Seelenopfer von Saedy ================================================================================ Prolog: Tropfen für Tropfen --------------------------- Disclaimer: Yu-Gi-Oh gehört nicht mir, sondern Kazuki Takahashi und ich verdiene auch kein Geld hiermit. In gleitende Schatten getaucht, von einem finsteren Licht überflutet, welches es eigentlich nicht geben durfte, öffnete sich der Himmel und entließ eine menschliche Gestalt. Dunkle Wolken am herbstlichen Horizont, wie aus dem Nichts erschienen, offenbarten das Tor zu einer anderen Dimension. Dies war die Rückkehr des Verbotenen. Gedankenverloren starrte Atemu auf den Fluss hinunter, als gäbe es nichts von Bedeutung auf dieser Welt. Den Blick auf die im Widerschein der letzten Sonnenstrahlen glitzernde Wasseroberfläche gerichtet, schimmerten seine dunkelroten Augen, deren Farbe durch die rötlichen Lichtreflexe verstärkt zu werden schien. Die Arme vor der Brust verschränkt, sein fein geschnittenes Gesicht und die Gestalt, welche den für ihn so typischen Stolz und Selbstsicherheit ausstrahlte, verharrte er wie eine lebendig gewordene Statue, die noch nicht gelernt hatte, wie man sich bewegt. Gewellte, blonde Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, wurden aber immer wieder vom Wind nach hinten gedrängt und an den schwarzen Haarschopf mit den dunkelvioletten Spitzen geweht. Die marineblaue Schuluniform, die sein Seelenpartner ihm geschenkt hatte, lag ihm ein wenig zu eng an, während sie seinem anderen Ich etwas zu groß geraten schien. Verloren in den Tiefen seiner Gedanken, bemerkte er kaum, wie die Zeit zerrann und es kälter wurde. Dies war eine schöne Gegend. Rund um das Ufer des Flusses, welcher von den Bewohnern Dominos einfach Steinchen genannt wurde - in Bezug auf den Namen ihrer Stadt - zog sich eine hübsche Parkanlage mit künstlich angelegtem Strand und einem Holzsteg, von dem aus man eine fabelhafte Aussicht genoss. Auf diesem stand der Pharao nun und schien langsam aus seinem Tagtraum zu erwachen. Er atmete noch einmal tief durch und ließ die frische Luft in seine Lungen eindringen. Da der Tag so düster und mit Regen begonnen hatte, welcher sich auch noch bis in den späten Nachmittag gehalten hatte, es außerdem schon spät war, war die Gegend so gut wie menschenleer und Atemu genoss dies. Noch einmal fragte er sich, ob es wohl eine kluge Entscheidung gewesen war, ins Diesseits zurückzukehren. Aber er hatte gar nicht anders gekonnt. Zu vieles hatte ihn hier her zurückgezogen, besonders aber sein Herzenswunsch, von dem er noch niemandem erzählt hatte, nicht einmal seinem Aibou. Seine Augen verengten sich leicht, als er daran dachte, wie wenig er hoffen durfte, seinen Wunsch in Erfüllung gehen zu sehen. Durfte er überhaupt, ja, war es ihm überhaupt bestimmt, für solch selbstsüchtige Wünsche zu kämpfen wie diesen? Dafür sogar aus dem Totenreich zu entfliehen? Er lächelte leicht, als er daran dachte, dass es selbst dies wert war, sollte er auch verlieren. Dank seines Aibou hatte er zurückkehren können, dank ihm und der Hilfe einiger anderer Freunde. Die Verbindung zu seinem Herzen war noch stark genug gewesen, um ihm einige Worte zuflüstern zu können, ihm seine Wünsche mitzuteilen. Das war es gewesen. Daraufhin hatten seine Freunde alles in Bewegung gesetzt, um ihn zurückzuholen. Das allein hätte allerdings nicht gereicht… Jedenfalls stand er nun hier und lebte und atmete, ja er konnte den Wind fühlen, der ihm eine Gänsehaut bereitete, war in der Lage, diese Schönheit ringsum zu betrachten, kurzum, einfach zu Leben. Nicht einmal mehr war es nötig, Gast in Yugis Körper zu sein, sondern hatte er seinen eigenen. Allein das war es schon wert gewesen, wenn auch nicht der eigentliche Grund seiner Rückkehr. Tropfen für Tropfen stahl sich langsam, aber immer stetiger werdend, Regen vom Himmel und benässte zuerst die Nasenspitze des Pharaos, bis er die Wangen erreichte und schließlich die Haare durchweichte, sowie die blaue Schuluniformjacke, die durch die Feuchtigkeit eine fast schwarze Farbe annahm. Nun doch die Kälte registrierend, die durch den Wind und die Nässe verstärkt wurde, schlang er die Arme fester um seinen Körper und zitterte ein wenig. Innerlich fröstelte er jedoch noch stärker, als äußere Umstände zu verursachen mochten. Inzwischen hatte sich der Regen beinahe zu einem Wolkenbruch entwickelt, die Tropfen wurden immer dicker und häufiger. Noch immer stand der einst namenlose Pharao auf seinem Fleck wie die Statue, die er eigentlich nur noch sein sollte. Doch er war hier und lebendig. Die Kälte ließ ihn dies nur allzu deutlich spüren, und deswegen musste er plötzlich lächeln. Ja, er freute sich, dass er zitterte. Nun endlich wachte er soweit aus seinen Grübeleien auf, dass er beschloss, sich auf den Weg nach Hause, zu Yugi, zu machen. Kapitel 1: Brennt sich in meine Seele ------------------------------------- Wo ist sie hin die Hoffnung? Gehst du mit ihr oder bleibst du in der Starre des Nichts? Leise wie eine Maus, schlich sich ein triefnasser Pharao zum Hintereingang des Spieleladens, öffnete mit einem leichten Knarzen die schon etwas in die Jahre gekommene Holztür und kam direkt in den Lagerraum von Großvater Mûto, in dem sich alle möglichen Kisten mit diversen Inhalten stapelten. Feuchte Spuren hinterlassend, stolzierte er trotz seiner etwas derangierten Erscheinung durch einen Pfad zwischen den Kisten, als sei alles in bester Ordnung, wobei ihm seine schmale Statur, die schräg stehenden Augen und die geschmeidigen Bewegungen die Anmut einer Katze verliehen. Er legte die Hand auf einen silbernen Knauf, um die Tür zu öffnen, die in den vorderen Teil des Spieleladens führte, wovon eine Treppe in den ersten Stock aufging, die zu den Wohnräumen - so auch Yugis und nun ebenfalls seinem - führte, wobei er hoffte, Großvater Mûto hätte den Spieleladen schon geschlossen und sich in sein Zimmer zurückgezogen, so dass er ungesehen hinaufkäme. Wirklich nach Gesellschaft sehnen, tat er sich nämlich nicht, wollte lieber allein sein und nachdenken. Yugi würde mit Sicherheit Zuhause sein, allerdings verstand dieser sehr schnell, wenn der Pharao einmal Zeit für sich brauchte und würde ihn nicht weiter stören, wenn er das nicht wollte. Allerdings, ganz so unbesorgt war sein Aibou nun auch wieder nicht, wie er bemerkte, als er in seinen triefnassen Klamotten ins Badezimmer schlürfte und dabei Yugi über den Weg lief. “Um Himmels Willen, Yami! Was hast du denn angestellt? Du bist ja klitschnass!”, stellte dieser treffend fest und musterte ihn mit kritischen Augen. “Ach, ich bin nur einen Regenguss geraten, nicht weiter tragisch”, wiegelte er ab. “Ich trockne mich jetzt schnell ab und alles ist wieder in Ordnung.” Yugi schüttelte ungläubig den Kopf. Es war ja nicht nur die Tatsache, dass sein Seelenpartner in einen Regenschauer geraten war, die ihn sorgte, sondern das auffällige Verhalten, welches dieser seit geraumer Zeit an den Tag legte. Eigentlich hatte es bereits kurz nach seiner “Wiedergeburt”, wie sie es nannten, begonnen. Der Pharao machte meistens einen ziemlich abwesenden und nachdenklichen Eindruck, wollte sehr oft allein sein und lachte so wenig, dass es schon ungesund sein musste, um es mit Jonouchis Worten auszudrücken, der sich ebenfalls schon Sorgen machte. Außerdem hielt er sich meist stundenlang irgendwo draußen in der Stadt oder im angrenzenden Wald auf, wo er lediglich ziellos und nachdenklich, so unglaublich verlassen wirkend, durch die Gegend wandelte. Das konnte einfach nicht mehr normal sein. Deshalb meinte Yugi nun auch: “Und ob es das ist. Du solltest nicht so leichtsinnig sein, sonst holst du dir noch einmal eine Lungenentzündung. Du siehst vollkommen durchgefroren aus - im Sommer mag so was ja noch angehen, aber bei der Kälte? Wieso hast du denn keinen Schirm mitgenommen, es regnet doch schon fast den ganzen Tag, da war es abzusehen, dass es bestimmt wieder anfängt. Oder du hättest dich irgendwo unterstellen und Großvater bescheid geben können, dass er dich abholt”, hielt er ihm einen Vortrag. Obwohl Atemu diese Vorhaltungen ungelegen kamen, lächelte er freundlich, da er wusste, dass sich Yugi nur um ihn sorgte, weil er ihn so gern hatte und meinte: “Du hast Recht, Aibou, das hätte ich wohl. Aber ich habe keinen Grund gesehen, deinen Großvater aus dem Laden zu holen und den Schirm”, er zuckte mit den Schultern, “hab ich einfach vergessen. Aber wie du siehst, geht es mir gut. Du solltest dir nicht so viele Gedanken um mich machen, so ein kleiner Regenschauer bringt mich nicht um.” Yugis Gesicht drückte ein wenig seine Enttäuschung aus, denn er wusste ganz genau, dass Yami wusste, dass der eigentliche Grund seiner Sorgen ein anderer war - dass dieser sich so wenig um seine Gesundheit sorgte, war nur eine kleine Auswirkung dessen. Aber der Pharao wollte einfach nicht darüber sprechen. Schon zu oft hatte Yugi versucht, diesbezüglich etwas aus ihm herauszubekommen. Er wusste nur, dass es etwas damit zu tun hatte, dass Atemu jetzt wieder unter den Lebenden weilte. Irgendein ganz bestimmter Grund hatte ihn zurückgeführt, ein Grund, den er niemandem verraten wollte. “Also, gut”, erwiderte er deshalb lediglich, mit einem besorgten Blick, der ausdrückte, du wirst mir sowieso nichts verraten, also lasse ich dich erstmal in Ruhe, aber später werde ich doch erfahren, was mit dir los ist. Yami wandte sich ab und begab sich ins Badezimmer, befreite sich von seiner nassen Kleidung und bemerkte an seinem Zittern, welches ihm erst jetzt aufzufallen schien, dass er wohl doch besser heiß baden oder zumindest duschen sollte. Abtrocknen und ein warmer Schlafanzug würden wahrscheinlich nicht ausreichen, um seinen Kreislauf wieder genügend in Schwung und damit mehr Wärme in seinen Körper zu bringen. Er seufzte leicht, aber aus tiefstem Herzen. Warum musste das Schönste auf Erden gleichzeitig das Schmerzvollste sein? Warum musste jede Bewegung zur Qual, jedes Sinnen zu schmerzlicher Sehnsucht werden? Endlose Momente schienen zu vergehen, bevor er aus seinen verlorenen Gedanken erwachte und bemerkte, dass er schon länger bewegungslos und nackt vor der Duschkabine stand, ohne sie zu betreten, während ihm noch kälter geworden war, so dass er nun mit den Zähnen klapperte. Schnell stieg er unter die Dusche und drehte sie heißer als gewöhnlich auf. Normalerweise meinte er, sich bei dieser Temperatur zu verbrühen und stellte das Wasser nie so warm ein, doch diesmal konnte es gar nicht heiß genug sein. Seine Haut rötete sich wie bei einem Sonnenbrand, doch trotzdem breitete sich eine Gänsehaut über seinem Körper aus. Den geschmeidigen Bewegungen einer Katze gleich, glitt er aus der Dusche hervor und langte nach einem roten Bademantel, welcher an einem Haken an der in hellem Beige befliesten Wand hing, um hineinzuschlüpfen. Auch dieser gehörte natürlich Yugi und war, wie alles andere, von seinem kleinen Alter Ego ausgeliehen. Wenn man den ehemaligen Pharao so betrachtete, erschien er einem seltsam zerbrechlich, strahlte er doch normalerweise eine unglaubliche innere Stärke aus, so war von dieser kaum noch etwas zu sehen, wirkte er vielmehr klein und verloren. Nur wenig von seiner königlichen Aura war noch übrig - das Wenige, das tief in seiner Seele verankert war und selbst dann nicht weichen würde, wenn alles andere unterging. Mit den Fingern fuhr er sich durch die nassen Haare und versuchte sie dazu zu bringen, nicht wie ein Busch im Wald auszusehen, denn auch im nassen Zustand waren sie störrisch wie eh und je. Selbst Atemu waren seine eigenen Haare schon immer ein Rätsel gewesen. Nicht nur, dass sie von Natur aus so abstanden - nur die Zackenform war hergerichtet, damit die Frisur nicht wie ein Mopp aussah - hinzu kam, dass sie - ebenfalls von Natur aus - dreifarbig waren. Etwas, was es eigentlich nicht geben durfte. Auch in dieser Hinsicht war er außergewöhnlich, was ihn im Moment aber nur störte. Der einzige Mensch, der diese Gemeinsamkeit mit ihm teilte, war Yugi, sein Seelenpartner. Doch wie gerne hätte er keine Vergangenheit als Pharao gehabt, wie gerne wäre er ein ganz normaler Jugendlicher gewesen wie Yugi, Jonouchi und Honda. Langsam fürchtete er, dass er sich nie in dieser Welt einleben würde. Nicht, dass er nicht mit den modernen Dingen zurechtkäme - im Gegenteil, er lernte sehr schnell - aber es war alles so fremd hier, als würde er, egal was er tat, niemals vollkommen dazugehören, weil er immer mit dem Wissen leben musste, dass er etwas besonderes war, mit dem Wissen um seine Vergangenheit als Pharao und den dunklen Mächten, die ihn stets heimgesucht hatten und dies sicher auch in Zukunft tun würden - wenn er diese Zukunft überhaupt haben würde. Auf leisen Sohlen tappte er aus dem Badezimmer und in Yugis Dachgeschosszimmer hinein, in dem er nun ebenfalls ein Bett hatte, was das ohnehin schon kleine Zimmer winzig erscheinen ließ. Atemu hatte sich bereits Gedanken gemacht, ob er sich nicht eine Arbeit und eine eigene Wohnung suchen sollte, doch Yugi hatte davon nichts hören wollen. Und außerdem, wie sollte das denn gehen? Yami sah nicht so aus, als wäre er bereits achtzehn und außerdem hatte er keinerlei Papiere vorzuweisen. Das war ohnehin so eine Sache, die ihnen Kopfzerbrechen bereitete. Kurzum, er war dazu gezwungen, erstmal hier zu bleiben. Außerdem machte sich Yugi immer mehr Sorgen um ihn, wegen seines auffälligen Verhaltens und würde ihn deswegen erst recht nicht gehen lassen. Atemu setzte sich auf sein Bett und blickte aus dem Fenster, betrachtete stumm den Regen, der nun in Fäden hinunterfiel. Das Wetter spiegelte wirklich gut seinen Seelenzustand. Yugi betrachtete kopfschüttelnd seinen Aibou, wie er mit triefendnassen Haaren und im Bademantel verloren dasaß und sich nicht rührte. “Soll ich dir die Haare machen?”, stand er plötzlich mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf, mit welchem er ihn aufzuheitern versuchte. Yami blickte irritiert auf, als erwache er aus einem tiefen Traum. Woran er wohl gedacht hatte? Vielleicht an seine Zeit als Pharao? An seine Freunde und Gefährten von damals? Aber wenn er sie so vermisste, warum war er dann nicht im Jenseits, bei ihnen, geblieben? “Danke, Yugi. Aber das ist nicht nötig.” Und schon ruhte sein Blick wieder auf dem Regen. “Du siehst aus, als hättest du eine Eins-A-Depression”, diagnostizierte Yugi. “Bitte?”, weiteten sich Atemus rötliche Augen. “Das ist doch…” “Absurd? Also, mein Yami, glaubst du, ich bin blind?”, lächelte Yugi ein wenig verletzt, dass ihm sein Seelenpartner so wenig vertraute. “Du bist die ganze Zeit in offensichtlich trübsinnige Gedanken versunken, läufst mutterseelenallein stundenlang durch die Gegend oder sitzt gedankenverloren vor dich hinstarrend herum, statt mal etwas zu unternehmen und nie lächelst oder gar lachst du. Du spielst nicht mehr Duel-Monsters und starrst höchstens deinen Schwarzen Magier an. Außerdem ignorierst du die Einladungen deiner Freunde. Jonouchi, Anzu und Honda fragen sich auch schon, was mit dir los ist und selbst Seto Kaiba wirft dir verwunderte Blicke über dein merkwürdiges Verhalten hinterher. Das passt einfach nicht zum König der Spiele.” “Ich bin nicht mehr der König der Spiele, das weißt du doch.” “Darum geht es jetzt eigentlich nicht und das weißt du. Also weich mir nicht aus und sag endlich, was mit dir los ist. So kann das doch nicht weitergehen.” Atemu wandte seinen Blick weg von Yugi und irgendwo an einen Punkt auf dem Nachtschränkchen. Seine Augen sprachen Bände, über seine Lippen kam jedoch kein Ton. Yugi seufzte, hatte sich bereits damit abgefunden, keine Antwort mehr zu erhalten und sich schon halb abgewendet, als er plötzlich ein: “Es tut mir leid”, vernahm. Überrascht wandte er sich wieder um. “Ich fürchte, ich habe einen schlimmen Fehler gemacht. Aber ich kann jetzt noch nicht darüber reden, nein, jetzt noch nicht”, die letzten Worte kamen nur noch geflüstert über seine Lippen. Anschließend ließ er sich aufs Bett fallen, ungeachtet seiner nassen Haare und schloss die Augen. Unglaublich schnell war er eingeschlafen und hinterließ einen Aibou, der ihn überrascht anblickte und in dessen Magengegend sich ein ganz komisches Gefühl breit machte, nach dieser unheilvollen Aussage. Im Gegensatz zu seinem Yami konnte er diese Nacht nicht gut schlafen, da er sich ständig fragte, was für einen Fehler dieser wohl gemeint hatte. Was konnte nur geschehen sein, dass selbst den starken Pharao so sehr mitnahm und er nicht mal darüber reden konnte? Kapitel 2: Schatten besuchen mich --------------------------------- So lange schon hast du gesucht ist jetzt alles vergebens? Oder ist es schon, nur ein kleiner Augenblick noch? Der neue Tag verlief nicht viel anders, als der vorherige. Nur die Umgebung war eine neue, als Yami wieder einmal, tief in Gedanken, durch die Straßen der Stadt wanderte, dabei möglichst menschenleere Gegenden passierend, damit er seine Ruhe haben konnte. Momentan lief er an einem Stück des Stadtwaldes vorbei und es war das erste Mal heute, dass er richtig aufblickte, als er in die unbekannte Gegend kam. Es führte nämlich ein düsterer Weg in den Wald, der ziemlich einladend auf ihn wirkte, da er die Natur, besonders eben solche Wälder, liebte. Aus Ägypten kannte er nur Sand und spärlichen Palmenwuchs, sowie künstlich angelegte Felder. Zwar war auch dieser Wald nicht völlig natürlich, da er doch gepflegt wurde, aber immerhin machte er den Eindruck, dass man sich in freier, unberührter Natur bewege. Yami brauchte nicht lange, um die Entscheidung zu fällen, den Pfad zu betreten und setzte seine Füße auf den dick von bunten Blättern belegten Boden, die feucht auf dem Grund klebten, so dass man kein Stück von der eigentlichen Erde mehr sehen konnte. Je tiefer er in den Wald vordrang, desto düsterer wurde es. Es war ohnehin ein bewölkter Tag, wenn es auch nicht so viel regnete wie gestern. Ab und zu fiel ein schwacher Lichtstrahl durch eine Lücke im Blätterdach, erhellte die Szenerie aber kaum. Dicke Wurzeln hoben sich am Wegesrand aus der Erde und rechter Hand fiel der Boden immer weiter ab, so dass man nach einer Weile tief hinunterblicken konnte. Nur das Zwitschern der Vögel und das Rascheln der Blätter im Wind sowie das leichte Knarzen der Bäume, waren zu hören. Was für eine friedliche Gegend. Wenn es doch nur immer so friedlich sein könnte. Er setzte sich auf einen Baumstamm, der am Wegesrand herumlag, störte sich nicht daran, dass dieser ziemlich feucht war und legte sein Kinn auf die Handfläche, den Ellenbogen auf sein Bein gestützt. Er blickte durch die dicht stehenden Baumreihen gegenüber, die schräg abfielen und fragte sich, wie die Landschaft dahinter wohl aussehen mochte. Immerhin war er schon eine ganze Weile gelaufen und wusste nicht, wohin dieser Weg wohl führte. Sein Magen knurrte, doch dies bemerkte er nur am Rande. Leise prasselnde Geräusche ließen ihn nach oben schauen und durch einen auf seiner Nasenspitze landenden Tropfen feststellen, dass es wieder zu regnen angefangen hatte. Das Blätterdach war allerdings so dicht, dass kaum etwas hindurch kam. Yami entschied sich, doch noch ein Stück weiterzulaufen. Was sollte er auch zu Hause bei Yugi? Dieser würde ihn doch nur wieder mit seinen besorgten Fragen löchern und zu wissen verlangen, was mit ihm los war. Allerdings konnte er auch nicht ewig davonlaufen. Im Gegenteil, ihm fehlte die Zeit. Aber was sollte er nur gegen diese schreckliche Angst tun? Und würde es denn etwas bringen, alles hinauszuzögern? Oder würde er verlieren, wenn er noch länger wartete? Aber andererseits. . . Yami wischte diese zweifelnden Gedanken aus seinem Hirn und sagte sich, dass ihm wohl nichts anderes übrig bliebe, als sich der Situation zu stellen. Trotzdem wollte er seine Wanderung noch ein wenig fortsetzen, da es ihm hier sehr gefiel. Unter dem Blätterdach blieb er überraschenderweise trotz des immer stärker werdenden Regens ziemlich trocken und nur gelegentlich kam ein Tropfen durch, weshalb ihn auch das nicht an seinem Vorhaben hinderte. Nach einer Weile erblickte er vor sich einen helleren Lichtstrahl, der anzeigte, dass dort eine größere Lücke im Wald sein musste und außerdem die Sonne durch die Wolken blinzelte. Und tatsächlich - als er dort ankam, konnte er auf eine riesige Lichtung blicken, innerhalb derer sich eine große, hoch gewachsene Wiese befand und halb versteckt hinter grünen Büschen stand eine kleine Holzhütte. Allerdings ließ sich das gesamte Gelände nicht betreten, da es von einem großen Maschendrahtzaun umgeben war. Seufzend glitt Yami an dem Zaun hinunter und in das hoch stehende Gras hinein. Dabei bemerkte er, dass es auch hier noch ziemlich feucht war, doch nun war es zu spät, das Malheur zu verhindern. Den Rückweg müsste er wohl mit einer nassen Hose zurücklegen. Aber irgendwie störte ihn das nicht sonderlich. Gedankenverloren starrte er