Gefangen in der Dunkelheit von Erdnuss91 (ohne Fluchtweg in einer fremden Welt) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Licht am Ende des Tunnels ---------------------------------------- Und wieder einmal war nichts geblieben, schon wieder bin ich alleine gelassen wurden, schon wieder habe ich alles verloren, für das es sich zu kämpfen lohnt. Wie wird es wohl weitergehen? Gibt es überhaupt einen Weg, eine Fluchtroute die ich nehmen kann, um mal wieder aus diesem Leben zu fliehen, eine die ich ohne rote Tränen und Reue begehen kann, eine die mich nicht wieder in die Irre leitet? Gibt es vorgeschriebene Wege mit Fallen für einen wie mich, einen notorischen Verlierer, ein Fall der hoffnungslos erscheint? Nein, bestimmt nicht. Ich habe alles weggeworfen für diese eine Chance und diese Chance habe ich hoffnungslos verspielt. Wie kann man nur so töricht sein und sich einbilden, man hätte gewonnen, obwohl es nicht stimmt? Mir hätte es von Anfang an nicht ganz geheuer vorkommen sollen, genau zu dem Zeitpunkt als ich die Türklinke berührt hatte. Doch ich ging weiter, blickte mich nicht um. Ohne Reue startete ich durch, ohne an die Konsequenzen zu denken. Die Folgen erleide ich jetzt unter Tränen. Wieder einmal bin ich alleine gelassen wurden, wieder einmal bin ich enttäuscht wurden. Es klingt vielleicht naiv, aber ich habe geglaubt alles wird anders, dieses eine Mal. Doch wieder hat mich dieses Gefühl betrogen und wieder hinter das Licht geführt. Erst die kalte Klinge führte mich zurück auf den richtigen Pfad, einen Pfad den ich schon lange verlassen wollte. Ich war nur immer zu schwach und kehrte zurück. Und schon wieder bringen mich meine Gedanken um den Schlaf. Die wievielte Nacht ist das jetzt, in der ich nicht schlafen kann? Ich weiß es nicht. Ich bin vor wenigen Tagen mit meinen Eltern hierhin gezogen und besuche seitdem eine Oberschule ganz in der Nähe. Nein, so stimmt das ganze nicht. Ich sollte sie besuchen, aber ich tue es nicht. Am ersten Tag habe ich mich direkt auf das Krankenzimmer verdrückt, mir ging es angeblich nicht gut. Tatsache ist, ich halte soviel menschliche Nähe nicht aus. Mir war schlecht vor Aufregung und ich bekam regelrecht Platzangst. Ich hatte die ganze Zeit Angst davor, dass ich mitunter vor Nervosität umkippe oder dergleichen. Und wenn ich eins nicht leiden kann, dann ist es wegen so etwas im Mittelpunkt zu stehen. Soviel Angst vor fremden Menschen hatte ich schon lange nicht mehr. Seitdem Tag war ich nicht mehr in der Schule. Jeden Tag kommt die Klassensprecherin mit den Hausaufgaben vorbei und fragt immer wieder wann ich nun in die Schule komme. Immer verspreche ich ihr, dass ich morgen wieder zur Schule gehen würde, doch nie halte ich mein Wort ein. Aber vielleicht sollte ich heute gehen, nur um meinen Eltern einen Gefallen zu tun. Eigentlich geht es mir auch etwas besser, eigentlich. Immerhin bereite ich ihnen so zusätzliche Arbeit, da die Schule mich vielleicht doch nicht haben will. Ich bin ja erst seit kurzem da und war erst einmal in der Schule. Und solche Leute hat niemand gerne um sich herum. Immer wenn ich an die Schule denke spüre ich pure Angst. Allein der Gedanke reicht schon aus um meinen Herzschlag ins unermessliche zu steigern so wie jetzt gerade. Nachher wird es genauso enden wie an meiner alten Schule. Damals wurde ich von allen herum geschubst, beschimpft und bespuckt. Ich weiß auch nicht was sie an mir nicht mochten, sie sagten es auch nie. Sie meinten lediglich immer, dass ich eine Schwuchtel sei und wie ich mich wagen könnte überhaupt zu leben. Nachdem sie auch mit schriftlichen Morddrohungen anfingen und weder der Lehrer noch Direktor mir glaubten, zogen wir weg. Meine Schuluniform war zu dem Zeitpunkt wie oft geflickt wurden, meine Hemden musste ich fast täglich neu kaufen. Ich wurde unzählige Male misshandelt und nie griff einer ein. Stattdessen hieß es an manchen Tagen, dass ich einfach nur eine blühende Phantasie hätte. Es kann natürlich auch sein, dass es wegen dem letzten Klinikaufenthalt war. Erst nach diesem wurde mein Schulleben komplett zur Hölle. Vorher kam ich irgendwie damit zu recht, aber ab da konnte ich es nicht mehr ignorieren. Je mehr ich mich ihnen widersetzte, desto schlimmer behandelten sie mich. Meine Eltern selbst hatten wie oft mit den Jungs geredet, aber immer ohne Erfolg. Den ihre Eltern wollten mit der ganzen Sache nichts zu tun haben, weshalb jegliche Gespräche mit ihnen nutzlos waren. Zudem statt die ganze Zeit mein Wort gegen ihres und ihnen wurde einfach mehr Glauben geschenkt. Auf jeden Fall wohne ich jetzt woanders, ganz weit weg. Okay so weit weg auch nun wieder nicht, aber ich brauche mindestens drei Stunden zu meinem alten zu Hause. Ist ja jetzt auch egal. Das alles ist auf ewig Vergangenheit hoffe ich. Mein Blick fällt auf den Wecker. Ich muss mich beeilen wenn ich noch pünktlich kommen will, also nichts wie los. Langsam schwinge ich meine Beine über die Bettkante und mache ich auf den Weg ins Badezimmer. Nur nichts überstürzen, die Schule rennt ja nicht davon. Nachdem ich mich geduscht habe stapfe ich noch schnell in die Küche und schnappe mir einen Toast. Eine willkommene Abwechslung, immerhin hab ich mich seit Tagen nur von Luft und Wasser ernährt. So sehe ich auch aus, mal schauen vielleicht schickt mich die Lehrerin direkt wieder nach Hause. Ich sehe einfach nur fertig aus und bin auch unglaublich blass. Ich hab absolut keine Lust zum Lehrerzimmer zu gehen. Vielleicht hätte ich mir die Klasse aufschreiben sollen, in die ich jetzt gehe? Aber ich habe es nicht getan, also muss ich dieses Schicksal auf mich nehmen. Ich hasse Lehrerzimmer, es ist ein Ort wo die Teufel sich aufhalten, meiner Meinung nach. Soweit komme ich jedoch noch nicht einmal, ein brünetter hochgewachsener junger Mann fängt mich direkt am Schultor ab. Hab ich schon erwähnt, dass ich wage Erinnerungen an ihn habe? Nein, oder? Er ist der Junge, der mich zum Krankenzimmer begleitet hat und mit mir dort auf meine Mutter gewartet hatte. Ich wäre ja auch alleine nach Hause gegangen, aber die nette Frau Lehrerin meinte ja ich könnte unterwegs umkippen und alles. Also wartete ich auf meine Mutter während der Typ nur am reden war. Ich hörte ihm gar nicht zu, nickte einfach immer weiter. Und das reichte ihm auch komischerweise als Antwort. Ob er sich selbst gerne reden hört? „Na, wie geht es dir?“, fragt derjenige mich. Was für eine dumme Frage. Ich war doch ein paar Tage „krank“, wie soll es mir dann gehen? Ich grummle nur etwas vor mir her, der soll ja nicht erst denken, dass ich mit ihm reden würde! „Hey, gib mir doch wenigstens eine vernünftige Antwort“, meint er schmollend und guckt mich dabei an. Irgendwie verhält er sich ganz schön anders wie die Jungs an meiner alten Schule. Meine Augen verengen sich zu Schlitzen, auch noch aufdringlich werden, pah! „Ach komm schon. Du willst dich doch auch sicherlich schnell hier ein leben“, wollte er wissen. „Klar“, antworte ich seufzend. Und ich werde gewiss als Punchingball mal wieder enden, toller Traum. Wie heißt es so schön? Einmal Opfer immer Opfer. Wahre und ungesagte Worte, wieso spreche ich meine Gedanken nicht einfach einmal aus? „Warte ich geh mit dir in den Klassenraum“, schlägt er mir vor. Hoffentlich hat er gerade mein erleichtertes Seufzen nicht gehört. Nachher kommt er noch auf den Gedanken, dass ich seine Anwesenheit gut finde?! Das wäre ja ein Alptraum, ich mag solche Menschen wie ihn doch gar nicht. Am meisten stört mich seine offene und herzliche Art. Man hat direkt das Gefühl ihm vertrauen zu können und so etwas ist niemals gut. „Wenn du willst kannst du in der Pause etwas bei uns sein?“, bietet er mir an. „Hm“, mache ich leise. Ich frag mich was er von mir hält. Wenn er mich hasst wäre er bestimmt schon längst weg, oder will er mich etwa ausnutzen? Irgendwann kommen wir dann auch mal in der Klasse an. Die Schule ist einfach zu groß, da kann man sich ja nur verlaufen. Die Lehrerin hatte mich vor ein paar Tagen direkt ohne Widerrede neben diesen Jungen gesetzt, also werde ich sicherlich noch weiterhin genervt. Wenigstens sind noch nicht viele in der Klasse. Meinen Kopf lege ich schön geschützt vor Blicken durch meine Arme auf die Tischplatte. Die Uniform ist ziemlich unbequem, deshalb habe ich sie auch nicht ganz zugeknöpft und die Krawatte habe ich auch ganz locker gebunden. Ansonsten bekomme ich ganz leicht den Eindruck von einem Irren in der Zwangsjacke. Allgemein fällt mir auf, dass es hier sehr locker zu geht. Viele tragen die Uniform so wie es ihnen passt. Es sagt keiner was, wenn die Jacken nicht ganz zugeknöpft sind oder wenn die Mädchen die Haare einmal offen tragen. Bei mir an der alten Schule wäre das eine Todsünde gewesen. Da musste alles perfekt sein, die Socken, die Haare, einfach alles. Ich hatte nicht nur einmal Schläge mit dem Rohrstock bekommen wegen meinen Haaren. Sie gehen mir bis über die Ohren, dabei dürfen sie lediglich die Ohren berühren in der Schule. Hier scheint es den Lehrern wohl egal zu sein wie lang die Haare sind. Scheinbar macht es wirklich einen großen Unterschied, ob man an einer staatlichen oder privaten Schule ist. Eine Stimme und eine Hand auf meiner Schulter reißt mich aus meinen Gedanken. „Hey geht es dir nicht gut?“, fragt er besorgt. Kann man ihn nicht einfach abstellen? Mir würde es ja gut gehen, wenn er seine Hand von meiner Schulter nehmen würde! Ich richte mich auf und schaue ihn aus müden Augen an. Ich mag es einfach nicht, wenn mich fremde Menschen berühren. „Müde“, erwidere ich knapp. „Ach du kannst also doch reden. Hey, er hat ein Wort gesagt!“, ruft er in die Klasse. Will der mich etwa auf den Arm nehmen? Ein paar fangen an zu lachen, also habe ich doch recht. Aber sein Lächeln ist so ehrlich und es spendet mir Wärme. Moment Wärme, was ist Wärme?! Niemand hat das Recht mir Wärme zu mir spenden! „Kannst du bitte mit mir reden wenn ich wacher bin?“, fragend schaue ich ihn an. Jetzt sind die Worte raus. „Ja“, antwortet er niedergeschlagen. Sofort nimmt er auch die Hand von meiner Schulter. Einen Erfolg habe ich nun erzielt, er redet mit seinem Freund statt mit mir weiter. Ein großes Lob! Ich kann richtig stolz auf mich sein, oder nicht? Der Erfolg ist aber nur von kurzer Dauer, denn die Konversation, eher Monolog, neben mir wird von einer Lehrerin unterbrochen. Was so viel heißt, ich kann nicht weiter vor mir hin dösen. Da fällt mir gerade auf, ich habe ganz vergessen nachzufragen wie man sich hier für Fehltage entschuldigt. Naja was soll es, wird mir diese Frau sowieso gleich auf die Nase binden. Okay zu früh gefreut, sie beginnt mit dem Unterricht und ignoriert mich. Vielleicht muss man sich ja auch gar nicht schriftlich dafür entschuldigen. Viel zum Unterricht beitragen kann ich sowieso momentan nicht, auch wenn ich den Stoff schon einmal hatte. Ich höre lieber zu anstatt zu reden, deshalb sind meine Noten auch nie die besten. Außerdem hatten es manche es an meiner alten Schule witzig gefunden wenn ich geredet hatte. Dabei rede ich doch wie jeder andere auch! Es ist Geschichte, wirklich. Dieser Abschnitt des Lebens liegt hinter mir, also sollte ich nicht dauern an ihn zurückdenken. Ändern kann ich ihn sowieso nicht mehr, also heißt es das Beste daraus zu machen. Irgendwann steht wie zu erwarten auch die Pause an. Ich habe keine andere Wahl, ich muss mit diesem Typen mitgehen. Immerhin weiß ich nicht wo der Kunstraum ist, wo wir gleich Unterricht haben werden. Es ist schon ziemlich blöd. Aber eine gute Sache hat das ganze, die Nervosität und die Angst wie beim ersten Tag sind wie weggeblasen, auch wenn ich noch etwas unsicher bin. Das wird sich sicher bald legen, dann wenn ich mich hier nicht mehr so neu fühle. Am meisten wundert es mich ja immer noch, dass mich niemand wegen meinem Aussehen aufgezogen hat. Obwohl, hier laufen noch groteskere Gestalten herum als ich es bin. Ich sehe so aus wie ein Mädchen, fast wie eins. Ab und zu habe ich auch Make-Up auf meinem Gesicht, nur heute nicht. Ansonsten wäre ich sicherlich zu spät gekommen. Auf meiner alten Schule war es viel konservativer und strenger als hier. Womöglich da es eine private war und ich in einem der reicheren Stadtvierteln gewohnt habe. Hier gehe ich auf eine normale und staatliche Schule, schließlich will ich nicht mein ganzes Leben mit den reichen Schnöseln verbringen! Mir sieht man das Geld noch nicht einmal an, deshalb wurde ich auch oft aufgezogen. Sie haben immer gemeint ich bekomme diese weibliche Kleidung von meiner Schwester, wenn die wüssten! Ich tue mir das freiwillig an, denn die Anzüge die die teilweise an hatten sind mir viel zu unbequem! Und wer trägt bitte schön in unserem Alter in seiner Freizeit Anzüge? „Hey, willst du nicht mit uns reden?“, fragt mich der Brünette. Muss der mich so erschrecken? „Entschuldigung“, entschuldige ich mich direkt. „Warum entschuldigst du dich?“, verwundert guckt er mich an. Warum sollte ich es denn nicht tun? Ich zucke nur mit den Schultern, das muss als Antwort reichen. „Gesprächig bist du ja nicht gerade. Ich habe gefragt ob du heute zu mir kommen willst“, wiederholt er seine Worte. Wir kennen uns doch gar nicht so wirklich! Da kann er mich doch nicht einfach zu sich nach Hause einladen. „Heute geht nicht“, warte, heute geht doch, nur ich habe keine Lust, „vielleicht ein anderes Mal, tut mir Leid.“ „Du brauchst dich nicht die ganze Zeit zu entschuldigen“, meint er. Ich nicke nur und schließe die Augen. Ich bereue die Entscheidung, dass ich mein weiches Bett gegen den harten Schulhofboden eingetauscht habe! Wieso muss ich ausgerechnet heute so müde sein? Jetzt nach so vielen Tagen? „Geht es dir nicht gut?“, fragt mich direkt sein Freund. Meine Seelenspiegel sind quasi direkt aufgesprungen bei der Frage. Unwillkürlich schrecke ich auf als ich realisiere wie nah mir der Freund von dem anderen doch ist. Die Leute hier sind echt nicht kontaktscheu wie es scheint. Oder eher ich bin so etwas normales nicht mehr gewöhnt, immerhin war Nähe an meiner alten Schule tabu. Man wollte sich ja die gute Haut nicht verschmutzen. „Ja“, das Wort ziehe ich extra in die Länge. Warum mir ausgerechnet das raus gerutscht ist und wieso ich so lange dafür gebrauchte habe, weiß ich selber nicht. Vielleicht liegt mein Gehirn zu Hause im Bett und schläft eine Runde, ohne mich. Nur wäre das der Fall, würde ich nicht so viel nachdenken und nicht pausenlos von meinem Gewissen gequält werden. Man wieso bin ich heute nur aufgestanden! „Willst du dich etwas hinlegen?“, fragt wieder sein Freund. Ich schüttelte lediglich den Kopf und versuchte nicht nachzudenken. Dieses ist nur einfacher gedacht als getan. Sieht man ja, ich denke schon wieder nach! Verflucht! Wieso muss nur momentan alles schief laufen?! Wenn ich jetzt heimgehe, dann ist die Angst vor der Schule morgen nur noch größer. Jetzt hat sich dieser jemand auch noch die Frechheit herausgenommen mir in die Wange zu kneifen. Was soll das? Ist der eine alte Großmutter oder was? Ich drücke ihn leicht von mir weg, denn er fängt auch noch mit süß und sonstigen Verniedlichungen an. „Hast du etwas?“, fragt der Blonde besorgt. „Sorry, ich will nicht dass du dich ansteckst“, weiche ich ihm aus. Eine tolle Ausrede, mal ehrlich. Warum kann mir nicht einfach etwas besseres einfallen? „Womit denn?“, fragt er direkt. Ausrede, wo bist du? Na los, komme schon her, ich brauche dich. „Magen-Darm-Grippe und so“, antworte ich wehleidig. Ich lächle ihn bitter an um es überzeugender herüber zubringen. „Dann gehörst du aber nicht in die Schule“, weist er mich daraufhin. Doch, wenn man nur so tut als hätte man es, dann ist das alles nicht ganz so schlimm. Ich habe keinerlei Symptome und trotz allem hat es mir meine Mutter abgekauft. Man muss nur wissen wie man so etwas richtig überzeugend rüber bringen muss, dann klappt es schon. „Mir geht es besser und außerdem will ich nicht noch mehr Tage schwänzen“, gebe ich seufzend von mir. „Das ist doch kein schwänzen“, korrigiert mich der Brünette direkt. Doch, ist es. Immerhin war ich nicht krank, sondern einfach nur zu feige um zur Schule zu gehen! „Stimmt, vielleicht ist es doch besser du gehst wieder nach Hause“, meint der Blonde. „Wollt ihr mich etwa loswerden?!“, frage ich ziemlich misstrauisch. „Nein!“, verneinen beide gleichzeitig. Das plötzliche Schreien der beiden irritiert mich. Ein Seufzen entweicht meinen Lippen, wie bin ich nur an diese Idioten geraten? Vielleicht musste ich mich deshalb neben sie setzen? Damit ihnen einer mal wieder zeigt, was es heißt vernünftig zu sein. Aber es war auch der einzige freie Platz und bei dem Verhalten wundert es mich nicht, dass die beiden alleine sitzen. „Wieso siehst du eigentlich während dem Unterricht so gelangweilt aus?“, fragt mich der größere von beiden. Tut das nicht jeder? „Weil ich das alles schon einmal hatte“, antwortet ich. „Wie jetzt?“, fragt der blond-haarige verwundert. „Privatschule“, antworte ich. „Wow“, geben beide von sich. Die Schule dient eigentlich nur dazu um die Schüler für die besten Universitäten des Landes zu wappnen und selbst wenn man ein schlechtes Zeugnis hat schafft man meist den Sprung in einer dieser Einrichtungen. Das Niveau ist einfach unglaublich hoch und viele in meiner Klasse waren direkt nach der Schule noch bis tief in die Nacht in irgendwelchen Nachhilfeeinrichtungen. Die beiden gucken fast so, als wäre Privatschule für sie etwas ganz außergewöhnliches. Dabei gibt es direkt neben hier der Schule eine. „Mein Großvater ist Firmenbesitzer und alles, deshalb“, nichts tolles, ehrlich. „Wow, du hast ja nichts dagegen wenn wir deine Freunde werden?“, fragt der Blonde lieb nach. „Wollt ihr mich ausnutzen?“, frage ich misstrauisch. „Nein“, schreien beide fast gleichzeitig. „Hört bitte auf immer gleichzeitig herum zu kreischen!“, meine ich erbost. „Ja“, erwidern sie im Duett. Zwei äußerst amüsante Spinner, ironisch gemeint. Es ist die Untertreibung des Jahrhunderts! Aber wenigstens läutet die Schulglocke gerade meine letzten Schulstunden für heute ein. ~-~-~-~-~-~ thx fürs lesen ^^ Das erste Kapitel. Namen gibt es erst im zweiten xD Aber man kann sich eigentlich denken wer neben Ruki noch auftaucht. Hab lange hin und her überlegt wen ich nun nehmen sollte. Später als ich dann 3 Kapitel hatte, hab ich noch einmal alles über den Haufen geworfen. Ich weiß immer noch nicht was ich vom ersten halten soll... einerseits kommt es mir teils übertrieben viel geschrieben vor und dann am nächsten Tag wieder zu wenig O_o und ich weiß dass ruki keine ältere Schwester hat. Irgendwie benutzte ich ziemlich oft das Wort "doch" xD wenn es nicht "doch" ist, dann ist es "aber"... xD und wenn irgendwelche Rechtschreibfehler und so sind, ich verbesser sie gerne(oder falsche Worte("er ging ins Wohnzimmer um sich auf das Wohnzimmer zu legen" *hust* irgendwie so war das mal xD)). Wäre auf alle fälle dankbar ^^" Disclaimer: niemand von den Personen gehört mir. Und leider gibts auch kein Geld für alles *hust* Aber man kann ja nicht für alles Geld bekommen, von daher~ Pairings: keins Warnung: SVV(wird aber nur angedeutet) 2897 → 3196(17.01.2018) Kapitel 2: Flucht vor der Vergangenheit --------------------------------------- Es ist töricht zu denken, ich könnte jetzt noch aus diesem Labyrinth fliehen. Aus diesem endlosen Wirrwarr, der jedes Mal endet in Sackgassen. Immer in eine Ecke gedrängt zu werden, es gibt kein Weg zurück. Das Schicksal ist mir auf den Fersen, hechte hinter dem Glück her. Ich berühre es oft genug, aber es ist zu schnell. Es sickert durch meine Finger, wie der Sand der Zeit. Unaufhaltsam verloren gegangenes Glück liegt auf meinem Lebensweg. Glück welches ich kaum zu spüren bekam. Dunkle Gänge zieren es, Wärme nie gespürt. Liebe ist undenkbar, gar unmöglich. Ich soll mein Leben nicht mit einem Wunschdenken verbringen, dass sind die Worte meines Großvaters. Feuerwehrmann werden, genau das wollte ich. Aber ich darf es nicht, ich muss mich seinem Willen beugen. Wie mein Vater es getan hatte, wir stehen unter der Fuchtel von meinem Großvater. Er hat zu viel Macht, es steht zu viel auf dem Spiel. Was würde passieren wenn sich mein Vater noch einmal nicht beugt? Nein, es wäre meinem Großvater egal. Ich bin jetzt sein Spielball, den er nach belieben verformen kann. Den er gegen die Wand schmettern kann wann immer er will. Den er wegwerfen kann wann immer er will. Ich muss hörig sein, ansonsten kommen wieder Hiebe. Zu sehr ist mein Rücken gekennzeichnet von der Vergangenheit. Meine Arme sprechen Bände, doch ganz andere als mein Rücken. Fremde Gewalt gegen die eigene. Später wurden es Worte, früher waren es Rohrstockschläge. Was ist besser? Keines von beiden, beides tut unendlich weh. Meine Eltern haben sich nicht gegen dieses gewehrt, sie haben mir nie beigestanden. Ich soll einmal das Firmenimperium erben, oder eher erst wird es mein Vater erben. Er wird sauer, wenn ich mich nicht beuge. Wir würden unseren Wohlstand verlieren. Aber es ist mir egal, ich möchte von dieser kaltherzigen Welt weg in der ich mich befinde. Was bringt sie mir außer Verachtung? Was bringt sie mir außer Druck? Nichts. Jemand klopft ganz leise an die Tür. Ich ignoriere es. Ich will es nicht wahr haben. Morgen ziehen wir wieder weg, ich darf nicht mehr auf die öffentliche Schule gehen. Ich soll zurück auf meine alte, sie ist einfach die beste. Ich soll zurück in die Hölle. Was hat mir dieser Umzug gebracht außer noch mehr Leid? Nichts. Er hat meinen Weg für kurze Zeit umsonst erhellt, hat mir falsche Hoffnung gemacht. Zwischendurch kommen meine Eltern und räumen die noch voll geräumten Kartons in den Umzugswagen. Heute Nachmittag waren die beiden Idioten mal kurz da, ich habe ihnen nichts gesagt. Vielleicht ist es das Beste, wenn mir Licht verwehrt bleibt. Ich habe es anscheinend nicht verdient glücklich zu sein, so wie mein Großvater immer sagt. Ich komme zu sehr nach meiner Großmutter, sie war ihm immer ein Dorn im Auge. Letztendlich hat er sie aus dem Haus gejagt, kurz bevor ich geboren wurde. Als ich vier wurde hat sie sich vom Dach unserer Firma gestürzt, das war ein Trubel. Ich habe es nie verstanden, ich wusste nicht wer nun die alte Frau war. Erst viel später habe ich erfahren, wie Nahe sie mir hätte stehen müssen. Im Kindergarten war ich nie, immer musste ich mit den Kindern von den Kollegen von meinem Großvater spielen. Später in der Schule wusste ich nicht wie ich mit den meisten umgehen sollte, ich wurde zum Außenseiter. Sie begannen bei jeder Gelegenheit auf mir herum zuhacken, schubsten mich herum. Geschah etwas, war ich es Schuld. Ich habe mich nie gewehrt, habe es nie für nötig gehalten. Mir wurde beigebracht hörig zu sein, Gegenwehr war tabu. Auch auf den weiteren Schulen wurden die Probleme nie besser, sondern sie wurden immer schlimmer. Zeitweise wurden meine Noten schlechter, zu Hause die Schläge dadurch mehr. Ich wusste weder ein noch aus, bis ich das Messer fand. Ich überdeckte Schmerzen mit Schmerzen und es half. Ich merkte nie, dass ich falsche Hilfe gefunden habe. Entdeckt wurden die Wunden nie. Schwimmen habe ich nie mitgemacht, ansonsten hätte jemand die Spuren auf dem Rücken sehen können. Mein Großvater hat immer Angst davor sein Gesicht zu verlieren. T-Shirts habe ich nie ohne Armstulpen getragen. Manchmal zierten auch Verbände meine Arme. Es war nie einfach, immer war es schwer, aber irgendwie habe ich das Leben gemeistert. In der Früh brechen wir auf, ja das haben sie gesagt. Jetzt sind es 3Uhr, mitten in der Nacht. Mein Vater holt mich aus dem Bett, zerrt mich schweigend am Arm mit zum Auto. Eher widerwillig steige ich ein und versuche erst gar nicht an das bevorstehende zu denken. Mein Großvater ist sauer, keine Frage. Immerhin waren wir auf einmal weg. Immerhin haben mich meine Eltern versucht aus seinen Fängen zu befreien. Ich werde die Kosten dafür tragen müssen, da bin ich mir sicher. Vielleicht sollte ich mich wehren, dieses eine Mal. Mein Rücken tut immer noch weh, immer noch von dem Tag als er mich es letzte Mal blutig geschlagen hatte. Mein Arm ziert ein weiteres Mal seit dem. Ich habe keine Angst davor, da es für mich mittlerweile Alltag ist. Dieses Mal waren wir ziemlich schnell da, schneller als sonst. Mein Vater zerrt mich aus dem Auto, wirft mich quasi dem Löwen zum Fraß vor. Ich schlage mit den Knien hart auf den Boden, doch es ist ihm egal. Mein Großvater reißt mich wieder auf die Beine, mein Arm ist durch seinen Griff halb taub. Er schleift mich in den Hinterhof und holt seinen Stock. Meinen Pulli werfe ich achtlos auf den Boden, wie jedes Mal. Es ist fast schon wie ein Ritual das Ganze. Er holt aus, trifft schmerzhaft auf die alten Wunden. Ich spüre wir sie aufplatzen, presse die Zahlen aus meinem Mund. Es tut viel mehr weh als sonst, ich spüre seine schiere Wut. Nicht einmal drehe ich mich um, nicht einmal denke ich an das Ende. Bis er irgendwann aufhört und mich zu Boden stößt. Er schnaubt und lässt mich alleine. Mein ganzer Rücken scheint in Flammen zu stehen. Ich schnappe mir meinen Pulli und gehe in mein Zimmer, lasse mir die Schmerzen auf den Weg dorthin nicht anmerken. Schwäche ist in diesem Haus tabu. Angekommen sinke ich auf die Knie, schleppe mich zu meinem Schrank wo noch immer über die Hälfte drinnen ist. Ich hatte nur insgesamt drei Kisten beim Umzug, drei kleine. Ich habe nicht viel was mir wirklich wichtig ist. Mühsam richte ich mich auf, wähle sorgsam mein Gepäck aus. Ich weiß es einfach, dieses Mal wird es das letzte Mal sein. Ich muss hier weg und wo anders mein Leben leben. Er kann mich nicht aufhalten, er hat nicht das Recht dazu. Irgendwie werde ich es schaffen, ganz sicher. Einen möglichst großen Koffer nehme ich auch hervor, packe alles rein. Achte penibel darauf, dass auch alles reinpasst. Letztendlich habe ich mein ganzes Hab und Gut darin verstaut und es war noch immer Platz da drinnen. Ich wusste nicht wie wenig ich habe, erst jetzt wird mir bewusst, dass ich eigentlich gar nichts habe. Warum nur stimmt es mich nicht traurig, dass ich dieses Haus heute wahrscheinlich zum letzten Mal sehe? Jetzt heißt es warten, warten darauf, dass alle zu Bett gehen. Ich muss mich die Nacht wegschleichen und möglichst viel Geld mitnehmen. Auf meinem Konto ist zwar genug Geld für die nächsten zwei Jahre, aber sicher ist sicher. Ich setze mich an einen Abschiedsbrief. Ich bitte mehrmals in diesem darum, mich nicht zu suchen, es sei sowieso sinnlos. Ich dankte ihnen auch. Ich platziere diesen auf mein Bett. Ich höre wie die letzte Tür zugeht. Auch wenn es schwer ist mit dem Koffer und den Schmerzen, schaffe ich es ohne große Geräusche ins Arbeitszimmer meines Großvaters und hole dort seine Geldbörse hervor. Das gesamte Geld stecke ich mir ein. 180.000 Yen, aber es kann auch viel mehr sein. Er legt ziemlich viel Wert auf Bargeld und manchmal sitzt er einfach irgendwo herum und zählt seine ganzen Scheine. Es kommt mir gerade recht. Erst als ich das Grundstück samt Koffer und Jacke verlassen habe wage ich es wieder zu atmen. Ich beeile mich zum Bahnhof und nehme den ersten Zug zurück. Das Ticket war nicht teuer, ein Glück. So wirklich habe ich es noch nicht begriffen, dass das gerade kein Traum ist. Zu oft habe ich mir genau diesen Moment vorgestellt, obwohl ich genau wusste er wird wahrscheinlich nie kommen. Aber jetzt habe ich endlich die Chance auf einen Neuanfang. Ich frage mich zu wem ich gehen soll, oder ob ich erst eine eigene Wohnung holen soll. Leicht lächle ich vor mich her, ich habe es endlich geschafft. Morgen werden sie den Brief finden und die Polizei einschalten. Sie werden mich nicht finden, hoffe ich einfach einmal. Ich lehne mich gegen die kalte Fensterscheibe, stelle den Wecker auf meinem Handy ein und begebe mich in eine traumlose Welt. Ich schrecke von dem Vibrationsalarm auf, erinnere mich wage an den gestrigen Abend. Noch immer fühlt sich das alles nicht real an. Meine Station wird angekündigt, ich stehe auf und kurz darauf befinde ich mich schon draußen vor dem Bahnhof. Ich versuche mich an die Worte von dem einen Idioten zu erinnern. Er hatte mich für heute eingeladen und er hatte mir den Weg zu seinem Haus beschrieben. Es ist Wochenende, das heißt er müsste zu Hause sein. Mein Rücken erfüllt ein dumpfes Pochen, es tut immer mehr weh. Es behindert mich leicht, aber nicht zu sehr. Dieses Level an Schmerz nehme ich meist nur als Grundrauschen wahr, da es einfach so gut wie immer vorhanden ist. Die Wunden an meinem Rücken brauchen meistens ziemlich lange um zu verheilen und meistens kommen neue hinzu, ehe die alten komplett verheilt sind. Langsam und behutsam mache ich mich auf den Weg. Auf der einen Seite Angst vor der Zukunft, auf der anderen Seite die Hoffnung, welche Seite überwiegt weiß ich nicht. Ich stehe vor einem Mietshaus, der Weg war zu kurz für klare Gedanken. Die Schmerzen drohen mich umzuhauen, ich versuche sie zu verdrängen, aber schaffe es kaum noch. Immer wieder trübt sich die Sicht, meine Beine zittern. Warum habe ich mir keine Schmerzmittel eingepackt? Normalerweise habe ich wegen so etwas immer welche dabei. Ich klingele und sofort macht er mir auf. Ich steige die Treppen hinauf und blicke ihm mitten ins Gesicht. Er lehnt lässig im Türrahmen seiner eigenen Wohnung. So wirklich deuten kann ich seinen Blick nicht. „Hey, was hast du mit so viel Gepäck vor?“, fragt er mich mit belustigten Unterton. Er geht auf Seite und lässt mich rein. Ohne mich zu bücken streife ich die Schuhe ab und stelle meinen Koffer ab. Meine Jacke hänge ich an die Garderobe. Ich weiß gar nicht was ich ihm groß darauf antworten soll. „Rede bitte mit mir“, fordert er mich mit Nachdruck auf und schließt die Tür. Ich hole einmal tief Luft und bereue dieses direkt wieder. Mein Rücken schmerzt beim Luft holen und ich habe kaum gemerkt wie flach meine Atmung die letzten Stunden war. Anscheinend habe ich mich nach all den Jahren zu sehr an die Schonhaltung wegen dem stetigen Schmerz gewöhnt. „Hey, kann ich die Nacht bei dir bleiben?“, erkundige ich mich. „Klar, warum warst du gestern nicht in der Schule?“, will er wissen. „Meine Eltern sind weggezogen“ „Und du?“ „Bin abgehauen“, erwidere ich mich mit einem Lächeln. „Du siehst nicht gut aus, kann ich etwas für dich tun?“, bietet er mir an. „Nein, das ist nicht nötig. Kann ich mich vielleicht etwas hinlegen?“, frage ich zögerlich nach. Wahrscheinlich verschwinden die Schmerzen ganz von alleine. Er zieht die Stirn kraus und antwortet: „Die erste Tür rechts ist das Wohnzimmer.“ Ich drehe mich um und gehe ins Wohnzimmer, lege mich direkt auf die erstbeste Couch. Zögerlich erkundigt er sich: „Es geht mich ja nichts an, aber ist vielleicht etwas zu Hause vorgefallen?“ Zerknirscht antworte ich: „Ja, aber ich möchte nicht darüber reden.“ „Okay. Wenn du darüber reden willst, ich habe immer ein Ohr für dich, wenn du willst auch zwei. Warte ich komm direkt wieder“, kurz ist er weg und taucht mit einer Schale Reis und etwas Gemüse für mich auf, „Ich denke du hast noch nichts gegessen. Oder?“ Dankend nehme ich ihm die Schale ab und setze mich auf um ganz langsam zu essen. Er steht nur vor mir und lächelt zufrieden mit sich selbst mich an. Woran er wohl gerade denkt? Irgendwann bin ich fertig und drücke ihm die Schüssel in die Hand. Ich lege mich wieder um, da der Schmerz hatte wieder zugenommen beim Sitzen. Ich schließe die Augen und versuche zu schlafen, die Gegenwart zu vergessen. Eine Decke wird über mich ausgebreitet. Das Pochen im Rücken lässt langsam nach. „Ich bin etwas Playstation zocken mit Reita, wenn du mich brauchst ich bin im letzten Zimmer“, weist Uruha mich darauf hin. Ich höre Schritte, die sich entfernen. Langsam drifte ich ab in eine Welt wo mich keiner schlägt. In eine Welt, die nur ich bewohne. Ein stechender Schmerz durchflutet meinen Körper als jemand meinen Rücken berührt. Ich sauge hörbar die Luft zwischen den Zähnen ein und schlage ängstlich die Augen auf, ehe ich realisiere, dass nicht mein Vater oder sonst einer von ihnen vor mir steht. Es ist nur Uruha. Warum muss er ausgerechnet auf eine der frischen Wunden tatschen? „Tut mir Leid, Ruki. Nur du hattest so ein schmerzverzerrtes Gesicht, deshalb wollte ich wissen ob ich nicht doch etwas für dich tun kann“, erläutert er mir. Ich verneine das Ganze und ziehe die Decke etwas mehr um mich. „Vielleicht ja doch. Was hast du denn?“, bohrt er weiter. „Ich möchte nicht darüber reden“, erwidere ich und funkele ihn böse an. „Am Rücken etwas?“ „Ja, aber dagegen kann man nichts tun“ „Wurdest du geschlagen?“ „Bitte frag nicht weiter nach, ja?“, bitte ich ihn. „Okay. Willst du vielleicht etwas Playstation mit uns zocken?“, bietet er mir an. Warum lässt er mich so einfach vom Haken? Interessiert es ihn nicht, was wirklich geschehen ist oder kann er es erahnen? Man muss ja kein Meisterdetektiv sein um die Wahrheit herauszufinden. Ich rappele mich auf und gehe leicht wankend in Richtung seines Zimmers. Bei jedem Schritt durchfährt eine Welle von Schmerzen meinen Körper. Mit jedem Mal werden sie heftiger. „Hallo Ruki!“, begrüßt mich der Blondschopf mit einem Grinsen im Gesicht. „Hey Reita“, erwidere ich mit einem schwachen Lächeln. Ich setze mich neben ihn auf das Bett und versuche mich möglichst nicht irgendwo anzulehnen. Uruha kommt auch wenig später und drückt mir einen Controller in die Hand. Er fügt noch einen Spieler hinzu, sodass wir zu dritt das Rennspiel spielen können. Nach einer Zeit wird mir schwarz vor Augen, die Schmerzen sind unerträglich. Ich kann mich kaum auf etwas anderes konzentrieren und es fällt mir immer schwerer mir nichts anmerken zu lassen. „Uruha kann ich vielleicht duschen gehen?“, frage ich. Vielleicht hilft kaltes Wasser etwas gegen die Schmerzen. Auf jeden Fall hoffe ich, dass sie dadurch wieder um einiges erträglicher werden. „Klar kannst du das. Bedien dich einfach an den Sachen. Das Badezimmer ist die nächste Tür links von hier“, erklärt er mir. Ich nicke nur mit zusammengekniffenen Lippen und gehe zu meinem Koffer um mir neue Kleidung zu holen. Wahllos suche ich mir etwas heraus und schlurfe leicht gebückt ins Bad. Leise schließe ich die Tür und ziehe alles bis auf die Boxershorts aus und setzte mich unter die Dusche. Ich stelle das Wasser eiskalt ein und es betäubt tatsächlich die Schmerzen als es auf die nackte Haut trifft. Ich sehe dabei zu wie das Blut fortgespült wird. Hoffentlich hört es schnell auf zu bluten und hoffentlich wird es sich nicht entzünden. Ich sitze einige Zeit so da, bis keine rote Flüssigkeit mehr das Wasser trübt. Dann drehe ich das Wasser ab. Ich schüttle leicht den Kopf um die Haare etwas zu trocknen. Dann rubbel ich meinen Körper mit einem Handtuch trocken, aber lasse dabei den Rücken aus. Ich wechsle schnell die Boxershorts und schlüpfe in die neue Hose, den aufkeimenden Schmerz stetig am ignorieren. Warum nur lässt er mir heute keine Ruhe? Mein langärmliges Hemd ziehe ich zwar an, knöpfe es aber nicht zu. Meinen Pullover wasche ich kurz unter kaltem Wasser um auch dort das Blut abzuwaschen. Ich lege ihn auf die Heizung und die Hose und die Boxershorts nehme ich und verstaue sie in meinem Koffer. Vollkommen erschöpft gehe ich zurück zu den beiden. Es schmerzt wieder bei jedem Schritt und es fühlt sich so an, als würde ein Messer in meinem Rücken stecken. „Geht es wieder etwas?“, erkundigt sich Reita und mustert mich kritisch. Ich nicke als Antwort und setze mich neben Uruha. „Hast auch wieder etwas mehr Farbe im Gesicht“, merkt Uruha an. Ich ziehe meine Beine an meinen Körper und schlinge meine Armen darum. Die Schmerzen scheinen mich echt um den Verstand bringen zu wollen. „Uruha, hast du vielleicht Schmerztabletten?“, frage ich zögerlich. Ich habe noch nie eine Person um so etwas bitten müssen und es fühlt sich einfach nicht richtig an.Er geht zum Schreibtisch und hält mir kurz darauf eine Packung eben jener Tabletten hin. Ich bedanke mich, schnappe sie mir und verschwinde Richtung Küche um diese dann mit einem Glas Wasser einzunehmen. Ich hoffe sie wirken schnell, denn lange halte ich es nicht mehr aus. Noch nie waren die Schmerzen so schlimm. Immer waren sie irgendwie erträglich. Anstatt zu den anderen beiden zurückzugehen lege ich mich auf das Sofa und kuschle mich unter die Bettdecke. Leise Schritte kündigen sein Kommen an. Mein Blick gilt immer noch dem Fußboden, mache mir noch nicht einmal die Mühe aufzublicken. „Sollen wir dich ins Krankenhaus bringen?“, schlägt Uruha fragend vor. Ich schüttele den Kopf. „Darf ich mir dann vielleicht deinen Rücken ansehen?“, erkundigt er sich. „Nein, da siehst du sowieso kaum was“, antworte ich und mache mich so klein wie möglich. Dieses verschlimmert die Schmerzen nur noch mehr, aber es gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Er kommt näher und legt eine Hand auf meine Schulter. Er beugt sich runter um mir tief in die Augen blicken zu können. Das macht mir ziemlich Angst. „Dann komm wenigstens wieder mit zu uns nach hinten, ich will nicht das du alleine bleibst in diesem Zustand“, fordert er mich auf. Was macht es für einen Unterschied, ob ich hier bei ihnen oder ganz alleine im Wohnzimmer bin? Er hilft mir auf und führt mich mit samt Decke in sein Zimmer wo ich mich aufs Bett setze und mich direkt unter der Decke vergrabe. Ich möchte doch einfach nur in Ruhe gelassen werden. „Uruha ich glaub du hast ihn verärgert“, stellt Reita fest. „Ach quatsch“, erwidert Uruha leise lachend. Er setzt sich neben mich und legt seinen Arm um meine Schultern. „Siehst du, er sagt gar nichts. Er schmollt bestimmt nur.“ „Mach dem armen kleinen Jungen doch nicht so eine Angst!“ „Aber du und dein in die Wange knuffen geht in Ordnung, ne?“ „Das ist etwas ganz anderes!“ „Reita, ich werde mich bemühen nicht allzu aufdringlich zu sein“ „Du wirst dich nicht bemühen, du wirst es einfach sein“ Vorsichtig wird die Decke von meinem Kopf gehoben. Der Arm um meine Schultern ist schon längst weg. Ich schließe meine Augen halb wegen des blendenden Lichts. „Ich glaube du hättest ihn schlafen lassen sollen“, merkt Reita an. Ich ignoriere beide und hoffe insgeheim, dass sie mich bald in Ruhe lassen werden. „Hey wach bleiben“, fordert mich Uruha auf. Uruha berührt mich kurz an der Wange, wütend schlage ich seine Hand weg. „Wow, er schmollt tatsächlich“ „Uruha bitte“ Genervt schlage ich die Augen auf. „Uruha?“ „Hai?“ „Was muss ich dafür tun damit du auf mich hörst?“ „Mit ihm ins Bett gehen“ „Reita halt die Klappe“ Ich frage mich echt wie er auf so eine Aussage kommt. „Hat dich jemand vergewaltigt?“ „Wie kommst du jetzt bitte auf so etwas?“ frage ich Uruha ziemlich empört. „Na… So wie du dich verhältst“ „Du hast Gedanken“ „Wenn du mir nicht sagen willst was passiert ist, dann reime ich mir jetzt einfach eine Geschichte zusammen“ Denkt der jetzt ehrlich ich rücke mit der Sprache raus wenn er schmollt? Kurz beugt sich Reita über mich drüber und flüstert Uruha etwas ins Ohr. Ich schließe wieder die Augen und spüre nur wie mir jemand entschlossen die Arme festhält. Nur für wenige Sekunden versuche ich mich zu wehren. Schließlich gebe ich mich damit zufrieden zu schwach zu sein. Ich habe schon eine unglaubliche Angst gerade, schließlich machen das meine Klassenkameraden auch immer um mir kurz darauf eine rein zuschlagen. Mein Hemd wird ein wenig am Rücken hochgeschoben und ich beginne mich wieder zu wehren. Da ich weder mit Armen noch Beinen Erfolg habe, entschließe ich kurzer Hand meine Zähne zu benutzen. Ich öffne meine Augen und beiße feste in Reitas Oberarm. Das ganze geht die beiden einfach nichts an! Ich kenne sie schließlich nicht und ich kann auch nicht einschätzen, ob sie das Wissen zu ihrem Vorteil ausnutzen würden oder nicht. „Ruki lass gefälligst meinen Arm los“, bittet mich Reita sauer. „Dann lasst mein Hemd wieder runter“, presse ich wütend hervor. „Beruhige dich wieder. Was ist denn los?“, erkundigt sich Uruha. „Nichts.“ „Wenn nichts wäre, würdest du nicht so reagieren.“ „Es ist nichts was dich angehen könnte.“ „Natürlich geht es mich etwas an.“ „Nein, das geht dich überhaupt nichts an“ „Ich bin dein Freund?“ „Seit wann?“ „Ruki ich will dir lediglich helfen.“ „Und wie bitte schön?“ „Wenn du mir sagst was los ist finde ich schon einen Weg“, meint Uruha optimistisch. Warum kann Uruha nicht einfach ein nein akzeptieren? Plötzlich mischt sich Reita an: „Uruha ich glaube er will tatsächlich einfach nur seine Ruhe.“ Wenigstens hilft mir Reita, auch wenn es garantiert sein dummer Einfall war. Was soll es, wird schon schief gehen. Reita lässt meine Arme los und Uruha zerrt mein Hemd wieder richtig. Bitte lass ihn nichts Schlimmes am Rücken entdeckt haben. Ich will nicht, dass mein Geheimnis gelüftet wird. Er wird mich verachten wenn er es erfährt. Außerdem würde er mich wieder zurück in die Fänge meines Großvaters schicken, ich will das nicht. Wieso muss es so enden? Vielleicht wird Uruha dann genau dasselbe mit mir machen? Immerhin beweisen ihm die Wunden wie unterwürfig ich doch bin. Ich schließe wieder meine Augen und ziehe die Decke über mich. Ganz nachdem Prinzip, wenn ich sie nicht sehe, dann können sie mich auch nicht sehen. Und etwas was man nicht sieht existiert nun mal nicht. ---- Disclaimer: keiner der charas gehört mir, es gibt kein Geld dafür Warnung: SVV(aber nur angedeutet) das dritte Kapitel dauert noch etwas, da es sich über eine erneute Überarbeitung freuen darf >D 3029 → 3793 Wörter(20.01.2018) Kapitel 3: Spuren, die langsam erscheinen ----------------------------------------- Es scheint mir wie eine Ewigkeit und beinahe wäre ich auch wieder in meinem Reich gelandet, aber jemand scheint dieses absolut nicht zu lassen zu wollen. Wieder wird mir meine Decke weggeholt. „Ruki bist du wach?“, erkundigt sich Uruha. Wenn ich schweige denken sie bestimmt ich schlafe, sicherlich. „Ach komm schon“, quengelt der größere von beiden. Ich schlafe, seht er das nicht? Zaghaft werde ich in die Seite gepiekst. Warum können die mich nicht einfach in Ruhe lassen? „Ruki?“, versucht er es noch einmal. Einfach nicht reagieren, einfach das alles ignorieren. „Lebst du noch?“ Sie sind nicht da, sie sind nur eine Einbildung. „Verarsche uns nicht“, brummelt Reita. Ich bin ganz alleine hier. „Jetzt sei doch nicht beleidigt“, versucht es Uruha auf die sanftere Tour. Das ist lediglich der Wind der solche Töne von sich gibt. Vorsichtig wird eine Hand auf meinen Rücken gelegt. Erschrocken reiße ich die Augen auf. Das tut verdammt noch einmal weh! „Du lebst ja doch noch“, stellt Uruha belustigt fest und wendet sich kichernd ab. Wütend drehe ich mich um und sofort wird die Hand weggenommen. „Redest du nicht mehr mit uns?“, will er beleidigt wissen. Und schon wieder beginnt Uruha zu schmollen, wie nervig. „Ruki-chan?“, spricht mich Reita an. Irritiert erwidere ich: „Ja?“ „Du redest ja doch noch mit uns“, mischt sich Uruha ein. Seufzend stehe ich auf. „Wohin willst du?“, will Reita alarmiert wissen. Muss ich mich etwa für jeden Schritt bei dir rechtfertigen Blondie? „Nirgendwo“, antworte ich resigniert. Ich setze mich wieder auf die Bettkante und gähne herzhaft. Die Schmerzen rauben mir auch noch das letzte bisschen an Energie und Geduld. „Wenn man ihn so sieht ist er total süß. Jetzt beiße mich nicht schon wieder“, bittet mich Reita feixend und hebt abwehrend die Hände. Eigentlich wollte ich ihn auch gar nicht beißen. Denn dafür bin ich viel zu müde und ausgelaugt. Wo kann man hier bitte schön in Ruhe ein paar Stunden Schlaf nachholen? „Ruki? Was sind das für rote Flecken auf deinem Hemd?