.", erwiderte der Vogelkopf darauf
kurzangebunden und verschwand.
"Ich liebe es, ihn aus der Fassung zu bringen.", grollte Khorne schmunzelnd.
"Aber warum ausgerechnet der Regenbogensaal?", fügte er mit einem
verächtlichen Knurren hinzu.
"Was stimmt denn damit nicht?", wollte Ranma wissen.
"Der Regenbogensaal ist der Raum, von dem der Wichtigtuer normalerweise seine
sogenannte Magie wirkt.", erklärte Khorne verächtlich. "Andere würden es
schlicht 'Ritualkammer' nennen, aber so einfache Bezeichnungen sind ja unter
seiner Würde."
Ranma zuckte einfach mit den Schultern und folgte seinem größeren Begleiter
durch ein Labyrinth schrillbunter, surrealistischer und sich ständig in Form,
Material und Farbgebung ändernden Gänge. Er selbst hätte sich an diesem die
Sinne verwirrenden Ort hoffnungslos verirrt, doch Khorne blieb von der Umgebung
völlig unbeeindruckt.
Als Ranma den Regenbogensaal betrat, verstand er sofort, woher der Name stammte.
Das verwirrende Durcheinander wild umhertanzender Irrlichter in allen nur
denkbaren Farben verlieh dem Raum etwas von einem im ständigen Fluß
befindlichen Regenbogen.
Insgesamt hatte der Saal einen Durchmesser von mehr als einhundert Metern. Der
Großteil des Bodens wurde von einem gewaltigen Ritualkreis eingenommen,
während eine Vielzahl breiter Nischen an den Wänden, die jede einen
Durchmesser von mehreren Metern hatte, mit Büchern und Vorräten für Rituale
angefüllt war.
Alle bis auf zwei nebeneinanderliegende Nischen, von denen eine einen Spiegel
und die andere eine zwei Meter durchmessende flache Schale enthielt. Ranma
kannte diese Utensilien bereits aus Yuis Anwesen. Offensichtlich
Divinationsräume.
"Ah, wie schön, daß ihr den Weg gefunden habt.", begrüßte der vogelköpfige
Dämonenlord seine Gäste gut gelaunt. "Und wie ich sehe, hatte unser Avatar
einen ereignisreichen Tag.", setzte er, Ranma von Kopf bis Fuß musternd,
amüsiert hinzu.
Ranma folgte dem Blick und wurde sich erst jetzt wieder bewußt, daß er noch
immer mit Dämonenblut aus der Arena bedeckt war.
"Wie zum Teufel konnte mir das entgehen?", wunderte er sich.
"Aus dem gleichen Grund, aus dem das Labyrinth der Veränderungen dich nicht in
den Wahnsinn getrieben hat.", erwiderte Tzeentch. Ein Wink mit einem seiner
krallenbewehrten Arme ließ die Risse und Schnitte in Ranmas Kleidung
verschwinden und reinigte sowohl die Kleidung als auch ihn selbst.
"Blutvergießen ist eine Ausdrucksform des Chaos-Aspekts, für den mein Bruder
hier steht, so wie Wandel einer meiner Aspekte ist.", fuhr er fort. "Und da du
unser Avatar bist, sind all unsere Aspekte nun auch ein Teil von dir, was dir
nicht nur eine gewisse Resistenz verleiht, wenn du den Effekten einer derartigen
Kraft ausgesetzt bist, sondern dir auch, nach ausreichendem Training natürlich,
gestattet, selbst diese Kräfte einzusetzen."
"Da du jedoch noch ein Neuling bist und noch nicht all unsere Aspekte kennst,
mußt du dich natürlich erst mit ihnen vertraut machen.", ergriff Khorne an
dieser Stelle das Wort.
"Na das kann ja heiter werden.", brummte Ranma. Die Aussicht darauf, neue Dinge
an sich zu entdecken, die seine Persönlichkeit verändern mochten, schien ihm
nicht gerade reizvoll. Andererseits...war Wandel nicht sein persönlicher
Einflußbereich als Dämon? Sollte er dann nicht versuchen, diese neue
Entwicklung zumindest zu akzeptieren?
"Als Avatar, also Repräsentant von uns, ist es deine Pflicht.", warf der
Blutdämon grollend ein.
"Das verstehe ich ja.", erwiderte Ranma mürrisch. "Es ist nur so viel auf
einmal."
Khorne schlug ihm aufmunternd eine seiner gewaltigen Pranken auf die Schulter,
was Ranma für einen Moment in die Knie zwang.
"Glaub mir, wir würden es langsamer angehen lassen, wenn wir die Zeit
hätten."
"Wenn wir nicht überzeugt wären, daß du dem beschleunigten Training gewachsen
wärst, hätten wir dich nicht gewählt.", setzte Tzeentch hinzu. "Ich habe
übrigens dein Gespräch mit den Senshi verfolgt. Für einen Anfänger wie dich
eine hervorragende Leistung als Manipulator."
Ranma musterte den Dämon nachdenklich.
"Manipulation ist auch eines deiner Gebiete, richtig?"
"Das ist korrekt."
"Andere zu täuschen war noch nie eine meiner Stärken, vor allem weil es sich
irgendwie falsch und unehrenhaft anfühlte.", erwiderte Ranma darauf. "Trotzdem
hatte ich keine Probleme oder Bedenken, als ich die Tricks, die Mara mir
beigebracht hat, bei den Senshi angewandt habe. Liegt das auch daran, daß ich
euer Avatar bin?"
"Ich wußte, deine Auffassungsgabe würde mich nicht enttäuschen.", antwortete
Tzeentch darauf mit einem gewissen Stolz in der Stimme. "In der Tat wirst du
feststellen, daß dir alle Dinge leichter fallen werden, die irgendwie mit mir
und meinen drei Brüdern in Verbindung gebracht werden können."
"Verstehe."
"An deiner Beobachtungsgabe mußt du allerdings noch ein wenig feilen."
"Wie meinst du das?"
"Folgt mir."
Tzeentch führte seine Gäste durch eine andere Tür in eine Art Studierzimmer,
eine kugelförmige Blase aus buntem glasartigen Material mit abgeflachtem Boden,
die offenbar direkt an eine ausgedehnte Bibliothek aus meterhohen eng
beieinanderstehenden Regalen angegliedert war, die sich schräg unterhalb der
Blase in alle Richtungen weiter erstreckten, als Ranma erfassen konnte.
"Willkommen in der Schwarzen Bibliothek, Ranma. Setz dich doch.", lud Tzeentch
ihn ein und nahm auf einem gemütlichen Sessel Platz.
Khorne musterte einen der anderen Sessel naserümpfend. Eher würde die Hölle
einfrieren, bevor er sich in einen lächerlichen Plüschsessel zwängte.
Sein älterer Bruder reagierte darauf mit offensichtlicher Belustigung und
formte aus dem Sessel mit einer Handbewegung Khornes geliebten Schädelthron,
auf dem dieser sich dann auch mit einem zufriedenen Grunzen niederließ.
Ranma schüttelte angesichts dieser kindischen Darbietung nur mit dem Kopf und
nahm auf dem letzten freien Sessel Platz.
"Diese Bibliothek, Ranma, enthält alles Wissen, was je von einer Zivilisation
dieses Universums angesammelt worden ist. Egal wie trivial es auch sein mag.",
gab der Vogeldämon eine Erklärung zu dem Ort, an dem sie sich befanden. "Hinzu
kommt alles Wissen, was jemals von einer Zivilisation bis zum Ende des
Universums angesammelt werden wird."
"Wissen aus der...Zukunft?", rief der junge Avatar staunend.
"Zeit, mein Junge, ist an diesem Ort ohne Bedeutung.", entgegnete Tzeentch
darauf. "Oder besser gesagt: Sie funktioniert hier nach anderen Regeln. Die
Bibliothek selbst unterliegt nicht den lästigen Beschränkungen der Zeit, wenn
es um ihren Inhalt geht. Da sie zu jeder Zeit des Universums gleichzeitig
existiert, finden natürlich auch Bücher aus jeder Zeit ihren Weg in die nahezu
unendlich vielen Regale dort unten."
"Okay. Und wo ist der Haken?"
"Der Haken, wie du es nennst, ist, daß diese Regel nicht für die Benutzer der
Bibliothek gilt. Andernfalls würde ich dich dort runter schicken, und dich alle
Bücher dort lesen lassen, aber ich fürchte, selbst so langlebige Wesen wie
wir, würden das nicht schaffen, da für uns die Zeit vergeht, während wir
lesen."
"Also hilft diese Bibliothek nur, wenn man weiß wonach man sucht.", vermutete
Ranma.
"So ist es."
"Könntest du langsam auf den Punkt kommen, Bruder?", warf Khorne ungeduldig
ein. "Ich glaube nämlich nicht, daß das, was du zu sagen hast, mit deinem
Buchladen da unten zu tun hat. Den zeigst du Ranma doch nur, um anzugeben."
"Natürlich." Tzeentch nahm einen faustgroßen Splitter aus rotem Kristall von
dem Tisch neben seinem Platz. "Das hier ist ein Gedächtniskristall. Genauer
gesagt ist auf diesem Kristall die Szene gespeichert, die dich bei deinem Besuch
des Timegates so in Rage versetzt hat."
Ranma musterte Tzeentch finster.
"Also weiß hier jeder Bescheid, was Akane passiert ist. Und trotzdem habt ihr
mich auf diese Schnitzeljagd geschickt, ohne mich zu warnen, was ich finden
könnte."
"Sicher, rein subjektiv betrachtet, ist das, was dem Mädchen passiert ist, ganz
furchtbar.", räumte Tzeentch unbeeindruckt ein. "Aber du solltest die Situation
im richtigen Rahmen betrachten, Ranma."
"Im richtigen Rahmen? Was soll dieser Mist denn nun wieder heißen?", gab Ranma
wütend zurück.
"Es soll heißen, Ranma, daß ich dir an jedem beliebigen Tag tausende, wenn
nicht zehntausende von Situationen zeigen könnte, in denen Menschen einander
Dinge antun, gegen die das, was dieser Akane passiert ist, wie ein gemütliches
Picknick wirkt.", lautete Tzeentchs Antwort.
"PICKNICK?!", rief Ranma aufgebracht, kurz davor sich auf den Vogeldämon zu
stürzen.
"Glaubst du ernsthaft, daß das, was ihr geschehen ist, für jemanden, der dies
und schlimmeres bereits in millionenfacher Ausführung gesehen hat, dieselbe
Bedeutung hat wie für jemanden, der zuvor so gut wie noch nie mit der
finstereren Seite menschlichen Seins in Berührung gekommen ist?", fuhr dieser
jedoch ungerührt fort und nahm Ranma damit jeglichen Wind aus den Segeln.
"Vermutlich nicht.", räumte er kleinlaut ein. "Aber deswegen muß es mir nicht
gefallen, in dieser Situation zu stecken."
"Natürlich nicht.", stimmte Tzeentch zu. "Aber weshalb solltest du dich damit
zufriedengeben? Wandel ist dein direkter Einflußbereich. Dinge zu ändern ist
ein natürlicher Vorgang für jemanden wie dich. Mit ein wenig mehr Übung
versteht sich."
"Was hat er denn nun übersehen?", grollte Khorne ungeduldig.
"Ah, richtig." Tzeentch nickte seinem Bruder dankend zu. "Wenn du Divination
betreibst, ist es wichtig, daß du dir sämtliche Details einprägst. Nicht nur
die offensichtlichen Dinge. Andernfalls hättest du entdeckt, daß sich im
Hintergrund der Szene eine männliche Person aufhält, deren Gesichtszüge
unerkennbar sind."
"Wie bei dem Mann, der bei Akanes Zeugung Souns Stelle eingenommen hat!", rief
Ranma überrascht.
"Exakt.", stimmte der Vogeldämon zu. "Der Effekt war derselbe. Der Mann jedoch
war es nicht. Und wie meine Lieblingssenshi bereits festgestellt hat, gehört
der Effekt zu einer Form von Illusionszauber."
"Welcher Bastard ist dafür verantwortlich?", knurrte Ranma.
"Keine Ahnung. Was ich dir jedoch sagen kann ist, daß ein Zauber, der mächtig
genug ist, das Timegate zu täuschen, nicht von einem Sterblichen gewirkt worden
sein kann, sondern nur von einem Kami oder Dämon."
"Aber ich dachte, wir sind für das Gate ohnehin unsichtbar.", wunderte Ranma
sich.
"Was unsere Auswirkungen auf Gegenwart und Zukunft betrifft, ja.", klärte
Tzeentch ihn auf. "Das Timegate kann weder unsere Aktivitäten in der Gegenwart
verfolgen, noch projizieren, wie sich unsere Aktivitäten auf die Zukunft
auswirken könnten, da es dafür nicht mächtig genug ist. Das hindert das Gate
jedoch nicht daran, nachträglich einen Blick auf Dinge zu werfen, die bereits
Fakten sind. Dort wirkt jedoch immer noch der natürliche Verschleierungseffekt,
der unsere Identitäten vor dieser Form von Spionage schützt."
"Also kann Pluto zwar nicht verfolgen, was ich im Augenblick tue, aber sie
könnte mir rückblickend hinterherschnüffeln."
"Nein.", beruhigte Tzeentch ihn. "Du bist ein spezieller Fall. Als unser Avatar
ist dein Chaosfaktor zu hoch. Solange du dich nicht direkt in Plutos Nähe
aufhältst, kann sie dich mit dem Gate nicht wahrnehmen, und selbst wenn du in
ihrer Nähe bist, wird sie nicht viel sehen können."
"Na das ist mal beruhigend."
"Und noch etwas, Ranma.", fuhr der Vogeldämon fort. "Als du im Timegate
beobachtet hast, was Akane zugestoßen ist, hast du ein weiteres wichtiges
Detail verpasst."
"Und welches wäre das?"
"Nachdem alles vorbei war, zu einem Zeitpunkt, den du und Sailor Pluto nicht
mehr beobachtet hattet, hat der unbekannte Mann noch etwas mit Akane getan."
"Nun sag schon. Was hat er getan?", drängte Ranma ungeduldig.
Tzeentch seufzte theatralisch und beschloß, daß Geduld etwas war, was er
seinem Avatar unbedingt beibringen mußte.
"Er hat Akane mit einem Zauber belegt.", antwortete der Dämonenlord. "Soweit
ich es beurteilen kann, handelt es sich um einen Erinnerungsblocker."
"Du meinst..."
"Sie kann sich nicht wirklich daran erinnern, vergewaltigt worden zu sein."