vor sich hin, auf den von braunen, roten und gelben Blättern bedeckten Boden. Er merkte, dass er vom vielen Laufen doch ziemlich müde geworden war, zumal er sich in der Nacht unruhig hin- und hergewälzt und nicht gut geschlafen hatte. Vor lauter Müdigkeit bildete er sich schon ein, der Boden würde sich vor ihm kräuseln und Wellen werfen, zunächst durchsichtige Wellen, wie heiße Luft im Sommer, oder Heizungsluft im Winter unter einem Fenster sichtbar wird. Er blinzelte und schüttelte seinen Kopf, stand auf und streckte sich, bis ihm klar wurde, dass es nicht an einem schwachen Kreislauf lag, dass er dies zu sehen glaubte, sondern wirklich da war. In die durchsichtigen Luftwellen mischte sich schwarz, vergiftete die helle Oberfläche und überdeckte den Boden, bis der nahezu runde Fleck sich auf circa zwei Meter Breite ausgeweitet hatte. Yami fröstelte und er schlang die Arme um seinen Körper. Dies hier konnte nichts Gutes bedeuten. Er wandte sich ab, wollte diesem unheilvollen Etwas entfliehen, jedoch kam er nicht weit, da ihn etwas eiskaltes am Arm packte und erstarren ließ. Er wagte nicht, sich umzudrehen und hinter sich zu blicken, als ein Atem wie ein Eishauch - war es überhaupt Atem? - seinen Körper streifte. “Nun, Pharao? Unseren Pakt vergessen?”, erkundigte sich eine tiefe, nicht menschlich klingende Stimme. Nun wusste Yami, um wen es sich handelte. Er zwang sich, sich umzuwenden und dem Wesen ins Gesicht zu blicken, um keine Furcht zu zeigen. Vor ihm stand eine Kreatur, deren Begrenzungen fließend waren, wie die Wellen, die sie geschlagen hatte, als sie erschienen war. In ebensolchen Wellen floss nun die schwarze Gestalt wie ein Schemen aus dunklem, dichtem Rauch vor ihm. Die kalte Hand an seinem Arm, etwas Groteskes, scheinbar einem Alptraum entstiegen. Yami schauderte, als er in die Augen des Wesens blickte, wenn man das, was er sah, denn Augen nennen konnte, denn es war ebenso verschwommen, wie der Rest der Gestalt. Man erkannte lediglich etwas wie dunkle, schwarze, rundliche Kohlen, die von Innen heraus zu glänzen schienen. “Nein”, brachte Yami hervor und versuchte, seine Stimme sicher klingen zu lassen, was ihm nicht ganz gelang, da er am ganzen Körper zitterte. “Ich habe ihn nicht vergessen, aber du hast mir sechs Monate Zeit gegeben und die sind noch lange nicht vorbei. Was willst du also?” “Nun, ich sehe nicht gerade, dass du viel tust, um dein Ziel zu erreichen. Ich meine, mir wäre es ja nur Recht, denn dann bekomme ich das, was ich will ganz sicher, aber… Nun, es wäre besser für dich, wenn du dich daran erinnertest, was du mir versprochen hast.” “S- sicher”, mehr sagte Yami nicht, mehr konnte er nicht sagen und biss sich auf die Lippe. Wieso war er auch nur so dumm gewesen? Ach ja, er hatte keine andere Wahl gehabt. Darüber, dass er sich nicht daran erinnerte, was der Inhalt des Paktes darstellte, verlor er lieber kein Wort. Allerdings konnte er sich schon denken, dass die Kreatur vor ihm dies bereits genau wusste, ja sogar die Ursache für sein Vergessen war. Und jetzt kam sie, um sich über ihn lustig zu machen, ihn zu quälen und die Angst in seinen Augen zu sehen. “Schön, bald wirst du mir gehören, Pharao!“, meinte das schattenartige Wesen und fasste ihn mit der anderen Hand beim Kinn, um ihm tief in die Augen zu sehen. Seltsamerweise flößte Yami diese Geste weniger Angst ein, als das Erscheinen der Kreatur zuvor, denn sie kam ihm irgendwie so…menschlich vor. Erleichterung machte sich in ihm breit, als das Wesen wieder in den Erdboden sackte und mit dem üblichen Wellenaufwurf verschwand. Er bemerke erst, wie sehr seine Knie gezittert hatten, als er vor Erschöpfung auf den Boden sank. “Wo warst du nur wieder, Atemu?”, erkundigte sich Yugi besorgt, als er wieder Zuhause auftauchte. “Spazieren”, war seine lapidare Antwort. “Und das stundenlang?”, wunderte sich sein Aibou. “Gut, dann nenn’ es eben wandern.” “Also, jetzt schlägt’ s aber Dreizehn!”, regte sich der Kleine auf. “Ständig weichst du mir aus, dabei mache ich mir doch nur Sorgen um dich. Ich merke doch, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt. Aber, nein, der stolze Pharao muss seine Probleme ja immer alleine lösen und braucht von niemandem Hilfe! I-ich dachte, wir wären Freunde und könnten uns alles erzählen!”, wurde Yugi zum Ende des Satzes hin ganz traurig und leise, während er den Kopf hängen ließ. Yamis Augen wurden groß. So hatte er die Sache gar nicht betrachtet. Er hatte nur nicht Yugi mit seinen Problemen belasten wollen und dass er stattdessen ihre Freundschaft belastete, hatte er gar nicht bemerkt. Trotzdem, er konnte ihm doch nicht erzählen, dass… “Ach, Yugi, es tut mir leid!”, seufzte Yami und blickte seinem Aibou zum ersten Mal seit langem wieder richtig in die Augen. Endlich taut er auf, dachte Yugi erleichtert. Der Pharao ließ sich auf sein Bett, welches gegenüber von Yugis stand, sinken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. “Vielleicht hast du Recht, vielleicht sollte ich dir alles erzählen. Ich dachte nur, es wäre besser, du würdest dir nicht auch noch Sorgen machen müssen.” “Aber, Yami, das tue ich doch sowieso die ganze Zeit, weil du so deprimiert bist. Und außerdem sind Freunde doch dazu da, einander zu helfen, egal um was es geht. Bitte vertrau mir doch.” “Das tue ich ja”, rollte sich Yami nun auf die Seite, so dass er Yugi ansehen konnte und stützte seinen Kopf auf den Ellenbogen. “Also, gut”, beschloss er. “Ich werde es dir erzählen. Aber, wehe du lachst!”, guckte er gespielt böse. “Nein, wieso sollte ich dich auslachen? Ich höre dir einfach zu.” “Hm, also gut. Wie fange ich an? Ich weiß, am besten mache ich es kurz und schmerzlos: Ich bin verliebt…” “Aber, das ist ja fantastisch!”, sprang Yugi von seinem Bett auf, zu Yami rüber, um ihn einmal ganz fies durchzuknuddeln. “Hey, lass das Yugi, das kitzelt!” “Na, also gut. Und warum bist du deswegen so unglücklich? Hast du etwa einen Korb bekommen?” “Nein, das nicht…”, druckste der Pharao herum. “Also, was dann?” “Ich, puh, ich traue mich einfach nicht, es ihm zu sagen”, blickte Yami unschuldig in die Luft. “IHM?”, Yugi fiel beinahe aus dem Bett. “Hast du gerade “ihm” gesagt?” “Siehst du? Wenn du schon so reagierst, was wird er dann erst sagen? Und ja, du hast richtig verstanden, ich habe mich in einen Mann verliebt und dazu noch einen, der mich hassen, oder, wenn ich Glück habe, auch nur verachten wird, wenn er das erfährt. Deshalb kann ich es ihm nicht sagen, nein, auf gar keinen Fall.”, stützte Yami den Kopf in seine Hände und vergrub ihn darin. “Hm, na gut. Ich muss zugeben, ich bin überrascht, dass du auf Männer stehst und kann das ehrlich gesagt nicht verstehen. Aber das heißt nicht, dass ich dich jetzt verachte, oder so. Nein, du bist immer noch mein bester Freund und Seelenpartner und ich akzeptiere das. Also guck nicht mehr so deprimiert, ja?” “Ach, Yugi, danke. Ich bin froh, dass es dir nichts ausmacht.” “Ja, und?” “Und was?” “Wer ist denn nun der Glückliche?” “Frag das lieber nicht.” “Hab ich aber schon, da musst du jetzt drauf antworten!” “Also gut, halt dich besser fest, sonst fällst du mir noch wirklich vom Bett.” “Ähm, okay. Ist es denn wirklich so schlimm? Nein, warte, lass mich raten! Hm, du bist in…Jonouchi verliebt, oder?” “Wie kommst du denn darauf?”, guckte Yami Bauklötze. “Nein? Nicht?” “Nein.” “Ach so, ich dachte nur, weil du immer so Sachen gesagt hast, wie ‘Jonouchi, ich werde dich immer beschützen’ und ihr immer so viel von Freundschaft geredet habt, schon ein bisschen zuuu viel und da dachte ich…” “Oh, Gott, ich habe mit Jonouchi geflirtet, ohne es zu bemerken!” Der Pharao guckte ganz entsetzt. “Hat er etwas was darüber gesagt?” “Nein, wie gesagt, das war nur so eine Vermutung von mir. Aber eine dumme, denn Jonouchi würde dich ja nicht hassen, wenn du ihm sagst, dass du ihn liebst. Also, dann, wer könnte es noch sein. Hm, Honda nicht, da bin ich mir sicher. Wen gibt es denn da noch, den du näher kennst? Eigentlich gar nicht so viele. Kajiki, nein, glaub ich auch nicht. Ryuzaki oder Haga, nein, ha, ha, ganz sicher nicht. Ach, so ein Mist, ich komm einfach nicht drauf…” “Yugi, bitte!” “Was denn? Jetzt lass mich doch mal raten! Also, wenn Mokuba nicht zu jung wäre, würde ich ja sagen…” “YUGI!” “Na ja, manchmal, als du noch in meinem Köper warst, da hast du ihn so ganz lieb angeguckt, als hättest du ihn besonders gern…” “Yugi”, kam es nun ganz kleinlaut vom Pharao. “Willst du mich quälen?” “Hm, na gut, dann sag es mir, ich komm eh nicht drauf”, schmollte Yugi ein wenig. “Se..ka..ba”, nuschelte Yami. “Was hast du gesagt?” Yami wiederholte es noch einmal. “Wie bitte? Ich hab dich immer noch nicht verstanden.” Yami wiederholte es noch ein zweites Mal. “Was, jetzt sprich doch endlich mal deutlicher. Na los, lass es raus!” “SETO KAIBA!”, brüllte Yami, dass seinem Aibou die Ohren wegflogen. Das hatte sicherlich die halbe Nachbarschaft gehört. Was für ein Glück, dass Kaiba nicht dazugehörte. Yugi hingegen guckte ihn erstmal eine geschlagene Minute groß an. “Ist nicht dein Ernst!”, brachte er schließlich hervor. “Doch”, seufzte Yami. “Er ist so süß”, lächelte er verträumt. Das gab Yugi den Rest, der tatsächlich seitwärts vom Bett fiel. Von Kaiba als “süß” zu sprechen…, also, nein, das war wirklich, als spräche man vom Nordpol als ein warmes Örtchen. Und dann sein Yami, ausgerechnet in DEN verliebt! “Nein!”, ächzte Yugi. “Warum?” “Ich, äh…Muss ich das jetzt erzählen?”, wurde der Pharao ganz rot. Offenbar dachte er gerade an etwas nicht ganz so jugendfreies. “Aber, aber, ausgerechnet… Er wird dich töten!” “Eben, und deswegen werde ich es ihm niemals sagen können”, seufzte Yami traurig. Aber vielleicht bin ich sowieso schon bald tot, dachte er, während ihm ganz kalt wurde. Vielleicht sollte ich die Chance nutzen, bevor es für alles zu spät ist. Lieber durch Seto sterben, als durch diese Schattenkreatur. Anm. von Silfier: So, das war also das zweite Kapitel. Da ich gerade totmüde bin, aber es unbedingt noch hochladen wollte, damit es am Wochenende auch online ist, hoffe ich, dass ich beim Hochladen keinen Fehler gemacht habe^^°. Das nächste Kapitel kommt dann wieder nächstes Wochenende. Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen. Viele Grüße Silfier Kapitel 3: Tote weinen nicht, sagt man -------------------------------------- Stille zaghaft doch sieh' ist dies was du erträumtest? Oder ist es nur falscher Glanz stehst du hier in Zufriedenheit? Yami blickte die regennasse Straße entlang, auf der sich Lichtstrahlen vereinzelt wie goldene Perlen reflektierten, als wolle selbst das Wetter ihm mitteilen, dass es Hoffnung gab und dass er es versuchen sollte - versuchen, sehenden Auges in seinen Tod zu gehen und Seto Kaiba mitzuteilen, dass er ihn liebte. Bei dem Gedanken krampfte sich sein Magen zusammen. Er fühlte sich so ängstlich wie kaum jemals zuvor. Was, wenn Seto ihn mit Verachtung strafen würde? Was, wenn seine wunderschönen blauen Augen bald mit Leidenschaft, allerdings mit leidenschaftlichem Hass, auf ihn herabsehen würden? Würde er dem standhalten können? Allerdings bestand doch die winzige, ganz kleine Chance zumindest, dass Seto seine Gefühle vielleicht erwiderte? Okay, der Gedanke daran war albern. Für Yami sah diese Chance so verschwindend gering aus, dass sie nicht von Bedeutung war. Oder vielleicht doch. Vielleicht genügte es auch schon, wenn er erst Sicherheit hätte, dass Seto ihn wirklich hasste, wenn er die Wahrheit erfuhr. Wahrscheinlich würde Yami ohnehin bald tot sein und vor dem wenigstens dies noch tun können, seiner großen Liebe seine Gefühle gestehen…er musste es wagen, bevor er alles verlor. So machte er sich entschlossenen Schrittes auf den Weg zu Kaibas Haus, das eigentlich eher die Bezeichnung Villa verdient hätte, während das Gefühl auf seinem Magen und die Wolke in seinem Kopf immer drückender wurden. Was wollte er eigentlich sagen, wenn er die Türklingel betätigte? Aus einem nichtigen Grund würde Kaiba ihn sicher nicht hinein lassen. Und ihn direkt an der Tür mit seinem eigentlichen Anliegen überfallen, ging schon mal gar nicht. Vielleicht die Aufforderung zu einem Duel-Monsters Spiel? Aber würde er sich darauf einlassen, so inoffiziell, ohne den Anlass eines Turniers? Gab es etwas, das er einsetzen könnte, etwas, das Kaiba reizen und ihn zum Mitmachen bewegen würde? Ja, vielleicht, wenn er… Yami fand sich unversehens vor dem großen Tor des Kaiba-Anwesens wieder. Er hatte nur am Rande registriert, dass er schon so weit gekommen war, so tief war er in Gedanken versunken gewesen. Nun, er holte noch einmal tief Luft, er würde seinen Gedanken in die Tat umsetzen. Er klingelte und wartete auf Antwort, jedoch kam diese nicht von Kaiba persönlich, stattdessen konnte er einen seiner Angestellten davon überzeugen, ihn hineinzulassen. Er trat durch das große Metall-Tor, welches mit seinen hübschen, silbernen Schnörkeln das Anwesen - neben der hohen, blickdichten Hecke - abgrenzte und auf einen mit dicken Steinen gepflasterten Pfad. Links und rechts erstreckte sich grüne Wiese und aus der Ferne drang das Plätschern eines Brunnens, der von hier aus aber nicht zu sehen war. Die Seiten des Hauses waren von dichten Büschen umgeben, so dass Besucher daran gehindert wurden, diese einzusehen. Tief Luft holend, wandte sich Yami der Eingangstür zu, welche auch bereits vor seiner Nase aufgerissen wurde und ihm ein älterer Herr mit grauem Haar und Schnurbart entgegenstarrte. “Sie wünschen, bitte?” “Ich möchte zu Seto, äh, Seto Kaiba”, brachte Yami etwas ungeschickt hervor. “Bitte sagen Sie ihm, dass der andere Yugi mit ihm sprechen möchte und dass es wichtig ist.” “Sehr wohl. Wenn Sie dann bitte hereinkommen und im Vorzimmer Platz nehmen wollen?” Yami folgte dem älteren Herrn im schwarzen Anzug und ließ sich auf einem bequemen weißen Ledersessel, in einem geräumigen, aber ziemlich steril aussehenden Zimmer, dem man anmerkte, dass es nur für Gäste gedacht war, nieder, während sich Setos Angestellter entfernte, um diesem Bescheid zu geben. Yami seufzte wieder einmal - in letzter Zeit war er nur am Seufzen, wie er ärgerlich feststellte - und stützte sein Kinn auf seine Hand. Seit er an diesem verdammten Liebeskummer litt, kam es ihm so vor, als wäre sein Körper doppelt so schwer und seine Energie wie weggeblasen. Träge schleppte er sich durch jeden Tag. Im Moment jedoch war er unglaublich nervös und wäre am liebsten die Wand hoch gelaufen, trotz der Schwere in seinen Gliedern. Alles in ihm kribbelte und krampfte sich zusammen und er konnte absolut nichts gegen das Gefühl der Übelkeit tun, welches in ihm aufkommen wollte. “Yami…”, stellte plötzlich eine wohlbekannte, angenehm klingende Stimme fest und ein Schaudern überlief seinen Körper. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Kaiba so schnell hier auftauchen würde, hatte schon fast mit einer Abfuhr oder einer absichtlich in die Länge gezogenen Wartezeit gerechnet. Er blickte auf, in die strahlend blauen Augen über ihm, die einen ungewöhnlichen Kontrast zu den mahagonifarbenen Haaren und der leicht gebräunten Haut bildeten. Ja, irgendwie hatte Kaiba in letzter Zeit mehr Farbe ins Gesicht bekommen und das stand ihm, wie Yami mit einem sehr feuchten Schlucken feststellen musste. “Und, was willst du?”, erkundigte sich Kaiba schroff, ohne jedwede Anwandlung von Höflichkeit. Yami stand ruckartig auf, entschlossen, sein Vorhaben durchzuziehen, straffte die Schultern und zwang sich dazu, seinem Rivalen und mittlerweile heimlichen Liebe, fest in die Augen zu sehen. “Ich möchte dich zu einem Duell herausfordern!”, erklärte er und erkannte ein Funkeln in Kaibas Augen, welches auf ihn überspringen wollte - oder bildete er sich das nur ein? Ja, es war ihm, als suchten dessen Augen bis in sein Innerstes zu dringen, ihn regelrecht zu sondieren. Yami wurde schlecht - auf seltsam angenehme und willkommene Weise. “Ein Duell”, wiederholte Kaiba und schnaubte, so, als habe er etwas anderes erwartet, fuhr sich durch die braunen Haare, auf eine Weise, die Yami äußerst verführerisch erschien und das Kribbeln in seinem Bauch verstärkte. “Ja, ich biete dir eine Wette an. Wir duellieren uns wie immer, aber diesmal setzen wir etwas ein, das wir uns vom anderen wünschen. Der Verlierer muss den Wunsch des Gewinners erfüllen.” Kaibas Augen funkelten. Mit einem Mal schien er wieder Interesse an Yamis Worten zu haben. Es war, als wisse er bereits ganz genau, was er von ihm wollte und als wäre dies die Gelegenheit, es zu bekommen. Seine Lippen umspielte ein schmales, eigentümliches Grinsen, welches Yami eine Gänsehaut bereitete. “Gut, einverstanden”, erklärte er knapp. “Folge mir!”, mit diesen Worten wandte er sich um, führte den Pharao hinunter, in die Tiefen seines Hauses, zwei Stockwerke unter die Erde. Dort verbarg sich eine riesige Duell-Arena, in der sich das Spiel problemlos projizieren ließ. Eines musste man Kaiba lassen, er fackelte nicht lange. “Und?”, verschränkte er die Arme vor der Brust, “Was willst du von mir, falls du gewinnen solltest - nicht, dass das geschehen wird, trotzdem bin ich neugierig.” Yami ließ lächelnd den Kopf sinken, starrte den sandigen Boden an, den Kaiba hier eingerichtet hatte. “Ich möchte”, schloss er kurz die Augen, "dass du mir einfach einmal zuhörst, ich meine, richtig zuhörst und mich nicht unterbrichst, wenn ich dir etwas erzähle. Und außerdem möchte ich etwas, das ich dir jetzt noch nicht verraten kann.” “Ein seltsamer Wunsch. Nun, denn, ich bin einverstanden, da ich sowieso gewinnen werde.” Bildete sich Yami das nur ein, oder wurden Kaibas Augen bei dieser Aussage etwas düster? Zweifelte er gar an sich selbst und sagte dies nur, weil er dies schon immer so gehandhabt hatte, oder weil er sich selbst glauben machen wollte, dass er auf jeden Fall gewinnen würde? Oder steckte etwas anderes dahinter? Yami fragte nicht, was Kaiba sich seinerseits wünschen würde, wollte nur alles daran setzen, zu gewinnen und keinen Gedanken daran verschwenden, er könne verlieren. Ihr Duell begann. Sie spielten es mit einer Leidenschaft wie eh und je, diesmal vielleicht sogar noch intensiver, denn für den Pharao stand etwas so Bedeutendes auf dem Spiel, wie es nie zuvor der Fall gewesen war. Es war kein gewöhnliches Duell - das war es noch nie zwischen den beiden gewesen - sondern viel eher wie eine Leidenschaft, in die sich beide immer mehr hineinsteigerten und je weiter das Spiel fortschritt um so klarer wurde Yami, weshalb er sich in Seto verliebt hatte. Dessen Feuer, der Stolz, die Intelligenz, die ihn auszeichneten, waren einfach einmalig, nicht zu vergessen seine Charakterstärke und sein gutes Aussehen. Irgendwie fühlte sich Yami im tiefsten Inneren von ihm berührt, so als wäre Setos Seele mit seiner verbunden, mit ihr verwandt und er sehnte sich danach, diesen Teil von ihm hervorzuholen, der versteckt war unter der kalten Arroganz und der abweisenden Mauer, die ihn umgab. Yami gewann. Er hatte tatsächlich gewonnen. Kaiba wunderte sich, dass sein Rivale über das ganze Gesicht strahlte. Natürlich konnte er nachvollziehen, dass dieser sich freute, da er gewonnen hatte, aber der Pharao war noch nie jemand gewesen, der seine Gefühle dermaßen überschwänglich gezeigt hatte. Da steckte doch etwas dahinter. Lag dies etwa in Zusammenhang mit der Wette, die er nun einlösen musste? Kaiba blickte ihm misstrauisch entgegen. “Bitte, können wir uns irgendwo hinsetzen?” “Gut”, nickte der mit abweisender Haltung, die Arme auf der Brust verschränkt und wandte sich um, damit Yami ihm folgte. Er führte ihn in das oberste Stockwerk des Hauses, zeigte diesmal sogar ein wenig mehr Höflichkeit, indem er ihm ungefragt etwas zu Trinken hinstellte. Offenbar war dies hier eine Art Wohnzimmer mit angeschlossener Bar. Allerdings musste der Pharao husten, als er einen kleinen Schluck von dem durchsichtigen Getränk nahm. Was war denn das für ein Zeug? Kaiba grinste verhalten und setzte sich an den Tresen. “Und, was wolltest du mir nun so Wichtiges mitteilen?”, erkundigte er sich mit ernster Miene. Er sah so aus, als sei er jederzeit bereit, Yami den Kopf abzubeißen, sollte der nicht etwas Vernünftiges hervorbringen. Er schluckte, setzte sich aber nicht. Jedoch war es gut, dass Kaiba saß, bei dem, was er ihm mitzuteilen hatte… “Nun gut, Kaiba, du weißt ja, dass ich aus dem Jenseits zurückgekehrt bin, obwohl ich dort eigentlich hätte bleiben sollen.” “Ja, ich weiß. Deine kleinen Freunde haben mir von deiner Rückkehr berichtet. Als ob es mich sonderlich interessiert hätte.” Yami zuckte bei diesen harten Worten zusammen. In jenem Moment war ihm auf sonderbare Weise klar, wie Kaiba auf sein Liebesgeständnis reagieren würde. Dennoch konnte er jetzt keinen Rückzieher machen, wollte es auch gar nicht. Selbst wenn Kaiba danach sagen würde, dass er ihn hasste, er konnte jetzt einfach nicht