“, fragt mich Uruha in Sorge. Sind die Wunden wieder aufgegangen? Okay, das würde wenigstens das unangenehme Brennen begründen. Warum muss das ausgerechnet heute passieren? Vielleicht war das mit der Dusche doch keine so gute Idee. „Keine Ahnung“, lüge ich. „Die sehen noch ziemlich neu aus“, stellt Reita fest. Wenn sie auch gerade eben erst aufgerissen sind, dann ist das kein Wunder. Ich drehe den Kopf und sehe Uruha dabei zu wie er meinen Rücken mustert. Leicht fährt er mit der Hand über das Hemd und guckt danach intensiv seinen Finger an. „Bitte zieh dein Hemd aus“, fordert er mich auf, „Du blutest am Rücken.“ „Na und?“, antworte ich und zucke mit den Schultern. Das ist für mich nichts neues. Ich hasse es, wenn andere meinen geschundenen Körper sehen und werde mich garantiert nicht vor ihnen entblößen! „Nichts na und. Soll ich es dir ausziehen?“, bietet er mir an. „Wag es dich“, meine ich drohend und verenge die Augen zu Schlitzen. Warum können die Leute keine Angst vor mir haben? Wahrscheinlich weil ich viel zu klein bin, für die restlichen Leute in meinem Umfeld. „Reita gehst du bitte einen Verbandskasten holen“, meint Uruha. Reita verlässt kurz den Raum und kommt mit einem kleinen Kasten wieder. Muss das jetzt wirklich sein? Es ist eigentlich auch ganz gut, wenn das ganze jetzt verbunden wird. So sind die Wunden nachher nicht voller Flusen und das Hemd klebt dann nicht so an ihnen. „Ruki?“, spricht mich Reita vorsichtig an. Ich schaue weiter auf den Boden. Mir ist das alles so extrem unangenehm. „Aber bitte stellt keine Fragen und bitte erzählt es keinem“, stelle ich als Bedingung. Langsam ziehe ich das Hemd aus und versuche die anderen beiden zu ignorieren. Ihre Reaktion war so klar, so verdammt klar. Was ist denn so schlimm an einem so zugerichteten Rücken? Nichts, denn meinen Großvater hatten die Auswirkungen seiner Taten auch nie interessiert. „Mir wird kalt“, mosere ich. „Warte, wir beeilen uns“, versichert mir Uruha und klingt dabei ziemlich traurig. Ich strecke etwas die Arme hoch und ignoriere das Ziehen in meinem Rücken. Es dauert ein paar Minuten bis die anderen beiden endlich aus ihrem Schockzustand erwacht sind. Erst desinfiziert Uruha die Wunden großzügig, was ziemlich brennt. Anschließend wird mir noch eine kühlende Salbe vorsichtig mit einem Holzspatel drüber geschmiert, Danach legen sie erst einmal Kompressen drüber und fixieren diese schließlich mit einem Verband. Mehrmals zucke ich zusammen und immer wieder wollten sie wissen ob ich es noch aushalte. Uruha steht kurz auf nur und nimmt ein Schlafanzugsoberteil aus seinem Schrank und hält mir dieses vor die Nase. „Das ist wenigstens nicht so eng“, erklärt er mir. Uruha ist ja nur knappe 20cm größer als ich also kann das ja auch gar nicht so klein und eng wie mein Zeug sein. Reita zieht es mir kurzer Hand über, ich hatte kaum Zeit mich zu wehren. Die Schmerzen setzen mich ganz schön außer Kraft. „Willst du hier bei uns schlafen oder lieber im Wohnzimmer?“, fragt mich Uruha. Uruha beginnt die Futons für die Nacht auf den Boden zu legen. „Bei euch bitte“, gebe ich kleinlaut zu. Ich habe Angst davor alleine zu schlafen. Was ist wenn ich von meinem Großvater träume? Bin ich hier wirklich sicher? „Dann kannst du dich ja hier neben mich hinlegen, denn ich glaube kaum dass Uruha dich in seinem heiligen Bett zulässt“, neckt Reita. Solange mich Reita nachts in Ruhe lässt habe ich damit weniger ein Problem. Zitternd stehe ich auf und lege mich direkt auf den erstbesten Futon. „Brauchst du noch etwas?“, erkundigt sich Uruha. Die beiden mustern mich ziemlich besorgt und man sieht ihnen immer noch an, dass das was sie gesehen haben keine Kleinigkeit für sie ist. Leicht schüttele ich den Kopf. „Du, wir gehen noch zu einem Freund. Willst du vielleicht mit?“, erkundigt sich Reita. Ich verneine das Angebot. Ich brauch jetzt erst einmal etwas Zeit für mich um mit dem ganzen klar zu kommen. Und mit den Schmerzen würde ich sowieso nicht weit kommen. Die Salbe ist richtig kühl und hilft gegen die Schmerzen. Aber leider verspüre ich diese Kälte am ganzen Körper. „Dann passe gut auf die Wohnung auf und lass niemanden rein“, bittet mich Uruha. „Wen sollte ich denn reinlassen?“, antworte ich irritiert. „Kleiner man kann ja nie wissen“, erwidert Uruha. „Ich bin nicht klein“, murrend ziehe ich mir die Decke bis zur Nasenspitze. „Natürlich bist du kleiner als ich“, fügt er hinzu. Augen rollend meint Reita: „Wir legen den Zettel mit den Handynummern neben das Telefon, wenn irgendetwas ist kannst du uns ja anrufen.“ Seufzend schaue ich Reita tief in die Augen. Er hat richtig schöne, auch wenn er es garantiert nicht hören will. Genauso wie ich seinen richtigen Namen nicht sagen darf, obwohl er so schön ist. Akira klingt viel besser als Takanori. Ich wundere mich darüber warum Uruha so viel Vertrauen in mich hat. Immerhin könnte ich ja seine ganze Wohnung leer räumen. Und mit diesen Worten lassen mich die beiden alleine. Er scheint richtig naiv zu sein, wahrscheinlich noch mehr als ich. Aber vielleicht denkt er auch ich bin zu gepeinigt um solche üblen Taten zu begehen. Dabei sind doch meistens Leute, die vom Leben gezeichnet wurden so hinterlistig. Bei mir täuscht er sich auf alle Fälle nicht. Ich würde nie auf den Gedanken kommen ihm etwas antun zu wollen, immerhin weiß ich was Schmerzen bedeuten. Insgeheim frage ich mich was das für ein Freund ist. Ob er wohl in unserer Klasse ist? Wahrscheinlich ist er das. Ich hoffe die beiden kommen nicht sternhagelvoll nach Hause. Zu oft habe ich meinen Großvater im Alkoholrausch erlebt und die Folgen machen mir immer noch Angst. Wie kann man nur so viel Trinken? Wie kann man sich nur so gehen lassen? Eigentlich sind wir noch zu jung für Alkohol, aber das hat meine Klassenkameraden auch nie gestört. Ich schnappe mir meine Decke und gehe auf den Balkon. Die Tür schließe ich hinter mir und setze mich an die Wand. Von innen scheine ich wohl unsichtbar, denke ich. Mir gefällt es wie mich der Halbschatten noch zusätzlich verdeckt. Ich schaue in den Himmel und erblicke kaum Sterne. Was meine Eltern wohl gerade machen? Bestimmt mich suchen, völlig in Sorge. Dabei brauchen sie das gar nicht, mir geht es gut. Glaube ich auf jeden Fall. Ich sitze hier bei jemandem der mich gut behandelt, deshalb sind Sorgen unbegründet. Zwar bin ich momentan alleine, jedoch fühle ich mich trotz allem geborgen. Denn ich weiß sie kommen wieder und lassen mich nicht allein. Langsam macht sich die Kälte der Nacht über mich her, es ist mir vollkommen egal. Ich schaue weiterhin die Sterne an und wage ab und an einen Blick auf die Skyline dieser Stadt. Sie ist anders wie unsere, ganz anders. Bei uns steht Haus an Haus, man wird regelrecht von ihnen erdrückt. Nur bei unserem Viertel ist es anders. Riesige Grundstücke, dunkle Gebäude, nur die Straßenlampen spenden nachts Licht. Auf Bewohner hofft man vergebens, meist sieht man nur Bedienstete. Es ist fast abnormal so wie es da ist. Jede Nacht hatte ich Angst von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Es ist dort alles so steril und kalt und einfach viel zu perfekt. Hier ist es anders, hier sehe ich das Licht. Es ist so gegensätzlich. Hier wird mir Wärme gespendet, wo ich früher war gab es keine. Es ist die richtige Entscheidung die ich getroffen hatte. Ein Mensch kann nicht ewig allein sein, ein Mensch braucht Wärme wenn er leben will. Und wo kann ich sie besser bekommen als hier? Ich wurde so lieb empfangen, es wäre dumm gewesen es nicht zu beachten. Immer wieder schlafe ich ein, wache aber durch Geräusche wieder auf. Bei meinen Eltern war es immer still, unheimlich still. Aber hier ist es alles andere als still. Immer wieder hört man Besoffene grölen oder Autos hupen. Zu sagen es stört mich wäre falsch, denn mir gefällt es. Ich spüre es erste Mal das ich nicht einsam bin und es ist ein schönes Gefühl. Nach scheinbar endlosen Stunden höre ich wie die Haustür unten ins Schloss fällt. Vielleicht sind endlich die beiden nach Hause gekommen. Ich kuschle mich leicht unter die Decke und warte ab was kommen mag. Die Wohnungstür geht auf und ich höre leises Gepolter. Weniger später höre ich jemanden meinen Namen rufen, aber da ich nicht weiß wer ruft, reagiere ich nicht. Mir wurde beigebracht das Neugierde nichts Gutes mit sich bringt, also gucke ich auch nicht nach. Die Balkontür wird aufgeschoben und Uruha beugt sich zu mir runter. „Ruki?“ , spricht er mich unsicher an und ruft quer durch die Wohnung, „Reita ich hab ihn.“ Kurz darauf steht der andere auch schon vor mir. Etwas verwundert blicke ich die beiden an. Die haben sich doch jetzt nicht Sorgen um mich gemacht, oder? Mir fällt der Geruch von Alkohol auf. Das hat nichts gutes zu bedeuten. Mein Herz beginnt zu rasen. „Warum wirst du so blass? Geht es dir nicht gut?“, erkundigt sich Uruha direkt in Sorge. „Es ist nichts“, erwidere ich mit hoher Stimme. Bilder erscheinen vor meinem inneren Auge. Ein Knoten bildet sich in meinem Hals und langsam bekomme ich Schwierigkeiten beim Atmen. Warum habe ich diese Angst nicht unter Kontrolle, wieso? Vor meinen Augen erscheint immer wieder das Bild von meinem Großvater. Ich halte mir die Hand vor den Mund und versuche krampfhaft nicht zu weinen. Ängstlich schaue ich zu Reita hoch. Immer wieder beginnt mein Körper haltlos zu zittern. „Ich bin es, Uruha“, ich weiß es doch. Mir bricht der kalte Schweiß aus, so viel Angst habe ich vor ihren Taten. Ich schließe die Augen und mache mich auf alles gefasst. Ich werde hochgehoben und irgendwann finde ich mich auf einem weichen Untergrund wieder. Jemand beginnt mir mit einem nassen und eiskalten Lappen über das Gesicht zu reiben. „Ist etwas passiert?“, fragt Reita besorgt nach. Jemand nimmt mich in den Arm und streicht liebevoll über meinen Rücken. Der Geruch von Alkohol steigert meine Angst weiterhin und ich versuche mich zu befreien. „Bitte lass mich los Uruha“, bitte ich ihn verängstigt. „Ruki?“, fragt Reita nach. Ängstlich schaue ich zu Reita hoch. Immer wieder beginnt mein Körper haltlos zu zittern. Mir bricht der kalte Schweiß aus, so viel Angst habe ich vor ihren Taten. Ich schließe die Augen und mache mich auf alles gefasst. Meine Stimme zittert und klingt mehr als brüchig. Langsam lässt er mich los und Reita nimmt mich stattdessen in den Arm. Leicht streicht er mir durch die Haare während ich immer noch versuche mich etwas zu beruhigen. Es ist nichts passiert und die beiden werden mir nicht weh tun. Warum muss mich meine Vergangenheit immer wieder einholen? Immer wieder wird es wie früher, egal wie weit ich weglaufe. Wie oft habe ich mir schon die Arme aufgeschlitzt um zu entfliehen? Wie oft habe ich mir selbst Verletzungen zugefügt oder Lügen erzählt um nicht in die Schule zu müssen? Ich habe versagt, immer. Egal was ich machte, immer musste ich in die Hölle zurück. Meinem Großvater war es egal wie schlecht es mir ging, Hauptsache ich bin in der Schule. Die Lehrer haben mich oft genug wieder nach Hause geschickt wo ich von ihm regelrecht mit dem Rohrstock erwartet wurde. In den Zeiten wo es am schlimmsten war hatte ich jede Menge Gewicht verloren, zwei Mal war ich deshalb im Krankenhaus. Durch Magensonde und Infusionen haben sie mich am Leben erhalten, gegen meinen Willen. Nach dem ersten Selbstmordversuch hatte ich solche Aktionen aufgegeben. Sie haben immer nur Hoffnungen erweckt, aber nie kam ich zum gewünschten Ziel. Ich war hinterher enttäuschter und trauriger als vorher. Anscheinend war mir der Tod nicht vergönnt, traurig aber wahr. Die Realität ist zu grausam, so wie sie ist. Eine Stimme zerrt mich zurück in die Gegenwart: „Ich stell dir ein Glas Wasser und Schlaftabletten hier hin. Kannst ja gleich mit Reita nachkommen.“ Langsam entfernt sich Uruha und lässt mich mit ihm alleine. „Morgen Mittag bekommen wir Besuch. Am besten wir zwei gehen jetzt auch schlafen“, informiert mich Reita. Etwas öffne ich die Augen und greife nach dem Glas Wasser. Mit der anderen nehme ich die Tabletten und schlucke sie runter. Das Wasser ist schön kalt. Leise stelle ich das Glas zurück auf den Tisch. „Reita ich komme nach, ok? Ich möchte noch etwas alleine sein“, erwidere ich. „Aber schlafe nicht im stehen ein, ansonsten bringt mich Uruha um. Gute Nacht kleiner“, wünscht mir Reita und steht auf. Seufzend spiele ich mit dem Saum des Oberteils. Erst als ich mir sicher bin, dass er hinter sich die Tür geschlossen hat, gehe ich an den Koffer und hole mein Taschenmesser hervor. Ich will die Tradition nicht brechen, ich will ihr lediglich hier und jetzt ein Ende setzen. Ich will nicht wieder schwach sein und zurück in die Vergangenheit. Rein symbolisch beende ich sie jetzt, dieses nehme ich mir fest vor. Das Badezimmer scheint mir am besten dafür geeignet, dort bin ich ungestört. Auf leisen Sohlen begebe ich mich hinein und schließe hinter mir die Tür ab. Ich brauche Zeit, viel Zeit. Ich hoffe niemand wird mich bei meinen Taten stören. Ich möchte mich in Zukunft nicht mehr selbst bestrafen. Ich kann nicht ewig Schmerzen mit Schmerzen überdecken. Ich lasse mich auf dem Boden fallen und klappe das wertvolle Silber aus. Bald habe ich es, halte es sicher in Händen. Nur ein paar fahrige und zittrige Bewegungen beschmutzen es, färben es rot. Ich höre auf, genieße die Schmerzen. Das pulsierende Anzeichen des Fluchtweges. Ein neuer Versuch aus der Welt zu verschwinden, ein neuer Versuch sie zu verdrängen. Wie immer wenn mich einer fertig gemacht hat. Meistens konnte ich den Impuls zurückhalten, dieses Mal war ich jedoch zu schwach. Zu Lange habe ich die Tatsache verdrängt, zu lange habe ich die Augen davor verschlossen. Es wird das letzte Mal sein. Ich koste es voll aus, ignoriere dabei den stetigen Blutfluss. So viel war es noch nie, aber noch nie zuvor wurde mir so ein Schmerz zugefügt. Schmerzen werden mit Schmerzen überdeckt, also habe ich lediglich den richtigen Maß gefunden, genau so ist es. Wie lange ich so da saß habe ich gar nicht bemerkt. Erst als die Tabletten langsam ihre Wirkung zeigen beginne ich mich zu beeilen. Ich schnappe mir Toilettenpapier mache es nass und wische sowohl das Taschenmesser als auch den Boden sauber. Über mir erblicke ich den Verbandskasten. Bewaffnet mit einer Mullbinde mache ich mich daran den Arm zu versorgen. Es schmerzt, es gefällt mir. Ich habe mein Ziel erreicht, ich habe dieses Mal nicht versagt. Sorgsam packe ich alles wieder weg. Spüle die verräterischen Spuren in der Toilette runter. Ein letztes Mal zupfe ich die Ärmel zu Recht. Die Tür öffne ich leise und schleiche zu meinem Koffer. Die Müdigkeit scheint mich zu überrollen. Schnell packe ich das Taschenmesser weg, denn ich will nicht dass sie es finden. Was würden sie nur denken wenn sie am nächsten Morgen mich mit einem Messer in der Hand hier liegen sehen? Nichts Gutes, bestimmt nichts Gutes. Und das letzte was ich jetzt gebrauchen kann sind unnötige Fragen. Denn diese Dinge gehen niemanden was an, niemanden außer mich. Und solange ich nur mich selbst verletzte ist doch alles in bester Ordnung. Gerade noch so schaffe ich den Weg zurück zu den beiden. Reita steht direkt auf als er mich im Türrahmen erblickt und nimmt mich in den Arm. „Du leuchtest richtig. Ist alles okay?“, erkundigt er sich. Meine Augen kann ich kaum noch offen halten und wehren fällt mir auch schwer. Zusammen setzen wir uns auf den Futon, die Müdigkeit reißt mich in eine andere Welt. Die Sonne strahlt ins Zimmer und zwingt mich regelrecht dazu die Augen zu öffnen. Ich muss einige Male zwinkern, denn sie blendet ein wenig. Sehen tue ich trotzdem wenig, denn in meinem Blickfeld liegt ein nasser Lappen. Ich schiebe ihn ein wenig bei Seite und richte meinen Blick auf den anderen Futon. Niemand da anscheinend. Ob es schon Mittag ist? Ist ja auch egal, ich bin immer noch müde. Mein Arm sowie mein Rücken scheint dieses nicht zu interessieren, denn sie lieferten sich gerade einen Wettstreit aus. Was tut am meisten weh? Leicht genervt drehe ich mich auf die andere Seite und ziehe die Bettdecke über den Kopf. Ich höre leise Stimmen und bemerke eine dritte, fremde Stimme. Ein Grund mehr sich unter der Bettdecke zu verstecken. Die Schritte kommen näher und jemand zieht an der Decke. „Ruki magst du nicht langsam mal aufstehen?“, spricht mich Reita an. Ich drehe mich unter der Bettdecke zurück auf die andere Seite. „Du brauchst keine Angst vor dem Besuch zu haben. Er ist nur halb so schlimm wie Uruha“, informiert er mich. „Das hab ich gehört Reita!“, hört man Uruha rufen. Leise lachend fordert mich Reita auf: „Es ist doch nur die Wahrheit. Also Ruki steh wenigstens auf.“ Ich schlage die Bettdecke zurück, denn langsam ging mir doch die Luft aus. Etwas mühsam richte ich mich auf und reibe mir über die Augen. Die Schlaftabletten haben es ganz schön in sich. Schon lange habe ich nicht mehr so fest und vor allem so lange am Stück geschlafen. „Geht es dir gut?“, fragt er in Sorge. Ich nicke und stehe ganz auf. „Kannst du noch reden?“, fragt Reita belustigt nach. „Ja, aber ich tu es nicht.“ Was wird das jetzt? Etwa ein Frage und Antwortspiel? „Du bist viel zu schweigsam für so eine schöne Stimme.“ „Reita bitte.“ „Was soll ich für dich tun?“, verdutzt starrt er mich an. „Schon gut“, meine ich nur seufzend. Warum müssen die mich schon am frühen Morgen so nerven? Auf eine ganz komische Art mag ich Reita jetzt schon. Im Gegensatz zu Uruha ist er nicht ganz so aufdringlich und bei ihm habe ich auch nicht eine ganz so große Angst. Ich gehe an ihm vorbei Richtung Küche. „Warum lässt du mich einfach alleine stehen?“, meckert Reita und rennt mir hinterher. Gekonnt ignoriere ich ihn und trete in den kleinen Raum. Als erstes fällt mir ein zweites scheinbar ungeschlechtliches Wesen auf. Ich bin zwar gerade der richtige der das behauptet aber egal. Ich begrüße die beiden und lächle leicht als ich in Uruhas Augen blicke. „Hallo kleiner“, begrüßt mich der Fremde. Warum müssen mich immer alle wegen meiner Größe aufziehen? Das ist wirklich alles andere als fair! Immer auf die kleinen! Kichernd merkt Uruha an: „Ich an deiner Stelle würde ihn nicht kleiner nennen.“ „Hunde die bellen beißen nicht, also wenn er ein Gegenargument gibt sind Ängste unbegründet“, stichelt der schwarzhaarige. Wie kann der Freund von den beiden nur so gemein sein? „Ruki willst du etwas essen?“, erkundigt sich Uruha und stupst mich in die Seite. Ich schüttele den Kopf, wende den Blick ab und setze mich neben Uruha an den Tisch. Wenigstens hat er sie im westlichen Stil eingerichtet. Normale Stühle sind immer noch bequemer als Sitzkissen, meiner Meinung nach. Entschuldigend meint Uruha zu dem Neuen: „Nimm es ihm nicht übel, mit uns redet er auch kaum.“ Ich gebe nur ein Grummeln als Antwort. „Uruha dein Freundeskreis ist echt ein bunt gemixter Haufen“, stellt der neue fest. „Da muss ich dir voll und ganz zustimmen. Aber Gegensätze ziehen sich ja schließlich an“, meint Uruha lachend. Irgendwie fühle ich mich ziemlich fehl am Platz. Mir ist auch dank der Tabletten ziemlich unwohl und ich fühle mich einfach nicht gut. „Uruha macht es dir etwas aus wenn ich im Wohnzimmer weiterschlafe?“, frage ich unsicher nach. „Nein, kannst du ruhig machen. Schlaf dich aus, dann geht es dir bestimmt heute Nachmittag um einiges besser“, versichert er mir lächelnd. Ich stehe auf und gehe auf den Balkon um mir die Decke von gestern Abend zu holen. Mit ihr zusammen gehe ich ins Wohnzimmer und lasse die Rollladen runter. Die Tür lasse ich offen, damit es nicht ganz so dunkel ist. Ich lege mich auf die Couch und kuschle mich unter die Bettdecke. Ob die zu jedem so herzlich sind? Schritte kommen näher und ich sehe Reita ins Gesicht. Ich frage mich echt wann ich einmal Ruhe haben werde. Haben die sich als Aufgabe ausgesucht mich in den Wahnsinn zu treiben oder was? „Du bist zu wach zum schlafen, mach dir doch nichts vor“, macht mich Reita darauf aufmerksam. „Schlaftabletten?“, antworte ich mit hochgezogener Augenbraue. „Damit du erst Mal wieder überall herum läufst und dann umkippst? Vergiss es“, meint Reita nur verächtlich. „Na wenn du meinst“, gebe ich mich kampflos geschlagen. „Ach man so macht das gar keinen Spaß.“ „Was soll Spaß machen?“, frage ich perplex nach. „Das würdest du gerne wissen wollen, oder? Sag ich dir aber nicht. Was war eigentlich letzte Nacht los?“, möchte er wissen und runzelt seine Stirn. „Wer hört alles mit?“, erkundige ich mich unsicher. „Nur ich, die anderen beiden sind in Uru’s Zimmer und spielen Playstation. So würden die noch nicht einmal ein Erdbeben bemerken“, meint Reita grinsend. „Uruha war los“, antworte ich widerwillig. Wie erklärt man die Angst vor etwas, ohne den ganzen Rest dazu erzählen zu müssen? „So beängstigten ist er auch nun wieder nicht. Er ist mit Alkohol nur etwas, wie soll man es nennen? Offener als sonst? Nein er ist schon sonst so offen, aber nicht so“, druckst er herum. „Es war wegen dem Alkohol an sich“, meine ich. „Hab ich mir schon irgendwie gedacht. Keine Angst so oft trinkt er nicht, immerhin ist er erst 16“, versichert er mich. Trotzdem ist er noch viel zu jung dafür. Um vom eigentlichen Problem abzulenken erwidere ich: „Ich hab es nicht so mit Alkohol weißt du.“ „Verträgst du keinen?“ „Nein, das ist es nicht. Ich mag lediglich nicht seine Auswirkungen“ „Bei Uruha brauchst du aber wirklich keine Angst zu haben. Wenn er wirklich betrunken ist landet er überall, bloß nicht zu Hause. Hast du Lust mit mir gleich die Hausaufgaben zu machen?“, fragt er nach, „Du kommst morgen wieder zur Schule mit, denn am Freitag war die Lehrerin schon ziemlich sauer.“ Benötigst er etwa meine Hilfe beim Addieren von 1 und 1 oder was? Ich nicke, da ich keine Lust habe groß alleine die Hausaufgaben zu machen. Und warum ist die Lehrerin nun schon wieder sauer? „Wieso?“, frage ich perplex nach. „Du warst am ersten Tag da, dann warst du 5mal krank und dann kamst du wieder einen Tag und dann, ja dann warst du verschwunden. Sie hatte gemeint sonst hättest du dich telefonisch entschuldigt nur dieses Mal nicht. Sie hat uns mehrmals gefragt ob wir etwas wissen“, erläutert er. Ob ich immer noch an der Schule angemeldet bin? Scheinbar haben sich meine Eltern nicht darum gekümmert und der Umzug zurück war auch alles andere als durchdacht. Was ist nur vorgefallen, dass wir plötzlich zurück mussten? „Ich denke mal ich wurde jetzt auch schon abgemeldet von der Schule“, erwidere ich unsicher. „Sicher?“, hakt er nach und schaut mich ganz komisch an. Irgendwie macht mir dieser undefinierbare Blick Angst. „Ich weiß es nicht. Ich hab mit meinen Eltern kein Wort gewechselt. Doch schon, aber nicht über dieses Thema“, gebe ich ehrlich zu. Aber an andere Gespräche kann ich mich nicht mehr so wirklich erinnern. Aber über irgendetwas müssen wir doch geredet haben, oder? „Du bist mir ja einer“, lachend guckt mich Reita an. „Kann man nichts ändern“, meine ich nur trocken. „Wenn du mehr Ruhe haben willst kannst du auch zwischendurch zu mir, nur ich wohne noch bei meinen Eltern“, bietet mir Reita an. „Ist doch nicht schlimm“, erwidere ich lächelnd. Ich bedanke mich kleinlaut für das Angebot und spiele etwas mit dem Saum von einem Oberteil. Schon lange habe ich nicht mehr so viel gesprochen und es tut einfach gut wieder halbwegs normalen Kontakt zu anderen Menschen zu haben. „Kein Problem. Solange du irgendwann den Mantel des Schweigens ablegst“, stichelt er. Ich nicke als Antwort, obwohl ich mir dabei alles andere als sicher bin. Kann ich den beiden wirklich vertrauen? „Wenn der Verband anfängt zu jucken sagst du Bescheid okay?“, bittet mich Reita, „Geht es deinem Rücken etwas besser?“ „Ja, ich denke schon. Auf jeden Fall sind die Schmerzen um einiges erträglicher geworden“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Wenn die Wunden erst einmal etwas mehr verheilt sind dann lässt auch der Schmerz nach“, versichert er mir. Einige Minuten schweigen wir uns einfach an und Reita mustert mich ganz schön kritisch. Es ist mir ziemlich unangenehm, weshalb ich den Blick senke. Er besteht richtig darauf, dass ich etwas zu Essen zu mir nehme, weshalb ich aufstehe und ihm in die Küche folge. Dort drückt er mir eine Schale voll Reis mit Gemüse in die Hand und schiebt mich vor sich her Richtung Uruha. Er weiß schon, dass ich kein kleines Kind mehr bin? Oder bemuttert er andere gerne? Oder behandelt er mich nur so, weil ich hier Gast bin? Aber müsste mich nicht dann Uruha von vorne bis hinten bedienen? „Ich hab gedacht du wolltest etwas schlafen“, meint Uruha überrascht. „Ist das jetzt ein Vorwurf?“, frage ich verunsichert nach, „Reita hat gemeint ich soll nicht schlafen.“ War es falsch auf ihn zu hören? „Hör einfach nicht auf ihn“, fordert mich Uruha auf. Ich setze mich mit etwas Abstand neben die beiden. Verlegen fange ich an zu essen und versuche die beiden einfach zu ignorieren. „Ruki ignorier Uruha einfach“, meint Reita. Lachend meint Uruha: „Ruki ignorier Reita einfach.“ „Jetzt hört ihr zwei mal damit auf“, fordert der Neue die beiden auf. Reita setzt sich neben mich und beobachtet mich beim Essen. Die drei kabbeln sich noch ein wenig ehe das Gespräch verstimmt. Es dauert auch nicht lange bis der Neue und Uruha wieder vollkommen in das Spiel vertieft sind. Echt merkwürdig ist das Verhalten von den dreien. Ich frage mich echt ob solche Konsolen Geisteskrankheiten auslösen können, denn die haben definitiv eine. Wenn nicht sogar mehrere! ------- Disclaimer: keiner der charas gehört mir, es gibt kein Geld dafür Warnung: SVV(aber nur angedeutet) uhm... ich frag mich ob die Länge besser ist oder die andere =/ 3297 → 4729(20.01.2018) Kapitel 4: Rückschlag --------------------- Immer wieder schweife ich in Gedanken zurück in die Vergangenheit. Mehrmals werde ich von der Lehrerin ermahnt, trotzdem kann ich mich nicht fangen. Ich bin regelrecht in meinen Träumen gefangen. Krampfhaft versuche ich mich auf den Unterricht zu konzentrieren, es hilft nichts. Wieder spüre ich den Ellenbogen von Uruha in meiner Seite, wieder holt er mich für wenige Sekunden zurück in die Realität. Mir fallen wieder die Worte ein, die Worte die mich so aus der Bahn geworfen haben. Als die Lehrerin rein kam wurde ich direkt zum Direktor geschickt. Mit pochendem Herzen stand ich vor seiner Tür, traute mich kaum zu klopfen. Eine Unsicherheit machte sich breit und drohte mich zu ersticken. Als ich schließlich im gegenüber an seinem Schreibtisch saß erreichte die Angst ihren Höhepunkt. Erst hielt er mir lauter Gardinenpredigten und fragte mich aus. Nachdem er endlich realisiert hatte, dass aufgrund meiner Eltern freitags nicht in der Schule gewesen war, schraubte er einen Gang zurück. Dann meinte er meine Klassenlehrerin wird mit mir in der Pause ein Gespräch führen. Und schon war ich entlassen und konnte zurück in die Klasse. Jetzt warte ich lediglich auf die Pause, mehr nicht. Mich langweilt der Unterricht nur und außerdem fühle ich mich ziemlich müde. Als der Lehrer mal wieder meinen Namen ruft ignoriere ich es. Es ist bestimmt nichts Wichtiges. Uruha stößt mich wieder in die Seite und meint ich soll auf den Flur. Klasse, jetzt soll ich auch noch den Rest der Stunde auf dem Flur verbringen, ich habe bei einer Doppelstunde ja eh nichts Besseres zu tun. Genervt stapfe ich raus und lehne mich an die Wand neben der Tür. Das kann ja noch heiter werden… Eine gefühlte Ewigkeit später höre ich Schritte. Ausgerechnet meiner Klassenlehrerin fällt es ein jetzt über den Flur zu laufen. Ironie des Schicksals eindeutig! „Matsumoto-san was machen sie denn hier draußen auf dem Flur?“, fragt sie verwundert nach. Von einem mit sehr guten Zeugnis hat man so etwas anscheinend nicht erwartet. Leider ändern sich Menschen nun einmal. Ich möchte nicht mehr der Musterschüler von früher sein. „Sensei hat mich raus geschmissen…“, irgendwie ist mir genau diese Tatsache peinlich. „Dann hast du jetzt auch sicherlich Zeit für ein Gespräch?“, fragt sie direkt nach. Nickend schaue ich sie an. Kurz geht sie in den Klassenraum und wenig später befinde ich mich ihr gegenüber sitzend an einem Tisch in einem kleinen Raum. „Du weißt worum es geht?“, fragt sie mich. Angedeutet schüttele ich den Kopf. Diesen lasse ich auch gesenkt, denn ich traue mich nicht in ihr Gesicht zu sehen. „Um deine vielen Fehltage und den einen unentschuldigten“, versucht sie mir zu erklären. „Die ersten Fehltage da war ich krank. Magen-Darmgrippe und meine Mum meinte damit sollte ich lieber das Bett hüten. Dann war ich ja den einen Tag wieder in der Schule und an dem darauf folgendem bin ich umgezogen. Ich habe es selbst erst am Abend davor erfahren und ich hatte keine Möglichkeit irgendwem noch Bescheid zu geben. Dann war ich halt einen Tag da wo ich früher gewohnt habe und in der Nacht bin ich mit dem Zug zurück hier her. Und seitdem war ich die ganze Zeit in der Wohnung von Uruha-kun“, rechtfertige ich mich direkt. „Verstehe. Und sonst?“, fragt sie. Verwirrt starre ich sie an. Was will die Frau von mir wissen? „Werden solche Vorfälle noch öfters sein?“, sie klingt ziemlich gereizt. „Iie. Ich habe nicht vor zurück zu meinen Eltern zu gehen“, 7und dieses habe ich mir fest vorgenommen. „Ich will eher wissen ob du jetzt die Schule ernster nehmen wirst“, ernst schaut sie mich an. „Hai“, erwidere ich. Nach etlichen Fragen und Antworten später beendet die Schulglocke dieses Gespräch. Mehr als erleichtert verlasse ich den Raum und gehe zurück in die Klasse. Dort angekommen setze ich mich erst einmal auf meinen Platz und bemerke nebenbei, dass keiner der anderen beiden sich im Raum befindet. Naja, sie werden schon nicht weglaufen sein. Insgesamt scheinen viele Klassenkameraden nicht da zu sein. Und immer mehr verlassen den Raum. Langsam bekomme ich Panik. Laufen die weg von mir?! Die Klassensprecherin kommt auf mich zu. „Ruki-kun kommst du nicht mit?“, fragt sie verwundert nach. „Äh... wohin bitte?“, frage ich höflich nach. „Wir haben Sport Baka-chan“, meint sie neckend. „Arigato…?!“, bedanke ich mich für diesen Hinweis. Völlig perplex schaue ich sie an und stehe auf. Leicht verdattert folge ich ihr. Wieso haben wir heute Sport? Das gibt es doch gar nicht! Wieso weiß ich davon nichts?! „Ich hoffe Uruha-kun hat dich bisher noch nicht zu sehr genervt“, seufzend geht sie neben mir her. Kopfschüttelnd gucke ich den Boden an. „Sähe ihm ähnlich so etwas zu tun. Sag mal wo wohnst du denn jetzt? Als ich dir am Freitag die Hausaufgaben bringen wollte stand euer Haus leer“, soll ich wirklich darauf eine Antwort geben? „Bei Uruha vorübergehend“, vielleicht auch für immer. „Gut… Pass auf, dass er nicht an deine Wäsche will!“, warum kann sie noch bei so einer Aussage lächeln? „Wie meinst du das?“, frage ich sicherheitshalber einfach einmal nach. „Er hatte zeitweise den Ruf Frauen zu verführen… Naja wenn man Reita Glauben schenken darf“, wieso erzählt Reita solche fiesen Dinge? Ich muss einmal hart schlucken. Dass sind ja Sachen die ich erfahre… Grauenvoll! „Hier ist die Umkleide für die Jungs… Richte Uruha mal einen schönen Gruß aus, er soll mir endlich mal das Geld von vor Monaten geben“, bittet sie mich. „Hai. Arigato“, bedanke ich mich. Mit einer leichten Verbeugung verabschiede mich und husche in die Umkleide. „Da bist du ja Ruki. Wo hast du gesteckt?“, erkundigt sich Uruha direkt. „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass wir Sport haben?“, erwidere ich vorwurfsvoll. „Du könntest ja auch mal zum Vertretungsplan am Schwarzen Brett gehen und nach gucken“, und direkt geht er auf Gegenangriff. „Ich weiß gar nicht wo das ist“, mir wurde ja schließlich nicht die Schule gezeigt! „Dann frag es nächste Mal einfach“, woher hätte ich wissen sollen, dass eine Stunde ausfällt? Die Tränen am unterdrücken wende ich den Blick ab. „Duhu Uruha?“, und jetzt vom Thema ablenken. „Hai Ruki?“, er klingt wieder ganz normal. „Wo ist Reita?“, frage ich nach. „Gute Frage… Weg“, das sehe ich auch. „Und ich soll dir sagen du sollst der Klassensprecherin endlich das Geld geben“, übermittle ich die Nachricht. „Das kann sie sich sonst wo erbetteln, aber nicht bei mir“, faucht mich Uruha an. Mit einem fragenden Gesichtsausdruck sehe ich ihn. „Schon gut. Kannst du überhaupt Sport mitmachen?“, fragt er mich besorgt. „Geht schon denke ich“, solange die Wunden nicht aufplatzen. „Wenn nicht dann schwänzt du einfach. Er kennt dich noch gar nicht also würde es ihm nicht auffallen. Letztes Mal ist es ihm auch nicht aufgefallen“, schlägt mir der Dunkelblonde vor. „Aber man kann doch nicht einfach schwänzen“, erwidere ich. „Natürlich kann man das. Ruki wie unschuldig bist du?“, fragt er verblüfft nach. „Mehr als du“, brummele ich verlegen. „Was soll das heißen?“, fragt er verärgert nach. „Das ich nicht auf solche Gedanken wie du komme“, erläutere ich meine vorherige Aussage. „Da merkt man mal die gute Erziehung“, wurdest du etwa nie so erzogen? Ich lächle ihn bitter an. „Hast du Ärger bekommen?“, löchert er mich weiterhin. Kopfschüttelnd setze ich mich neben ihn auf die Bank. „Du hast unsere Klassenlehrerin ziemlich geschockt… Das ausgerechnet du auf dem Flur landest“, ein leises Lachen entweicht ihm, „Okay mich hat dein Verhalten auch verwundert und dass du dann einfach gegangen bist. Jeder andere hätte protestiert…“ Pünktlich zum Gong folge ich Uruha nach draußen auf den Basketballplatz. Es dauert auch nicht lange bis die Mannschaften vom Lehrer eingeteilt werden. Letztendlich befinde ich mich mit Uruha und Reita in einer Gruppe. Ich habe mir vorgenommen mich zurückzuhalten um meinen Rücken etwas zu schonen. Also stehe ich etwas abseits und sicher vom Geschehen und schaue den anderen bei der Balljagd zu. Verträumt schaue ich vor mich hin und verliere mich wieder in dem Labyrinth meiner Gedanken. Ich drehe meinen Kopf und sehe erschrocken die anderen an, die nach mir rufen. Im letzten Moment sehe ich noch den Ball der in rasender Geschwindigkeit auf mich zugeflogen kommt. Ich versuche auszuweichen, aber der Ball scheint mir zu folgen. Mit voller Wucht knallt er gegen meinen Kopf und ich fliege rückwärts auf den Boden. Alles um mich herum wird schwarz… Ich nehme leise Stimmen wahr. In meinem Kopf hämmert und pocht es. Naja, wenigstens befinde ich mich jetzt auf einer weichen Unterlage, was auch meinem Rücken zu gute kommt. Als ich die Augen öffne nehme ich anfangs alles nur schemenhaft wahr, bis die Sicht wieder schärfer wird. „Ruki? Keine Angst. Es ist alles in Ordnung“, flüstert Uruha. Er legt wieder einen kalten, nassen Lappen auf meine Stirn. „Hörst du mich?“, fragt er wieder flüsternd. „Hai…“, murmele ich ganz leise. „Sind die Schmerzen sehr stark?“, es pocht unangenehm, wenn er redet. „Hai“, gebe ich klein laut zu. „Warte ich hol den Lehrer“, blinzelnd versuche ich meinen Blick auf ihn zu richten. „Iie… Bitte nicht“, flehe ich ihn an. Mir ist richtig übel. Überall pocht es und pulsiert schmerzhaft. Ich bin froh, dass es nicht sehr hell ist. Auch das wenige Licht im Raum bereitet mir Schmerzen. „Warum nicht?“, immer noch redet er sehr leise. „Darum… Wo bin ich?“, ich erinnere mich gar nicht an diesen Raum. „Krankenzimmer… Schon seit über 2 Stunden. Du weißt noch was passiert ist?“, ich denke schon. Ich nicke nur angedeutet. Meine Hände kralle ich in die Bettdecke. Die Schmerzen sind richtig unangenehm. „Gut… Du hast lediglich ein paar wenige Beulen. Hätte viel schlimmer kommen können“, lächelnd streicht er mir langsam über den Kopf, „Heute ist einfach nicht dein Tag.“ Ich nehme den Lappen von der Stirn und setze mich auf. „Der Lehrer hat auch deinen Rücken angeguckt… Und den Verband gewechselt… Auch an deinem Arm, weil der Verband ziemlich voll Blut war“, traurig fixierst du mich mit deinen Augen. Ich reiße meine Augen weit auf. Wenn er die Wunden gesehen hat, was denkt er jetzt von mir? Was wird das jetzt für Folgen für mich haben? Es soll doch niemand wissen was passiert ist. Unweigerlich wissen es jetzt viele, viel zu viele. „Ruki!“, er legt einen Arm um mich und ich schlage diesen direkt weg. „Warte… Bleib einfach hier sitzen und bleib ruhig. Hai?“, bittet mich Uruha. Ich muss mehrmals schlucken und doch schaffe ich es nicht die aufkeimende Übelkeit zu verdrängen. Uruha steht schnell auf und rennt aus der Tür. Kurze Zeit später kommt statt ihm Reita hinein. „Ruki?“, fragt er mich. Ich schaue ihn ängstlich an. Langsam kommt er auf mich zu und streicht mir beruhigend über den Rücken. Stumme Tränen fließen mir über die Wangen. „Willst du nach Hause?“, ich nicke leicht, „Warte ich sag dem Lehrer Bescheid.“ Und weg ist er. Ich bin schwach. Ich halte diese verdammte menschliche Nähe nicht aus. Sie macht mir nur immer wieder bewusst was ich all die Jahre gehabt haben könnte. Sie führt mir immer wieder vor Augen was das Leben ist, das ich im Grunde noch nie gelebt habe. Auch wenn die Tränen verstummen, die Schmerzen bleiben. Jedoch bemerkt niemand meine unendlichen Schmerzen. Meine Augen sind leer, sie strahlen kein Leben aus. Sie sind tot wie mir immer wieder gesagt wurde, so verdammt tot. Ich fühle mich wie eine leere Batterie. Seit Wochen habe ich kaum noch Kraft jeden Tag aufzustehen, mir den Alltag anzutun. Es ist zu viel. Die letzten Tropfen haben das Fass zum überlaufen gebracht, es gibt keine Rettung mehr. Ich stehe verlassen im Regen meiner geweinten Tränen. Es ist sinnlos weiterzumachen… „Ruki?! Geht’s dir nicht gut?“, fragt mich der Blonde besorgt. „Reita… Bitte lass mich etwas alleine ok?“, bitte ich ihn. „Ano wieso willst du schon wieder allein sein?“, fragt er verwirrt nach. „Darum… Bitte“, ich weiß es doch selbst nicht. Ich kann lediglich diese ganzen Heuchler nicht mehr ertragen. Im Endeffekt ist man sich selbst am nächsten, wenn es hart auf hart kommt. „Du Ruki, ich glaube die Einsamkeit würde dir nur noch mehr weh tun“, bittend schaut mich Reita an. „Bitte Reita“, flehe ich. „Da hilft auch kein bitten. Und wenn es wegen den ganzen Wunden und Narben ist, es wird keiner Fragen stellen. Du brauchst dir ehrlich keine Gedanken darum zu machen. Gleich gehen wir zu Uruha nach Hause, dann kannst du ja etwas schlafen. Aber mach dich doch jetzt nicht verrückt, das bringt ehrlich nichts“, ich will mich ja auch gar nicht verrückt machen. „Können wir etwas raus?“, vielleicht hilft mir ja etwas frische Luft. „Klar können wir das“, lächelnd geht er zur Tür. Ich stehe leicht wankend auf, schaffe es aber meinen Gang zu sichern und folge Reita auf den Schulhof. „Aber wir bleiben nicht lange, in Ordnung?“, meint Reita plötzlich. „Wieso nicht?“, ich will eigentlich gar nicht mehr rein gehen. „Darum halt“, warum kannst du mir keine vernünftige Antwort geben? „Seit ihr böse?“, immerhin haben sie die Narben und frischen Wunden an meinen Armen gesehen. „Etwas, aber mach dir keine Gedanken darum. Bitte spreche es nächste Mal mit uns darüber bevor du zu solchen Mitteln greifst, ok?“, bittet er mich. Nickend antworte ich. Ein eisiger Wind beginnt die Blätter über den Schulhof tanzen zu lassen. Unweigerlich fange ich an zu zittern, da ich nicht gerade für so ein Wetter bekleidet bin. Schweigend stehend wir eine lange Zeit nebeneinander. Ich versuche die Gedanken zu verdrängen, ich will nicht dass er merkt wie schlecht es mir wirklich geht. Mein Blick schweift über den ganzen Platz, es ist das erste Mal. Er sieht anders aus wie der an meiner alten Schule, ganz anders. Er ist viel offener, übersichtlicher. Man hat nicht so viele Ecken um sich zu verstecken. Er ist größer, da er bestimmt mehr genutzt wird. Die einzelnen Spielfelder grenzen an, sowie auch die Turnhalle. Bei uns konnte man früher einfach unbemerkt Dinge treiben. Wenn es einer mitbekam, dann hat dieser einfach weg geschaut. Immerhin gehen die Angelegenheiten eines anderen niemanden etwas an. Die Kopfschmerzen fangen an mir auf die Nerven zu gehen, außerdem scheinen sie immer schlimmer werden zu wollen. „Reita ich glaub ich geh lieber alleine nach Hause“, ich will nur noch schlafen. „Wieso?“, wieso wohl? „Wegen den Kopfschmerzen, brauche Ruhe“, meine ich knapp angebunden. „Nachher passiert noch etwas“, was soll den schon passieren? „Ich werde schon aufpassen. Der Weg ist ja nicht allzu lange wenn ich durch den Park gehe“, auf jeden Fall meint Uruha dieses. „Hast du deinen Schlüssel?“, fragt er direkt. Wieder nicke ich nur als Antwort. Mit einem Lächeln auf meinen Lippen verabschiede ich mich von ihm. Ist dieses doch die Ruhe und Einsamkeit die ich erhoffe um mich wieder etwas zu beruhigen. Ich überquere die Straße und vermeide es den kürzeren Weg an der stark befahrenen Straße zu nehmen. Bis zum Park erreicht mich kaum ein Laut außer Vogelzwitschern. Ein Tier zu sein ist bestimmt einfach. Seinen Instinkten folgen und die menschlichen Schmerzen der Seele nicht kennen. In den Tag hinein leben ohne sich darum kümmern zu müssen was Morgen ist. Denn es ist egal, man muss nichts erreichen, man muss sich nichts beweisen. Wenn man es geschafft hat Nachkommen zu zeugen kann man sterben, so einfach ist das. Man hat Feinde, aber dieses zählt kaum… Arme umschlingen mich von hinten und halten mich fest. Ängstlich drehe ich den Kopf und sehe Personen aus meinem früheren Leben. Panik macht sich breit, ich versuche mich loszureißen, bringe mein Gegenüber damit nur zum lachen. Ein weiterer kommt und hilft dem anderen mich festzuhalten. Ein dritter kommt, beginnt mit provozierenden Sprüchen, doch sie lassen mich kalt. Er greift zu Anderen Maßnahmen, endlich wissend dass er mit seinen Sprüchen bei mir nicht weiter kommt. Eine Faust trifft mein Gesicht immer und immer wieder. Ich versuche mich zu wehren, aber meine Hände werden festgehalten, genau wie meine Beine. Ich will schreien, aber kein Ton entweicht meinen Lippen. Erbarmungslos schlägt er auf mich ein. Er, mein Begleiter vor langer Zeit. Ich presse die Augen zusammen, spüre deutlich wie das Blut meine Kehle hinab fließt. Mehrmals spüre ich wie sein Knie meinen Bauch berührt. Ich spüre die Schmerzen kaum noch, zu sehr bin ich von diesem Schwindelgefühl eingenommen. Immer wieder verliere ich das Bewusstsein, doch es kehrt zurück. Bis ich auf einmal gar nichts mehr spüre. Ich öffne die Augen, sehe mich kurz um und stehe wankend auf. Die alleinige Angst treibt mich dazu meine Kräfte zu sammeln und zurück zu Uruha zu rennen. Ich weiß nicht wie ich letztendlich geschafft habe, aber als mir ein besorgter Uruha die Tür öffnet erfüllt mich eine unendliche Erleichterung. Plötzlich macht sich aber wieder alles bemerkbar und in mir steigt die Übelkeit auf. Ich dränge mich schnell an Uruha vorbei und renne ins Badezimmer wo ich direkt die Tür hinter mir abschließe. Erschöpft breche ich auf dem Teppich zusammen. Immer wieder ruft er meinen Namen, ich bin zu schwach zum antworten. Schmerzhaft dringen immer wieder die Bilder vor mein Auge. Ich vor ein paar Tagen mit einem Messer, hier sitzend. Wohl wissend das ein falscher Schnitt alles beenden würde. In Gedanken fahre ich wieder mit dem Messer meinen Arm entlang, immer wieder. Der Blutstrom ist noch zu deutlich vor meinen Augen. Die Erinnerungen treiben Ströme an Tränen über mein Gesicht. Wellen voll Schmerz durchfahren meinen Körper. Immer wieder verkrampft er sich, immer wieder versuche ich mich zu beruhigen. Sinnlos wie es erscheint, denn jedes Mal wird es schlimmer. Längst vergangene Taten, zu Hause das gleiche Szenario. Mit dem gleichen Messer sitzend im Badezimmer, meinen Arm am traktieren. Immer nur ein Schnitt, ein Schnitt mit neuer Geschichte. Damals waren keine Tränen dabei, nur ein bitteres Lächeln. Denn ich wusste, er würde mir meine anderen Schmerzen nehmen. Er würde mir meine seelischen Qualen in den Arm verbannen, sie aus meinen Gedanken auslöschen. In diesen Momentan glaubte ich es, ernsthaft. Erst als ich wieder klar denken konnte, fiel mir meine eigene Dummheit auf. Wie kann so eine Verletzung jemanden heilen? Wie können sichtbare Spuren die seelischen widerspiegeln? Gar nicht, überhaupt gar nicht. Hätte jemand in mein Herz gesehen, wäre es ihm aufgefallen. Denn mein Herz schlug schon lange nicht mehr wirklich, es war schon längst erstarrt. Doch jeder sah nur meine äußeren Verletzungen, niemand wagte es einen Schritt weiter. Anstatt zu fragen, verurteilten sie mich. Sie streuten Salz in die offenen Wunden wo es nur ging, denn ich war ihnen egal. Meine Atmung spielt verrückt, zwischenzeitlich bekomme ich kaum noch richtig Luft. „Mach dir Tür auf, komm“, fordert mich Reita auf. „Ruki was ist los?