"Aber warum sie vergewaltigen lassen, nur um ihr dann die Erinnerung daran zu
nehmen? Das ergibt doch keinen Sinn."
"Das hängt einzig und allein von den Parametern des Blocks ab.", erwiderte
Tzeentch schulterzuckend. "Wenn du zu einem Klasse 2-Dämon befördert wirst,
und nach ein wenig Training in der Untersuchung magischer Konstrukte, kannst du
dir selbst ein Bild davon machen, was der Blocker genau mit ihrem Kopf
anstellt."
"Mit anderen Worten: Ich werde noch ein Weilchen warten müssen, bevor ich die
letzten Puzzleteile finden und für Akane Rache nehmen kann."
"Rache?" Tzeentch runzelte erstaunt die Stirn.
"Ich mag Akane nicht heiraten wollen, aber das bedeutet nicht, daß sie mir
gleichgültig ist.", erklärte Ranma. "Sicher, es wird Zeit, daß sie ein wenig
erwachsener wird und Verantwortung für ihre eigenen Fehler übernimmt, aber was
ihr angetan wurde, macht mich sehr, sehr wütend. Und wie es aussieht, kann ich
nicht mal mit ihr über das Geschehene reden, weil sie sich nicht mehr daran
erinnern kann."
"Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinem Vorhaben.", kommentierte der
Vogeldämon trocken. "Und nachdem das geklärt ist..." Tzeentch nahm einen
zweiten Kristall vom Tisch und gab ihn Ranma zusammen mit dem ersten. "Der
andere Kristall enthält die Zeugungsszene. Und das hier", er gab Ranma eine
Mappe, "sind fotographische Kopien der wichtigsten Szenen für deinen Fall –
falls du irgendjemandem einen Beweis für deinen Fund präsentieren willst oder
musst."
"Danke."
"Keine Ursache. Ich hoffe allerdings um deinetwillen, daß du in drei Tagen
deine Probleme in Nerima gelöst hast, da dann Hild-samas Frist abgelaufen sein
wird, und sie sehr...ungehalten reagieren kann, wenn ihre Anweisungen mißachtet
werden."
"Das hoffe ich auch. Ich habe schon ein paar Ideen, aber die werde ich später
noch mit meiner Mutter und Mara bereden, um zu hören, was die dazu meinen."
"Gut. Zögere nicht, von der Erfahrung anderer zu profitieren, wenn du allein
nicht vorankommst.", lobte Tzeentch zufrieden. "Allerdings sollte ich dich wohl
informieren, daß du in nächster Zeit damit rechnen solltest, von mir, meinen
Brüdern und Hild-sama auf überraschende Trainingsmissionen geschickt zu
werden, damit du lernst, wie du deine Kräfte und Fähigkeiten am Besten in
einer echten Mission einsetzt. Diese Erfahrung ist wichtig für dich, und
solltest du die Möglichkeit finden, dabei deinen Wissenshorizont zu erweitern,
oder das eine oder andere magische Spielzeug zu erhalten, zögere auf keinen
Fall, die Gelegenheit wahrzunehmen."
"Das werde ich.", versprach der junge Avatar entschlossen.
"Sehr schön. Dann wäre nur noch eine Sache, bevor ich dich nach Midgard
zurückschicke."
"Und das wäre?"
Tzeentch holte aus dem Nichts eine Reihe von Büchern hervor und stapelte sie
vor Ranma.
"Hier drin findest du eine Reihe von Techniken, die für dich ein absolutes Muß
sind. Der Zugriff darauf ist normalerweise für Dämonen unterhalb der Klasse
zwo ohne Beschränkungen gesperrt, aber solange ich von Hild-sama keine
gegenteiligen Anweisungen erhalte, habe ich hier in Nifelheim das letzte Wort,
wenn es um Magie geht."
"Wird das dann keine Probleme verursachen?"
"Mach dir da mal keine Sorgen, Ranma. Wenn du für Klasse drei zu mächtig
wirst, steigt die Wahrscheinlichkeit auf eine schnelle Beförderung.", erwiderte
Tzeentch mit einem amüsierten Augenzwinkern.
Das inzwischen gewohnte Handwinken öfnete hinter Ranma ein Portal.
"Dieser Weg bringt dich ins Haus deiner Mutter. Richte ihr meine Grüße aus und
sag ihr, ich freue mich bereits auf den Tag, da sie ihren Urlaub beendet und in
den Rat zurückkehrt."
Ranma nickte.
"Das werde ich. Danke und...bis zum nächsten Mal, schätze ich."
"Schau mal wieder in der Arena vorbei.", rief ihm Khorne zum Abschied zu und
teleportierte in einer Schwefelwolke aus dem Raum.
"Mal sehen, was sich so ergibt.", erwiderte Ranma darauf naserümpfend und trat
durch das Portal.
Er kämpfte zwar gern, aber nochmal wollte er sich auf ein so blutiges Gemetzel
nicht einlassen, wenn es sich vermeiden ließ.
Kapitel 8: Fortschritte
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Dringende Bitte an meine Leser:
Wer kann mir Informationen über die Darkstalker-Charas Morrigan Aensland und
ihre "Schwester" Lilith, sowie die mächtigeren/interessantesten ihrer Gegner
geben (bitte per ENS, wenn möglich). Ich überlege, diese Charas für
Nebenrollen/Gastauftritte in dieser Fanfic (vor allem Arc 3&4) zu verwenden,
habe im Internet bisher aber nur ziemlich allgemeine Infos finden können (was
mir beispielsweise fehlt ist eine nähere Beschreibung ihrer Attacken und ein
paar Tips zu Persönlichkeit und Motivation dieser Charaktere).
Außerdem sitze ich gerade an den Planungen für Arc 2 und dachte mir, das wäre
eine gute Gelegenheit, euch um Ideen/Meinungen zu fragen.
Arc 2 wird essentiell eine Anhäufung von Trainingsmissionen für Ranma sein,
wobei jede Mission (voraussichtlich je) ein Kapitel umfassen und jeweil ein
Ranma+1 anderer Anime-xover sein wird.
Es stehen bereits folgenden xover für die Missionen fest:
- Ranma-Neon Genesis Evangelion
- Ranma-Inu Yasha
- Ranma-Record of Lodoss War
Ausgeschlossen ist ein xover mit Hellsing, da einige der Hellsing-Charas bereits
für Gastauftritte in der Hauptstory vorgesehen sind (daher ist Hellsing also
effektiv Teil desselben Universums, aus dem Ranma stammt und nicht Teil einer
Parallelwelt, in die man ihn schicken könnte).
Was ich nun suche sind Vorschläge für weitere Orte, zu denen Ranma für sein
Training reisen könnte. Wer also eine Idee dafür hat, nenne mir bitte den
Namen des Animes für das xover und die Trainingsmission, die Ranma dort zu
erfüllen hat (bitte per ENS, wenn möglich). Wenn die Idee gut in mein
Trainingskonzept passt, werde ich sie umsetzen.
Danke schon mal im Voraus ^__^
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Jetzt ein paar Kommi-Anmerkungen:
@Phibrizo: Danke für das Lob (und der Erinnerungsblock - mit allem drum und
dran - ist wichtig für Arc 4; ihr seht, ich plane schon weit voraus XD). Die
Inners kommen erst wirklich in Arc 3 vor, sorry, aber im nächsten Kapitel (also
Kapitel 9) wird es wieder ein paar Interaktionen mit den Outers (minus Saturn
*seufz* -_- ) geben. Mit den Inners, vor allem mit Ami und Minako, habe ich in
Arc 3 allerdings schon eine ganze Menge vor. Und Makoto wird im gleichen
Apartmentblock wie Ranma wohnen, also kann sich da durchaus das eine oder andere
ergeben ^__~
@Ghost6:
Danke. Und zur Klarstellung: Ranma hat mehrere Wochen unter Yui in Nifelheim
trainiert (die Tatsache, daß er mit einer Zeitdifferenz von mehr als den von
Yui versprochenen 5 Minuten zurückgekommen ist, hängt übrigens mit den vor
der Reise nach Nifelheim erlittenen Verletzungen zusammen. Beispiel: Ein Dämon
wird in Midgard verletzt und flieht nach Nifelheim, wo er 3 Tage braucht, um zu
heilen. Bis zu seiner Rückkehr ins Midgard-Zeitkontinuum müssen dann
mindestens diese 3 Tage Midgard-Zeit verstrichen sein; sonst würde die
Teleportationsfähigkeit zu mächtig werden).
Sein Training unter Miki, Mara, Neko und Nodoka (also in der Midgard-Dimension)
wird insgesamt 2 Wochen dauern (Zeit, in der er laut Hild eine Lösung für
seine Nerima-Probleme gefunden haben muß).
Und zu Nabiki kann ich nur sagen: Ranma hat die Tendos darüber informiert, daß
er Zeit mit seiner Mutter verbringen möchte, wfür die Tendomädchen vollstes
Verständnis haben (schließlich wissen sie aus eigener Erfahrung, wie es ist,
die eigene Mutter zu vermissen, ne?!). Alles weitere hierzu ergibt sich aus
diesem Kapitel (ich habe Nabiki also keineswegs vergessen ^__^ aber trotzdem
schön, daß du auf diesen Punkt hingewiesen hast).
@illustrious:
Freut mich, daß ich helfen konnte, deine Arbeitszeit etwas interessanter zu
gestalten XD
Nifelheim/Asgard/Midgard ist, um präzise zu sein übrigens nordische
Mythologie. Und die "Version" davon, die ich verwende (insbesondere Hild und
Mara) entstammt der Serie "Oh! My Goddess" (bzw "Ah! Megami-sama"). Baal und
Mephisto sind aus dem Spiel Diablo ausgeliehen, und die 4 Chaos-Lords (also
Khorne, Tzeentch, Slaanesh und Nurgle) sind Erfindungen von Games Workshop für
das Warhammer- bzw Warhammer40k-Universum.
Deinen Einwand, daß es alle aus der Hölle zu gut mit Ranma meinen, kann ich
nachvollziehen. Aber: Ranma hat erst einige Wochen unter "seinesgleichen"
verbracht (im Zeitmaßstab der Dämonen gerade mal ein Blinzeln, also kaum genug
Zeit, um überhaupt wahrgenommen zu werden). Willst du ihm da wirklich schon
Auseinandersetzungen mit mächtigen und vor allem erfahrenen Dämonen (und wir
reden hier von einem Vorsprung von Jahrhunderten bis Jahrtausenden, was
Erfahrung betrifft) zumuten? Sicher, bisher waren alle freundlich zu Ranma, aber
das liegt daran, daß er es nur mit einer Hand voll Dämonen zu tun hatte, die
alle letztlich mit ihm im Bunde sind (er ist der Avatar, also Repräsentant, der
Chaoslords, also haben diese keinen Grund, etwas anderes als hilfsbereit zu
sein; Yui ist seine Tante, Nodoka seine Mutter, Mara als Lehrerin abkommandiert
worden, und Hild hat er bisher noch nicht enttäuscht, also hat sie keinen
Grund, sauer auf ihn zu sein). Und um in irgendeiner Weise in Intrigen zwischen
den verschiedenen Machtgruppierungen Nifelheims hineingezogen zu werden, ist er
einfach noch zu unbedeutend (wie Khorne es sagte: Es reicht nicht, daß er dem
Namen nach Avatar ist, er muß sich erst beweisen, um ernst genommen zu werden).
Aber keine Sorge. Früher oder später wird er es auch in Himmel und Hölle mit
Gegenspielern zu tun bekommen (frühestens irgendwann in Arc 2 oder Arc 3 auf
irgendwelchen "Nebenkriegsschauplätzen", definitiv aber in Arc 4).
Und solange es konstruktives Genörgel ist, was du schreibst, habe ich kein
Problem damit, also mach ruhig weiter so ^^
So, jetzt genug Geblubbere von mir. Viel Spaß mit dem 8. Kapitel:
=======================================================
Teil 8 - Fortschritte
Am Abend des zwölften Tags lag Ranma mit geschlossenen Augen auf dem Dach des
Tendohauses und grübelte über seine Pläne nach, mit denen er sich aus dem
Leben in Nerima verabschieden wollte. Einen Teil seiner Ideen hatte er am Vortag
mit seiner Mutter und Mara diskutiert, die einige nützliche
Verbesserungsvorschläge gemacht hatten.
Ein wenig bedauerte er ja, sich von den Leuten hier trennen zu müssen,
zumindest in ein paar Fällen. Um Kuno war es nicht schade, und auch auf
Happosai, Nabiki und die beiden jüngeren Amazonen konnte er gut verzichten.
Aber Kasumi, Doktor Tofu und ein wenig sogar den alten Ghul Cologne würde er
wohl vermissen. Andererseits sah er natürlich ein, warum die Trennung sein
mußte. Würden ihm die Chaoten aus Nerima nach Juuban folgen, würden deren
Einmischungen die Dinge für ihn und die Senshi vermutlich schwieriger machen,
als sie ohnehin schon waren, und mit einer Starterfolgschance von gerade mal
fünfzig Prozent konnte er auf solche Probleme sehr gut verzichten, wenn das
Schicksal der gesamten Welt auf dem Spiel stand.
Leise Schritte auf dem Dach, die sich ihm näherten, unterbrachen Ranmas
Gedankengänge. Auch ohne die Augen zu öffnen erkannte er Neko-sensei an seiner
Aura.
"Hallo, Ranma.", begrüßte der Katzendämon seinen Schüler.
"Hi, Sensei." Ranma öffnete die Augen... und starrte mitten in ein paar
blaßgrüne Augen mit geschlitzten Pupillen, die in einem mit grauweißem Fell
bedeckten Gesicht zu finden waren. Für einen kurzen Moment spürte er Furcht in
sich aufsteigen, doch anders als früher gewann er mühelos die Kontrolle über
sich zurück.
Dafür geschah jedoch etwas anderes, was ihn mindestens ebenso sehr
erschütterte wie die immense, den Verstand zersetzende Furcht, die er seit
seiner Kindheit immer mit Katzen in Verbindung gebracht hatte.
Für einen kurzen Moment drehte sich alles um ihn herum, so als ob er in
plötzlich seinen Gleichgewichtssinn verlieren würde. Kurz wurde ihm schwarz
vor Augen, während ihn ein eigenartiges Gefühl überkam. Ranma konnte es nicht
in Worte fassen, außer daß er den Eindruck hatte, als würde ein bedeutender
Teil seines Selbst von ihm getrennt. Die Abruptheit und Brutalität dieses
Vorgangs verursachte ihm Übelkeit.