aufhören, nicht bevor er sich alles von der Seele geredet hatte. “Ja, ich bin zurückgekehrt, aber der eigentliche Grund dafür war nicht, dass ich wieder leben wollte - natürlich das auch, aber das war nicht der Hauptgrund. Es geschah auch nicht aus dem Grund, weil ich unbedingt meine Freunde wieder sehen wollte, ich habe mich zwar nach ihnen gesehnt, doch dafür hätte ich nicht…nun, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls, der eigentliche Grund, warum ich zurückgekehrt bin, ist…” “Nun, willst du nicht endlich fortfahren?” Man konnte Kaiba nun doch ansehen, dass er ein wenig interessiert war, was Yami zu sagen hatte, obwohl er oberflächlich betrachtet immer noch genervt aussah, oder auch auszusehen versuchte, um bloß nicht zu viel Interesse seinerseits zu offenbaren. “Ich bin zurückgekehrt, weil…wegen dir, Seto.” Yamis Stimme hatte mit einem Mal einen liebevollen Klang angenommen. Nun wurden Kaibas Augen groß. Ihm stand die Überraschung förmlich ins Gesicht geschrieben. Damit hatte er nicht gerechnet. “W-was? Wieso das denn? Was willst du denn von mir?”, hatte er eine Hand auf den Tisch gestützt, so dass es aussah, als hätte er sich selbst gerade noch davon abgehalten, vom Stuhl aufzuspringen. “I- ich…”, Yami schluckte und fasste plötzlich einen Entschluss. Wenn schon, denn schon! Er machte einen Satz nach vorne, platzierte sich auf dem Schoß des überrumpelten Kaiba und erklärte, ihm tief in die blauen Augen blickend: “Ich liebe dich!” und drückte ihm einen kurzen, aber intensiven Kuss auf, bevor dieser wusste, wie ihm geschah. Eine gute Schrecksekunde genoss es Yami, auf seinem Schoß zu sitzen und dieser eine, kurze Kuss fuhr durch seinen Körper wie ein Blitz, der die Dunkelheit erhellte. Für diesen einen Augenblick, in dem er die Augen schloss, war er glücklich und eine unbeschreibliche Wärme durchflutete ihn. Er überlegte, wie es wohl wäre, würde Seto ihn auch lieben. Kurz darauf fand er sich auf dem Boden wieder, sich das schmerzende Steißbein reibend und das Gesicht verziehend, während Kaiba ihn bedrohlich von oben herab wütend anfunkelte. Für einen Moment fürchtete Yami, er würde sich auf ihn stürzen und verprügeln oder schlimmeres. Er dachte an die Worte Yugis, als er in die vor Abscheu triefenden Augen über sich blickte. Abscheu? Aber, nein, das war kein Abscheu, wie er erkannte, als sich plötzlich ein schmerzlicher Zug über Kaibas Gesicht legte, allerdings war er sich nicht sicher, ob er sich diesen nur eingebildet hatte, da er ihm mit einem Mal den Rücken zuwandte und aufgebracht flüsterte: “Verschwinde!” Als Yami nicht reagierte, wiederholte er seine Forderung, diesmal laut, energisch, so als stünde ein Gewitter vor dem Heranziehen. Einen Moment, einen endlos langen Augenblick war Atemu zu gelähmt, um sich zu rühren, der Schock fuhr ihm förmlich in die Glieder. Zum letzten Mal sammelte er alle seine Kraft und stand zitternd auf. Ihm war plötzlich so kalt, so fürchterlich kalt. Er schlang die Arme um seinen Körper, betrachtete Kaibas vor Wut - so schien es - bebenden Rücken. Irritiert registrierte er, dass sich Tränen über seine Wangen bahnten, schmeckte unerwartet das salzige Nass auf seinen Lippen und wunderte sich darüber, dass er plötzlich weinen musste. So lange war er immer stark und selbstbewusst gewesen, aber jetzt schien sich seine ganze Welt auf den Kopf zu stellen, war nichts mehr sicher. Bald würde er wieder fort sein, im Jenseits, sein neues Leben hier einfach verlieren, seine Freunde…seine Liebe - die nichts von ihm wissen wollte. “Entschuldige”, brachte er mit erstickter Stimme und gesenktem Kopf hervor, bevor er sich ohne ein weiteres Wort umdrehte, um diesen Ort zu verlassen und nie mehr wieder zu kehren. Schweißüberströmt fand sich Yami auf einem grünen Hügel, umgeben von einer Reihe von Nadelbäumen, die düstere Schatten warfen, wieder. Keuchend lag er auf dem feuchten Boden, bemerkte irritiert, dass die Sonne inzwischen untergegangen war und dass vereinzelt Regentropfen über sein Gesicht liefen. Seine Brust hob und senkte sich in einem ungesund schnellen Rhythmus - es kam ihm so vor, als müsse seine Lunge bersten, denn er fühlte einen tiefen Schmerz, der von Überanstrengung herrühren musste und wunderte sich darüber. Wie war er hier her gekommen? Ach ja, er war gelaufen…gerannt, als wäre der Teufel höchst persönlich hinter ihm her. Er konnte sich nicht mehr an den Weg erinnern, den er zurückgelegt hatte. Er wusste auch nicht, wie lange er gerannt, noch hatte er bemerkt, wie die Sonne untergegangen war. Und jetzt lag er hier, auf einem Grashügel und blickte in den düsteren Himmel, an dem der Wind die Wolken mit hoher Geschwindigkeit vor sich her trieb und nur ab und zu den Mond durchblitzen ließ. Nur das ferne Licht von vereinzelten Laternen ließ die Umgebung umrisshaft aus der Dunkelheit hervortreten. Yami kam sich wie auf dem Vorhof des Schattenreiches vor. Yami…wie treffend Yugi diesen Namen für ihn doch gewählt hatte. Wahrscheinlich treffender, als er selbst geahnt hatte. Dunkelheit war sein Name und die Dunkelheit würde er auch niemals wirklich verlassen, egal, was er sich vormachte. Er hatte für einen Augenblick die Süße des Lichts geschmeckt, doch jetzt musste er wieder zurück in das Reich, aus dem er entstanden war. Dunkelheit und Licht passten nun mal nicht zusammen, sie waren ein Gegensatz-Paar. Sie konnten nicht ohne einander, aber auch niemals miteinander. Der Pharao spürte, wie ihm heiße Tränen die Wangen hinunterliefen, während er mit aufgerissenen Augen in den schwarzen Himmel starrte. Die Tränen schienen das Einzige zu sein, was heiß an ihm war. Der Rest war so kalt…so unendlich kalt. Er zitterte, wollte die Arme um seinen Körper schließen, aber…es ging nicht. Er war wie gelähmt. Er war…tot. Ja, das war es. Er war tot und dürfte eigentlich gar nicht leben und das machte ihm sein Schicksal nun unmissverständlich klar. “Es gibt kein Schicksal! Du allein bestimmst, was aus dir wird! Und du allein bist auch schuld, dass du nun am Boden liegst. Steh auf, Pharao, denn diese Rolle steht dir nicht! Oder willst du jämmerlich vor deinen Feinden auf dem Boden kriechen?”, ertönte plötzlich eine bekannte Stimme, die Atemu Schauder über den Rücken trieb. “Aber es ist egal, ich will nicht mehr und ich kann nicht mehr, es ist alles so sinnlos geworden. Vielleicht hast du Recht, vielleicht hast du für dich den richtigen Weg gefunden, doch ich habe meinen verloren. Ich wusste immer genau, wo ich hinwollte und was mein Schicksal mir bestimmte. Aber jetzt, wo mir mein Schicksal genommen wurde, weiß ich nicht mehr weiter. Ich dachte, du könntest mir meinen Weg zeigen, aber du hast mich zurückgewiesen.”, flüsterte der Pharao mit gebrochener Stimme vor sich her. Ja, es stimmte, jeder hatte ihm stets gesagt, was er zu tun hatte und was seine Bestimmung war, doch jetzt war niemand mehr da, jetzt war er frei…und leer. Welch Ironie! Endlich hatte er seine Freiheit und jetzt wusste er nichts damit anzufangen! Er lächelte verzweifelt und wünschte, Seto wäre wirklich hier. Für ihn würde er noch mal aufstehen, nicht mehr auf dem Boden kriechen… Doch dieser hatte deutlich genug gezeigt, was er von ihm hielt. Für kurze Zeit - Atemu hatte keine Ahnung wie lange - musste er weggedämmert sein. Inzwischen war der Regen stärker geworden, lief in Bächlein an seiner Kleidung hinab und darunter hindurch, brachte ihn dazu, stärker zu zittern und ließ eine Kälte in seinem Inneren zurück, die er nie für möglich gehalten hätte. Diese Kälte war so tief, so betäubend, als würde das Leben selbst aus ihm hinaus gesogen. Mit einem Mal wusste er, bliebe er weiter hier liegen, würde er sterben. Er ballte die Hände zu Fäusten und merkte, dass selbst dies ihm unglaublich schwer fiel. Er war so weit weg… Ein formloser Geist, ein dunkles, rauchartiges Etwas schwebte vor ihm, neben ihm, schlug Wellen, hinterließ ein Kribbeln auf seiner Haut. “Und, Pharao? Bereit zu gehen?”, wisperte ihm eine vertraute Gestalt zu. “Aber nein, so geht das nicht. Deine Seele ist so geschwächt…Was soll ich damit? Dein Fall soll niederschmetternd sein…Er soll plötzlich kommen, wenn du schon gar nicht mehr daran denkst, dann, wenn du am glücklichsten…und am stärksten bist.” Die Stimme schien wie aus weiter Ferne zu kommen und gelegentlich fast auszusetzen. “Ich will deine Macht, wenn du… Deshalb gebe ich dir jetzt noch Lebenskraft. Ich halte mich an meinen Pakt.” Ein kurzes, fernes Lachen erklang. “Du weißt, du hast sechs Monate. Um genau zu sein, sind es ja nur noch fünf Monate und ein paar Tage. So viel Zeit schon verschwendet…” Das Lachen klang spöttisch, verlor sich in der Ferne. Die gespenstische Gestalt verschwamm, machte einem fernen Licht platz, welches ihn zu sich holen wollte. “Nein, nicht, ich wollte doch noch… Seto! Aibou!” Kapitel 4: Gefangen im Fieberwahn --------------------------------- Der Sinn ist nichts Nur Leben. Ist das wirklich alles? Wofür leben wir? Schweißüberströmt und mit pochenden Kopfschmerzen wachte Yami am nächsten Morgen in einer flauschigen Wärme auf, die ihm unglaublich erschien, unglaublich, weil er fest überzeugt gewesen war, so etwas nie wieder zu spüren. Dabei handelte es sich um ein einfaches Bett und ebenso einfache Kissen, in die er eingekuschelt war. Aber es gehörte zum Leben, zu einem Leben, von welchem er geglaubt hatte, dass er es schon verloren hatte. Und jetzt lag er ganz einfach hier in diesem Bett, im Zimmer seines Aibous und die Sonne schien durchs Fenster und… Wieso war er letzte Nacht nicht gestorben? Er hätte schwören können, er wäre es. Wie war er überhaupt hier her gekommen? Fiebriger Schwindel erfasste den Pharao und er beschloss, den Kopf in das Kissen zurückfallen lassend, sich später Gedanken über diese Fragen zu machen. Nun wurde die eben noch verspürte Wärme von einem Gefühl unglaublicher Kälte verdrängt und er zog die Bettdecke enger um sich. Der Schweiß auf seiner Haut fühlte sich eiskalt an und ein unkontrollierbares Zittern überfiel ihn. Verkrampft lag er da, während eine Ewigkeit zu vergehen schien, in der er immer wieder von fiebrigen Träumen überfallen wurde, die von Seto und der Schattenkreatur handelten. Panisch warf er sich hin und her, kamen ihm diese Träume in seinem Zustand doch nur allzu real vor. Irgendwann jedoch wachte er wieder auf, doch das Gefühl der Angst saß ihm noch im Nacken und er meinte, der einzige Mensch auf der Welt zu sein, in diesem kleinen Dachzimmer. Er fühlte sich so miserabel, dass er sich fragte, ob er schon jetzt sterben müsse. Aber eigentlich war das ja egal. Immerhin hatte er sowieso nur noch fünf Monate und Kaiba hasste ihn auch noch. “Seto”, nuschelte er in die Bettdecke und tröstete sich mit der Wunschvorstellung, dieser wäre hier, würde ihn umarmen und seine Wärme schenken, anstelle der Decke, in die er sich gekuschelt hatte. Wie konnte ein Mensch sich nur so einsam fühlen? Und wo war Yugi? War er ihm vielleicht etwas zugestoßen, dass er die ganze Zeit nicht auftauchte? Wie war er überhaupt hier her gekommen? Irgendwann, nach Stunden, in denen er sich zu erholen und in Geduld zu fassen suchte, hielt er es nicht mehr aus und beschloss, trotzdem, dass er sich immer noch miserabel fühlte, aufzustehen und nachzusehen, ob überhaupt noch ein Mensch da draußen existierte und vor allem, was aus Yugi geworden war. Quälend langsam stieg er aus dem Bett, da er erstmal inne halten musste, damit ihn der Schwindel nicht gleich wieder umwarf. Sein Körper fühlte sich unglaublich heiß an und er merkte erst jetzt, dass er einen Schlafanzug von Yugi trug. Sollte er sich erst etwas anziehen, oder gleich so hinunter gehen? Der Gedanke, sich umzuziehen, schien ihm auf einmal so viel Kraft zu kosten, als hätte er vor, einen Marathon zu laufen. Aber andererseits war es so furchtbar kalt… Yami schloss einen Kompromiss, indem er sich an Yugis Bademantel erinnerte, welchen er sich schnappte und überwarf. Jetzt war es wenigstens nicht mehr so eiskalt, wenn er auch immer noch zitterte. Auf Zehenspitzen, als könne jedes laute Geräusch schlafende Gespenster wecken, schlich er sich aus dem Zimmer und hinunter ins Erdgeschoss. Er tappte die Treppe hinunter und bemerkte, dass er sich doch besser erst auf die Suche nach Hausschuhen gemacht hätte. Zudem schien die Decke über ihm zu kreisen. Offenbar geht es mir doch schlechter, als ich dachte, bemerkte er. Außerdem kroch wieder diese Angst in ihm hoch, als könne ihn aus jeder Ecke heraus ein Gespenst anspringen…wahrscheinlich entsprach dieses Gefühl in seinem Fall sogar der Wirklichkeit. Unheimlich, dass einem so ein kurzer Weg auf einmal so unendlich lang vorkommen konnte, wenn man nur krank genug war. Das Haus schien so verlassen. Im Wohnzimmer und auch in der Küche war niemand und Yami kam sich schon völlig verlassen vor, als er sich daran erinnerte - das Denken fiel unglaublich schwer - dass Yugis Großvater sich wahrscheinlich im Spieleladen aufhielt. Erleichtert atmete er auf, als er diesen erreichte und tatsächlich den alten Mann entdeckte, der sich gerade um seine Kundschaft kümmerte. Beinahe wäre er vor lauter Erleichterung hingefallen, weil ihn mit einem Mal alle restlichen Kräfte zu entschwinden schienen. Gerade noch konnte er sich an einer alten Holzdiele festhalten und wartete geduldig, bis die Leute den Laden verlassen hatten und Großvater Mûto endlich alleine war. “W-wo ist Yugi?”, krächzte er und erschrak über den Klang seiner Stimme. Überrascht drehte sich der alte Mann herum und rief: “Ach, du meine Güte, Pharao! Warum läufst du denn hier herum? Du musst unbedingt im Bett bleiben, bei deinem Zustand! Ich wollte schon vorhin nach dir sehen, aber dann ist mir noch etwas dazwischen gekommen.” “Danke, aber ich…”, stockte Yami. “Es geht schon”, brachte er entgegen der offensichtlichen Tatsachen hervor, “ich wollte nur wissen, wo Yugi ist.” “Oh, der ist noch in der Schule, aber er müsste bald wieder da sein.” “Oh”, bemerkte Yami. Natürlich, die Schule, die hatte er ja vollkommen vergessen. Natürlich musste Yugi zur Schule gehen. Offenbar setzte diese Krankheit seinem Denkvermögen doch mehr zu, als er gedacht hatte. Schwerfällig ließ er sich auf einem Holzhocker nieder, der in einer Ecke hinter dem Tresen des Spieleladens stand. Er kam sich wie auf einem Schiff in stürmischer See vor und obwohl er wusste, dass er festen Boden unter den Füßen hatte, wollte das Gefühl nicht weichen. Großvater Mûto wuselte richtig besorgt um ihn herum, bestand darauf, dass er sich auf die Couch im Wohnzimmer legte und bereitete ihm einen Tee zu. Anschließend kam er herbei, um seine Temperatur zu messen. “Zum Glück niedriger als vorgestern, aber immer noch viel zu hoch”, kommentierte er. “Vorgestern?”, wandte Atemu überrascht seinen Kopf auf dem Polster zur Seite. “Ich dachte… War es nicht gestern erst, dass ich…” “Das du wie ein kleiner, dummer Junge durch den strömenden Regen gerannt bist, bei der Kälte, mitten in der Nacht und dir eine schlimme Grippe zugezogen hast?” Atemu erwiderte nichts. Was hätte er auch sagen sollen? Das er dies aus Liebeskummer getan hatte, weil er in Kaiba verliebt war? Das er sowieso bald sterben und wieder im Totenreich sein würde? “Tut mir leid. Aber was ist eigentlich passiert? Wie bin ich hier her gekommen?” “Ein Passant hat dich zufällig gefunden, im Stadtpark. Du lagst wohl ohnmächtig auf einer Wiese herum. Man brachte dich ins Krankenhaus, wusste zunächst nicht, wer du warst, doch dann fiel jemandem deine Ähnlichkeit zu Yugi auf, der dort bekannt ist, weil er mich öfter besucht hat, als ich wegen meines Herzproblems im Krankenhaus war. Da lag der Gedanke nicht mehr fern, dass du etwas mit uns zu tun hattest und so bekamen wir vor drei Tagen - das war der Tag nach deinem Zusammenbruch - einen Anruf, in dem man uns informierte. Wir haben dich natürlich so schnell wie möglich abgeholt und zu uns gebracht. Mein armer Enkel war ganz außer sich vor Sorge und hat die ganze Zeit an deinem Bett gewacht. Erst heute morgen konnte ich ihn dazu bringen, doch wieder zur Schule zu gehen. Du hast uns ganz schön auf Trab gehalten.” “Tut mir leid”, meinte Yami verlegen. “Und es ist wirklich vier Tage her, dass ich…?” “So ist es. Du warst die meiste Zeit weggetreten, in Fieberträumen und nur gelegentlich wach. Aber selbst dann wohl nicht wirklich bei dir, da du dich ja nicht erinnern kannst. Jedenfalls befürchtete Yugi schon, du würdest sterben und ich musste ihm immer wieder versichern, dass das nicht geschehen würde, weil man wohl sonst kaum erlaubt hätte, dich aus dem Krankenhaus zu entlassen.” “Das tut mir leid”, wiederholte Yami. Er hatte nicht gewollt, dass man sich so viele Sorgen um ihn machte. Wie sollte er Yugi und seinem Großvater, sowie seinen Freunden nur klar machen, dass er sowieso bald sterben würde? Sollte er es ihnen überhaupt sagen, oder erst mit der Tatsache konfrontieren, wenn es soweit war? “Nun entschuldige dich nicht die ganze Zeit!”, fuhr ihn Herr Mûto an. “Nur eines solltest du tun, nämlich darüber sprechen, wenn du irgendwelche Probleme hast. Denn vor Problemen kann man nie wirklich weglaufen. Sie holen einen immer wieder ein, egal wohin man geht. Manche bleiben sogar immer in deinem Herzen. Das einzige, was da hilft, ist darüber zu reden. Und wer weiß, vielleicht kann dir sogar jemand helfen”, schmunzelte der Großvater nun freundlich. “Wie kommen Sie darauf, dass ich so große Probleme habe? Benehme ich mich wirklich so auffällig?”, erkundigte sich Yami peinlich berührt und seine Nasenspitze wurde etwas rot. “Hm”, nickte der ältere Herr etwas amüsiert. “Geht es etwa um ein Mädchen?”, zwinkerte er. Entsetzt guckte Yami ihn an. War er wirklich sooo durchschaubar, dass man sofort merkte, dass er Liebeskummer hatte? Zwar ging es nicht um ein Mädchen, aber ansonsten lag Yugis Großvater doch verdammt richtig. “Ähm, nein”, murmelte er ausweichend. Er musste die Sache mit Seto ja nicht unbedingt Herrn Mûto auf die Nase binden oder die Tatsache, dass er bald sterben würde. “Sie haben wohl Recht, aber ich kann jetzt noch nicht darüber reden. Später vielleicht”, erschöpft schloss er die Augen. “Natürlich, du musst dich erst erholen. Du bist noch ziemlich krank”, musterte er den Jungen, der direkt nach seinen Worten auf der Couch eingeschlafen war und so zierlich und zerbrechlich wirkte, als wäre er kein dreitausend Jahre alter Pharao, sondern nur ein kleiner, verletzlicher Junge, der besonderen Schutzes bedurfte. Warum war dieser Pharao nur immer so in sich gekehrt? Warum wollte er alle Probleme unbedingt allein lösen? Sollte er nicht durch Yugi gelernt haben, dass er seinen Freunden vertrauen konnte und das Leid miteinander zu teilen vieles leichter machte? Anscheinend gingen dreitausend Jahre Dunkelheit doch nicht so spurlos an einem vorüber. Am späten Nachmittag erwachte Yami wieder aus seinem fiebrigen Traum und rekelte sich etwas auf der etwas unbequemen Couch. “Endlich bist du wach!”, rief ihm eine erleichterte Stimme entgegen und zwei leuchtende Augen tauchten über ihm auf. “Yugi”, lächelte Yami erfreut. “Schön das du da bist. Wie geht es dir?” “He! Das wollte ich gerade dich fragen, du Schwerkranker”, zog Yugi ihn auf. “Aber mal im Ernst, ich habe mir unheimliche Sorgen gemacht. Ich dachte schon, du würdest sterben und uns wieder verlassen”, ein trauriger Ausdruck legte sich über die großen violetten Augen. “Ach was, Unkraut vergeht nicht, wie Jonouchi immer so schön sagt”, erklärte Yami spontan und erkannte im nächsten Moment schuldbewusst, dass er Yugi etwas vormachte. Nicht mehr lange und er würde wieder im Totenreich landen. Vielleicht sollte er sich schon mal ein Grab auf dem Friedhof aussuchen… “Es geht mir auch schon wieder viel besser”, das stimmte tatsächlich. Yami verspürte sogar schon wieder Hunger, obwohl er noch vor ein paar Stunden vermeinte, nie wieder etwas herunterzubringen. Als hätte sein Aibou es geahnt, verkündete er, dass er ihm zusammen mit seinem Großvater etwas Gesundes zum Essen machen wolle. “Danke”, lächelte Yami ehrlich erfreut. Nach dem Essen schloss er erschöpft die Augen und merkte nicht, wie Yugi ihm einen kritischen Blick zu warf. Kapitel 5: Begegnung auf dem Friedhof ------------------------------------- Eine stumme Melodie erklingt Sie ist ruhig, sie ist sanft Sie will dir Liebe zeigen Sie ist so schön. Aber du verstehst nicht. Was, wenn ich nicht versteh’? Einige Tage später - Yami hatte sich inzwischen von seiner Grippe erholt - fand er sich tatsächlich auf dem Friedhof ein und kam sich schon ein wenig wie der Grabräuber Bakura vor. Nur das er kein Grab ausrauben wollte, sondern einfach nachdenken. Zugegeben, ein etwas ungewöhnlicher Ort um die Gedanken schweifen zu lassen, aber… Er musste daran denken, dass er in ein paar Monaten wahrscheinlich auch hier liegen würde. Aber war das so schlimm? Ohne Seto schien ihm das Leben sowieso nur