“, erkundigt sich Uruha, „Ist alles in Ordnung?“ Nein nichts ist in Ordnung. Meine Welt ist schon lange aus ihrem Ruder gelaufen, sie läuft schon lange nicht mehr so wie früher. Ihr habt meinen Weg erhellt und die Schmerzen zum Vorschein gebracht. Ihr habt die Spuren der Vergangenheit für alle sichtbar gemacht. „Ruki bitte, mach auf. Oder rede mit uns, komm rede mit uns“, fleht Uruha mich an. „Ruki lebst du noch?“, warum sollte ich diese nicht mehr tun, Blondie? Ich gucke kurz um mich, auch wenn ich eigentlich nichts sehe. Das Handtuch fällt mir auf, zitternd nehme ich es. Mit aller Kraft werfe ich es Richtung Tür. „Ruki was machst du da drinnen?“, fragt Uruha verwundert. Hören sie nicht mein Schluchzen? Hören sie nicht mein Wimmern? Ich muss husten, Blutspritzer landen auf meiner Hand. Ich erschrecke mich, ein Schrei entweicht mir. „Ruki mach die Tür auf! Wir wollen dir nur helfen“, meint Reita. Ich krauche zur Tür, drehe den Schlüssel um. Mühsam rutsche ich zurück und wieder überfällt mich ein Hustenanfall. Weitere Blutspritzer landen auf meiner Hand. Vorsichtig wird die Tür etwas geöffnet, wenig später ganz. Mit halb geschlossenen Augen gucke ich beiden ins Gesicht, ein leichtes Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht. „Es ist alles in Ordnung“, gesprochene Worte die nicht stimmen, ich weiß es selbst. „Ruki gleich kommt unsere Klassenlehrerin“, flüstert Uruha vor sich her. Deutlich sehe ich die Tränenspuren auf seinem Gesicht. Auch mir kommen wieder welche hoch, doch ich unterdrücke es, versuche stark zu sein. Ich strecke beide Arme aus, versuche ihnen so klar zu machen es ist nicht so schlimm. Ich will ihnen ihre Sorgen nehmen, ich will die Situation runter spielen. Zögerlich kommen beide auf mich zu. Helfen mir aufzustehen und geleiten mich langsam ins Wohnzimmer. Ich lasse mich auf die Couch nieder und beide setzen sich neben mich. „Was ist passiert Ruki?“, fragte Uruha drängend. „Die Vergangenheit hat lediglich mit mir gespielt“, nicht mehr und nicht weniger. „Hast du schlimme Schmerzen?“, musternd schaut mich Uruha an. „Es geht schon“, ich habe schon schlimmeres erlebt. Mein Körper krampft sich erneut zusammen. Fast schon reflexartig schlage ich die Hand vor den Mund. Wieder tropft Blut auf meine Hand, ich gebe mein bestes um es zu verstecken. Der Geschmack bereitet mir Übelkeit, lässt mich haltlos zittern. „Leg dich in Ruki!“, Uruha steht auf und zwingt mich, mich hin zulegen. Ich schließe die Augen, will die Welt nicht mehr sehen. Reita war in der Zwischenzeit auch aufgestanden und guckt mich mit einem verzweifelten Blick an. Was hat es noch für einen Sinn weiter zu leben, wenn mich die Vergangenheit sowieso immer wieder einholt? Wenn sie mir immer auf so eine schmerzhafte Art und Weise klar macht ich bin unerwünscht auf dieser Welt? Egal wie oft ich versuche wegzulaufen, sie findet ihren Weg zurück zu mir. Egal wie oft ich versuche es zu vergessen, die Erinnerungen kehren zurück. Man kann nichts dagegen tun, letztendlich ist man gefangen im Labyrinth des Lebens. Man kann nicht weglaufen, man kann nicht entfliehen. Wie von weiter Ferne hört sich das Klingeln an. Wenig später spüre ich eine Hand auf meiner Stirn. „Matsumoto-san?“, spricht mich die Lehrerin an. Ich wische kurz mit dem Handrücken über meinen Mund und lasse danach den Arm von der Couch baumeln. „Wir fahren jetzt zusammen ins Krankenhaus“, klärt sie mich über das weitere Vorhaben auf. Ich werde hoch gehoben und kurz öffne ich meine Augen und blicke Reita ins Gesicht. Ich hebe meine Hand und streiche mit dieser kurz über seine Wange. Wieder muss ich husten. Mein Körper beginnt wieder zu beben, er schließt seine Arme fester um mich. Mir wird schwindlig, bis auf einmal alles um mich herum dunkel wird. Als ich meine Augen wieder öffne befinde ich mich ganz woanders. Das Zimmer ist voller Poster und die Wände sind schwarz-weiß gestrichen. Der Boden an sich sieht aus wie ein großes Schachbrettmuster. Irgendwie jagt es mir eine große Angst ein. Etwas zögerlich stehe ich auf und verlasse das Zimmer. Ich gehe den kurzen Flur entlang und gucke durch die einzige offene Tür. Und da sitzen sie, alle drei miteinander. So leise es geht schlurfe ich zu ihnen hinüber und setze mich etwas abseits von ihnen hin. Sie versuchen mit mir zu reden, doch ich höre nicht zu. Sie haben selbst gesehen was passiert ist, zwar nur die Auswirkungen, aber sie haben es gesehen. Sie brauchen keine Erklärung dafür, denn sie wissen sicherlich, dass dieser erst der Anfang ist. Ich bin gefangen, es ist wie ein Teufelskreis. Jedes Mal wenn ich abhaue dreht er sich schneller und schlägt immer katastrophalere Wege ein. Dieses Mal habe ich überlebt, werde ich es auch es nächste Mal tun? Oder ist es wirklich sinnvoll jetzt dem ganz ein Ende zu setzen und ihnen erst gar nicht die Chance zu geben? Ist es wirklich schon Zeit die letzten Schnitte im Leben zu setzen oder ist es dafür auch schon zu spät? Ich hätte es verhindern können, habe es aber nicht getan. Ich war töricht und habe mich von dem Licht leiten lassen. Es ist ganz allein meine Schuld. Eine Hand berührt mich an meiner Schulter und ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Auch wenn ich die Angst und die Panik immer noch verspüre, es ist sinnlos. Ich muss es akzeptieren, sie werden mein „nein“ nicht erhören. Egal wie oft ich es ihnen sage sie sollen mich nicht berühren, sie werden es immer wieder tun. Deshalb ist dieses von vorne herein sinnlos. Warum sollte man Leute auf etwas hinweisen, wenn sie eh nie darauf acht geben würden? Stumme Tränen suchen sich ihren Weg über mein Gesicht. Wieder zeige ich Schwäche die ich mir selbst nicht eingestehen will. Früher als ich noch rote Tränen geweint habe, gab es dass normale weinen nicht mehr. Es war damals unmöglich überhaupt noch so eine normale Reaktion zu zeigen, ich war regelrecht tot. Ich war gefühlskalt und nach außen hin unerreichbar. Ich fühlte lediglich nur noch die Wut, den Hass und die Enttäuschung. Alles gegen mich gerichtet, nicht gegen den, den es hätte treffen müssen. Ich gab mir die Schuld für alles was geschah, so wie es alle taten. Die Hand entfernt sich und ich merke wie mich die Person neben mir verlässt. Die Einsamkeit tut weh, besonders wenn man es nicht will, sondern sie ertragen muss. Immer lassen mich alle alleine und machen mir bewusst, sie können ohne mich weiterleben. Ich aber kann nicht ohne sie, ich bin von ihnen abhängig. Ich ziehe meine Beine an und bette meinen Kopf auf den Armen, die ich um meine Knie schlinge. Sie sollen es nicht sehen, sie sollen nicht sehen wie schwach ich wirklich bin. Sie werden es nicht verstehen, sie werden wie die anderen kein Verständnis für alles haben. Wenn sie alles erfahren, verlassen sie mich, ich weiß es. Ich weiß wie die Geschichte verlaufen wird, egal wie oft ich meine Wege ändere. Jemand umarmt mich von hinten und spricht irgendwelche Worte. Ich verstehe es nicht, sie erreichen mich nicht. Egal wie sehr ich es versuche, ich kann es nicht nachvollziehen. Ich will mich wehren, doch mein Körper untersagt mir das weglaufen. Er hat schon längst vor mir verstanden, wie man am besten überlebt. Es ist fast so als wäre ich nicht in meinem eigenem Körper, so unerreichbar weit weg fühlt er sich an. Er ist mir fremd, obwohl ich schon lange in ihm gefangen bin. Die Tränen verebben schließlich, verschließen das schmerzfreie Ventil meines Körpers wieder. Es ist das einzige wo ich meinem seelischem Schmerz freien Lauf lassen kann, ohne dass es mir danach schlechter geht wie vorher. Ich habe Angst davor wie es weitergehen wird. Ich will nicht zurück in die Schule, nicht jetzt. Wie werden die anderen wohl reagieren? Wie werden sie von nun an mit mir umgehen? Wieder beginnen die Tränen zu fließen, jedoch nicht mehr stumm. Die Arme umschließen mich fester und er streicht mir immer wieder leicht über meinen Arm. Er schweigt einfach nur und irgendwann merke ich noch jemanden neben mir, der mir durch die Haare streicht. „Beruhig dich wieder… Bitte“, gedämpft dringen Uruhas Worte in mein Ohr. Wie soll ich bitte mich beruhigen nachdem was geschehen ist? Ich wurde zusammengeschlagen. Dieses Mal war auch die Person dabei, die ich mal meinen Freund geschimpft hatte. Damals habe ich zeitweise mein Herz bei ihm ausgeschüttet, ein Fehler wie ich oft genug feststellen musste. Er hat mein Vertrauen ausgenutzt, mich wie oft hintergangen. Ich war naiv, habe ihm trotz allem weiter vertraut. „Wataru seken ni oni wa nai“ ein japanisches Sprichwort an das ich glaubte. Es gibt keinen der durch und durch böse ist, es kann keinen geben der so ist. Ich glaube an das Gute im Menschen, egal was passiert ist. Und das ist mein Fehler, einen Fehler den ich immer wieder bereue. Aber ich kann es nicht ändern, egal was ich mache. Ich hebe den Kopf und schaue Uruha mitten ins Gesicht. „Wieso darf ich nicht leben?“, frage ich schluchzend nach. Erst schaut er mich fragend an, dann entscheidet er sich mir zu antworten. „Natürlich darfst du leben. Ich weiß nicht wer dich so zugerichtet hat, aber was sie auch immer gesagt haben, sie haben dich angelogen. Jeder Mensch hat das Recht zu leben, auch du. Du bist genau wie wir, egal wie dich das Leben gezeichnet hat. Lass dir nichts von anderen sagen. Eine Meinung ist relativ, genauso wie der Eindruck den du bei anderen hinterlässt. Du kannst ihn jeder Zeit ändern, also verzweifle nicht an so etwas“, seine Worte klingen so sanft und beruhigend. Still schweigend lausche ich ihm, meine Tränen hörten auch irgendwann auf zufließen. Leicht streicht er mir über die Wangen und lächelt mich an. „Wo bin ich?“, frage ich ihn. „Bei Aoi…“, wer ist Aoi...? Reita lässt mich los und um mich herum wird eine Decke gelegt. „Du ich muss jetzt arbeiten, passe gut auf dich auf. Wir sehen uns dann morgen in der Schule okay?“, lächelnd guckt mich Uruha an. Ich nicke leicht und Uruha steht auf und verlässt den Raum. „Willst du etwas essen Ruki?“, fragt mich der Fremde, vermutlich ist es Aoi. Ich nicke leicht. Auch Aoi lässt uns beide daraufhin alleine. Aoi ist der Typ, der letztens bei uns war. „Es kommt mir so vor, als hätten wir gestern nicht zusammen auf dem Schulhof gestanden und miteinander geredet. Ich frage mich ob ich es hätte verhindern können, aber ich denke du wärst früher oder später sowieso ihnen über den Weg gelaufen. Uruha meint ich soll mir keine Vorwürfe machen. Ob es richtig ist, ich weiß es nicht. Naja jetzt ist es eh zu spät, aber wenigstens geht es dir wieder gut. Also ich hoffe du weißt wie ich das meine. Es ist gut, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist“, aufmunternd lächelt mich Reita an. Ich nicke nur und schaue ihn an. „Wir haben der Lehrerin versprochen, dass du morgen auf jeden Fall noch einmal zur Schule kommst. Die Polizei wird kommen und alles. Sie möchte gerne dabei sein bei dem Gespräch. Wegen der Versicherung und allem, du weißt schon. Wenn du willst können wir mit dabei sein, so als seelische Stütze“, bietet er mir an. Ich nicke wieder nur. „Immer noch so still, hm?“, stellt er fest. Wieder nur ein nicken als Antwort. „Irgendwie weckst du bei mir damit immer wieder meinen Beschützerinstinkt. Genug damit. Nicht wundern wenn gleich irgendetwas scheppert, dass passiert öfters. Das ist halt Aoi, wenn etwas nicht funktioniert verliert er schnell die Geduld. Aber er kann wenigstens besser kochen wie ich. Bei mir grenzt es schon fast an Selbstmord das Ganze“, gibt Reita lachend zu. „Ich bin froh wenn ich wieder bei Uruha bin“, dann kann ich wenigstens wieder etwas alleine sein. „Das glaube ich dir nur zu gerne. Er kann wenigstens ohne größere Probleme etwas Genießbares zaubern. Du bist ein kleiner Langschläfer, fast so schlimm wie Aoi. Oder warst du zwischendurch einmal wach, seit ich dich die Treppen runter getragen hatte?“, fragt er nach. Ich schüttele den Kopf. Also habe ich seit gestern Nachmittag geschlafen? Sogar im Krankenhaus? Das nenne ich mal eine Glanzleistung. „Wie kann man nur den ganzen Tag über schlafen. Da verpasst man so vieles im Fernseher und alles“, man merkt richtig wo er seine ganze Freizeit verbringt. „Ich schaue kaum und wenn wäre es auch egal“, schließlich braucht man im Grunde keinen Fernseher. „Du bist kaltherzig“, das sagt genau der richtige! „Wie nett“, brummele ich. „Ich bin immer nett“, fast immer, Reita. Ein gewaltiges Poltern erklingt in der Ferne und Reita schaut mich viel sagend an. Ich schenke ihm einen warnenden Blick und stehe auf um Aoi in der Küche zur Hand zu gehen. Ich schlendere in die Küche und entdecke Aoi, der die ganzen herunterfallenden Töpfe aufhebt und wieder in den Schrank räumt. „Mir reicht auch Brot. Oder sonst irgendetwas Kaltes… Hab nicht so großes Hunger“, ich lächle ihn leicht an und tatsächlich lächelt er sichtlich erleichtert zurück. Er steht kurz auf und öffnet die Kühlschranktür und drückt mir wenig später eine Milchtüte in die Hand. Darauf folgt eine Schüssel und eine Packung Cornflakes. Nebenbei legt er noch einen Löffel in die Schüssel und schiebt mich zurück ins Wohnzimmer und nimmt mir dort die ganzen Sachen wieder ab. Ich setze mich hin und schaue dabei zu wie mir Aoi mein Essen zubereitet. „Ruki ich lass dir jetzt Badewasser ein. Dann kannst du dich wenigstens etwas waschen. Wenn irgendetwas sein sollte ruf einfach…“, meint Aoi. Er verschwindet und lässt mich wieder mit Reita alleine. Es dauert auch nicht lange bis ich die Cornflakes aufgegessen habe. Zwar will mir Reita noch mehr andrehen, aber für den Moment habe ich genug. Als Aoi mich ruft stehe ich auf und tapse zu ihm ins Badezimmer. Dort angekommen ziehe ich mir erst einmal mein Schlafanzugsoberteil aus und er wickelt die Verbände von meinem Körper. „Die Wundern sehen auch schon besser aus. Ich schmiere dir gleich noch eine Salbe drauf. Also ruf einfach wenn irgendetwas ist oder du fertig bist“, er redet genauso viel wie die anderen beiden, erschreckend. Ich nicke und er verlässt den Raum, lässt die Tür nur angelehnt. Ich entledige mich noch meiner Schlafanzugshose und lege mich nur in Boxershort in die Badewanne. Ich nehme mir den Schwamm und streiche damit sanft über mich. Außer Prellungen habe ich nichts davon getragen wie es scheint, welch ein Glück. Zwar sind jetzt an mir einige blaue Flecken, aber es hätte schlimmer kommen können. ----------------- Disclaimer: mir gehört nichts außer der Idee und es gibt kein Geld dafür Warnung: SVV dieses mal ein längeres. würde mich über review freuen ^.^ *mit erdnüssen rumwedel* 10.7.2009: 4800 -> 5615 Wörter... Ich hoffe es gefällt euch =] Kapitel 5: Fragen die unbeantwortet bleiben ------------------------------------------- Ich werde unsanft aus meiner Welt gerissen, denn jemand piekst mich ständig in die Seite. Genervt schlage ich die Augen auf und blicke in Aois Gesicht. „Du sollst doch nicht in der Badewanne schlafen, sogar hier kennt man Futons und Betten“, lacht er, „und das Wasser hättest du auch nicht extra rot färben müssen. Sicherlich hätte ich dafür auch noch einen Badezusatz finden können. Aber es ehrt mich, danke!“ Etwas beleidigt schaue ich runter auf das Wasser. Es ist leicht blutig so wie es ausschaut. Missmutig schaue ich auf meine Arme und entdecke die offenen Wunden, ein Seufzer entweicht mir. Etwas unsicher steige ich aus der Wanne und zische ihm noch ein „kein Wort zu niemanden“ entgegen. Mit einem verschmitzten Lächeln steht er auf und holt sich ein Handtuch um mir damit den Rücken ab zutupfen. Etwas widerwillig lasse ich es zu, denn ich weiß genau Proteste würden nichts bringen. Danach schmiert er irgendeine kühlende Salbe auf den Rücken, sowie auf meinen Arm und bedenkt beides wieder mit Kompressen und Verbänden. Ich verbeuge mich kurz und wünsche ihm eine gute Nacht bevor ich wieder zurück zu dem Futon gehe und mich hineinlege. Ich höre sie leise reden, es beruhigt mich ein wenig. Ich weiß wenn ich aufwache bin ich nicht alleine, es ist jemand für mich da. Immer wieder erinnere ich mich an Szenen aus der Vergangenheit, an glückliche Stunden. Zu Zeiten wo ich noch mehr Freiraum hatte, wo eigentlich alles in Ordnung war, solange ich hörig war. Damals hatte ich Zeit für Freunde, doch später blieb mir so etwas verwehrt. Wir trafen uns noch heimlich, aber dieses war nie genug. Irgendwann endete die Freundschaft. Wir lebten uns auseinander mit den Jahren. Schließlich stand auch er auf der anderen Seite, auf der Seite die mir soviel Leid zugefügt hat. „Ruki!“, wer ruft nach mir? „Wach auf, du hast einen Alptraum!“, ein Alptraum? Mein Leben ist ein einziger Alptraum und ich muss jedes Mal feststellen, es gibt kein Erwachen. Egal wie oft ich es mir wünsche, ich wache nie auf. Wie ein Blitz schlägt es in meinen Körper ein und hinterlässt eine unsagbare Art von Schmerzen. Um vor der Dunkelheit zu entfliehen öffne ich meine Augen, sehe direkt in seine, Reitas. Ich setze mich auf und presse meine Hand auf meinen Brustkorb, spüre wie mein Herz sich wegen den schnellen Schlägen fast überschlägt. Keuchend und schweißgebadet schaue ich mich im Zimmer um, erblicke eine Uhr und stelle enttäuscht fest, dass ich erst in ein paar Stunden zur Schule muss. Am liebsten würde ich ja gar nicht, aber ich will es hinter mich bringen, endlich. „...ki? Ruki?“, versucht mich Reita anzusprechen. Wie eine nervige Fliege scheuche ich seine Hand von mir weg. Ich möchte keine körperliche Nähe, nicht jetzt. Ich habe mir schon genug Schwäche in den letzten Stunden erlaubt, ich muss stark sein. „Schlaf noch etwas oder willst du noch etwas mit uns im Wohnzimmer rum sitzen?“, fragt er mich zögerlich. Ich nicke leicht und stehe auf, folge ihm. „...abletten nehmen?“, bekomme ich gerade noch so mit. „Iie“, flüstere ich als Antwort vor mir her. Wenn ich nicht aufpasse und das vor mir her träumen beende, passiert noch irgendetwas. Ich setze mich neben Reita auf ein Sitzkissen und höre danach den beiden beim Reden zu. Eher versuche ich es, denn immer wieder werde ich vom Sog meiner Gedanken mitgezogen. Sie reden über die Lehrer und einige Mitschüler, ich versuche so viele Sachen zu merken wie es nur geht. Es würde sicherlich hilfreich sein, irgendwann einmal. Plötzlich schlägt Aoi mit der flachen Hand auf Reitas Oberschenkel, ich schrecke etwas zurück. „Wenn wir noch fertig werden wollen müssen wir uns beeilen, wir wollen ja noch zu Uruha! Und der brauch immer ewig“, schreit er wie von Sinnen. Bevor ich es realisieren konnte waren die beiden schon aufgesprungen und wuselten wild umher. Augen rollend gehe ich zurück ins Zimmer und ziehe mich schnell um und lege den viel zu großen Schlafanzug zusammen gefaltet auf den Futon. Gemächlich begebe ich mich auf den Weg zur Tür und warte auf die anderen beiden. Anscheinend gehen wir nur zu Uruha um Reitas und meine Schulsachen zu holen. Da fällt mir noch ein, ich muss noch die Hausaufgaben machen! Wenigstens haben wir heute eine Freistunde, aber da ist bestimmt das Gespräch mit der Polizei. Und direkt anfangs schon die Hausaufgaben zu vergessen wirft ein schlechtes Licht auf mich. Ich werde sie gleich machen in der Schule, wenn nötig auch während dem Unterricht. Es war ja nicht viel und außerdem müsste sie mir leicht fallen, also brauch ich im Grunde keine Angst zu haben. Die Stunden schlichen nur vor sich her und ich war sichtlich erleichtert als mich die Klassenlehrerin aus dem Halbschlaf riss. Ich konnte sie mit wenigen Worten überzeugen, dass Reita unbedingt dabei sein muss. Das Gespräch mit der Polizei verlief bisher ziemlich ruhig, da ich die meiste Zeit sowieso nicht zu hörte und die Lehrerin meistens das Sprechen für mich übernahm. Die Worte die sie sprechen kommen ins eine Ohr rein, ins andere raus. Ich will es nicht hören auch wenn sie es nur gut meinen. Ich bin die ganzen Jahre alleine damit fertig geworden, warum soll ich dann andere Wege einschlagen? Ihnen damit auch noch zeigen, dass ich alleine nicht weiter komme? Dass ich schwach bin und ohne andere ein nichts? Ich würde ihnen damit nur Genugtuung geben, mehr nicht. „Und wegen den Verletzungen an deinem Rücken, es wäre das Beste wenn du dafür noch eine zusätzliche Anzeige machst“, schlägt der Polizist vor. Versteht es der Polizist nicht? Nur weil ich ihnen die verdammten drei Namen genannt habe, heißt es nicht dass ich jetzt ihnen noch einmal alles erzähle. „Das ist nicht nötig“, erwidere ich erbost. „Ein paar sind ja schon älter. Wer hat sie ihnen denn genau zugefügt?“, stochert er weiter in den alten Wunden herum. „Niemand“, erwidere ich verächtlich. „Von nichts, kommt nichts. Vielleicht ist es ein uns bekannter Täter“, warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? „Garantiert nicht“, und da bin ich mir auch noch sicher, was für ein Zufall. „Das können sie nicht wissen. Und es wäre ratsam ihn nicht zu decken, wer weiß ob er anderen das gleiche antut wie ihnen“, ist es mein Problem, wenn andere genauso schwach bin wie ich selbst? „Mir egal“, erwidere ich ehrlich. „Ist es einer aus ihrer Familie?“, warum sind es immer die Angehörigen Schuld? „Das geht sie überhaupt nichts an!“, schreie ich und springe von meinem Stuhl. Für einen kurzen Moment hatte ich die Verletzungen vergessen, bis sie mich durch ein schmerzhaftes Stechen zu Boden reißen. Ich beginne zu husten und augenblicklich wird mir schwindlig. Ich schaue zur Seite, will das Blut nicht sehen welches vor mir auf dem Boden ist. Eine leise Stimme dringt an mein Ohr. „Ruki geht es wieder?“, fragt Reita ängstlich. Ich nicke leicht und stehe auf, verlasse den Raum. Ich muss hier raus, die Enge bedrückt mich. Sie drängt mich in eine Ecke im Labyrinth, nimmt mir die nötige Luft zum Atmen. Ich möchte nicht mit der Vergangenheit konfrontiert werden, ich will nicht noch einmal alles durchleben, nicht noch einmal alles in Gedanken durchspielen. Die Erinnerungen sind schon schlimm genug, Worte würden sie eh nicht löschen. Es fühlt sich schrecklich an, alles scheint zu schwanken. Zitternd begebe ich mich auf den Weg zu den Toiletten. Nach einer Weile spüre ich wie mich jemand beginnt zu stützen, es stört mich nicht. Er öffnet mir die Türen, ganz so als wolle er mir auf dem langen Weg beistehen, als wolle er mir sagen, ich bin nicht alleine. Ich stürze mich förmlich auf das Waschbecken und spüle mir den Mund aus, immer wieder trübt rote Flüssigkeit die klare. Ich werde panisch, verstehe nicht wieso es nicht aufhört zu fließen, warum es immer wieder alles beschmutzt. Reita packt nach dem Wasserhahn und dreht ihn zu, schüttelt lediglich den Kopf. Mit angsterfüllten Augen schaue ich ihn an. Kommentarlos packt er meine Hand und zieht mich mit sich. Stumm gehen wir die vielen Gänge zurück. Er klopft an und öffnet die Tür. „Sensei ist es in Ordnung wenn wir schon gehen?“, fragt er nach. „Hai. Geht es ihm wieder besser?“, seit wann kann ich nicht mehr für mich selbst antworten? „Ein bisschen so wie es aussieht“, aber auch nur ein ganz kleines bisschen. Ich reiße etwas meine Hand zurück, sodass er loslässt. Wahrscheinlich hat er Angst davor mir weh zu tun. Dabei wäre es mir egal, vielleicht würde dieses etwas von den anderen Schmerzen ablenken. Ich schnappe mir meine Schultasche und winke den beiden noch einmal lächelnd zu bevor ich den Raum verlasse. Wie töricht, ich lächle obwohl es mir alles andere als gut geht. Ich fühle mich so als würde ich jeden Moment einen Sprung Richtung des Lichtes machen. Die Verletzungen sind schrecklich die sie mir zugefügt haben, zu schrecklich. Nur gegen die meines Großvaters kommen sie nicht an, denn diese sind tiefer, viel tiefer. Er hat mir meine Kindheit gestohlen, ohne überhaupt Gewissensbisse zu bekommen. Meine Füße tragen mich wie von alleine nach draußen. Hilflos stehe ich herum und werde von meinen Erinnerungen begraben. Alles dreht sich um mich herum, droht auf mich herab zustürzen. Meine Beine fühlen sich tot und schwer an, mühsam schleppe ich mich zum rettenden Halt. Ich gehe wenige Schritte, lasse mich erschöpft an der Mauer hin abgleiten. Mein Atem rast, immer wieder bekomme ich kaum noch Luft. Hörbar schnappe ich nach ihr, versuche meine zitternden Nerven zu beruhigen. Versuche zu vergessen was geschehen ist. Die Angst zu verdrängen. Sie wissen nicht wo ich zur Schule gehe, sie können mich nicht finden. Sie werden sich die Mühe nicht machen, sicherlich nicht. Ich brauche keine Angst zu haben, hier werde ich schon vor ihnen beschützt. Und wenn nicht ist es eben so, dann sterbe ich. Ob ich es in Jahrzehnten tue oder jetzt spielt im Prinzip keine Rolle. Eine Hand wird auf meine Schulter platziert, erschrocken krabbele ich ein paar Meter zur Seite. „Beruhige dich Matsumoto-san. Kommst du bitte wieder mit rein?“, bittet mich die Lehrerin. Ich nicke leicht und komme wackelig wieder auf die Beine. „Am besten du legst dich im Krankenzimmer etwas hin, hm?“, schlägt sie mir vor. Ich zucke nur mit den Schultern und folge ihr. Sie hält mir schließlich die Tür auf und ich verbeuge mich kurz und betrete den Raum. Ich weiß immer noch nicht wo das Krankenzimmer sich genau befindet, obwohl ich schon oft genug hier war. „Ruhe dich etwas aus und versuch wieder etwas runter zu kommen. Ich komm gleich noch einmal nach dir gucken. Nimm am besten erst einmal deine Tabletten, dann wird das schon wieder“, zuversichtlich lächelt sie mich an. Ich nicke und verbeuge mich noch einmal. Ich drehe mich um und gehe langsam zum Fenster. Ich höre wie die Tür geschlossen wird. Ich gehe zwischen das Bett und das Fenster und lasse mich auf den Boden hinab sinken. Ich kauere mich zusammen und verstecke meinen Kopf hinter meinen Armen. Stumm fließen sie wieder, meine Tränen. Ich will die Tabletten nicht nehmen, ich möchte nicht abhängig von ihnen sein. Sie sollen nicht mein Leben bestimmen. Sie sollen nicht den Herrn über Leben und Tod verkörpern. Ich möchte nicht so tief sinken, ich bin stark, ich schaffe das. Ich lasse mir nicht von irgendwelchen daher gelaufenen Menschen mein Leben ruinieren. Ich will aus meinen Fehlern lernen, ich will sie nicht wieder begehen. Ich möchte aus dem Kreislauf entfliehen, endlich wieder frei sein. All die Jahren in den Ketten, mein Körper sehnt sich danach eigene Entscheidungen treffen zu dürfen. Er sehnt sich nicht immer unterordnen zu müssen, sich nicht mehr beugen zu müssen. „..moto-san!“, ruft mich die Lehrerin. Ich drehe erschrocken meinen Kopf in Richtung der Stimme, sehe doch den Verursacher nicht. Auch als ich ihn hebe kann ich sie nicht ausfindig machen. Darauf hoffend, dass ich auch wirklich hier alleine bin und mir die Stimmen nur eingebildet habe, lege ich meinen Kopf auf die Arme. Stumm starre ich die Bettdecke vor mir an. „Matsumoto-san? Was ist los?“, fragt jemand besorgt. Ich drehe meinen Kopf noch einmal und entdecke tatsächlich meine Klassenlehrerin. „Hast du deine Tabletten genommen?“, ich schüttle leicht den Kopf,„So wird es nie besser. Nimm sie, dann geht es dir auch besser. Dein Freund hat sie dir extra heute Morgen noch vorne in den Rucksack gepackt.“ Ich nicke leicht und murmle ein leises „Arigato gozaimasu“ vor mir her. Etwas zögerlich nehme ich von beiden Packungen eine Tablette und spüle sie mit dem Wasser runter. Ich packe alles wieder weg und wische mir mit dem Hemdärmel ein paar Mal über das Gesicht. „Willst du wieder in die Klasse?“, ich nicke leicht,„Tut es sehr weh beim Reden?“, fragt sie besorgt. „Ein bisschen“, erwidere ich lediglich. Ich stehe auf und folge ihr aus dem Raum. Schweigend gehen wir die scheinbar endlosen Flure entlang. Es ist alles so weitläufig und riesig, dass war die alte Schule nicht. Kommt wohl daher, weil ich jetzt auf einer staatlichen bin und man hier leichter hinkommt. Zwar sind die meisten Aufnahmeprüfungen hart, aber man muss im Grunde kein Geld zahlen. Außerdem hab ich hier zwei Tage die Woche frei, was an meiner anderen nicht so war. Es ist schon komisch, alles. Besonders da jetzt schon Herbst ist und somit schon eine Menge des Schuljahres herum ist. Ich hoffe ich falle mit meinen Noten jetzt nicht zu sehr ab. Immerhin will ich wenigstens etwas haben, was mir beweist gut zu sein. Etwas was mir beweist kein notorischer Verlierer zu sein. Mein Magen beginnt zu rumoren und zu schmerzen. Ich kneife die Augen zusammen und versuche die Schmerzen durch drücken meiner Hand auf diese Stelle zu verringern, sinnlos. Stolpernd begebe ich mich zur Wand und gehe langsam zu Boden. Ganz am Rande nehme ich war wie die Lehrerin um mich herum wuselt. Sie versucht mich hoch zu heben, meine ich. Ich versuche ihr keine Schwierigkeiten zu machen, doch mein Körper lässt sich nicht davon beeindrucken. Immer wieder krampfe ich zusammen, wimmernde Laute entweichen meinen Lippen. Mit mehren Versuchen schaffe ich es wieder auf die Beine zukommen. Ich halte die Augen halbwegs geschlossen und lasse mich von den stützenden Armen führen und auf ein Bett legen. „Ich rufe einen Krankenwagen, hai? Bleib liegen, bitte“, meine ich heraus zuhören. Alles scheint sich zu drehen und immer wieder muss ich husten. Keuchend versuche ich mich halbwegs hinzusetzen und scheitere kläglich. Ein nasser Lappen wird mir auf die Stirn gelegt, ich versuche auszumachen wer da ist, aber ich erkenne nichts. „Matsumoto-san?“, spricht wieder dieselbe Person an. Ich drehe etwas den Kopf zu der tiefen Stimme und nicke leicht. „Versuch wach zu bleiben. Ist dir sehr schlecht?“, sie klingt ganz nach meinem Sportlehrer, die Stimme. „Iie… Was ist mit mir?“, frage ich unsicher nach. „Wissen wir nicht genau. Gleich kommt der Notarzt, er wird dir wahrscheinlich etwas zur Beruhigung und alles spritzen“, seine Stimme klingt so weit entfernt. Mein Magen krampft wieder, vor Schmerzen kralle ich meine Hände in die Decke. „Bleib ganz ruhig. Es wird alles wieder gut werden. Es dauert auch nicht mehr lange, dann hört es auf“, hoffentlich haben sie recht. Ich nicke leicht und drehe mich auf die Seite. Wildes Fußgetrappel ertönt und ich presse mir instinktiv die Hände auf die Ohren, haben früher diese Geräusche nie etwas Gutes bedeutet. Große Hände umschließen meine Handgelenke und ziehen meine Hände etwas von meinem Kopf weg. „Ruhig, dass ist nur der Notarzt und die Sanitäter“, versichert mir unser Sportlehrer. Die Tür wird aufgerissen und ich erkenne schemenhaft wie sich viele Personen nähern. Ich versuche die vielen Stimmen zu ignorieren, versuche sie alle nacheinander auszublenden. „Nicht erschrecken“, bekomme ich noch mit bevor mir eine Spritze in den Arm gejagt wird und jede Menge Chemikalien durch meinen Arm fließen. „Du wirst jetzt gleich einschlafen, keine Angst“, meint jemand zu mir. Ich lächle zögerlich und schließe meine Augen. Die beiden Sanitäter heben mich hoch und verfrachten mich vorsichtig auf die Trage. Es ist ein Gefühl als würde ich sehr tief fallen. Es gibt keinen Boden so wie es scheint. Die Stimmen kann ich kaum noch ausmachen, aber zwischendurch merke ich wie mir jemand die Hand drückt oder mir beruhigend über die Wange streicht. Einen kleinen Augenblick lässt es mich immer alles vergessen. Manche Worte klingend aufmunternd… Langsam öffne ich die Augen und zwinkere einige Male. Die Sicht ist schärfer wie beim letzten Mal und ich kann auch einige Leute ausmachen. Einige? Missmutig drehe ich mich auf die andere Seite und ziehe mir die Bettdecke über den Kopf. Ich höre wie sie leise raschelt und seufze genervt. „Ruki?“, genau die Stimme die ich nicht hören will momentan: Uruhas. Ich mag ihn noch, ja, aber ich will meine Ruhe. Die Bettdecke wird ganz von meinem Bett gezogen. „Du bist ja ganz verschwitzt. Geht es dir wieder besser?“, fragt Reita. Ich schaue ihm in die Augen und versuche auszumachen was sie mir sagen wollen. „Dir haben sie wohl die Stimmbänder abmontiert. Dabei habe ich ihnen extra gesagt sie sollen beim Magen auspumpen vorsichtig sein, immerhin redest sonst auch kaum was“, brummelt Reita leise. Ich schaue an mir herunter und kann lediglich feststellen, dass mir ein überaus großer Schlafanzug angedreht wurden ist. Außerdem befindet sich noch eine überaus gigantische Nadel in meinem Handrücken. Warum sieht alles an meinem Körper immer so riesig aus? Selbst die Spritze erscheinen bei mir viel größer, als bei anderen. „Die Infusion haben sie eben erst abgemacht. Aber dir geht es doch besser?“, ich beginne wieder Reita zu mustern. „Aoi der kleine beginnt mir Angst zu machen. Tu doch was Uruha!“, fleht Reita förmlich. Ich lege meinen Arm auf meine Stirn und lächle die drei an. Sie können es echt nicht lassen. „Ruki hast du eigentlich schon mit Geschichte angefangen?“, will Uruha wissen. „Iie, wieso?“, frage ich verwundert nach. „Weil morgen Abgabetermin ist?“, erwidert er lediglich. „Uhm, dann habe ich es bewusst verdrängt“, dabei vergesse ich sonst nie so etwas. „Baka-chan. Am Besten machst du es jetzt schnell, dann können wir sie mitnehmen und Morgen dem Lehrer geben“, bietet mir der Riese an. Ich nicke leicht. „Wann komm ich wieder aus dem Krankenhaus?“, frage ich zögerlich nach. Schließlich will ich nicht ewig hier versauern. „Ende der Woche, bist aber noch eine weitere krank geschrieben“, antwortet Reita. Seufzend schwinge ich die Beine vom Bett und schlurfe mehr schlecht als recht zu dem kleinen Tisch im Raum und setze mich auf einen der Stühle. „Habt ihr meine Schulsachen?“, frage ich die beiden. Reita nickt leicht und holt meine Schultasche aus dem Schrank. „Aber überanstrenge dich nicht, die Sache ist es nicht wert. Bitte werde schnell wieder ganz gesund“, fleht Uruha mich an. Ich setze ein bitteres Lächeln auf: „Wenn man zerbrochene Sachen reparieren könnte, würden auch die Wünsche von Menschen realistischer werden.“ Dankend nehme ich den Block und das Geschichtsbuch von Reita an. Mit dem Kugelschreiber den ich an meinem Block immer befestigt habe beginne ich die Hausaufgaben nieder zuschreiben. Nach einer halben Stunde hatte ich dann auch alles, alles was wichtig war. Ich reiße die Seiten aus dem Block und reiche sie Uruha. Etwas zögerlich nimmt er sie an. Erschrocken sehe ich auf das Blatt was sich hinter den anderen befunden hat. Es ist das Gedicht, welches ich vor kurzem geschrieben hatte. Eines, welches mir soviel bedeutet. ~ -Sanduhr im Wind- Gefangen hinter einem großen Zaun, scheint immer sinnlos abzuhauen, gibt es doch kein Sonnenlicht, das sich in den Fenstern bricht. Habe oft versucht zu entfliehen, mich vor der Zukunft zu verziehen, gab dem Stundenglas wahllos Risse, wie ich mein altes Leben vermisse. Dachte nie daran was würde ich tun, wenn ich schaffe zu entfliehen, wollte keine Gedanken von dem Sand der Zeit, von dem der Zukunft und Vergangenheit. Habe immer daran gedacht, habe endlose Stunden damit verbracht, zu denken in der Zukunft liegt das Licht, deshalb hinterfragte ich auch nicht. ~ Damit die anderen es nicht sehen, schlage ich schnell den Block zu. Vorerst hatte ich es jedoch noch einmal durchgelesen, nur um sicher zu werden. Damit ich sicher sein kann, ich tue das Richtige. Zusammen mit Block und Kugelschreiber begebe ich mich zu meinem Bett und lege mich in dieses. „Du siehst wie tot aus, weißt du das?“, gluckst Aoi vor sich her. „Iie, ist mir sowieso egal“, murre ich zurück. „Du bist ziemlich schlecht gelaunt“, stellt Uruha fest, „willst du uns nicht sagen was los ist?“ „Euch garantiert nicht“, gebe ich etwas gereizter von mir. Können sie nicht einfach den Mund halten und Fragen über Vergangenes lassen? Es ist unwichtig was war, es ist nur wichtig was gerade ist. Begangene Fehler sind nicht rückgängig zu machen, deshalb braucht man auch keine Worte für diese. Jeder Gedanke, jeder Satz darüber ist sinnlos, aber trotzdem tue ich es immer wieder. Eine Hand berührt mich an der Schulter und reflexartig schlage ich zu. Merke wie auf einmal etwas Nasses meine Hand streicht. Erschrocken ziehe ich sie zurück, schaue auf das Gesicht Uruhas. „Gomen… Gomen!“, presse ich verzweifelt hervor. Rote Flüssigkeit tropft langsam aus seiner Nase, wie versteinert sieht er aus. Ich weiß nicht was ich tun soll, wie ich dieses ungeschehen machen soll. „Ich glaube ihr geht lieber…“, murmele ich vor mir her. Reita schaut mich bemitleidenswert an und geht zu Uruha und wischt ihm das Blut weg. Irgendwie schafft er es auch, dass Uruha das Taschentuch weiterhin unter die Nase hält. Jedoch ist in sein Gesicht immer noch das blanke in Entsetzen geschrieben. „Wir bleiben hier, kleiner. Uruha wird schon den Schock überleben und uns beide wirst du bestimmt nicht so leicht attackieren können. Kleiner Wadenbeißer, du“, neckt Aoi. Etwas beleidigt schaue ich ihn an und wende mich dann wieder an die beiden neben meinem Bett. „Soll ich einen Arzt rufen?“, frage ich vorsichtig. „Ach wo. Der Große überlebt es schon“, meint Reita, „Beruhig du dich erst einmal. Vielleicht sollten wir für dich eher den Arzt rufen, du bist noch blasser wie eben“. Ich schüttele nur verneinend den Kopf. Nach scheinbar endlosen Minuten wird die Stille für mich unerträglich. „Ano… Wie viele Tage bin ich schon hier?“, hoffentlich nicht zu lange. „Seit vorgestern. Wir haben Donnerstagabend, wenn du es genau wissen willst“, klärt mich Blondie auf. „Arigato Reita. Ich bin immer noch total müde…“, ein Gähnen entweicht mir. „Hoffentlich ist es nur, weil es dir seelisch nicht so gut geht. Der Arzt hat auch so etwas in der Richtung angedeutet…“, murmelt Uruha mehr zu sich selbst, als zu mir. Es ist schon komisch. Die letzte Zeit wird mein Schlafbedarf immer größer, anscheinend bin ich wirklich seelisch, wie auch körperlich am Ende. Oder bin ich gerade erst auf der Zielgeraden? Was auch immer es ist… Ich will nicht sterben, nicht jetzt und nicht auf diesem Wege. Sooft habe ich es selbst versucht und jetzt soll ich sterben? Wegen Erschöpfung? Weil ich zu schwach bin um zu überleben? Weil ich nicht stark genug für den Alltag bin? Mir wird leicht auf den Kopf tätschelt. Fragend schaue ich in Uruhas Augen. „Hm… Ich wollte nur sehen ob du mich noch einmal schlägst“, lächelnd schaut er zurück. Zögerlich erwidere ich es. „Der Arzt meint du sollst zu einem Psychologen. Er vermutet, dass du eine Essstörung und alles hast. Und natürlich wegen dem Ritzen…“, böse funkelnd schaue ich Uruha an, „Aber… Also wenn du mit uns reden würdest… Und alles, würdest du dann wieder glücklicher werden? Würdest du dann… Vielleicht auch seelisch wieder besser werden? Ruki bitte… Würdest du es für uns versuchen?“ „Das geht nicht“, erwidere ich nur kalt. „Du musst es nur wollen. Denkst du wirklich du bist uns nichts wert? Besonders nachdem wir dich bei uns aufgenommen haben, ohne zu hinterfragen? Denkst du wir haben das aus Mitleid getan?“, ein Nicken von mir, „Glaub mir, die Streits mit den Lehrern waren nicht aus Mitleid. Wir haben dich gern. Du bist wie ein kleiner Bruder für uns, für den wir alles tun würden!“ „Uruha… bitte… Ich möchte es nicht hören. Weißt du wie viele mir das schon gesagt haben und es ihnen im Endeffekt egal war, wenn ich blutend im Schmutz lag? Es ist zwar lieb von euch… Aber ich kann es nicht, versteht es“, Tränen steigen in meine Augen. „Und wieso musst du bei diesen Worten fast weinen? Wieso?! Du lügst doch. Du willst es nur nicht versuchen! Gebe uns doch eine Chance“, verzweifelt schreit mich Uruha an. Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich will diese Worte nicht hören. Ich presse meine Handflächen gegen meine Ohren, so dass es schmerzt. Ich lasse den Tränen freien Lauf, lasse eine Schwäche zu. Ich beiße auf meine Lippe, spüre wie sie dadurch platzt und Blut ihren Weg in meinen Mund findet. Immer wieder wird an meinen Armen gerüttelt, ich halte stand. Presse die Augen zusammen, will nicht sehen wer sich um mich bemüht. Ich spüre wie etwas durch die Nadel in meiner Hand gedrückt wird. Übelkeit steigt in mir auf, bei dem Gedanken. Ich habe Nadeln schon immer gehasst. Langsam lassen meine Kräfte nach, weichen einem leichten Zittern. Mir wird kalt, eiskalt. Die Hände nehme ich von meinen Ohren und kauere mich zusammen. Spüre wie mir eine Decke über den Körper gelegt wird. Jemand flüstert in mein Ohr: „Schlaf schön Ruki. Wir kommen morgen wieder, es wird alles wieder gut“, ich meine es ist Reita seine Stimme. „Sei lieb zu den Ärzten und lass dir regelmäßig Beruhigungsmittel spritzen… Dann geht es dir auch besser. Wir meinen es nur gut und halt die Ohren steif!“, eindeutig Uruha. „Kleiner Wadenbeißer werde ja wieder gesund. Ansonsten hab ich keinen mehr zum aufziehen und das wäre ja schade. Außerdem würde ich dich ansonsten vermissen Ruki-chan“, ein Knurren entweicht mir. Aoi meint es bestimmt nur gut, aber seine Art ist trotz allem gewöhnungsbedürftig! Wie kann man nur so gemein sein. Dabei bin ich doch krank! „O-yasumi nasai“, murmle ich noch vor mir her, bevor ich ins Reich der Träume abgleite. ------ Disclaimer: keiner von denen gehört mir(wäre auch zu schön *hust*) und ich verdiene auch kein Geld damit~ Warnung: SVV thx für die Kommis und Favos ^-^" es ist wichtig auch in den schlimmsten augenblicken noch mut fassen zu können, finde ich. und die hoffnung sollte man selbst im augenblick des todes nicht aufgeben =/ das Gedicht ist nicht das wahre, ich hab schon einmal bessere geschrieben... aber ich wollte unbedingt ein neues, nur für die ff~ 10.07.2009: 4214 -> 4460 Wörter =] Kapitel 6: Die Hoffnung erlischt -------------------------------- Vor uns geht die Sonne auf, es sieht so aus als wolle sie uns Hoffnung geben. Dabei ist es sinnlos, wie alles keinen Sinn mehr hat. Ich war die Woche wieder im Krankenhaus und jetzt sitze ich hier mit Reita und warte darauf, dass es Zeit wird zu gehen. Ich will nicht, dass es Uruha erfährt. Mir ging es gut, mir ging es wirklich gut. Aber die Schmerzen wollten nicht nachlassen und letztendlich hat sich mein Körper wieder gegen das Leben gewehrt. Kurz bevor ich endlich gehen durfte, bin ich zusammengebrochen. Die Ärzte meinen es war nur seelisch, ich solle mir keine Sorgen machen. Immer wieder redeten sie auf mich ein, merkten nicht, dass kein Wort mich erreichte. Erst als Reita kam ging es mir etwas besser. Die Ärzte entließen mich, weil ich es wollte. Manchmal wünsche ich es würde enden. Wenn ich wieder knapp am Tod vorbei bin, möchte ich nur leben, nichts mehr vom Tod hören. Gedanken die ich selbst nicht verstehe, Gedanken die mich von Tag zu Tag mehr erdrücken. Nachdem Zusammenbruch habe ich lediglich Schmerztabletten und Beruhigungsmittel verabreicht bekommen. Als es mir wieder besser ging bin ich mit Reita in den Park. Hoffentlich bekommt Uruha keinen Schrecken wenn er mich wieder so blass sieht. Eigentlich soll ich zu Reita, aber Uruha meint es ist besser wenn ich bei ihm bleibe. Auch wenn er die meiste Zeit nicht da ist. Leise schleicht sich die Flüssigkeit aus meinem Auge. „Reita? Können wir bitte jetzt schon gehen?