"Alles in Ordnung, Ranma-kun?", erkundigte Neko sich angesichts der Blässe in
Ranmas Gesicht besorgt.
"Ich..." Ranma hielt inne, als ihm eine Ermahnung Hilds in den Sinn kam:
/////// FLASHBACK ///////
"Nun zu deinem Schwachpunkt."
"Meine Angst vor Katzen sollte ich doch mit Nekos Hilfe loswerden.", wunderte
Ranma sich.
"Das mag sein.", meinte Hild dazu. "Aber der Schwachpunkt hat nicht
zwangsläufig etwas mit Angst zu tun."
"Womit dann?"
"Das ist von Dämon zu Dämon verschieden.", erwiderte Hild schulterzuckend.
"Ich kenne eine Dämonin, die anfangen muß zu tanzen, wenn sie Diskomusik
hört. Welchen Effekt die Nähe einer Katze auf dich hat, wirst du
unglücklicherweise selbst herausfinden müssen. Und dann rate ich dir, diesen
Effekt als dein größtes Geheimnis zu betrachten. Insbesondere gegenüber
anderen Dämonen, da diese deine Schwäche im Falle eines Streits sonst gegen
dich verwenden könnten."
/////// END FLASHBACK ///////
"... nein, es geht schon.", antwortete er ausweichend, nachdem ihm klar geworden
war, daß der seltsame Effekt mit seinem Schwachpunkt zusammenhängen mußte.
°Ob Übelkeit das einzige Problem ist?°, wunderte er sich und horchte mit
seinen erweiterten Sinnen in sich hinein.
Nur weil er sich von vornherein anstrengte, sich vor Neko nichts anmerken zu
lassen, gelang es ihm, die Fassung zu bewahren, als er den größten Schock
seines Lebens erlitt.
Seine Ki- und Manareserven waren verschwunden.
Natürlich bedeutete das nicht, daß er nicht mehr über Ki oder Mana verfügte.
Ein vollständiger Verlust seiner Kireserven sollte theoretisch zu seinem Tod
führen, während der Verlust seines Manas laut Hild Bewußtlosigkeit zur Folge
haben sollte.
Da keins von beidem der Fall war, war verschwunden vielleicht nicht ganz der
richtige Begriff.
Aber egal wie man es zu beschreiben versuchte, solange er weder sein Ki noch
sein Mana wahrnehmen konnte, konnte er keins von beiden benutzen. Effektiv war
er also im Falle eines Angriffs absolut hilflos, solange der Angreifer selbst
kein kleiner Fisch war.
Ganz gleich was er von Neko halten mochte, so war DAS doch etwas, was er unter
keinen Umständen Preis geben würde. Also konnte er von seinem Sensei auch
nicht verlangen, die Katze zu entfernen, da das nur zu unnötigen Fragen führen
würde, die Ranma nicht beantworten wollte.
Die Lösung war also, für den Augenblick so zu tun, als ob tatsächlich alles
in Ordnung wäre, Nekos Training hinter sich zu bringen und danach die Gegenwart
von Katzen unbedingt zu meiden.
"Sehr witzig.", grollte Ranma und nahm seinem Lehrer die Hauskatze ab, die
dieser ihm direkt vor die Nase gehalten hatte.
Begleitet von Nekos zufriedenem Grinsen platzierte er das Tier auf seinem Bauch
und gab der Katze die gewünschten Streicheleinheiten. Die Katze wiederum rollte
sich auf Ranmas Bauch zusammen und begann zufrieden zu schnurren. Früher hätte
allein die Vorstellung eine Katze zu streicheln ihn in ein angstinduziertes Koma
versetzt, doch jetzt empfand er es sogar als angenehm und irgendwie beruhigend,
sich mit dem Tier zu beschäftigen.
"Da du deine Angst unter Kontrolle hast, werden wir morgen mit der bewußten
Kontrolle der Nekoken-Techniken beginnen.", verkündete Neko.
"Reichen die zwei Tage denn für alle Techniken, Sensei?"
"Sie reichen locker für einen Überblick. Anschließend mußt du die Techniken
nur regelmäßig anwenden, um sie zu verinnerlichen. Bei deinem exzellenten
Begriffsvermögen und Gedächtnis für Kampftechniken sollte das kein Problem
sein.", erklärte der Katzendämon. "Mit Ausnahme einiger Spezialmanöver
dürftest du die Grundlagen vermutlich schon nach ein paar Stunden
beherrschen."
Ranma freute sich sichtlich über das Lob.
Dann freute er sich noch mehr, weil Kasumi ihn nämlich zum Abendessen rief.
Das Abendessen fand in einer seltsamen Atmosphäre statt.
Kasumi und Ranma wirkten zufrieden wie immer. Genma benahm sich auffällig
zurückhaltend, aber das ließ sich leicht durch Neko erklären, der in Genmas
Sichtfeld an der Wand lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt hatte und
gelegentlich mit seinen Nekokenklauen spielte. Auch Akane hielt sich Ranma
gegenüber merklich mit ihrem normalerweise explosiven Temperament zurück, doch
auch das war durch Neko erklärbar, dessen lauernde Blicke die jüngste
Tendotochter während des gesamten Abends auf sich spürte. Statt mit ihren
Wutausbrüchen Ranmas Abend zu ruinieren brütete sie also still vor sich hin,
seit Tagen darauf wartend, daß Neko verschwinden würde, so daß sie sich
wieder in Ruhe austoben konnte. Soun schien die Stimmungslage von Genma und
Akane zu bemerken, und auch den Grund dafür, denn sein Blick wanderte
gelegentlich von Genma zu Neko, dann zu Akane und wieder zu Neko zurück. Alles
in allem wirkte er ziemlich bedrückt und unzufrieden mit der Situation, besaß
jedoch nicht genug Rückgrat, um sich zu äußern.
Die einzige Änderung zum Normalfall der letzten Tage war Nabiki.
Sie aß schweigend und mit gesenktem Kopf. Wenn sie jedoch mal aufschaute, dann
nur um Ranma mit einem Blick zu durchbohren, den man als ziemlich wütend
beschreiben konnte. Bei jemandem wie Nabiki, die ihre wahren Gefühle nahezu
immer hinter einer Maske aus entweder Gleichgültigkeit, Amusement oder eisiger
Kälte verbarg, kam ein solcher Blick eigentlich schon einer offenen
Kriegserklärung gleich.
Ranma bemerkte dies und wunderte sich, was er der mittleren Tochter getan haben
konnte, daß sie sauer auf ihn war.
Früher hätte er vermutlich die Situation ignoriert, bis Nabiki zu ihm gekommen
wäre und ihm gesagt hätte, was ihr Problem war. Aber inzwischen hatte Ranma
dazugelernt. Seine Mutter hatte ihn darauf hingewiesen, daß Probleme sich nicht
lösten, indem man sie ignorierte, und daß es im Grunde eine Art des
Davonlaufens war, sich Schwierigkeiten nicht zu stellen. Mara hatte hinzugefügt
daß, wenn er darauf wartete, daß die andere Person sich an ihn wandte, damit
die Konfrontation unvermeidlich zu den Bedingungen der anderen Person
stattfinden und er damit von vornherein im Nachteil sein würde. Nabiki würde
zudem mehr Zeit haben, Ärger für ihn zu planen, wenn sie wirklich sauer auf
ihn war.
Diese Zeit würde er ihr nicht geben.
Nabiki hatte nach dem Abendessen kaum am Schreibtisch in ihrem Zimmer Platz
genommen, als es auch schon an ihrer Tür klopfte.
"Herein.", schnaufte sie irritiert, denn eigentlich wäre es ihr lieber gewesen,
ihre Ruhe zu haben.
"Du!", rief sie, offensichtlich wütend, als sie in ihrem Besucher Ranma
erkannte.
"Ich.", erwiderte Ranma schlicht, und mehr und mehr verwundert über Nabikis aus
seiner Sicht grundlosen Zorn.
Die mittlere Tendotochter kreuzte die Arme vor der Brust und musterte ihren
Besucher mit einem Ausdruck, der normalerweise für Kakerlaken und säumige
Schuldner reserviert war.
"Was willst du?", fragte sie frostig.
"Nicht viel.", gab der junge Dämon zurück. "Aber eine Erklärung für deine
nicht zu übersehende Feindseligkeit mir gegenüber wäre ganz nett."
"Zwanzigtausend Yen."
Ranma nickte zustimmend. Nabiki würde den Betrag auf seine Rechnung setzen.
"Ich kann verstehen, daß du bei Shampoo, Ukyo und Kodachi relativ unschuldig
bist.", begann Nabiki ihre Erklärung. "Und ich weiß, daß du in der
Verganganheit oft ohne eigenes Verschulden in mehrdeutige Situationen geraten
bist."
"Dein Verständnis für mein Leben ist erfreulich. Aber kaum eine Erklärung
für deine Antipathie.", kommentierte er trocken mit Hilfe seines in den letzten
Wochen unter Yui, Mara und seiner Mutter hinzugewonnenen Vokabulars.
Nabiki reagierte darauf, indem sie ein Foto aus einer Schublade ihres
Schreibtisches holte und vor ihm auf die Tischplatte knallte.
"Die Frage lautet: Wie erklärst du DAS?", schnappte sie gereizt.
Ranma betrachtete das Foto neugierig. Es zeigte ihn und Miki in inniger Umarmung
auf dem Dach von Nodokas Haus.
Mikis und seine Zunge waren zudem in einen intensiven Ringkampf verstrickt.
"Das Bild wurde Abends gemacht."
"Und?", fragte Nabiki, irritiert über den unerwarteten Kommentar.
"Für eine Aufnahme unter derart ungünstigen Lichtverhältnissen ist die
Qualität ziemlich gut.", erläuterte er.
"Das ist alles?", fragte sie ungläubig. "Mehr hast du zu deiner Verteidigung
nicht zu sagen?"
"Ich war mir nicht bewußt, daß ich mich für irgendetwas verteidigen
müßte.", antwortete Ranma darauf.
"Was ist aus dem Ranma geworden, der, egal wie unschuldig die Situation
tatsächlich ist, alles tun würde, damit ich dieses Material verschwinden
lasse?", wunderte Nabiki sich kopfschüttelnd.
"Dieser Ranma war der Ansicht, daß es an der Zeit wäre, etwas erwachsener zu
werden.", erwiderte er. "Was du dort fotografiert hast, ist eine unbestreitbare
Tatsache. Kein Versehen oder Mißverständnis. Wenn du allerdings nach dem Grund
fragst..."
"Endlich kommst du zum Punkt, Saotome. Hat das Mädchen dir ein Heilmittel für
deinen Fluch versprochen oder etwas in der Art?"
"Nein. Der Grund ist schlicht Training."
"Training?", gab Nabiki verblüfft zurück. "Du nennst das", sie wedelte mit dem
Foto vor seinem Gesicht rum, "Training?"
"Nun, meine Mutter meinte..."
"Nodoka?", unterbrach Nabiki ihn. "Jetzt ist mir alles klar. Hinter so einem
Einfall kann ja nur Miss 'Mein Sohn muß männlich sein, oder sich selbst den
Bauch aufschlitzen', stecken."
"Wie ich gerade sagen wollte...Mom meinte, meine Defizite im Umgang mit
Mädchen, bedingt durch die zehnjährige Isolation von einem auch nur annähernd
normalen Leben, würden es mir auch in Zukunft schwer, wenn nicht gar unmöglich
machen, eine Beziehung zu jemandem aufzubauen.", fuhr er fort. "Sie meinte, ich
sollte Erfahrung in den Dingen sammeln, die zum normalen Kontakt zwischen Jungs
und Mädchen meines Alters gehören. Und dazu gehören Dinge wie Umarmungen und
Küsse, aber auch ganz normale Unterhaltungen."
"Unterhaltungen?"
"Mom meinte, ich müßte lernen, mit Menschen über Dinge zu reden, die mich
beschäftigen, insbesondere mit Mädchen, weil die Mehrheit der Probleme, auf
die ich im Leben treffen werde, sich nicht durch Martial Arts lösen lassen." Er
zuckte mit den Schultern. "Ich war erst etwas uneinsichtig, aber dann hat Mom
mir ein paar Alltagsprobleme vorgesetzt. Dabei habe ich schnell gemerkt, daß
meine Kampfkünste mir nicht helfen, sondern im Gegenteil einige Probleme noch
verschlimmern würden."
"Ich hätte nie gedacht, daß irgendjemand es schaffen könnte, einen Sturkopf
wie dich zu dieser Einsicht zu bewegen."
"Ich weiß, daß ich stur bin. Aber ich bin nicht dumm. Es war also nur eine
Frage der richtigen Methode.", erläuterte er.
"Wie meinst du das, Ranma?"
"Nun, Pops und alle anderen hier gehen davon aus, daß sie besser als ich
wissen, was ich will, ohne mich auch nur fragen zu müssen. Ihr alle erwartet,
daß ich schlicht tue, was mir gesagt bin, weil ich ja eh zu blöd bin,
Entscheidungen für mich selbst zu treffen."
Nabiki senkte bei diesen Worten schuldbewußt den Blick.
"Mom hingegen hat mir einfach nur die Informationen und Hinweise gegeben, die
ich brauchte, um von selbst zu den richtigen Ergebnissen zu kommen. Und noch
etwas: Hier schreibt mir jeder vor, was das Ziel meines Lebens zu sein hat. Mom
wird mich jedoch tun lassen, was immer ich will. Sie übt nur den Druck aus, der
nötig ist, damit ich mich anstrenge, mein eigenes Potential zu
verwirklichen."
"Ich verstehe den Unterschied.", räumte Nabiki ein. "Wer ist das Mädchen?"
"Meine Cousine Miki."
"Also ist sie keine Rivalin für meine kleine Schwester.", stellte die mittlere
Tendotochter einigermaßen beruhigt fest.
Ranma seufzte bedauernd.
"Tut mir leid, Nabiki, aber ich kann deine Schwester nicht heiraten.", erklärte
er kopfschüttelnd.
Schlagartig war Nabikis Eis-Maske wieder in Position.
"DAS wirst du mir erklären müssen, Saotome.", forderte sie mit emotionsloser
Stimme.
"Ich habe in den letzten Tagen ein paar Dinge herausgefunden.", antwortete er
mit sichtlichem Unbehagen. "Ich verstehe jetzt einigermaßen, warum Akane sich
mir gegenüber so verhält, wie sie es tut, und ich wünschte, ich könnte ihr
irgendwie helfen. Und dann gibt es noch andere Dinge, die eine Heirat unmöglich
machen."