fad und einsam. Der einzige, der seinen Tag etwas erhellte, war sein Aibou. Es schmerzte einfach zu sehr, am Leben zu sein, so dumm sich das auch anhörte. Yami hätte nie gedacht, dass es mal so weit kommen würde, dass er so sehr an einem Menschen hinge, dass ihm sein Dasein einfach wertlos erschien, wenn dieser nicht bei ihm war. Aber während seiner Abenteuer mit Seto hatte er erst gemerkt, was es wirklich bedeutete zu leben. Immer, wenn dieser ihm eines seiner seltenen Lächeln geschenkt hatte, war es so gewesen, als ob er für einen Augenblick erfahren hätte, was es hieß, wahres Glück zu empfinden, nur um danach in ein tiefes Loch voller Sehnsüchte zu fallen. Außerdem kam er sich in dieser Zeit wie ein Relikt vor, das nicht hier her gehörte. Trotzdem, dass er schon eine ganze Weile in dieser Welt weilte, war ihm alles noch so fremd. Er vermisste seine Heimat Ägypten und die Kultur. Das einzige, was er nicht vermisste, war sein Dasein als Pharao. Yami hatte absichtlich die späten Abendstunden gewählt, um auf den Friedhof zu gehen, damit er völlig allein war und von niemandem gestört wurde. Da bereits geschlossen gewesen war, hatte er sogar über das große Eisentor klettern müssen. Fahles Licht schien von einigen Laternen her über das Gelände und warf tiefe, dunkle Schatten über die Gräber, machte den wallenden Nebel sichtbar, der bei diesem kühlen, feuchten Wetter heraufzog. Die Büsche und Bäumen bewegten sich im Wind und schufen auf diese Weise unheimlich wirkende Bewegungen in der Düsternis - genau der richtige Ort, um ungestört seinen Gedanken nachzuhängen. Der Pharao fragte sich, ob er nicht im Jenseits doch besser aufgehoben gewesen wäre. Vielleicht hätte er nie hierher kommen sollen, nie auf den Pakt eingehen dürfen. Wenn er diesmal sterben würde, wäre der Preis nicht nur sein Leben, sondern auch seine Seele. Und er hätte keine Chance mehr, sie zu befreien, wie Yugi sie damals aus dem Puzzle befreit hatte. Die Dunkelheit hätte ihn wieder und diesmal endgültig. Yami zuckte zusammen, als plötzlich etwas an seinem Gürtel vibrierte und eine Melodie erklang. So unerwartet aus seiner Ruhe gerissen und mit diesem Handy, welches Yugi ihm gegeben hatte und an das er sich noch nicht gewöhnt hatte, hier, zusammen mit dieser Atmosphäre auf dem Friedhof, hatte er sich ganz schön erschrocken. Ob Yugi sich wieder Sorgen machte und ihn zu erreichen versuchte? Zögernd öffnete er die Klappe des Displays, da er eigentlich nicht gestört werden wollte. Die Nummer, welche darauf erschien, war jedoch nicht Yugis, sondern eine ihm unbekannte. Missmutig nahm er ab und rief ein etwas genervtes “Hallo?” in den Hörer. Stille. “Hallo? Ist da jemand dran?”, wiederholte er drängender. Sollte dieser jemand doch einen anderen nerven, wenn er nicht schnell zum Punkt kam. Ein tiefes Durchatmen war zu vernehmen und dann: “Wo bist du Ex-Pharao?”, erkundigte sich eine unterdrückt zitternde Stimme, die schien, als wolle der Anrufer jeden Moment die Nerven verlieren und platzen vor…Wut? Hysterie? Yami kannte die Stimme und sie ließ Schauder gleich Eis über seinen Rücken laufen. “Kaiba, bist du das?”, erwiderte er überrascht. Als Antwort erhielt er nur ein abfälliges Schnauben, als hielte es der Anrufer nicht für wert, ihm seinen Namen zu nennen. “Wer sonst? Also, wo steckst du?” “Wieso willst du das wissen?”, erkundigte sich Yami, misstrauisch über den merkwürdigen Anruf. Wollte Kaiba ihn nun treffen, um ihn zu töten, damit er sich gleich auf den Friedhof legen konnte? Trotzdem schlug sein Herz ziemlich heftig in der Brust, so als müsse er sich über diesen Anruf freuen. “Weil ich dich sehen will, jetzt.” Yami rann erneut ein Schauder über den Rücken, auch wenn die Stimme nach wie vor nicht klang, als wolle Kaiba ihn treffen, um ihm ein Liebesgeständnis zu machen, eher im Gegenteil. “Ich bin…auf dem Friedhof. Auf dem Friedhof von Domino”, antwortete Yami schließlich. Er vernahm ein tiefes Durchatmen, so als könne Kaiba sich nur schwerlich beherrschen und stünde kurz vor einem Vulkanausbruch. “Nein, ich will gar nicht erst wissen, was du auf dem Friedhof suchst. Bleib da, ich komme dort hin. Und wehe, du bist nicht mehr da, wenn ich ankomme!” Ehe er noch etwas erwidern konnte, vernahm Yami ein mechanisches Tuten aus dem Hörer. Was Kaiba wohl von ihm wollte? Nervös auf einem Grabstein sitzend, drehte er seine Daumen umeinander und versuchte mit seinen rötlichen Augen, die im Mondschein an die eines Vampirs erinnerten, das Dämmerlicht zu durchdringen, starrte regungslos vor sich hin, so als müsse jede Bewegung bestraft werden. Gespannt wie ein Bogen saß er auf seiner ungewöhnlichen Sitzgelegenheit und verkrampfte die Beine über dem Stein. Nach einer scheinbaren Ewigkeit vernahm er stapfende Schritte hinter sich und wandte sich, vorsichtig die Glieder entkrampfend, um, ehe er vom Stein sprang. Die Hände steckte er in die Hosentaschen und blickte mit verkniffenem Gesicht zu der sich nähernden Gestalt hinüber, die unzweifelhaft die von Seto Kaiba war. Yami hätte sie wahrscheinlich unter Millionen erkannt. “Kaiba”, war alles, was er zur Begrüßung hervorbrachte. Irgendwie kam es ihm so vor, als hätte sein letztes Stündlein geschlagen. “Anderer Yugi”, erwiderte sein Gegenüber ebenso knapp, als hätten sie sich hier zum Duell eingefunden - zu einem richtigen Duell mit Degen - und nicht zu einem, ja was? Was wollte Kaiba eigentlich? Irgendwie wirkte es erniedrigend, dass er ihn immer noch mit “anderer Yugi” ansprach, statt mit seinem Namen, oder auch mit “Yami”. Die blauen Augen Kaibas wirkten im Dämmerlicht ungewöhnlich dunkel und schienen Blitze in seine Richtung zu verschießen. Ganz ruhig, wie eine Statue, stand er da, während Yami auf die Erklärung wartete, warum er ihn hatte treffen wollen. Die Bewegung kam so überraschend, dass er überhaupt nicht reagieren konnte, als Kaiba wie ein Blitz vorschoss und ihn gegen den großen, kalten Grabstein hinter sich nagelte. Er keuchte auf vor Schmerz und Überraschung, während ihm der Kragen um die Kehle zugezogen wurde und er in die Feuer spuckenden Augen über sich blickte. “Du!”, keuchte Kaiba vor kaum unterdrückter Wut. “Du, was treibst du für ein krankes Spiel mit mir, hm?” Er schüttelte ihn, schrammte ihn weiter gegen den Stein. “Was? Wovon sprichst du?”, zitterte Yami unter seinem Griff. Was sollte das Ganze? “Du weißt genau, wovon ich spreche”, zischte Kaiba ihm entgegen und warf ihn mit einem Ruck zu Boden, wo der Pharao sich sein schmerzendes Gesäß rieb und aufblickte, als ein Schatten über ihn fiel. “Ich meine diese linke Tour, dass du plötzlich behauptest, du würdest mich lieben und mich küsst.” “Was? Aber… Wie meinst du das? I-ich habe das ernst gemeint.” “Aber natürlich!”, lachte Kaiba spöttisch auf und verschränkte die Arme vor der Brust. “Und ich bin das Rotkäppchen. Also, sag mir schon, was du eigentlich damit bezweckst!”, zischte er. Yami schwieg mit traurigem Blick. Weshalb glaubte ihm Kaiba nicht? Und weshalb behandelte er ihn wie ein Stück Dreck? Langsam stand er wieder auf, hielt dem wütenden Blick stand, der ihm entgegen geworfen wurde, stellte sich vor den Mann hin, den er aus tiefstem Herzen liebte, auch wenn er sich im Moment selbst nicht erklären konnte, weshalb sein Herz so dumm war, jemanden zu lieben, der ihn hasste. “Ich liebe dich”, wiederholte er mit einer solchen Eindringlichkeit, dass Kaiba wie unter einem Schlag zusammenzuckte. Irritiert blickte er ihn an. Sollte er das wirklich ernst gemeint haben? Nein, das konnte nicht sein! “Ja, ja, versuch das doch, deinem Großvater zu erzählen, aber nicht mir!”, schnaubte er, sichtlich aus dem Konzept gebracht. Jedenfalls war seine Wut verraucht und er schien nur noch verwirrt, wandte sich fast unsicher von Yami ab und stapfte unvermittelt davon. “Und komm mir bloß nie wieder zu nahe!”, rief er noch über die Schulter, bevor er gänzlich verschwand. Yami ließ sich seufzend wieder auf den Boden fallen und krallte die Hände in den feuchten Boden, verkrampfte seine Finger um ein paar Büschel Gras und Unkraut. Er war verwirrter als je zuvor. Was hatte das bloß zu bedeuten? Irgendetwas an Kaibas Ausbruch irritierte Yami. Irgendwie war da mehr als nur Wut und der Glaube, er würde ihm nur etwas vormachen, gewesen. Seltsam. Es war spät, als Yami wieder nach Hause zu den Mûtos kam und sich an den leeren Küchentisch sinken ließ. Zu sagen, dass er vollkommen durcheinander war, wäre weit untertrieben gewesen. Zu müde und unter dem Druck des eben geschehenen Ereignisses, war er nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen und starrte nur blicklos auf die Holzoberfläche des Tisches. Irgendwann kam Yugi die Treppe aus seinem Zimmer hinunter und entdeckte ihn so. “Yami, hey, Yami, was ist los? Wo warst du überhaupt so lange? Du siehst total überfahren aus”, setzte er sich ihm gegenüber. “Ach, Yugi”, wachte der Pharao seufzend aus seiner Trance auf. “Liebeskummer ist echt die Hölle, weißt du das? Und Seto Kaiba ein totales Rätsel.” “Aber Rätsel sind doch deine Spezialität”, schmunzelte Yugi. “Ach, meinst du, ich habe mich deshalb in ihn verliebt?”, blickte Yami verknittert wirkend unter seinen zerzausten Haaren hervor. “Wer weiß?” Nun, sein Aibou schien sich ja köstlich über seinen Liebeskummer zu amüsieren. “Aber etwas Positives hat die Sache doch: Nachdem du ihm deine Liebe gestanden und er dich zurückgewiesen hat, weißt du wenigstens woran du bist und hast die Möglichkeit die Sache abzuhaken und neu anzufangen. Komm schon Yami, jemand wie Seto Kaiba, der dich einfach eiskalt abblitzen lässt, ist deiner Liebe gar nicht wert. Und jetzt wo du die Chance auf ein neues Leben bei uns bekommen hast, hast du auch die Möglichkeit, noch mal vollkommen von vorne anzufangen und alles hinter dir zu lassen.” “Aber nicht Seto”, grummelte Yami. “Ihn will ich nicht hinter mir lassen. Nun, wahrscheinlich hast du Recht und es wäre das beste. Was du sagst hört sich so einfach an, doch das ist es nicht. Es tut so weh, als würde mir jemand das Herz rausreißen. Wenn du dich erstmal so sehr verliebt hast, dann wirst du verstehen, was ich meine”, legte er den Kopf auf seinen verschränkten Armen ab und schloss müde die Augen. Ob er diese Nacht würde schlafen können, wäre allerdings eine andere Frage. “Ach, Atemu. Du hast ja Recht, ich kann nicht nachvollziehen, was du durchmachst und bin wohl schlecht geeignet, dir Ratschläge zu erteilen, aber…” “Ich weiß, du willst mir nur helfen und dafür bin ich auch sehr dankbar. Danke, Aibou, dass es dich gibt”, nuschelte Yami unter seinem Ärmel hervor. “Gern geschehen. Gut, ich… lass dich dann mal mit deinem Küchentisch alleine”, erklärte Yugi und ging wieder hinauf in sein Zimmer. Kapitel 6: Ich will jetzt untergeh' n ------------------------------------- Leben, das ist. . . “Ich denke, also bin ich?” Nein, ich bin, also denke ich. Denken muss ich immerzu Das Nichts ruft mich, Aber es will leben. Ich will im Nichts leben. Aber im Nichts gibt es kein Leben Es waren einige Wochen vergangen seit dem Erlebnis auf dem Friedhof. Yami dachte schweren Herzens daran, dass ihm nur noch knapp vier Monate auf dieser Welt blieben, bis er seine Seele würde hergeben müssen. Mittlerweile war ihm dies aber fast egal geworden, denn er merkte immer mehr, dass er nicht hier her gehörte. Er wusste nicht, was er in dieser modernen Welt mit seiner fremden Kultur sollte - auch wenn er vieles von Yugi gelernt hatte, besonders, als sie sich noch einen Körper und praktisch jeden Gedanken geteilt hatten - dies war einfach nicht seine Welt. Außerdem erschien ihm alles so sinnlos. Er hatte einfach keine Lust, etwas Neues anzufangen. Wozu auch? Es würde sowieso bald enden. Und Seto? Den hatte er seitdem auch nicht mehr zu Gesicht bekommen und es tat einfach nur weh. So kam es, dass Atemu sich furchtbar zu langweilen begann, aber trotzdem keine Lust hatte, irgendetwas zu tun, weil doch alles keinen Sinn mehr machte und ihm einfach alles egal war. Das Problem dabei war nur, dass er so noch mehr von seinem Liebeskummer überwältigt wurde und an fast nichts anderes mehr denken konnte. Seine Freunde versuchten alles mögliche, um ihn aufzuheitern, jedoch scheiterten diese Versuche kläglich, da Atemu sie kaum wahrnahm. Immer mehr hockte er einfach nur in Yugis Zimmer herum oder verkroch sich irgendwo draußen, weitab von anderen Menschen, um nicht mehr deren Nähe ertragen zu müssen. Aber eines bemerkte er doch: nämlich, dass er seinen Aibou mit seinem Verhalten total unglücklich machte und auch seine Freunde waren viel zu besorgt um ihn. Das konnte so nicht weiter gehen. Um ihretwillen musste er etwas tun, auch wenn es ohnehin nur noch vier Monate waren, die er hier auf Erden weilen würde. Sollte er ihnen etwas vorspielen? So tun, als wäre er glücklich? Atemu wusste genau, dass er das nicht können würde. Er war ein miserabler Schauspieler und erst Recht in seinem Zustand. Aber es gab noch einen anderen Grund, weshalb er sich schließlich dafür entschloss, genau das zu machen, was er dann auch tat, wahrscheinlich der eigentliche Grund. Und das war der Schmerz, der Schmerz in seinem Herzen, der so groß war, dass er ihn nicht mal mehr vier Monate, die ihm nun unendlich lang erschienen, ertragen konnte. Er wusste auch schon ganz genau, was er tun würde. Es wäre nicht gut, aber…im Moment war ihm das egal. Hauptsache, er würde…nicht mehr diesen Schmerz fühlen. Yugi saß gerade im Wohnzimmer und blätterte etwas gelangweilt in einer Zeitung herum, während nebenher noch der Fernseher lief. Er blickte erst auf, als er fühlte, wie ein Gewicht neben ihm die Couch ausbeulte. “Yami!”, rief er überrascht, dass dieser mal von selbst seine Nähe suchte. Bisher hatte er immer nur für sich allein sein wollen und niemanden an sich heran gelassen. “Ist etwas passiert? Du siehst besser aus”, stellte er fest. “Ja”, erwiderte dieser. “Es geht mir tatsächlich besser”, verschränkte er die Arme hinter dem Kopf. “Es ging einfach nicht so weiter. Nicht nur mir selbst habe ich wehgetan, sondern auch dir und unseren Freunden. Deshalb habe ich…vielleicht war das dumm, aber ich dachte mir, es wäre das beste.” “Yami, wovon sprichst du eigentlich?” “Wovon ich spreche? Weißt du, Liebeskummer kann ganz schön wehtun und manchmal wünscht man sich sogar den Tod, weil das einfach alles leichter machen würde, weil man so dem Schmerz entfliehen könnte.” “Yami! Jetzt rede doch nicht so, du machst mir ja Angst!” “Keine Sorge, gerade das wollte ich eben nicht und deswegen habe ich… Nun, um es kurz zu machen, es gibt da einen Zaubertrank, mit dem man Gefühle unterdrücken kann. Diesen habe ich zubereitet und genommen. Und jetzt fühle ich mich schon viel besser, fast wie neu geboren, denn ich habe keinen Liebeskummer mehr und es geht mir einfach…gut”, lächelte er, aber dieses Lächeln wirkte irgendwie schal. “Sag mir, dass das nur ein Scherz ist. Oder ein Traum!”, rief Yugi entsetzt. “Aber, nein! Was hast du denn? Freust du dich denn nicht, dass es deinem Aibou wieder gut geht?” “Aber das ist doch… Sag mal, ist das dein Ernst? Wie kannst du denn einfach durch einen Zauber deine Gefühle unterdrücken? Das ist doch…krank!” “Nicht so krank, wie die Qual, die ich vorher durchlitten habe, glaub mir. Es ist eine Erleichterung. Sieh es einfach als eine Art Medizin gegen Liebeskummer. Weißt du, ich fühle jetzt wirklich gar nichts mehr für Kaiba. Ich frage mich inzwischen sogar schon, wie ich mich jemals in ihn verlieben konnte, ich Idiot, ha!”, fuhr er sich durch die Haare. “Der Typ ist doch nur ein arrogantes Arsch.” “Aber Yami! Das kann doch nicht wahr sein! Kein Zauber kann Gefühle einfach vernichten! Komm wieder zu dir!”, fasste er ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. “Nein, da hast du wohl Recht. Aber unterdrücken kann der Zauber meine Gefühle sehr gut. Deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Im Grunde verstärke ich nur einen natürlichen Effekt, denn der Mensch unterdrückt sowieso die Gefühle, die er nicht ertragen kann von selbst. So ist die Wirkung nur schneller und stärker, das ist alles.” “Aber, kann das denn gesund sein?”, erkundigte sich Yugi besorgt. “Ich weiß nicht. Aber es ist auch egal. Alles ist besser, als dieser schreckliche zerstörerische Liebeskummer. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, mein Aibou. Mir geht es wirklich besser, glaub mir”, mit diesen Worten nahm er ihn kurz in den Arm. Doch Yugi sollte Recht behalten. Irgendetwas stimmte nicht. Es fing damit an, dass Yamis Lustlosigkeit noch größer wurde, als zu der Zeit, bevor er den Zaubertrank zu sich genommen hatte. Alles erschien ihm nur noch grau in grau und war ihm vollkommen egal. Je mehr Tage vergingen, desto schlimmer wurde es. Der Himmel verlor seine Farbe, das Essen seinen Geschmack und die Musik ihre Melodie. Eines Tages kam es sogar soweit, dass Yami nur noch im Bett herumlag und nicht mehr aufstehen wollte. “Atemu, was ist denn mit dir?”, erkundigte sich Yugi besorgt, wieder einmal. Doch diesmal würde er sich nicht wieder von seinem Seelenpartner abspeisen lassen, wie die vielen Male zuvor. Denn diesmal war es wirklich extrem, was der Pharao da betrieb. Er hätte ebenso gut tot sein können, so seelenlos wie er dalag. Yugi schüttelte ihn. Endlich blinzelte Yami und schien aus seiner Trance zu erwachen. Geschlafen hatte er nicht, denn seine Augen waren geöffnet gewesen, doch so leer und ausdruckslos. Dabei waren Yamis Augen immer das Ausdrucksstärkste an ihm gewesen. “Atemu, was ist los mit dir?”, wiederholte Yugi. “Wach doch endlich auf!” “Yugi”, erwiderte dieser schwach. “Warum stehst du nicht mehr auf und liegst hier nur noch im Bett herum? Ich mache mir wirklich Sorgen um dich. Bitte, sag mir doch endlich, was du hast!” Yugi war verzweifelt. Wie sollte er seinen Aibou nur dazu bewegen, sich zu öffnen und aus seiner Depression heraus zu kommen? “Es ist…”, begann Yami schließlich. “Ich glaube, der Trank, den ich genommen habe, wirkt sich stärker aus, als ich dachte. Er unterdrückt nicht nur die Liebe, den Schmerz, sondern alles. Und die Wirkung wird immer stärker. Es ist mir inzwischen alles so egal. Ich könnte sterben und es wäre mir egal.” “Sag so was nicht!”, rief Yugi entsetzt. “Das kannst du nicht machen! Gibt es denn keine Möglichkeit, die Wirkung des Trankes aufzuheben?” “Nein, unmöglich. Aber es ist sowieso egal. Mein Leben ist nichts mehr wert. Ich bin unnütz, ein Relikt in dieser Zeit. Ich gehöre nicht hier her, das wird mir von Tag zu Tag mehr bewusst. Aber bald brauchst du dir deswegen keine Sorgen mehr zu machen.” “Wie meinst du das?”, schockiert von einer plötzlichen Ahnung, blickte Yugi auf ihn herab, seine Hand fest drückend. “Wenn der Zauber erst mal alle Gefühle unterdrückt hat, dann werde ich nur noch eine seelenlose Puppe sein und sterben. Dann wird wenigstens er verlieren.” “Nein! Sag das das nicht wahr ist! Sag, dass es noch einen Ausweg gibt! Du bist der Pharao, du weißt immer einen Ausweg. Du bist der Stärkere von uns beiden.” “Schon lange nicht mehr, Yugi. Schon lange nicht mehr.” Das war das einzige, was Atemu noch sagte. Auch auf die Frage, wen er mit “er” meinte, antwortete er nicht mehr. Kapitel 7: Rette mich nicht --------------------------- Hallo, vielen Dank für die lieben Kommentare^^. Irgendwie hab ich es aufgegeben, jedem persönlich zu antworten, es sei denn, derjenige stellt eine Frage. Deshalb bedank' ich mich mal an dieser Stelle. Mfg Silfier “Hier steh ich allein” Denke ich Fühle ich Muss ich sein Muss ich nicht, Denke ich Aber ich will. Sie - Yugi, Jonouchi, Honda und Anzu - hatten Ishizu angerufen, da sie keinen anderen Ausweg mehr wussten um Yami zu retten. Sie war die einzige, die sich mit alten ägyptischen Zaubern auskannte und vielleicht wusste, wie man dem Pharao noch helfen konnte. Dabei hatte sich jedoch leider eine erschütternde Erkenntnis ergeben und die lautete, dass es nur einen einzigen Weg gab und dieser war unmöglich zu gehen. Denn die einzige Möglichkeit, den Zauber vom Pharao zu nehmen, bestand darin, ihn auf eine andere Person zu übertragen, die an seiner Stelle sterben würde. Das jedoch war natürlich undenkbar. Wieder einmal saß Yugi an Yamis Bett und betrachtete mit rotgeweinten Augen seinen Seelenpartner, der kaum noch die Augen öffnete und wenn, nur noch seelenlos vor sich hin starrte. Er schien tatsächlich nur noch eine leere Hülle zu sein, deren Geist den Körper längst verlassen hatte. Yugi hatte wirklich alles versucht, ihn wachzurütteln, doch nichts hatte funktioniert. Würde Atemu wirklich sterben? Yugi schrak auf, als er plötzlich Gepolter aus dem Erdgeschoss vernahm. Jemand stapfte offensichtlich schnellen Schrittes die Treppe hinauf. Im nächsten Moment wurde auch schon die Zimmertür aufgerissen und ehe er sich’ s versah, wurde er unsanft zur Seite gestoßen. Überrascht, um nicht zu sagen, völlig perplex, blickte er auf