“, frage ich unsicher. Meine Stimme klingt fürchterlich, fast so als würde sie jeden Moment brechen. Ich erinnere mich wieder, ist dieses doch der Park wo die Dunkelheit wieder Besitz von mir nahm. „Klar können wir. Auch wenn Uruha nicht so begeistert davon sein wird. Soll ich dich tragen?“, bietet mir Reita an. „Iie, geht schon“, meiner Meinung nach. Leicht wische mir mit dem Hemdärmel über das Gesicht. Fast geräuschlos stehe ich auf und trotte schweigend neben Reita her, welcher über die Geschehnisse der letzten Woche redet. Er erwartet noch nicht einmal eine Antwort… Uruha fiel förmlich aus allen Wolken, als er mich zu Gesicht bekam. Reita hatte ihn einfach achtlos bei Seite geschoben und mich nach hinten zu seinem Zimmer geführt. Dort habe ich mich direkt in den Futon gemümmelt und war auch wenige Minuten später im Reich der Träume. Manchmal schäme ich mich selbst vor mir. Was muss ich auch mitten in der Nacht aufwachen wegen einem Alptraum? Ein Alptraum der nur um die Geschehnisse der letzten Zeit gehandelt hat. Und danach hatte ich einen kleinen Nervenzusammenbruch. Ok klein ist untertrieben, da die Ärzte mich ans Bett fest gekettet hatten und mir jegliches Zeug in die Arme gespritzt haben danach. Irgendwann war ich wieder etwas ruhiger und ich wurde wieder losgemacht. Danach habe ich einfach nur noch herum gelegen und geräuschvoll mein Kissen mit Tränen bedacht. Es war fast wie eine Ewigkeit, bis ich eine Hand auf meinen Schultern spürte und die Worte von ihm hörte: „Ruki, die Ärzte meinten ich soll kommen, da du die ganze Zeit meinen Namen genannt hast?“ Bei diesen Worten habe ich mich nur noch Reita um den Hals geschmissen und es dauerte lang genug, bis auch die letzten Tränen ihren Tod gefunden hatten. Daraufhin ging es alles sehr schnell, die Ärzte entließen mich früher und gaben mir noch ein paar Beruhigungsmittel mit, die ich jetzt regelmäßig holen muss. Reita wollte unbedingt mit mir in den Park. Wir konnten nicht zu Uruha, weil es noch zu früh war und zu Reita wollte ich auch nicht, am liebsten wäre ich keiner Menschen Seele die nächsten Stunden unter die Augen getreten. Als ich einmal von meinem damaligen besten Freund zurück kam, schlug mich mein Großvater fast bewusstlos. Nur wegen einer Minute, nur wegen einer Minute Verspätung. Erst schubste er mich nur herum, beschimpfte mich wie sonst was. Dann kamen Backpfeifen, Tritte in den Magen. Irgendwann war mein Bruder dazwischen gegangen, der mich letztendlich auch in mein Zimmer getragen und den Arzt geholt hat. An mehr erinnere ich mich nicht mehr, wie ein Filmriss. Danach weiß ich nur noch, dass mich ein paar Schläge ins Gesicht geweckt haben. Ein Schlag mitten ins Gesicht reißt mich aus meinen Gedanken, aus meinem Schlaf. Ich spüre den kalten Schweiß auf meiner Stirn und wie schnell mein Herz schlägt. Ich versuche etwas meine Atmung zu beruhigen, richte mich dabei leicht auf. Blicke dabei Uruha mitten ins Gesicht. „Gomen, ne?“ und schon drückt er mir ein Glas Wasser in die Hand und eine Tablette. Als ich sie zu mir genommen habe, fühlt Uruha meine Stirn. „Hab ich irgendetwas im Schlaf gesagt?“, frage ich vorsichtig nach. „Hai, sogar sehr viel. Irgendetwas wie „Nein Großvater, hör auf. Willst du mich umbringen? Was habe ich denn getan? Bitte sag es, dann ändere ich es“ und halt so etwas“, druckst Uruha vor sich her, „und am Schluss hast du ganz laut „iie!“ geschrieen. Du wolltest beim besten Willen nicht wach werden.“ Mein Gesicht vergrabe ich in den Händen. Warum habe ich nur so etwas im Schlaf gesagt, warum? Mühsam versuche ich mich zu beruhigen, mir nicht wieder so viele Vorwürfe zu machen, nicht vor Uruha. „Am besten du bedankst dich bei der Klassenlehrerin“, Uruha ist echt Meister im plötzlichen Themenwechsel, „Sie hat sich zweimal als deine Mutter ausgegeben, ansonsten hätten sie dich im Krankenhaus nicht behandelt. Und… ist es in Ordnung für dich alleine zu sein? Ich mach mir Sorgen.“ „Hai, danke Uruha“, rede ich fast unhörbar in meine Hände. „Du kannst auch zu Reita, aber da du die letzte Zeit öfters alleine sein wolltest… Habe ich gedacht du bleibst besser hier, solange du nichts anstellst. Du wirst doch nichts anstellen?“, wieso sollte ich etwas anstellen? Warum hat er nur so viel Vertrauen? Meine Hände leg ich auf die Bettdecke und starre sie an. „Ich denke nicht“, antworte ich lediglich. Ein Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, müde wuschelt er durch meine Haare. „Du brauchst Zeit, dann wird es schon wieder. Und sobald du wieder regelmäßig in die Schule gehst, vergisst du die vergangenen Dinge. Gib dir die Zeit und erhole dich etwas okay? Wenn irgendetwas ist, wir sind immer für dich da. Vertrau uns ein wenig, wir werden dich auch nicht drängen. Du bist einfach zu lieb… Kann ich noch etwas für dich tun?“, beendet er seine Rede. Ich schüttele nur den Kopf und schaue ihm in die Augen. „Wenn du heute Abend weg bist… Kann Reita dann kommen?“, leicht nickst du. „Warum auch nicht? Solange ihr beiden keinen Unsinn macht. Versuch einfach an etwas anderes zu denken oder mit Reita darüber zu reden. Naja und nimm dir die Scherze nicht zu Herzen, auch wenn er sich bei dir noch zurückhält, im Gegensatz zu Aoi. Halte einfach die Ohren steif“, grinst er mich an. Ein wenig wandern meine Mundwinkel nach oben: „Werde ich tun.“ Er tätschelt leicht meinen Kopf und drückt mir einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Schlaf jetzt etwas. Oder willst du etwas lesen oder schreiben? Oder an den PC? Ich hab auch meine Gitarre da…“, bietet er mir an. „Iie, ich finde schon Beschäftigung. Schlaf du ruhig noch etwas. Ich… Nehme mir jetzt meinen Block und setze mich in die Küche“, meine ich noch bevor ich samt Block und Stift den Raum verlasse. Ein letzter Blick verrät mir, dass er die Situation überhaupt nicht versteht, zu niedlich aber auch. Es kommt mir wie Stunden vor. Gedankenlos sitze ich am Küchentisch und zeichne einen Totenkopf. Ich male einige Blutflecken und Risse, bis ich endlich alle Details habe. Kritisch mustere ich es und ich bin zufrieden. Es ist genauso geworden, wie ich es mir vorgestellt habe. „hit me, ‚’til nothing is left“ schreibe ich noch unter das Bild. Ich schlage eine neue Seite auf, beginne ein paar Sachen aufzuschreiben, die mir durch den Kopf gehen. „Gefängnis meiner Gedanken Kein Weg raus, kein Weg rein Sinnlos abzuhauen Muss mich ihnen stellen Immer wieder sie ertragen Darf nicht aufgeben Zu viel steht auf dem Spiel Zu verlieren mein Leben Ist nicht drin“ Ich schmunzle leicht und fange an zu lachen. Es ist naiv, zu naiv. Aber ich werde seinen Worten glauben schenken, ihm vertrauen. Dieses eine Mal werde ich alles wieder aufs Spiel setzen und wenn es das letzte Mal sein wird. „Ich möchte vertrauen, möchte Freunde finden will erleben wie es ist geliebt und gebraucht zu werden. Wie es ist wenn jemand an einen denkt, will nicht mehr alleine sein will nicht sterben ohne einen Moment Glück erlebt zu haben“ Jemand umarmt mich von hinten, schnell schlage ich den Block zu und schmiege mich etwas an ihn. „Verschmust unter Tabletteneinfluss, hm?“, meint er scherzhaft. „Hai. Mir ist etwas kalt…“, lache ich leicht vor mir her. Es ist ein bitteres, man hört es direkt heraus. „Was ist denn los? Warte ich hab hier Reis und alles“, direkt ist er wieder in Sorge. Eine kleine Schale erscheint vor mir, der Block wurde achtlos von Uruha bei Seite geschoben. Nachdem ich den Reis aufgegessen habe, schaue ich Uruha an. „Weiter schmusen?“, lächelt er mich an. „Iie… Ich fühl mich nicht gut…“, rutscht es aus mir heraus. Schnell schlage ich die Hand vor den Mund und wünsche mir nie sprechen gelernt zu haben. Seine Miene verfinstert sich, besorgt schaut er mich an. Er steht auf und zieht mich am Arm hoch. Ich schüttele den Kopf und er nimmt mich in den Arm. „Ganz ruhig… Hol am besten noch eine Tablette. Ich muss gleich los zur Schule… Soll ich dich zu Reitas Eltern bringen?“, fragt er. Ich nicke leicht als Antwort. „Dann zieh dich am besten jetzt um… Und nimm dir etwas zur Beschäftigung mit“, weist er mich an. Tränen bahnen sich ihren Weg über mein Gesicht. Sie sind zu lieb, ich habe es nicht verdient. Warum sind sie so? „Shhht, ganz ruhig“, flüstert er. Leicht streicht er mir durch die Haare während ich mich etwas mehr an ihn schmiege. Die Tränen versiegen wieder, langsam. Ich schaue auf und gucke in seine Augen. Ein Lächeln ziert meine Lippen. „Du musst nicht lächeln, wenn du nicht willst. Komm jetzt machen wir uns langsam fertig“, meint er und führt mich in sein Zimmer. Schweigend packe ich meine Sachen in meine Schultasche und gehe anschließend mit ihm zur Tür wo wir uns unsere Jacken und Schuhe anziehen. Er drückt mir die Tablettenschachteln in die Hand und ich verstaue sie wortlos in meinen Rucksack. „Vielleicht wäre es besser wenn du jetzt noch eine nimmst?“, ich schüttele nur den Kopf. „Ich möchte nicht… Ansonsten wird es nie besser. Gesellschaft wird gut tun denke ich…“, auf jeden Fall hoffe ich dieses. Bei Reita angekommen werde ich in sein Zimmer gebracht. Er meint ich soll etwas schlafen und wenn etwas ist, seine Mutter sei im Haus. Ich soll einfach nach ihr rufen. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hat, ziehe ich meinen Schlafanzug an und kuschle mich in sein Bett. Zufrieden mit mir selbst schlafe ich ein. Gegen Abend weckt mich ein ziemlich besorgter Reita. „Habe ich schon wieder irgendetwas im Schlaf gemacht?“, lache ich. „Iie. Gomen das ich so spät komme. Nur Uruha ist krank… Er ist hier im Gästezimmer und ich war bis eben bei ihm. Der Arzt war auch schon da und naja…“, heute Morgen ging es Uruha doch noch ganz gut, oder? „Was ist mit ihm?“, Besorgnis schwingt in meiner Stimme mit. „Ihm ging es nicht gut in der Schule und da hat ihn meine Mum abgeholt. Er hat hohes Fieber und irgendetwas mit dem Ohr… Aber der Arzt hat gemeint in einer Woche ist er spätestens ok“, er lächelt, „Wie geht es dir? Ich hab die Hausaufgaben für dich.“ „Mir geht es gut. Ich mach sie später“, sein Lächeln erwidere ich. „Die Lehrer vermissen dich. Sie meinen du bist ganz schön wertvoll, weil man dich ja kaum zu Gesicht bekommt. Wir sollen unser Eigentum auch mit den Lehrern teilen, deshalb wollen sie, dass du so schnell wie möglich wiederkommst“, wir beide bekommen einen Lachanfall. Mit Tränen in den Augen schaue ich ihn an. „Wie nett. Ich will aber nicht geteilt werden. Reicht schon wenn ihr mich ständig begrabscht und Aoi nur Witze über mich reißt. Da überstehe ich nicht auch noch Folterungen, dass ist zu viel für meinen ‚großen’ Körper“, lache ich vor mir her. „Da hast du Recht. Willst du mit einkaufen kommen? Ist auch nicht weit weg. Und danach können wir ja noch irgendetwas machen“, bietet er mir an. Ich nicke nur als Bestätigung. Ich stehe auf und ziehe mich um. Schweigend machen wir uns auf den Weg zum Supermarkt. Die Stille ist unerträglich, auch wenn ich sie sonst so mag. „Reita denkst du es ist in Ordnung wenn ich morgen zur Schule gehe?“, frage ich. „Klar wieso auch nicht?“, er lächelt mich an. „Keine Ahnung… Ok dann komm ich morgen mit“ ~ „Aber Herr Lehrer, sie wollen mir doch nicht ernsthaft verkaufen, dass Neuseeland nicht zu England gehört? Die beiden Länder sind doch neben einander“, ruft Reita in die Klasse. „Suzuki-san stören sie nicht den Unterricht“, meint der Lehrer nur. „Nur zu ihrer Information, ich mache sie lediglich auf einen Fehler aufmerksam“, motzt Reita. „Ich weiß ja nicht ob sie so blind sind, aber sehen sie sich doch einmal die Weltkarte an. Neuseeland liegt neben Australien und nicht neben England!“, was für einen Ton hat bitte schön der Lehrer drauf?! „Das kann aber absolut nicht sein! Ich bin mir hundertprozentig sicher! Vielleicht ist die Karte auch falsch! Auf jeden Fall habe ich Recht!“, Reit ist richtig stur. „Na klar. Suzuki-san, stellen sie nicht immer alles in Frage was in Lehrbüchern steht“, gibt der Lehrer seelenruhig zurück. „Tue ich doch gar nicht! Ich kann ja auch nichts dafür, dass das Lehrbuch so viele Fehler enthält“, und einfältig ist Reita auch noch. „Sie können nicht immer Recht haben, wenn ihnen etwas nicht passt“, und wieder einmal hat der Lehrer Recht. „BAKA, ich habe immer RECHT! Niemand hat das „RECHT“ MIR Fehler zu unterstellen!“, und jetzt wird Reita auch noch abfällig. Es ist richtig witzig den beiden beim Streiten zu lauschen. „Suzuki-san ab auf den Flur und neben sie ihren kleinen Freund direkt mit!“, meint Lehrer etwa mich?! Jemand packt mich am Arm und schleift mich mit auf den Flur. Kurz vor der Tür entfährt mir ein lautes „Itaiiiii!“, als Reita mich an eine der vielen Prellungen unsanft berührt. Wütend wirbele ich herum und gebe ihm eine schallende Ohrfeige. Erst schaue ich auf den roten Abdruck auf Reitas Wange und dann auf meine ebenfalls gerötete Hand. Über meine eigenen Füße stolpernd ergreife ich die Flucht Richtung Toiletten. Tränen steigen in meine Augen, ich habe wieder versagt. Ich bin nicht besser wie mein Großvater, wenn ich schon beginne andere zu schlagen. Kurz bevor ich die Toilettentür erreiche werde ich von hinten an der Schulter gepackt. Ich versuche sie ab zu wimmeln, doch ich scheitere. Ich bleibe stehen und drehe mich langsam um. „Ruki? Was ist los?“, fragt mich Ayumi, die Klassensprecherin. „Nichts, was soll den sein?“, erwidere ich und erhebe trotzig meinen Kopf um ihr in die Augen sehen zu können. „Lüge dich nicht selber an. Du bist ziemlich blass. Wie geht es dir?“, fragt sie besorgt. „Mir ist ein wenig schlecht… Geht aber schon“, sage ich und senke meinen Kopf wieder etwas. „Komm wir gehen wieder zurück in die Klasse. Ich denke mal es wird nicht viel Ärger geben. Vielleicht kommst du ja mit Nachsitzen davon“, ein Lächeln erscheint auf ihren Lippen. Schweigend gehen wir zurück zum Klassenraum. Neben der Tür lasse ich mich auf den Boden nieder und lehne mich an die Wand. Von Reita ist weit und breit keine Spur. „Beruhige dich wieder etwas Ruki. Dann bis gleich“ und schon ist sie verschwunden. Ich ziehe meine Knie an und schlinge meine Arm darum. Wenn Reita jetzt sauer ist, wo soll ich dann hin? Uruha ist krank und ich bin mir sicher, er ist auch sauer auf mich, wenn er es erfährt. Was ist wenn sie mich jetzt von der Schule deshalb schmeißen? Hoffentlich nicht, ich will noch etwas hier bleiben. „Ruki-chan?“, spricht mich auf einmal Reita an. Ich blicke auf und schaue in sein Gesicht. Ein kleines Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht und ich springe direkt auf um ihm im nächsten Moment um den Hals zu fallen. Leicht legt er seine Arme auch um mich und Tränen flüchten über mein Gesicht. Ich spüre wie er mich hoch hebt und den Gang runter trägt. Mein Gesicht schmiege ich an seine Halsbeuge und warte darauf, dass wir endlich ankommen. Langsam werde ich auf einen kalten und gefliesten Boden abgelassen. Meine Augen schließe ich. Nach einiger Zeit wird mit einem feucht-kalten Tuch über mein Gesicht gewischt. Ohne es zu bemerken waren meine Tränen schon längst versiegt. „Reita…“, flüstere ich, „gibt das keinen Ärger?“ „Wir finden schon eine Ausrede… Geht es dir jetzt besser?“, fragt er. „Hai, etwas“, aber auch nur ein kleines Stück. Ein Stück weit öffne ich die Augen um mich umzusehen. Reita steht an einem der Waschbecken und macht irgendetwas. „Du siehst überhaupt nicht gut aus. Soll ich dich aufs Krankenzimmer bringen?“, langsam kommt er näher. „Mir war eben schlecht, aber es geht langsam wieder“, versuche ich ihn zu beruhigen. „Wenn du meinst. Naja sagen wir dem Lehrer dir war plötzlich schlecht und deshalb sind wir zu den Toiletten“, er ist perfekt in Sachen Ausreden. „Machen wir das“, antworte ich lediglich. „Er wird sicherlich wütend sein wenn er uns nicht mehr vor der Tür findet“, lacht Reita schadenfreudig. Plötzlich geht die Tür auf und unser Klassensprecher steht in der Tür. „Was ist los Ta-kun?“, fragt Reita mit einem ziemlich dummen Gesichtsausdruck. „Reita dreimal darfst du raten“, meint unser Klassensprecher nur genervt. „Du musst auf Klo?“, ich glaube dieses mal liegst du schon wieder falsch Akira. „Falsch gedacht. Ich war euch suchen. Und wieso liegt Ruki darum? Ihr habt doch nicht etwa“, was denkst du bitte von uns Ta-kun?! „Hey keine falschen Gedanken, das ist nicht fair!“, versucht sich Reita zu verteidigen. „Okay. Auf jeden Fall soll euch sagen, ihr sollt augenblicklich zurück in die Klasse kommen“, überbringt uns Ta-kun diese nicht freudige Nachricht. „Und wieso sollten wir?“, Reita ist anscheinend immer noch ziemlich mies gelaunt. „Reita mach die Sache nicht noch schlimmer! Ruki kommst du mit wenigstens mit?“, und schon wieder liegt alle Aufmerksamkeit auf mir. Schwankend stehe ich auf und folge ihm, zurück lassen wir einen völlig verdutzten Reita. Erst klopft er und dann treten wir in den Klassenraum, alle Blicke sind auf uns gerichtet. Ein Glück, dass ausgerechnet in diesem Moment die Schulklingel geht und die Klasse laut wird. Schlurfend gehe ich zum Lehrerpult. „Sumimasen Sensei“, beginne ich mit einer Verbeugung, „mir ging es eben plötzlich überhaupt nicht gut und deshalb hat mich Reita zu den Toiletten gebracht. Weil es mir so schlecht ging, wollte er nicht noch einmal zurück und ihnen Bescheid sagen, sumimasen. Es ist meine Schuld und bitte bestrafen sie ihn nicht.“ „Das werden wir ja sehen Matsumoto-san“, mit diesen Worten lässt er mich alleine vorne stehen und verlässt den Raum. Toll jetzt steckt Reita wegen mir in der Klemme. Ohne mich würde er garantiert nicht noch mehr Ärger bekommen, es ist alles meine Schuld. Warum musste ich ihn auch nur wegen einer kleinen Berührung schlagen? Ich hätte nicht über reagieren dürfen. Ich bin dumm, töricht. Mir dürfen keine Fehler mehr unterlaufen, zu viel steht auf dem Spiel. Ich habe keine Lust mehr. Die Woche hat schlecht angefangen und bevor ich hier mir noch mehr meine Zukunft verbaue gehe ich. Eilig packe ich meine Sachen zusammen und beim raus gehen werde ich von jemanden unsanft an den Schultern festgehalten. „Was ist los Ruki? Wohin willst du?“, dringt eine Stimme an mein Ohr. „Weg, siehst du das nicht?“, keife ich ihn an. „Komm reg dich ab, es war doch nur eine Frage“, meint der Klassensprecher entschuldigend. „Lass mich doch einfach alle in Ruhe“, schreie ich und renne den Gang zu den Fachräumen entlang. Dort schließe ich mich in einer der Toilettenkabinen ein, wohl wissend, dass mich hier am ehesten niemand finden wird. Ich setze mich auf den Toilettendeckel und beginne meinen Rucksack zu durchsuchen. Früher wurde ich durch meinen Großvater bestraft, danach durch mich und jetzt fehlt es mir. Mir fehlt die verdammte körperliche Strafe für mein Verhalten. Das seelische ist mir nicht genug, ich brauch es körperlich, die Schmerzen. Ich finde meine Papierschere, ob es etwas bringt weiß ich nicht. Leicht schiebe ich meinen Hemdärmel hoch und beginne zu zeichnen. Ich zeichne das Geschehene auf meine Haut, wie ich es sonst auch immer auf Papier tue. Ein Strich, ein zweiter, Blut verlässt meinen Arm. Es ist nicht genug, ich will mehr, spüre die Schmerzen doch kaum. Fester drücke ich auf den ersten Strich, mehr Blut quillt hervor. Es fängt an zu pochen, die Hand wird taub. Genießerisch fahre ich mit der Zunge drüber. Es fängt an zu brennen. Ich schließe meine Augen halb und starre einfach vor mir her, Wege des Schmerzes am genießen. „Ruki-san bist du hier drinnen?“, haben sie mich jetzt schon gefunden? Ich schweige, hoffend die Person verschwindet wieder. Falsch gedacht, sie hämmert fünf Minuten auf die Kabinentür ein bevor sie geht und mich alleine lässt. Kurz darauf höre ich Reitas Stimme. „Ruki bitte stell jetzt nichts Dummes an. Wir können über alles reden hörst du? Du hast einen besseren Todesort als die Schultoilette verdient“, habe ich das? „Was ist denn gewesen?“, das Leben ist gewesen, ist es immer noch. „Komm bitte antworte mir. Lebst du noch?“leicht trete ich mit meinem Fuß gegen die Kabinentür und ich höre ein auf seufzen. „Glaub mir ich habe dich eben nicht auf die Schultoilette getragen damit du jetzt in einer stirbst. Bitte komm raus, tue mir diesen einen Gefallen“, seine Stimme zittert. Wie kann ich sicher sein? „Ruki, bitte!“, seine Stimme wirkt hysterisch, „komm raus, zeig mir wenigstens dein Gesicht! Bitte!“ Du musst ein auf schluchzen unterdrücken, man hört es genau. „Warum willst du sterben? Warum willst du nicht an eine glückliche Zukunft denken? WARUM?“, zum Ende hin wird deine Stimme immer lauter. „Reita ich kann nicht mehr! Deshalb will ich sterben“, schreie ich. „Ruki dann hättest du es schon längst fertig gebracht! Komm bitte mach dir Tür auf, ich möchte dich gerne beim Reden ansehen“, fordert er mich abermals auf. „Nein, nein! Ich bleib hier drinnen! Gleich geht sowieso die Kerze aus!“, presse ich verzweifelt hervor. „Ruki bitte. Ich möchte dich beim Reden ansehen!“, fordert mich Reita wieder auf. „Ich komm hier nicht raus! Geht, lasst mich in Ruhe…“, meine Stimme droht zu brechen, „Bitte geht…“ Sie versagt, ich hab keine Kraft mehr. Weinend breche ich zusammen, nicht mehr wissend was ich tun soll. „Ruki ich hab die anderen weggeschickt. Ich bin alleine, bitte komm raus“, auch in seiner Stimme schwingt Verzweiflung mit. Soll ich raus kommen? Nein lieber nicht. Ich will ihm nicht mein verheultes Gesicht zeigen, ich will nicht in seine Auge sehen müssen. „Beruhige dich wieder Ruki, bitte. Bitte tue mir den Gefallen und komme raus, tue es bitte. Du brauchst auch nicht reden, aber bitte komm raus“, fleht er mich an. Wenn sie mich hassen, wieso kümmern sie sich dann um mich? Wieso? Sie haben doch keinen Grund. Ausnutzen kann man mich nicht mehr, ich bin leer, verbraucht. Ich wurde schon ausgebeutet. Ich kann ihnen nichts mehr bieten. „Ruki bitte ich will nicht die Tür eintreten müssen, bitte mach sie jetzt auf. Ansonsten gibt es noch mehr Ärger, bitte. Du weißt nicht welche Strafen sie hier haben, du willst es nicht wissen. Bitte komm raus“, er bettelt ja richtig fällt mir gerade auf. An meiner alten Schule gab es noch die Prügelstrafe, nicht dass es sie auch hier gibt. „Schließe wenigstens die Tür auf, ich komme auch nicht rein, versprochen!“, kannst du dein Wort auch halten? Langsam schließe ich sie mit dem Drehknopf auf. Ich nehme meine Wasserflasche aus der Tasche und tränke damit Klopapier um den Boden und meine Hand zu säubern. Es muss ja niemand das Blutbad sehen welches ich angerichtet hatte. „Ruki was machst du?“, höre ich Reita vor der Tür. „Ähm… Boden säubern?“, erwidere ich. „Dafür gibt es Putzfrauen. Was hast du nur angestellt?!“, fragt er entsetzt. „Ähm… Das kannst du dir denken!“, erwidere ich etwas zu schnell. Langsam steigt in mir Übelkeit auf, wegen der Angst und des Blutverlustes. Und die Tatsache, dass ich seit gestern Abend nichts mehr gegessen habe, gibt mir dem Rest. „Gleich ist die vorletzte Stunde um, wenn wir uns beeilen schaffen wir es noch zur letzten und dann heißt es nachsitzen und auf die richtige Strafe warten“, versucht er vom Thema abzulenken. Das Klopapier spüle ich runter und packe alles wieder ein. Ich stehe auf und öffne die Tür. Reita packt vor Schreck die Hände vor den Mund und guckt mich nur schockiert an. „Es ist okay, komm wir gehen“, meine ich und gehe an ihm vorbei Richtung Klassenzimmer. Nach einer kurzen Zeit hat er mich eingeholt und bekommt vor Schock immer noch kein Wort heraus. Bis er endlich seine Stimmbänder wieder findet. „Du hast Blut im Gesicht… Was hast du gemacht?!“, fragt er erschüttert. Ich wische mir mit dem Hemdärmel ein paar Mal über das Gesicht. „Ist weg, aber dein Hemdärmel sieht auch nicht besser aus“, weist er mich daraufhin. Augen rollend krempele ich ihn hoch und verdecke somit die blutige Stelle. Leise klopfe ich an und betrete das Klassenzimmer. Nachdem ich mich mehrfach entschuldigt habe, gehe ich samt Reita zurück zu unseren Sitzplätzen. Blicke der anderen liegen immer noch auf uns, doch es ist mir egal, völlig egal. ---------- Disclaimer: keiner von ihnen gehört mir und geld gibts auch keins Warnung: Svv eigentlich will ich mir noch ein schönes buch über depressionen antun, bevor ich die nächsten kapitel schreibe, aber momentan fehlt mir die zeit... und dieses mal kein richtiges gedicht... nur gedankn aufschreiben is für mich nicht dichtn... deshalb ^^" ich bin kein befürworter von svv! es gibt immer andere mittel und wege um schmerz zu vergessn(kein suizid!). wege die im grunde gar nicht weh tun. 11.07: 4136 -> 4445 Wörter =D Kapitel 7: Auf ewig Vergangenheit --------------------------------- Schweigend schreiben wir zusammen die Hausordnung ab. Einmal, zweimal, dreimal. Es ist noch nicht genug. Jede halbe Stunde kommt ein Lehrer, meckert immer wieder herum. Mal ist es zu krakelig, mal ist es zu klein geschrieben. Wenn sie soviel an uns zu meckern haben, sollen sie es selber machen. Nachdem wir fast drei Stunden hier gegessen haben, kommt endlich unsere Klassenlehrerin. „Suzuki-san muss ich schon wieder mit deinen Eltern reden?“, meint sie. „Müssen tun sie überhaupt nichts. Es reicht wenn sie uns eine kleine Standpauke halten und uns endlich nach Hause schicken“, erwidert Reita mit einem überheblichen Grinsen. „Sie ändern sich wohl nie. Und ich würde ihnen anraten Matsumoto-san nicht zu weit mit rein zuziehen. Wie ich sehe hatten sie schon genug schlechten Einfluss auf ihn“, sie erwidert das Grinsen. Anscheinend habe ich mich wirklich sehr verändert… „Das geht sie sonst etwas an. Also belehren sie uns und fertig“, faucht Reita, „Oder ist ihnen endlich aufgefallen, dass es bei mir sinnlos ist?“ „Reiß deinen Mund nicht so weit auf Suzki-san, es könnten Fliegen hinein fliegen“, keift sie zurück. Muss er eigentlich alles schlimmer machen wie es ist? Ich schaue aus dem Fenster und warte, dass die beiden sich endlich genug an geschrieen haben. Auch eine halbe Stunde später schreien sie noch aufgebracht herum. Langsam reicht es mir. „Ano…“, leise ziehe ich an Reitas Uniform und überrascht dreht er sich zu mir um. Anscheinend haben die beiden ganz vergessen, dass ich auch noch hier bin. „Sumimasen für die Störung“, leicht verbeuge ich mich. Beide schauen mich weiter verdutzt an, bis die Lehrerin das Wort ergreift. „Suzuki-san ich bitte sie die nächste Zeit jegliche Zwischenrufe, Widerreden und sonstiges zu unterlassen, ansonsten werfen wir sie von der Schule. Mit der nächsten Zeit meine ich bis zum Zeugnis, mit das klar ist!“, böse funkelt sie Reita an. „Hai, ich werde mich bemühen“, erwidert dieser lediglich mit einem verschmitzten Lächeln. „Und sie Matsumoto-san… Sie schlagen ab sofort niemanden mehr. Ich bin zwar im Glauben, dass es nur ein Ausrutscher war, aber bitte reißen sie sich zusammen. Außerdem ist jegliches, unentschuldigtes Fehlen während der Unterrichtszeit verboten. Wenn sie vor die Tür geschickt werden, haben sie dort auch still zu verweilen. Wenn es ihnen nicht gut geht oder sonstiges, sagen sie einem der Lehrkräfte Bescheid. Außerdem haben sie nächste Woche ein Gespräch beim Schulpsychologen. Und wenn ihnen der Lehrer etwas sagt, haben sie dieses auch zu befolgen. Und ich hoffe sie werden wieder den richtigen Weg im Leben einschlagen. Immerhin sind sie zukünftiger Erbe einer einflussreichen Firmengruppe“, bittend schaut mich die Lehrerin an. Laut meiner Meinung bin ich es nicht mehr, so. Ich habe keine Lust als Sesselpupser mein Leben zu verbringen, ich möchte diese Welt hinter mir lassen. Ich presse ein „Hai“ heraus und hoffe sie somit ruhig zustellen. Ich brauche solche Belehrungen nicht mehr. Ich habe sie zu oft gehört, besonders in den letzten Jahren. Oft genug habe ich mich gegen die Fesseln meines Großvaters gewehrt. Ich war nicht perfekt, habe immer wieder Fehler gemacht. Hatte nie die richtigen Freunde, habe nie den richtigen Umgangston gefunden. Ich habe nie das Ziel bei Gesprächen erreicht, welches vorher festgelegt wurde. Es ist das Beste wenn ich diese Hölle vergesse, sie verlasse. Ich bin kein Mensch der für diese geschaffen wurde, meine vorherbestimmte Welt hat gar nichts mit der anderen zu tun. Bevor ich völlig an der Alten zerbreche, wähle ich die Flucht. Flucht in eine Welt in die ich hineingehöre. Töricht, aber ich glaube daran. Was ist daran falsch zu glauben? Noch Hoffnungen auf nichts zu haben? Nichts, genau. Mir ist es mittlerweile egal, ich bin schon zu vieles gewöhnt. Das einzige was mir noch Kopfzerbrechen bereitet ist das Verlieren. „Ihr beide könnt jetzt gehen. Die weiteren Strafmaßnahmen sind Hofkehren nächste Woche Mittwoch und Nachsitzen auch für eine ganze Woche. Beim nächsten Mal gibt es schlimmere Strafen, nur damit ihr es wisst!“, warnt sie uns, bevor sie den Raum verlässt. Ein erleichtertes Seufzen von Reita. „Endlich ist die Zicke weg. Wie kann man nur so schlechte Laune die ganze Zeit schieben?! Ist doch nicht unsere Schuld, dass in der letzte Zeit so viele Schüler fehlen. Dumme Schreckschraube. Komm Ruki lass uns dieses verfaulte Mauergebilde verlassen“, mosert Reita und zieht mich am Handgelenk raus aus dem Raum. Erst durch mein schmerzvolles Aufstöhnen lässt er mich los. „Kleiner Jammerlappen du. Mich wundert es, dass du das Ritzen überhaupt überstehst. Wenn du schon bei solchen minimalen Berührungen dich so anstellst“, sein genervter Unterton ist auch nicht zu überhören. „Lass deine Laune nicht an mir aus. Außerdem bin ich 10cm kleiner wie du und deshalb brauchst du mich noch lange nicht mit deinen Prankenhänden zu quälen! Denk an meine zarten Knochen, du Sadist!“, motze ich ihn an. „Ist ja schon gut Ruki. Aber wenigstens weiß ich jetzt, dass du launisch bist. Auch wenn du sicherlich harmloser bist wie Aoi. Kleines Schoßhündchen du“, leise knurre ich ihn an. Was fällt ihm eigentlich ein? Oder diesem Aoi?! Bin ich etwa jetzt ihr kleines Spielzeug? Wäre Reita nicht so nett die meiste Zeit, wäre ich schon längst weg von den Witzbolden! Ist ja zwischendurch kaum auszuhalten mit denen. Und außerdem bemerken sie noch nicht einmal wenn sie andere mit ihren Worten verletzten. „Ruki ist das jetzt wieder eine Schweigephase oder bist du sauer auf mich?“, fragt er. „Kannst du dir aussuchen. Und wenn du es noch nicht bemerkt hast, wir haben unsere Schultaschen vergessen. Und da meine kleinen Beinchen zu lange bräuchten würden und ich ja noch krank bin, musst du sie holen“, grinse ich ihn schadenfroh an. Reita hingegen schlägt sich die Hand auf die Stirn und rennt ins Schulgebäude. Langsam schlendere ich zum Schultor, er wird sicher nicht lange brauchen. Manchmal ist er auch zu stürmisch und lässt alles stehen und liegen. Gott sei Dank ist es mir noch eingefallen, wer weiß was ansonsten noch für eine lange Rede von der Lehrerin gefolgt wäre. Außerdem müssen wir ja auch Uruha die Blätter mitbringen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm Schule genauso egal ist, wie Reita sie ist. Mir kommt er eher wie ein gut erzogener Schüler vor. Ich erstarre plötzlich, als ich ihre Gesichter gehe. Gemächlichen Schrittes gehen sie über den Gehsteig auf der gegenüberliegenden Straße, in der Schuluniform der Privatschule, nicht weit von hier. Ich drehe mich um, stolpere und renne so schnell ich kann zurück ins Schulgebäude, mitten in Reita rein. Erst torkelt er etwas rückwärts, aber er schafft es das Gleichgewicht zu halten. Er drückt mich kurz an sich und geht dann einen Stück zurück um mir in die Augen sehen zu können. „Reita… Ich will hier weg…“, flüstere ich. Meine Stimme zittert, so wie mein ganzer Körper. Sofort zieht er mir meine Jacke an, die er bis eben noch auf dem Arm getragen hat. Es ist eine etwas dickere Steppjacke, ganz in schwarz. Er zieht den Reißverschluss ganz hoch und wirft mir die Kapuze über. „Bevor du noch frierst“, grinst er mich aufmunternd an. Ich nicke und hake mich bei ihm ein, schmiege mich nah an ihn. „Hey ganz ruhig. Wir werden schon nicht voneinander getrennt. Komm lass uns erst Mal zu Uruhas Wohnung gehen“, meint er. Mit jedem Schritt den wir Richtung Schultor gehen fängt mein Körper mehr an zu beben und mit jedem Schritt drücke ich mich näher an Reita, hindere ihn so mehr und mehr daran ordentlich gehen zu können. „Was ist denn los mit dir heute? Komm zerquetsch mich bitte nicht. Ich hab auch Gefühle, auch wenn ich größer bin wie du“, schmollt er. Ich gebe nur ein leises Brummeln von mir und lasse ihn etwas los. „Du sagst mir ja wenn du umkippst, oder? Ansonsten trage ich dich lieber“, gibt er ehrlich zu. Leicht nicke ich und schließe die Augen, lasse mich von ihm führen. Er ist richtig lieb, wie mein großer Bruder. Ich mag Reita, da ich ihm nicht egal bin. Ich öffne die Augen erst wieder, als mich jemand in die Wange kneift. „Was ist Reita?“, gebe ich genervt von mir. „Ich will nur wissen ob es dir gut geht“, antwortet er Schulter zuckend. „Hai, es geht schon. Aber ich nehme trotzdem das Angebot an, trägst du mich?“, bitte ich ihn. „Liebend gerne doch“, witzelt er. Ich ziehe mir meine Schultasche an, die er mir hin hält, seine baumelt immer noch von seiner Schulter. Er macht sich kleiner und ich klettere auf seinen Rücken. „Ich hoffe ich bin nicht zu schwer“, druckse ich herum. „Du bist ein kleines Fliegengewicht“, lachst du. Unsere Geschwindigkeit ist noch langsamer wie vorher, aber Reita gibt sein bestes. Ich muss mich zusammenreißen, denn die Angst treibt mir immer wieder Tränen in die Augen. Ich schaue mich um, kann mich gar nicht an diese Häuserreihen erinnern. Irgendwie breitet sich ein sehr ungutes Gefühl in meiner Magengegend aus. „Reita?“, spreche ich ihn an. „Hai Ruki?“, antwortet er. „Wohin gehen wir?“, frage ich vorsichtig nach. „Zu Uruhas Wohnung. Wenn wir hier entlang gehen brauchen wir uns nicht durch die Menschenmassen zu quetschen“, ich erkenne ein Lächeln auf seinem Gesicht. Ich kuschle mich näher an ihn, denn trotz der Jacke ist mir kalt. Ich spüre die Gänsehaut, wie sie langsam an meinem Körper empor kraucht. Ich realisiere erst gar nicht wie er mich vor Uruhas Wohnung ablädt und die Wohnungstür aufsperrt. Ich stehe auf und rette mich in Uruhas Wohnung. „Nur nicht so stürmisch, Kleiner. Wo willst du denn hin?“, erkundigt er sich. „Badezimmer“, würge ich noch hervor, bevor ich die Tür hinter mir zu mach und abschließe. Schnell krame ich in meinem Rucksack herum, wo sind die Tabletten bloß alle hin? Ein leises Klopfen an der Tür. „Willst du hier rein Reita? Warte dann komm ich raus“, frage ich ihn. „Ich will nur wissen ob du nichts verbotenes tust“, lacht er. „Iie!“, erwidere ich. Ich nehme meine Wasserflasche und schlucke eine Tablette mit der Flüssigkeit runter. Mein Herz rast immer noch wie verrückt und ich friere immer noch. Ich öffne die Tür und gehe zu Reita ins Wohnzimmer. Er sucht nach irgendwelchen Sachen. Kurz sieht er mich an und kommt dann auf mich zu. „Du frierst ja immer noch. Warte ich mach dir eine Wärmflasche in Ordnung? Dann legst du dich hier hin mit einer Decke, während ich Uruhas halben Haushalt zusammensuche“ und schon verschwindet er in die Küche und kommt kurz wieder um sicher zu gehen, dass ich mit einer Decke auf der Couch Platz nehme. Ich schließe die Augen und versuche mich nebenbei noch etwas zu beruhigen, auch wenn die Tabletten schon den größten Teil der Arbeit erledigt haben. Mittlerweile habe ich auch die Wärmflasche, welche ich liebevoll unter der Decke umarme. Langsam döse ich ein. Leicht wird mir über die Wange gestrichen und ich schmiege mich an die Hand. „Ruki wollen wir dann langsam wieder?“, höre ich leise deine Stimme. „Ich bleib noch etwas hier, in Ordnung? Wenn ich doch hier schlafen will, dann ruf ich an… Möchte gerne noch etwas allein sein und mich ausruhen“, hoffentlich versucht er mich nicht zu irgendetwas zu überreden. „Nur wenn du auf dich aufpasst und nur dann nachkommst, wenn es dir gut geht, versprichst du mir das?“, ich spüre seinen Blick auf mir. „Hai, sumimasen“, entschuldige ich mich. „Ist in Ordnung. Es ist menschlich Schwächen zu zeigen… Wann denkst du, kommst du ungefähr nach? Uruha wird mich umbringen wenn er merkt, dass du nicht mit mir nach Hause gekommen bist“, du streichelst mir noch immer über die Wange. Ein langes Schweigen. Leicht schlägt er gegen meine Wange und ich öffne etwas die Augen. „Weiß nicht… Sumimasen…“, wieder entschuldige ich mich. „Hey nicht schlimm. Ich versteh schon, dass du seelisch etwas durcheinander bist. Aber hier kann dir nichts passieren. Hol dir später einfach ein Taxi, dann bist du auf der sicheren Seite. Lenke dich etwas ab, schlafe eine Nacht darüber und mach dir keine unnötigen Sorgen“, sein Lächeln spendet einem richtig viel Trost. Ich löse die Umklammerung der Wärmflasche und umarme Reita kurz. „Arigato“, bringe ich leicht zögerlich hervor. „Kein Problem. Soll ich dich nicht lieber abholen? Oder direkt hier bleiben?“, fragt er hoffnungsvoll. „Iie… Heute Abend geht es mir bestimmt besser. Ich brauche nur etwas Zeit alleine und wenn jetzt jemand um mich herum ist…“, ich schlucke leise. Insgeheim habe ich seit dem Weg hierhin Angst vor Reita, wieso und weshalb weiß ich nicht. Zaghaft streicht er mir durch die Haare, als ich mich von ihm löse. „Dann ruhe dich jetzt aus. Ich gebe dir zwei Stunden… Ich mach mir Sorgen um dich und mir wäre es lieber dich in meiner Nähe zu haben… Damit ich besser auf dich aufpassen kann“, er klingt richtig besorgt. Wieder Stille. „Reita… Ich habe die beiden heute wieder gesehen, sie gehen auf die Nachbarschule… Ich hab so Angst“, ich kann die Tränen nicht mehr aufhalten. „Ach komm, das ist alles nicht so schlimm wie es auf den ersten Blick aussieht. Ich hab noch Haarfärbemittel und meine Mum ist ein guter Friseur. Und mit der Schuluniform siehst du eh ganz anders aus… Du brauchst ehrlich keine Angst zu haben“, versucht er mich zu beruhigen. Ich presse mir die Hand vor den Mund und gucke mich verzweifelt um. Er nimmt mich in den Arm und streicht mir beruhigend über den Rücken. Warum ist mir auf einmal nur so schlecht? Mir wird auch wieder kalt… Mein Körper beginnt zu beben. „Ganz ruhig…“, ein erster Schluchzer. „Was hältst du davon… Du ziehst etwas von Uruha an, dann ist dir auch nicht mehr so kalt und dann kannst du von mir aus etwas im Park in meiner Nähe deine Zeit vertreiben. Die Ecke ist auch nicht so gottverlassen und du bist unter den Leuten ehrlich sicher“, flüstert er mir ins Ohr. Ich nicke nur und er zieht mich hoch auf die Beine. Immer noch schluchzend gehe ich mit ihm in Uruhas Zimmer wo mir auch direkt ein dicker Pulli und eine Jeans gereicht wird, beides eher einfach gehalten. Schnell ziehe ich mich um, da ich mich in dem blutverschmierten Hemd langsam nicht mehr wohl gefühlt habe. Reita packt die Sachen anschließend in die Tasche von Uruha und wir verlassen zusammen mit unserem Gepäck die Wohnung. „Wenn es dir in irgendeiner Weise schlechter geht sagst du es, ne? Und du brauchst hier ehrlich keine Angst zu haben. Wenn du mit mir zusammen bist, dann machen die Leute eher einen großen Bogen um uns“, lachst du. Ob es nun falsch oder echt ist, weiß ich nicht. Wahrscheinlich hast du dich wohl nur mit deiner Situation angefreundet. Mein Körper bebt immer noch, den aufkeimenden Schmerz ignoriere ich. „Reicht dir auch eine halbe Stunde Ruki? Ein kranker Uruha ist für meine Nerven im Grunde schon zu viel“, was er wohl damit meint? Wohl doch nicht die nervenden Mädchen die ihm den ganzen Tag hinterher rennen um sich nach Uruha zu erkunden?! Ich nicke lediglich als Antwort und rolle die Augen. Er hat mich schon wieder zu etwas überredet… Am Park angekommen trennen sich unsere Wege, meiner führt zu dem kleinen Teich, der sich ganz nah am Eingang befindet, seiner führt ihn zu sich nach Hause. Als mich die Kois sehen, kommen sie direkt an geschwommen, zaubern somit ein Lächeln auf meine Lippen. Die Kälte gräbt sich immer tiefer und ich schlinge die Arme um mich. Wieso ist mir nur so kalt? Reita läuft ohne Jacke herum und ich? Ich laufe hier mit einem mehr als dicken Pullover und meiner Steppjacke herum. Meine Zähne fangen an zu klappern, egal wie sehr ich es versuche zu unterdrücken. Fragen schießen in meinem Kopf hin und her. Ich mache mir schon wieder unnötig Gedanken, lasse mich von meinen Zweifeln, meinen Sorgen mitreißen und einer holt mich besonders oft mit. Ob sie mich wirklich mögen weiß ich nicht. Ich will es auch nicht wissen. Ich will mir keine Hoffnungen machen, ansonsten würde ich wieder zu tief fallen. Ich muss Vertrauen suchen und es finden, die Ängste hinter mir lassen. Leise seufze ich auf, ich muss zurück. Ansonsten verspiele ich die letzte Runde Roulette in meinem Leben. Ich setze alles auf diese eine Zahl, wenn ich verliere, sterbe ich. Es ist mir egal, denn dann weiß ich, ich habe es versucht, habe wenigstens einige der Chancen genutzt. Ich will sie noch nicht enttäuschen, will ihnen noch etwas Lebensfreude vortäuschen. Mein Herz ist innerlich schon verfault, mich hält im Grunde nichts mehr hier. Warum sollte es auch? Ich reiße mich vom Brückengeländer los und gehe zurück. Wachsam schaue ich mich um, registriere jede noch so kleine Veränderung der Umgebung. Ich habe Angst, Panik steigt in mir auf. Ich versuche sie zu verdrängen, will ruhig vor den anderen auftreten. Was werden die beiden nun von mir halten? Ich weiß es nicht, ehrlich nicht. Warum sollte es mich interessieren? Nur um sicher zu sein, ist nicht Grund genug. Ich möchte nicht sicher sein, nicht wegen irgendwelchen daher gesagten Worten. Dabei war er extra heute vor der Toilettentür, es letzte Mal auch. Aber kann ich mir wirklich jetzt schon sicher sein? Ich kenne sie mal gerade einen Monat. Ich krame den Schlüssel raus, den du mir vorher noch gegeben hattest. Möglichst leise schließe ich das Gartentor auf und anschließend die Haustür. Ich möchte seinen Eltern nicht begegnen, ihnen nicht unter diesen Umständen unter die Augen treten. Was soll ich denn sagen, wenn sie fragen woher ich den Schlüssel habe? Es ist ja nicht gerade üblich einfach Leuten den eigenen Schlüssel zu überlassen, besonders nicht wenn man die Leute noch nicht lange genug kennt. Schnell streife ich Schuhe und Jacke ab und stelle bzw. lege sie zur Seite, damit sie nicht im Weg sind. Leise schleiche ich die Treppe hoch. Es ist spät abends, eigentlich schon mitten in der Nacht. Ich höre Reitas Mutter in der Küche spülen, höre seinen Vater im Arbeitszimmer am Computer. Ein idyllisches Familienleben, ja. Seit ich hier bin habe ich weder einen Streit zwischen den Eltern, noch einen anderen gehört. Ich weiß nicht ob mir so ein Leben überhaupt Spaß machen würde. So friedlich… Erst hatte ich in deinem Zimmer nach dir gesehen, du warst nicht da. Auch im Garten und auch sonst konnte ich dich nicht entdecken. Ich wollte dir nur ausrichten, dass ich wiedergekommen bin. Mich nicht meiner Trauer hingegeben habe, mich nicht den letzten Schritt gewagt habe. Dass du umsonst bedenken hattest. Ich sehe einen Lichtstrahl unter der Tür zum Gästezimmer. Leise Geräusche dringen zu mir hindurch. Wahrscheinlich ist er dort drinnen. Am besten ich warte hier auf ihn. Ich will nicht so tun als wäre ich ein Hund und würde ihm überall hin nachrennen. „Gomen ich wollte dich nicht wecken“, was danach kommt kann ich nicht verstehen, sie reden zu leise. Es ist nicht gerade das netteste ihnen zu lauschen, aber schon den ganzen Tag beschleicht mich ein komisches Gefühl. „Es läuft alles aus dem Ruder… Ich kann nicht mehr. Es zerreißt mir mein Herz ihn jeden Tag so zu sehen!