"Rede gefälligst nicht drumherum. Was genau hast du rausgefunden? Was ist das
für ein Problem mit Akane?"
"Glaub mir, Nabiki, das willst du nicht wissen."
"Den Teufel will ich.", schnappte Nabiki wütend. "Es geht hier um meine
Familie."
"Und du tust alles, um deine Familie zu schützen.", gab Ranma gereizt zurück.
"Denkst du, das wüßte ich nicht? Trotzdem sage ich dir: Du. Willst. Die.
Details. Nicht. Wissen."
Die Eindringlichkeit, mit der Ranma das sagte, hätte Nabiki zu denken geben
sollen. Aber wenn ihre Familie betroffen war, konnte sie genauso stur sein wie
Ranma.
"Du, Ranma, schreibst mir nicht vor, was ich will und was nicht. Und ich sage
dir: Rück mit den Informationen raus, oder ich mache dir das Leben zur
Hölle."
Ranma hielt sich sehr zurück, auch wenn er innerlich vor Wut kochte. Hier tat
er alles, um Probleme von Nabiki fernzuhalten, und dieses sture Weib tat alles,
um seine Bemühungen zu sabotieren.
"Ich kann wohl nichts tun, um dich von dieser Dummheit abzubringen, oder?",
seufzte er.
"Schön, daß du es endlich einsiehst, Saotome. Und jetzt raus mit der
Sprache."
"Nicht so hastig.", wehrte der junge Dämon ab. "Sobald du die Information hast,
wirst du dir wirklich wünschen, auf mich gehört zu haben."
"Ja, ja. Wie oft willst du das noch wiederholen?"
"Ich will damit sagen, daß du hinterher wütend auf mich sein wirst. Sehr
wütend. Weil ich mich nicht nachdrücklicher geweigert habe."
"Worauf willst du hinaus, Saotome?"
"Wenn ich mir schon deinen Zorn zuziehen werde, will ich wenigstens eine
angemessene Gegenleistung dafür haben. Nenn es Entschädigung, wenn du
willst."
"Du willst WAS?"
"Hey, wer ist es denn, der mit Informationen handelt?", verteidigte Ranma sich.
"Wenn ich zahlen soll, um welche zu bekommen, warum sollte ich dann nicht etwas
bekommen, wenn ich dir Informationen gebe?"
"Also gut. Wie viel?"
"Kein Geld.", antwortete er kopfschüttelnd.
"Was dann?"
"Du hast noch achtundvierzig Stunden.", erklärte er darauf. "Ab diesem
Zeitpunkt wirst du ohne mein Einverständnis weder über meine männliche noch
über meine weibliche Form irgendwelches Material verkaufen oder sonstwie
verbreiten."
Hatte sie richtig gehört? Sie sollte ihr einträglichstes Projekt aufgeben?
"Hast du deinen Verstand verloren?", erwiderte Nabiki fassungslos.
Ranma zuckte gleichgültig mit den Schultern.
"Das ist mein Preis, Nabiki."
"Ich könnte Akane das Foto zeigen.", drohte sie daraufhin. "Und die anderen
Verlobten dürften auch sehr daran interessiert sein."
Früher hätte Ranma nahezu alles getan, damit Nabiki eine solche Drohung nicht
in die Tat umsetzte. Aber der 'neue' Ranma erkannte ihre Manipulationsmethoden
nicht nur, er verfügte auch über einige effektive Kontermethoden.
"Das könntest du tun.", stimmte er zu. "Aber meine Mutter hat meiner Tante
gegenüber die Verantwortung für Mikis Sicherheit übernommen.", informierte er
sie. "Möchtest du wirklich herausfinden, was Mom mit dir tun würde, wenn sie
herausfindet, daß du ihre Nichte in Gefahr gebracht hast?"
Nabikis unbehagliche Miene war Antwort genug. Kein Mensch mit etwas Verstand
würde sich den Zorn von jemandem zuziehen wollen, der zu jedem noch so
unbedeutenden Anlaß ein echtes Katana mit sich zu führen pflegte.
"Du würdest wirklich zulassen, daß einem schwachen wehrlosen Mädchen wie mir
etwas zustößt?", fragte Nabiki mit weinerlicher Stimme und Entsetzen im Blick.
Beides hervorragend gespielt.
Ihr Pech war nur, daß Ranma inzwischen gelernt hatte, seine Fähigkeit zum
Aurenlesen auch in sozialen Situationen einzusetzen. Somit war ihm klar, daß
Nabiki ihm hier großes Theater vorspielte. Und das sagte er ihr auch.
"Es ist doch ganz einfach, Nabiki.", versuchte Ranma sie zu beruhigen. "Wenn dir
mein Preis nicht passt, dann verzichte einfach auf die Information."
Natürlich konnte ein Informations-Junkie und Kontroll-Freak wie Nabiki auf eine
möglicherweise interessante Information, noch dazu eine, die ihre Familie
direkt betraf, nicht so einfach verzichten.
"Also schön.", fauchte sie. "Ich akzeptiere deinen Preis. Sollte deine
Information ihn allerdings nicht wert sein..." Sie ließ den Satz unvollendet im
Raum hängen – nicht daß die Vollendung zum Verständnis notwendig gewesen
wäre...
Ranma nickte.
"Ich hole das Material.", erklärte er. "Bin gleich wieder da."
"Ich hätte ja einiges erwartet, Saotome.", bemerkte Nabiki mit Blick auf die
Mappe in Ranmas Hand, als er in ihr Zimmer zurückkehrte. "Aber nicht, daß du
mir irgendwann mal schriftliche Informationen zu irgendetwas vorlegen
würdest."
"Die Zeiten ändern sich.", erwiderte Ranma darauf nur. "Aber bevor ich dich
einen Blick hierauf werfen lasse, sollte ich dir erklären, woher dieses
Material stammt."
"Nur zu. Ich bin ganz Ohr."
"Vor kurzem bin ich einer Person begegnet, die im Besitz eines magischen
Gegenstandes ist."
"Oh. Schon wieder?" Angesichts der Vielzahl von magischen Objekten, die seit
Eintreffen der Amazonen in Nerima aufgetaucht waren, war Nabiki nicht besonders
beeindruckt.
Ranma zuckte nur mit den Schultern.
"Dieses Artefakt erlaubt dem Anwender unter anderem, in die Vergangenheit zu
sehen.", erklärte er.
"Also wenn man damit in die Zukunft sehen könnte, wäre ich jetzt beeindruckt.
Aber so..."
"Also ich fand es ganz interessant, daß man damit das komplette Leben einer
Person verfolgen kann.", widersprach Ranma ihrer Einschätzung. "Vor allem wenn
man die Möglichkeit hat, Aufnahmen davon zu reproduzieren."
"Na schön.", grollte die mittlere Tendotochter. "Ich gebe zu, ein solches
Gerät hätte einen gewissen Nutzen, wenn man die Leichen im Keller von jemandem
finden und ihn mit dieser Information unter Druck..." Sie sprach nicht weiter,
starrte einen zustimmend nickenden Ranma nur mit einem zunehmend unguten Gefühl
an.
"Ja, Nabiki. Sprich weiter. Was wolltest du sagen?"
"Was genau hast du über Akane rausgefunden?"
Ranma holte ein Foto aus der Mappe und legte es vor Nabiki auf ihren
Schreibtisch. Es war das Bild von dem Moment, in dem Akane offenbar gezeugt
worden war.
Nabiki warf einen kurzen Blick auf die Aufnahme, bevor sie Ranma anschaute.
Für einen Augenblick war sie zu geschockt, um zu reagieren. Sie hätte ja viel
erwartet, aber nicht ein intimes Foto ihrer verstorbenen Mutter. Kurz überlegte
sie, ob sie Ranma allein für die Frechheit ein solches Bild zu besitzen, den
Kopf abreißen sollte, rang dann jedoch ihre aufkommende Wut nieder und
beschloß, abzuwarten.
Die große Abrechnung würde am Ende kommen, nachdem sie diese seltsamen Beweise
gesichtet hatte.
"Und was beweist dieses Bild, außer daß du jetzt unter die Spanner gegangen
bist?", erkundigte sie sich kühl.
"Das Datum und die Uhrzeit.", erwiderte Ranma darauf.
"Was ist damit?"
Ranma sagte nichts und schaute Nabiki nur abwartend an. Diese beschloß, sich
ausnahmsweise nicht auf ein Duell im Niederstarren einzulassen, sondern tat ihm
den Gefallen und rechnete die Zeit rückwärts.
"Ist das...der Tag an dem Akane...?"
"Exakt.", bestätigte er knapp. "Dir als Fotographie-Spezialistin müßte an dem
Bild sofort etwas auffallen, denke ich."
"Hmm..." Sie betrachtete das Foto nachdenklich. "Außer dem Pixeleffekt über
Daddys Gesicht sehe ich hier nichts ungewöhnliches." Sie stutzte. Runzelte
nachdenklich die Stirn. "Warum nur ein Gesicht unkenntlich machen und das andere
nicht?"
"Gute Frage, nicht wahr?", meinte Ranma, beeindruckt von ihrer schnellen
Auffassungsgabe. "Die Antwort ist, daß dieser Effekt nicht nachträglich
eingefügt wurde."
"Ein Defekt bei der Übertragung der Aufnahme auf das Papier?", spekulierte
Nabiki.
Ranma schüttelte den Kopf.
"Der Effekt war auch im Original vorhanden. Soweit ich herausfinden konnte,
handelt es sich dabei um einen magischen Effekt, wie er etwa von einigen sehr
starken Illusionszaubern hervorgerufen wird."
"Du willst jetzt aber nicht sagen, daß Daddy ein Zauberer ist, oder? Das ist
Unsinn, Saotome, und das weißt du auch. Oder solltest es zumindest wissen."
"Nein. Er ist kein Zauberer." Er nahm das Foto aus der Mappe, welches Soun und
Genma beim Kneipenbesuch zeigte und legte es neben das erste Bild. "Die Antwort,
oder zumindest einen Teil der Antwort, liefert dieses Bild."
Nabiki studierte das zweite Foto intensiv. Nach einigen Minuten wanderte ihr
Blick mehrfach zwischen den Fußnoten mit den Datums- und Zeitangaben auf beiden
Bildern hin und her.
Als sie wieder zu Ranma aufblickte, der die ganze Zeit schweigend neben ihr
gestanden hatte, war ihr Blick geprägt von Fassungslosigkeit und ungläubigem
Schock, während ihr Gesicht weißer als eine frisch gekalkte Wand war.
"W-was...aber...ich verstehe nicht...", stammelte sie.
Ranma legte ihr eine Hand auf die Schulter. Und obwohl Nabiki normalerweise gar
nicht mochte, ohne ausdrückliche Erlaubnis von jemandem berührt zu werden, war
sie in dieser Situation dankbar für das Gefühl von Sicherheit und
Unterstützung, das dieser simple Kontakt vermittelte.
"Tut mir leid, Nabiki.", erklärte Ranma leise und mit aufrichtigem Bedauern.
"Aber dein und Kasumis Vater ist nicht Akanes Vater. Deine Mutter wurde von
jemandem getäuscht, der sich für Soun ausgegeben und der dann mit ihr
geschlafen hat."
Die Sicherheit, mit der er das sagte, weckte eine gewisse Ahnung in Nabiki.
"Du weißt mehr darüber, als du mir bisher gesagt hast, nicht wahr?" Das
leichte Zittern ihrer Stimme verriet, wie kurz sie davor war, die Beherrschung
zu verlieren.
"Zwei Dinge die ich weiß, und eine Schlußfolgerung, die ich daraus ziehen
kann."
"Sag es mir."
"Erstens: Vor einigen Tagen, noch bevor ich diese Sache aufgedeckt habe, hat mir
eine verlässliche Person, die ich nicht beim Namen nennen kann, gesagt, daß
eine Heirat mit Akane für jemanden wie mich nicht möglich ist. Zweitens: Da
der magische Gegenstand, mit dem ich Akanes Vergangenheit beobachtet habe, so
mächtig ist, daß keine von Sterblichen gemachte Magie ihn täuschen könnte,
muß derjenige, der deine Mutter getäuscht hat, entweder ein Kami oder ein
Dämon sein."
"Welcher Kami würde so etwas tun?", schnaubte Nabiki, für die die Antwort
bereits klar war, angewidert. "Da kommt doch wohl nur ein Dämon in Frage."
"Nicht zwangsläufig.", widersprach Ranma. "Ein Dämon würde durch so eine Tat
vermutlich in irgendeiner Form Unglück stiften wollen. Warum dann aber die Tat
geheimhalten? Eine Vergewaltigung beispielsweise", er verzog bei diesen Worten
angewidert das Gesicht, weil sie ihn daran erinnerten, was Akane angetan worden
war, "würde seinen Zwecken doch viel eher dienen."
"Aber kein Kami..."
"Es gibt Beispiele von Kami aus der Antike, in den Sagen der Griechen und
Römer, die gelegentlich so gehandelt haben sollen."
"Seit wann bist du so ein Experte für Dinge, die nichts mit Kampfsport zu tun
haben?", fragte Nabiki überrascht.
"Seit meine Mutter mir klargemacht hat, wie wichtig Bildung ist. Du weißt nie,
wann du mal irgendeine Information gebrauchen kannst, egal wie unbedeutend sie
dir in dem Moment, wo du auf sie stößt, erscheinen mag."
"Saotome, du verblüffst mich mehr und mehr."
"Und du tust gut daran, nicht zu vergessen, daß ich nicht mehr so berechenbar
bin wie früher.", antwortete er darauf in mahnendem Tonfall, aber mit einem
leichten Grinsen, um zu zeigen, daß seine Worte nicht als Drohung für sie
gemeint waren.
Nabiki nickte.
"Ich werde es im Hinterkopf behalten.", versicherte sie ihm. "Und was hat es mit
deiner Schlußfolgerung auf sich?"
"Oh, basierend auf allem, was ich bis jetzt weiß, denke ich, daß der
Unbekannte ein Kami war.", beantwortete Ranma ihre Frage. "Momentan habe ich
natürlich keine Ahnung, welcher Kami, aber ich werde am Ball bleiben und
versuchen, mehr rauszufinden."
"Und wie willst du DAS machen? Mit Kami-sama telefonieren und nachfragen?"
"Ich hab leider seine Nummer nicht. Aber das wäre eine interessante Idee."
"Das war ein Witz, Baka.", schnaufte sie kopfschüttelnd. "Aber sag mal, willst
du Akane wirklich aufgeben, nur weil irgendjemand gesagt hat, daß du sie nicht
heiraten könntest?"