Seto Kaiba, der wie ein Sturm in Haus eingedrungen war. “K-kaiba! Was willst du hier? Bist du gekommen, um den Pharao sterben zu sehen?”, rief er panisch, wütend. “Unsinn, niemand wird hier sterben!”, erklärte Kaiba scharf und schob ihn zur Seite, hielt ihn davon ab, ihm zu nahe zu kommen. “Dafür werde ich schon sorgen.” “Du willst ihm helfen? Aber, ich dachte, du hasst ihn.” “Wer sagt das?”, erwiderte Kaiba schlicht und ein seltsamer Ausdruck stand in seinen blauen Augen. “Ja, aber wie willst du ihm helfen? Woher weißt du überhaupt, was er hat?” “Der Köter hat es mir verraten. Er meinte, mir alle Schuld in die Schuhe schieben zu müssen. Und wie ich ihn retten werde, das überlass mal mir.” Mit diesen Worten nahm Kaiba ein Fläschchen mit einer rötlichen Flüssigkeit hervor und flößte diese Yami ein, wobei diesem ein Rinnsal über die Wange hinaus lief, welches Kaiba ableckte und ihn auf den Mund küsste. Yugi schnappte nach Luft. Was hatte das zu bedeuten? Weshalb küsste Kaiba plötzlich Atemu? Liebte er ihn etwa doch? Der Pharao hustete, als Kaiba von ihm abließ. Hatte er bisher nur still und stumm dagelegen, ohne jegliche Regung, so begann er nun zu zittern und sich zu winden. Trotzdem schien er noch nichts wahrzunehmen. Seine Augen, bisher nur leer, waren nun von einem Schleier überzogen, so als wäre die rötliche Flüssigkeit bis in seine Augen vorgedrungen. Sein Atem wurde tiefer, so als wäre er bis eben am Ertrinken gewesen und nun endlich an die Wasseroberfläche gelangt. Das bisher ausdruckslose Gesicht wurde wieder von Leben erfüllt. “Seto?”, brachte er krächzend hervor, so als riefe er aus tiefer Dunkelheit. Dieser blieb jedoch still und drückte nur kurz Atemus Hand, bevor er aufstand und wortlos wieder das Haus verließ. Yugi war viel zu glücklich über Yamis plötzliche Genesung, um ihn aufzuhalten und dieser noch viel zu schwach. Am nächsten Morgen hatte sich Yami wieder gänzlich erholt und fragte sich, verwirrter denn je, was eigentlich passiert war. Kaiba hatte ihm das Leben gerettet und ihn geküsst. Dass das kein Traum gewesen war, hatte er von Yugi erfahren. Was hatte das zu bedeuten? Liebte Kaiba ihn doch? Aber wieso hatte dieser ihn zuvor mit solcher Verachtung behandelt? Ihn von sich gestoßen? Und außerdem: Hatte er etwa eine andere Möglichkeit gefunden ihm das Leben zu retten, ohne das er sich selbst dafür opfern musste? Ja, es musste so sein, denn Kaiba würde doch nicht für ihn sterben, nein niemals, oder? Jedenfalls war die Sache ein einziges Rätsel für Yami, weshalb er sich so schnell wie möglich auf den Weg zu dem Mann machte, in den er sich verliebt hatte. Sein Herz klopfte schneller in der Hoffnung, dass Kaiba ihn vielleicht doch liebte. Warum hätte er ihn sonst küssen sollen? Wieder stand er hier vor dessen Haus und fühlte sich ziemlich merkwürdig, als er an die letzte Begegnung auf dem Friedhof zurückdachte und diese in Relation zu der gestrigen setzte. Nein, das wollte einfach nicht zusammen passen. Wie ein Puzzle mit zwei ungleichen Teilen, die einfach nicht zusammen kommen konnten. Besorgt trat er ein, nachdem er von Setos Bedienstetem eingelassen worden war. Nachdenklich lief er durch das riesige Haus, in dem er sich momentan irgendwie verloren fühlte. Es dauerte jedoch nicht lange, als er auch schon auf Kaiba traf, der ihn bereits erwartete. “Seto…Kaiba, warum hast du…Ich weiß nicht, warum du das getan hast, da du mich offensichtlich nicht ausstehen kannst. Aber ich wollte dir danken und dich fragen, wie du es geschafft hast, den Zauber aufzuheben.” Kaiba hatte ihm den Rücken zugewandt gehabt und drehte sich nun zu ihm um. “I-ich bin dumm…, deshalb tat ich es.” Yami stutzte. Kaiba bezeichnete sich selbst als dumm? Was lief hier verkehrt? Normalerweise strotzte er doch vor Selbstbewusstsein, war geradezu arrogant und überheblich. “Und ich habe den Zauber nicht aufgehoben, sondern lediglich auf mich selbst übertragen. Deshalb wird mir jetzt auch immer mehr bewusst, was für ein Idiot ich war, wie sehr ich mich von meinen Gefühlen habe irritieren lassen. Nein, ich bereue es nicht. Jedoch sehe ich nun einiges klarer.” Er machte eine kurze Pause. “Ich habe dich aus Angst von mir gestoßen, Yami. Ich glaubte, du würdest mir nur etwas vormachen, mich ausnutzen wollen. Und selbst wenn du es ernst meintest, so glaubte ich, wäre eine Beziehung zwischen uns krank, einfach nur krank, würde mich außerdem schwach machen. Dennoch war ich so verliebt in dich, so verrückt nach dir, dass es mich etliche schlaflose Nächte gekostet hat und ich letztendlich sogar diesen verdammten Zauber auf mich umgelenkt habe, der tatsächlich zu wirken scheint, denn ich weiß zwar, dass ich dich geliebt habe, dass ich Angst hatte, aber diese Gefühle sind irgendwie nur noch im Hintergrund meines Bewusstseins vorhanden. Ich weiß, dass sie da sind, aber ich fühle sie nicht mehr richtig. Vielleicht muss ich deswegen sterben, aber irgendwie ist mir das auch schon fast egal.” “Nein, nein, Seto!”, stürzte sich Yami in dessen Arme, nachdem er sich von seiner Überraschung erholt hatte und drückte sich an ihn. “Du darfst nicht so einfach aufgeben. Das ist alles nur meine Schuld. Ich werde es rückgängig machen und den Zauber wieder auf mich übertragen.” “Nein, Yami, lass nur. Dann wäre das, was ich getan habe, ja umsonst gewesen. Du sollst leben”, schlang Kaiba seine Arme ganz sanft um ihn und hielt ihn fest, streichelte ihm ein wenig über den Rücken. “Verzeihst du mir, dass ich so gemein zu dir war? Dass ich so ein Idiot war?” Ein Teil von Kaibas Gefühlen schien doch noch da zu sein, denn tiefer Schmerz, aber auch Liebe, ließ sich aus seiner Stimme heraushören. “Du musst dich nicht entschuldigen, im Gegenteil, mir tut es leid, weil ich dich hier mit reingezogen habe. Ich wollte doch nicht, dass du wegen mir”, Yami schniefte, “dass du wegen mir…stirbst. Das darf nicht geschehen. Ich habe diesen Weg, diesen Tod gewählt. Dieser Fehler darf jetzt nicht dich treffen.” Noch hatte er es gar nicht richtig realisiert, dass Kaiba ihm gerade seine Liebe gestanden hatte und sogar bereit war, für ihn zu sterben. Irgendwie erschien ihm alles wie ein Traum, der sich nicht entscheiden wollte, ob er Wunsch- oder Alptraum war. “Schon gut, Yami”, legte ihm Kaiba eine Hand in die stacheligen und doch so weichen Haare, um sanft darüber zu streichen. “Ich habe das gern getan. Ich will, dass du lebst. Komisch, ohne all diese wirren Gefühle fühle ich mich so frei. Ich meine, noch vor kurzem hätte ich dir das alles niemals erzählen können und jetzt kann ich einfach so frei heraus sprechen. Und bevor das Gefühl völlig verschwindet, möchte ich dir sagen, Yami, ich liebe dich auch.” Mit diesen Worten küsste er ihn auf den Mund. Es war ein berauschendes Gefühl für Yami, der die gesamte Umwelt ausblendete. Das einzige, was er registrierte, war, dass Kaiba sich wieder viel zu schnell von ihm zurück zog und das er ihm nur einen kurzen, sanften Kuss auf den Mund gegeben hatte, wie ein flüchtiger Windhauch. “Du wirkst so blass”, stellte Yami besorgt fest und legte seine Hände an Kaibas Wangen. Dieser strich sich fahrig durch die Haare und bemerkte. “Ja, es ist, als wären alle meine Gefühle und Gedanken in Watte gepackt und…als hätte ich eine Nebelwand im Kopf hängen”, schaute er ausweichend zur Seite. Doch auch in Yami ging eine Veränderung vor. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er sich wieder erinnern konnte, was der Inhalt des Paktes mit der Kreatur aus dem Schattenreich gewesen war. Diese hatte ihm nämlich angeboten, ihm ein neues Leben mit einem eigenen Körper zu schenken, wenn er dafür nach sechs Monaten auf der Erde seine Seele an sie opferte. Er würde nur dann länger leben dürfen, wenn sein Wunsch in Erfüllung ginge und Kaiba ihm sagte, dass er ihn liebte. Das war nun geschehen und daher konnte sich Yami auch wieder erinnern. Das bedeutete, dass er nicht in knapp vier Monaten sterben würde! Doch dieser Sieg schien mit einem Mal so schal, so bedeutungslos, da nun Kaiba sterben würde. Und das alles war allein seine Schuld! Hätte er doch diesen verdammten Trank nicht genommen! Aber wie hätte er auch ahnen können, was mit Kaiba los war? Insgeheim beschloss Yami, den Zauber doch wieder von Seto zu nehmen, auch wenn dieser sich sträuben sollte. Und das würde er ohnehin nicht mehr tun, wenn er erstmal genauso lethargisch war, wie er selbst es noch bis gestern gewesen war. Er konnte einfach nicht zulassen, dass Seto sich opferte und für seinen dummen Fehler büßte. Es stellte sich heraus, dass es diesmal nicht so lange dauerte, wie bei Yami, dass Seto in völlige Lethargie verfiel. Entweder lag es daran, dass der Zauber ursprünglich auf Yami gelegen hatte und sich nicht quasi neu entwickeln musste, oder es lag daran, dass Setos Seele nicht so stark war. Jedenfalls vergingen nur ein paar Tage und er blieb wie seelenlos in seinem Bett liegen und stand nicht mehr auf. Das war für Yami der Zeitpunkt um zu handeln. Er ließ Kaiba in der Obhut seines kleinen Bruders, der ständig an seinem Bett hockte und deren Angestellten Isono, während er sich die Zutaten besorgte, um den Zauber wieder auf sich selbst zu übertragen. Als er wieder zurückkehrte, war es Abend geworden und Yami ließ sich an Kaibas Bett nieder, nachdem er Mokuba gebeten hatte, ihn mit seinem Bruder für einen Moment allein zu lassen. Er flößte ihm ebenfalls die rötliche Flüssigkeit ein, wie es Seto zuvor schon bei ihm getan hatte. Dieser hatte das Rezept übrigens von Ishizu erfahren. Zu seinem Entsetzen bemerkte Yami jedoch, dass das Mittel nicht wirkte. Er wartete noch weitere Minuten, in der Hoffnung, dass es vielleicht etwas länger dauerte, bis die Wirkung einsetzte, jedoch zogen sich die Minuten hin, wurden zu Stunden und Mokuba hatte sich längst wieder an seine Seite gesetzt, was er gar nicht wahrgenommen hatte. Es war hoffnungslos. Atemu vergrub seinen Kopf in den Händen und rieb sich verzweifelt die aufkommenden Tränen aus dem Gesicht. Aber irgendwann ging es nicht mehr und er schluchzte auf. Auch Mokuba standen die Tränen in den Augen, da er erfahren hatte, was mit seinem großen Bruder los war. Er schüttelte ihn gelegentlich, als müsse er ihn bloß aus einem tiefen Schlaf aufwecken, wollte einfach nicht glauben, dass so ein läppischer Zauber Seto etwas anhaben könne. Doch dieser rührte sich nicht. Inzwischen ging sein Atem und sein Puls nur noch verlangsamt. Irgendwann musste Mokuba zur Toilette. Und als wäre dieser Moment, da Yami alleine mit Seto war, nur abgewartet worden, begann wieder jenes bekannte, schwarze Wallen und Wogen, welches direkt über Kaibas Bettdecke entstand, so dass es schien, als würde die weiße Decke in schwarzen, sehr feuchten Nebel getaucht. “Nein, nein, Seto!”, schrie Yami verzweifelt und wollte ihn aus den schwarzen Wellen hinausziehen. Bevor ihm dies jedoch gelang, erklang eine Stimme in seinem Kopf, welche ihn frösteln ließ. Sie war leise, kaum wahrnehmbar und doch ließ sie seinen Schädel dröhnen, oder vielmehr die Präsenz, die hinter der mentalen Stimme stand. “Was hast du? Noch ist nichts vorbei. Ich kann ihn retten, wenn du willst.” Yami starrte die schwarze Kreatur, die über Seto schwebte und deren Konturen zu zerfließen schienen, schockiert an. “Du weißt ja, was du dafür tun musst. Ja, ich bin traurig, dass du gewonnen hast und ich deine Seele nicht bekomme, wie du weißt. Und da dachte ich mir, könnten wir einen neuen Pakt eingehen. Du weißt sicher schon, wie er lautet: Deine Seele für das Leben deines Freundes. Nun, was sagst du?” Die Ausdrucksweise des Wesens klang so harmlos, als spreche es über einen Obstverkauf und nicht über einen Seelentausch. Jedoch ließen der Inhalt der Worte und dieser mitschwingende, dunkle Druck in seinem Kopf, der hinter der Präsenz der Stimme stand, Yami in seinem tiefsten Inneren schaudern. “Und was sagst du?” Yami versuchte nachzudenken. “Nun, ich… Nun gut, aber nur unter einer Bedingung: Du lässt mich noch ein Jahr glücklich mit ihm zusammen leben.” “Was, ein ganzes Jahr? Und dann auch noch glücklich? Was verlangst du da von mir? Das sind Preise! Wir sind doch hier nicht auf dem Jahrmarkt. Na gut, da ich ja nicht so sein will, gebe ich dir noch drei Monate und sehen, ob du glücklich wirst, musst du schon selbst.” “Neun Monate!”, verlangte Yami entschlossen. Das war irgendwie total irre, er verhandelte hier über seine Seele, wie um ein Ding. “Hmpf. Wie wäre das: Wir machen es genau wie beim ersten Mal und du bekommst noch sechs Monate. Das ist jetzt aber wirklich ein fairer Preis. Und du solltest dich schnell entscheiden, denn lange hat dieser junge Mann wirklich nicht mehr.” Das Wesen deutete mit einer seiner schwarzen, nebelartigen Gliedmaßen auf Kaiba hinunter. Yami atmete tief durch, bevor er den Kopf hob und meinte: “Nun gut, einverstanden. Du rettest Seto und lässt mich noch sechs Monate am Leben, dann bekommst du meine Seele.” “Brav so!”, gab die Kreatur einen kichernden Laut von sich und verschwand. Seto unterdessen begann zu Husten und zu Zittern, genau wie Yami es vor ein paar Tagen getan hatte, als er wieder aus seiner völligen Weggetretenheit aufgewacht war. Nach einigen Minuten trat wieder Leben in die blauen Augen, welche ihn verwirrt anschauten. Ehe Yami sich jedoch in Kaibas Arme werfen konnte, tauchte Mokuba wieder auf und kam ihm zuvor, indem er sich überglücklich auf Seto stürzte, als er bemerkte, dass sein großer Bruder wieder bei Sinnen war. Yami betrachtete die zwei einerseits glücklich, andererseits mit einem wehmütigen Blick beim Kuscheln. Er glaubte schon, die Beiden hätten ihn völlig vergessen und wollte das Zimmer verlassen, als Kaiba ihm einen fragenden Blick zuwarf. “Du willst schon gehen?”, erkundigte er sich. “Ja, ich dachte…ich will euch zwei nicht weiter stören. Und dir geht es jetzt ja wieder besser da…”, ehe der Pharao noch den Satz zu Ende bringen konnte, hatte Kaiba sich vorgebeugt und ihn an der Hand zu sich herangezogen. “Mokuba, bitte warte mal kurz draußen auf uns, ich möchte mit Yami allein etwas besprechen.” “Ja”, guckte Mokuba irritiert von einem zum anderen, ehe er aus dem Zimmer ging. Kaiba zog unterdessen Yami zu sich ans Bett. “Was hast du getan?”, verlangte er zu wissen. “Hast du etwa den Zauber wieder auf dich übertragen?” “Nein”, erwiderte Yami. Wie sollte er Seto nur das erklären? Wie sollte er ihm sagen, dass er nur noch sechs Monate zu leben hätte und ihn dann verlassen müsste? “Also, was hast du getan?”, Kaibas Finger umschlossen fast schmerzhaft Yamis Handgelenk. Dieser schaute ihm in die Augen und wusste, dass er ihn unmöglich anlügen konnte. Aber die Wahrheit sagen konnte er ebenso wenig. Solange er noch zu leben hatte, wollte er mit Seto glücklich sein, das würde er jedoch nicht können, wenn dieser ständig daran denken müsste, dass Yami bald sterben würde. “Du hast gesagt, du liebst mich. Ist das wahr, oder habe ich das nur geträumt?” Auf diese Worte hin musste Kaiba lächeln. “Nein, ich habe nicht unter irgendeinem Wahn gestanden, falls du das meinst. Das heißt, ich weiß nicht so recht, ob man Liebe nicht auch als Wahn bezeichnen kann. Jedenfalls habe ich alles so gemeint, wie ich es sagte. Komisch, ich hatte solche Angst davor, mir, geschweige denn dir, einzugestehen, dass ich dich liebe und jetzt ist es auf einmal so einfach. Daran bist du schuld”, erklärte Kaiba mit einem verliebten Lächeln und strich ihm über die Wange und durchs Haar. Yami lächelte zurück und für den Augenblick war jede Sorge vergessen. Kapitel 8: Haltet mich bitte fest --------------------------------- Die Pforten öffnen sich zum Wege des unbekannten Seins im strömenden Wasser selbst siehst du es schillernde Farben trüben das Meer und in Düsternis gehüllt ist das Licht Yami saß auf einer Bank im Domino Park und malte verschlungene Zeichen auf ein Blatt Papier. Es geschah mehr aus Langeweile, denn aus der Tatsache heraus, dass er gerne zeichnete. Außerdem lenkte ihn das und die Umgebung des Parks, die Menschen die vorüberliefen, ein wenig von seinen trüben Gedanken ab. Er war zwar jetzt glücklich mit Seto zusammen, jedoch konnte er diesen immer erst Abends wieder sehen, da der ja zur Schule gehen und nebenher noch in seiner Firma arbeiten musste. Yugi hatte ihm zwar vorgeschlagen, sich ebenfalls zur Schule anzumelden, jedoch hätte das eh keinen Sinn, da er ohnehin in ein paar Monaten sterben würde. Bis jetzt hatte er dies jedoch keinem verraten. Er wollte einfach niemanden damit belasten und Seto sowie Yugi spürten zwar, dass etwas nicht mit ihm stimmte, aber keiner der beiden hatte bis jetzt etwas aus ihm heraus bekommen. Er fragte sich, wie lange er dieses Geheimnis noch mit sich würde herumtragen können. Er sehnte sich danach, dass es endlich Abend würde und er Seto wieder sehen könnte. Nachdenklich blickte er auf den schmalen Fluss hinunter, der sich durch den Park schlängelte, betrachtete die Enten, die sich an dessen Ufer sonnten oder in Reih und Glied daherschwammen. Ein Schwanenpaar hatte sich ebenfalls eingefunden und putzte sich mit dem Schnabel das weiße Gefieder. An einer Stelle des Flusses entstanden kleine, ringförmige Wellen. Vielleicht war dort gerade ein Fisch zugange? Yami prägte sich alles ganz genau ein, wollte das Leben noch einmal voll und ganz genießen, bevor er es hinter sich lassen musste. Was würde wohl mit seiner Seele geschehen, wenn die schwarze Kreatur sie bekam? Was würde das Wesen mit ihm anstellen? Würde es einfach die Energie seiner Seele aufsaugen und er selbst würde auf ewig verschwinden, in die totale Nichtexistenz abdriften? Er schlang die Arme um den Kopf und stützte die Ellenbogen auf den Knien ab - die gleiche Pose wie sie bei einem Flugzeugabsturz empfohlen wurde. Er würde auch bald abstürzen, aber auf ganz andere Weise. Tränen stiegen in ihm auf, er konnte es nicht verhindern. Wenn Menschen an ihm vorbeiliefen, warfen sie ihm neugierige oder mitleidige Blicke zu, oder ignorierten ihn einfach, doch das bekam er gar nicht mit. Es waren zur Zeit sehr viele Menschen unterwegs, da endlich wieder schönes Wetter mit viel Sonnenschein herrschte. Yami aber nahm kaum etwas um sich herum wahr. Er sehnte sich so sehr nach Seto und wollte für immer bei ihm bleiben. Vor dreitausend Jahren, als er seine Seele ins Milleniumspuzzle hatte einsperren müssen, hatte es wenigstens die Hoffnung gegeben, dass er irgendwann einmal von jemandem, der das Puzzle löste, wieder befreit werden würde, was schließlich auch geschehen war. Jetzt aber gab es noch nicht einmal mehr diese Hoffnung. Es musste doch noch irgendeine Möglichkeit geben, oder? Der Pharao zerbrach sich verzweifelt den Kopf. Wie oft hatte er in den letzten Tagen darüber nachgedacht und war zu keiner Lösung gekommen? Vielleicht sollte er doch wenigstens Yugi die Wahrheit sagen, vielleicht fiel ihm etwas ein. Außerdem wäre er es ihm schuldig. Sie hatten schließlich immer alles miteinander geteilt, waren immer ehrlich zueinander gewesen. Die Tränen kaum getrocknet, stand Yami auf, den Zeichenblock mit Stift in der Hand und hatte seinen Entschluss gefasst. Yugi saß ihm in ihrem Zimmer schockiert gegenüber. Nachdem er erfahren hatte, dass Yami bald sterben würde, hatte er sich erstmal aufs Bett fallen lassen. Es dauerte einige Momente, bis er die Nachricht verarbeitet hatte und ihm dicke Tränen kamen. In diesem Augenblick bereute es Yami, ihm die Wahrheit gesagt zu haben. Genau das hatte er nicht gewollt, dass andere wegen ihm weinten und ganz besonders nicht Yugi. Doch so zerbrechlich, wie der Kleine aussah, war er gar nicht. Im Gegenteil - nach einigen Minuten, in denen er die Geschichte erst einmal verarbeiten musste, ballte er die Hände zu Fäusten zusammen und fragte: “Das heißt also, unser Zauber von damals hat dich gar nicht ins Leben zurückgeholt und dir einen neuen Körper gegeben, sondern diese Schattenkreatur?” Yami nickte. “Das stimmt. Euer Zauber hat lediglich bewirkt, dass ich mit euch in Kontakt treten konnte und überhaupt erst auf die Idee kam, beziehungsweise, hat es wohl auch die Aufmerksamkeit dieses Wesens geweckt, da es mir genau in diesem Moment, da ihr den Zauber anwandtet, diesen Pakt anbot.” “Verstehe”, Yugi schwieg betreten. “Aber weißt du”, Yugi blickte mit tränennassem Gesicht zu ihm auf, “bis jetzt haben wir doch immer eine Lösung gefunden. Wie schlimm die Situation auch aussah, wir haben sie immer zum Guten gewandt und letztendlich gewonnen. Auch diesmal gibt es einen Weg, da bin ich mir ganz sicher.” Yami blickte ihn überrascht an. “Bedeutet das, du weißt eine Lösung, wie meine Seele gerettet werden kann?” “Nein, noch nicht”, schüttelte Yugi bedauernd den Kopf. “Ich wollte damit nur sagen, dass uns sicher etwas einfallen wird. Und wenn dir und mir nichts einfällt, dann unseren Freunden. Irgendwer wird die rettende Idee haben, da bin ich mir ganz sicher. Am besten, ich erzähle es erst