“, leise Tränen bahnen sich ihren Weg in den Tod. „Er hat sich wieder selbst verletzt, aber in der Schule. Es wird immer schlimmer…“, ich kann ein Schluchzen kaum unterdrücken. Ich will ihnen nicht wehtun, vielleicht ist es doch das Beste ich gehe, für immer. Ich höre leise Schritte im Flur, ich versuche mich zu verstecken, aber schon spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. „Komm bitte mit runter Ruki. Lass den beiden etwas Zeit. Hast du heute schon deine Tabletten gehabt?“, leicht schüttele ich bei den geflüsterten Worten Reitas Mutter meinen Kopf. Langsam folge ich ihr die Treppe runter ins Wohnzimmer und setze mich neben sie auf ein Sitzkissen. „Geht es dir gut Ruki?“, erkundigt sie sich nach meinem Befinden. „Es geht schon, danke“, bedanke ich mich. „Bitte versuch es ein paar Tage mit den Tabletten, tue es für die beiden“, fleht sie mich fast schon an. „Ich versuch es…“, bringe ich noch hervor bevor ich wieder in Tränen ausbreche. Leicht werde ich in den Arm genommen und hin und her gewiegt. Warum macht sie das? So viele Fragen bilden sich in meinen Kopf, jedoch verdränge ich sie und genieße es. Langsam versiegen meine Tränen, mein Körper bebt weiter. Noch nie hat ein Erwachsener mich umarmt. „Uruha war früher genauso. Mit 14 stand er auf einmal mit zerrissener und blutiger Kleidung vor unserem Haus und ist kurz danach zusammengebrochen. Er hat nie ein Wort darüber verloren was passiert ist in jener Nacht. Von dort an hat er sich geweigert zu sich nach Hause zu gehen und er hatte sich mehrmals versucht umzubringen. Bitte tue Reita es nicht noch einmal an diese Qual, okay? Du schaffst es schon, da bin ich mir sicher. Lass dich nicht so unter Buttern und zeig deinen wahren Charakter. Dann wird alles gut, da bin ich mir sicher“, und schon herrscht wieder Stille. „Ich geh mich etwas hinlegen… Bitte sagen sie Reita nichts“, mit einem bitteren Lächeln verschwinde ich Richtung Garten und lege mich auf eine der Gartenliegen und beobachte die Sterne. Wie es wohl zu Hause ist? Wieso erinnern mich die Sterne nur immer an zu Hause? Ich seufze einmal und schließe die Augen. Ich öffne sie wieder, als meine Gedanken zum Thema Schule schweifen. Erst wenn Uruha wieder geht, will ich wieder gehen. Ab nächste Woche muss ich auch die restlichen Strafarbeiten erledigen und zum Schulpsychologen. Bei dem Gedanken steigt in mir wieder die Übelkeit auf, sowie jetzt. Erst bleibe ich einige Zeit liegen, warte darauf dass sie vergeht. Nichts geschieht, es wird schlimmer. Stolpernd bewege ich mich noch rechtzeitig zur Toilette. Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Stirn und ich lasse meinen Kopf langsam auf die Klobrille sinken. „Komm leg dich etwas hin Ruki. Wir können etwas in meinem Zimmer Fernsehen gucken, Uruha ist auch da“, höre ich Reitas Stimme bevor er die Klospülung betätigt und mich wieder auf die Beine stellt. „Arigato…“, bringe ich noch hervor bevor ich zum Waschbecken stolpere und meinen Mund kräftig durch spüle. „Ruhe dich etwas aus Ruki ok? Es gefällt mir nicht wie du dein Essen wieder gibst und du ständig irgendwelche Nervenzusammenbrüche oder sonstiges der Art hast. Es hat bei Uruha schon verdammt lange gedauert, zu lange. Bitte tue mir den Gefallen und versuch es, versuch uns eine Chance zu geben. Versuch einfach Gedanken an die Vergangenheit zu verdrängen, in Ordnung? Uruha kennt bestimmt deinen Schmerz, aber spreche ihn bitte nicht darauf an. Er wird es dir vielleicht irgendwann von alleine erzählen, aber wie meine Mum meint, wissen tun wir es nicht“, flüstert Reita in mein Ohr und umarmt mich fest von hinten. Ich spüre seine heißen Tränen auf meinen Schultern. „Reita bitte wein nicht…“, langsam kommen wieder die Tränen hoch, aber ich darf nicht weinen. „Bitte lass uns nicht allein“, flüstert er in mein Ohr. Außer sein Schluchzen hört man nichts mehr im Raum. Im Spiegel kann ich sehen wie er um Fassung ringt, aber immer wieder verliert er den Kampf. „Ruki geh schon Mal vor ok? Ich komm dann nach“, seine Stimme zittert gewaltig als er mich loslässt und mich Richtung Tür drängt. Einerseits will ich ihn nicht alleine lassen, aber anderseits will ich seine Schmerzen, seine Verzweiflung nicht spüren. Mein eigener Schmerz ist schon schwer genug zu ertragen. Mich an der Wand abstützend gehe ich in Reitas Zimmer, wo ich mich auch wenig später auf den Futon neben seinem Bett lege und somit genau vor Uruhas Füße. „Soviel musst du mir auch nicht danken, dass du dich vor mir hinlegst“, lacht er. Dabei habe ich gedacht er sei schwer krank, wie kann man da nur solche Witze machen? Ich knurre leise und beiße in seine Wade. Genau in dem Moment kommt ein Reita rein und lacht sich halb tot über die ihm gebotene Szene. Ich lasse Uruhas Bein los und funkele ihn böse an. „Nicht so aggressiv Ruki. Wir lieben dich auch ohne Raubtierverhalten“, meint Reita mit einem dicken Grinsen im Gesicht. Ich reiße meinen Kopf herum und gucke ihn nur böse an. „Hey schon ok. Hab verstanden“, versucht er mich zu beschwichtigen und setzt sich neben Uruha auf das Bett. ---------- Disclaimer: nichts mir, keine kohle~ Warnung: SVV neues 'pitel... häng am nächstn momentan fest~ aber es geht schon vorran ^^ 10.07.2009: 3964 -> 4150 Wörter °_° Kapitel 8: Ein aufgedecktes Geheimnis ------------------------------------- Schon wieder reißt mich wer ungefragt aus meiner Traumwelt. Fragend schaue ich in Uruhas Augen. Anstatt mir eine Antwort zu geben, tätschelt er mir nur kurz den Kopf und steht auf und verschwindet somit aus meinem Blickfeld. Genervt rolle ich mit den Augen und krieche dabei noch weiter unter die Bettdecke als ohnehin schon. Mir ist immer noch verdammt kalt. Eine weitere Decke wird über mich geworfen und kurz verschwinde ich darunter, bis Uruha sie etwas um schlägt. Ich flüstere ein leises „Danke“. Seit ich von daheim weg bin könnte ich quasi pausenlos schlafen. Wahrscheinlich hat es viel damit zu tun, dass ich mich hier halbwegs sicher fühle und nicht pausenlos auf der Hut sein muss. „Kein Problem. Es tut mir Leid, falls ich dich geweckt habe. Ich wusste nicht ob dir nur kalt war, oder ob du einen Alptraum hattest“, meint Uruha und ein verlegenes Lächeln schleicht sich auf seine Lippen. „Nicht so schlimm. Wo ist Reita?“, will ich von ihm wissen. Eben war er doch noch da, oder? Habe ich wirklich so lange und tief geschlafen? „Ich hab mit ihm das Zimmer getauscht. Da du sicherlich morgen auch zu Hause bleibst und er dich nicht morgen in aller Frühe wecken will“, teilt er mir mit. Genau das gleiche hätte mein Bruder wahrscheinlich auch gemacht. „Ja, ich werde denke ich einmal daheim bleiben. Geht es dir wieder etwas besser Uruha?“, erkundige ich mich. Er sieht immer noch ziemlich blass und angeschlagen aus. „Klar geht es mir schon besser. Unkraut vergeht nicht so schnell, kleiner. Willst du vielleicht mit mir über den momentanen Stand der Dinge sprechen, bevor dich der Schulpsychologe mit Fragen löchert?“, bietet mir Uruha an. „Nein, denn ich habe nicht vor ihm irgendetwas zu sagen. Es geht niemanden etwas an, was einmal war“, erkläre ich ihm. Und das meine ich auch so. Er als Schulpsychologe ist wahrscheinlich gar nicht in der Lage mir groß zu helfen und ehe er die Sache noch schlimmer macht, teile ich ihm lieber gar nichts mit. „Schweigen ist nicht der richtige Weg, besonders wenn du jetzt schon seelisch so fertig bist“, flüstert er mit einem bitteren Lächeln im Gesicht. Ich richte mich etwas auf und umarme Uruha. Er zieht mich näher an sich und zerdrückt mich daraufhin fast. Warum ist Schwiegen nicht der richtige Weg? Manchmal reicht es mir wenn mir jemand nur ein Lächeln schenkt um die seelischen Schmerzen zu vergessen, doch manchmal brauche ich mehr. Sei es mein Messer, sei es eine Umarmung, sei es sonst etwas. Schon lange komme ich an solchen Dingen nicht mehr vorbei. Anfangs war mein Schutzschild noch ganz, jetzt ist er voller Löcher, perfekte Angriffsflächen. Ich werde verwundbarer von Mal zu Mal. Immer mehr ziehen mich auch belanglose Dinge tiefer in das schwarze Loch. Leicht streicht er über mein Rücken und ich höre ihn kaum hörbar seufzen. Ob ich ihm wohl lästig geworden bin? Wahrscheinlich ist das so. Wahrscheinlich ist er auch meine Stimmungsschwankungen leid. Was soll ich nur tun? Mich wieder beugen um nicht auch noch sie zu verlieren? Nachdem er mich völlig losgelassen hat, löse ich auch meinen Griff und beginne in seine tief braunen Augen zu gucken. Sie scheinen leer, auch wenn sie matt glänzen. Auch ihm sieht man an, dass es ihm nicht immer so gut geht, wie er es allen vorspielt. Auch ihm sieht man an, dass es eine dunkle Seite in seinem Leben gibt. Ein glücklicher Mensch sieht einfach anders aus. Sein Lächeln erreicht nicht seine Augen und das macht mich ganz schön traurig. „Was guckst du mich so an Ruki? Und bevor du fragst, nein ich bin definitiv nicht zum Verzehr geeignet“, scherzt er. „Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht die ganze Zeit so anstarren“, entschuldige ich mich direkt und mein Gesicht wird ganz heiß. „Ach ist doch kein Problem, kleiner. Also wegen neulich, ne? Dein Großvater hat dir all diese Wunden zugefügt oder? Okay, eigentlich ist es vollkommen unnötig zu fragen, schließlich spricht dein Verhalten und dein Rücken Bände“, erklärt er mir stirnrunzelnd. „Nicht alle“, platzt es ungewollt aus mir heraus. Vor Schreck schlage ich die Hände vor den Mund, habe ich das jetzt wirklich gesagt?! Warum nur habe ich ihm zugestimmt? „Und der Rest vielleicht deine ehemaligen Klassenkameraden?“, stochert er weiter. „Wie kommst du darauf?“, frage ich perplex nach. „Dein Verhalten sagt mehr als tausend Worte, Ruki“, sagt er bitter lächelnd. Ich muss erst einmal hart schlucken. Hat man mir wirklich all das angesehen? Und ich habe gedacht, dass ich all das gut verstecken kann. Oder fällt es ihm nur so leicht diese Schlüsse zu ziehen, weil er selbst schon viel in die Richtung erlebt hat? „Bis du jetzt sprachlos vor Schock? Und passe auf, was du dem Schulpsychologen sagst. Er braucht nicht zu wissen was los ist, wir schaffen es auch ohne ihn, ne? Wenn du Pech hast, dann weist er dich direkt in die Geschlossene ein und ich kann dir versichern, dass es echt schwer ist sich aus dieser Nummer wieder herauszuwinden“, meint er. Ich nicke nur als Antwort und verschwinde vor Scham so tief unter die Decken, bis nur noch meine Stirn zu sehen ist. „Hey Ruki, was ist denn los?“, fragt er besorgt. Ich schüttle nur den Kopf und bekomme es einfach nicht hin ihm zu antworten. Meine Gedanken fahren Achterbahn, immer wieder erscheinen Bilder der letzten Tage vor meinem Auge. Ich habe Angst vor der Schule, weil ich Angst vor der Vergangenheit habe. Ich habe Angst davor wieder zu versagen, wieder alles zu verlieren. Ich möchte nicht wieder hoffen auf einen Neuanfang, ich möchte nicht wieder vor ihr davonlaufen, meiner Vergangenheit. Ich muss mich ihr stellen, egal ob ich das will oder nicht. „Kann ich etwas für dich tun?“, bietet er mir an. Wieder nur ein Kopfschütteln meinerseits. Ich schluchze kurz auf, wische das Kühle Nass von meinen Wangen. Wie lange wird dieses Spiel noch weiter gehen? Wie lange kann es bestehen? Wann wird es enden? Werde ich verlieren? „Hey, wein nicht. Wir können echt über alles reden. Sollen wir vielleicht Musik hören, damit es nicht ganz so leise ist? Ich kann mich auch neben dich auf den Futon legen, dann bist du nicht ganz so einsam. Oder geht es dir körperlich nicht gut?“, erkundigt er sich Nebenbei schlägt er die Decke zurück und ich kann sehen wie sich seine Augen mehr und mehr weiten. „Ruki stehst du bitte auf? Wir gehen etwas ins Wohnzimmer, ja? Und gucken mal wo seine Mum ist“, erklärt er mir verunsichert. Was hast du nur? Was genau macht dir jetzt so eine Angst? Krabbeln Käfer aus meinen Augen? Oder bin ich leichenblass? Ich stehe auf und sofort geben meine Beine nach, gerade rechtzeitig packt mich Uruha unter den Armen. Warum nur fühle ich mich so matschig? „Danke“, murmle ich vor mir her. Ohne ein weiteres Wort zu sagen hebt er mich hoch und trägt mich ins Wohnzimmer. Mein verschlafener Blick fällt auf Reitas Eltern, die anscheinend ein intensives Gespräch miteinander führen. Uruha räuspert sich kurz und sofort drehen sich die beiden zu uns um. Er legt mich auf das Sofa und wechselt ein paar Worte mit Reitas Mutter. Sie legt kurz darauf eine Hand auf meine Stirn und seufzt. Ich fühle nichts, außer dieser unendlichen Leere in mir. Und die fehlende Energie macht sich bemerkbar. „Ruki?“, spricht mich Reitas Mutter an und ich nicke zur Bestätigung, „Denkst du, du kannst etwas essen? Ich mach dir jetzt etwas und dann versuchst du es einfach. Und Uruha, am Besten gehst du wieder schlafen. Danke, das du ihn gebracht hast. Gute Nacht und bitte versuch wenigstens etwas zu schlafen.“ Sie ist wirklich eine fürsorgliche Mutter. Uruha verabschiedet sich kurz angebunden und verschwindet wieder in der Dunkelheit, lässt mich allein zurück. „Deine Eltern wollen, dass du zurück zu ihnen kommst“, teilt mir Reitas Vater emotionslos mit, „Auf jeden Fall sagt, das deine Klassenlehrerin.“ Ich balle meine Hände zu Fäusten. Mit diesen Worten verlässt sie das Wohnzimmer. Ich rappele mich auf und setzte mich hin. Warum wollen sie, dass ich zurückkomme? Wo ist der Sinn und Zweck dieser ganzen Sache? Es gibt keinen, definitiv. Sie wollen, dass ich wieder an die Stelle meines großen Bruders trete und somit meinem Vater wieder die Last abnehme. Ich kann nichts dafür, dass sie als Eltern in voller Linie versagt haben. Mein Bruder ist mit 15 Jahren rebellisch geworden, hat sich aufgelehnt und deshalb wurde mir diese schwere Bürde übertragen. Sie hatten eingesehen, bei ihm ist es sinnlos, er würde es nie schaffen. Sie hatten es wohl schon vorher geahnt, denn seit meiner Geburt wurde ich sehr streng erzogen. Außerdem wurden mir früh jegliche kindliche Seiten abgewöhnt. Als zukünftiger Erbe muss man halt in allen Bereichen gnadenlos funktionieren. Und mein Bruder gibt halt Widerworte und das gefällt meinem Großvater nicht. Immer wieder stellt er sein Weltbild in Frage und das darf er einfach nicht. Seine Mutter stellt mir eine Schale Müsli vor die Nase und drückt mir den Löffel in die Hand. Ich bedanke mich und verbeuge mich tief. Nachdem ich aufgegessen habe, bedanke ich mich noch einmal und wünsche ihnen eine Gute Nacht. Auf leisen Sohlen schleiche ich zu Uruha aufs Zimmer und sehe wie er wieder seiner Spielsucht nachgeht. Ich räuspere mich laut und er dreht sich zu mir um. „Geht es dir wieder besser?“, fragt er direkt. „Ja, denke schon“, antworte ich und bedanke mich noch einmal bei ihm. „Kein Problem Zwerg“, versucht er mich zu necken. „Kannst du bitte aufhören mich zu ärgern? Ich habe auch ein Herz und das kann leider nicht so viel Kummer ertragen!“, schreie ich aufgebracht. „Hey schon gut. Du bietest dich halt quasi zum Ärgern an, tut mir Leid. Es sieht halt süß aus, wenn du dich aufregst. Aber jetzt mal zu einem ernsteren Thema. Ich weiß nicht ob es dir Reitas Eltern auch angeboten haben, aber ich denke wenn nicht dann werden sie es noch tun. Weißt du, damals haben sie mich nach einem viertel Jahr aus dem Heim geholt. Und seitdem sind sie mein Vormund. Reita hatte ziemlich lange gequengelt, da das Heim unter aller Kanone war. Holen dich deine Eltern zurück oder musst du auch ins Heim?“, fragt er nach. „Ich muss zu meinen Eltern, aber wenn ich das mach kann ich direkt in einen Löwenkäfig springen“, gebe ich bitterlich lachend zu. „Frag einfach mal Reitas Eltern, wegen dem Sorgerecht. Sie müssen dich auch nicht hier wohnen lassen, du kannst ruhig zu mir. Wäre nur gut wenn du etwas jobbst. Ich gehe auch nicht oft, aber es reicht schon irgendwie. Es reicht um einen Teil der Miete zu bezahlen. Außerdem zahlen meine Großeltern auch noch etwas davon. Also wie wäre es?“, bietet er mir an. „Wenn es Reitas Eltern machen, gerne. Aber nur wenn ihr mir auch meine Ruhe lasst, in Ordnung?“, frage ich ihn. „Klar! Willst du am Samstag mit zu Aoi? Er feiert seinen Geburtstag nach und alles“, erklärt er mir. Was soll ich denn bei Aoi? Ich kenne ihn doch gar nicht und was ist, wenn er mich gar nicht dabei haben will? „Nein. Also Entschuldigung nur, ich möchte ehrlich nicht. Ich, also nein“, erwidere ich direkt. „Komm sag ruhig was du denkst. Brauchst bei mir kein Blatt vor den Mund zu legen“, fügt er lächelnd hinzu. Brauche ich das wirklich nicht? Wie soll ich dir denn etwas sagen, wenn ich nicht weiß wie? Wie soll ich meinen Worten Ausdruck verleihen, wenn ich selbst nicht weiß was ich will? Wie soll ich ihnen überhaupt noch vor die Augen treten? Sie wissen mein gut gehütetes Geheimnis. Eins welches sonst niemand weiß. Es ist nicht einfach zuzugeben, dass nichts in Ordnung ist. Es braucht viel Mut zu sagen, dass man Hilfe benötigt. Besonders für einen, der jegliches Vertrauen in andere Personen verloren hat. Er steht kurz auf um mich wenig später auf das Bett zuschmeißen. „Sei nicht so schüchtern, Zwerg. Ich tue dir schon nicht weh“, wieder einmal scherzt er. Bei diesen Worten springe ich sofort wieder auf und gucke Uruha verängstigt an. „So war es nicht gemeint“, entschuldigt er sich ohne Umschweife. Mein Herz rast immer noch wie verrückt und irgendwie kann ich ihm diese Worte nicht abkaufen. Zu oft wurde ich schon hintergangen. „Komm leg dich hin oder so. Der Boden ist nicht so weich wie er aussieht. Ich weiß wovon ich rede. Komm mach schon, ich will dich nicht vom Boden abkratzen müssen“, bittet er mich. Er steht auf und nimmt mich in den Arm. Zögerlich streicht er mir über den Rücken. „Komm sag schon was los ist“, fordert er mich auf. Warum sollte ich dieses tun? Und vor allem was nützt ihm dieses Wissen? „Lass mich bitte los“, flehe ich ihn an. „Sag mir erst was lost ist“, stellt er als Bedingung. „Mir geht es nicht gut, also lass mich gefälligst los“, fordere ich mit viel Nachdruck in der Stimme. Irgendwie ist die Angst in Wut umgeschlagen. Warum kann er mich nicht einfach loslassen? „Soll ich mit dir etwas raus gehen?“, erkundigt sich Uruha. Und was soll ich in der Kälte? Verneinend schüttele ich den Kopf. Draußen ist es einfach zu kalt und es würde mir wahrscheinlich auch nicht helfen. Ich bin halt dieses ganze zwischenmenschliche nicht gewohnt und es überfordert mich schon unheimlich. „Was dann? Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?“, bohrt er weiter. Da war ich doch erst bis vor kurzem und so wirklich gebracht hat es doch nichts, oder? „VERGESS ES!“, schreie ich ihn an. „Schrei nicht so herum. Ansonsten bringt uns Reita noch um“, gibt er zu bedenken. „Pah“, erwidere ich trotzig. „Jetzt sei nicht direkt so ein geschnappt!“, kontert Uruha. Du hast mir nicht meine Laune vorzuschreiben! Und wieso darf ich es nicht? Du bist es doch auch oft genug. Nur ich darf es wohl nicht anscheinend. Wie oft wollt ihr noch über mein Leben bestimmen? Ihr wisst genau, dass ich schon mit mehr als einem Fuß im Grab stehe. Er drückt mich noch fester an sich und ich bekomme langsam aber sicher Panik. Was soll das Ganze? Ich sträube mich so gut es geht gegen die Umarmung und trete ihm auch ein paar Mal gegen das Schienbein. Warum kann er mich nicht einfach loslassen? Warum nicht? Sieht er nicht, dass ich momentan keine fremde menschliche Existenz an mir spüren will? Ich will allein sein, nur das lassen sie mich ja nicht. „Beruhige dich wieder. Ansonsten trete ich dich auch mal, aber dann in eine Gegend weiter oben“, er klingt ein wenig sauer als er das sagt. „Dann reiß ich dich mit in den Abgrund!“, erwidere ich. Ich bin immer noch so was von wütend. Und da ich auch Gene von meinem Großvater habe: unberechenbar. Langsam begreift er den Ernst der Lage und lässt mich ganz langsam los und weicht mit ein paar Schritten von mir weg. Ich ergreife die Chance und manche mich auf den Weg ins Badezimmer. Ich bin mehr als erleichtert, dass er mich jetzt in Ruhe lässt. Anscheinend bin ich auch ein bisschen Angst einflößend, genau wie mein Großvater. Nachdem ich mein Geschäft verrichtet habe tapse ich ins Wohnzimmer und schalte den Fernseher ein. Und tatsächlich, nach ein paar Mal umschalten habe ich die Animes gefunden. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass immer noch ein Stück der Erinnerungen erhalten geblieben ist und dass sich manche Dinge anscheinend nie ändern werden. Erst als die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster fielen, wurde ich annähernd müde. Ich weiß gar nicht wie lange ich hier schon liege und vor mir hin döse. Jemand streicht mir zaghaft über den Oberarm. Knurrend schlage ich die Augen auf und gucke in Reitas Gesicht. Ich bemerke nebenbei, dass jemand den Fernseher ausgeschaltet haben muss. „Warum schläft du nicht in meinem Zimmer? Naja egal. Meine Mum fährt gleich mit dir ins Krankenhaus. Danach eventuell noch zur Polizei. Sie meinen es ist besser jetzt die Anzeige zu machen, bevor deine Eltern die Polizei holen um dich zu ihnen zurückzubringen. Uruha fährt mit, ich muss ja leider in die Schule. Halt deine Ohren steif, ja? Und heute Abend bring ich dir etwas mit, okay? Es wird wieder besser, vertrau mir. Naja ich muss jetzt, immer noch leider. Dann bis später, ne?“, versichert mir Reita. Ich nicke und schon ist er verschwunden. Ich tapse wieder zurück zu Uruha aufs Zimmer und ziehe mich anständig an. Irgendwie hab ich Angst davor zur Polizei zugehen. Ich kann nicht einfach jemanden anzeigen, besonders nicht meine Eltern. Aber ich muss, wenn ich nicht zurück zu ihnen will. Hoffentlich gibt es keine Gerichtsverhandlung. Wie kann ich die Schande einer Anzeige nur über meine Eltern bringen? Der Riese schläft immer noch, kein Wunder, so lange wie er immer wach bleibt. Ich setze mich auf die Bettkante und streiche ihm langsam die Haare aus dem Gesicht. Er sieht viel unschuldiger aus, als er eigentlich ist. Seufzend gehe ich in die Küche, begrüße Reitas Mutter knapp angebunden und esse etwas Müsli. Vielleicht könnte ich mich irgendwann an so ein Leben gewöhnen. Fragt sich nur wann das sein wird. Es ist vollkommen still im Haus, man hört lediglich meinen Löffel der immer wieder gegen die Müslischale stößt. „Ich verstehe euch drei einfach nicht. Wie kann man nur jeden Morgen so etwas essen? Reita verschmäht langsam oder sich auch immer mehr japanisches Essen, schrecklich so was. Naja ist ja auch egal. Am Besten du duschst dich gleich und dann fahren wir. Bis dahin wird Uruha sicherlich auch aufgestanden sein, hoffe ich“, Uruha ist anscheinend wirklich ein notorischer Langschläfer den man überhaupt nicht wach bekommt. Okay immer noch besser, als so einen leichten Schlaf wie ich zu haben. Es ertönten leise Schritte auf den Flur, die eindeutig Uruha gehören. Als er die Küche betritt nuschelt er etwas von einem Morgen und stützt sich auf mir ab. „Haben wir noch einen Maulkorb für ihn? Der kleine hat mich viel zu früh geweckt und dann hält er einen die ganze Nacht lang wach. Schlimmer als ein Baby“, meint er ganz erschöpft. Aber mein Mitleid hat er definitiv nicht verdient. Warum muss er mich die ganze Zeit so ärgern? Ich stehe schnaubend auf und trete ihm beim vorbeigehen einmal kräftig in den Allerwertesten. Er kreischt und fällt kopfüber auf den Tisch. Dass er so leicht fällt, hätte ich nun nicht vermutet. Ich begebe mich schnellen Schrittes ins Badezimmer und schließe hinter mir ab. Schon nach kurzer Zeit habe ich mich fertig gemacht und stehe wieder in der Küche. Ohne ein Wort zu verlieren folge ich den beiden nach draußen Richtung Straße wo das Auto parkt. Gleich fahren wir los, gleich muss ich mich wieder der Vergangenheit stellen. Irgendwie beschleicht mich dabei ein mehr als ungutes Gefühl.Ich bin total nervös, da ich gar nicht weiß was jetzt auf mich zukommen wird. Wird die Polizei mir glauben? Wie kann es auch sein, dass so ein einflussreicher Unternehmer seinen eigenen Enkelsohn so zurichtet? Uruha unterhält sich über Mode mit Reitas Mutter, da haben sich welche gesucht und gefunden. Mal ehrlich, bei Uruhas Interessen kann man nur noch den Kopf schütteln. Er ist mehr weiblich als männlich, zum Leidwesen aller. Aber trotz allem ist er des Öfteren von einer riesigen Traube von Mädchen umgehen, dabei handelt es sich um eine schreckliche Geschmacksverirrung wirklich. Und ich habe gedacht Mädchen mögen lieber Machos als so was. Ich höre einen lesen Knall und das nächste was ich spüre ist ein gewaltiges Brennen und dann Ziehen in meiner linken Schulter. Uruha zerrt mich in seine Arme, läuft mit mir zusammen zurück Richtung Haus. Mein Blick wird immer wieder durch schwarze Schwaben getrübt und ich habe immer wieder das Gefühl sehr tief zu fallen. Aber ansonsten spüre ich nichts. Keine Angst, keine Panik, einfach gar nichts. Warum ist mir nur so schwindlig auf einmal? „Bleib wach! Verflucht, was war das?!“, will Uruha aufgebracht wissen. Er legt mich auf den Flurboden und drückt seine Hände gegen die Wunde. Meine halbe Kleidung ist mit Blut getränkt und mir wird augenblicklich schlecht. Reitas Mutter hebt mich trotz Protesten Uruhas hoch und trägt mich ins Badezimmer, versucht dort die Wunde mit einem Druckverband zu verbinden. Ich wimmere leise und kämpfe ums Bewusstsein. Ich habe Angst vor der Dunkelheit, mehr als vor allem anderem. Uruha legt ein kaltes und nasses Tuch auf meine Stirn und ich sehe Tränen in seinen Augen blitzen. Was zum Teufel ist passiert? Es wird mich wohl keiner am helllichten Tag angeschossen haben, oder doch? Ich schaue noch einmal an mir runter und sehe, dass Reitas Mutter mich oberhalb ausgezogen hatte. Ich versuche den Würgereiz zu unterdrücken und richte mich leicht auf, kralle mich dabei mit meinem gesunden Arm an Uruha fest. Er schlingt einen Arm um meine Taille und fragt mich nach meinem Befinden. Ich stutze, sieht er es nicht? Oder will er es nicht sehen? Ich versuche wahrheitsgemäß zu antworten, doch ich bin immer noch zu geschockt. Kein Wort will meine Lippen verlassen. Ich höre Sirenen und augenblicklich wird alles schwarz. ----- Disclaimer: nichts mir, nichts Geld ;_; Warnung: SVV "Lass uns mit offenen Karten spielen" "Wieso?" "Weil es dann einfacher ist Vertrauen zu gewinnen" und dich zu verletzen... kann zZ nicht so viel schreibn. aber in 3 Wochen ist der Alptraum vorbei `_´ dann hab ich auch wieder zeit(ach mist bald is ja wieder schule @_@)... ich bin unzufrieden mit dem Kapitel... das meiste hab ich gestern geschrieben... 10.07.2009: 2831 -> 3205 Wörter 24.04.2018: 3205 → 3602 Wörter Kapitel 9: Schritte in ein neues Leben -------------------------------------- Ich blinzele ein paar Mal und sehe hinter einer Glasscheibe einen Polizisten sitzen. Wo ist Uruha? Wo ist Reita? Ich reibe mir über die Augen und gucke noch einmal durch die Glasscheibe und sehe etwas weiter in der Ecke Reita sitzen. Er unterhält sich wahrscheinlich mit dem Polizisten, so wie es aussieht. Was ist nur passiert? Und wie lange liege ich schon hier? Und was macht der Polizist hier? Ich drehe mich auf die Seite und ignoriere das ziehen an meiner Brust. Ich schließe die Augen und ignoriere auch das durchgehende Piepen des EKG. Es wird schon nichts Schlimmes sein, hoffe ich einfach einmal. Die Tür wird aufgerissen und ich spüre wie mir jemand auf die Wange haut, zwar nur leicht, aber es ist fest genug. Ich schlage die Augen auf und gucke müde in Reitas Augen. Er guckt mich hingegen wie einen Alien an. „Du…?“, fragt er geschockt nach. Ich schüttele nur leicht den Kopf und schnappe mir seine Hand, schmiege mich leicht an sie. Alles andere kann warten, hauptsache ich bin jetzt nicht allein. Ich schließe wieder die Augen und streiche leicht über seine Hand. Kann ich nicht einfach weiterschlafen? Schnelle Schritte nähern sich mehrere Leute und Reita sagt irgendetwas zu ihnen, während sie an mir herum drücken. Ich bequeme mich nicht einmal dazu, nach zugucken wer da nun alles ist. Plötzlich wie aus dem nichts füllen sich meine Augen mit Tränen, ehe sie meine Wangen hinabrollen. Ich schluchze kaum hörbar und mein Körper beginnt zu beben. Warum ist er immer noch bei mir? Ich ziehe das Unglück an und er lässt mich trotzdem nicht allein. Er ist stark, wirklich stark. Wie kann man nur die Schicksale seiner besten Freunde einfach so weg stecken und weiterhin unbeschwert lachen? Leise meint Reita etwas zu den Leuten, aber ich kann ihn nicht wirklich verstehen. Reita richtet mich langsam auf und nimmt mich in den Arm. Immer darauf bedacht keins der Kabel ab zu reißen. Ich öffne langsam meine Augen und mein Blick fällt auf die Blutkonserve, die rechts über meinem Bett angebracht ist. Ich muss erst einmal hart schlucken, bevor ich überhaupt realisieren kann, dass dieses kein Traum ist. Ich liege hier, mit einem ziemlichen festen Verband, an vielen Maschinen angeschlossen und jeweils mit einer Transfusion und einer Infusion. Ich möchte überhaupt nicht wissen, welche Farbe mein gesamter Körper hat. Meine Hände sind leichenblass, das sehe ich direkt. „Du hattest riesiges Glück, Kobito. Die Kugel ist nur wenige Zentimeter unter deiner Haut stecken geblieben und hat keine lebenswichtige Arterie oder Vene verletzt. Trotzdem hast du ziemlich viel Blut verloren und deshalb bekommst du Blutkonserven. Es waren auch schon einige Klassenkameraden und alles hier. Aber du wolltest die letzte Woche einfach nicht aufwachen. Die Ärzte meinten, dass du früher oder später aufwachst, wenn dein Körper sich von den Strapazen der letzten Monate fast vollständig erholt hat. Aber trotzdem hatte ich Angst um dich, da deine Blutwerte zwischendurch wieder ziemlich schlecht waren. Und ich hab dir deine Überraschung neben das Bett gestellt. Hatte dir ja was versprochen“, sanft lächelt er mich an. Ich gucke auf das Beistelltischen und meine Augen weiten sich Stück für Stück. Dieses wird doch wohl nicht sein ernst sein, oder doch? Wozu brauche ich in Teufels Namen Pantoffeln? Aber wenigstens sind sie nicht rosa und in Häschenform, sondern es sind lediglich Löwenpranken. Es fehlen nur noch die Ohren und der Schwanz, ich lach mich schlapp. „Das nicht, das ist von Aoi! Die Geschenke von Klassenkameraden sind bei mir zu Hause. Und meins ist immer noch neben dem Bett“, meint er belustigt. „Da ist aber nichts außer dir Reita“, brummele ich vor mir her. Ich glaube er will mich auf den Arm nehmen, definitiv will er das. „Na ich bin ja auch das Geschenk, kleines Bärchen“, meint er und mittlerweile grinst er verschmitzt an. Hat der mich gerade wirklich Bärchen genannt? Der spinnt wohl! Bestimmt hab ich mich nur verhört, er meint ganz sicherlich was anderes, da bin ich mir hundertprozentig sicher! „Du bist echt niedlich, wenn du dich so aufregst. Beruhige dich lieber, ansonsten schmeißen die Ärzte mich raus. Man soll dich ja nicht aufregen, dabei tust du das immer von ganz alleine“, stellt er fest. Ach tue ich das etwa? Ich schmiege mich näher an ihn und versuche wieder ein zu schlafen. Meine Schulter tut höllisch weh und mir ist kalt. Habe ich schon erwähnt, dass ich Krankenhäuser über alles hasse? Nein, dann habe ich es wenigstens jetzt getan. „Du bekommst auch ab heute Abend wieder richtiges Essen. Sie haben dir deine schöne Magensonde genommen“, meint er seufzend und schaut auf die Nadel in meinem Handrücken. Das würde auch das Kratzen in meinem Hals erklären. „Klasse. Wo ist Uruha?“, frage ich nach. „Uruha? Frag mich nicht. Vielleicht kommt er noch einmal nach dem jobben vorbei. Hab lange nicht mehr mit ihm gesprochen“, erzählt er mir. Wie denn bitte das? „Wieso?“, frage ich perplex. Dabei habe ich gedacht, dass die beiden beste Freunde sind. „Er braucht zurzeit einfach Ruhe und Abstand meint meine Mutter. Ich lass ihn auch erst Mal in Ruhe und dann gucke ich Mal. Solche Phasen hat er öfters, besonders wenn irgendetwas passiert ist. Du brauchst dir weder Vorwürfe, noch Gedanken darum machen. Bald ist er wieder ganz der alte, hoffe ich“, gibst du traurig zu. „Hoffe ich auch. Kann ich nachdem Krankenhausaufenthalt etwas zu dir nach Hause?“, frage ich ihn. „Klar. Uruha kommt eh vielleicht wieder zu uns. Keine Ahnung was meine Eltern plötzlich haben, aber anscheinend ist wieder das Jugendamt auf ihn aufmerksam geworden. Ich habe ihm schon oft genug gesagt er soll es nicht mit dem Arbeiten übertreiben“, berichtet er. Arbeitet er wirklich so viel? Wie schafft er das neben der Schule und er ist doch auch in der Fußballmannschaft der Schule? Die Tür geht auf und der Polizist kommt rein. Ich grüße ihn leise und vergrabe meine Hände in Reitas Pullover, wenigstens spendet mir dieser ein bisschen Wärme. Ich bin hundemüde, aber komm nicht zur Ruhe. Die Sache mit dem Schuss stört mich zurzeit nicht. Warum auch immer. Ich habe das alles auch noch gar nicht wirklich realisiert. Ich fühle mich wie in einem Traum gefangen. „Matsumoto-san, ich möchte sie gerne über den Tathergang befragen. Das geht in Ordnung, ne? Die Ärzte hatten da einige bedenken“, fragt der Polizist höflich. „Wir sind aus dem Haus gegangen und dann ertönte urplötzlich ein leider Knall. Ich habe erst gar nicht realisiert was los war, bis ich ein Ziehen in meiner Schulter gespürt habe. Dann hat mich Uruha gepackt und ist mit mir zurück ins Haus. Mehr weiß ich nicht, tut mir Leid“, gebe ich ehrlich zu. „Nicht schlimm“, erwidert er, „Weißt du wer das gewesen sein könnte?“ Was schreibt er da bloß in sein Notizheft? Ich schüttele den Kopf und klammere mich mehr an Reita. Ich schluchze laut auf und beginne haltlos zu weinen. Ich weiß wer es war, ohne Frage. Nur mein Großvater kann dazu in der Lage gewesen sein, nur er. „Ich glaub das reicht erst einmal. Ich glaub er meint seinen Großvater. Auf jeden Fall traue ich ihm das zu. Sie haben ja die Fotos von seinem Rücken gesehen, dass war er. Fragen sie seine Eltern, ich glaube nicht, dass Ruki ihnen diese Aussage bestätigen wird. Tut mir Leid“, entschuldigt sich Reita für mein Verhalten. „Okay. Soll ich eine Schwester rufen?“, bietet der Polizist uns an. „Das wird nicht nötig sein“, erwidert Reita emotionslos. Ich höre wie er wieder geht und ich löse mich etwas von Reita. Er hilft mir dabei mich hin zulegen, damit ich mich nicht mit den vielen Kabeln erwürge. Sanft streichelt er mir über die Wangen und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Warum verbringt er so viel Zeit hier? Stört es ihn nicht, dass ich so ein Feigling bin und wegen allem anfange zu heulen? „Ich bring dir morgen meinen MP3-Player mit. Und dann schauen wir mal weiter. Deine Schulbücher bring ich am Besten auch mit. Doof, dass ausgerechnet deine Schreibhand in der Schlinge steckt“, meint er seufzend. „Ja, das ist wirklich doof. Ich will nach Hause“, brummele ich. „Kommst du noch früh genug. Erst Mal hoffe ich, dass du bald auf eine normale Station kommst. Und die Polizisten sollen weg“, merkt er an. Er scheint richtig genervt zu sein von ihnen. Ich nicke und schnappe mir wieder Reitas Hand. Ich spiele vorsichtig mit seinen Fingern und wünsche mir einfach nur einen Moment Frieden. Ich setze mich wieder auf und vergrabe meinen Kopf in meiner Hand. Die Übelkeit hat durch ein Hintertürchen zurück in meinen Körper gefunden. „Hey Ruki, geht’s dir nicht gut?“, fragt er besorgt. Ich nicke leicht und versuche mich zu entspannen. Vielleicht sollte ich nach Beruhigungstabletten fragen? Zu Hause haben sie auch immer gewirkt. Die Tür geht auf und ich schaue kurz auf, gucke der Krankenschwester mitten ins Gesicht. Hoffentlich muss ich nicht spucken. „Entschuldigen Sie, kann mein kleiner Freund vielleicht etwas gegen Übelkeit und so haben? Und eine Ladung Beruhigungsmittel. Und vielleicht etwas zu Essen“, bittet er die Schwester. Reita legt einen Arm um mich und beginnt mir beruhigend über den Rücken zu streichen. Manchmal frage ich mich echt, ob er Gedanken lesen kann. Ich seufze erleichtert und hoffe, die Krankenschwester beeilt sich. Bin ich wirklich so leicht zu lesen wie ein offenes Buch? Die Tür geht noch einmal auf und herein treten Uruha und Aoi. Ich lächle und kann es nicht lassen Uruha etwas genauer zu mustern. Dieser sieht mehr als erledigt und abgemagert aus. Ob er überhaupt die letzte Zeit geschlafen hat? Ich winke ihn zu mir und umarme ihn zaghaft. Angeekelt schlucke ich den sauren Speichel herunter. „Du musst dich ausruhen, Riese“, bitte ich Uruha. „Ich kann nicht, Ruki“, gibt er klein laut zu. „Du musst aber. Versprich mir, dass du die nächste Zeit etwas zu Reita gehst, ja? Und dich erholst. Ich werde mich auch etwas erholen. Ich vermisse dich“, gebe ich zu. Und dieses tue ich wirklich. Mir fällt es richtig schwer mich auf das sprechen zu konzentrieren. „Du kommst ja bald wieder zu mir Ruki. Mach dir keine Sorgen um mich, ja? Es ist nur zurzeit etwas stressig, aber ab Morgen hab ich wieder weniger Arbeit“, versichert mir Uruha. Und da ist er sich ganz sicher? Oder sagt er das nur, damit wir uns keine Sorgen um ihn machen? Man sieht es ihm doch direkt an, dass er total fertig mit sich und der Welt ist. Ich lasse ihn wieder los und halte der Schwester meinen Arm hin, damit sie mir endlich das Zeug spritzen kann. Ich bedanke mich knapp angebunden und schon verschwindet sie wieder. „Am Besten ich geh mit Uruha nach Hause. Ist das okay Ruki? Ich komme etwas später wieder. Aoi passt so lange auf dich auf und er wird auch lieb sein, hoffe ich für ihn“, meint Reita plötzlich. Ich nicke und schon nimmt Reita Uruha in den Arm und geht mit ihm nach draußen. Ich beäuge Aoi kritisch und frage mich, ob dieses eine gute Idee von Reita war. Ich und alleine mit einem Irren, klasse. „Na Ruki? Verträgst dich anscheinend mit Pistolen genauso wenig wie mit mir. Mein Geschenk hast du ja schon und werde ja schnell wieder gesund! Ist ja kaum auszuhalten mit den beiden Trauertanten“, meint Aoi wehleidig. Ich nicke und deute auf den Stuhl neben meinem Bett. Ist er etwa nur zum schimpfen hergekommen oder wie? „We’re not made for this world. This pain is too much to bear. Because we know, nobody will miss us, when we go”, geht es mir durch den Kopf. Das Leben ist wirklich grausam, viel zu grausam für mich. Ob mich wirklich keiner vermissen würde? „Ruki ich weiß, dass du und Uruha es nicht einfach haben. Aber man muss sich selbst Prioritäten setzen. Lass den Schmerz, Schmerz sein. Lebe dein Leben wie es dir gefällt. Aber bitte gebe nicht so einfach auf“, fleht mich Aoi an. Scheinbar hat er gemerkt, dass es mir nicht so gut geht. Obwohl er gerne herum albert, fällt es ihm leicht jede kleine Gefühlsregung von anderen zu erkennen und darauf einzugehen. Genau dieses habe ich ihm gar nicht zugetraut. „Aoi weißt du was genau an die Öffentlichkeit von all dem gegangen ist?“, erkundige ich mich. „Nur, dass ein Junge am helllichten Tag niedergeschossen wurde und jetzt im Krankenhaus behandelt wird. Naja du wurdest mit einem Hubschrauber ins nächste Krankenhaus gebracht und es war ein großes Polizeiaufkommen. Ich wusste von all dem nichts und habe erst später am Nachmittag Uruha zusammen gekauert vor meiner Wohnung gefunden. Er hat mir dann alles haarklein berichtet. Und macht dir keine Sorgen, er war zwar die letzten Tage viel arbeiten, aber das ist normal kurz vor Weihnachten. Er schläft und isst zwar kaum noch, aber er weiß wo seine Grenzen liegen. Solange er Reita wieder an sich ran lässt, geht es ihm gut. Er steckt so etwas halt nicht so leicht weg, aber das wird schon wieder“, erzählt mir Aoi. „Ich vertraue dir einfach einmal. Themenwechsel, oder? Vielen Dank für das Geschenk. Warum schenkst du mir überhaupt was?“, frage ich ihn. „Du bist mein Freund. Und im Gegensatz zu deinen Klassenkameraden, finde ich dich nicht nur niedlich. Du kannst zuhören und ich bin mir sicher, auch gute Ratschläge geben. Ich hab dich einfach lieb gewonnen. Uruha schleppt selten schlechte Menschen an“, erklärt er mir. Ob er das wirklich so meint? Sind wir wirklich schon jetzt Freunde? Er weiß doch gar nichts über mich. „Warum ärgerst du mich dann ständig?“, frage ich einfach einmal nach. „Ich versuch dich nur etwas abzulenken. Es ist echt nicht böse gemeint“, fügt er gutmütig lächelnd hinzu. Und warum denke ich darüber genug das Gegenteil? Die Medikamente haben echt gut gegen die Übelkeit geholfen und ich habe richtig Hunger. „Dann ist ja gut. Magst du mir etwas zu Essen aus der Cafeteria holen? Mir ist es vollkommen egal was. Hauptsache ich brauche keine Stäbchen zum Essen“, stelle ich als Bedingung. Die Stäbchen kann ich mit der linken Hand nicht halten und ich glaube kaum, dass ich meinen rechten Arm aus der Schlinge nehmen darf. „Klar. Ich frag dann auch mal die Schwester wann du endlich aufstehen darfst. Die ganzen Kabel an deinem Körper verschandeln die ganze Niedlichkeit von dir“, neckt er mich. Was für ein schlechter Witz ist das nur? Mit einem Lachen verschwindet er durch die Tür und ich frage mich wie so oft, wieso ich an solche Irren geraten bin. Das ist definitiv nicht normal, diese Menschen sind definitiv nicht normal. Wieso ich, wieso immer ich? Ich starre Gedankenversunken auf die Bettdecke. Welch ein Leben, welch eine Qual. Ansonsten ist Aoi ein total lieber Mensch, also muss ich mich wohl an seinen komischen Humor gewöhnen. „Hey kurzer, träume nicht soviel vor dir her“, begrüßt mich Aoi. Wieso ist er so schnell zurück? Ich schnappe nach den Keksen in seiner Hand und freue mich innerlich total. Wie lange habe ich schon nicht mehr solche Dinge gehabt? Schon lange genug, eigentlich schon viel zu lange nicht mehr. „Kleiner Löwe, du. Ich hoffe Reita kommt bald wieder“, meint er. Bin ich ihm etwa zu still, oder warum soll Reita wiederkommen? Ich nicke und knabbere währenddessen an einem der Kekse herum. Diese Schokoladenkekse sind richtig lecker. Er tätschelt mir leicht den Kopf und grinst vor sich her. „Kein Wunder, dass Reita so vernarrt in dich ist“, lächelnd schaut er mich an. „Wie meinst du das?“, frage ich nach. „Na, du hast ziemlich niedliche Seiten. So richtig schön kindlich und unschuldig. Da bekommt man ja richtig Lust dich zu verführen“, meint er feixend. Aoi ist doch nicht pädophil, oder doch? „Vergreif dich nicht an Kindern!“, erwidere ich direkt. „Hey! Ich bin mal gerade 3 Jahre älter als du!“, rechtfertigt er sich direkt. „Und nur eine Klasse über mir!“, gebe ich zu meinem Besten. „Du wurdest definitiv zu früh eingeschult!“, versucht er sich weiterhin zu rechtfertigen. „Ich habe eine Klasse übersprungen dank dem Privatunterricht“, und wegen der frühen Einschulung. „Aha? So ist das also. Ich habe es gewusst! Definitiv“, meint er patzig. Ich weiß jetzt immer noch nicht wie er das mit dem verführen so genau gemeint hat. Ich schüttele nur den Kopf und lege die Kekse neben die Pantoffeln. „Ist dir wieder schlecht?“, fragt er direkt in Sorge. „Nein, nicht wirklich. Ich brauche meine Heizung wieder, das ist los“, meine ich frustriert. „Reirei?“, fragt er verwundert nach. „Ja den meine ich“, seufze ich. „Lass mich deine Heizung sein“, bittet er mich. „Lieber nicht“, lehne ich sein Angebot ab. Wer weiß, was er ansonsten alles mit mir anstellt? „Ich will aber“, drängt er. „Dann willst du halt“, böse funkele ich ihn an. „Ich will!“, meinst du ein geschnappt. „Mir doch egal“, und das meine ich auch so. „Mein Wort ist Gesetz“, wie überheblich bist du eigentlich? „Dein Gesetz, nicht meins“, korrigiere ich ihn. „Ruki!“, ruft er plötzlich. „Was ist denn nun kaputt?