"Sie ist offensichtlich nicht in der Lage, mir zu vertrauen, Nabiki. Und sie ist
mir gegenüber unnötig gewalttätig.", antwortet der junge Dämon darauf.
"Deshalb würde ich es so oder so vorziehen, sie nicht zu heiraten."
"Ah, verstehe. Und indem du Daddy deine Beweise dafür vorlegst, daß Akane
nicht seine leibliche Tochter ist, hoffst du, aus dem Versprechen zwischen
unseren Vätern herauszukommen, da Akane ja dann offensichtlich als Verlobte
nicht mehr in Frage käme." Nabikis Miene verriet, daß sie von einem solchen
Vorhaben alles andere als begeistert war.
"Sei nicht albern.", erwiderte Ranma jedoch zu ihrer Beruhigung. "Wenn ich
dieses Material einer so unberechenbar emotionalen Person wie Soun vorlege,
könnte das den Zusammenhalt eurer ganzen Familie endgültig zerstören. Ganz zu
schweigen davon, was Akane dann durchmachen müßte. Ich will sie zwar nicht
heiraten, aber das bedeutet nicht, daß ich sie leiden sehen will."
"Verstehe. Und wie willst du dann aus deinen Verpflichtungen herauskommen? Und
was noch viel interessanter ist: Wenn du nicht Akane wählst, welche deiner
Verlobten hat dann das Rennen gemacht?"
"Siehst du, Nabiki, mit dieser Frage zeigst du, daß du dieselbe Einstellung wie
die Verlobten hast, die diese ganze verfahrene Situation wie einen Wettkampf
betrachten, bei dem ich die Trophäe für den Sieger bin."
"Und?"
"Wer sagt denn bitteschön, daß ich überhaupt eine meiner Verlobten wählen
muß, hmm? Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, daß ich möglicherweise
daran interessiert sein könnte, jemanden zu heiraten, der mich nicht wie ein
Objekt behandelt?", erklärte er frustriert. "Und wie ich aus diesem Schlamassel
herauskomme, wirst du schon bald erleben.", fügte er geheimnisvoll hinzu.
"Was genau hast du vor?"
"Wer weiß?" Er zuckte mit den Schultern. "Vielleicht lasse ich mich in meiner
weiblichen Form einsperren und heirate Kuno."
Angesichts von Nabikis fassungsloser Miene hielt sein ernster Gesichtsausdruck
nur für wenige Sekunden. Dann brach er in schallendes Gelächter aus, kurz
darauf gefolgt von einer angesichts dieser Vorstellung noch immer geschockten
Nabiki.
Plötzlich flog mit einem lauten Krachen die Tür auf.
"Was zum Teufel geht hier...?" Akane erstarrte für einen Moment, den sie
brauchte, um Ranma und Nabiki verdächtig nah beieinander stehen zu sehen. Beide
standen vornübergebeugt da und hatten die Hände einander auf die Schultern
gelegt. Natürlich, um sich wegen des gemeinschaftlichen Lachanfalls gegenseitig
vor einer Landung auf dem Fußboden zu bewahren, wie jedem gewöhnlichen
Beobachter sofort klar geworden wäre.
Akanes Denken setzte für einen Augenblick aus, um auf die in solchen
Situationen gewohnte Schiene zu wechseln. Urplötzlich aufkommende rasende Wut
machte aus einem eigentlich gar nicht so unattraktiven Gesicht eine häßliche,
verzerrte Fratze.
"RANMA NO BAKA! WIE KANNST DU ES WAGEN, MEINE SCHWESTER ZU BELÄSTIGEN?!?"
"Aber... es ist gar nicht so wie es..." Weiter kam Ranma nicht. Wie aus dem
Nichts erschien ein beeindruckender Hammer in Akanes rechter Hand, und
plötzlich hatte der junge Dämon die unangenehme Wahl zwischen Ausweichen und
Sich-treffen-lassen.
Die Alternativen allein waren es nicht, was die Wahl unangenehm machte, denn
eigentlich hätte man unter solchen Bedingungen die Wahl eher als leicht statt
als unangenehm bezeichnen müssen.
Aber die Erkenntnis, daß Akanes in blinder Wut zum Einsatz gebrachter Hammer in
dem beengten Raum Nabiki treffen mußte, wenn er auswich, war ein Problem, denn
ganz egal daß es Akane war, die den Hammer geschwungen hatte, am Ende würde
jeder im Haus ihm die Schuld dafür in die Schuhe schieben, wenn die mittlere
Tendotochter als unappetitlicher, rötlicher Matschfleck endete.
Befriedigt durch das Wissen, daß es das letzte Mal sein würde, daß er Akanes
Gewaltausbrüche würde hinnehmen müssen, akzeptierte er seine Rolle als
menschliches Cricket-Projektil und verschwand mit hoher Beschleunigung auf einer
ballistischen Flugbahn aus Nabikis Zimmer.
Sein Grinsen zu diesem Zeitpunkt hatte natürlich überhaupt nichts mit etwaiger
Schadenfreude darüber zu tun, daß Nabiki diese Nacht in einem recht kalten und
zugigen Zimmer würde verbringen müssen.
Kapitel 9: Enthüllungen
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Hallo an alle.
Zunächst einmal möchte ich mich für die Ratschläge/Anregungen für mögliche
Crossover für Trainingsmissionen in Arc 2 bedanken. Es hat mir sehr geholfen
und zu ein paar interessanten Ideen geführt.
Nun habe ich ein neues Problem für das ich an Meinungen interessiert bin:
In Arc 2 wird Ranma mit einem etwa 6-7jährigen Mädchen zusammentreffen, das er
unter seine Obhut nehmen muß. Da er aber nicht rund um die Uhr für Schutz
sorgen kann, überlege ich nun, ob ich eventuell einen zusätzlichen
"Beschützer" einführen sollte. Dabei dachte ich an entweder A) einen Cabbit
(also wie Ryo-Ohki aus Tenchi Muyo) oder B) ein Pokémon (wobei ich noch keine
Idee habe, welches in Frage käme).
Was also sollte ich eurer Meinung nach wählen? Oder sollte ich auf den
"Beschützer"/das neue exotische "Haustier" lieber komplett verzichten?
nun Anmerkungen zu ein paar der letzten Kommentare:
@Ghost6:
Wenn du einen widerspenstigen Ranma magst, dann freu dich auf Teil 10, wo Ranma
mit den meisten seiner Verlobten/Rivalen aufräumen wird ^___^
@Phibrizo:
Mit Minako habe ich schon gewisse... Pläne *mysteriös tu*
Was Rei betrifft: Ich weiß, ein Miko-Dämon-Pairing hat bei Inu Yasha
funktioniert, aber hier sehe ich das eher skeptisch. Rei ist vergleichsweise
mißtrauisch gegenüber Nicht-Senshi und denkt zu sehr in
Schwarz-Weiß-Kategorien. Hinzu kommt, daß Ranma ein kleines Problem damit
haben wird, den Hikawa-Schrein zu betreten (Stichwort: Dämonenbannsiegel), und
ich noch nicht genau entschieden habe, wie er sich rausreden wird, wenn die
Senshi ihn irgendwann mal an "ihrem" Treffpunkt treffen wollen.
Ich hoffe aber, auf der Suche nach Pairings (so unbeständig sie unter
Umständen auch sein mögen) hast du Spaß an diesem Kapitel.
@illustrious:
Vielen Dank. Und wie gesagt: Kritische Kommentare sind mir wichtig, also mach
ruhig weiter so ^__^
Großer Dank im Zusammenhang mit diesem Kapitel gilt übrigens meiner
wundervollen Betaleserin Umi, der ich das Design der Amtstracht für Ranmas
weibliche Form zu verdanken habe.
Sollte sich dort draußen jemand befinden, der ein Händchen für Fanart hat,
würde ich mich sehr über ein Bild von Ranma-chan in eben jener Amtstracht
freuen - und es bei den Chara-Porträts zu dieser Fanfic hochladen (von Umi habe
ich leider nur eine Entwurfsskizze, und sie selbst ist momentan sehr mit anderen
Dingen beschäftigt, so daß ich bezweifle, daß sie viel Zeit zum Zeichnen
haben würde).
Da fällt mir ein, Umi hat mich mal darauf hingewiesen, daß ich in meiner
Fanfic Ranmas Gefühlszustand zu wenig beschreibe. Einer der Gründe dafür ist,
daß ich festgestellt habe, daß ich oft anfange zu schwafeln, wenn ich zu
introspektiv werde, und ich ziemlich sicher bin, daß ihr DAS nicht lesen wollt
XD Ein anderer Grund liegt in Ranmas Charakter begründet. Ranma wurde sein
Leben lang beigebracht, seine Emotionen zu
kontrollieren/unterdrücken/ignorieren. Worte sind für ihn nicht so bedeutsam
wie Taten. Deshalb lasse ich ihn oft seine Gefühle indirekt durch seine
Handlungen ausdrücken (zB war er frustriert und fühlte sich hilflos und
überfordert, als er Akanes "Geheimnis" aufgedeckt hatte - was zur Folge hatte,
daß er sich etwas suchte, worauf er einprügeln konnte).
Zuletzt noch der (eigentlich überflüssige) Hinweis, daß der Titel dieses
Kapitels beabsichtigt doppeldeutig ist ^_^""
Und jetzt viel Spaß beim Lesen...
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Teil 9 - Enthüllungen
Haruka und Michiru waren gerade auf dem Weg zurück nach Hause von einem
Abendessen in einem teuren französischen Restaurant in der Innenstadt. Es war
kurz nach neun Uhr, und die Straßen waren überraschend frei von Verkehr, so
daß die blonde Senshi keine Hemmungen hatte, die Verkehrsregeln etwas
großzügiger auszulegen und die Möglichkeiten des PS-starken Cabrios
auszureizen.
Ihre Begleiterin hielt eigentlich nicht allzu viel von Harukas halsbrecherisch
anmutendem Fahrstil, hatte aber schon lange eingesehen, daß es sinnlos war, ihr
diesen ausreden zu wollen.
Abgesehen davon empfand Haruka es als sehr entspannend und befreiend.
Der plötzliche Einschlag von etwas im Heckbereich des Wagens kam absolut
überraschend, sprichwörtlich aus heiterem Himmel, und wäre Haruka nicht die
professionelle Rennfahrerin gewesen, die sie nun mal war, dann hätte sie es
vermutlich nicht geschafft, das Fahrzeug auf der Straße und unter Kontrolle zu
halten.
Reifen quietschten, als sie den Sportwagen mit einer Vollbremsung am
Straßenrand zum Stehen brachte.
"Bist du in Ordnung, Michi?", erkundigte sie sich besorgt bei ihrer Geliebten.
"Erschrocken, aber sonst okay.", antwortete ihre Partnerin mit zittriger Stimme.
"Was ist passiert, Ruka?"
"Keine Ahnung. Aber...", noch während sie sprach, drehte sie sich um, um den
möglichen Schaden zu inspizieren und rauszufinden, was mit dem Wagen kollidiert
war. Ihr fehlten glatt die Worte, als sie den zusammengerollten und bewußtlosen
Körper eines rothaarigen Mädchens entdeckte, der über die Rückbank verteilt
war.
Michiru folgte Harukas erstauntem Blick.
"I-Ist das nicht..."
"...Ranko.", vollendete Haruka den Satz ihrer Partnerin verblüfft.
"A-Aber wie...", stammelte Michiru konsterniert.
"Ich habe keine Ahnung, Michi.", erwiderte Haruka kopfschüttelnd. Sie streckte
eine Hand aus und fühlte nach Rankos Puls.
"Und?", fragte die grünhaarige Senshi besorgt.
"Sie lebt. Ihr Puls ist regelmäßig."
"Sollen wir sie in ein Krankenhaus bringen?"
"Bei jeder anderen Person würde ich sagen 'Auf jeden Fall', Michi, aber was
kann ein Krankenhaus für einen Kami tun?"
"Ich weiß nicht."
Beide schwiegen nachdenklich.
"Nehmen wir sie mit nach Hause und sehen, wie sich ihr Zustand entwickelt.",
schlug Michiru vor.
"Hmm, eigentlich hatte ich mich auf einen ruhigen Abend zu zweit gefreut.",
brummte Haruka etwas verstimmt. "Aber das hier geht natürlich vor. Wenn
irgendjemand Ranko angegriffen hat, sollten wir vielleicht in Erfahrung bringen,
ob das für uns ein Problem werden könnte."
Michiru nickte zustimmend.
Sie stieg aus, um Ranko vorsichtig, um eventuell gebrochene Knochen nicht zu
belasten, in eine bequemere Position zu bringen. Dann stieg sie wieder ein, und
Haruka startete den Wagen, um sie, aus Rücksicht auf mögliche Verletzungen
ihre unerwarteten Passagiers langsamer als zuvor, nach Hause zu fahren.
Ranko erwachte aus ihrer Bewußtlosigkeit, kurz bevor die beiden Senshi ihr
Fahrziel erreichten.
Sie blinzelte und bewegte vorsichtig ihren Kopf hin und her.
"Au..." Augenblicklich nahm eine Horde zwergischer Bergarbeiter ihre Arbeit auf,
die offenbar daraus bestand, ein besonders hartnäckiges Material in ihrem
Schädel abzubauen, und so schnitt sie eine üble Grimasse.
Michiru bemerkte ihre schmerzverzerrte Miene, als sie auf Rankos Stimme
reagierte und nach hinten schaute.
"Wie fühlst du dich, Ranko? Brauchst du Hilfe? Tut dir was weh?"
"Huh?" Sie drehte leicht ihren Kopf, um die Besitzerin der Stimme ins Blickfeld
zu bekommen. Langsam fokussierten sich ihre Augen auf besagte Besitzerin.
"M-Michiru?", rief sie überrascht. "Wo bin ich? Wie komme ich hierher?"
"Gute Frage.", warf Haruka lakonisch ein. "Soweit wir das sagen können, bist du
aus heiterem Himmel hier in unserem Auto gelandet. Was war los? Haben die
Flügel versagt, und du bist von Wolke Sieben gefallen?"
Michiru warf ihr einen Blick zu, der besagte, daß sie diese Bemerkung nicht so
witzig fand, aber Ranko hatte kein Problem mit dem Humor der blonden Senshi.
"Wir waren uns nicht sicher, ob du vielleicht einen Arzt brauchen würdest.",
fügte die grünhaarige Senshi hinzu. "Aber wir dachten uns, daß ein Kami
vermutlich ohne auskommen würde, also wollten wir dich mit zu uns nach Hause
nehmen und ein Auge auf deinen Zustand haben."