mal Großvater, der weiß immer einen Rat.” Ehe der Pharao noch protestieren konnte, war Yugi aufgesprungen und die Treppe zum Laden hinuntergeeilt. “Ach, Yugi. Es tut mir leid, dass ich dir so viele Sorgen bereite”, flüsterte Yami leise vor sich hin. Jedoch war ihm in diesem Moment auch irgendwie ein Stein vom Herzen gefallen. In Windeseile hatte die Neuigkeit unter Yamis Freunden die Runde gemacht, was dieser sehr schnell bemerkte, als er in die traurigen Gesichter blickte, die sich um ihn versammelt hatten. Der Pharao kam sich vor, als fände seine Beerdigungsfeier schon jetzt statt. Sie hatten sich alle zusammen im Domino-Park versammelt. Alle, das waren: Natürlich Yugi, sein bester Freund Jonouchi, Honda und Anzu. Nur Kaiba, der nicht zum Freundeskreis Yugis zählte, war nicht dabei. Wahrscheinlich wusste er noch gar nichts. “Das ist so furchtbar. Was machen wir denn jetzt nur?”, schniefte Anzu und ließ sich auf die nächste Bank fallen. Die anderen bildeten einen Kreis um sie und begannen, ebenfalls angestrengt nachzudenken. Jedoch wollte keinem eine wirkliche Lösung des Problems einfallen. Auch nach einer halben Ewigkeit des Diskutierens kamen sie nicht weiter. “Jungs, so wird das nichts”, erklärte schließlich Anzu. “Wir verstehen einfach zu wenig von dem Thema. Von Magie und dem Jenseits haben wir zu wenig Ahnung, um dem Pharao helfen zu können.” “Dann willst du einfach aufgeben?”, empörte sich Jonouchi. “Das kommt gar nicht in Frage!” “Nein, das meine ich nicht. Aber wir sollten uns Hilfe von jemandem holen, der mehr davon versteht.” “Und, kennst du da vielleicht jemanden?”, erkundigte sich Honda. “Nein, aber vielleicht finden wir etwas in den Zeitungsannoucen?” “Also, ich weiß nicht. Meistens inserieren da doch nur Betrüger, die ihr Geld machen wollen”, bemerkte Yugi nachdenklich. “Da hast du auch wieder Recht”, gab Anzu zu. Die Gruppe fiel in ein gemeinschaftliches Schweigen. Yami selbst, um den es ja eigentlich ging, fühlte sich irgendwie ausgeschlossen, so als wäre er ein Ding, oder ein Projekt, über das man sich Gedanken machen musste. “Sag mal, warum hast du Kaiba nicht einfach verrecken lassen, dann hättest du das Problem jetzt nicht”, erkundigte sich Jonouchi. “Also, Jonouchi Katsuya! Wie kannst du nur so was sagen?”, empörte sich Anzu. “Na, das ging jetzt aber wirklich zu weit, Kumpel”, bemerkte Honda. “Ja, ja, schon gut. Ich hab’ s ja nicht so gemeint. Aber trotzdem frage ich mich, warum dir soviel an dem Typen liegt, dass du ihn gerettet hast. Und außerdem, warum er dich überhaupt davor gerettet hat. Das ist alles total verdreht, ich kapier das nicht. Ich dachte, der Typ kann dich nicht ausstehen. Und du hast uns überhaupt noch nicht erzählt, warum du diesen Zaubertrank überhaupt genommen hattest, um deine Gefühle zu unterdrücken und dabei beinahe draufgegangen wärst. Ich weiß nur, dass es was mit Kaiba zu tun hatte, aber was, das wollte mir Yugi partout nicht verraten.” “Ach, Jonouchi, das ist eine lange Geschichte”, seufzte Yami, machte aber keine Anstalten, diese zu erzählen und so verfiel die Gruppe wieder in trübsinniges Schweigen. “Was? Wird das hier eine Trauerfeier?”, erklang plötzlich eine vertraute Stimme hinter ihnen, bei der es Yami heißkalt über den Rücken lief. “Seto!”, warf er sich ihm überschwänglich in die Arme, was dieser mit einem verwunderten Blick über sich ergehen ließ, da er nicht damit gerechnet hatte, dass Yami sich ihm in aller Öffentlichkeit derart nähern würde. Er hatte gedacht, dieser wolle ihre Beziehung geheim halten und nur Yugi solle davon wissen. Diese Verwunderung wandelte sich aber übergangslos in verliebte Sehnsucht, als Yami ihn auch noch verlangend küsste und dies scheinbar ohne jegliches Schamgefühl gegenüber den Leuten um sie herum, die sie anstarrten. Honda, Anzu und vor allem Jonouchi fielen fast die Augen aus dem Kopf. Mit wirklich allem hatten sie gerechnet nur damit nicht. Yami und Kaiba hatten sich schon längst wieder voneinander gelöst, beziehungsweise standen sie nur noch, die Arme umeinander geschlungen, nebeneinander und wandten sich der Gruppe zu, da waren sie immer noch sprachlos. “DU!”, schrie plötzlich Jonouchi auf und sprang Kaiba unvermittelt an den Kragen. “Was hast du mit Yami angestellt, hm?” “Lass los, Köter, du erwürgst mich ja!” Als dieser nicht hören wollte, machte Kaiba eine schnelle Bewegung, der man kaum folgen konnte und im nächsten Moment landete Jonouchi unsanft auf dem Boden. Offenbar hatte Kaiba seine Kampfsportlektionen gut gelernt. “Yugi hat mich hier her bestellt”, erklärte er und blickte in die Runde. “Er sagte, es ginge um dich, Yami. Allerdings hat er nicht erwähnt, was eigentlich los ist”, schaute er seinem Geliebten tief in die Augen, welchem schon wieder ganz anders wurde. Wieder schwiegen alle betreten. Yami fühlte sich genötigt, Seto alles zu erzählen, jedoch hatte er eigentlich vorgehabt, ihn so lange mit dieser Nachricht zu verschonen, wie es möglich war. Er wollte nicht in sein trauriges Gesicht blicken müssen, sondern diesen so lange glücklich Lachen sehen, wie es nur irgend möglich war. Immerhin war Kaiba schon vor ihrem Zusammentreffen kein besonders glücklicher Mensch gewesen, eher im Gegenteil. Er hatte wenig zu lachen gehabt und Freundschaft war ihm ein Fremdwort gewesen, sogar mit seinem kleinen Bruder hatte er sich vor der Begegnung mit Yami zerstritten gehabt. Er wollte nicht der Grund dafür sein, dass sein Glück schon wieder zerstört würde. Trotzdem blieb ihm wohl jetzt, so in die Ecke gedrängt, keine Wahl mehr. “Erzähl du es ihm, Yugi”, verlangte er und löste sich von Kaiba, um sich auf die Bank fallen zu lassen. Das Gesicht vergrub er zwischen den Händen. Auch Yugi fiel es nicht leicht, die Sachlage zu erklären. Dennoch tat er es und erwähnte nebenbei auch noch, dass Yami und Kaiba sich ineinander verliebt hatten und nun zusammen waren. Als er damit geendet hatte, dass der Pharao in knapp sechs Monaten seine Seele würde abgeben und sterben müssen, folgte erst einmal geschockte Stille seitens Kaiba, bevor er leise fragte: “Ist das wahr, Yami?” Dieser nickte gequält. “Es tut mir leid.” Nun geschah etwas, womit niemand gerechnet hätte: Kaiba sprang unerwartet vor und packte Yami am Kragen, zog ihn auf die Füße. “Wie konntest du das nur tun?”, schrie er ihn an. “Was hast du dir dabei gedacht? Kannst du nicht mal eine Sekunde nachdenken, bevor du dein Leben einfach wegwirfst? Du bist so ein Idiot!” Der letzte Satz verwandelte sich in ein halbes Schluchzen. Er ließ Yamis Kragen locker und zog ihn mit einem Arm zu sich, hielt ihn fest. “Es tut mir leid”, wiederholte Yami. “Ich weiß, du wolltest mich retten und dein Leben für meines opfern und das werde ich dir auch nie vergessen, glaub mir. Aber ich konnte dich nicht einfach sterben lassen, ich musste es tun. Immerhin war es allein mein Fehler.” “Nein, war es nicht, verdammt”, fluchte Kaiba, das Gesicht zu Boden gewandt. “Es war meine Schuld, dass du diesen Trank genommen hast. Weil ich zu feige war, mir meine Gefühle einzugestehen und so gemein zu dir gewesen bin, hast du keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als deine Gefühle auszuschalten. Außerdem hast du kein Recht, einfach so deine Seele zu verkaufen, denn die gehört schon mir, hast du verstanden?”, drehte er Yamis Kopf zu sich. Dieser nickte unter Tränen. “Ich fürchte nur, die Schattenkreatur wird deine Besitzansprüche nicht so einfach gelten lassen.” “Dann werde ich sie eben lehren, dass man sich mit Seto Kaiba besser nicht anlegt.” “Gut, das wirst du”, lächelte Yami. Ihm wurde noch einmal mit aller Deutlichkeit bewusst, wie sehr Kaiba ihn lieben musste, dass er sogar bereit war, sein Leben für ihn zu geben. Eine unglaubliche Wärme bereitete sich ihn ihm aus, brachte ihn dazu, Seto in seine Arme zu schließen, ihm einen liebevollen Kuss zu schenken und über den Rücken zu streicheln. “Du weißt doch, ich habe mit Großvater gesprochen”, stürzte Yugi einige Tage später mit leuchtenden Augen in sein und Yamis Zimmer. “Und stell dir vor: Ihm ist eine Idee gekommen, wie wir dich retten können. Wir wissen noch nicht, ob es wirklich funktionieren wird, aber es ist bisher das einzig Brauchbare. Ich wusste es doch, wenn jemand eine gute Idee hat, dann ist es mein Großvater”, ließ er sich fröhlich neben Yami auf dem Bett nieder. “Was ist das denn für eine Idee?” “Nun ja, es ist vielleicht nicht die ideale Lösung, aber es ist besser, als wenn diese Schattenkreatur deine Seele bekommt”, begann Yugi vorsichtig. “Du weißt doch, dass Opa früher in Ägypten bei Ausgrabungen gearbeitet hat. Jetzt hat er sich mit einigen Kollegen von früher in Verbindung gesetzt, die noch Kontakte nach Ägypten haben und diese wiederum haben in Erfahrung bringen können, dass…” Yami lauschte mit immer größer werdenden Augen der Erzählung seines Aibou. Am Ende waren sie sich sicher, dass die Idee von Großvater Mûto wohl die beste war, die ihnen zur Verfügung stand. “Und das macht dir auch wirklich nichts aus, Yugi?”, erkundigte sich der Pharao zum Schluss. “Du bist dir doch hoffentlich klar, was das für dich bedeutet?” “Ja, Yami. Und glaub mir, ich habe gründlich darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dir auf jeden Fall helfen werde, auch wenn ich dafür gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen muss. Aber für dich tue ich das gerne, denn ich will nicht, dass du stirbst und noch schlimmer, deine Seele für immer verschwindet. Schließlich sind wir ein Team und gehören zusammen, stimmt’ s nicht, Partner?” “Stimmt, Partner. Ich danke dir. Das bedeutet mir unglaublich viel.” Yamis Stimme bebte und er schloss Yugi in seine Umarmung. “Aber was ist, wenn die Schattenkreatur so wütend darüber ist, dass sie meine Seele nicht bekommt, dass sie dafür auf Seto losgeht?”, wurde Yami mit einem Mal bewusst. “Oder, wenn sie ihn einfach tötet, weil sie ihren Preis nicht bekommen hat?” “Hm, stimmt, daran habe ich überhaupt nicht gedacht”, bemerkte Yugi traurig. “Aber, könntest du nicht…?” “Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Und ich denke auch, es ist die einzige Chance, die uns bleibt.” Somit war es beschlossene Sache. Allerdings erzählten die beiden niemandem von ihrem Plan, da sie nicht riskieren wollten, dass die Schattenkreatur eventuell etwas heraus fand. Zudem wollten sie ihre Freunde, insbesondere Seto, lieber langsam mit den folgenden Tatsachen konfrontieren. Kaiba erfuhr zu seiner Beruhigung lediglich, dass die beiden einen Plan hatten. Aber da er selbst ein Mensch der Tat war und nicht einfach zusehen konnte, wie man das Leben seines Geliebten bedrohte, schmiedete er auch seine eigenen Pläne, nur zur Sicherheit, falls Yamis schief gehen sollte. Kapitel 9: In Dunkelheit ertrinken ---------------------------------- Im schimmernden Wasser spiegelt sich dein feuerroter Schein siehst du in den Spiegel meiner Seele nun hinein. “Ich werde nicht zulassen, dass diese Kreatur dich kriegt”, versicherte Kaiba und gab Yami einen Kuss auf den Nacken, der sich genießerisch seufzend an ihn lehnte, nach der Hand griff, die über seine Schulter ragte und sich tiefer an ihn kuschelte. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass er einmal so friedlich mit Kaiba zusammen sitzen oder gar kuscheln würde. Seto zog seinen Kopf für einen Kuss zu sich herum, welcher zunächst sanft begann und schließlich immer intensiver und leidenschaftlicher wurde, bis Yami halb auf seinem Schoß saß und ihm ein Stöhnen entkam. “Yami, du machst mich verrückt, weißt du das?” “Nun, soll das heißen, dass du mehr willst?”, grinste der schelmisch. “Seit wann kannst du meine Gedanken lesen?”, lachte Kaiba und ehe sich’ s der Pharao versah, lag er mit dem Rücken auf der Hollywoodschaukel, welche sein Geliebter in einem Anflug von Romantik gekauft und auf seinen geräumigen Balkon gestellt hatte. “Willst du mich erdrücken? Du bist nämlich ganz schön schwer”, keuchte Yami. “Gut, dann eben so”, erklärte Kaiba und kniete nun auf Höhe von Yamis Hüfte zu seinen Seiten. Die Hände stützte er neben seinem Kopf ab. “Was soll das jetzt werden?” Kaiba erwiderte nichts, stattdessen küsste er ihn erneut. Es waren einige Wochen seit Beginn der Sechs-Monate-Frist vergangen und Yami hatte es sich gerade am Fluss von Domino gemütlich gemacht, indem er am betonierten Ufer saß und die Füße ins Wasser baumeln ließ. Es war zwar schon etwas kühl um diese Jahreszeit, aber die Sonne schien gerade so schön, dass es noch warm genug dafür war. Yami genoss den Anblick, der sich ihm bot. Hier und da schwebten Möwen über das Wasser und unzählige Enten zogen paddelnd vorbei. Ab und zu zog ein Boot oder kleineres Schiff seine Schneise durch das Wasser und ließ die kaum vorhandenen Wellen heftiger ans Ufer klatschen, so dass Yami mitunter eine Extra-Dusche bekam. Das kümmerte ihn jedoch wenig, da er es hier einfach wunderschön fand und wie so oft in letzter Zeit in Gedanken versunken war. Seit Yugi und er ihren Plan ersonnen hatten, um seine Seele zu retten, war er irgendwie ganz kribbelig und konnte es kaum noch abwarten, bis die sechs Monate vorbei waren. Bis kurz vorher musste er nämlich noch abwarten und Tee trinken, wie man so schön sagte und das passte ihm so gar nicht. Warten war nämlich noch nie eine seiner Stärken gewesen. Er hatte immer alles selbst in die Hände genommen und etwas getan. Und jetzt sollte er noch fünf weitere Monate - der letzte war schon lang genug gewesen - hier sitzen und Däumchen drehen! Und da stellte sich schon die nächste Frage: Was sollte er eigentlich tun, wenn es ihm tatsächlich gelang, seine Seele vor der Schattenkreatur zu retten? Er konnte ja schließlich nicht ewig hier herumsitzen und auf Seto warten, genauso wenig, wie er auf ihn angewiesen sein wollte. Er wollte auch etwas tun, worin er seine Erfüllung finden könnte. Der Job “Pharao” existierte nun ja leider nicht mehr. Kaiba hatte ihm schon angeboten, mit ihm zusammen neue Spiele zu entwickeln. Eigentlich gar keine schlechte Idee für den Anfang… Aber letztendlich, wenn Yugis Plan klappte, würde er sowieso das machen müssen, was sein Aibou sich wünschte. Immerhin war das sein Leben und sein Körper. Aber es ging nicht anders, wenn er seine Seele retten wollte, musste er sich wieder, genauso wie schon dreitausend Jahre zuvor, im Milleniumspuzzle einschließen und sich dort jämmerlich verstecken, bis die Schattenkreatur aufgab und abzog. Anschließend würde ihn Yugi erneut befreien, indem er das Puzzle aktivierte. Das einzige “Problem” war, dass dabei sein Körper sterben würde und er genau wie früher in Yugi weiterleben müsste. Aber er war ja froh, dass er überhaupt diese Möglichkeit hatte, da Großvater Mûto glücklicherweise das Milleniumspuzzle wieder gefunden hatte, oder vielmehr, es bei Ausgrabungen in Ägypten wieder zum Vorschein gekommen war. Yami stand auf, steckte die Hände in die Hosentaschen und ging weiter. Die Angewohnheit, weite Spaziergänge oder besser genannt, Ausflüge zu Fuß zu machen, hatte er inzwischen nicht aufgegeben. Er empfand das irgendwie als ausgleichend, konnte so seine Gedanken besser konzentrieren und auch noch die Gegend erkunden - ein gutes Mittel gegen die Langeweile, wenn es ihm mal wieder zu viel wurde, in Yugis Büchern zu stöbern oder vor dem Fernseher zu hocken. Etwas besseres hatte er ja in Ermangelung eines Jobs nicht zu tun, während seine Freunde in der Schule waren, Hausaufgaben oder sonst was machen mussten. Er durchstreifte die Straßen und Gassen der Stadt, schaute sich antik wirkende Geschäfte und Häuserfassaden an, bis er in bisher unbekannte und auch ziemlich unbelebte Gefilde kam. Schließlich betrat er eine besonders schmale und dunkle Gasse. Die Häuser schienen sich immer weiter zusammenzuziehen und ließen nur noch einen schmalen Durchgang, der gerade für eine Person ausreichte. Yami blickte auf das Ende der Gasse, wo sich an der Seite Mülltonnen reihten und an der gegenüberliegenden Mauer ein verschnörkeltes, eisernes Tor in den hübschen Garten eines alten Häuschens führte. Er bedauerte kurz, den Garten nicht betreten zu können und wollte nach rechts abbiegen, als ihn plötzlich ein eiskalter Schauder überfiel. Der Himmel verdunkelte sich schlagartig, die Luft flirrte in finsteren Wellen, die jedes Licht ausschlossen und jede Farbe mit Ausnahme von einigen dunkelroten Flecken, die sich im Schwarz ausbildeten, ausschlossen. Der Boden wölbte sich, schlug Wellen, was aber eine Täuschung sein musste, denn Yami konnte nicht fühlen, was er sah. Unwillkürlich wich er zur hinter ihm liegenden Wand zurück, neben sich das Gartentor. Das Unkraut, welches an den Häuserwänden wucherte, wölbte sich plötzlich wie in einer Explosion, bildete unnatürlich dicke Ranken aus und schlug Yami entgegen, schlang sich um seine Handgelenke ebenso wie die Füße, zog sich schmerzhaft zusammen und drückte ihn an die Mauer, so dass er sich kaum noch rühren konnte. Dunkle Schlieren, welche eine tentakelartige Form ausbildeten, schlangen sich um seinen Körper. “W-was willst du von mir?”, keuchte Yami. “Die Frist ist noch nicht vorbei. Es ist erst ein Monat vergangen.” Es kam keine Antwort, die Ranken schlangen sich nur fester um seinen Körper, schnitten regelrecht ins Fleisch und wie eine drückende Last legte sich eine Art schwarze Wolke über seinen Verstand, schloss ihn immer weiter von seiner Umwelt ab und brachte eine unglaubliche Kälte mit sich, die Yami im tiefsten Inneren zittern und erkennen ließ, dass es sich nur um die Kälte des Todes handeln konnte. Er realisierte, dass sich die Schattenkreatur offenbar nicht an die Abmachung halten würde, genauso wenig, wie er selbst es vorgehabt hatte. Es gab nur noch eine Möglichkeit für ihn: Er musste sofort handeln und darauf hoffen, dass Yugi ihn finden würde. Er konnte nur hoffen, dass die Macht des Milleniumspuzzles, welches er inzwischen wieder trug, ausreichte gegen dieses Wesen. Er konzentrierte sich, schloss dafür die Augen, was ihm unglaublich schwer fiel, da er in den panischen Gedanken verfiel, die letzten Augenblicke seines Lebens so auch noch versäumen zu müssen. Erleichtert fühlte er, wie etwas an seinen Verstand anknüpfte, das wie ein Strang aus goldenen Kügelchen vor seinem Inneren Auge aufblitzte: Das Milleniumspuzzle, oder vielmehr die Macht, welche ihm innewohnte. Er aktivierte den alten Zauber, den er schon vor dreitausend Jahren einmal angewandt hatte und hoffte, dass es in Anbetracht der schwarzen Kreatur, die an seiner Seele zog, überhaupt funktionieren würde. Und tatsächlich: Er spürte den altvertrauten Sog, gab sich ihm hin und versuchte sich gleichzeitig dem anderen Druck, dem Druck des schwarzen Nebels, der sich um seinen Verstand legte, zu entziehen. Plötzlich riss etwas und er konnte seinen Körper nicht mehr halten, hing leblos in den Schlingen, welche ihn festhielten. Zunächst nahm er nur Schwärze wahr und befürchtete schon, der Schattenkreatur zum Opfer gefallen zu sein, als sich das Dunkel um ihn ein wenig zu lichten begann und er das nur allzu bekannte Labyrinth des Puzzles wahrnahm. “Seltsam, ich dachte, dass Innere des Puzzles stellt den Zustand meiner Seele dar. Und es war ein Labyrinth, als ich meine Erinnerungen verloren hatte. Doch jetzt ist es wieder ein Labyrinth, obwohl ich mich nun an das meiste aus meiner Vergangenheit als Pharao erinnern kann”, flüsterte er nachdenklich vor sich hin. “Hoffentlich besitzt die Schattenkreatur nicht die Macht, mich hier heraus zu holen oder das Puzzle zu zerstören. Und wenn sie es nun einfach mitnimmt und mich zu einer Ewigkeit hier drin verdammt? Oder, wenn Yugi mich nicht findet?” Der Pharao setzte sich auf den steinernen Boden und versuchte, sich zu beruhigen. Er konnte nun mal nichts weiter tun, als warten und hoffen. Die Zeit schien sich zu einer Ewigkeit zu dehnen… Anmerkung von Silfier: Ich dachte, ich hätte es erwähnt, aber ich hab' s wohl vergessen, wie mir aufgefallen ist, als einige Fragen nach Benachrichtigungs-ENS bei neuen Kapiteln kamen. Und zwar lade ich jeden Freitag ein neues Kapitel hoch, deshalb verschicke ich auch keine Benachrichtigungs-ENS, weil das dann ja wohl überflüssig ist, oder? Mfg Silfier Kapitel 10: Verzweifelte Suche ------------------------------ Das Letzte, was du tust… Lass uns Hoffnung fühlen und Freundschaft spüren und nicht untergehen “Irgendwo muss er doch sein! Es kann doch nicht angehen, dass er einfach spurlos vom Erdboden verschluckt wurde!” In Panik lief Yugi durch das ganze Haus - einmal rauf und einmal runter und dieses Spiel wiederholte sich immer wieder. Inzwischen hatte er sämtliche seiner Freunde alarmiert, nebst Yamis Geliebten, Kaiba. Dieser war es auch, der es schließlich wagte, Yugi in den Weg zu treten und ihn bei den Schultern festzuhalten. “Jetzt beruhige dich erstmal!”, befahl er und blickte ihm streng in die Augen. Yugi schluckte. Erst jetzt realisierte er wirklich, dass