“, frage ich gelangweilt. „Reg dich nicht so auf“, bittet er mich. „Tue ich doch gar nicht“, erwidere ich trotzig. „Gib einfach auf und fertig“, ach darauf willst du also hinaus? „Werde ich nicht tun“, ich klinge richtig kindich. „Dann tue ich es halt“, gewonnen! Ich lege mich wieder hin, ziehe die Bettdecke bis an meine Nasenspitze und schließe die Augen. „Weckst du mich wenn sie wiederkommen?“, bitte ich ihn. Ich versuche an nichts zu denken und schaffe es auch irgendwie ein zu schlafen. Ein sanfter Kuss auf die Stirn holt mich zurück in die Realität. Verschlafen schaue ich in Reitas Augen und gucke mich danach im Raum um. Wir zwei sind alleine, selbst der Polizist ist gerade nicht da. „Na Kleiner? Die anderen beiden sind zu Hause. Es ist Sonntag in der Früh und sie wollten nicht so früh aufstehen“, flüstert er. „So lange habe ich geschlafen?“, frage ich nach. Gähnend reibe ich mir über die Augen. Ich bin immer noch total müde, obwohl ich so lange geschlafen habe. Ob sich diese bleiernde Müdigkeit bald wieder legen wird? „Ja, das hattest du. Ich hatte die Krankenschwester um Schlafmittel gebeten, damit du dich noch etwas gesund schlafen kannst. Es tut mir Leid, falls du das du das nicht wolltest. Aber Aoi hat gemeint, es sei das Beste. Also wenn du noch ein wenig schläfst“, erklärt er mir. Vielleicht sollte ich Aoi eine Chance geben, aber auch nur vielleicht. „Uhm… Vielen Dank“, erwidere ich. Ich fühle mich schon ein wenig besser als gestern und das ist doch ein gutes Zeichen, oder? „Willst du jetzt etwas kuscheln? Die Schwestern haben dir auch etwas zu Essen gebracht. Eine Schale Reis mit ein wenig Gemüse. Soll ich dich etwas füttern?“, fragt er belustigt. „Ja, das kannst du machen. Ich bin immer noch todmüde“, mein ich mit rauer Stimme. Mein Hals ist immer noch ganz kratzig. „Kein Wunder. Werde ja wieder schnell gesund“, fordert er mich auf. Ich setze mich auf und schwinge die Beine über die Bettkante. Es ist viel zu kalt in diese Raum. „Reita kannst du vielleicht die Heizung höher stellen?“, flehe ich ihn an. „Hai. Eigentlich ist es schon warm genug hier drinnen“, meint er verwundert. „Eiszeit!“, meine ich bibbernd. Er steht schnell auf und dreht den Knopf an Heizung höher. Kurz darauf setzt er sich wieder zu mir hin und beginnt mich zu füttern. Immer wieder müssen wir unterbrechen, da mir schlecht wird. Mein Körper ist kaum noch Nahrung gewöhnt. Es ist äußerst unangenehm von ihm so behandelt zu werden, aber für alles andere fehlt mir einfach die Kraft. „Am Besten du isst später den Rest auf. In ein paar Stunden kommst du auf ein normales Zimmer. Dauert halt nur etwas, weil du ja noch unter Polizeischutz stehst“, erläutert er mir. Ich freue mich richtig auf das normale Zimmer. Dann muss ich nicht mehr bei jeder Bewegung aufpassen, dass alle Kabel vom Herzmonitor an Ort und Stelle kleben bleiben. Die Tür geht auf und die Schwester wünscht uns einen schönen guten Morgen. Welch eine Ironie ist das bitte? Sie macht die letzten Kabel von mir ab und meint, in einer Stunde wäre die Polizei bereit dazu mich zu verlegen. Ohne auf eine Antwort zu warten, geht sie wieder. Ich rapple mich auf und kann mich anfangs kaum auf den Beinen halten. Ich stütze mich an Reita ab und warte darauf, dass das Schwindelgefühl nachlässt. „Setzt dich lieber wieder etwas hin“, bittet er mich. „Können wir vielleicht etwas im Zimmer herum gehen? Mein Körper fühlt sich so taub an“, bitte ich ihn. Es fühlt sich ganz so an, als wäre es gar nicht mein Körper. „Das müssen wir den Ärzten sagen, Ruki“, meint er. „NEIN“, erwidere ich lauter als gewollt. Diese Taubheit hab ich öfters und wahrscheinlich bedeutet das nur, dass eine Panikattacke im Anflug ist. „Doch das müssen wir, Ruki. Willst du vielleicht etwas Wärmeres anziehen?“, fragt er mich. Plötzlich habe ich das starke Bedürfnis diesen Raum zu verlassen. Ich sitze hier wie ein Kaninchen in der Falle. „Reita“, flüstere ich deinen Namen. „Hm?“, meinst du lediglich. „Ich will hier weg“, meine ich weinerlich. „Es dauert doch nicht mehr lange. Komm zieh dir erst einmal etwas Neues an“, versucht er mich abzulenken. Ich schluchze kurz auf und meine Beine knicken weg. Ich habe große Angst. Angst davor eingeholt zu werden und dass ich Morgen aufwache und wieder in den Fängen meines Großvaters bin. Ich kann nicht mehr, ich möchte nicht mehr. Ich lasse meinen Tränen freien Lauf und Reita hat immer mehr Mühe mich aufrecht zuhalten. „Komm beruhige dich wieder“, bittet er mich. Er zieht mich auf seinen Schoss und streicht mir langsam über den Rücken. Doch verändern tut es meine Gefühlslage nicht, es verschlimmert sie eher zusehends. Ich beiße mir in den Arm, ich möchte fühlen, es ist kein Traum. „RUKI!“, schreit er meinen Namen. Er reißt mir meinen Arm weg und drückt mich noch fest an sich. Ich wimmere leise und versuche das Würgen zu unterdrücken. Ich will hier einfach nur noch weg. „Entspann dich etwas, ja?“, meint er. Ich schüttele leicht den Kopf und er beginnt mit kreisenden Bewegungen über meinen Rücken zu streichen. „Ist es so besser für dich, Ruki?“, erkundigt er sich. Es hilft mir ein wenig mich zu beruhigen, auf jeden Fall fühlt es sich so an. Ich schaue ihm kurz in die Augen und kauere mich auf ihm zusammen. „Ich möchte hier raus“, flüstere ich. Die Wände erdrücken mich. „Wir ziehen dir erst Mal richtige Kleidung an“, meint er. Aber ein Schlafanzug reicht mir doch und für wen soll ich mich schick machen! Er hebt mich kurz hoch und setzt mich aufs Bett und geht in den Nebenraum. Er kommt mit einer neuen Stoffhose und einem etwas dickeren Hemd wieder. Erst nimmt er meinen Arm aus der Schlinge und dann zieht er mich bis auf die Boxershorts aus. Ich schaue geistesabwesend die Wand an und seufze immer mal wieder. Vorsichtig zieht er die neuen Sachen an und hängt meinen Arm wieder in die Schlinge. Er hat es geschafft mich aus der Panikattacke zu holen und das hat schon lange keiner mehr geschafft. Ich höre wie die Tür geöffnet wird und warte bis der Besucher in mein Blickfeld tritt. „Hey Ruki“, begrüßt mich Uruha. Ich wende den Blick ab und rapple mich auf. „Die Polizei meint, es kann losgehen. Ich hole die Sachen und Ruki wird mit einem Bett zusammen in sein neues Zimmer gefahren“, klärt er uns auf. Ein unangenehmes Ziehen breitet sich in der Gegend von meiner Schulter aus. „Ruki? Kommst du?“, fragt Reita. Ich schaue ihn an und schüttele den Kopf. Ich will nicht dieses relativ sichere Zimmer verlassen müssen um mich wieder der Vergangenheit zu stellen. Ich presse mir die Hand auf den Mund, was ist wenn mir wirklich etwas passiert? Wie viel Glück werde ich haben, dass er wieder daneben schießt? Ich werde garantiert sterben, wenn er noch einmal auf mich schießt. „Ruki beruhige dich wieder! Warte ich hol eine Schwester“, meint Uruha schnell. Reita kommt auf mich zu und nimmt mich in den Arm. „Du brauchst keine Angst zu haben“, versichert er mir. Er versucht mich zu beruhigen, wie lieb von ihm. Aber er kann das alles nicht verstehen. Wie sollte er das auch, schließlich wurde nicht auf ihn geschossen. Uruha kommt mit einer Schwester wieder und zusammen beginnen sie auf mich einzureden. Wie würden sie sich an meiner Stelle fühlen? Ich habe mein ganzes Leben mit Angst gelebt, diese kann man nicht so einfach abschalten, wie und wann man will. Im Endeffekt verabreicht mir die Schwester doch ein ziemlich starkes Beruhigungsmittel per Spritze. „Du kannst ja mit meinem MP3-Player Musik hören, dann hast du auch etwas Ablenkung, okay?“, schlägt Reita vor. Ich gebe mich geschlagen und er steckt mir die Ohrstöpsel in die Ohren und lässt „Tears“ von X-Japan laufen. Ich kralle mich an seinem Arm fest und zusammen mit der Krankenschwester bringt er mich vor das Zimmer, wo ich direkt auf ein Bett gelegt werde. Die Decke wird mir bis zum Kinn hochgezogen und es dauert auch nicht lange, bis ich wieder einschlafe. Wenig später wache ich in einem fremden Zimmer auf und ohne mich groß um zugucken, springe ich auf und stürze zur Tür mit der Aufschrift Toilette. Nachdem ich mein Geschäft erledigt habe, gehe ich zurück aufs Zimmer und setze ein Lächeln auf. „Geht es dir gut Ruki?“, erkundigt sich Reita. „Ja, welcher Tag ist heute?“, frage ich nach. „Immer noch Sonntag. Du hast bis eben friedlich geschlafen“, erzählt er mir. Wie langsam die Zeit doch vergeht, so lange man im Krankenhaus liegt. „Ich will nach Hause“, meine ich zum wiederholten Male. „Das weiß ich doch. Sobald sie den Schuldigen haben, darfst du nach Hause“, meint Reita. „Haben sie immer noch keinen gefasst?“, frage ich brummelnd. „Nein, bisher haben sie ihn noch nicht. Aber ein Gutes hat das Ganze. Deine Eltern haben ihr Sorgerecht für dich verloren. Es gibt anscheinend viele verschiedene Gründe dafür. Und deshalb darfst du auch vorerst bei uns bleiben, auch wenn sie dich in eine staatliche Einrichtung stecken wollten. Aber der Arzt hat gemeint, dieses wäre zum jetzigen Zeitpunkt keine gute Idee“, berichtet er. Wenigstens etwas Erfreuliches hat das alles. Hoffentlich muss ich in kein Heim oder in eine Pflegefamilie. „Geht es Uruha besser?“, erkundige ich mich. Ich hoffe es geht ihm wirlich besser. „Ja, er hat auch eben noch was geschlafen. Geht es dir jetzt auch wieder etwas besser?“, fragt er. „Ja, denke schon. Kommst du Morgen?“, will ich wissen. „Klar. Soll ich dir etwas mitbringen?“, bietet er mir an. Was soll er mir denn groß mitbringen? So viele Sachen besitze ich nicht und da ich weder schreiben noch malen kann, bringt mir selbst mein Notizblock nichts. „Liebe“, meine ich deshalb spaßeshalber. „Bring ich doch immer. Uruha will dir seinen Laptop ausleihen, den kann ich ja dann mitbringen. Uruha kann morgen eh nicht kommen“, teilt er mir seufzend mit. „Weißt du wie es jetzt weiter gehen soll?“, frage ich angespannt nach. „Komm setze dich erst Mal“, fordert er mich eindringlich auf. Ist die Nachricht etwa so schlimm, dass ich mich dafür hinsetzen muss? Er klopft auf seine Oberschenkel und ich nehme dankend die Einladung an. Langsam lasse ich mich nieder und kuschle mich an seinen muskulösen Brustkorb. „Erst Mal wollen sie ein psychologisches Gutachten erstellen. Eine Sozialarbeiterin wird dabei sein. Danach kommst du halt zu uns und du triffst dich noch ein paar Mal mit der Sozialarbeiterin. Zwischen drin wird dann die Gerichtsverhandlung gegen deine Eltern und deinen Großvater stattfinden. Ein körperliches Gutachten wurde schon längst erstellt und die Anzeige wurde auch schon in die Wege geleitet“, erklärt er mir. Und das ohne mein Zustimmung wie es scheint. Hoffentlich kann dieses Gerichtsurteil nicht gegen mich verwendet werden. Ich will endlich mit diesem Kapitel in meinem Leben abschließen können. „Hm“, brummele ich. „Freust du dich nicht? Endlich kannst du die Vergangenheit auf sich ruhen lassen“, erkundigt sich Reita verunsichert. Mein Großvater hat kein Angst vor dem Gesetz. Genauso wie mein Vater. Sie sind beide sehr gerissen und würden für ihre Ziele auch über Leichen gehen. Deshalb weiß ich noch nicht, ob ich tatsächlich die ganze Sache jetzt abhaken oder nicht. Und selbst wenn ich bewusst dieses Kapitel abschließe werden die Erinnerungen mich nicht loslassen. Ich kann allerhöchstens lernen mit diesen zu leben und mit Glück werden irgendwann die Flashbacks und Alpträume weniger. Aber ich werde nie Ruhe davor haben. „Die Erinnerungen werden bleiben“, murmele ich traurig. „Ach komm Ruki. Sei einmal optimistisch, Bärchen“, versuchst du mich aufzumuntern. Ich vergrabe mein Gesicht in seinem T-Shirt und kralle mich daran zusätzlich fest. Warum muss er immer weiter in meinen Wunden stochern? Man kann die Vergangenheit nicht rückgängig machen. Sie wird mich ein Leben lang verfolgen. Er umarmt mich zaghaft und seufzt. Es ist alles nicht so einfach wie er sich das vorstellt. „Ruki sei bitte einmal etwas optimistischer. Ich weiß selbst, dass das Leben nicht heiterer Sonnenschein ist, aber ich laufe deshalb nicht dauerhaft mit Regenschirm durch die Gegend, weil es ja regnen könnte“, kritisiert er mich. Seine Worte fühlen sich wie tausend Messerstiche an. Ich winde mich aus seiner Umarmung und klettere unter Mühe und Not auf mein Bett. Wer hat das bitte schön so hoch eingestellt? Ich kuschle mich so weit es geht unter die Bettdecke und versuche Reita so gut wie es geht zu ignorieren. Wieso vergleicht er meine Einstellung mit einem Regenschirm? Was genau meint er damit? Ich versuche doch weiter zu leben, reicht das denn nicht? „Hey, Kleiner! So war das nicht gemeint. Leg nicht immer alles auf die Goldwaage“, meint er und schüttet damit zusätzlich Öl ins Feuer. Bei diesen Worten rollen schon die ersten Tränen in den Tod. Ich bemerke erst gar nicht, wie er aufsteht und ums Bett geht. Erst als seine Nase fast meine berührt, schrecke ich auf. Ich rutsche instinktiv noch tiefer unter die Bettdecke, den aufkeimenden Schmerz in der Schulter am ignorieren. Es fällt mir richtig schwer die Schluchzer zu unterdrücken. Warum gehen mir seine Worte nur so nah? „Ruki ich wollte dich ehrlich nicht verletzen! Soll ich gehen?“, fragt er irritiert. Ich verneine dieses und ziehe die Nase hoch. „Dann guck mich wenigstens an“, fordert er mich auf. Ich drehe mich auf die andere Seite und schlage die Bettdecke etwas zurück. „Hast du einen Schal oder so? Mir ist total kalt“, frage ich ihn. Warum ist es auf einmal so kühl geworden? „Hier drin ist es fast wie in einer Sauna und du bist jetzt schon total verschwitzt“, stellt er fest. Jetzt wo er das sagt fällt es mir auch auf. Mein Hemd klebt richtig gehend an mir. Er kommt wieder um das Bett herum und fühlt meine Stirn. „Du hast ja Fieber! Das hattest du aber auf der Intensivstation noch nicht“, gibt er zu Bedenken. Seine Hand ist angenehm kühl und fühlt sich richtig gut auf meiner Stirn an. Er drückt den Schwesternknopf und streichelt mir nebenbei über die Wange. Die Tür wird aufgestoßen und die Krankenschwester kommt näher. „Sie haben geklingelt?“, fragt sie verwundert. „Ich glaub er hat Fieber“, antwortet Reita für mich. Sie kommt näher und fühlt wie Reita eben meine Stirn. „Fehlt ihnen sonst noch etwas?“, wendet sie sich an mich. „Mir ist etwas schlecht“, gebe ich zu. „Als er heute Morgen etwas gegessen hatte, war es noch schlimmer“, ergänzt er meine Aussage. „Ich frag den behandelnden Arzt. Haben sie sehr starke Schmerzen?“, erkundigt sie sich weiterhin. „Kaum welche. Nur wenn ich dran komme oder den Arm bewege, sind es schlimmere“, antworte ich. Ansonsten merke ich die Schusswunde gar nicht. Müsste diese nicht höllisch weh tun? Mit einem Kopfnicken verlässt sie den Raum. „Reita?“, fragend schaue ich dich an. „Ja, Kleiner?“ „Bin ich nervig?“, frage ich schmollend. „Nein, das auf keinen Fall. Dbist zuckersüß. Willst du eigentlich die anderen aus deiner Klasse sehen?“, erkundigt er sich. Ich schüttele den Kopf und beiße auf meiner Unterlippe herum. „Dann ist gut. Die Polizei lässt sowieso niemanden von denen an dich ran“, erklärt er mir. Die Tür geht wieder auf und die Krankenschwester kommt samt Arzt und einer großen Spritze und ein paar Tabletten wieder. „Guten Tag Matsumoto-san. Wie geht es ihnen?“, fragt der Arzt direkt. „Mir ist schlecht und kalt“, sage ich. Die Krankenschwester nimmt mir nebenbei etwas Blut aus dem Zugang ab und miss das Fieber. „Der Bluttest wird uns wahrscheinlich sagen, warum Sie Fieber haben. Es sieht jetzt nicht so aus als wäre es die Wunde, also mal abwarten. Ich werde Ihnen jetzt erst einmal etwas für das Immunsystem geben lassen und dann bekommen sie etwas gegen Übelkeit und ein paar Schlaftabletten. Wir wollen ja, dass sie morgen gut ausgeruht sind“, erklärt er mir. Aber ich möchte nicht gut ausgeruht sein für diesen Termin. Die Krankenschwester kommt auf mich zu und krempelt den linken Hemdärmel hoch und spritzt mir die ganzen Chemikalien in den Oberarm. Die Tabletten legt sie neben das Wasserglas. „Die nehmen sie am besten jetzt gleich. Es ist auch noch ein leichtes Beruhigungsmittel dabei“, klärt er mich auf. Ich bedanke mich dafür und nestele an meinem Oberteil herum. Die beiden verlassen mit einem „Gute Nacht“ das Zimmer und wieder bin ich mit ihm allein. „Ich bleib noch etwas, keine Sorge. Nimm am Besten erst einmal deine Tabletten. Vielleicht geht es dir ja Morgen schon besser“, teilt er mir mit. Genau das hoffe ich auch. Ich hasse es einfach Fieber zu haben. Ich nicke nur leicht als Antwort und schlucke die ganzen Tabletten mit einem Schluck Wasser aus dem Glas hinunter. Ich krieche wieder etwas mehr unter die Bettdecke und schaue Reita an. „Macht es dir überhaupt nichts aus, so viel Zeit bei mir zu verbringen?“, erkundige ich mich. Ich muss ihm doch schrecklich auf die Nerven gehen. Und wer besucht andere schon gerne im Krankenhaus? „Nein, das macht mir überhaupt nichts aus! Bei Uruha verbringe ich sonst immer meine ganzen Nachmittage, aber seit er öfters arbeiten geht, hat er auch weniger Zeit für mich. Da bin ich schon froh, dass wenigstens du noch für mich da bist. Immerhin geht Aoi auch fast täglich jobben“, erklärt er mir. Reita scheint die Einsamkeit wohl zu hassen. „Dann such dir auch einen Job“, gebe ich ihm den Tipp. „Nein, dann hätte ich nicht mehr soviel Zeit für dich“, kontert er. Ich bin dir doch nicht wirklich so wichtig, oder doch? „Ich will auch jobben gehen, irgendwann“, und dieses habe ich mir fest vorgenommen. „Aber nicht jetzt! Jetzt bist du krank!“, meint er. „Ach Reita“, seufze ich. Leicht streicht er mir über den Kopf und ich schließe die Augen. „Morgen wird es vielleicht etwas später, ja?“, er klingt ziemlich nachdenklich. „Wieso?“, es ist doch nichts passiert, oder? „Lehrerin hat mal wieder Sonderwünsche. Aber Hauptsache ich komme“, anscheinend muss er mal wieder nachsitzen. „Ich glaub dieses Mal sind es stärkere Tabletten…, denn langsam werde ich richtig schläfrig. „Bist du jetzt schon müde? Mein kleiner, müder Zwerg“, meint er neckend. „Ja, ih hoffe, ich darf morgen ein klein wenig länger schlafen. Kannst du vielleicht die Schwestern darum bitten?“, flehe ich ihn quasi an. „Klar“, versichert er mir. Leicht streicht er mir über die Wange und ich gebe mich langsam, aber sicher der Müdigkeit geschlagen und gleite sanft ins Traumland hinein. ------- Disclaimer: Die Charaktere gehören nicht mir und ich verdiene hiermit kein Geld. danke für Kommentare ^-^" ich liebe aoi xD den kann man so richtig schön dämlich darstellen xD ich liebe die Streitgespräche zwischen ihm und ruki... xD da müssen mehr her, definitiv! und im nächstn Kapitel gibt es hoffentlich wieder welche ^^ *muahaha* das musste sein xD sorry dass es solange gedauert hat ^^" hoffen wir mal dass mein Dad mir kein Netzverbot gibt(er hat zufällig den Saustall in meinem zimmer entdeckt >D")... 24.07: 4155 -> 5056 Wörtern |D Ich hoffe ihr mögt es immer noch ö-ö 25.04:2018: 5056 → 6097 Wörter Kapitel 10: Zurück in der Vergangenheit --------------------------------------- In aller Herrgottsfrühe werde ich von einer Krankenschwester geweckt. Ich muss mehrmals blinzeln um sie überhaupt erkennen zu können. Es ist schon regelrecht eine Unverschämtheit, einen so früh aus den Federn werfen zu wollen. Ich fühle mich unheimlich benommen wegen der Schlaftabletten. „Entschuldigen Sie. Guten Morgen. Sie bekommen gleich Besuch von ihrer Sozialarbeiterin und davor sollen sie noch ein klein wenig zu sich nehmen und ihre Medizin müssen sie auch noch nehmen“, klärt sie mich auf. Ich nicke und richte mich etwas auf. Warum kann die Sozialarbeitern nicht erst nachmittags kommen? Ich brauche schließlich Schlaf um wieder gesund zu werden. „Können sie mir vielleicht helfen etwas Dickeres anzuziehen? Mir ist immer noch kalt und schlecht“, frage ich sie. „Ja, das kann ich gerne machen. Warten Sie ich hole zuerst den Arzt, damit er Sie noch einmal untersuchen kann“, erklärt sie mir und schon ist sie weg. Warum will er mich untersuchen? Sie weiß hoffentlich, dass ich im Grunde gar keine Lust auf den heutigen Tag habe? Gott sei Dank braucht sie nicht lange, denn ein paar Minuten später steht der Arzt mit all seinen Instrumenten vor mir. „Wie fühlen Sie sich denn ganz konkret? Immer noch so wie gestern oder ist es schlimmer geworden?“, fragt er mich. „Mir ist schlecht, besonders nach dem Essen. Und außerdem ist mir die meiste Zeit des Tages total kalt“, erläutere ich ihm seufzend und lasse ich mich wieder zurück sinken. Sitzen strengt viel zu sehr an und ich habe das Gefühl jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Und laut der Krankenschwester soll ich ja wach werden oder eher wach bleiben. „Haben sie das öfters?“, möchte er stirnrunzelnd von mir wissen. „Ja, eigentlich schon. Aber kalt ist mir erst die letzte Zeit“, gebe ich ehrlich zu. Um genau zu sein ist mir fast schon bitterlich kalt. „Es kann von den psychiatrischen Erkrankungen kommen und sie haben ja schon einen recht niedrigen Blutdruck und sind sehr dünn, das spielt da natürlich auch eine Rolle. Ich weiß nicht was für sie von Vorteil wäre, würden sie eventuell in eine Psychiatrie für eine Therapie gehen?“, fragt er direkt darauf los. Verneinend schüttele ich den Kopf. Bisher hat das leider die Situation eher verschlimmert. „Aber Besuche bei einem Psychologen würden ihnen im Grunde nichts ausmachen?“, hakt er nach. Was würde ein Psychologe machen? Vielleicht bindet er mich wieder an ein Bett und gibt mir so lange Tabletten, bis ich gefügig bin. Aber wieso sollte er genau das machen? Das hatte der andere ja nur gemacht, weil er Geld von meinem Großvater dafür bekommen hatte. „Ich weiß nicht so recht, ob das so eine gute Idee ist“, gebe ich ehrlich zu. „Am Besten sie versuchen es erst einmal die nächsten paar Tage“, schlägt er vor. Ich nicke und stehe langsam auf. Die Welt will mich anscheinend ärgern. Denn mir ist ein wenig schwindlig und es fällt mir ganz schön schwer stehen zu bleiben. Ob das von den Schmerzmedikamenten kommt? „Geht es ihnen und ihrer Schulter denn wieder ein wenig besser?“, fragt er direkt besorgt. „Ja, doch es geht mir schon wieder ein Stückchen besser. Wann wird der Verband gewechselt? Ich glaube Reita hat ihn ein wenig verschoben gestern und jetzt zwickt es ein wenig“, erkundige ich mich. Und ich will mich auf keinen Fall dort kratzen, egal wie groß das Bedürfnis danach vorhanden ist. Nachher reiß ich noch die Nähte auf, oder sonst etwas. Vielleicht sind es auch keine Nähte? Auf jeden Fall kratze ich mich lieber nicht. „Dann lasse ich ihn am Besten jetzt direkt wechseln, um mit eins die Wunde noch einmal überprüfen zu können“, meint er lächelnd. Ich nicke und lasse die Krankenschwester die Schlinge und mein Hemd ausziehen. Es dauert nicht lange und schon sind Verband und Pflaster entfernt. „Das sieht ja schon einmal gut aus“, meint der Arzt. Ich lächle leicht, während ich wieder alles angezogen bekomme. Natürlich bekomme ich ein neues Pflaster und einen neuen Verband. Und die dumme Schlinge darf ja auch nicht fehlen. Ich habe mit Absicht nicht die Wunde angeguckt. Ich mag Wunden nicht, die sind meist ziemlich eklig. Und bevor sie mich in meinen Träumen verfolgt, gucke ich sie mir lieber nicht an. Wahrscheinlich ist alles drum herum grün und blau und das finde ich noch ekliger als eine Wunde. „Sie machen schon Fortschritte. Das ist schön zu sehen“, freut der Arzt sich. Mein Lächeln wird breiter. „Gleich nach der Sozialarbeiterin, kommt die Psychologin. Wenn es ihnen zu viel wird, sagen sie Bescheid“, bittet er mich. „Ja, das werde ich“, erwidere ich und gucke auf die Bettdecke. Es ist so leicht andere mit einem Lächeln hinters Licht zu führen. Eigentlich ist mir nicht nach Lächeln zu Mute, aber was soll ich groß machen? Der Termin bei der Sozialarbeiterin ist wichtig und da komme ich jetzt nicht dran vorbei. Die beiden gehen wieder und ich esse etwas Reis mit den Händen. Es dauert noch nicht einmal 5 Minuten und schon ist der erste Besuch zu Gast. Wenigstens war ich mit der Sozialarbeiterin nicht lange alleine, denn die Psychologin ließ nicht lange auf sich warten. Ich redete anfangs so gut wie gar nicht, denn es dauerte einige Zeit bis ich all meinen Mut zusammengefasst hatte, um meine Geschichte erzählen zu können. „Ich weiß gar nicht mehr wann alles genau anfing. Ich weiß nur noch, dass ich direkt zweisprachig aufgewachsen bin. Japanisch und Englisch. Freizeit hatte ich kaum welche, denn ich lernte direkt Schreiben und andere grundlegende Dinge, wie korrektes Verhalten und äußerste Disziplin. Wenn ich es nicht direkt hin bekommen habe, wurde ich mit einem Rohrstock geschlagen. Anfangs blieben keine Narben, bis ich ungefähr 10 war. Bis dahin lief ohnehin alles reibungslos im dem Sinne“, so weit ich mich erinnere. Ich muss einmal tief schlucken, um die Tränen zurück halten zu können. Zu deutlich sehe ich noch die Bilder von damals vor meinem innerem Auge, zu tief sitzt der Schmerz. „Sollen wir vielleicht eine Pause machen?“, erkundigt sich die Sozialarbeiterin und guckt nur kurz von ihrem Klemmbrett hoch. Lässt sie das etwa alles vollkommen kalt? „Es geht schon, danke. Also ich war bei dem wo ich 10 war… Irgendwann um die Zeit fingen auch die Probleme mit den Klassenkameraden an. Sie bespuckten mich, schlugen auf mich ein, terrorisierten mich wo es nur ging“, erzähle ich. Und drücke es harmloser aus als es wirklich war. Ich kann die Tränen kaum noch zurückhalten. Ich atme ein paar Mal tief ein und aus. „Sind sie sicher, dass es geht?“, fragt die Psychologin besorgt. „Ja, muss ja. Naja auf jeden Fall habe ich zu der Zeit versucht öfters einmal blau zu machen. Mein Großvater hat mich irgendwann höchst persönlich jeden Morgen vor dem Klassenzimmer abgeliefert. Dann schlugen die ganzen Dinge auf meinen Magen ein und ich habe kaum noch etwas gegessen und wenn ich es getan hatte, habe ich mich meist sofort übergeben. Deshalb haben mich die Lehrer wie oft gegen meinen Willen nach Hause geschickt, wo mich mein Großvater schon mit dem Rohrstock erwartete. Das ging ein paar Wochen so, bis ich zusammengebrochen bin im Sportunterricht. Ich lag ein paar Tage im künstlichen Koma und die Ärzte hatten um mein Leben gekämpft. Danach wurde ich eingewiesen in die Psychiatrie. An die Zeit erinnere mich kaum, da ich mit starken Medikamenten zu gepumpt wurde und deshalb war ich auch die Hälfte der Zeit an mein Bett angekettet“, berichte ich und mehrmals bricht mir die Stimme weg. Genau das ist eine ziemlich unangenehme Erfahrung, muss ich zugeben. Selbst das ganze geschlagen werden war nicht so schlimm wie der erste Aufenthalt in der Psychiatrie. Ich weiß noch genau wie es in dem Zimmer gerochen hatte und wie unangenehm die Handfesseln waren. Ich muss würgen, bei diesen Erinnerungen. Zitternd presse ich meine Hand auf meinen Mund und lasse den Tränen freien Lauf. „Soll ich den Arzt holen?“, bietet mir die Sozialarbeiterin an. Ich nicke leicht und lege mich auf das Bett, damit das Schwindelgefühl ein wenig nachlässt. Ich kauere mich eng zusammen, als sich die Tür erneut öffnet. „Matsumoto-san wie geht es ihnen?“, fragt der Arzt in Sorge. Ich schüttele den Kopf. „Ist ihnen schlecht?“, fragt er besorgt nach, Ich nicke und schlinge die Bettdecke um mich. „Müssen sie sich übergeben?“, bohrt er weiter. Ich weiß es selbst nicht. Bei diesen Worten zucke ich nur leicht mit der einen Schulter. „Stört es ihre Untersuchung, wenn ich ihm ein Beruhigungsmittel spritze?“, fragt der Arzt die Psychologin. Dieses verneint sie direkt. Er verschwindet kurz und in der Zwischenzeit schließe ich die Augen. Versuche mich zu entspannen und zu beruhigen, doch es will mir nicht gelingen. Als er wieder kommt, fragt er mich ob ich noch wach bin. Ich nicke leicht als Antwort und im Gegenzug spritzt er mir etwas. „Bleiben sie stark, Matsumoto-san“, meint er. Es vergehen etliche Minuten in denen keiner etwas sagt. Langsam werde ich ruhiger und auch die Übelkeit verfliegt. „Ich glaube es ist das Beste, wenn wir es für heute sein lassen. Matsumoto-san braucht Ruhe und ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn er weiterhin so ausgequetscht wird“, fügt der Arzt hinzu. Wo er Recht hat, hat er leider Recht. Ich höre ein leises „Auf Wiedersehen“ und das Türen schlagen. Ich öffne ein Stück die Augen und die Tränen beginnen wieder zu fließen. Energisch wische ich sie weg. „Soll ich jemanden für sie anrufen?“, fragt der Arzt. „Nein“, antworte ich und schmiege ich mich an das Kissen. „Versuchen sie am Besten noch etwas zu essen. Ich schicke ihnen eine Lernschwester, die ihnen bei eventuellen Problemen behilflich sein kann“, meint er. Ich nicke und schon ist der Arzt wieder weg. Meine Tränen rollen wieder unaufhaltsam, als die Lernschwester reinkommt. Sofort kommt sie eiligen Schrittes zu mir her und richtet mich wieder etwas auf. Immer wieder dringen Worte von ihr an mein Ohr, doch sie berühren mich nicht im Geringsten. Wie soll sie auch einen Schmerz nachempfinden, den sie noch nie verspürt hat? Meine Augen brennen schon wie verrückt und ich höre auch deswegen langsam auf zu weinen. Sie überredet mich dazu, die Medizin und ein wenig Nahrung zu mir zu nehmen. Nach den ersten paar Bissen, habe ich genug. Vorsichtig lasse ich mich zurück auf die Kissen sinken. Die Vergangenheit wird mich einholen, ich werde nie sicher sein. Sie hat es mir zu oft bewiesen, ich habe es zu oft am eignen Leib erfahren. Ich werde nie glücklich werden auf Erden, solange das Scheusal von Großvater frei herumläuft. Stumm rollen wieder ein paar Tränen über mein Gesicht. Meine Augen fühlen sich so an, als stünden sie in Flammen. Mein Magen rebelliert. Ich will sterben, ich will von diesen Qualen befreit werden. Wieso wiederholt sich die Vergangenheit nur ständig? Ich merke kaum wie die Lernschwester kurz verschwindet und danach mit dem Arzt wiederkommt. „Matsumoto-san?“, spricht er mich direkt an. „Ja?“, erwidere ich schwach. „Wie geht es ihnen?“, als würde er es nicht sehen wollen. „Schlechter“, meine Stimme zittert. „Inwiefern schlechter?“, fragt er verwundert nach. „Mir ist noch schlechter und meine Augen brennen“, erkläre ich. Meine eigene Stimme klingt mir so fremd wie nie zuvor. „Das kommt wohl vom ganzen Weinen. Ich werde ihnen Tee kochen lassen, okay?“, schlägt er vor. Er kommt mir wie ein richtiger Vater vor. Dabei weiß ich es nur von Freunden, wie Väter sein sollten. „Kann ich vielleicht etwas schlafen, bis meine Freunde kommen?“, erkundige ich mich. Da ich ja eigentlich wieder einen normalen Tagesrhythmus haben soll, darf ich tagsüber nicht mehr schlafen. „Ja, natürlich geht das in Ordnung. Solange sie wenigstens heute Abend etwas zu sich nehmen, werde ich da einmal ein Auge zudrücken. Gibt es irgendetwas, was sie gerne essen?“, erkundigt er sich. „Ja, Früchte und alles. Oder irgendetwas einfaches wie Reisbällchen“, antworte ich. Ich mag keine großartigen Gerichte momentan essen. Und irgendwie würde ich am liebsten komplett auf essen verzichten. „Wir werden schon das passende Menü für sie zusammenstellen“, meint er zuversichtlich. „Vielen lieben Dank“, bedanke ich mich. „Nichts zu danken. Wollen sie noch irgendwelche Schlaftabletten?“, bietet er mir an. „Nein“, erwidere ich und schüttele ein wenig den Kopf. „Okay. Dann ruhen sie sich am Besten jetzt ein wenig aus und wenn irgendetwas sein sollte, einfach sofort melden. Besser zu früh, als zu spät“, erinnert mich dran und lächelt aufmunternd. Ich nicke und gucke den beiden beim raus gehen hinterher. Zu gern würde ich das Zimmer auch verlassen dürfen, wann immer ich möchte. Eigentlich gruselt mich der Gedanken daran, aber hier drinnen fühle ich mich wie eine Maus in der Falle. Ich rappele mich auf und gehe zur Toilette. Nachdem ich meinen morgendlichen Toilettenbesuch mit Waschgang erledigt habe, gehe ich zurück ins Zimmer und setze mich dort auf die Fensterbank. Die Lernschwester kommt wieder rein und stellt eine Kanne Tee auf das Nachtschränkchen. Ich bedanke mich herzlich, setze mich danach aufs Bett, und gieße mir etwas Tee in die Tasse. Schnell habe ich die Kanne leer, aber besser fühlen tue ich mich noch lange nicht. Leicht schlurfend mache ich mich auf den Weg zur Toilette, wo ich erst einmal meine Blase erleichtere und dann so gut es geht meine Haare mit einer Hand wasche. Aber dank dem Ritzen bin ich ja an so was gewöhnt. Irgendwie musste ich damals die Wunden schützen und das ging halt nur so. Ich hatte halt nicht die Möglichkeit an passendes Verbandsmaterial zu kommen und musste deshalb sparsam mit dem umgehen was ich mir stibitzen konnte. „Matsumoto?“, ruft jemand. „Im Bad“, rufe ich zurück. „Ach hier sind sie. Ich habe ihr Essen auf den Tisch gestellt“, meint die Krankenschwester. Sie kam einfach ohne an zu klopfen rein, was ziemlich unverschämt ist! Ich bedanke mich für den Hinweis und schlucke den Ärger einfach herunter. Eine Diskussion darüber würde wahrscheinlich nichts bringen. Sicherlich hätte sie mich auch geweckt, nur damit ich etwas Essbares zu mir nehme, sicherlich. Genauso war früher meine Mutter. Bis sie irgendwann dahinter gekommen ist, dass mein Körper jedes Essbare was ich zu mir nehme, wieder erbricht. Aber sie hat mich weiter gezwungen und wollte es nicht wahrhaben. Bis irgendwann einmal mein Körper so geschwächt war, dass ich des Öfteren umgekippt bin und bis ich letztendlich fast für immer das Innere meiner Augenlider begutachten konnte. Sie hatte immer gedacht, dass es nicht nach jeder Mahlzeit vorkommt, aber dem war halt nicht so. Irgendwann war es sogar so schlimm, dass ich kaum mehr als ein paar Bissen zu mir nehmen konnte. Ich rubbele mir die Haare trocken und hänge das nasse Handtuch auf. Ich hole mir ein Neues und gehe zurück in mein Zimmer, wo ich dieses auf mein Kopfkissen lege. Ich gehe an den Tisch und nehme mir etwas Onigiri mit, welches ich dann auf meinem Bett verputze. Die restlichen Stunden, bis die anderen kommen will ich mit schlafen verbringen. Irgendwie muss man ja die verheulten Augen los bekommen. Ich platziere die dickere Decke über mir und lege mein Haupt auf dem Handtuch ab. Hier im Krankenhaus werde ich dank der Polizeibewachung und dem Geld super gut behandelt. Sogar das Essen bekomme ich wann ich will, was ein echter Luxus ist. Zu Hause musste ich immer dann Essen, wann unser Koch gekocht hatte. Und dann wurde mit der ganzen Familie und ein paar Verwandten im Speisesaal gegessen. Auf jeden Fall war dieses abends so, denn mittags war ich Gott sei Dank nicht zu Hause. Ich schließe die Augen und schlafe nach kurzer Zeit ein. Ich schrecke auf und sofort verlässt ein greller Schrei meine Kehle. Wie zum Teufel kommt mein Großvater hier rein? Vor der Tür stehen doch die Polizisten?! Verflucht! Er lächelt mich selbstsicher an und ich schreie noch einmal, aber dieses Mal um einiges lauter als vorher. Ich fühle mich wie gelähmt. Ich höre wie die Tür geht und spüre wie jemand leicht auf meine Wangen schlägt. „Matsumoto! Wachen sie auf“, fleht jemand. Ich öffne ein wenig die Augen und erblicke nichts. Lediglich die Krankenschwester steht neben mir und begutachtet mich kritisch. Mein Herz rast und mein Atem geht stoßweise. War das wirklich alles nur ein Traum? „Haben sie schlecht geträumt?“, fragt sie besorgt. Ich nicke und wische mir den Schweiß von der Stirn. „Aber sonst ist alles in Ordnung?“, fragt sie verunsichert. „Ja, ich denke schon“, antworte ich und ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Töricht, wie könnte mein Großvater hier reinkommen? Er kann sich ja nicht alles kaufen und er gilt ja in diesem Fall dringend tatverdächtig. „Ich habe ihnen Tee und etwas zu Essen auf den Tisch gestellt. Ging es ihnen besser nach dem Essen?“, erkundigt sich die Krankenschwester. Ich hatte doch erst eben gegessen?! Oder habe ich wirklich so lange geschlafen? „Mir ging es nachdem Essen normal. Also gut“, erwidere ich. Es ist ganz anders als sonst. Ich habe mich schon lange nicht mehr so normal nach einer Mahlzeit gefühlt wie heute. „Das ist schön zu hören. Ihre Freunde kommen auch gleich“, teilt sie mir lächelnd mit. „Danke. Was steht morgen alles an?“, frage ich nach. „Eigentlich sollte die Psychologin noch einmal vorbei schauen, aber ich denke das erübrigt sich ja, oder?“, stellt die Krankenschwester fest. „Ja“, bestätige ich ihre Aussage. Ich bin halt nicht bereit um über all das zu reden, was mich in dieses Bett befördert hat. „Wollen sie vielleicht es nächste Mal lieber einen ihrer Freunde dabei haben?“, fragt sie mich. „Die müssen morgens zur Schule und abends arbeiten sie des Öfteren“, erkläre ich. In Wahrheit traue ich mich einfach nicht jemanden zu bitten bei mir zu bleiben. Ich bin ja schließlich kein Kind mehr und müsste solche Sachen alleine geregelt bekommen. „Wir können den Termin auch auf abends legen, dann wann ihre Freunde Zeit haben“, bietet sie an. „Ich frage sie gleich einmal“, antworte ich. Ob sie gemerkt hat, dass ich gerade gelogen habe? Seufzend erhebe ich mich und gehe zum Tisch, wo ich direkt anfange zu essen. Die Krankenschwester hat mich inzwischen auch wieder allein gelassen. Wo soll das alles bloß noch hinführen? Nach langer Zeit öffnet sich erneut die Tür und ich erblicke Reitas Haarschopf. Ich springe hastig vom Stuhl und werfe mich ihm um den Hals. Noch auf dem Weg zu ihm, haben die ersten Tränen ihren Tod gefunden. „Was ist den los Ruki-chan?“, fragt er über rumpelt. „Ich hab Angst“, gebe ich klein laut zu. „Ich bin doch hier und habe auch noch eine Überraschung für dich“, teilt er mir mit. Hoffentlich ist es eine schöne Überraschung. Er hebt mich hoch und trägt mich wieder zum Bett. „Du bist blass, geht es dir nicht gut?“, fragt er besorgt. Er ist richtig aufmerksam und kümmert sich liebevoll um mich. Immer fragt er wie es mir geht. „Es geht schon, danke“, antworte ich lediglich. „Die Krankenschwester meint, dass ich mich etwas um dich kümmern soll“, klärt Reita mich auf. „Es reicht wenn du bei mir bist“, erwidere ich. Dieses reicht mir vollkommen aus, immerhin vermisse ich dieses Gesellschaft haben unheimlich. Früher war ich selten allein, aber trotz allem habe ich mich schrecklich einsam gefühlt. „Du bist einfach zu niedlich Ruki“, meint er belustigt. „Halt deinen Mund“, motze ich. „Ach sei nicht immer so abweisend“, meint er lachend. Die Tür geht wieder auf und Aoi tritt mit vielen Bechern Kaffee ein. Gefolgt wird er von Uruha, welcher lediglich eine Laptoptasche trägt. „Guten Morgen!“, begrüßt mich Aoi fröhlich. Ich drehe mich auf den Bauch und vergrabe mein Gesicht im Kissen. „Was hat denn der kleine?“, fragt Uruha überrascht. „Er ist etwas durch den Wind“, klärt Reita die anderen beiden auf. Na danke, ich kann auch noch alleine antworten. Ich brummele leise vor mir her und ziehe mir die Decke über den Kopf. „Hey kleiner. Verstecken nützt nichts“, weist Aoi mich darauf hin. „Na und?!“, erwidere ich trotzig. „Keif mich nicht so an Ruki“, ermahnt mich Aoi. „Reg mich nicht auf Aoi!“, bitte ich ihn. Ich will doch lediglich ein friedliches und tolles Leben haben, ist das etwa zu viel verlangt? Warum müssen die beiden ausgerechnet jetzt da sein? „Und warum nicht?“, fragt Aoi genervt. „DARUM“, schreie ich. „Ruki, hör auf zu schreien“, bittet mich Uruha gereizt. „Nur wenn er aufhört mich zu ärgern“, verteidige ich mich. Ich klinge wie ein kleines trotziges Kind. „Aoi, lass Ruki in Ruhe“, beendet Reita unser kleines Streitgespräch. „Ja, Reirei“, neckt Aoi. Aoi hört auf Reita, was für ein Wunder. Ich schlage die Bettdecke soweit zurück, dass sie nur noch bis zur Nasenspitze reicht. Und ich drehe mich auf den Rücken, da alles andere zu unbequem wäre auf Dauer. „Ich glaube er kommt langsam in die Wechseljahre“, stellt Aoi fest. „Aoi bitte lass für einen Moment deine Scherze, bitte“, fleht Reita den anderen an. „Ja, Reirei“, seufzt Aoi nur. Alle drei schnappen sich einen Kaffeebecher. Ich verdrehe leicht die Augen und schlinge die Bettdecke mehr um mich. „Ruki sieht echt nicht gut aus, Reirei“, meint Aoi besorgt. „Ich weiß. Ruki?“, wendet Reita sich an mich. Es ist so unangenehm, wenn andere über einen sprechen und man selbst dabei ist. „Ja?“, irritiert gucke ich ihn an. „Ist heute irgendetwas passiert?“, will er wissen. „Ja“, gebe ich seufzend von mir. „Willst du vielleicht mit uns darüber reden?“, bietet er mir an. „Nein, lehne ich sein Angebot ab. „Okay. Ruki wann wirst du entlassen?“, er klingt ein wenig enttäuscht. „Weiß ich nicht“, erwidere ich. Es interessiert mich auch nicht wirklich. Ich spüre wie sich hinter mir die Matratze etwas senkt und jemand mich leicht anhebt. „Reita?“, frage ich verwundert. „Keine Angst Ruki“, meint er beruhigend. Ein zweites Kissen landet unter meinem Kopf und ich seufze leicht auf. „Reirei, Was machst du mit ihm?!“, fragt Aoi verwundert. „Ihm Aufmerksamkeit schenken?“, verteidigt sich Reita genervt. Ob heute etwas passiert ist zwischen ihnen? Normalerweise sind sie ja um Welten netter zueinander. „Du Lüstling!“, äußert sich Aoi empört. „Doch nicht so eine Aufmerksamkeit!“, rechtfertigt sich Reita direkt. „Reita?“, mische ich mich ein. „Ja Ruki?“, erwidert er. Wenigstens scheint er mir zuhören zu wollen. „Ich will nach Hause“, murmele ich ganz leise. Ich will zwar nicht entlassen werden, aber ich möchte unbedingt nach Hause. Dort könnte mich doch auch die Polizei bewachen, oder? „Man Ruki, hab doch eben schon gesagt, dass es nicht mehr lange dauert“, weist er mich darauf hin. wr klingt schon wieder ziemlich genervt. Er hebt mich hoch und zieht mich in eine sanfte Umarmung. „Reita“, murmele ich erschöpft. „Ja?“ Er ist richtig warm. Und es ist angenehm von ihm so umarmt zu werden. Ich hätte nie gedacht, dass mir Körperkontakt je wieder angenehm sein könnte. „Mir ist kalt“, teile ich ihm mit. „Immer noch?! Ruki, tu mir einen Gefallen und esse mehr. Deine Knochen tun weh“, beschwert er sich. Ich schluchze leise auf und vergrabe mein Gesicht in seinem Hemd. Wieso wirft er mir gerade das vor? Er weiß genau, ich schaffe das nicht. Er weiß genau, dass ich es nicht ändern kann. Mein Körper bebt, während er sanft über meinen Rücken streicht. „Ruki-chan? Lach wieder. Bitte“, fleht er mich an. Ich schlinge meine Arme um ihn und drücke ihn an mich. Ich möchte ihn nicht verlieren. Ich habe Angst davor, wieder in Dunkelheit allein gelassen zu werden. „Hey beruhige dich wieder, komm schon“, er fleht immer noch. „Reita“, meine Stimme zittert. „Ja, Ruki?“, meint er neugierig. „Lass mich nicht allein“, bitte ich ihn an. „Ach Ruki“, seufzt er. Ich löse mich von ihm und schaue ihm unsicher in die Augen. „Hab keine Angst. Wir kommen dich doch jeden Tag besuchen“, meint Reita beruhigend. „Ruki? Sorry, dass wir zwei jetzt wieder gehen müssen. Weißt ja, die Arbeit ruft. Dann bis Morgen“, meint Aoi plötzlich. Ich nicke nur leicht und schmiege mich wieder an Reita. Ich höre wie sich die Tür öffnet und schließt. „Ruki du bist echt total anhänglich geworden“, stellt Reita fest. „Nervig?“, frage ich nach. „Nein, nur verdammt süß“, neckt er mich. „Ich bin nicht süß, Reita“, motze ich direkt. „Die Lehrerin hat uns ein paar Übungsblätter mitgegeben. Du bist zwar immer noch von der Schule befreit, aber du sollst trotzdem mal schauen. Vielleicht hattest du die Sachen auch schon“, meint Reita verunsichert. Das war aber jetzt ein abrupter Themenwechsel? Ich nicke nur und lausche seinem Herzschlag. Ich bin zu faul zum Lernen. Also momentan, da ich einfach zu müde bin. „Wir schaffen das schon“, versichert er mir. Seinen Optimismus hätte ich gerne. Was passiert, wenn ich den Anschluss nicht finde? „Du bist immer noch so schweigsam, Ruki“, meint er traurig. „Wirklich?“, frage ich nach. „Nicht mehr ganz soviel, aber noch zu viel“, erklärt er. „Ich will nach Hause!