"Wer hätte gedacht,", murmelte Ranko mehr zu sich selbst, "daß das Machoweib
mich mal mit ihrem verdammten Hammer von Nerima nach Juuban befördern würde?"
Sie klang dabei keineswegs verärgert, sondern eher erstaunt, vielleicht sogar
ein klein wenig belustigt.
Michiru runzelte verblüfft die Stirn, als sie das hörte.
"Beziehungsprobleme?", fragte Haruka mit einem deutlich amüsierten Unterton.
"Kann man so sagen.", erwiderte Ranko.
"Wenn du drüber reden willst...", bot Michiru ihr hilfsbereit an.
Ranko dachte einige Minuten darüber nach, ob, und wenn, wieviel sie den beiden
Senshi erzählen sollte.
Als der Wagen schließlich in die Einfahrt vor dem Haus der Senshi einbog, hatte
sie ihren Entschluß gefasst.
"Ich erzähle euch etwas mehr über mich, wenn ihr interessiert seid.", bot sie
an. "Aber nur wenn ich vorher irgendwas gegen diese verdammten Kopfschmerzen
bekomme."
"Das", erwiderte Haruka augenblicklich voller Vorfreude auf eine sicherlich
interessante Geschichte, "lässt sich einrichten."
Einige Minuten später hatten die Drei es sich im Wohnzimmer des Hauses bequem
gemacht. Ranko hatte eine recht starke Schmerztablette mit einem großen Glas
Wasser heruntergespült und wartete darauf, daß die Wirkung des Medikaments
einsetzte. Haruka leistete ihr dabei Gesellschaft, während Michiru die
Wartezeit nutzte, um in der Küche ein paar Snacks zusammenzustellen.
"Um meine Situation zu verstehen, müßt ihr wissen, daß ich bis vor kurzem
noch davon ausgegangen bin, ein ganz normaler Sterblicher zu sein.", begann
Ranko schließlich mit ihrer Erzählung. "Naja, jedenfalls so normal wie man
sein kann, wenn man einen Vollidioten mit Martial Arts-Fixierung als Vater
hat."
"Man kann also ein Kami werden, ohne als solcher geboren worden zu sein?"
"Ich bin erst seit ein paar Wochen dabei, Michiru, und ich habe deshalb wirklich
keine Ahnung, wie Kami-sama seine Untergebenen rekrutiert.", antwortete Ranko
schulterzuckend. "Aber anscheinend kann man definitiv befördert werden, wenn
zumindest ein Elternteil ein Kami gewesen ist. Siehe die Geschichte von
Herakles. Aber ich dachte, ihr wolltet mehr über mich erfahren, nicht über
interne Verfahrensweisen der Pantheons – über die ich sowieso nicht viel
sagen kann."
"Okay.", meinte Haruka gespannt. "Dann erzähl mal."
Und Ranko erzählte.
Angefangen vom Seppuku-Kontrakt, über die vielen unrühmlichen Highlights der
Trainingsreise, bis hin zu seinem unfreiwilligen Bad in den Quellen von
Jusenkyo. Von ihrer Zeit bei den Tendos erzählte sie ausführlicher und
erläuterte detailliert das Geflecht von Ansprüchen und Rivalitäten und
erklärte, in welcher Beziehung die Hauptakteure des Chaos in Nerima zueinander
standen.
Als sie fertig war, war es weit nach Mitternacht, und in all den Stunden hatten
die beiden Senshi geduldig zugehört und nur hier und da unterbrochen, um sich
Unklarheiten erklären zu lassen.
Ranko fand, daß es ein gutes Gefühl war, sich ihr ganzes Leben von der Seele
reden zu können, ohne dabei auf dem Prüfstand zu stehen.
"Ranko, dein Vater ist der absolut letzte Idiot.", brachte Michiru es auf den
Punkt.
"Und er ist nicht der Einzige.", schnaubte Haruka verärgert. "Kasumi Tendo und
Doktor Tofu scheinen mir die einzigen halbwegs vernünftigen Leute dort zu
sein."
"Oh, meine Mutter ist auch ganz in Ordnung.", wandte Ranko ein.
"Sie behandelt dich anständig. Okay.", räumte Michiru ein. "Aber welche Mutter
gibt ihr Kind auf Basis eines solchen Vertrages einfach so auf?"
"Eine Mutter, die weiß, daß ihr Mann so oder so tun wird, was er will.",
erwiderte Ranko darauf. "Der Vertrag war ihr etwas unbeholfener Versuch, für
Pops extremere Handlungen so etwas wie ein bremsendes Element einzubauen."
"Toller Versuch."
"Ich gebe zu, ich war nicht begeistert, als ich von diesem Vertrag erfahren
habe, aber ich habe mich mit Mom ausgesprochen und ihr vergeben."
"Also ist 'Ranko' nur die Form, die dir der Fluch gegeben hat.", wechselte
Haruka das Thema. "Die Frage ist dann: Wie sieht dein wahres Ich aus?"
"Für über ein Jahr, seit ich den Fluch erhalten habe, hätte ich deiner
Einschätzung nicht widersprochen.", antwortete Ranko darauf. "Aber inzwischen
habe ich meine weibliche Form als einen Teil von mir akzeptiert. Was mich
ärgerte war der Mangel an Kontrolle über den Wandel, aber da Wandel einer
meiner direkten Einflußbereiche ist, habe ich inzwischen gelernt, den
Formwechsel zu kontrollieren."
"Also keine Unfälle mit heißem und kaltem Wasser mehr?"
"Genau, Haruka. Und wenn du meine männliche Form unbedingt sehen willst..."
"Hey, ich bin halt neugierig."
Ranko schmunzelte.
"Ich weiß."
Dann konzentrierte sie sich auf den Wandel-Aspekt ihres Selbst und führte mit
einem knappen mentalen Kommando den Wechsel herbei.
"In dieser Form verliere ich geringfügig an Geschwindigkeit im Austausch für
mehr Kraft und Reichweite.", erklärte Ranma. Er ließ die staunenden Senshi
noch für einen Moment die markanten Unterschiede zwischen seinen Formen
studieren und wechselte dann wieder in seine weibliche Form zurück.
"Warum bist du uns eigentlich von Anfang an als Ranko gegenübergetreten?",
fragte Michiru nach einer Weile.
"Ich dachte mir, ihr würdet euch in meiner Gesellschaft wohler fühlen, wenn
ich in dieser Form auftrete.", antwortete Ranko darauf. "Da es für mich keine
so große Bedeutung mehr hat wie früher, in welcher Form ich mich befinde,
hielt ich es für eine gute Idee, mich an euch zu orientieren. Ich hoffe, ich
habe euch damit nicht irgendwie beleidigt."
"Oh, keine Sorge. Das hast du nicht.", beruhigte Haruka sie mit einem
vielsagenden Lächeln, das von einer Kopf-bis-Fuß-Musterung in Richtung des
Rotschopfs begleitet wurde.
Michirus Reaktion darauf war ein Ellbogenstoß in die Rippen ihrer Partnerin,
begleitet von einem nicht allzu leise geflüsterten "Benimm dich, Ruka."
Haruka schmollte darauf, gespielt beleidigt.
"Also irgendwie habe ich das Gefühl, du würdest zu gern untersuchen, ob diese
Form hier wirklich in allen Aspekten dem vollständigen weiblichen Körper
entspricht.", wandte Ranko sich augenrollend an die Schmollende.
"Woher...", wunderte Haruka sich, vollendete ihre Frage allerdings nicht, da sie
Michirus warnende Blicke bemerkte.
"Hach, es ist so ein furchtbar hartes Los, unwiderstehlich zu sein.", erklärte
Ranko darauf mit einem theatralischen Seufzer gespielten Bedauerns und
übertriebener Gestik. "Aber ich werde mein Bestes tun, diese schwere Bürde zu
tragen."
Das sorgte für ein paar erfrischende Lacher.
"Da fällt mir ein, hättet ihr Interesse daran, mal meine Amtstracht zu
sehen?", erkundigte die Rothaarige sich, nachdem sie Haruka für eine Weile
gleichermaßen schweigend wie spekulativ betrachtet hatte.
"Amtstracht?"
"Natürlich können wir tragen, was immer wir wollen.", erläuterte Ranko.
"Beliebige Arten von Kleidung zu erschaffen ist Kinderkram für uns. Der Prozeß
ist eine vielseitigere Form der Methode, mit der ihr bei eurer Transformation an
eure Fukus gelangt. Die Amtstracht nun ist die Kleidung, die wir auswählen, um
bei offiziellen Anlässen getragen zu werden. Beispielsweise wenn wir
geschäftlich mit Sterblichen verkehren."
"Verstehe. Und du kannst echt jede Art von Kleidung erschaffen?", staunte
Michiru.
Ranko nickte.
"Materietransformation. Ein sehr simpler Prozeß, wenn man es einmal erklärt
bekommen hat."
"Und wie funktioniert es?", wollte Haruka wissen.
"Teil meiner Ausbildung ist es, zu lernen, wie das Universum funktioniert. Und
dazu gehört, auch wenn ich Schule eigentlich nicht sehr mag, das, was ihr unter
Naturwissenschaften versteht. Nur auf einem viel tiefergehenden Niveau, als die
Sterblichen das Funktionieren des Universums bisher verstanden haben.",
antwortete Ranko darauf. "Um es kurz zu machen: Energie und Materie sind
lediglich zwei verschiedene Methoden, um dasselbe zu erfassen. Je nach
Perspektive des Betrachtenden und des Aspekts, den man betrachtet. Das ist ein
Fakt, der euch seit Einstein bekannt ist."
Die beiden Senshi nickten verstehend.
"Was den Sterblichen bisher fehlt, ist eine praktische Anwendungsmöglichkeit
des Konzepts. Und hier kommt die Materietransformation ins Spiel.", fuhr die
Rothaarige fort. "Was ich tue ist, das Material meiner Kleidung in Energie
umzuwandeln, diese Energie dann leicht zu verändern, bis das Muster dem
gewünschten Ergebnis entspricht und dann die Energie in Materie – sprich: die
neue Kleidung – zurückzuwandeln. Die Artefakte, die euch die
Senshi-Verwandlung ermöglichen, haben lediglich die Template für eure Fukus
gespeichert und tauschen das Muster bei der Verwandlung gegen das Muster eurer
gerade getragenen Kleidung aus."
"Verstehe. Und wenn wir uns wieder in unsere zivile Form zurückverwandeln,
werden die Muster wieder zurückgetauscht."
"Genau, Michiru."
"Aber was ist, wenn man vor der Verwandlung nackt ist?"
"Hentai.", grummelte Michiru, aber das belustigte Funkeln in ihren Augen zeigte,
daß sie das keineswegs böse meinte.
"Klar, daß ausgerechnet DU diese Frage stellen mußtest, Haruka.", kicherte
Ranko amüsiert. "In dem Fall wird die Materie um dich herum für die Umwandlung
benutzt. Materie, wie die Luft beispielsweise."
"Hmm. Okay. Dann zeig uns doch mal diese Amtstracht.", meinte Haruka neugierig.
Abgesehen davon, daß man von Ranko eine Menge über die Mechanismen lernen
konnte, die die Senshi für ihr Handwerk brauchten, war ihr das Mädchen
irgendwie sympathisch. Daß sie gut aussah war da nur ein zusätzlicher Bonus
– nicht daß sie tatsächlich irgendwas in dieser Richtung versucht hätte,
ohne Michirus Okay zu haben...
Ranko erhob sich und konzentrierte sich erneut auf ihre Magie.
Ihre Kleidung verlor ihre Farbe und Form und wurde zu einer dünnen Schicht
weißgrauen Nebels, der ihren Körper wie ein luftiger Schleier umhüllte. Nach
ein paar Sekunden begann der Nebelschleier wallend und wogend seine Form, Farbe
und Konsistenz zu ändern, bis...
Michiru starrte sie mit großen Augen an, ihr Mund formte ein überraschtes O
und ihre Wangen überzogen sich mit einer feinen Röte.
"Wow.", sprach die gleichermaßen starrende Haruka aus, was Michiru dachte.
Hätten sie die Verwandlung nicht mit eigenen Augen verfolgt, hätten die beiden
Senshi wohl angenommen, eine vollkommen andere Person stehe vor ihnen.
Rankos Haar hatte sich von selbst aus seinem Zopf befreit und reichte nun als
seidig rot schimmernde Mähne fast bis zu ihrem Po.
Ihre Hände steckten in schwarzen fingerlosen Lederhandschuhen, deren Knöchel
mit blitzenden sternförmigen Nieten besetzt waren. Die Handschuhe endeten knapp
oberhalb ihrer Handgelenke, wo schmale Lederbänder rundherum an ihnen befestigt
waren, die rund um ihre Arme in einem Netzmuster bis zur Mitte der Oberarme
hinaufliefen.
Um den Hals trug sie ein zwei Finger breites Lederhalsband, an dem ein
handtellergroßer Silberanhänger befestigt war, der das achtspitzige
Sternsymbol des ungeteilten Chaos darstellte.
Ihr rotes Seidenshirt war einem trägerlosen Bustier, natürlich ebenfalls aus
mattschwarzem Leder, gewichen, das knapp eine Handbreit über ihrem Bauchnabel
endete, der von einem daumennagelgroßen Rubin in der Form eines stilisierten
Auges geschmückt wurde.
Selbstverständlich trug sie dazu auch nicht mehr ihre schwarze Kung Fu-Hose,
sondern einen gerade so eben bis zur Mitte ihrer Oberschenkel reichenden
Wickelrock aus – wen wundert es? - mattschwarzem Leder. Darüber trug sie
einen Schmuckgürtel aus silbernen Kettengliedern, der locker über ihren
Hüften hing. Kleine Anhänger mit arkanen Symbolen hingen in unregelmäßigen
Abständen an den Gliedern und verliehen dem Outfit so eine esoterische Note.
Schwarze Strümpfe, die etwas länger als knielang waren, und schwarze
Halbstiefel mit flachen Sohlen vervollständigten das Outfit.
"Und?", erkundigte Ranko sich mit seidenweicher Stimme. "Was denkt ihr?"
"Ähm...", meinte Michiru, um Worte ringend.
"Also...ja...das ist...ähm...", pflichtete Haruka ihr ebenso eloquent bei.
"Nicht gut?", fragte Ranko mit traurig gesenktem Blick, und zog einen
Schmollmund.
"D-Das wollte ich so nicht sagen.", beeilte Haruka sich zu widersprechen.