ja noch einige andere Personen im Haus waren. Und Kaiba, wie er so vor ihm aufragte, konnte ganz schön einschüchternd wirken. Yugi konnte sich nicht erklären, wieso sich Yami ausgerechnet in ihn verliebt hatte. Aber vielleicht lag es genau unter anderem daran, dass Kaiba für sein Alter doch eine enorme Ausstrahlung an den Tag legte. Jedenfalls brachte diese Yugi dazu, fürs erste in die Realität zurückzufinden. “Du hast ihm doch neulich ein Handy geschenkt, nicht wahr?”, es war mehr eine Feststellung, denn schließlich hatte er Yamis Nummer damals von Yugi genannt bekommen. “Ja, wieso?”, guckte Yugi irritiert auf. “Nun, wenn er es eingeschaltet hat, können wir darüber seinen Standort feststellen. Normalerweise ist das nicht möglich, aber ich habe da so meine Beziehungen”, erklärte Kaiba und wandte sich ab. “Ich werde ihn finden.” Es klang wie ein Versprechen. Damit war er zur Tür hinaus. Yugi atmete erstmal ein wenig erleichtert, dass endlich etwas getan wurde, aus. Er wollte aber auch nicht untätig bleiben und machte sich deshalb selbst auf die Suche, wobei seine Freunde darauf bestanden, ihm zu helfen. Kaiba hatte sein Versprechen wahr gemacht und tatsächlich Yamis Aufenthaltsort festgestellt, oder vielmehr den seines Handys. Ob sich der Pharao selbst dort befand, war noch eine andere Frage. Schnell entpuppte sich der betreffende Ort als eine Polizeidienststelle, wo man ihnen freundlich und einigermaßen vorsichtig erklärte, dass ein Passant ihren Freund in einem erbärmlichen Zustand gefunden habe. Er sei ins Krankenhaus eingeliefert worden und liege nun im Koma. Yugi schluchzte auf, als er das hörte und konnte sich kaum beruhigen. Kaiba dagegen, den die Sache doch am meisten treffen müsste, verzog - mal abgesehen davon, dass sein Gesichtausdruck etwas verkniffen wirkte - keine Miene und dachte sofort an die praktische Seite, indem er sich nach dem Krankenhaus erkundigte, in welches Yami eingeliefert worden war sowie dessen persönlichen Gegenständen, die noch in der Polizeiwache lagerten. Eigentlich wollten die Beamten diese Sachen nicht herausgeben, doch Seto Kaiba hatte da seine ganz eigenen Methoden, an das zu gelangen, was er haben wollte. Und sie hatten Glück - dabei war tatsächlich wie erhofft, das Milleniumspuzzle. Die Freunde atmeten erleichtert auf, dass es nicht gestohlen wurde. Yugi nahm das Puzzle in die Hände und sogleich konnte er eine Stimme hören: “Partner?”, flüsterte es in seinen Gedanken und ein imaginäres Bild entstand vor seinen Augen. “Yami! Du bist da!”, rief er erfreut und unendlich erleichtert. “Aber, das bedeutet auch, dass dein Körper…”, stellte er traurig fest. “Damit haben wir doch gerechnet”, meinte Yami, als wäre das selbstverständlich für ihn. Wahrscheinlich wollte er nur seinen Aibou nicht noch mehr beunruhigen. “Nur, dass es so früh passiert ist, war nicht geplant. Die Schattenkreatur hat mich einfach überrascht und das war’ s dann. Ich kann von Glück reden, dass ich es überhaupt bis ins Puzzle geschafft habe.” “Ja, trotzdem. Irgendwie hatte ich gehofft, dass du doch noch deinen eigenen Körper behalten könntest, dass uns irgendeine andere Lösung einfallen würde. Nicht, dass ich nicht gerne meinen Körper mit dir teilen würde”, lenkte er schnell ein. “Aber so bist du immer von mir abhängig und auf mich angewiesen und kannst kein eigenes Leben führen. Das hätte ich mir so sehr für dich gewünscht.” “Danke, Aibou. Das weiß ich sehr zu schätzen. Ich glaube, ich kann schon froh sein, dass ich überhaupt noch lebe, wenn man das denn als Leben bezeichnen kann. Ich hatte mein Leben vor dreitausend Jahren und mehr ist mir wohl nicht vergönnt. Das Schicksal ist einfach dagegen, dass ich noch einmal von vorn anfange, immerhin hatte ich meine Chance bereits.” “Sag doch so etwas nicht”, entgegnete Yugi traurig. “Manchmal finde ich, hat Kaiba Recht. Ich dachte nicht, dass ich das jemals sagen würde, aber in diesem Fall… Ich meine, du solltest nicht so einfach vom Schicksal reden, als hättest du schon völlig resigniert. Das passt einfach nicht zu dir.” “Vielleicht hast du Recht. Aber im Moment fühle ich mich einfach so müde und ausgelaugt. Ich weiß nicht, wie lange ich diesen Zustand noch aushalte. Ich meine, die Aussicht auf ein Leben als Geist, der mal gelegentlich in den Körper eines anderen schlüpft, ist auch nicht das Wahre. Und dann tauchen auch noch ständig diese Schattenkreaturen auf und wollen meine Seele oder die Macht des Milleniumspuzzles oder was auch immer. Warum kann das denn nie aufhören, nicht mal nach dreitausend Jahren?” Yugi seufzte leicht. Darauf wusste er auch keine Antwort. “Hey, die mögen dich einfach, du bist eben so beliebt”, versuchte er den Pharao etwas aufzuheitern. Dieser rang sich jedoch nur ein leichtes Schmunzeln ab. “Komm, lass uns tauschen, damit du den anderen sagen kannst, dass es dir gut geht”, schlug Yugi vor, während sich ihre Freunde auch schon fragten, warum er so apathisch vor sich hinschwieg. Das Puzzle leuchtete in hellem Gold auf und überstrahlte Yugis Gestalt, so dass es kurzzeitig schien, als verschwämmen seine Konturen, nur um wieder feste Form in Gestalt von Yami zu anzunehmen, der die anderen nun freundlich anlächelte. Allerdings konnte man ihm ansehen, dass dieses Lächeln nicht wirklich echt war, sondern eher ein Ausdruck der Höflichkeit, um seine Freunde nicht noch mehr zu beunruhigen. “Ihr braucht euch keine Sorgen mehr zu machen”, verkündete er und es war erstaunlich, nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören, wie sehr sich Yugis Körper und seine Stimme mit dieser Verwandlung veränderten. So als stünde tatsächlich ein anderer Mensch vor ihnen. “Ich habe zwar meinen eigenen Körper verloren, aber es geht mir gut, denn ich konnte meine Seele in das Milleniumspuzzle retten, wie ihr seht.” “Ach ja? Du gibst deinen eigenen Körper so schnell auf?”, erkundigte sich Kaiba, der sich ziemlich schnell von seiner Überraschung erholt hatte. “Tut mir leid. Da ist nichts mehr zu machen, Seto. Selbst wenn es mir gelingen sollte, meinen Körper wiederzubeleben, indem ich in ihn zurückkehre, so wird doch davon die Schattenkreatur angelockt werden und mich wieder überfallen”, blickte er wehmütig zu ihm auf. Kaiba packte überraschend Yamis Handgelenk, hielt es fast schmerzhaft fest. “Oh, glaub mir. Du wirst in deinen Körper zurückkehren und zwar sofort. Ich werde schon dafür sorgen, dass diese Schattenkreatur sich warm anziehen kann. Diesem Abschaum werde ich es zeigen, darauf kannst du dich verlassen!”* Kaibas Augen schienen Funken zu versprühen, so sehr waren sie von Emotionen überladen. “Hey, das war mal eine Kampfansage!” rief Jonouchi begeistert. “Hey, ich geb’ s ja nur ungern zu, aber diesmal hat Kaiba Recht. Du solltest nicht so einfach dein eigenes Leben und deinen Körper aufgeben.” “Danke, Köter.” “Hey, das war…” Jonouchi führte den Satz nicht zu Ende, da er sich nicht entscheiden konnte, ob er sich über den Dank von Kaiba freuen sollte - immerhin hatte dieser ihm noch nie für irgendetwas gedankt, eher im Gegenteil - oder ob er sich über die Beleidigung in selbigem Atemzug aufregen sollte. “Also, ich finde, die beiden haben Recht. Du solltest alles versuchen, deinen Körper zu retten, auch wenn die Chance nicht groß ist, dass du gegen die Schattenkreatur gewinnst, sie ist es einfach wert, darum zu kämpfen”, warf nun auch Anzu ein. “Hey, was soll ich noch sagen? Die anderen haben Recht! Gibt nicht so einfach auf!”, fügte Honda hinzu. “Du bist doch der Pharao, oder nicht? Du gewinnst jedes Duell und wenn es gegen eine miese Schattenkreatur ist. Schließlich bist du nicht so weit gekommen und hast soviel durchgestanden, dass du hier und jetzt aufgibst, oder?” “Atemu, ich finde, unsere Freunde haben Recht”, fügte Yugi im Geiste hinzu. Yami seufzte leicht. Wenn seine Freunde, einschließlich seines Geliebten so anfingen und sein eigener Seelenpartner ihn auch noch Atemu nannte, dann wusste er, dass es für einen Protest im Grunde zu spät war. “Also gut, ich werde es versuchen, für euch Freunde. Was kann ich schon verlieren?”, stimmte er schließlich zu, woraufhin diese begeistert jubelten. “Worauf warten wir noch?”, unterbrach Kaiba ungehalten die fröhliche Stimmung und zog an Yugis Arm. “Willst du erst abwarten, bis dein Körper wirklich gestorben ist?” Das wollte er natürlich nicht und ließ sich deswegen von Kaiba mitziehen. Im Krankenhaus angekommen, machten sie sich so schnell wie möglich daran, Yamis Körper zu suchen, der sich hier irgendwo im Koma liegend befinden musste. Yugi, der wieder mit Yami getauscht hatte, gab einen geschockten Laut von sich, als er den Körper seines Aibous, blass wie ein Leichentuch, an ein Beatmungsgerät angeschlossen daliegen sah. “Ich will ehrlich zu ihnen sein”, begann der zuständige Arzt, der sie begleitet hatte. “Es besteht so gut wie keine Hoffnung mehr, dass er jemals wieder aus dem Koma erwachen wird. Es ist uns ein Rätsel, wie dies passieren konnte, denn abgesehen von einigen Schürfwunden an Handgelenken und Rücken, gibt es keinerlei Hinweise auf eine Gewaltanwendung. Auch Gift können wir inzwischen ausschließen, ebenso wenig haben wir eine Krankheit feststellen können. Es tut mir aufrichtig leid”, schloss der Arzt in routinemäßiger Art mit einem Seufzen. Jedoch musste es selbst ihm schwer fallen, einen scheinbar so jungen Mann beim Sterben zuzusehen und noch nicht einmal zu wissen, was der Grund dafür war. Schließlich verließ er das Krankenzimmer und ließ die Freunde alleine. “Ist es wirklich noch möglich, ich meine…”, Yugi war schockiert über Yamis Aussehen. “Dein Körper sieht aus, als wäre er…” Er konnte einfach nicht weitersprechen. “Ich weiß, Aibou. Doch jetzt, wo ich schon einmal da bin und mich dazu entschlossen habe, werde ich es wenigstens versuchen. Auch, wenn ich bei dem Versuch sterben sollte. Vielleicht wäre das sogar besser, denn dann könnte mich die Schattenkreatur nicht mehr kriegen…, glaube ich.” Yami wurde plötzlich klar, dass er nicht krampfhaft an einem Leben festhalten konnte, das nicht seines war. Wenn er schon weiterlebte, dann wenigstens in seinem eigenen Körper. Wenn es nicht funktionierte, dann sollte es eben nicht sein. “Hey, dass du mir jetzt ja keinen Unsinn machst!”, drehte Kaiba Yugi an den Schultern zu sich herum und da klar war, dass er eigentlich mit Yami sprechen wollte, übertrug der nun seinen Geist auf Yugi. “Verfall bloß nicht wieder in so negative Gedanken von wegen, es sei dein Schicksal zu sterben und ins Jenseits zu verschwinden. Tu das bloß nicht, sonst werde ich dich auf ewig hassen, verstehst du?”, blickte ihn Kaiba mit aller Eindringlichkeit an, zu der er fähig war und das war eine Menge, wie der Pharao fand. “Nein, ich werde kämpfen, das verspreche ich dir, mein Schatz”, lächelte Yami und legte seine Hände an Kaibas Wangen, während er innerlich überrascht war, wie sehr sein Freund ihn doch durchschaute, was erneut dieses warme Kribbeln in ihm erzeugte, welches er so liebte. “Seto, ich liebe dich.” Es war, als spräche er seinen letzten Abschied, nur für den Fall der Fälle und zog seinen Kopf zu einen Kuss herunter. “Oh nein, wie romantisch. Ich kann gar nicht hinsehen!”, rief Jonouchi aus. “Und ich auch nicht, Kumpel”, fielen sich Honda und er einstimmig in die Arme und es sah so aus, als würden sie gleich zu heulen anfangen. “Er wird es schaffen, da bin ich mir ganz sicher”, war Anzu zuversichtlich und blinzelte ebenfalls einige Tränen weg. Yami löste sich schließlich schweren Herzens von Kaiba und trat an “sein” Bett. “Das ist schon irgendwie kurios, so auf sich selbst runterzuschauen, was?”, lächelte Yugi neben ihm unsicher in Geistform. Der Pharao nickte abwesend, starrte auf seinen wie tot wirkenden Körper hinunter und schluckte. Vielleicht war das doch keine so gute Idee? Aber da musste er jetzt durch. Er konzentrierte sich auf das Milleniumspuzzle, bis es hell aufglühte und seinen Geist freigab, woraufhin er sich auf seinen Körper zutreiben ließ. Kurz davor fühlte er eine merkwürdige Schwelle, wie eine Grenze aus Gummi, welche ihn zurückwerfen wollte. Er drängte sich fester dagegen, wandte mehr Kraft auf, um sein Gehirn wieder zu aktivieren, die Seele wieder in es zurückkehren zu lassen. War es vielleicht gar nicht mehr möglich? Er nahm die Unterstützung des Puzzles zur Hilfe und nun funktionierte es. Mit einem plötzlichen Ruck “landete” er in seinem Körper. Der erste Gedanke, der ihm kam, war: Kalt! Er ruckte auf, wie plötzlich aus einem tiefen Schlaf erwacht und zitterte am ganzen Körper, doch das fühlte er kaum. Zu betäubt war er noch von seinem fast toten Zustand. Er wusste nur, wenn nicht bald etwas geschah, würde er sterben, noch bevor es richtig angefangen hatte. Seine Freunde standen in höchster Besorgnis um ihn herum, er hörte sie wie aus weiter Ferne sprechen, wollte ihnen sagen, dass ihm fürchterlich kalt war und dass sie ihn bitte wärmer zudecken sollten, doch es ging nicht. Sein Körper zitterte zu sehr und die Lippen wollten sich nicht bewegen. Glücklicherweise erkannte Kaiba sehr schnell, was Sache war und war ebenso schnell losgesprintet, um eine Wärmflasche und weitere Decken beim Krankenhauspersonal einzufordern, sowie den Ärzten Bescheid zu sagen, dass Yami wieder halbwegs bei Bewusstsein war. “Bitte, komm zu dir!”, nahm er ihn anschließend bei den Schultern und schüttelte ihn sanft, aber bestimmt. Yamis Augen waren geschlossen, da er einfach nicht die Kraft hatte, sie zu öffnen. Er drohte, in die Bewusstlosigkeit abzusacken oder zumindest in einen tiefen Schlaf. Kaiba schlang seine Arme um ihn, versuchte, ihn so zu wärmen. “Ganz ruhig, ist ja gut”, sprach er auf ihn ein und wunderte sich kurz über sich selbst, da es ihm vorkam, als rede er wie ein Fremder. Er küsste Yami auf die Wange und schmiegte seine eigene an dessen Gesicht, legte sich halb auf ihn, um ihm seine Körperwärme zu geben. Yugi und seine Freunde standen, selbst zitternd, um das Bett herum. Ein Arzt kam herbei, dem in Anbetracht dieser “Wunderheilung” kurz der Mund offen stehen blieb, bevor er sich daran machte, Yami zu untersuchen und ihm ein kreislaufstabilisierendes Mittel zu injizieren. “Wie geht es dir, Yami?”, erkundigte sich Kaiba, welcher immer noch seine Arme um ihn geschlungen hatte, mit warmer Stimme, nachdem sich die ganze Aufregung etwas gelegt und der Pharao wieder zu sich gekommen war. “Danke, es ist alles in Ordnung. Ich werde es überstehen, auch wenn ich nicht sofort wilde Partys feiern kann.” “Hm, ich kann Partys sowieso nicht ausstehen und wilde erst recht nicht”, erklärte Kaiba und es war irgendwie seltsam, ihm anzusehen, wie viel Liebe und Wärme er auszustrahlen in der Lage war. Bisher hatte man ihn stets nur kalt und abweisend erlebt. Besonders Jonouchi stand vor Verblüffung immer noch der Mund offen. *Ja, Kaiba, wir wissen ja, warum du Yamis Körper unbedingt wiederhaben willst *eg*. Kapitel 11: Wessen Seele nehm' ich mir? --------------------------------------- Träumst du nun, träumst du den Traum der Hoffnung wo ist er hin? Hier stehen wir nun im Licht der Sterne macht es einen Sinn? Inzwischen waren einige Tage vergangen und Atemu war wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden, wobei er auf das Angebot Kaibas hin bei diesem gleich eingezogen war. Dies war nicht nur aufgrund der Tatsache zustande gekommen, dass die beiden sich liebten und öfter zusammen sein wollten, oder weil dort mehr Platz als bei Yugi war, sondern auch, weil Kaiba gern ein Auge auf seinen Geliebten hatte, um ihn vor weiteren eventuellen Angriffen zu schützen. Allerdings wurde die Sache nicht so schön, wie Yami sich das anfangs vorgestellt hatte, da Seto geradezu paranoid in dieser Hinsicht war und ihn nicht mehr rauslassen wollte. Er sperrte den Pharao tatsächlich in seinem Haus ein, so dass dieser sich vorkam wie ein wertvolles Schmuckstück, welches in einem Safe verschlossen wurde und dies gefiel ihm gar nicht. “Seto, ich verstehe ja, dass du dir Sorgen um mich machst”, begann er am nächsten Morgen, bevor sein Freund wieder zur Schule verschwinden konnte. “Aber so geht es nicht weiter. Du kannst mich nicht ewig einsperren, um mich zu beschützen. Ich möchte auch mal raus und etwas erleben, mich mit meinen Freunden treffen und nicht ständig in diesem Haus festsitzen”, protestierte er und stemmte seine Hände auf den Küchentisch, direkt vor Kaibas Nase, der gerade eine Zeitung in der Hand hielt und nebenbei seinen Kaffee schlürfte. “Keine Sorge, Yami. Dieser Zustand wird nur so lange andauern, bis ich diese Schattenkreatur vernichtet habe. Das kann nicht mehr lange dauern. Bis dahin wirst du dich aber noch gedulden müssen, denn ich kann nicht zulassen, dass dieses Wesen dich vorher erwischt.” Kaiba sah so aus, als dulde er keine Widerrede. “Nun gut, wenn es wirklich nicht mehr lange dauert, bin ich einverstanden. Aber willst du mich nicht vielleicht in deinen kleinen Plan einweihen?” Irgendwie war der Pharao gar nicht bei guter Laune. Neulich war er noch viel süßer zu Kaiba gewesen, wie dieser mit einem abwesenden Grinsen feststellte. “An was denkst du gerade?”, erkundigte sich Yami mit einem lauernden Unterton und vor der Brust verschränkten Armen. “Hm, ich dachte nur gerade daran, dass du neulich Abend wesentlich netter zu mir warst. Das könnten wir doch wiederholen, meinst du nicht?” Mit diesen Worten zog er den Pharao auf seinen Schoß, welcher nur leichten Protest einlegte, da er selbst Setos Wärme und seine Nähe genoss. Außerdem war das eine gute Möglichkeit, ihn doch noch zu überreden. Sanft legte er seine Lippen an Kaibas Ohr und leckte leicht darüber, während er mit den Händen unter die Jacke seiner Schuluniform fuhr. “Und, wie lautet denn dieser tolle Plan?”, hauchte er ihm verführerisch ins Ohr, legte noch eins drauf, in dem er sich an dessen Hosengürtel zu schaffen machte. “Hmpf. Yami… Das ist unfair.” “Wieso? Ich bin nicht fairer als du.” Mit diesen Worten vergrub er seine Hände in den braunen Haaren und küsste ihn, während er seinen Körper stärker gegen Kaibas lehnte. “L-lass das jetzt, Yami! Ich muss zur Schule”, protestierte dieser schwach unter leisem Keuchen. “Ich erzähle dir alles, wenn ich heute Nachmittag wieder komme”, versprach er. “Fein. Ich freue mich schon darauf”, sprach’ s und zog ihn zu einem weiteren, weniger unschuldigen Kuss als eben zu sich heran, was darin endete, dass Kaiba sich nicht mehr beherrschen konnte, Yami ungestüm mit sich hochhoch und auf dem Küchentisch platzierte, wobei er kaum registrierte, dass sämtliches Geschirr den Abflug machte und auch die Schule war für den Augenblick vergessen. Völlig durcheinander machte sich Kaiba anschließend auf den Weg zur Schule. Er bekam kaum etwas von seiner Umgebung mit, da seine Gefühle und Gedanken immer noch vollkommen verrückt spielten. Niemals hätte er gedacht, dass ihn jemand so aus der Fassung bringen konnte, aber Yami hatte es tatsächlich geschafft. Er konnte von Glück reden, dass er es gerade noch rechtzeitig geschafft hatte, sich loszureißen, damit er nicht zu spät kam. Aufgeregt fuhr er sich durch die Haare und versuchte, wieder zur Ruhe zu kommen. Auch später im Unterricht konnte er sich kaum konzentrieren, weil er ständig an Yami denken musste. Diese Gedanken drehten sich aber nicht nur um seine Verliebtheit, sondern beinhalteten auch die Sorge um ihn. Tatsächlich hatte er ihm nicht ganz die Wahrheit gesagt, als er behauptete, er hätte einen Plan, um die Schattenkreatur zu vernichten. Zwar hatte er sich schon allerlei Gedanken gemacht und war zig Möglichkeiten durchgegangen, doch stellte sich jedes Mal heraus, dass es einen Haken bei seinem Plan gab, weshalb er sich nicht durchführen ließ. Und jetzt hatte er Yami versprochen, ihm heute Nachmittag seinen Plan zu verraten! Es war zum aus der Haut fahren. Als an diesem Tag die Schule endete, fuhr er erstmal in seine Firma, um noch in Ruhe nachdenken zu können. Vielleicht fiel ihm doch noch etwas ein. Yami würde zwar merken, dass er nicht direkt nach Hause kam, aber da konnte er sich ja noch mit der Ausrede herauswinden, er hätte noch zu Arbeiten gehabt. In gewisser Weise traf das ja auch zu und Yami musste nicht unbedingt erfahren, dass er erst jetzt seinen Plan zur Vernichtung der Schattenkreatur vervollkommnte. So saß er schließlich an seinem Schreibtisch in guter Höhe über der Stadt, auf die er durch sein Panoramafenster einen herrlichen Ausblick hatte und starrte auf seine Karte des weißen Drachen, von der er wusste, dass es sich um mehr als ein Bild auf einem Stück Papier handelte. Ihr wohnte ein Geist inne, der Seto begleitete, seit er dem Mädchen Kisara in seinem früheren Leben als Seth das Leben gerettet hatte. Damals hatte er die Geschichte nicht glauben wollen, doch inzwischen wusste er, dass sie wahr sein musste. Der Geist des weißen Drachen wohnte auch nicht wirklich in der Karte, dieses Bild war