“, wechsle ich schnell das Thema. „Ja, ich weiß“, lachend streicht er mir über den Rücken. „Nimm mich mit“, meine ich und schiebe schmollend die Unterlippe vor. „Geht leider nicht, sorry“, entschuldigt er sich direkt. „Nimm mich trotzdem mit“, flehe ich ihn an. „Nein, Ruki“, verneinend schüttelt er den Kopf. „Reita“, und jetzt der Dackelblick! Wenn der nicht hilft, weiß ich auch nicht weiter. „Ach komm schon, so schlimm ist es auch nun wieder nicht“, meint er schmunzelnd. „Ja“, leider hat er Recht. „Ich geh jetzt auch, in Ordnung? Habe noch genug zu lernen, heute“, teilt er mir mit. Schule ist dir ja doch sehr wichtig? Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. „Du bist spät dran“, gebe ich zu denken. „Ja, aber ich schaff das. Dann bis Morgen und schlafe schön“, meint er lächelnd. „Danke. Schlaf du auch schön…“, auch ich lächle mittlerweile. Er legt mich wieder richtig auf das Bett und schaltet im raus gehen das Licht aus. Zufrieden schlafe ich wieder ein, der Tag war doch schon anstrengend genug. Ich hätte nie damit gerechnet, dass mich ein so kurzer Besuch so fertig machen würde. Mitten in der Nacht wache ich wieder auf. Ich versuche wieder ein zu schlafen, doch dazu bin ich momentan zu wach. Brummelnd schlage ich die Bettdecke zurück und stehe auf. Den Laptop nehme ich vom Nachttisch und gehe damit zum Tisch. Mir ist es immer noch kalt und am liebsten wäre ich jetzt auch ganz woanders. Ich schalte den Laptop an und logge mich in den Account mit dem Namen „Ruki“ ein. Als Hintergrund dient ein Wallpaper mit vielen Herzen und rosa Kaninchen. Wie ich es doch hasse. Ich bin ein Junge und kein Mädchen, verdammt! Ich suche ein Schreibprogramm raus und bin mehr als erfreut, dass dieses Ding überhaupt eins hat. Das zahle ich Uruha heim, definitiv! Ich überlege lange, bis ich endlich die richtigen Worte für meine momentanen Gefühle gefunden habe. ~ [Spektrum des Regenbogens] Du sahst hin, aber sahst es nicht, anstatt zu helfen und mir bei zustehen, ließest du mich mit einem Grinsen allein, allein bei der Ausgeburt der Hölle. Du selbst fandest es toll wenn ich wieder kam, im Spektrum des Regenbogens bemalt, wenn man mich nicht wieder erkannte, nach jedem Besuch meinerseits. Ich kam zu dir zurück, hatte immer wieder Hoffnung, du würdest mich schon vor ihm beschützen, doch jedes Mal ließest du mich gehen, jedes Mal schicktest du mich ins falsche Paradies. ~ Es ist schon manchmal herzzerreißend, was ich denke, gebe ich gerne zu. Aber mir ist es egal, denn manchmal hilft es mir aus dem Alptraum zu entfliehen. Ein paar Sekunden, die mir helfen die Welt wieder aus einem anderen Blickwinkel betrachten zu können. Ich speichere das alles ab. Die Tür wird geöffnet und eine Schwester tritt herein. „Matsumoto-san, sie werden gleich nach Hause gebracht. Ich habe hier ein paar stärkere Beruhigungsmittel für sie. Ich werde dann jetzt ihre Tasche packen“, die Aussage von der Krankenschwester kam ziemlich plötzlich. Geschockt blicke ich sie an. Ich soll nach Hause, jetzt schon? Sie krempelt meinen Hemdärmel hoch und spritzt mir etwas in den Oberarm. Seufzend schalte ich den Laptop aus und schaue ihr beim Einräumen zu. Es ist nicht viel, was Reita mir in der ganzen Zeit immer mitgebracht hat. Ich stehe auf und sofort zieht sie mir eine dickere Jacke über und setzt mir eine von Reitas Basecaps auf. Wo immer der Sinn dahinter liegen mag. Ich fühle mich richtig benebelt dank der Medikamente und eigentlich fühle ich gerade nichts. Ich möchte mich einfach nur hinlegen. Schweigend folge ich ihr raus auf den Flur, wo ich direkt von zwei Polizisten in Empfang genommen werde. Diese führen mich runter in die Tiefgarage, wo schon ein schwarzes Auto mit getönten Scheiben auf uns wartet. Ich fühle mich irgendwie wie ein Schwerverbrecher und nicht wie ein Opfer. Unsicher steige ich ein und lege mich halb auf die Rückbank. Die Beruhigungsmittel lassen kaum Raum für Gedanken, sie machen mich nur hundemüde. Immer wieder fallen mir auf der Fahrt die Augen zu und erst als ich die Gegend erkenne, macht sich Panik in mir breit. Was ist wenn mein Angreifer auf mich lauert? Wollen sie, dass ich Lockvogel spiele, damit sie den Täter aus seinem Versteck locken können? Stumm rollen Tränen über meine Wangen. Ich möchte nicht in die Dunkelheit zurück. Erst jetzt bemerke ich, wie sehr mir doch diese Tat zugesetzt hat. Ob ich mich je wieder auf die Straße ohne Hintergedanken trauen kann? Mit quietschenden Reifen hält das Auto und einer der Polizisten steigt aus. Ich richte meinen Blick auf den Laptop, welcher auf meinem Schoß liegt. Ich möchte nicht durch eine fremde Hand getötet werden. Ich schaue auf, als sich die Autotür neben mir öffnet und Reitas Mum mir eine Hand auf meine Schulter legt. „Kommst du mit rein Ruki?“, fragt sie mich. Ich nicke und lasse mich von ihr führen. Ich versuche die Panik zu verdrängen, versuche mir nichts anmerken zu lassen. Sie führt mich direkt ins Gästezimmer, wo ich mich erst einmal auf das Bett setze. „Ich muss noch einmal raus zu den Polizisten. Ich komm direkt wieder“, beruhigend streicht sie mir über die Wange. Was sie wohl bei ihnen will? Ich lasse mich zurück auf das Bett fallen und starre die Decke an. Jetzt bin ich wieder hier, zurück in der Vergangenheit. Reitas Mutter kommt wieder und kramt mir direkt einen Schlafanzug aus der Tasche. Dank ihrer Hilfe, hab ich diesen auch schnell angezogen und freue mich sichtlich auf eine restliche erholsame Nacht. Als ich wieder allein bin, dauert es auch nicht lange, bis ich mich im Reich der Träume befinde, dank der Hilfe der Beruhigungsmittel. ~~~~~~~~~~~ Disclaimer: nichts mir, nichts geld im Spektrum des Regenbogens bemalt: blutergüsse nur als Anmerkung... 25.07.2009: 3408 -> 4366 Wörter @@ 09.05.2018: 4366 → 5170 Wörter Kapitel 11: Stille Zuflucht --------------------------- [Reitas POV] Als mir meine Mutter am nächsten Morgen erzählt, weshalb es die Nacht so laut war, hätte ich am liebsten alles stehen und liegen gelassen. Ruki ist die Nacht überraschenderweise schon entlassen wurden und wurde zu uns heim gebracht. Aber meine Mutter wollte nicht, dass ich ihn wecke. Ich gab mich widerwillig geschlagen und kann es nun kaum erwarten in die Schule zu kommen, um die freudige Nachricht Uruha überbringen zu können. Meine Schuluniform packe ich in die Tasche und gehe in Sportklamotten zur Schule. Heute haben wir mal wieder Fußballtraining, früh morgens. Wie ich es doch vermisst habe! Welch eine Ironie. Auch wenn zugegebenermaßen das Fußball oft der einzige Grund ist warum ich überhaupt zur Schule gehe, könnte ich getrost auf diese frühen Trainingsstunden verzichten. Manchmal frage ich mich wirklich, wie man bei diesem kalten Wetter vernünftig draußen spielen soll! Freudestrahlend marschiere ich zu den Umkleidekabinen, wo ich erst einmal meine Tasche abstelle. In einer Ecke sehe ich Uruha sitzen, welcher gedankenverloren vor sich her starrt. Leider ist Uruha öfters so und manchmal frage ich mich schon, worüber er die ganze Zeit nachdenkt. Ich marschiere geradewegs auf ihn zu. „Ruki ist wieder bei mir!“, schreie ich jubelnd. „Echt? Wann ist er gekommen?“, fragt er abwesend. „Letzte Nacht. Ich hab ihn noch nicht gesehen, aber er ist wieder da!“, erläutere ich. Immer noch freue ich mich wie ein kleines Kind. „Das ist ja schön“, erwidert er neutral. „Finde ich auch!“,meine ich und lasse mir durch ihn nicht meine gute Laune verderben. Warum freut sich Uruha nicht? Er ist sowieso die letzte Zeit ein wenig komisch geworden. Er schweigt mich manchmal am laufenden Band an und macht immer öfters ein neutrales Gesicht. Normalerweise lacht oder lächelt er ab und zu, um die Mädchen zu beeindrucken, aber momentan macht sich sein Lächeln rar. Ob sein Interesse an ihnen verloren gegangen ist? Oder will er einfach nicht mehr allen zeigen wie perfekt sein Leben doch ist, obwohl das gar nicht der Fall ist? Summend gehe ich auf den Sportplatz, wo ich mich erst einmal warm mache. Nach und nach kommen auch die anderen raus. Es sind zwar nur 10°C, aber wer rastet, der rostet. Also wird bei uns das ganz Jahr über trainiert. Auch wenn draußen schon Schnee liegt tun wir draußen trainieren an manchen Tagen. Es dauert auch nicht lange bis wir endlich anfangen zu spielen. Voller Elan gebe ich alles und beteilige mich seit langem einmal wieder aktiv am Spielgeschehen. Die anderen werfen mir verwunderte Blicke zu, aber es ist mir vollkommen egal. Ruki ist endlich wieder da! Endlich bin ich auch wieder in Ballbesitz und gerade als ich den perfekten Ballpass hinlegen will, stolpere ich über den Ball und fliege gekonnt in den Dreck. Ein Stechen und Ziehen macht sich in meiner Hand breit und ich verzerre das Gesicht. Es ist nicht gut, wenn mir gerade jetzt schlecht und schwindlig wird, oder? Jede Bewegung tut unglaublich weh und das Handgelenk pocht ganz unangenehm. Die anderen hocken sich neben mich und ich rappele mich langsam wieder hoch. Nur keine Schwäche zeigen, ich bin ein Mann! Ich atme einmal tief aus und blende das Pochen einfach aus. Sobald man einmal Schwäche zeigt gibt man anderen Angriffsfläche und jemand vor dem andere Angst haben, zeigt nun einmal keine Schwäche. „Geht es Reita?“, werde ich direkt angesprochen. „Na klar geht es!“, versichere ich ihnen. Wir spielen weiter und geschafft nachdem Training dusche ich mich erst einmal und ziehe mich dann um. Meine Hand hat mittlerweile einen ungesunden blau-violetten Ton angenommen, aber es stört mich nicht. Es tut zwar höllisch weh, aber was nimmt man nicht alles als Mann in Kauf um nicht als Weichei dazustehen? Die Schmerzen nehmen immer mehr zu während der ersten Stunde und da ich auch noch mit der Hand schreibe, ist dieses überhaupt kein Wunder. Nach einer Zeit wird mir wieder schlecht und schwindlig und mir fällt es schwer den Stift ruhig zu halten. Die Klassenlehrerin kommt langsam auf mich zu und mustert mich kritisch. „Suzuki-san, geht es ihnen nicht gut?“, fragt sie besorgt. „Mir geht es prächtig“, erwidere ich lächelnd. „Sind sie sicher?“, hakt sie nach. „Ja“, auch wenn ich wieder einmal lügen muss und ich eigentlich versprochen habe die Lehrer nicht mehr anzulügen. Mir hat es einfach gut zu gehen. „Hören sie nicht auf ihn, Sensei“, meint Uruha. Warum mischt sich Uruha gerade jetzt ein? „Ihre Hand ist ja ganz dick und blau, was zum Teufel haben sie gemacht?“, erkundigt sich die Lehrerin und guckt mich verständnislos an. „Fußball gespielt gerade eben“, kläre ich sie auf. „So etwas kann auch nur ihnen passieren… Takashima-san bitte bringen sie ihn zum Schularzt“, fordert sie Uruha auf und schon wieder werde ich von ihr raus geschmissen. Wenigstens habe ich in dem Sinne ja nichts angestellt und muss mich daher auch nicht später dafür vor der Klassenlehrerin rechtfertigen. „Ja, mach ich“, meint Uruha nur. Widerwillig trotte ich ihm hinterher und werfe ihm des Öfteren finstere Blicke zu. „Reita du bist weiß wie die Wand. Soll ich dich etwas stützen?“, bietet er mir an. „Bin ich Ruki?“, frage ich genervt. „Reita! Jetzt sei nicht immer so empfindlich“, weist mich Uruha zu recht. Wann ist unsere Freundschaft wieder so eisig geworden? Brummelnd betrete ich nach ihm den Raum und rücke eher unfreiwillig meine Hand raus. Der Arzt tastet sie ab und bewegt sie mal in die eine und dann in die andere Richtung. Immer wieder verziehe ich das Gesicht und Uruha hat die größte Mühe meinen Am festzuhalten, denn immer wieder will ich meine Hand befreien. Ich hasse Ärzte! Der Arzt versucht erst gar nicht mit mir zu reden. Wieso sollte er auch? Immer wenn ich bei ihm bin, schweige ich mich mit ihm um die Wette. „Es ist lediglich eine Bänderüberdehnung. Bitte schonen Sie die Hand. In spätestens zwei Wochen können Sie die Hand wieder voll belasten. Am Besten kühlen Sie die Hand etwas und halten Sie diese hoch“, seufzend lässt er meine Hand fürs erste los. Er schmiert mit einem Stäbchen dick Salbe auf meinen Arm. Er legt mir einen Verband über die komplette Hand und den halben Arm und drückt mir ein Kühlkissen in die andere Hand. Das habe ich ja wieder einmal fabelhaft hinbekommen! Zusammen mit Uruha geh ich zurück in die Klasse. Immer wieder wirft er mir besorgte Blicke zu. „Und was hat der Schularzt gesagt Suzuki-san?“, fragt die Lehrerin. „Nichts Wichtiges“, antworte ich trotzig. „Er hat lediglich eine Bänderüberdehnung“, antwortet Uruha, kneift mich kurz und zieht mich zu unserem Platz. „Lass deine Laune nicht immer an anderen aus“, zischt er mir zu. Ich rolle nur genervt die Augen und halt die Hand hoch und lege das Kühlkissen drauf. Wie ich mich schon auf die nächsten Stunden freue, haha. Ich will zu Ruki, jetzt sofort! Warum muss ich nur in diese dumme Schule, mit diesen dummen Lehrern? Wieso habe ich nicht die Schule nach der Mittelschule, sein gelassen? Genau, ich hatte noch keine Lust auf arbeiten. Mir ist immer noch total unwohl. Gelangweilt folge ich dem Unterricht. Die Stunden schleichen nur vor sich hin. In Mathematik machen wir schließlich Partnerarbeit, wie ich es hasse! Ich höre Uruha kaum zu und kritzele etwas bei ihm ab. „Reita?“, spricht er mich an, „Du sieht überhaupt nicht gut aus. Ich geh mit dir etwas raus, ja?“ „Es geht schon“, meine ich lediglich. „Schau dich einmal im Spiegel an! Du bist leichenblass“, meint er entsetzt. „Wenn du meinst“, erwidere ich seufzend. Uruha ist im Gegensatz zu mir viel empathischer und ihm fallen solche Sachen auch eher auf als mir. Vielleicht hätte ich heute Morgen etwas Essen sollen? Er lässt das Thema fallen und widmet sich weiter den Aufgaben. Ich schreibe weiterhin ab und überlasse ihm somit die ganze Arbeit. Das Schwindelgefühl setzt wieder ein. Eine Zeit lang versuche ich es zu ignorieren, doch so wirklich schaffe ich es nicht. Und es gäbe jetzt nichts peinlicheres, als wenn ich jetzt hier vor versammelter Mannschaft umkippen würde. Ich stehe auf und gehe nach vorne zum Lehrer. Nebenbei versuche ich mir nicht allzu viel anmerken zu lassen. „Herr Lehrer?“, und jetzt schön höflich bleiben. „Ja Suzuki-san?“, verwundert guckt er mich an. Normalerweise gehe ich nie nach vorne zu den Lehrerin. Schließlich können die Lehrer genauso gut zu mir nach hinten kommen. Aber ich möchte nicht den Lehrer im Beisein von Uruha fragen. „Kann ich vielleicht nach Hause, mir geht es nicht gut“, gebe ich verlegen zu. „Sie sehen auch nicht gesund aus. Ich werde Takashima-san bitten, sie auf das Krankenzimmer zu bringen“, erwidert er. Alles nur nicht das, bitte Herr Lehrer! „Das ist nicht nötig, Sensei“, meine ich mit fester Stimme. Warum widersprechen mir heute nur alle Lehrer? Und ich darf auch nichts da gegen sagen, weil ich es ja der Klassenlehrerin versprochen habe. Ich kann doch noch allein aufs Krankenzimmer gehen, dafür brauche ich doch keine Begleitung? Oder sehe ich wirklich so krank aus? Er ruft nach Uruha, welcher auch direkt nach vorne ans Pult kommt. „Bitte bringen sie Suzuki-san aufs Krankenzimmer und passen sie auf, dass er nicht umkippt“, gibt er Uruha den Auftrag. „Ja, Herr Lehrer“, und dieser ist natürlich wie immer hörig. Zusammen gehen wir vor die Tür und es dauert auch nicht lange ehe ich über meine eigenen Füße stolpere. Warum muss sich auch alles drehen? Er hakt sich bei mir ein und führt mich Richtung Krankenzimmer. „Du scheinst nicht wirklich glücklich zu sein momentan, Reita“, besorgt guckt er mich von der Seite an. „Warum auch?“, antworte ich neutral. „Du hast doch jetzt Ruki wieder bei dir zu Hause“, antwortet er. Und dieses soll mich glücklich stimmen, Uruha? „Darum geht es nicht…, es geht um etwas ganz anderes. „Worum dann?“, hakt er weiter nach. Er öffnet die Tür und geleitet mich zu einem Bett, wo drauf ich mich auch direkt niederlasse. „Ich habe Angst, Angst davor, ihn zu verlieren“, schon wieder werde ich rot im Gesicht. „Hab etwas Vertrauen in ihn. So zerbrechlich ist er auch nun wieder nicht“, erwidert er ernst. „Er zieht das Unglück aber quasi an“, und ich will ihn schließlich nicht leiden sehen. „Mach dir nicht so viele Gedanken Reirei“, gibt mir Uruha den Ratschlag. Er zieht die Vorhänge rings herum zu und legt die Bettdecke über mich. „Ruh dich etwas aus, ja? Wenn es dir gleich nicht besser geht, rufen wir deine Mum an“, meint er und sein Lächeln lässt mich immer wieder zur Ruhe kommen. Bei ihm fällt es mir nicht schwer mich fallen zu lassen, da er diese Schwäche nicht ausnutzen würde. „Ja“, ein schwaches Lächeln bildet sich auf meinen Lippen. „Denk nicht soviel nach Reirei“, er lächelt nach wie vor. Er verschwindet hinter den Vorhängen und lässt mich allein. Ich schließe die Augen und versuche auf andere Gedanken zu kommen, es hilft nichts. Warum erinnert mich das nur alles an Uruha? Nach einer Zeit schlafe ich ein. „Reirei?“, spricht mich Uruha an. Ich kneife die Augen zusammen und öffne sie dann. Meine Sicht ist anfangs verschwommen, bis sie langsam aber sicher klarer wird. „Ruha?“, frage ich zurück. „Die Klassenlehrerin hat deine Mum angerufen, sie ist gleich da“, meint er lediglich. „Danke“, erwidere ich. „Ich habe deine Sachen hier“, lächelnd hält er meine Schultasche hoch. „Kommst du heute Nachmittag? Ich schaff das nicht alleine“, meine ich ganz verlegen. „Klar kann ich kommen“, versichert er mir. „Danke“, bedanke ich mich abermals. Ich fühle mich wie erschlagen und kann es kaum abwarten endlich in meinem Bett liegen zu können. „Denkst du, du schaffst es bis zum Parkplatz? Ich soll dich da hin bringen“, erzählt mir Uruha. Traut sich meine Mutter etwa nicht mehr ins Schulgebäude? Oder hat sie Angst davor, dass sie sich wieder für mein Verhalten rechtfertigen müsste? Dabei ist sie eigentlich niemand der Konfrontationen scheut. „Ich hoffe, dass ich das schaffe“, teile ich ihm mit und mein Hals kratzt ziemlich unangenehm. Ich stehe auf und unterdrücke das aufkeimende Schwindelgefühl. „Du bist immer noch total blass Reirei. Versprich mir, dass du zu Hause noch eine Weile schläfst, ja?“, bittet er mich. „Ja“, genau das wollte ich auch tun. Er hängt sich meine Schultasche um und hakt sich bei mir unter. Langsam gehen wir runter zum Schülerparkplatz wo meine Mum auch schon mit ihrem Kleinwagen auf mich wartet. Ich nehme ihm die Schultasche ab, bedanke mich und steige ein, winke ihm noch kurz, bevor meine Mum losfährt. „Die Lehrerin hat gemeint, dass du einen kleinen Sportunfall hattest. Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?“, fragt meine Mum. „Es geht schon“, erwidere ich. Es tut auch gar nicht mehr so weh. Mir macht das Kratzen mehr zu schaffen als das ziehen und pochen im Handgelenk. „Das ist gut zu hören. Redet Ruki immer so wenig?“, erkundigt sie sich und schaut nachdenklich auf den Verkehr. „Wenn er traurig ist schon. Hat er überhaupt schon seit gestern geredet?“, frage ich neugierig nach. „Nein. Das beunruhigt mich ein wenig“, antwortet meine Mutter. „Das ist dann wirklich ein Problem, wenn er noch nicht einmal mehr seine Höflichkeitsfloskeln los wird“, merke ich an. Was ist nur los mit ihm? Normalerweise nutzt er wenigstens diese um sich mitzuteilen. „Ich habe schon im Krankenhaus angerufen und die meinen wir sollen ihn zu nichts drängen und abwarten“, teilt sie mir mit. Eigentlich wollte ich ihr nicht noch ein Problemkind auf den Hals hetzen. Schließlich verursacht Uruha nach wie vor Ärger. Er hört ja auch nicht auf meine Eltern, obwohl er es eigentlich tun müsste. Sie meinen es schließlich nur gut mit ihm. Manchmal frage ich mich schon, warum er die Hilfe nicht einfach annimmt. „Das wird wohl das Beste sein…“, gebe ich seufzend zu. „Versuch du es einfach einmal mit dem Reden. Er müsste jetzt in deinem Zimmer sein. Ich hoffe es zu mindestens“, meint sie verunsichert. „Wieso?“, frage ich irritiert nach. „Er ist total unruhig heute Morgen gewesen und auch ein wenig panisch. Deshalb habe ich ihm Beruhigungsmittel gegeben und mich erst einmal etwas mit ihm in die Küche gesetzt. Irgendwann ist er wieder ruhiger geworden und dann habe ich ihn auf dein Zimmer gebracht, damit er etwas Playstation spielen kann. Und seitdem hat er auch das Zimmer nicht mehr verlassen“, erzählt sie mir. Seit wann spielt Ruki Playstation? Normalerweise hat er absolut kein Interesse daran. „Ich hoffe er dreht nicht völlig durch“, gebe ich ehrlich zu. Sein Verhalten verängstigt mich. „Der Psychologe meint, wir sollen bis zum ersten Gerichtstermin ihn nicht weiter ausfragen. Wir sollen die Vergangenheit ruhen lassen“, meint sie ziemlich bedrückt. Die restliche Fahrt schweigen wir uns an. Zu Hause angekommen werfe ich die Schultasche in die nächst beste Ecke, ziehe die Schuhe aus und marschiere in mein Zimmer. „Na Ruki?“, spreche ich den Kleinen an. Geschockt schaut er vom Bett auf. Er sitzt da wie ein Häufchen Elend. „Uruha kommt auch nachher. Ich bin nur schon da, da ich Idiot mir beim Fußballspielen die Hand verletzt habe“, lächelnd zeige ich ihm die verbundene Hand. Er schaut etwas besorgt und klopft neben sich auf das Bett. Ich komm seiner Aufforderung nach und setzte mich neben ihn, nehme ihn in den Arm. „Komm sag wenigstens irgendetwas“, flehe ich ihn an. Er schüttelt leicht den Kopf und ich drücke ihn näher an mich. Er verhält sich wie ein Reh im Scheinwerferlicht. „Du hast ja geweint. Ist gestern noch irgendetwas im Krankenhaus vorgefallen?“, hake ich nach. Irgendwann muss er einfach einmal antworten. Wieder schüttelt er nur den Kopf und schmiegt sich näher an mich. Leicht streiche ich über seine Wangen und schaue in seine leeren, ausdruckslosen Augen. „Du wolltest doch unbedingt nach Hause. Warum freust du dich dann nicht?“, frage ich verwirrt nach. Er zuckt kurz mit den Schultern und schließt die Augen. Kann er sich selbst das ganze womöglich nicht erklären? „Ach Ruki“, ein Seufzen entweicht meinen Lippen, „Uruha kommt gleich. Bitte rede mit mir.“ Er setzt zum Sprechen an, aber lässt es dann auch sein. „Kleiner, bitte“, versuche ich es erneut und stumm rollen Tränen über meine Wangen. Er schaut auf und wischt meine Tränen langsam weg. Warum nur nimmt mich das alles so sehr mit? Normalerweise bin ich nicht so schrecklich emotional geschweige denn sentimental. „Nein“, seine Stimme zittert kaum merklich. „Danke Ruki!“, ich umarme ihn und versuche seinen Blick zu deuten. Er wendet hingegen wieder den Blick ab und löst sich ein wenig von mir. „Angst“, flüstert er ganz leise. „Die brauchst du doch nicht zu haben, Kleiner. Sie haben ihn gefasst“, meine ich strahlend. „Wen…?“, perplex schaut er mich an. Hat ihm das etwa keiner mitteilt? „Das verraten sie uns nicht“, ich will es eigentlich auch gar nicht wissen. Aber ich glaube es ist für Ruki von sehr großer Bedeutung. Er will sicherlich wissen wieso er so lange im Krankenhaus unter Polizeischutz war. Er würgt plötzlich und panisch hebe ich ihn hoch, trage ihn ins Badezimmer und setze ihn vor der Kloschüssel ab. Er schüttelt nur leicht den Kopf und zieht sich an mir hoch. „Kleiner ist alles in Ordnung?“, frage ich besorgt nach. „Ja“, antwortet er und mir fällt es wirklich schwer im das zu glauben. Er klammert sich an mich und ich trage ihn zurück auf mein Bett. Ich weiß nicht, was sein momentanes Handeln zu bedeuten hat, auf jeden Fall nichts Gutes. Er klammert sich wieder an mich und nach einer Zeit ist er auch endlich eingeschlafen. Zu gerne würde ich wissen, was momentan in diesem kleinen Wesen vor sich geht. Seufzend schnappe ich mir einen Manga von meinem Nachttisch und beginne ihn zu lesen. Irgendwie muss ich ja die Zeit totschlagen, bis Uruha kommt. Der Kleine bereitet mir momentan einfach total Kopfzerbrechen. Er ist launisch und klammert, nimmt mir oft die Luft zum Atmen. Ich weiß nicht was ich tun soll, wie ich ihm helfen kann. Denn seine Erinnerungen nehmen kann ich ihm leider nicht. Aber dieses ist die einzige Möglichkeit, die ich noch in Betracht ziehe. Etliche Mangas später höre ich, wie die Haustür geht und es dauert auch nicht lange, bis es schließlich an meiner Zimmertür pocht. „Herein“, meine ich und hoffentlich ist es Uruha und nicht mit mein Stiefvater! Ein dunkelblonder Haarschopf kommt zum Vorschein und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Hey Reirei. Geht es dir besser?“, fragt Uruha lächelnd. „Denke schon“, aber mir geht es auch nur ein wenig besser. „Und Ruki?“, fragt er direkt weiter. „Überhaupt nicht gut. Er verträgt anscheinend die Beruhigungsmittel nicht, die er nehmen soll“, teile ich ihm mit. Auf jeden Fall kommt es mir so vor, als hätten die Tabletten nicht die gewünschte Wirkung. „Der arme. Aber sonst ist alles in Ordnung?“, hakt er nach. Uruha ist echt schlimm geworden in Sachen Fragen. „Er redet fast gar nicht. Vielleicht ändert es sich ja, wenn gleich die Beruhigungsmittel gar nicht mehr wirken“, meine ich zuversichtlich. „Hoffentlich“, hoffst du. „Er macht mir ein wenig Angst. Sein Blick ist leer und ausdruckslos, ganz anders wie gestern“, gestern waren seine Augen wenigstens noch lebendig. „Vielleicht sollte er sich doch lieber einweisen lassen“, gibt er zu bedenken. „Das würde er nie machen“, verneinend schüttele ich den Kopf. „Hat er heute schon etwas gegessen?“, fragt Uruha nach. „Nein. Soll ich ihn wecken?“, vielleicht ist es das Beste, wenn er nicht ständig schläft. „Wäre im Grunde das Beste“, bestätigt Uruha meine Vermutungen. Ich streiche ihm leicht die Haare aus dem Gesicht und kneife ihn in die Wange. Er blinzelt nur und versteckt sein Gesicht in meinem Hemd und schläft weiter. „Ist das normal, Uruha?“, frage ich verwirrt nach. „Ja, ist es. Wenn es wirklich von den Beruhigungsmitteln kommt, dann bekommen wir ihn auch so schnell nicht mehr wach“, erklärt er mir. Er muss es ja schließlich wissen. Immerhin wurde er selbst wie oft mit Beruhigungsmitteln und allem ruhig gestellt. Es war schon schlimm ihn so zu erleben. „Denkst du, er weiß gleich noch, dass ich ihm in die Wange gekniffen habe?“, frage ich ängstlich nach. „Nein, denke nicht. Wenn bist nur du es, der umgebracht wird“, meinst du lachend. „Ich möchte auch schlafen“, meine ich. Schließlich muss ich gesund werden! „Ich hab gedacht, du hast dich hingelegt, als du nach Hause gekommen bist?“, fragt Uruha verdutzt nach. „Ruki war ja in meinem Zimmer und da hab ich mich lieber um ihn gekümmert, als um mich“, gebe ich ehrlich zu. Ich sollte nicht immer nur an andere denken, auch wenn es mir schwer fällt. Aber trotz allem möchte ich schließlich nicht als Egoist rüber kommen. „Leg dich am Besten oben etwas hin. Du bist immer noch sehr blass und deine Hand sieht auch nicht gerade normal aus“, schlägst du vor. „Ja, ist vielleicht besser so.Hilfst du mir ihn richtig auf mein Bett zu legen?“, bitte ich ihn. Ansonsten komme ich hier nicht weg. Schließlich hält Ruki sich immer noch an meinem Hemd fest. Und erst die Position in der er liegt. Es sieht alles andere als bequem aus. Und sicherlich hat er später deshalb Rückenschmerzen. „Hai. Ich bring dich dann auch noch hoch“, bietest du mir an. Sanft löse ich Rukis Hände von meinem Hemd. Uruha hebt danach Ruki etwas hoch, sodass ich locker unter ihm hindurch schlüpfen kann. Vorsichtig legt er ihn auf das Bett und schnappt sich den Schlafanzug von mir, welcher immer unter dem Kopfkissen liegt. Er hakt sich wieder bei mir ein und zusammen gehen wir hoch ins Gästezimmer. Dort ziehe ich mich erst einmal um und lege mich dann auf das Bett. Es stört mich nicht im geringsten, wenn Uruha mich nur in Unterwäsche sieht. Schließlich hab ich nichts, was er nicht auch hat. Zudem sind wir sehr gut befreundet und uns ist eigentlich nichts peinlich gegenüber dem anderen. Wir haben immerhin schon vieles miteinander erlebt. Auch wenn jeder seine Geheimnisse hat. „Dann schlafe gut, Reirei. Ich bin dann unten und helfe deiner Mum etwas“, teilt er mir mit. Man könnte fast meinen, es wäre auch seine Mutter. Er weigert sich zwar sie „Mutter“ zu nennen, aber trotz allem haben die beide eine sehr gute Beziehung zu einander. Fast schon so, als wäre Uruha ihre Tochter. Aber das geht ja schlecht, immerhin ist er männlich. Auch wenn er absolut nicht männlich scheint, zwischendurch. Ich nicke und falle in einen leichten Schlaf. Trotz des guten Verhältnisses können zwischen den beiden ordentlich die Fetzen fliegen. Gegen Abend spüre ich zwei kleine Hände an mir und im nächsten Moment liege ich schon auf dem Boden. „Ruki?!“, frage ich fassungslos. „Ja?“, antwortet er und du blinzelt mich ganz unschuldig an. „Was sollte das?“, frage ich verärgert nach. Der Sturz tat weh, verdammt! „Mein Bett“, sagst du schmollend. „Du hast mich doch aus meinem vertrieben!“, schreie ich ihn mehr als laut an. Ich rappele mich auf und sehe im letzten Moment noch, wie er sich hastig umdreht und aus der Tür stürmt. Uruha und Aoi würden nie so reagieren und es fällt mir nach wie vor schwer mich an Rukis Verletzlichkeit zu gewöhnen. „Kleiner! Jetzt warte doch!“, rufe ich ihm hinterher. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Aoi hier im Haus ist. Panisch springe ich auf und sprinte die Treppe runter. In meinem Zimmer finde ich dann endlich auch Ruki, welcher von Uruha in den Armen gehalten wird. Irgendwie tut er mir Leid. Bestimmt wurde er von Aoi angestiftet. Warum nur reagiert er so extrem darauf, wenn er angeschrien wird? Was nur ist bei ihm zu Hause schief gelaufen? „Wo ist Aoi?“, frage ich sauer. „Der versteckt sich gerade. Und bitte schreie Ruki nicht so an“, fleht Uruha. „Ja, schon verstanden. Kleiner?“, spreche ich den kleinsten unter uns an. Ruki dreht den Kopf herum und schaut mich mit seinen verheulten Augen an. Wenigstens sehen sie jetzt wieder etwas lebendiger aus als heute Nachmittag. Außerdem sieht er so auch noch unendlich süß aus, aber das ist nur eine Nebensache. „Tut mir unendlich leid, Ruki“, entschuldige ich mich. Er schnieft und kuschelt sich wieder an Uruha. „Er ist unheimlich Reirei“, Uruha hört sich ja richtig ängstlich an. „Lass ihn einfach. Ist Essen schon fertig?“, erkundige ich mich. Ich habe ja heute noch gar nichts gegessen und so langsam kann ich das Hungergefühl nicht mehr ignorieren. „Gleich. Hast du heute schon überhaupt etwas gegessen?“, manchmal frage ich mich, ob Uruha Gedanken lesen kann. „Nein“, gebe ich ehrlich zu. „Reirei du bist echt schlimm“, meint er seufzend. „Wie habt ihr den kleinen wach bekommen?“, frage ich nach. „Der ist von allein aufgewacht und ist dann zu uns in die Küche getapst. Später hat er irgendetwas mit Aoi gemacht und dann hab ich dich schreien gehört und Aoi ist verschwunden“, erklärt mir Uruha. Das war mir ja so klar. Aoi macht so etwas sehr gerne. „Was hab ich nur für nette Freunde“, brummele ich. „Ich hab dir nichts getan, Reirei“, verteidigt sich Uruha direkt. „Ja, Ruha“, meine ich beschwichtigend. Er ist das komplette Gegenteil von Aoi, finde ich. Ich setze mich neben ihn und lehne mich leicht an ihn. „Du bist immer noch nicht ganz auf der Höhe oder?“, fragt Uruha besorgt nach. „Nein, ganz und gar nicht. Ich glaub ich bleib Morgen auch noch zu Hause“, meine ich. Mir geht es wirklich alles andere als gut. Am liebsten würde ich immer weiter schlafen. Sobald ich stehe möchte ich wieder sitzen, da stehen viel zu anstrengend ist. Und denken fällt mir auch in gewisser weise schwer. „Geht es dir so schlecht?“, erkundigt er sich und legt seine Stirn in Falten. „Nicht wirklich. Aber gut geht es mir auch nicht“, schließlich ging es mir in der Schule noch schlechter. Auch wenn sich mein Zustand nur minimal gebessert hat. „Was machst du auch nur für Sachen. Pass auf das du dich nicht erkältest, immerhin warst du der einzige, der in kurzen Sachen gespielt hat“, reibt er mir unter die Nase. Irgendwie bin ich es ja auch selbst schuld. Man spielt ja schließlich nicht in kurzen Sachen mitten im Winter, wenn man nicht mit den Konsequenzen leben will. Eigentlich erkälte ich mich ja so gut wie nie, aber da mein Immunsystem momentan anscheinend eine Weltreise macht ist das kein Wunder. „Du hörst dich auch nicht gut an. Pass auf dich auf Reirei“, bittet mich Uruha. „Ja, werde ich“, seufze ich. „Reita?“, spricht mich Ruki unsicher an. „Ja, Kleiner?“, erwidere ich lächelnd. „Ich mag dich“, nuschelt er und wird ganz rot im Gesicht. „Ich dich doch auch“, mein Lächeln wird noch breiter. Er ist richtig niedlich. Ihm ist vieles schnell peinlich, da er den normalen Umgang mit Leuten im selben Alter nicht gewöhnt ist. Aber genau das liebe ich an ihm. Er ist noch richtig unschuldig im Gegensatz zu uns. „Werde ja wieder schnell gesund“, fleht er mit seinem Dackelblick. „Natürlich, kleiner“, verspreche ich ihm. Ich lache leise, er ist einfach zu niedlich. Ich muss husten, besorgt klopft Uruha auf meinen Rücken. „Ich glaube du bist schon längst krank“, meint Uruha seufzend. Er fühlt meine Stirn und mustert mich kritisch. „Du hast schon Fieber, wie es scheint“, gibt Uruha zu bedenken. „Und Hunger“, meine ich fordernd. „Du bekommst ja gleich etwas“, versichert er mir. Ruki steht auf und geht aus dem Raum, wahrscheinlich sucht er Aoi. Meine Mutter ruft nach uns. Zusammen mit Uruha gehe ich in die Küche. „Reirei hat sich anscheinend heute einen Schnupfen beim Training eingefangen“, teilt Uruha meiner Mutter mit. Warum muss er das meiner Mutter auch noch auf die Nase binden? „Soll ich einen Arzt rufen?“, fragt sie direkt in Sorge. „Nein“, ich huste und spüre, wie rau mein Hals doch ist. „Wann kommen denn die anderen beiden endlich?“, meine ich und langsam verschlechtert sich auch meine Laune. „Das kann noch dauern“, wo Uruha Recht hat, hat er Recht. Nach gefühlten Stunden später kommen die anderen rein und setzen sich zu uns an den Tisch. Endlich gibt es Happa-Happa! Obwohl ich Schwierigkeiten beim schlucken habe, nehme ich dreimal. Man muss sich ja schließlich satt essen. „Ich glaub ich geh wieder ins Bett, gute Nacht“, verabschiede ich mich von den anderen. Nachdem mir auch die anderen eine gute Nacht gewünscht haben, marschiere zurück auf mein Zimmer. Dort angekommen ziehe ich erst einmal die Rollläden runter und lege mich anschließend auf mein Bett. Nach einigen Hustenanfällen später, kann ich auch endlich behaupten, dass ich mich im Land der Träume befinde. --------- Disclaimer: nichts mir, nichts Geld sry bin zur Zeit mit den Gedankn an einem weit entfernten Ort, deshalb gibt's auch keine Kapitel =/ thx für Kommis und fürs lesen~ 31.07.2009: 2993 -> 4089 Wörtern~ Und nur noch ~10Kapitel bis zur Fortsetzung |D 10.05.2018: 4089 → 4873 Wörter Kapitel 12: Schwarze Schatten ----------------------------- Es ist jetzt schon eine Woche her, dass ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Reita habe ich die ganzen Tage gar nicht gesehen, bis auf den ersten und die letzten beiden Tage. Er hatte eine schwere Grippe und wollte nicht, dass ich mich bei ihm anstecke. Es ist schon erstaunlich wie leicht es ist jemanden aus dem Weg zu gehen, der im selben Haus wie man selbst ist. So oft es ging kamen Aoi und Uruha vorbei, damit ich wenigstens nicht allzu oft alleine bin. Ja und heute soll ich wieder zur Schule. Die ganzen Hausaufgaben habe ich nachgeholt und mit der Lehrerin habe ich vereinbart, dass ich die Arbeiten erst nächste Woche nach schreibe. Unruhig sitze ich auf meinem Bett und schwinge meine Beine vor und zurück. Ich bin nervös, denn heute ist es auch das erste Mal, dass ich wieder nach draußen gehe. Langsam aber sicher werde ich unsicher. Was ist wenn mein Großvater jemanden anderen dazu arrangiert hat die Sache zu Ende zu bringen? „Komm Ruki, lass uns gehen“, schlägt Reita vor. „Ja“, meine ich wild nickend. „Du benimmst dich manchmal echt noch wie ein kleines Kind“, lachend piekst er mir in die Seite. „Aoi ist schlimmer“, verteidige ich mich schmollend. „Das glaubst auch nur du“, neckt er mich. „Tatsachen muss man halt glauben“, meine ich und nicke bekräftigend. Er schüttelt kurz den Kopf und ich folge ihm nach draußen. Kurze Zeit fällt es mir schwer zu atmen, da Bilder der Vergangenheit meine Sicht trüben. Reita zieht mich entschlossen mit sich, als er es mitbekommt. Ob diese Flashbacks irgendwann der Vergangenheit angehören werden? „Das wird schon noch Ruki. Bleib einfach weiterhin tapfer“, meint er zuversichtlich. Ich brummele etwas vor mir her und ziehe meine Hand zurück. Er hat leicht reden, da er ja nicht niedergeschossen wurde. Still schweigend gehen wir weiter und ich bin mehr als erleichtert, als ich endlich auf meinem Platz in der Klasse sitze. Ein paar grüßen mir, doch ihre Namen habe ich schon längst wieder vergessen. Nur an den Namen der Klassensprecherin erinnere mich. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie auf mich zukommt. Innerlich seufze ich. Irgendwie habe ich absolut keine Lust auf eine Konversation. „Na Ruki? Wie war die Zeit bei unserem Idioten?“, fragt sie lächelnd. „Reita ist kein Idiot. Die Zeit war sehr schön“, erwidere ich ehrlich. Bei Reita habe ich ein Gefühl von Sicherheit und er gibt mir auch immer wieder zu verstehen, dass man mich gern haben kann. Bei meinen Eltern habe ich mich immer wieder wie ein Eindringling und der Schandfleck der Familie gefühlt. „Nach letzter Woche ist er schon ein Idiot. Aber wenigstens ist er heute wieder kommen. Ich habe schon gedacht, er wird nie wieder gesund“, gibt sie seufzend zu. „Solange war er ja auch nun wieder nicht krank“, verteidige ich den Blonden. „Stimmt, nichts geht über deine Fehltage“, neckt sie. Wie unverschämt ist sie eigentlich? Als hätte ich freiwillig so lange gefehlt! „Ich kann ja auch nichts dafür, wenn ein Irrer mich niederschießt“, erwidere ich empört. „Du nimmst auch jedes Fettnäpfchen mit, oder?“, fragt sie lachend. „Scheint so“, nuschele ich. Scheinbar wollte sie mich nur ein wenig aufziehen. Die Lehrerin betritt den Raum und Gott sei Dank lässt mich das Mädchen alleine. Die ersten Stunden schleichen nur vor sich hin und langsam bereue ich es, mir gegen den Rat von Reita ein Beruhigungsmittel hinter die Kiemen geschoben zu haben. Ich stehe auf und werde direkt von Reita leise angesprochen. „Wohin willst du?“, flüstert er besorgt. „Toilette“, meine ich nur und gehe nach vorne zu unserem Mathelehrer. Ich weiß gar nicht mehr wie er überhaupt heißt. „Kann ich vielleicht kurz auf die Toilette, Herr Lehrer?“, frage ich verlegen nach. Normalerweise gehe ich nie mitten im Unterricht raus. Und da ist es mir egal wie schlecht es mir geht. Schließlich könnte ich ja etwas wichtig verpassen! Und an meiner alten Schule wurden Toilettengänge während der Stunde nur gestattet, wenn man krank ist. „Ja“, antwortet und mustert mich besorgt. Sieht man es mir etwa an, dass etwas nicht stimmt? Ich verlasse noch langsam die Tür, bis ich auf dem Flur angekommen bin. Ich fange an zu sprinten und erreiche gerade noch rechtzeitig die Toiletten. Auf diese Weise wollte ich mein gegessenes Essen definitiv nicht wieder sehen. Keuchend stütze ich mich auf meine Arme und ringe nach Luft. Mehrmals muss ich husten und ich wünsche mir, ich hätte den Fehler nicht begangen. Seufzend wische ich mir den Schweiß von der Stirn und lehne mich an die Kabinenwand. Schwerfällig betätige ich die Spülung und warte darauf, dass es mir endlich besser geht. Doch der ekelhafte Geschmack in meinem Mund macht das alles nicht einfacher. Vielleicht hätte ich wen mitnehmen sollen, für den Fall de Fälle. Aber wenn ich noch länger hier sitze, kommt garantiert wer gucken, sicherlich. Meine Schulter schmerzt wieder höllisch, vielleicht hätte ich mich eben nicht auf dem Arm abstützen sollen? Mir kommt es so vor, als wäre alles nur ein böser, böser Traum. Ich rappele mich auf und wanke zum Waschbecken, wo ich mir erst einmal kräftig den Mund durch spüle. Warum nur fühle ich mich so vollkommen fertig? Ich höre wie sich die Tür öffnet und zwei Personen hastig auf mich zukommen. Als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre, schrecke ich zusammen. „Ruki-san geht es dir nicht gut?“, werde ich gefragt und ich nicke einfach nur als Antwort. Zu mehr bin ich definitiv nicht in der Lage. Leicht wimmere ich als mich erneut eine Woge der Übelkeit heimsucht. Ich wirbele herum und stürze in eine der Kabinen. Geräuschvoll übergebe ich mich und bekomme langsam aber sicher Panik. Jemand schlingt seine Arme von hinten um mich und hält mir notdürftig die Haare aus dem Gesicht. Eher unbewusst lehne ich mich zurück an einen starken Körper. Er streicht mir zaghaft über die Schläfen und Wangenknochen, als ich wieder vor mir her wimmere. „Hol einen Lehrer, Ta-kun!“, weist der eine den anderen an. Nur am Rande registriere ich die Stimme von demjenigen. Was macht Reita hier? Ich schließe langsam die Augen. „Hey nicht einschlafen. Ruki?“, er versucht mich anscheinend wach zu halten. „Reita“, murmele ich seinen Namen. „Dein Hemd ist ja voller Blut an der Schulter“, stellt er fest und besorgt streicht er mir durch die Haare. Ich nicke nur und lasse mich von ihm in eine Umarmung ziehen, kurz nachdem er die Spuren der letzten Minuten fort gespült hat. Es tut so unheimlich ihn gerade bei mir zu haben. Die Tür wird aufgerissen und jemand kommt auf uns zu. „Matsumoto-san?“, fragt der Lehrer geschockt. Ich nicke und schmiege mich weiter an Reita, der mir leicht über die Arme streicht. „Kannst du aufstehen?“, erkundigt sich der Lehrer unsicher. Ich schüttelte leicht den Kopf. „Reita trage ihn am Besten irgendwie zum Schularzt“, gibt er Reita den Auftrag. Ich werde hoch gehoben, woraufhin ich ein kleines Stück meine Augen öffne. „Schön wach bleiben, Kleiner“, bittet mich Reita lächelnd. Ich nicke und kralle mich an ihm fest. „Pass gut auf ihn auf, Suzuki-san“, meint der Lehrer zu dem Blonden. Er trägt mich schweigend aus dem Raum und ich schließe auf dem Weg zum Schularzt wieder die Augen. Meine Umwelt nehme ich kaum noch wahr und die gleichmäßige Abfolge seiner Schritte wiegt mich sanft in den Schlaf. Leicht wird auf meine Wange getätschelt und murrend öffne ich die Augen. Das hier muss wohl das Zimmer des Schularztes sein. Reita fordert mich auf, mich hinzusetzen und eher widerwillig leiste ich folge. Mit kritischem Blick merke ich, dass jemand meine Schuluniform geöffnet haben muss. Reita zieht sie letztendlich auch noch ganz aus und löst langsam und vorsichtig den Verband und die Kompresse von meinem Körper. Mein Magen rebelliert schon wieder und ich habe größte Mühe, dieses zu unterdrücken. Als ich endlich einen freien Oberkörper habe, lasse ich mich zurück auf die Liege sinken. „Was ist los Ruki?“, fragt er in Sorge. Ich ignoriere ihn gekonnt und versuche mich zu entspannen. Er drückt eine neue Kompresse auf die wieder blutende Wunde. „Ich habe deine Tabletten geholt. Gegen Übelkeit und alles, willst du sie haben?“, fragt er nach. Ich nicke leicht und stütze mich auf meinen Unterarmen ab, als er mir die Tabletten in die Hand drückt und ein Glas Wasser bereitstellt. Zitternd schiebe ich mir die Tabletten in den Mund und schlucke sie mit dem Wasser runter. Wann wird dieser Alptraum enden? Oder hat er gerade erst angefangen? „Bleib ruhig Ruki, ja? Willst du vielleicht abgeholt werden?“, erkundigt er sich und legt die Stirn in Falten. Ich nicke leicht und lege mich wieder hin. Wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, wenn ich es heute nicht noch einmal versuche mit der Schule. Allein der Schulweg hat mich vollkommen geschafft. „Ich frag gleich noch einmal die Klassenlehrerin. Erst ruhst du dich etwas aus, damit du wieder halbwegs auf deinen eigenen Beinen stehen kannst“, schlägst du vor. Der Arzt kommt mit einer neuen Kompresse und vielen Mullbinden an. „Du kannst aufhören Akira“, meint der Arzt zu Reita. Ich höre sehr selten seinen richtigen Namen. Dabei ist er eigentlich sehr schön. „Danke“, bedankt sich Reita lächelnd. Ich setze mich wieder auf und lasse den Arzt meine Schulter verbinden. „Am Besten du ruhst deinen Arm noch etwas aus, damit die Wunde nicht wieder aufgeht. Sie ist schon größten Teils wieder zu, aber es wäre ratsam den Arm nicht zu viel zu bewegen“, gibt er mir den Ratschlag. Ich nicke leicht, während Reita mir wieder die Sachen anzieht. „Soll er sich vielleicht noch etwas im Krankenzimmer ausruhen?