"Aber?"
"Es...es ist nur...unerwartet.", antwortete Michiru vorsichtig. "Wir hatten
etwas... nun ja... konservativeres erwartet, als von Amtstracht die Rede war.
Stimmt's, Ruka?"
"Was? Oh, ja. Hatten wir.", erklärte die blonde Senshi zunächst ein wenig
stockend. "Aber ich sehe keinen Grund, mich über dein Outfit zu beschweren.",
fügte sie mit langsam zurückkehrender Selbstsicherheit hinzu.
"Wenn dir das hier zu gewagt ist, Michiru, dann solltest du besser nie meiner
Mutter in ihrer Amtstracht über den Weg laufen.", entgegnete Ranko mit einem
schiefen Grinsen.
"So krass?"
"Sagen wir so... Moms Amtstracht dient nicht der Bedeckung sondern lediglich der
Akzentuierung ihrer körperlichen Attribute.", erläuterte sie mit einem
amüsierten Schmunzeln. "Nicht das ich mich beschweren würde, aber Mom hat
schließlich auch die Figur dafür, sich so offen zu zeigen."
"Und du glaubst, du hättest die Figur dafür nicht?", rief Haruka ungläubig.
"Haruka. Bring sie doch nicht in Verlegenheit.", ermahnte Michiru ihre
Freundin.
"Michi, Ranko ist eines der attraktivsten Mädchen, die ich je gesehen habe. Und
ich wette, du kannst mir da bedenkenlos zustimmen."
"Ja. Aber vergiß nicht, daß sie bis vor kurzem ausschließlich als Junge
aufgewachsen ist. Es muß für Ranko einen ziemlichen Gewöhnungsbedarf geben."
"Oh. Sorry, Ranko. Daran hatte ich gar nicht gedacht."
"Kein Problem.", beruhigte Ranko sie. "Ohne mein intensives
Eingewöhnungstraining wäre ich vermutlich gar nicht in der Lage gewesen,
Kleidung wie diese hier auch nur in Erwägung zu ziehen, geschweige denn ein
ehrliches Kompliment über meine weibliche Form anzunehmen und mich darüber zu
freuen, statt wütend zu werden."
"Das heißt, du bist über die Phase hinweg, in der 'Gewöhnungsbedarf' für
dich bestanden hat?"
Sie nickte bestätigend.
"Und ich habe eine Menge über diesen Körper und seine Möglichkeiten
gelernt.", erklärte sie und dachte dabei ohne zu erröten an die vielen Stunden
des Trainings zurück, die Yui und ihre Haus-Succubi ihr hatten angedeihen
lassen.
"Möglichkeiten?", fragte Michiru interessiert. "Was meinst du damit?"
"Oh, so dies und das.", erwiderte sie mit einem mysteriösen Lächeln. Ihr Blick
suchte den der grünhaarigen Senshi und hielt ihn für einen Augenblick
gefangen.
Ein Augenblick der wortlosen Kommunikation, den Haruka mit hochgezogener
Augenbraue verfolgte.
"Möglichkeiten der... Interaktion.", fuhr die Rothaarige fort, wobei sie das
letzte Wort auf eine Weise betonte, die beiden Senshi Schauer über den Rücken
jagte.
Eine Weise, die aus einem einzigen unschuldigen Wort ein verheißungsvolles
Versprechen machte.
Eine unausgesprochene Einladung, wenn man so wollte.
Eine Einladung, die nur noch darauf wartete, angenommen zu werden.
Beide Senshi wechselten stumme Blicke, ein weiteres Beispiel wortloser
Kommunikation. Eine Disziplin, in der Haruka und Michiru genug Erfahrung
besaßen, um komplexe Dialoge mit nur ein paar Blicken abhandeln zu können.
"Und was für Methoden der... Interaktion... hat man dir so beigebracht?",
fragte Michiru neugierig.
"Oh, ich bin nicht so gut mit Worten, daß ich es erklären könnte.", erwiderte
die Rothaarige in einer Mischung aus gespieltem Bedauern und gleichermaßen
gespielter Bescheidenheit.
"Dann... wäre vielleicht eine Demonstration angebracht.", warf Haruka
hilfsbereit ein.
Ranko sah sich demonstrativ im Raum um und runzelte dann skeptisch die Stirn.
"Hier?"
"Oh, ich bin sicher, wir können einen passenden Ort finden. Oder was meinst du,
Michi-chan?"
"Absolut, Ruka-chan.", schnurrte die grünhaarige Senshi. "Wenn ich mich nicht
täusche, haben wir in der oberen Etage einen Platz, der wie geschaffen ist,
um... ähm... 'Interaktionen' zu demonstrieren."
°So langsam wird Überraschung zu einem Gewohnheitszustand.°, dachte Setsuna,
gleichzeitig amüsiert und irritiert, während sie den rothaarigen Kami in ihrer
Küche betrachtete.
"Was machst du schon so früh am Morgen hier, Ranko? Und was soll dieser
Aufzug?", erkundigte sie sich und goß sich Tee ein.
Die Angesprochene hielt kurz in ihren Frühstücksvorbereitungen inne und wandte
sich an die grünhaarige Senshi.
"Ich mache Frühstück.", antwortete sie unschuldig. "Und wäre dir meine
Kleidung von gestern abend lieber als dieser Morgenmantel?"
"Hmm, ich gebe zu, schwarze Seide steht dir. Aber ich würde sagen, meine
Antwort hängt davon ab, was du gestern getragen hast.", erwiderte Setsuna
vorsichtig.
"Gute Antwort.", kicherte Ranko – und wechselte mit einer kleinen Applikation
ihrer Kräfte in ihre Amtstracht.
Setsuna, gerade in ihrer typischen, eleganten und manierlichen Art an ihrer
Teetasse nippend, spuckte geschockt und auf ziemlich unmanierliche Art ihren Tee
wieder aus.
"DAS hattest du gestern abend an?!?", rief sie, für den Moment die Maske
kühler, allwissender Überlegenheit vergessend, die sie sonst vor Anderen zu
tragen pflegte. Ihre Art, emotionale Bindungen von sich fernzuhalten.
"Nur bis zu dem Moment, als Haruka und Michiru mich in ihr Schlafzimmer bugsiert
hatten.", entgegnete Ranko mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen und
einer Offenheit, die Setsuna für einen Kami schockierend fand.
"Nur bis...", Setsuna hielt inne, während sie versuchte, die ungebetenen Bilder
aus ihrem Kopf und die verräterische Röte aus ihrem Gesicht zu verbannen.
Ranko zuckte mit den Schultern.
"Ein Leben, in dem man sich keine Freude gönnt, ist kein Leben, sondern bloßes
Existieren. Nodoka Saotome.", zitierte der Rotschopf. Um die Senshi nicht
weiter zu schocken, formte sie ihre Amtstracht in ihre übliche rot-schwarze
chinesische Kleidung um.
"Nodoka Saotome?"
"Meine Mutter."
"Kluge Frau.", bemerkte die Senshi und nahm mit ihrem Tee am Küchentisch Platz,
nur für den Fall weiterer schockierender Enthüllungen.
Ranko arbeitete weiter an ihrem Frühstück, offenbar irgendeine Art von
Pfannkuchen.
"Okonomiyaki.", beantwortete Ranko eine entsprechende Frage Setsunas. "Deine
beiden Mitbewohnerinnen werden dankbar dafür sein."
"Wieso?"
"Weil Okonomiyaki ein gutes Mittel sind, um schnell wieder zu Kräften zu
kommen."
"Oh.", erwiderte die Senshi nur und dachte sich ihren Teil.
"Darf ich dich mal was fragen, Setsuna?"
"Kommt darauf an. Was willst du wissen?"
"Du kannst mit deinem Artefakt in die Zukunft sehen, richtig?"
"Das weißt du doch längst."
"Klar. Ich frage mich nur, was du alles über euren Gegner weißt."
"Nun, es handelt sich um eine Macht, die einem größeren Übel dient. Und um
ihre Ziele zu erreichen, brauchen unsere Gegner drei Talismane, die in reinen
Herzen versteckt sind, und mit deren Hilfe sie den Heiligen Gral finden
können."
"Und Haruka und Michiru suchen nun nach den Talismanen, um dem Feind
zuvorzukommen."
"Ja."
"Ist das alles?"
"Enttäuscht?"
"Nein, Setsuna. Überrascht.", erwiderte Ranko ehrlich. "Ich hatte angenommen,
wenn der Ausgang dieses Wettrennens so wichtig ist, hättest du längst mit
Hilfe des Timegates die Träger der Talismane ausfindig gemacht und dir die
Beute gesichert."
Die Senshi wirkte nun ein wenig verlegen.
"Mein zukünftiges Selbst hat mir geraten, bestimmte Dinge und
Zukunftsabschnitte nicht weiter zu erforschen."
"Geraten?"
"Na gut. Verboten trifft es wohl besser.", gab die Senshi widerwillig zu.
"Und du hältst dich daran, obwohl es ein erhebliches Risiko für euren Erfolg
bedeutet?"
"Das letzte Mal, als ich mich nicht an den Rat meines zukünftigen Selbst
gehalten habe, waren die Konsequenzen furchtbar.", erwiderte die Senshi
bedrückt. "Mir ist klar, daß es unbequem ist, aber ich möchte nicht erneut
ein solches Risiko eingehen."
"In Ordnung. Aber das macht es nicht gerade leichter.", erwiderte die junge
Dämonin seufzend.
"Die Art, wie du gefragt hast... du weißt etwas über die Talismane, nicht
wahr?"
"Das tue ich. Aber auch ich kann im Augenblick nicht mehr dazu sagen."
"Dann hast du auch kein Recht, mich für mein Verhalten zu kritisieren."
"Mag sein.", pflichtete Ranko ihr bei. "Aber ich weiß zumindest, daß ihr
Senshi im Moment eine maximale Chance von fünfzig Prozent habt, den Feind zu
bezwingen. Und das auch nur, wenn alles für euch optimal läuft."
"Das... ist nicht viel.", räumte Setsuna mit wachsender Bestürzung ein. Sollte
sich das Schicksal wiederholen? Sollte sie erneut alles verlieren, was ihr etwas
bedeutete? Sie war sich nicht sicher, ob sie das ein weiteres Mal würde
ertragen können.
"Ich muß noch ein paar Dinge erledigen, aber dann werde ich mich um das
Training der Senshi kümmern.", erklärte Ranko in einem aufmunternden Ton. "DAS
wurde nämlich in der Berechnung eurer Erfolgschancen noch nicht
berücksichtigt, und ich habe nicht vor zuzulassen, daß ihr am Ende als die
Verlierer dasteht. Der Preis wäre einfach zu hoch."
"Das Ende der Welt.", murmelte Setsuna.
"Nein. Das Ende von ALLEM.", korrigierte Ranko sie.
"Gibt es einen Unterschied?"
"Oh, ja. Und sogar einen sehr bedeutenden."
"Erklärst du ihn mir?", fragte die Senshi, nachdem klar wurde, daß Ranko
offenbar nicht aus eigenem Antrieb fortfahren würde.
"Sollte die Welt der Sterblichen, also Midgard, zerstört werden, könnte
Kami-sama unter Umständen alles irgendwie wieder in Ordnung zu bringen
versuchen, wenn es in seinem Interesse liegt."
"Warum sollte es nicht in seinem Interesse liegen?"
"Weil selbst Kami-sama an Regeln gebunden ist.", antwortete Ranko darauf. "Er
selbst hat Regeln für alle anderen aufgestellt, und er hat auch Regeln
aufgestellt, die die Basis für die Ultimative Kraft bilden, welche von manchen
treffend als Kraft des Schicksals bezeichnet wird. Er kann viele der Regeln, an
die andere gebunden sind, ignorieren, wenn er das wünscht, eben weil er
Kami-sama ist, aber er hat sich selbst Regeln dafür auferlegt, unter welchen
Umständen derartige Regelbrüche möglich oder unmöglich sind. Und wenn es um
das Einhalten von Regeln geht, ist er wesentlich strenger als Hild-sama."
"Wer ist Hild-sama? Seine Frau?"
"Wäre sie vielleicht gern.", erwiderte Ranko schmunzelnd. "Aber nein. Kami-sama
ist das Oberhaupt von Asgard, der Heimatebene der Kami, während Hild-sama das
Oberhaupt der Bewohner von Nifelheim ist. Kami-samas Gegenstück also."
"Oh. Du meinst, diese Hild ist das Oberhaupt der Hölle."
"Jein.", erwiderte Ranko darauf. "Die christliche Mythologie hat da einiges
durcheinandergeworfen.", seufzte sie. "Was sie unter Hölle verstehen, Helheim,
ist eine Art Hochsicherheitsgefängnis gepaart mit einem Mechanismus zur
Vernichtung von Karma. Böse Menschen kommen dorthin, aber das ist nicht der
Wohnort der Dämonen, wie es von den Christen gelehrt und von vielen anderen
Religionen angenommen wird. Dämonen wohnen in Nifelheim, einer Ebene, die sich
über eine Reihe von Nachbardimensionen Helheims erstreckt."
"Daher die Referenz in einigen Mythologien auf eine Mehrzahl von Höllen.",
vermutete Setsuna.
"Richtig. Sehr mächtige Lords können ganze Dimensionen für sich beanspruchen,
in deren Grenzen sie die unumschränkten Herrscher sind. Letztlich sind sie aber
alle Hild-sama gegenüber verantwortlich. Aber so interessant eine Diskussion
über die inneren Strukturen der höheren Ebenen wäre, fürchte ich, wir kommen
vom Thema ab."
"Richtig. Du wolltest den Unterschied zwischen der Vernichtung der Welt und der
Vernichtung von allem erklären."
"Es ist eigentlich sehr einfach. Wenn ihr verliert, bedeutet das die Vernichtung
von Midgard, also eurer Welt, Asgard und Nifelheim. Dann wird niemand mehr da
sein, der möglicherweise die Vernichtung eurer Welt rückgängig machen
könnte."
Setsuna war erschüttert, als sie die Tragweite des Gesagten zu verstehen
begriff.
"Aber... sollten dann die Kami nicht an unserer Seite kämpfen, um unser aller
Überlebenschancen zu erhöhen?", fragte sie nach einigen Minuten bedrückenden
Schweigens.
"Ich denke, das würden sie gern tun.", erwiderte Ranko darauf.
"Und was hindert sie dann daran?", entgegnete die Senshi hitziger als sie
eigentlich beabsichtigt hatte.