nur eine Hilfe, eine Art Stütze, ihn zu rufen. Aber würde das ausreichen? Konnte der weiße Drache die Schattenkreatur besiegen? Er wusste es nicht, hatte keine Ahnung, wie stark dieses mysteriöse Wesen wirklich war. Jedoch war ihm klar, dass es die einzige Möglichkeit darstellte, über die er verfügte. Somit hieß es nur noch warten und jederzeit bereit zu sein für das Auftauchen ihres Feindes. Seufzend wandte er sich dem Fenster zu, welches einen Spalt gekippt war. Der Himmel war heute von intensiv blauer Farbe und ein ungewöhnlich warmer Wind schob weiße Wolkenfetzen vor sich her. Seine Gedanken schweiften ab, zum Beginn dieser ganzen mysteriösen Geschichte, zu dem Zeitpunkt, da er dem anderen Yugi zum ersten Mal begegnet war und ihn als seinen Feind betrachtet hatte. Wie dumm er damals doch gewesen war! Selbst vor kurzem hatte er noch geglaubt, dass seine Gefühle für Yami krank wären und dass dieser ihn nur ausnutzen wollte. Inzwischen wusste er, dass diese Angst unbegründet war. Nichts würde seine Liebe zu Yami noch erschüttern können. Selbst, wenn er dafür sterben müsste… Entschieden wandte er sich vom Fenster ab, streifte die düsteren Gedanken von sich. Er musste jetzt zu Yami zurück. Atemu hielt sich tatsächlich an Kaibas “Anweisung” auf dem Gelände dessen Hauses zu bleiben und genoss gerade die Aussicht vom Balkon herab auf den schönen, großen Garten des Anwesens. Nachdem er eben von der Hausdame Kaffee und Kuchen serviert bekommen hatte, überlegte er nun, ob er nicht einen kleinen Verdauungsspaziergang durch den Garten machen und sich diesen mal genauer ansehen wollte. Andererseits müsste Kaiba aber jeden Augenblick wieder zurückkommen. Genau genommen, war dieser bereits überfällig und er begann schon unruhig zu werden. Was, wenn ihm etwas zugestoßen war? Ach, was. Wahrscheinlich machte er sich nur unnötig einen Kopf. Er wandte sich vom Balkon ab und lief durch das geräumige Gästezimmer, welches man schon als eigenständige Wohnung bezeichnen könnte, nach unten ins Wohnzimmer, wo er ständig von einem Ende zum anderen zu laufen begann. Diese Warterei machte ihn noch wahnsinnig! Kurz dachte er daran, den Fernseher einzuschalten, schüttelte dann jedoch den Kopf. Darauf könnte er sich jetzt ohnehin nicht konzentrieren. Inzwischen war es schon halb sechs, wie Yami mit einem weiteren finsteren Blick auf die Wanduhr feststellte. Es kam ihm so vor, als bewege sich deren Zeiger immer langsamer, je länger er darauf starrte. Ungeduldig runzelte er die Stirn - verdammt! Warum musste er sich nur solche Sorgen machen? Das gehörte wohl zu den Nachteilen, wenn man verliebt war. Aber immerhin hatte seine Sorge auch noch einen ganz konkreten Grund. Er fuhr sich aufgewühlt durch die Haare. Er hätte wohl besser keinen Kaffee, sondern eher einen Beruhigungstee trinken sollen. So ging das ja nicht weiter. Entnervt aufstöhnend, ließ er sich auf die helle Couch fallen und schnappte sich eines der Magazine, welche in einem Ständer aufgereiht waren. Die meisten davon behandelten wissenschaftliche Themen und auch Prospekte der Kaiba-Corporation hatten sich hier eingeschmuggelt. Nanu? Was war denn das? Interessiert hob Yami ein Päckchen mit Fotos auf, welches zwischen den Zeitschriften gesteckt hatte und herausgefallen war. Neugierig betrachtete er sie und fand dort Bilder von Mokuba, Seto, diversen Orten, die er nur zu geringen Teilen zuordnen konnte und…Bildern von sich! Ihn mit Seto beim Duellieren in den verschiedensten Posen, von vorne, von der Seite, von hinten, sogar von oben! Aber auch Bilder, auf denen er allein zu sehen war, auf denen er nicht in die Kamera schaute, weil er gar nicht bemerkt hatte, dass diese Fotos gemacht worden waren. Zunächst schaute Yami verwundert, dann jedoch entkam ihm ein Schmunzeln. So, so, hatte der gute Kaiba also schon etwas länger als zugegeben, von ihm geschwärmt. Wenn er das gewusst hätte! Dann hätte er sich die ganze Panik und die Tränen ersparen können. Na, das war doch mal eine gute Gelegenheit, um den jungen Firmenchef etwas aufzuziehen. Ob er ihn damit wohl in Verlegenheit bringen könnte? Seto sah bestimmt süß aus, wenn er verlegen wurde. Yami konnte es sich so richtig gut vorstellen. “Nun, Pharao, endlich kommt es zu einem Ende! Ich habe lange genug gewartet. Bezahl mir nun endlich, was mir gebührt, deine mächtige Seele!” Panisch sprang Yami auf, ließ die Fotos fallen, welche sich in tausend Ecken zerstreuten. Als er das Bild vor sich sah, meinte er, sein Herz müsse kurz aussetzen. Mit der Schattenkreatur allein hätte er rechnen können, aber das hier… “Lass Seto los, er hat damit nichts zu tun!” “Nun, das sehe ich aber anders”, flüsterte das Schattenwesen mit einer Stimme, die so eindringlich war, dass sie nicht laut zu werden brauchte, um einen zu erschüttern. In den fließenden Schatten der Kreatur, welche es im Raum immer finsterer werden ließen, hing wie aufgespießt an einer dunklen Verästelung Seto Kaiba, dessen Gesicht vor Schmerz verzogen war und der die blauen Augen kaum offen halten konnte. “Yami, lass dich nicht von ihr um den Finger wickeln. Zerstöre sie mit Hilfe des Schwarzen Magiers. Ich weiß, du kannst es!”, rief Kaiba unter Anstrengung, bevor seine Stimme in einem schmerzvollen Gurgeln unterging. “Irrtum, dein Schwarzer Magier kann mir überhaupt nichts. Und selbst wenn, müsste dein Freund und Geliebter vorher in den Schatten verschwinden, auf immer und ewig. Auch, wenn seine Seele nicht so machtvoll ist wie deine, so ist sie doch immer noch mächtiger als die der meisten Menschen. Das heißt, wenn du mir nicht deine geben willst, dann nehme ich mir eben seine…und anschließend auch noch deine, denn du kannst mich sowieso nicht aufhalten. Also gib lieber gleich auf und überlasse mir deine Seele, dann kannst du wenigstens deinen Freund retten.” “Hör nicht auf sie, Yami! Sie will uns beide verschlingen. Rette dich wenigstens!”, brachte Kaiba keuchend unter Anstrengung hervor und wand sich vor Schmerzen. Das Blut in Atemus Ohren rauschte. Für den Augenblick war er wie gelähmt. Was sollte er nur tun? Wahrscheinlich hatte Kaiba Recht und die Schattenkreatur wollte ihrer beider Seelen, dann wäre es nur vernünftig, sie mit dem Schwarzen Magier anzugreifen. Allerdings konnte er unmöglich Seto opfern, nein, niemals! Doch wie sollte er seinen Geliebten retten? Hatte er überhaupt noch eine Chance? Hallo Leute, da diese FF nächste Woche zu Ende geht, möchte ich mich an dieser Stelle mal bei den 36 Leuten bedanken, die diese Story in ihre Favoriten-Liste gesetzt haben. Aber noch mehr bei allen Kommentar-Schreibern, die, merkwürdigerweise, viel seltener gesät sind^^. Aber ich weiß schon, ihr habt Angst, dass ich durch die Internet-Leitung krieche und euch beiße. Ich bin ja gefährlich. Übrigens habe ich eine neue Yu-Gi-Oh! Story angefangen. Der Titel ist: Das Schloss der lahmen Schnecke Momentan ist es nur Kapitel 1, aber Kapitel 2 durfte direkt nach diesem hier freigeschaltet werden. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr ja mal vorbeischauen. @Choko Du weißt schon, dass ist die FF, wo Kaiba im Wald umherirrt und du unbedingt wissen wolltest, wie es weitergeht^^. Kapitel 12: Sieg oder Niederlage? --------------------------------- Wir sind hier, aber nicht um zu töten. Wir sind hier, um zu leben. Das ist alles. “Gut, nimm mich, aber nur, wenn du ihn vorher gehen lässt!”, rief Yami. “Hoho, als könntest du hier noch Bedingungen aushandeln!” “Du musst. Der Pakt, welchen ich mit dir ausgehandelt habe, gilt nur für meine Seele. Setos kannst du nicht haben. Wenn du es doch tust, muss ich dich mit dem Schwarzen Magier angreifen!” Der Pharao versuchte, seiner Stimme Festigkeit zu verleihen. “Du hast es selbst gesagt: Meine Seele ist mächtig und diese Macht wird durch das Milleniumspuzzle noch verstärkt. Wenn ich es will, kann ich dich einfach wegfegen. Ich bin damals nur diesen Pakt mit dir eingegangen, weil ich nicht über die Möglichkeit verfüge, Leben zu geben. Vernichten kann ich aber sehr wohl. Und ob meine Macht ausreicht, um dich zu besiegen, davon wirst du dich wohl selbst überzeugen müssen, wenn du Seto nicht freiwillig gehen lässt.” “Oho, kühne Ansprache. Hätte ich gar nicht von dir erwartet. Oder doch? Immerhin bist du der berühmte Pharao…Atemu, richtig? Sogar unter uns Wesen der anderen Dimension bist du bekannt. Doch, wenn du sogar mächtig genug bist, mich zu besiegen, wie du behauptest, warum hast du mich dann nicht angegriffen, als ich neulich deine Seele holen wollte, sondern bist stattdessen kläglich geflüchtet?” “Weil ich da meinen Schwarzen Magier nicht dabei hatte und außerdem von dir überrascht wurde. Doch mit seiner Hilfe werde ich dich besiegen.” Atemu war keineswegs so sicher, wie er sich gab, doch er wusste, dass er alles daran setzen musste, seinen Feind zu überzeugen. “Nun, dann nehme ich deinen Freund eben als Schutzschild. Aber ich sehe schon, so kommen wir nicht weiter. Vielleicht sollte ich ihn einfach töten, wenn du nicht freiwillig aufgibst und dann sehen wir ja, wer von uns beiden der Stärkere ist.” Das hatte der Pharao befürchtet. Was sollte er nur tun? Was konnte er tun? Er blickte mit dumpfer Verzweiflung hinunter auf die Karte des Schwarzen Magiers. “Hilf mir bitte!”, flüsterte er, ehe er die Karte sinken und schließlich zu Boden fallen ließ, den Blick nach unten gerichtet. “Gut, ich gebe auf”, erklärte er schließlich. “Lass Seto bitte gehen.” “Schön, so ist’ s gut.” Die Schattenkreatur ließ Kaiba tatsächlich los, denn ihr war wohl klar, wenn sie ihr Wort brach und ihn zuerst tötete, würde der Pharao sie sicher angreifen. Immerhin hätte er dann die Gelegenheit dazu. Doch schnell wie der Blitz, kaum sichtbar, zuckte sie auf Yami zu, damit dieser die Möglichkeit nicht nutzen konnte, da Kaiba nicht mehr als lebender Schutzschild diente. Dicke schwarze, wabernde, fließend wirkende Stränge aus Finsternis, die von allen Seiten aus der Tiefe des Raumes zu kommen schienen, schlangen sich um Yami. Mit zitternden Beinen kam Kaiba wieder auf die Füße, blickte hasserfüllt aber auch voll unterdrückter Angst auf die Schattenkreatur, die eher wie ein auf diesen Raum beschränktes schwarzes Loch wirkte, denn wie ein auf seine Konturen begrenztes Wesen - und Yami mitten darin war halb verschlungen von der Finsternis. Was sollte er nur tun? Mit dem weißen Drachen angreifen und damit wahrscheinlich auch Yami verletzen, oder mit ansehen, wie sein Geliebter einfach verschlungen wurde? Schnell entschied er sich für erstere Möglichkeit. Mit dieser bestand immerhin noch eine winzige Chance. In diesem Moment dachte er nicht daran, dass er wieder allein und ohne Freunde sein, wahrscheinlich seine erste und große Liebe verlieren würde, in diesem Moment fühlte er nur den Schmerz und handelte. “Blauäugiger weißer Drache mit eiskaltem Blick, erscheine und vernichte ihn!”, zeigte er mit ausgestreckter Hand, in der er die Karte hielt. In diesem Moment war er sich sicher, würde er selbst ohne Hilfe des Abbilds auf der Spielkarte den Drachen rufen können, so voller Wut, Entschlossenheit und Verzweiflung war er. In einem gleißend weißen Licht, welches den Raum durchteilte und wie scharfe Messer durch die Luft und die Schatten schnitt, erschienen die Umrisse des weißen Drachen, riesig, kaum in den großen Wohnraum hineinpassend. Die Schwingen spannten sich von einer Wand zur anderen und der gewaltige Kopf befand sich direkt über Yami und den schwarzen Schlieren des Schattenwesens. Ein glühender Ball aus weißer, knisternder Energie erschien im weit geöffneten Rachen des Drachen. Kaiba wollte die Augen schließen, wollte nicht sehen, wie sein Geliebter zusammen mit der Schattenkreatur getötet wurde. Doch in diesem Augenblick blitzte etwas Lilafarbenes zwischen dem hellen Licht des Drachen und Yami auf. Kaiba blinzelte, konnte aufgrund der vielen Lichtreflexe und dunklen Schlieren nichts Richtiges erkennen. In diesem Moment schoss der weiße Drache seinen Energieball auf die Schattenkreatur ab oder vielmehr machte es den Eindruck, als fiele der Ball einfach hinunter, so kurz war der Abstand zwischen den beiden übersinnlichen Wesen. Es gab einen lang gezogenen, unglaublich hohen, kreischenden Ton und das weiße Licht erfüllte den Raum so stark, dass Kaiba die Augen schließen und sich die Ohren zuhalten musste. Helle Flecken tanzten vor seiner geblendeten Netzhaut, als er versuchte, sie wieder zu öffnen. Er blinzelte in den Raum, der ihm nun ungewöhnlich dunkel erschien. Vor ihm lag, halb auf dem Boden, Yami, welcher sich gerade aufrichtete. “Atemu!”, rief er erleichtert aus und machte drei kurze Sprünge, schloss ihn in seine Arme, zog ihn auf seinen Schoß und hielt ihn so fest, dass es fast wehtat. “Ist dir auch nichts passiert?” “Nein, es ist alles in Ordnung, dank meinem Schwarzen Magier, der mich im letzten Moment zur Seite gestoßen und vor der Attacke des weißen Drachen geschützt hat. Ich bin bloß unendlich müde, weil mich das Heraufbeschwören des Magiers und dessen Zerstörung unglaubliche Kraft gekostet hat. Wenn ich erst mal ausgeschlafen bin, wird es mir wieder gut gehen. Weißt du, dass das übrigens das erste Mal war, dass du mich mit meinem richtigen Namen angeredet hast?” “Wirklich? Gefällt dir das?” “Hm”, stimmte Yami zu, der den Kopf auf seiner Schulter abgelegt hatte. Eine Weile verharrten sie so eng umschlungen, ehe Kaiba bemerkte, dass Yami offenbar eingeschlafen war. ‘Sein Körper fühlt sich so warm an‘, dachte er und freute sich, dass er diese Wärme noch erleben dürfte und hoffentlich noch eine lange Zeit nicht mehr missen müsste. Vorsichtig hob er Yami hoch, auf seine Arme, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken. Ihm fiel auf, wie zierlich und zerbrechlich er in seinen Armen wirkte und wie leicht er war. Es war irgendwie eine seltsame Erkenntnis, hatte er seinen Freund doch stets so stark und irgendwie…groß und mächtig erlebt. Es schien, als ließe seine innere Größe auch seinen Körper wachsen. Doch jetzt war er vor Erschöpfung eingeschlafen und wirkte so unglaublich niedlich und attraktiv, wie er da so in seinen Armen lag. Am liebsten hätte er ihn auf der Stelle vernascht, aber er beherrschte sich und ließ den Armen schlafen, indem er ihn in sein Bett trug und liebevoll zudeckte. Nachdem er die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte, atmete er erstmal tief durch und bemerkte, dass er selbst ebenfalls erschöpft war. Sein Körper zitterte ein wenig und sein Magen knurrte. Aber irgendwie konnte er nach dem gerade erst erlebten Schock noch nichts essen. Deshalb machte er sich in der Küche ausnahmsweise nur einen Tee, statt des üblichen Kaffees und lehnte sich nachdenklich gegen den Schrank. Hoffentlich war die Schattenkreatur wirklich vernichtet und nicht nur geflohen. Und hoffentlich bekam Atemu in Zukunft keinen Ärger mehr wegen irgendwelchen Wesen, die hinter seiner Macht her waren. Epilog: Wie es weitergeht ------------------------- Yami blinzelte gegen das helle Sonnenlicht, welches auf seinen Augen lag und hob gähnend eine Hand, um sich darüber zu reiben. Irritiert und noch ziemlich verschlafen, blickte er sich um, erinnerte sich langsam an die vergangenen Erlebnisse. Jetzt erschien es ihm fast wie ein Alptraum, eine grässliche Schimäre, der nun hoffentlich zu Ende war. Er stellte fest, dass er in Kaibas Bett lag, welches gut und gerne zwei Personen Platz bot. Überrascht lächelnd, bemerkte er seinen Freund, der auf einem Stuhl neben dem Bett saß, oder nun vielmehr halb darüber hing und eingeschlafen war. Hatte er etwa die ganze Nacht über ihn gewacht? Liebevoll strich er ihm durch das braune, vollkommen zerzauste Haar, bis er mit einem Knurren aufwachte. “W-was… Was ist passiert?”, schreckte er aus seinem Schlaf. “Oh, nein, ich bin eingeschlafen!”, stellte er in leichtem Entsetzen fest. “Das macht doch nichts”, lächelte Yami ihn an. “Nur muss es ganz schön unbequem sein, so halb im Sitzen zu schlafen. Tut dir was weh?” “Na ja, mein Nacken macht nicht gerade Freudensprünge”, richtete er sich vorsichtig auf, “aber das ist nicht der Rede wert. Verdammt, eigentlich wollte ich doch auf dich aufpassen und dich mit einem Frühstück überraschen”, blickte er verdrießlich drein. “Mach dir keine Vorwürfe. Die Schattenkreatur ist nun vernichtet und uns droht keine Gefahr mehr. Du hättest dich ebenfalls hinlegen und richtig schlafen sollen.” “Ich weiß, ich habe auch nicht erwartet, dass wir erneut angegriffen werden, ich hatte nur befürchtet, dass es…”, stockte er und meinte, verlegen den Kopf zur Seite drehend, “dass es dir vielleicht doch schlechter ging, als es schien und wollte dich nicht so einfach alleine schlafen lassen.” Eine angenehme Wärme stieg in Yami hoch, ließ ihn vor Glück seufzen. “Seto, ich danke dir, dass du so besorgt um mich bist, das ist süß von dir. Aber du solltest auch an deine eigene Gesundheit denken”, nahm er ihn in den Arm und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. “Was hältst du davon, wenn ich dir nach dem Frühstück den Nacken massiere?” “Liebend gerne, aber nur, wenn du mich nicht mehr süß nennst.” “Ach, ich weiß wirklich nicht, ob ich dir den Gefallen tun kann”, versuchte Yami seinen Freund zu ärgern, weil er es liebte, diesen so “süß” schmollen zu sehen. “Nun, aber vielleicht kannst du mir wenigstens diesen Gefallen tun…” Mit diesen Worten zog Kaiba ihn sanft, aber bestimmt, zu sich und küsste ihn genießerisch. Yami schloss die Augen und vertiefte sich ebenfalls in den Kuss, spürte, wie Seto ihm sanft durch die Haare strich und mit der anderen Hand über den Rücken fuhr. “Hm”, löste er sich seufzend von Kaiba. “Vielleicht geht es mir doch noch nicht so gut, mir ist ganz schwindlig. Ich glaube, ich lege mich wieder ins Bett. Was hältst du davon, mir Gesellschaft zu leisten?”, grinste er ihn an. “Ich glaube eher, dass es dir im Gegenteil viel zu gut geht, du kleiner Schlingel”, erwiderte Kaiba, ließ sich aber von Yami am Kragen mit ins Bett ziehen, wo er sich halb über ihn legte und sie ihren Kuss fortsetzten. “Hm”, seufzte Yami, nachdenklich auf der Küchenbank sitzend und an seinem warmen Kaffee nippend. “Was ist?”, warf Seto ihm einen fragenden Blick zu. “Nichts, das Frühstück ist lecker, danke”, stellte der ehemalige Pharao fest und umklammerte auf seinem Schoß den weißen Kaffeebecher. Seto konnte nicht anders, als zu schmunzeln, denn Yami bot einfach einen zu niedlichen Anblick wie er da in einem von seinen, für ihn viel zu großen Hemden, dasaß und den, in seinen zierlichen Händen ebenfalls viel größer wirkenden Kaffeebecher, festhielt. Außerdem konnte er noch aus einem anderen Grund seinen Blick nicht von ihm wenden: Er trug nämlich keine Hose und seine wunderschönen, schlanken Beine waren zu gut drei Vierteln sichtbar. Trotzdem konnte er den melancholischen Blick seines Freundes nicht übersehen. “Erzähl das deinem Großvater”, bemerkte er deswegen, stellte seine eigene Tasse ab und beugte sich über ihn. “Also, was ist los?” “Ach, es ist nur, dass ich einfach nicht glauben kann, dass alles schon vorbei sein soll. Es ging alles so schnell und jetzt…muss ich das wohl irgendwie verarbeiten. Ich meine, ich kann mich einfach noch nicht an den Gedanken gewöhnen, dass ich jetzt für den Rest meines Lebens - das nicht nur sechs Monate dauern wird - bei dir bleiben kann, dass mich keine Schattenkreatur mehr verfolgt, dass du mich liebst. Das alles erscheint mir wie ein Traum, irgendwie so unwirklich. Aber ich hoffe, ich werde niemals aufwachen.” “Das hoffe ich auch”, erwiderte Kaiba und stibitzte Yami erneut einen Kuss. “Die Sache ist vorbei, du brauchst dir deswegen keine Sorgen mehr zu machen”, stellte er bestimmend fest. “Nun gut, dafür muss ich mir jetzt über etwas anderes Sorgen machen.” “Ach ja, was denn?” “Dass ich nie mehr von dir loskomme.” “Hey! Willst du das etwa?”, schmollte Kaiba. “Nein, natürlich nicht. Das war ein Scherz.” “Ich weiß”, grinste Kaiba und setzte sich neben Yami auf die Bank. Dieser erlaubte es, dass er ihn auf seinen Schoß zog und völlig in Beschlag nahm. Die Schattenkreatur, die ihnen so viele Sorgen bereitet, aber Yami letztendlich zu einem neuen Leben verholfen hatte, kehrte tatsächlich nicht mehr zurück. Das bedeutete aber nicht, dass für den ehemaligen Pharao und seinen Freund nun ewige Ruhe und Frieden einkehrten. Nicht nur, dass sie viel zu temperamentvolle und leidenschaftliche Menschen waren, um in andauernder Harmonie zu leben - auch so manch böser Geist aus dem Schattenreich versuchte im Laufe der Zeit in den Besitz von Yamis Seele zu gelangen. Irgendwann, das wusste Atemu, musste ein Wesen kommen, das er nicht besiegen konnte. Und was dann? Dann konnte er immerhin auf seine glückliche Zeit mit Seto Kaiba zurückblicken und war nicht völlig alleine, wenn das Schicksal es wollte und ihn in den Schatten versinken ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)