"Es gefällt dir genauso wenig wie mir, aber damit das Universum funktioniert,
müssen sich alle an Regeln halten. Und je mehr Macht jemand hat, um Einfluß
auf das Universum nehmen zu können, desto weniger Spielraum gibt es für ihn,
wenn es um die Regeln geht."
"Regeln.", schnaubte Setsuna daraufhin. "Ist das hier für die Kami nur ein
Spiel?"
"Nein. Aber wenn sie sich nicht an die Regeln halten, gefährdet das den
Zusammenhalt der gesamten Schöpfung.", erklärte Ranko darauf. "Wie ich schon
sagte, es ist ziemlich beschissen. Aber stell dir vor, ein Kami würde gegen die
Regeln verstoßen, weil er entschieden hat, der Zweck würde die Mittel
heiligen, um eure Erfolgschancen zu erhöhen. Was würde dieser Kami tun, wenn
er sich das nächste Mal von den Regeln eingeengt fühlt? Einen neuen plausiblen
Grund finden, um die Regeln zu ignorieren? Und dann wären wir ganz schnell an
einem Punkt, an dem niemand sich mehr an die Regeln halten würde."
°Ich muß ziemlich bescheuert sein.°, überlegte Ranko, während sie die
Regeln der Kami und Dämonen verteidigte. °Ich hätte nie gedacht, daß ich mal
jemand sein würde, der in einer solchen Situation wie dieser hier Regeln
verteidigt, die andere daran hindern, in einem wichtigen Kampf zu helfen.
Andererseits habe ich mich früher an die Regeln des Bushido gehalten, und die
sind auch nicht immer leicht zu befolgen gewesen. Panda no Baka.°
"Das verstehe ich ja. Aber wenn am Ende alles ausgelöscht werden sollte, wird
doch auch niemand mehr da sein, für den diese Regeln eine Rolle spielen.",
argumentierte Setsuna dagegen.
"Das ist wahr. Aber wenn du jetzt Regelverstöße erlaubst, und wir überleben
sollten, wovon ich ausgehe, dann hast du im Grunde die Vorarbeit geleistet um
den Kampf, den wir gerade zu kämpfen beginnen, noch häufiger kämpfen zu
müssen. Oder denkst du ernsthaft, ein durchgedrehter Klasse-Eins Kami wäre
weniger gefährlich als ein durchgedrehter Klasse-Eins Dämon?"
Setsuna seufzte schwer. Widerstrebend gab sie Ranko Recht.
"Gut.", brummte Ranko und inhalierte regelrecht ein Drittel des Stapels fertiger
Okonomiyaki. "Der Rest ist für Ruka-chan und Michi-chan...sobald sie aufgewacht
sind.", erklärte sie nach dem Essen. "Ich muß jetzt los und mich um die Dinge
kümmern, die ich vorhin erwähnt hatte."
"Ich werde es ausrichten.", versicherte Setsuna ihr. "Aber ich vermute, wir
werden dich in Zukunft häufiger hier sehen, oder?"
"Wie sonst sollte ich euch trainieren?", fragte sie verwundert. "Oh, da fällt
mir ein, solltet ihr von der anderen Senshigruppe irgendetwas über einen neuen
Feind hören, macht euch keine Sorgen. Das bin dann nur ich."
"Du? Aber wieso?"
"Denkst du, Setsuna, diese Fünf würden in einem Kampf alles geben wenn sie
wüßten, daß es nur Training mit einem Verbündeten ist?", erwiderte Ranko
darauf. "Nein, um ihr Potential zu testen, und um ihnen aufzuzeigen, wieviel sie
von mir lernen können, werde ich mich ihnen zunächst als Feind präsentieren
müssen."
"Damit gehst du ein ziemliches Risiko ein."
"Ja, aber ein kalkuliertes. Sollten sie wider erwarten besser sein, als ich
gedacht habe, kann ich mich immer noch ergeben.", scherzte sie. "Wenn ihr also
in naher Zukunft die Freisetzung größerer Mengen Chaosenergie spürt, macht
euch keine Sorgen. Das bin ich."
"Chaosenergie?", erwiderte die Senshi alarmiert.
"Sollte ich versuchen, negative Energie zu erzeugen um ihre Aufmerksamkeit zu
erregen, hättet ihr keine Möglichkeit mich aus der Ferne vom wahren Feind zu
unterscheiden.", erklärte Ranko darauf schulterzuckend. "Oder denkst du, sie
würden auf andere Energieformen als Chaosenergie oder negativer Energie mit
entsprechend hoher Motivation für einen Kampf erscheinen?"
"Hmm, wohl nicht. Also gut. Ich hoffe aber, du gehst nicht zu hart mit ihnen
um."
"Besser sie lernen ihre Fehler im Training, als später auf dem Schlachtfeld.",
antwortete Ranko darauf mit einem Ernst, der klarmachte, daß sie nicht
vorhatte, die fünf jüngeren Senshi in Watte zu packen. "Wir sehen uns.",
erklärte sie noch zum Abschied und benutzte das Teewasser in ihrer eigenen
Teetasse als Portal für ihre Teleportation.
Das Erste, worauf sein Blick fiel, als Ranma das Portal über dem Furo verließ,
war ein Paar geweiteter Augen, die ihn überrascht anstarrten.
Dann wanderten seine Augen tiefer und registrierten den Rest der Person, die bis
gerade eben ein entspannendes Bad genossen hatte.
"Ähm... hi, Mara.", grüßte Ranma die attraktive Dämonin mit einem nervösen
Lachen, hoffend, sie nicht in schlechter Stimmung erwischt zu haben.
Flüge mit Air Akane waren schon nervig genug. Wenn Mara jedoch wütend wurde...
nun, sagen wir, wo Akane ihr eigenes kleines Luftfahrtunternehmen betrieb,
investierte die Dämonin lieber in die Weltraumfahrt, und belassen es dabei.
"Ranma.", erwiderte Mara trocken. "Ich hoffe, dir ist klar, daß es genug Leute
gibt, die es nicht tolerierbar finden würden, wenn sie auf diese Weise beim
Baden überrascht werden."
Der junge Dämon nickte hastig.
"Gut. Dann solltest du in Zukunft weniger riskante Zielpunkte für deine
Teleports wählen. Zumindest solange, bis du einen Zauber gelernt hast, der dir
erlaubt, deinen Zielort zu betrachten, bevor du das Portal durchquerst."
Erneutes hastiges Nicken war die Antwort.
Offenbar hatte Ranma die Dämonin in guter Stimmung erwischt.
"Gut. Und wenn du nichts dagegen hast, würde ich mein Bad jetzt gern
fortsetzen."
"Klar. Was sollte ich dagegen haben?", antwortete er, kurzfristig in seine alte
Begriffsstutzigkeit zurückfallend, was trotz seines intensiven
Verhaltenstrainings der letzten Tage immer noch dann und wann geschah.
"Allein.", grollte Mara daraufhin und gab ihrem Gegenüber allein durch ihren
Tonfall zu verstehen, daß er besser in nächster Zeit aus dem Raum verschwunden
sein würde.
Mit einer gewissen Belustigung registrierte Mara, wie Ranmas Gesicht ein wenig
an Farbe verlor, bevor der Junge mit Höchstgeschwindigkeit aus dem Bad
rauschte.
°Knuffiges Kerlchen.°, dachte sie amüsiert. °Und so erfrischend anders als
die Sorte junger Dämonen, die sonst in Nifelheim ausgebrütet werden. Solange
er nicht aufhört, mich mit dem gebührenden Respekt zu behandeln, solange werde
ich ihm helfend zur Seite stehen, wenn er mich braucht.°, beschloß sie für
sich.
Seine 'Flucht' führte Ranma schließlich in die Küche, wo seine Mutter ihrer
'Nichte' Miki Kochunterricht gab.
"Guten Morgen, Mom. Morgen, Mi-chan.", grüßte er die beiden fröhlich.
"Morgen, Ranma-kun."
"Guten Morgen, mein Junge. Wie ich sehe, hast du gute Laune. Ist etwas
besonderes vorgefallen?"
"Oh, nichts besonderes. Aber ich weiß endlich, wie ich alle meine Probleme hier
in Nerima loswerden kann. Und ich habe gestern Zeit mit diesen beiden Senshi,
Haruka und Michiru, verbracht."
"Freut mich, daß du dich gut mit ihnen verstehst.", erwiderte Nodoka lächelnd.
"Aber vergiß nicht, daß ihr nach deinem Auftrag vermutlich nicht mehr auf
derselben Seite stehen werdet."
"Na und?", Ranma zuckte mit den Schultern. "Mara-sensei und diese Urd verstehen
sich außerhalb ihrer Arbeit ja auch recht gut, obwohl sie zu verschiedenen
Seiten gehören. Meistens jedenfalls."
"Ja. Aber Urd als Kami weiß um den wahren Stellenwert von uns Dämonen,
während die sogenannten Guten unter den Sterblichen uns für ein Übel halten,
das vernichtet werden muß.", wandte Miki an dieser Stelle ein. "Ich würde mich
also nicht darauf verlassen, daß eure Freundschaft Bestand haben wird."
"Schon klar. Aber ich bin nicht bereit, von vornherein auszuschließen, daß wir
Freunde bleiben können.", gab Ranma entschlossen zurück. "Ist ja nicht so,
daß ich als Avatar des Chaos mit Jobs rechnen kann, bei denen ich mich mit den
Senshi anlegen müßte."
"Das ist wahr.", gab seine Mutter ihm Recht. "Und was willst du nun wegen deiner
Probleme hier tun? Viel Zeit hast du ja nicht mehr, bis Hild-samas Ultimatum
abgelaufen sein wird."
"Kannst du für morgen nachmittag die Tendos, die Amazonen, Happosai, Pops und
Ucchan nach hierher einladen?", entgegnete er darauf. "Und wenn du irgendeine
Möglichkeit wüßtest, dafür zu sorgen, daß Ryoga auch hier sein kann..."
Nodoka lächelte vielsagend.
"Ich kenne da den einen oder anderen Zauberspruch. Mach dir keine Sorgen. Er
wird morgen hier sein."
Ranma nickte dankbar.
"Was ist mit dem dynamischen Duo?", spöttelte Miki neugierig.
Jetzt war es an Ranma, vielsagend zu lächeln.
"Um die Kunos kümmere ich mich getrennt von allen anderen, Mi-chan.", erklärte
er. "Ich gehe jetzt in mein Zimmer, um Vorbereitungen für die Zwei zu treffen.
Danach bin ich für den Rest des Tages wegen meines Nekoken-Tests mit
Neko-sensei zusammen.", verkündete er, bevor er sich auf den Weg in sein Zimmer
machte.
Kapitel 10: Good bye, Nerima - Part 1
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Anmerkungen
Hallo zusammen. Obwohl ich mir wünschte, schneller zu sein, wird das hier wohl
das letzte Update für dieses Jahr. Momentan habe ich einfach eine Menge Dinge
um die Ohren (unter anderem tonnenweise Harry Potter-Fanfics, unter denen ich
förmlich begraben wurde *Dark Harry- und Dumbledore-Bashing-Stories liebt*),
und bald fahre ich auch noch in Urlaub *freu*
Dieses Kapitel ist voraussichtlich das vorletzte Kapitel von Arc 1. Das
Schlußkapitel wird sich dann auf Ranma und die Kunos konzentrieren (momentan
debattiere ich noch mit mir selbst, ob ich für Arc 1 einen Epilog entwerfen
sollte).
Dank einiger guter Ideen von einigen von euch sind meine Planungen dafür, was
in Arc 2 geschehen soll, so gut wie abgeschlossen (und der Prolog für Arc 2 ist
auch schon fertig *stolz auf sich selbst ist*). Auch eure Ratschläge bezüglich
eines Beschützers für Ranmas Adoptivtochter habe ich mir gründlich durch den
Kopf gehen lassen. Sowohl Cabbits als auch Pokemon hatten gute Argumente für
sich, aber letzen Endes haben mich doch die Argumente derjenigen überzeugt, die
keines von beiden für sinnvoll gehalten haben. Stattdessen werde ich im Laufe
von Arc 2 nicht nur Ranma sondern auch seine Tochter trainieren lassen. Das
Mädchen sollte dadurch zwar nicht übermächtig werden, aber stark genug sein,
um nicht mehr als hilflos zu gelten.
@Ghost6:
Manchmal erwähne ich Dinge nicht, die ich entweder für den Handlungsverlauf
für unwichtig halte, oder deren Aufklärung ich auf andere Weise (an späterer
Stelle) geplant habe.
Beispiel: Amtskleidung. Die Szene, wie Ranma die Kleidung für seine weibliche
Form auswählt, habe ich aus zwei Gründen ausgelassen. 1.: Da aus der Szene mit
Michiru und Haruka klar werden müßte, daß Ranma/Ranko durch
Materietransformation jede Art von Kleidung nach belieben erschaffen kann, und
ich zudem dort erwähnt habe, daß die Amtskleidung von jedem Dämon selbst nach
eigenen Wünschen ausgewählt wird (die Methode der Erschaffung und der Grund
für die Existenz dieser "Uniform" also klar sein sollten), dachte ich mir, daß
jeder Leser etwaige "Informationslücken" durch Fantasie, Spekulation etc selbst
füllen kann. 2.: Vorher eine Szene zu schreiben, in der Ranma/Ranko seine/ihre
Amtskleidung auswählt, hätte viel vom Überraschungseffekt in der Szene mit
Haruka und Michiru genommen (meine Meinung).
Natürlich heißt das jetzt nicht, daß du in Zukunft Unklarheiten über das
Zustandekommen von Situationen, die Existenz von Objekten etc ignorieren
solltest. Mein Vorschlag: Wann immer etwas unklar ist, erwähne es in deinem
Kommentar. Sollte es etwas sein, was ich tatsächlich unzureichend erklärt
habe, werde ich die Erklärung nachholen. Sollte es etwas sein, was im Lauf der
Story erklärt werden wird, werde ich darauf hinweisen (und um Geduld bitten
^__^"" ).
@Phibrizo:
Wenn du willst, und versprichst, es nicht weiterzusagen, kann ich dir meine Idee
für Minako per ENS verraten. Dann kannst du mir sofort sagen, was du davon
hältst, und ggf vielleicht Vorschläge für Verbesserungen, Zusätze etc
anbringen, wenn du willst.
@Umi:
« Und wo wir grade den Aufruf an alle Zeichner hatten... magsu nicht noch dazu
aufrufen, dass jemand die, uhm, "nächtliche, politische Diskussion" von Haru,
Michi und Ranko grafisch festhält?