“, fragt Reita den Arzt. „Wenn er will ja“, meint dieser lediglich. Ich nicke leicht und Reita hakt sich bei mir ein, als ich wieder auf meinen zwei eigenen Beinen stehe. „Gute Besserung Ruki, sag Bescheid wenn es schlimmer wird“, bittet mich der Arzt. Ich nicke leicht und beiße die Zähne zusammen. Darauf hoffend, dass dadurch das Zittern am ganzen Körper etwas nachlässt. Er führt mich wortlos in das Krankenzimmer und ich setze mich auf das nächst beste Bett. Ich lege mich unter die Bettdecke und schlinge sie so fest ich kann um mich. Irgendwie ist mir ganz schön kalt. Reita zieht während dessen die Vorhänge zu und mustert mich kritisch. „Ich werde der Lehrerin Bescheid sagen, sie kommt bestimmt gleich nach dir gucken. Schlaf bis dahin etwas“, bittet er mich. Ich nicke und schließe die Augen. Die Vorhänge rascheln und Angst erfüllt mich. Ich kann hier nicht alleine bleiben, dann wäre ich nämlich meinen Dämonen schutzlos ausgeliefert. Leise hauche ich deinen Namen und hoffe du bist noch nicht gegangen. Die Vorhänge rascheln erneut. Träge öffne ich die Augen. „Ja, Ruki?“, fragt er verwirrt nach. „Bitte bleib hier“, flehe ich. „Hab doch keine Angst, bitte“, verzweifelt guckt er mich an. „Ich will nach Hause“, teile ich ihm mit und gucke ihn traurig an. „Jetzt fange nicht schon wieder damit an“, meinst du genervt. Ich wimmere leise und kauere mich Schutz suchend zusammen. Bin ich ihm etwa Leid? Warum ist er denn jetzt plötzlich genervt? Die Tür wird geöffnet und ich verziehe mich ganz unter die Bettdecke. Der Vorhang raschelt, schon wieder. „Matsumotu-san?“, fragt jemand leise. „Lassen Sie ihn am Besten etwas in Ruhe. Haben Sie meine Mutter erreicht?“, fragte Reita höflich nach. „Nein. Ich würde Sie Ihn ja gerne nach Hause bringen lassen, aber dann müssten Sie wieder zurück zur Schule kommen“, meint die Frau. „Ich kann ihn unmöglich alleine zu Hause lassen. Er hat momentan extreme Angst vor dem allein sein“, gibt Reita zu bedenken. „Schon klar. Ich werde noch einmal Absprache mit dem Direktor halten. Geht es ihm ein bisschen besser?“, erkundigt sie sich nach meinem Zustand. „Nicht viel“, meint er. „Hat er Drogen genommen?“, fragt die Lehrerin gerade heraus. Auf was für Ideen kommt bitte die Frau?! Mir würde es gar nicht in den Sinn kommen illegale Substanzen zu mir zu nehmen. „Das sind die Beruhigungsmittel. Sie entfalten gerade ihre ganze Bandbreite an Nebenwirkungen“, rechtfertigt er sich. Hoffentlich ist es nur das und nicht eine neue bzw. alte Seite der Erkrankung. Ich habe schon länger Angst davor, dass das mit dem Essen nicht in sich behalten können wieder Normalität werden könnte. „Denkst du deine Mutter kommt gleich nach Hause?“, fragt sie nach. Reita verneint die Frage. Wenn ich nicht nach Hause gehen kann, was mache ich dann? Reita kann ja nicht den ganzen Tag an meiner Seite bleiben. „Ich lass euch gleich eure Sachen bringen. Bitte halt Ruki etwas bei Laune, Ja?“, bittet sie den Blonden. „Ja, werde ich machen“, erwidert er und sein Lächeln hört man schon fast heraus. „Denkst du er ist morgen wieder halbwegs fit?“, fragt sie hoffnungsvoll. „Klar, die Nebenwirkungen lassen sowieso in ein paar Stunden nach. Und danach müssen wir halt Mal schauen“, erwidert er mit fester Stimme. Bist du dir da ganz sicher, Reita? Und was ist wenn es mir dann immer noch so dreckig geht? „Versuch ihn am Besten etwas von den Tabletten weg zubringen. Ich bin mir sicher, dass er es auch ohne schafft“, meint die fremde Person zuversichtlich. Wie kann sie sich da so sicher sein? Sie weiß doch gar nichts über mich. „Der Meinung bin ich ja auch, aber er zeigt zurzeit einfach zu wenige Gefühle. Ich kann ihn schlecht einschätzen, ob er nun durchhält oder nicht“, gesteht Reita. Dabei zeige ich dir doch am meisten meine Gefühle, oder? Oder meint er ich rede nicht genug über diese? „Und der Psychologe macht nur noch mehr Probleme, oder?“, hakt sie weiter nach. „Ja, sowie es aussieht“, antwortet Reita. Leider komme ich mit dem Psychologen absolut nicht so recht. Mir fällt es schwer im zu vertrauen und vor allem fällt es mir schwer ehrlich zu ihm zu sein. Ich schlage die Decke zurück und beobachte die beiden kritisch. „Er ist ja doch noch wach. Matsumoto-san geht es ihnen wieder besser?“, fragt sie mich direkt. „Ja“, erwidere ich immer noch ein wenig schwach. „Gute Besserung und hoffentlich bis Morgen“, meint die Klassenlehrerin lächelnd und geht wieder. Warum habe ich sie nicht an der Stimme erkannt? Wahrscheinlich weil es sich durch die Decke so komisch gedämpft angehört hat. Sie bemüht sich schon ziemlich um mich und hat mehr in der kurzen Zeit getan als meine alte Klassenlehrerin innerhalb von einem Jahr. Reita kommt näher auf mich zu, um mir beruhigend über die Wangenknochen zu streichen. „Du hast abgenommen, schon wieder“, meint Reita tadelnd. „Ja, glaube schon“, bestätige ich und traurig gucke ich auf die Decke. Ich will eigentlich nicht abnehmen. Aber da ich nie Hunger habe, esse ich einfach viel zu wenig. Zudem schaffe ich immer nur kleine Portionen und habe kein Interesse daran sehr viele von diesen über den Tag verteilt zu mir zu nehmen. Wenn mich keiner ans essen erinnert, dann lasse ich es meistens ganz sein. Durch die Essstörung habe ich mir jegliches Hungergefühl abtrainiert und das wird momentan zum Verhängnis. „Ach Kleiner“, seufzend tätschelt er mir den Kopf. „Es tut mir Leid, das war nicht mit Absicht“, entschuldige ich mich direkt. „Ist doch nicht schlimm. Ich habe dich trotzdem noch gern und bin deshalb nicht sauer auf dich. Du solltest aber trotzdem mehr darauf achten“, meinst du beruhigend. „Was machen wir zu Hause?“, frage ich nach. „Deine Haare färben, ja?“, schlägt er vor. Wie kommt man denn bitte auf so eine Idee? Erlaubt das die Schule überhaupt? „Okay. Mir geht es auch schon ein wenig besser“, meine ich lächelnd. „Das ist gut zu hören. Aber du kommst trotzdem gleich nach Hause, dass es dir besser geht hat noch lange nichts zu bedeuten“, weist mich Reita darauf hin und viel sagend schaut er mich an. Die Tür wird geöffnet und geschlossen und kurze Zeit später erscheint Ta-kun bei uns. „Na Ruki, geht es wieder etwas?“, fragt er lächelnd, als er mich so gut gelaunt sieht. „Ja“, erwidere ich strahlend. Auf jeden Fall hat die Übelkeit etwas nachgelassen. „Reita darf dich jetzt nach Hause bringen. Komm morgen ja wieder“, bittet er mich. Ich nicke, rappele mich etwas hoch und schwinge die Beine über die Bettkante. Reita kommt direkt ein Stück näher und hilft mir aufzustehen. Meine Beine sind weich wie Pudding und geben letztendlich doch nach. Ich sacke nach unten und reiße fast Reita mit. Er zieht mich wieder etwas hoch und drückt mich zurück auf das Bett. Warum nur kann ich noch nicht einmal alleine stehen? So schlimme Nebenwirkungen hatte ich schon lange nicht mehr. „Ich schaff das nicht Reita“, meine ich weinerlich. „Na klar schaffst du das, Ruki“, versichert mir Reita. „Soll ich ein Taxi rufen, Reita?“, bietet der Klassensprecher an. „Lass mal stecken Ta-kun“, meint Reita lachend. „Bist du dir sicher Reita? Du kannst ihn schlecht mit der Bänderüberdehnung den ganzen Weg tragen“, gibt Ta-Kun zu bedenken. „Ja, da hast du recht Ta-kun. Ich trag ihn trotzdem lieber die Strecke nach Hause, anstatt mit einem Taxi zu fahren“, erklärt er ihm. „Wie du meinst. Ich bring euch zwei dann noch bis zur Tür“, gibt sich Ta-kun geschlagen. Ta-kun scheint wohl so ein Verhalten von Reita zu kennen. Er ist aber auch wahnsinnig stur. Ich nicke leicht und ziehe mich an Reita hoch. Meine Beine sind mehr als wackelig und er schlingt seine Arme direkt um meine Taille. Aber dieses Mal bleibe ich stehen und meine Beine geben nicht einfach nach. „Bleib stark kleiner“, meint Ta-kun und hält uns die Türe auf. „Trägst du die Taschen noch bis zum Schultor?“, fragte Reita höflich. „Ja“, meint der Klassensprecher. Zusammen gehen wir bis zum Schultor, wo Ta-kun Reita die Taschen um den Hals hängt. „Na dann einen guten Nachhauseweg und passt auf euch auf. Dann bis Morgen und gute Besserung Ruki“, lächelnd verabschiedet er sich von uns. „Danke Ta-kun“, murmele ich erschöpft vor mir her. Es sind nur noch wenige Straßen, bis wir endlich ankommen müssten. Bei jedem Schritt dreht sich alles mehr und mehr und ich drohe langsam oder sich zusammenzubrechen. Meine Sicht verschwimmt immer und mir ist wahnsinnig schlecht. Ein letztes Mal noch greife ich Halt suchend nach Reitas Oberarmen und greife ins Leere. Ich spüre kaum wie ich zu Boden falle und auch Reitas Rufen hört sich mehr als gedämpft an. Langsam öffne ich die Augen und blinzle erst ein paar Mal. Zitternd nehme ich das nasse Tuch von meiner Stirn und drehe mich auf die Seite. Wie lange ich wohl ohnmächtig war? Draußen ist es schon dämmrig und ich mir sicher, ich bin noch im hellen von der Schule losgegangen. Ich fühle mich richtig erschlagen. „Ah Ruki du bist wieder wach“, flüstert Reita. Mit müdem Blick drehe ich mich um und gucke in das grinsende Gesicht von Reita. „Geht es dir wieder besser?“, fragt er besorgt. „Ja, ich denke schon“, erwidere ich. „Ich hatte die Lehrerin aus purer Verzweiflung angerufen. Und sie hat gemeint es wäre wahrscheinlich alles in Ordnung. Ich soll dich nach Hause bringen und abwarten“, erzählt er mir. Das war wohl auch das Beste. Ich will ja schließlich nicht schon wieder in fremden Räumen aufwachen! Ich wache viel lieber bei Reita zu Hause auf. Dieses Haus gibt mir immer noch Sicherheit, auch wenn ich genau vor der Haustüre angeschossen wurde. Und ich hasse es einfach, wenn ich nur wegen einem einfachen Kreislaufzusammenbruch von einem Arzt untersucht werden soll. „Aber dir geht es gut, oder?“, fragst du immer noch besorgt. „Mir ist nur schlecht und ich bin ein wenig müde“, versichere ich ihm. „Dann esse erst einmal etwas und dann, dann sehen wir weiter“, meinst du lächelnd. Ich richte mich etwas auf und rutsche soweit nach hinten, dass ich mich am Kopfteil des Bettes anlehnen kann. Reita beginnt mich mit Reis und Gemüse zu füttern und ich bin mehrmals kurz davor, einfach dabei ein zu schlafen. „Meine Mum will, dass du Morgen auch noch etwas zu Hause bleibst. Also tue mir einen Gefallen und lass die Finger von Tabletten“, bittet mich Reita. „Ja“, erwidere ich und grabsche nach seiner Hand und spiele etwas mit den Fingern. Wäre mir nur nicht so verdammt langweilig. Am liebsten würde ich einfach weiter schlafen. „Die Haare färbe ich dir dann erst Morgen. Blau-schwarz mit etwas rot?“, meinst du lachend. Ich quieke leicht auf. Was will der bitte schön aus mir machen?! „Das war Aois Idee! Also ich finde sie toll. Lass und das einfach mal machen“, meint er beschwichtigend. Ihr macht mir langsam echt Angst! Worüber reden die, wenn ich nicht dabei bin? Ich nicke und hebe meinen Blick etwas um Reita in die Augen sehen zu können. Es erste Mal in meinem Leben kann ich behaupten, dass ich mich sicher in der Nähe eines Menschen fühle. „Schlaf etwas Ruki. Ich geh jetzt auch runter schlafen“, schlägt er vor. Schlafen hört sich echt gut an. Obwohl ich heute so viel geschlafen habe, bin ich immer noch verdammt müde. Ich nicke leicht und lege mich wieder richtig aufs Bett. „Schlaf gut, Kleiner“, wünscht er mir. „Gute Nacht, Reita“, wünsche ich ihm. Ich seufze leise und schließe die Augen. Es ist langweilig geworden definitiv. Den ganzen Tag nichts zu tun ist einfach nichts für mich. Als ich bei meinen Eltern war hatte ich meine komplette Freizeit mit lernen verbracht. Damit ging ich meinem Vater am wenigsten auf die Nerven und somit konnte ich auch zusätzlichem Ärger aus dem Weg gehen. Langsam schippere ich zurück ins Traumland. Sanft um spielen die Sonnenstrahlen meine Nase und bringen mich zum Niesen. Gähnend stehe ich auf und watschele die Treppe runter in Reitas Zimmer. Er ist anscheinend schon weg, naja was soll es. Vor mir her brummelnd schalte ich den PC ein und lege mich noch einmal eine Runde auf sein Bett. Nach einiger Zeit stehe ich wieder auf und logge mich ein. Auch hier wurde mir ein rosa Account eingerichtet, na besten Dank auch. Ich öffne mal wieder das Schreibprogramm und fange an zuschreiben. Habe ja sonst nichts zu tun, wie es scheint. Es ist auch sonst keiner zu Hause und so wirklich auf ein Buch oder den Fernseher kann ich mich ohnehin nicht konzentrieren. Obwohl sie mich kaum kennen haben sie kein Problem damit mich vollkommen alleine hier in diesem Haus zu lassen. Als es schon Nachmittag ist, speichere die Geschichte ab und begebe mich in die Küche, wo ich mir etwas zu Essen aus dem Kühlschrank hole. Während ich gemütlich vor mir her vegetiere kommt auch langsam aber sicher Reita nach Hause. Ich falle ihm direkt um den Hals. „Warum denn so stürmisch, Ruki?“, meint er lachend. „Ich habe dich vermisst und mir ist langweilig“, erwidere ich schmollend. „Ich will kein Mittel zum Zweck sein“, meinst du beleidigt. „Bist du auch nicht“, versichere ich ihm. „So komme ich mir aber gerade vor“, erwidert er und guckt mich traurig an. „Tut mir Leid. Hat irgendeiner noch was zu gestern gesagt?“, frage ich neugierig nach. „Nein, hat keiner. Außer dass du ruhig sagen kannst, wie mies es dir geht. Und außerdem soll ich dir gute Besserung wünschen“, antwortet er grinsend. Vielleicht hätte ich wirklich von Anfang an Klartext sprechen sollen. Dann wäre manchen Leute viel Arbeit erspart geblieben. Am Besten wäre es sowieso gewesen, wenn ich die Tablette nicht genommen hätte. „Dir geht es doch wieder gut?“, fragt er verdutzt nach. Anscheinend verwirre ich ihn immer noch, wenn ich nicht auf alles direkt eine Antwort gebe. „Besser wie gestern auf jeden Fall“, versichere ich ihm lächelnd. „Uruha kommt auch gleich“, klärst du mich auf. „Wieso?“, frage ich verwundert nach. „Der will dir die Haare färben“, meinst du lächelnd. „Sind wir heute alleine hier?“, erkundige ich mich. Es war ja schließlich heute keiner aus mir hier, oder? „Ja, das sind wir. Mein Stiefvater ist auf Geschäftsreise, meine Oma bei meiner Tante und meine Mum ist bei ihrem Bruder“, erklärt er mir. Also haben wir sozusagen sturmfrei und können machen was wir wollen. „Das kann ja noch etwas werden“, merke ich an und seufze leise. Reita drückt mich sanft von sich und ich gehe ihm vor ran in sein Zimmer. Dort angekommen setze ich mich erst einmal auf sein Bett. „Ich habe deine Hausaufgaben dabei. Kannst sie ja jetzt schnell machen“, meinst du plötzlich. „Muss das sein?“, frage ich genervt. „Ansonsten bekommst du massig Ärger“, mahnend schaut er mich an. „Uhm…“, erwidere ich lediglich. Seufzend erhebe ich mich, um mich an seinen Schreibtisch zu setzen. Wie ich Hausaufgaben doch hasse. Leise vor mir hin summend drehe ich den Stift in meinen Händen und gucke Reita dabei zu, wie er verzweifelt nach seinem Hausaufgabenheft sucht. Seit ich bei ihm bin, gleicht sein Zimmer einem Schlachtfeld, sogar Uruha ist das schon aufgefallen. Es klingelt und ich springe auf, renne im rasenden Tempo zur Tür, die ich auch direkt mitnehme. Mein Anhalteweg war doch länger als erwartet. Hastig öffne ich diese und blicke in zwei Paar braune Augen. Ich habe gedacht nur Uruha kommt und das ohne Aoi? Naja sei es darum. Ich umarme beide kurz und lasse sie eintreten. „Du bist echt niedlich, wenn du dich so verhältst, Ruki“, meint Aoi quietschend. „Ich bin nicht niedlich!“, erwidere ich verärgert. „Wie ein kleines Kind bist du, keine Widerrede“, böse schaut mich der schwarzhaarige an. „Ich bin kein kleines Kind, riesiger Idiot!“, beleidige ich ihn. „Lieber ein riesiger Idiot als zurückgeblieben in der körperlichen Entwicklung!“, neckt er mich weiterhin. „Du hast doch keine Ahnung!“, rechtfertige ich mich und langsam sammeln sich die Tränen an. Ich habe größte Mühe diese zurück zuhalten und Aoi nicht diese Genugtuung zu geben. „Natürlich habe ich davon Ahnung!“, weist er er mich zu recht. „Bei weitem nicht!“, erwidere ich und funkele ihn wütend an. „Och wie niedlich, allein dieser Blick“, provoziert er weiterhin. Wütend stapfe ich auf ihn zu und werde bei halbem Wege von Uruha in den Arm genommen. „Komm beruhige dich wieder. Und du Aoi hör auf ihn immer zu ärgern. Du weißt genau, dass er Ruhe braucht“, tadelt Uruha Aoi direkt. „Ist ja schon gut Uruha“, meint Aoi nur schmollend. Reita kommt langsam um die Ecke geschlendert und guckt uns fragend an. „Wollt ihr etwa im Flur übernachten? Naja meinetwegen. Uruha du kannst Ruki hier unten im Bad die Haare färben und schneiden, du Aoi hilfst mir beim Schlafstätten aufrichten im Gästezimmer“, weist uns Reita alle zu Recht. Ich trotte langsam hinter Uruha ins Badezimmer und setze mich dort auf den Rand der Badewanne. „Du hast dir schon Mal damit die Haare gefärbt?“, fragt er und hält eine Packung hoch. Ich nicke und sorgsam mustere ich ihn. Ich werde aus ihm einfach nicht schlau. Schweigend verbringen wir die Zeit, während dem Haare färben und dem anschließendem Farbe auswaschen. Auch als er mir die Haare schneidet, verweilen wir im Stillen. Der Föhn ist mehr als angenehm warm. Als er fertig ist, gehen wir zusammen hoch zu den anderen beiden. Er ist so schrecklich einfühlsam und manchmal habe ich Angst davor, dass ich ihn mit einer Art zu sehr belaste. Ich bin schrecklich anhänglich und depressiv und gehe ihm wahrscheinlich wie Reita damit unheimlich auf den Keks. „Du bist ja jetzt noch süßer, klein Ruki“, teilt mir Aoi mit und umarmt mich störmisch. Ich knurre leise und drücke ihn leicht von mir und gehe zu Reita. „Das steht dir echt Ruki. Es macht dich ein wenig frecher und es passt wunderbar zu deinem roten Schlafanzug mit den gelben Noten drauf“, meint er und irgendwie ist mir gerade jetzt genau dieser Schlafanzug peinlich. Aber ich bedanke mich trotzdem, da er es wahrscheinlich nicht böse meint. „Für Tatsachen bedankt man sich nicht, Kleiner“, meint er lächelnd. Ich gähne und krauche unter die Bettdecke. Irgendwie bin ich jetzt schon müde, dabei ist es noch gar nicht so spät und so wirklich aktiv war ich ja heute auch nicht. Oder liegt es einfach daran, dass mein Körper sich immer noch von der Schussverletzung erholen muss? „Bist du dir sicher, dass es dir gut geht Ruki?“, fragt mich Reita direkt in Sorge. „Ich denke schon“, erwidere ich erschöpft. „Was hast du denn, kleiner?“, fragt Aoi seufzend. „Bin gerädert“, murmele ich. „Ach Ruki-chan. Soll Mama Aoi dich ins Krankenhaus bringen?“, bietet mir Aoi neckend an. Seine wann zum Teufel ist Aoi Mutter oder Tante oder was auch immer geworden?! „NEIN!“, schreie ich direkt verneinend. „Schrei nicht so Ruki“, bittet Aoi mich. Ich nicke und lege mich bequemer hin. Sicherlich werden mich die drei die ganze Nacht wach halten. Dabei brauch ich Schlaf, wenigstens ein paar Stunden. Ich versuche einzuschlafen, doch ich scheitere kläglich. Ich lausche ihren Gesprächen, um mich wenigstens etwas ablenken zu können. Leicht lächle ich, als Reita Aoi eine runter haut. Ist er immerhin auch selbst Schuld, man kann auch einfach mal seine Späße sein lassen, bevor es zur Katastrophe kommt. „Klein Ruki ist ja auch noch wach“, meint Aoi lächelnd. Manchmal ist er ein ganz schöner Blitzmerker. „Warum auch nicht?“, fragt Reita. „Kleine Kinder sind normalerweise zu dieser Uhrzeit schon längst am pennen“, provoziert mich Aoi. Ich bin weder klein, noch ein Kind! „Aoi, ich habe dir schon heute Mittag nahe gelegt, dass du ihn nicht ärgern sollst“, meint Uruha. „Das war heute Mittag und nicht jetzt“, gibt Aoi zum Besten. „Sei einfach ruhig und lass ihn in Ruhe“, meint Reita schroff. „Ach ist der Winzling etwa empfindlich?“, fragt Aoi. „Aoi!“, mahnt Reita ihn noch einmal. „Wie kann man nur so sensibel sein“, gibt Aoi genervt von sich. Ich drehe mich um und verkrieche mich unter die Bettdecke. „Siehst du was du angerichtet hast?!“, verteidigt mich Reita. „Hey ist schon gut, hab verstanden“, meint Aoi abwehrend. Stumm rollen mir die Tränen über die Wangen. Bin ich wirklich so sensibel? Aber nach all dem was ich durch gemacht habe, ist es doch verständlich? Lieber sensibel, als total abgestumpft. „Ruki, alles okay?“, fragt Reita mich besorgt. Ich schlinge die Bettdecke fester um mich und wische mir notdürftig mit dem Handrücken über das Gesicht. Ich weiß nicht, ob ich wirklich okay bin. Warum muss ich nur immer sofort anfangen zu weinen? Ich bin doch kein Kind mehr. „Ich geh mal kurz mit Aoi raus. Okay Ruki?“, klärt mich Uruha auf. Ich höre wie die Tür geht und jemand näher kommt. Dieser jemand rüttelt ein wenig an mir, bevor er die Bettdecke sanft aus meiner Umklammerung reißt. Eher widerwillig lasse ich das zu. „Was ist denn los, Ruki?“, fragt Reita interessiert nach. „Warum muss er mich immer so ärgern?“, frage ich schluchzend. „Das ist halt Aoi, mach dir nichts daraus“, versucht er mich zu beruhigen. „Es tut aber weh“, bringe ich zwischen den Schluchzern hervor. „Hey ganz ruhig“, bittet er mich und sanft streicht er mir über die Wange. Immer wieder streicht er die Tränen weg, aber ich kann einfach nicht aufhören zu weinen. „Warum?“, frage ich verletzt nach. „Ich weiß nicht warum er dich so ärgert“, stellt er traurig fest. „Aber“, setze ich zum sprechen an. „Ganz ruhig Ruki. Ich rede morgen noch einmal mit ihm, okay?“, bietest du mir an. Ich nicke leicht und greife nach seiner Hand, drücke diese leicht. Ganz langsam hören die Tränen auf zufließen. „Geht es wieder etwas?“, fragst du lächelnd. „Denke schon“, teile ich ihm mit. Vielleicht muss ich mich erst einmal an die Sprüche von Aoi gewöhnen. Ich bin das einfach nicht mehr gewöhnt, dass man Personen auch liebevoll necken kann. Meine Klassenkameraden haben das immer gemacht um mich zu verletzen und sie wussten halt welche Knöpfe sie für einen größtmöglichen Schaden drücken mussten. Er zieht mich etwas hoch und umarmt mich. „Du bist blass. Ist sonst alles in Ordnung?“, fragt er besorgt. „Mir ist schlecht“, antworte ich. Oder eher mir ist etwas Flau im Magen. Vielleicht ist es auch nur das fehlende Essen, was sich langsam bemerkbar macht. Oder mir ist von der ganzen Aufregung schlecht. „. Sollen wir vielleicht etwas raus gehen?“, schlägt er vor. „Zu kalt“, meine ich lediglich. „Lass uns in Bad gehen, damit du dir dein Gesicht waschen kannst“, startest du einen erneuten Versuch um mich zum Aufstehen zu bewegen. Er löst die Umarmung und ich stehe auf, um ihm ins Bad zu folgen. Dort angekommen wasche ich mir erst einmal mit Seife und kaltem Wasser das Gesicht. „Du kannst ja jetzt deine Hausaufgaben machen. Ich muss sie auch noch machen“, schlägt er vor und guckt mich lächelnd an. Schweigend gehen wir in sein Zimmer, wo ich mich auf dem Bett niederlasse. Er hält mir meine Hefte vor dir Nase und sein Hausaufgabenheft. „Wenn du irgendwo nicht weiter kommst, sag es ruhig“, meinst du. Ich nicke bestätigend. Sorgfältig erledige ich die Hausaufgaben und schaue ab und an aus dem Fenster. Ich bin mir mehr als unsicher, wie ich mich gegenüber Aoi verhalten soll. Er kann zwar nett sein, aber mit seinen Witzen tritt er mir einfach zu Nahe. Denn er weiß nicht, was passiert ist. Und darüber bin ich auch mehr als froh. Aber wie soll er auf mich Rücksicht nehmen, wenn er gar nicht weiß was mich alles triggert? „Ruki du bist ja total blass. Stimmt irgendetwas nicht?“, fragt Uruha, als er eintritt. Ich schüttele den Kopf und beim Gähnen halte ich mir notdürftig die Hand vor den Mund. Gott sei Dank bin ich schnell fertig mit den Aufgaben. Reita ist auch gerade fertig geworden. „Reita?“, spreche ich den Blonden an. „Ja, Kleiner“, verwirrt guckt er mich an. „Ich schlafe lieber hier unten“, sage ich. Vielleicht finde ich dann eher zur Ruhe und schaffe es ein paar Stunden zu schlafen. „Wieso? Hast du Angst vor Aoi?“, hakt er nach und guckt mich fragend an. „Ich will etwas allein sein und nachdenken“, antworte ich knapp angebunden. „Willst du vielleicht darüber reden?“, fragst du direkt nach. Ich lehne sein Angebot dankend ab. „Aber sag Bescheid, wenn irgendetwas ist“, meint er mahnend. „Werde ich schon. Weckst du mich morgen?“, frage ich lächelnd. „Ja, kann ich machen“, und dieses Mal erwidert er auch mein Lächeln. Das Schulzeug räume ich vom Bett, bevor ich unter die Bettdecke krauche. „Dann träume was schönes. Ich geh dann hoch“, verabschiedet sich Reita. Uruha nickt zustimmend und ich murmle ein „Gute Nacht“ vor mir her. Ich ziehe die Bettdecke bis zur Nasenspitze, als das Licht ausgeht. Wie ich Dunkelheit doch hasse. Sie erinnert mich immer wider an längst vergangenes, an qualvolle und ungewisse Stunden in der Nacht. Ich hauche mir etwas in die Hände, um wenigstens etwas die Kälte von mir zu vertreiben, die mich von innen heraus auffrisst. Es hilft nichts, ich weiß nicht wie lange ich nun zitternd hier liege. Meine Muskeln schmerzen schon und die Angst treibt mir den Schweiß auf die Stirn. Auch wenn ich vor Aoi dann noch schlechter dastehe, am Besten gehe ich einfach hoch zu anderen. Ich kann noch nicht einmal sagen wovor ich gerade ganz konkret Angst habe. Erst kann ich mich kaum auf den Beinen halten als ich aufstehe, doch nach einer Weile geht es. Ich renne schon regelrecht hoch, soviel Angst habe ich. Erst als ich vor der Tür stehe, bemerke ich, wie lächerlich ich mich verhalte. Schwer atmend lasse ich mich an der Flurwand runter rutschen. Ich will mich so nicht den anderen zeigen, nachher hassen sie mich. Ich muss mich endlich erwachsener benehmen und nicht mehr wie ein kleines verängstigtes Kind. Panisch krauche ich den Flur entlang, als die Zimmertür aufgeht. „Hey bleib stehen Ruki“, meint jemand lachend. Ich atme erleichtert auf, da es nur Reita ist. „Re-Reita?“, frage ich trotz allem ängstlich nach. „Warte Mal Ruki“, meint er immer noch lachend. Er schaltet das Flurlicht an und kommt ein bisschen näher und hält mir eine Hand hin. Dankend nehme ich das Angebot an und ziehe mich an der Hand hoch. „Also was ist los Ruki?“, fragst du besorgt nach. „Können wir vielleicht unten reden?“, bitte ich ihn. Er guckt mich leicht verwundert an, folgt mir aber trotzdem nach unten in die Küche, wo wir uns auf zwei Stühle setzen. „Jetzt sag nur du hattest eben Angst rein zukommen?“, fragt er verwundert nach. Ich bestätige unsicher seine Vermutung. „Nur wegen Aois Worten? Nimm dir diese doch nicht zu Herzen. Klar bist du manchmal ein wenig überempfindlich, aber das ganze ist ja auch verständlich. Du hast halt kein Selbstwertgefühl, weil du immer so untergeordnet wurdest“, meint er und kippt auch noch zusätzlich Salz in die Wunde. „Aber“, verteidige ich mich. „Nichts aber! Ruki, lass dir einfach nichts von ihm gefallen. Dann bist du halt sensibel, na und? Nimm dir solche Sachen einfach nicht zu Herzen“, teilt er mir ziemlich schroff mit. „Aber“, setze ich wieder zur Verteidigung an. „Ruki!“, tadelnd schaut er mich an. Nervös spiele ich mit meinen Fingern unter dem Tisch. „Komm lass uns hochgehen. Morgen sieht die Welt eh wieder anders aus“, versichert er mir. Bist du dir da ganz sicher? „Rei“, murmele ich leise. „Ach komm Ruki, ein Lächeln steht dir. Also lächle“, meinst du aufmunternd. „Nein“, mein Lächeln gleicht einer Maske. Er stellt sich hinter mich und zieht meine Mundwinkel nach oben. „So geht das“, meinst du lachend. Ich lehne mich zurück und entweiche so der Quälerei. „Ist sonst noch irgendetwas Ruki?“, fragst du verdutzt nach. Ich verneine es und beiße mir auf die Unterlippe. Warum kann er mich nur wie ein offenes Buch lesen? „Auf deiner Stirn steht gerade groß und fett: Lüge“, stellt er fest. „Lass mich nicht allein, bitte“, flehe ich. „Habe ich auch nicht vor“, versichert er mir. „Können wir vielleicht noch ein paar Minuten hier bleiben?“, bitte ich ihn. „Nein, du siehst erst einmal zu, dass du hoch unter deine Decke kommst. Oder willst du weiterhin einem gerupften Hahn Konkurrenz machen?“, meint er und streicht lachend über meine die Arme. „Das will ich nicht“, eine Decke hört sich nicht schlecht an. Ruckartig drehe ich mich um und umarme ihn. Nach einer kurzen Weile spüre ich, wie auch er seine Arme um mich schließt. „Also, was liegt dir wirklich auf dem Herzen?“, stochert er weiter nach. „Ich habe Angst, davor zur sterben“, meine ich weinerlich. „Warum solltest du ausgerechnet jetzt sterben?“, fragst du verwundert nach. „Mein Großvater hat vor Jahren meine Oma in den Tod getrieben“, soweit ich das mitbekommen habe. „Das ist doch schon Jahre her“, erwidert er lediglich. „Aber“, versuche ich zu widersprechen. „Mach dir keinen Kopf darum“, gibt er mir den Rat. Wie soll das denn machen, wenn mich diese Angst einfach nicht in Ruhe lässt? „Ich wette mein Großvater, hat meinen Vater auf mich gehetzt“, und das glaub ich langsam mehr als alles andere. „Wie kommst du darauf?“, fragst du verdutzt. „Ansonsten würde mir die Polizei doch irgendetwas sagen“, schließlich geht es bei diesem Fall um mich! „Nicht unbedingt“, meint er und runzelt die Stirn. „Warum erfährt es dann nicht das Opfer?“, frage ich nach. „Ich erkenne dahinter selbst keine Logik“, antwortet er. „Warum beschuldigen sie meine Eltern und meinen Großvater, nur wegen so einer Kleinigkeit?“, bei jedem Wort werde ich lauter, bis ich vollends in Tränen ausbreche. „Hey beruhige dich. Mach dir keinen Kopf darum“, bittet er mich abermals. Mein Schluchzen wird immer lauter und halt suchend kralle ich mich am ihm fest. Warum lassen sie mich so im Dunkeln tappen und warum bekomme ich als einziger nichts von all dem gesagt, was gemacht wird? Betrifft es nicht mich am meisten? Er drückt mich fest an sich und zieht mich auf seinen Schoß, als er sich auf einen Stuhl setzt. „Komm Ruki, so änderst du die Lage auch nicht“, meint er. Mein Schluchzen wird weniger, aber die Verzweiflung steigt. Was soll ich machen? Wie um Himmels Willen kann ich Licht ins Dunkle bringen? „Ganz ruhig. Es wird sich sicherlich alles klären, die nächste Zeit“, versichert er mir zuversichtlich. Erst die nächste Zeit? Wie lange soll ich noch diese schier unendlichen Schmerzen aushalten? Wie lange soll mich noch diese Kälte von innen heraus zerfressen? Er hebt mich hoch und trägt mich zurück zu den anderen aufs Zimmer. Schutz suchend vergrabe ich mein Gesicht in seinem Schlafanzugsoberteil. „Reirei was ist passiert?“, was geht es dich noch an, Aoi?! „Was soll schon groß passiert sein? Du bist passiert“, meint Reita patzig. „Sorry, das wollt ich echt nicht“, entschuldigt sich Aoi. Ich spüre wie mich jemand näher an Reita drückt und eher unbewusst fange ich wieder an zu weinen. „Lass ihn lieber etwas in Ruhe, Aoi“, weist Reita Aoi zu recht. „Aber das wollt ich echt nicht“, seine Stimme zittert beim Sprechen. „Aoi, lass gut sein. Ich bin mir sicher, Ruki verzeiht dir. Nur bedränge ihn nicht“, bittet Uruha. „Ja“, meint Aoi traurig. Er lässt uns zwei wieder in Frieden und Reita legt mich vorsichtig auf dem Bett ab. „Ruki ist ja leichenblass“, stellt Aoi fest. Aoi halt bitte deinen Mund. „Das wird schon wieder“, meint Reita. „Hoffentlich Reirei“, erwidert Aoi. Und wenn es nicht besser wird, dann ist es doch auch kein Problem für dich, oder Aoi? Ich schließe die Augen, denn zu sehr brennt das Licht in meinen Augen. Licht, das die Dunkelheit meines Körpers erhellt. Etwas, wovor er sich schützen will, immer und immer wieder. Jemand deckt mich zu und streicht mir die Haare aus dem Gesicht. Zufrieden seufze ich und ziehe die Bettdecke näher an mich. „Er ist wie eine kleine Raubkatze, manchmal“, Aoi scheint wohl wieder zu grinsen. „Scheint so“, meint Uruha zustimmend. „Und Reita ist der Raubtierbändiger“, fügt Aoi hinzu. Und ich versuche die anderen einfach auszublenden und zu schlafen. --------- Disclaimer: nichts mir, nichts Geld Aoi und Ruki sollten mal lieber aufhören ständig zu streiten~ 01.08.2009: 4594 -> 5990 Wörter~ Und immer noch sind 9 übrig~ Es wird noch ein langer und steiniger Weg folgen == 14.05.2018: 5990 → 7109 Wörter Kapitel 13: Nicht gewollte Wege ------------------------------- Jemand streicht mir sanft über die Wange. „Hey Kobito, aufwachen“, wird leise von Reita in mein Ohr geflüstert. „Ich will noch nicht“, murmle ich schlaftrunken. „Du kommst ansonsten zu spät zur Schule“, merkt er an und rüttelt sanft an meiner Schulter. Ist es wirklich schon so spät? Ich fühle mich so, als hätte ich seit Tagen nicht mehr geschlafen. Dabei bin ich doch gestern extra früher ins Bett, oder etwa nicht? „Ich will nicht“, mosere ich. Erschöpft reibe ich mir über die Augen und gähne erst einmal. „Was ist denn los Ruki?“, fragt er besorgt. „Hab doch schon gesagt, ich will nicht“, antworte ich, ohne auf seine Frage ein zugehen. Warum macht er sich immer direkt solche Sorgen um mich? Es kann halt nicht jeder direkt nach dem Aufstehen gut gelaunt sein. Außerdem habe ich total die Kopfschmerzen und alles tut einfach nur weh. Er tätschelt mir die rechte Wange und ich knurre leise, bevor ich die Augen aufreiße. „Sei doch nicht so zickig, am frühen Morgen. Also was ist los?“, fragt er noch einmal nach. „Kopfschmerzen“, nuschele ich. Mein Kopf will mich sicherlich umbringen. „Sicher?“, hakt er nach. „Und schlecht und keine Ahnung was noch alles“, füge ich hinzu. Ich fühle mich benebelt und so alles andere als richtig wach und auf der Höhe. „Macht dich die Schule und alles momentan so fertig?“, fragt er vorsichtig nach. Widerwillig bestätige ich seine Vermutung. „Was soll ich denn jetzt machen?“, entgegnet er frustriert. Du kannst mir da auch nicht helfen, Reita. Der einzige der meine Situation verändern kann bin ich, leider. „Nichts“, gebe ich ehrlich zu. „Komm steh schon auf“, fordert er mich auf. „Schlafen“, bitte ich ihn. „Steh auf, Ruki“, fordert er mich noch einmal auf. „Schlafen“, murmele ich. Uruha betritt das Zimmer und steuert zielstrebig auf mich zu. „Er ist ja immer noch total blass“, stellt er direkt überrascht fest. „Lasst mich doch alle in Ruhe“, murrend verkrieche ich mich unter die Bettdecke. Warum müssen die immer so einen Aufstand um so etwas macht? Mir geht es nicht gut und damit fertig. „Aoi hat heute erst zur 3. und er wird solange auf dich aufpassen, bis Reitas Mutter wiederkommt“, erklärt Uruha mir und ruckartig zieht er meinen errichteten Schutzwall weg. „Muss das sein?“, frage ich genervt nach. Ich brauche doch keinen Babysitter, oder etwa doch? „Ja, das muss sein. Und dann fahrt ihr zwei erst einmal zum Arzt“, klärt mich Uruha auf. „Ich will niemanden sehen“, erwidere ich trotzig. „Du musst aber Ruki. Du hast schon seit Tagen kaum gegessen und würden wir dich nicht ständig dazu auffordern, würdest du es gar nicht mehr tun“, meint Reita bestimmend. Uruha streicht mir leicht über die Wangenknochen und versucht Blickkontakt mit mir aufzunehmen. „Ruki wir machen uns doch nur Sorgen. Komm steh wenigstens auf und setze dich etwas mit uns unten hin“, bittet mich Uruha. Ich lasse mich von ihm hochziehen und folge den beiden schweigend runter. Es bringt nichts sich zu wehren, ich habe keine Chance gegen sie. „Morgen Ruki“, begrüßt mich Aoi direkt. „Morgen Aoi“, murmle ich ganz leise. Ich fühle mich total unwohl in meiner Haut. Ich will nicht zum Arzt, der steckt mich nur wieder in eine Klinik. Und das ist das letzte was ich gerade möchte. Jemand der darauf achtet was ich alles zu mir nehme, wie ich mich den ganzen Tag über verhalte und alle meine Launen analysiert. „Komm lächle, Ruki-chan“, meint Aoi auf einmal bittend. „Auf keinen Fall“, verneine ich. „Aoi wir haben dir doch schon gestern etwas gesagt“, weist Reita den anderen zu recht. „Ach man Reirei“, schmollend schiebt Aoi die Unterlippe vor. Ich schnappe mir einen Apfel und setze mich an den Küchentisch. Direkt beginne ich zu essen, damit sich die anderen nicht noch mehr sorgen. Der Apfel ist viel zu süß für meinen Geschmack. „Ach Kleiner, quäle dich nicht immer wegen ein paar Worten“, meint Reita und schaut mich lächelnd an. „Wie meinst du das, Reita?“, frage ich nach. „Du isst etwas, weil wir es wollen. Obwohl du genau weißt, dass es dir danach meist schlechter geht als vorher“, klärt mich Reita auf. „Aber“, setze ich an. „Nichts aber Ruki. Akzeptiere deine Lage“, neckend stupst Reita meine Nase. „Reita jetzt lass ihn doch einmal seine Sache machen. Er weiß was er zu tun hat. Und wenn er es für richtig hält, soll er sich selbst einen vormachen“, mischt sich Uruha ein. Er klingt ziemlich aufgebracht, warum wohl? Oder sind die anderen auch so zum ihm und deshalb kann er es nicht haben, wenn sie auch mit mir so umspringen? „Könnt ihr zwei bitte solche Gespräche vor ihm sein lassen?“, bittet Aoi die anderen beiden. „Danke“, meine Stimme zittert. „Und ihr zwei geht jetzt zur Schule“, weist der Schwarzhaarige die beiden zu recht. „Bye ihr zwei“, verabschiede ich mich und umarme sie. Sie winken noch kurz und schon sind sie auf und davon. Mit Tränen in den Augen stehe ich da, wie früher wenn mich beim Bruder allein zurück gelassen hat. Leicht wankend verlasse ich den Raum und suche Schutz im Badezimmer. Doch kurz bevor ich die Tür schließen kann, werde ich unsanft am Handgelenk gepackt. Vor Schreck schreie ich erst einmal. Was will er von mir? Was zum Teufel?! „Hey Ruki, ganz ruhig. Ich wollte dich nicht erschrecken“, versichert er mir und seine Stimme klingt so sanft. Wie eine Katze schlüpft er durch die Tür und nimmt mich in den Arm. Hemmungslos fange ich an zu weinen, ich will nicht zurück. Warum muss ich in diesem Teufelskreis gefangen sein, warum gibt es kein entrinnen? Vorsichtig streicht er mir über den Rücken und flüstert mir immer wieder beruhigende Worte ins Ohr. Ich will einfach nicht zu einer Therapie gezwungen werden. „Aoi mir ist so schlecht“, murmele ich wimmernd. Es fühlt sich so an als hätte mein Magen ein paar Saltos geschlagen. Und ich fühle mich so, als müsste ich jeden Moment wegen meinem eigenen Speichel ertrinken. „Komm ich koch dir jetzt einen Tee. Magst du wirklich nicht sagen, was los ist?“, fragt er bittend nach. „Wie denn? Es gibt nichts zu erzählen“, meine ich traurig. So wirklich weiß ich ja selbst nicht, warum ich gerade wieder einmal weine. Er führt mich in die Küche und hält mich die ganze Zeit fest in einer Umarmung, auch als er den Tee zubereitet. „Die Ärzte wollen dich genau wie wir, wieder gesund haben. Also habe keine Angst, okay?“, beruhigend redet er auf mich ein. „Wirklich?“, erwidere ich unsicher. „Na klar! Und morgen sehen wir uns wieder in der Schule, in Ordnung?“, schlägt er vor. Ich weiß gar nicht ob ich Morgen wieder in die Schule darf. „Ich hab Angst, wieder eingewiesen zu werden“, gebe ich zu. Ich will nicht zurück in die Klinik. „Wollten die im Krankenhaus dich einweisen?“, fragt Aoi ungläubig. „Ja, aber ich wollte nicht“, gebe ich ehrlich zu. „Ist es wirklich so schlimm in einer Psychiatrie?“, fragst du neugierig nach. „Ja, das ist es“, aber es kommt sicherlich auf die Einrichtung selbst an. In der einen Psychiatrie war es die Hölle. Ich selbst habe dort keine Rolle gespielt, es stand nur das Geld zur Debatte. Solange ich alles völlig von der Rolle galt, war alles in Ordnung. Doch irgendwann kam ich hinter das Spiel was dort getrieben wurde. Mein Großvater hatte den Arzt dafür bezahlt mich einige Zeit dazubehalten, damit mich niemand so abgemagert sehen konnte. Und jedes Mal wenn ich mir versucht hatte die Magensonde zu ziehen, wurde ich ans Bett fixiert und mit Tabletten vollgepumpt. „Warst du schon einmal in einer?“, fragt Aoi verwundert nach. „Zweimal. Ist aber schon etwas her“, antworte ich. Es kommt mir wie Ewigkeiten vor. Wie als hätte ich das alles in einem anderen Leben erlebt. Er tätschelt mir kurz den Kopf und lässt mich los. Er trägt die Teetassen zum Tisch, wo er sich auch direkt nieder lässt. Aoi rutscht etwas, als ich mich neben ihn auf die Bank setze. „Ruki schau mal. Dir geht es mittlerweile wieder viel besser als im Krankenhaus, auch wenn ich nicht weiß, was in dir vorgeht. Und das mit dem Essen bekommen wir auch so wieder hin. Und wenn sie dich einweisen wollen, werde ich das mit aller Kraft zu verhindern wissen“, versichert er mir und tätschelt liebevoll meinen Arm. Ich bedanke mich bei ihm und lege meine Hände um die Tasse. „Du brauchst dich nicht dafür zu bedanken“, meint er belustigt. „Kannst du mir gleich helfen beim umziehen?“, schließlich kann ich den Arm immer noch nicht wirklich heben. „Natürlich“, erwidert er breit grinsend. „Pädophiler Opa“, meine ich Zunge rausstreckend. Es erregt ihn bestimmt, mich nackt zu sehen. „Ruki!“, empört schaut mich Aoi an. „Ist ja schon gut“, murmele ich leise. Aoi kann man ganz leicht mit solchen Sprüchen aus der Fassung bringen. Deshalb sage ich sie ja, da ich weiß wie er ungefähr reagiert. Und ich weiß auch, dass er eigentlich nur gerne anderen Menschen hilft und mehr auch nicht. „Du bist ganz anders, wenn Reita nicht da ist“, stellt Aoi fest. „Wirklich?“ , frage ich verunsichert nach. Soll ich seine Aussage jetzt eher positiv oder negativ auffassen? „Viel selbstbewusster“, erläutert er seine Aussage. „Nicht wirklich“, oder etwa doch? Nachdenklich beobachte ich den anderen. Er wirkt meistens erwachsen, obwohl er in vielen Dingen noch ziemlich kindlich ist. Es fällt mir einfach schwer ihn einzuschätzen. „Was bedeutet dir Reita?“, fragt mich der Kindskopf auf einmal. „Viel“, er hat schließlich schon sehr viel für mich getan. Und ohne ihn würde ich garantiert immer noch bei meinen Eltern wohnen und darauf hoffen von einem herabfallenden Satelliten erschlagen zu werden. „Wie viel?“, hakt Aoi weiter nach. Soll ich ihm wirklich verraten, wie viel der andere mir bedeutet? „Nur wenn du dicht hältst, sag ich es dir“, warne ich ihn und meine eigene Stimme klingt beängstigend. „Na klar“, versichert er mir und lächelt zuversichtlich. „Erst wie ein großer Bruder“, versuche ich es zu beschreiben. Er bedeutet mir mehr wie mein leiblicher Bruder. Und ich würde ihn auch für nichts in der Welt mehr hergeben. „Och wie süß!“, quietscht er. „Aoi!“, empört gucke ich ihn an. Er ist doch ein Junge, seit wann quietschen Jungen so? „Und was bin ich für dich?“, und direkt muss er mich weiter ausfragen, das war ja so etwas von klar. „Ein nerviger Zeitgenosse“, brummele ich leise. „Das war gemein!“, entgegnet er und verschränkt beleidigt die Arme vor seiner Brust. Manchmal frage ich mich schon, ob irgendwer genau das an ihm witzig findet. Uruha scheint es auf alle Fälle zu gefallen, wenn er so herum albert. Auch wenn er mal meckert, hat er meistens dabei ein Lächeln auf seinem Gesicht. Seufzend entschuldige ich mich für meinen Aussage. „Ach, kleiner. Wenn du so weiter machst, komme ich heute doch noch einmal vorbei“, überlegt er laut. Soll das jetzt eine Drohung sein?! „Kannst du machen“, dann ist es wenigstens nicht so langweilig. Immer wenn Aoi hier ist, ist es schön. Er bringt richtig Leben in die Bude. „Dann komm ich!“, erwiderst du freudestrahlend. „Wie kann ich mich noch vor dem Arzt drücken?“, frage ich ihn. Ich will schließlich nicht zum Quacksalber. Ich will einfach nur ins Bett. „Gar nicht, kleiner“, erwidert er und mustert mich besorgt. Warum macht er sich jetzt wieder Sorgen? Verheimlicht er mir etwa etwas? „Ich will aber nicht“, brummele ich leise. „Uns ist es egal, ob du willst oder nicht“, erwidert er und schaut mich mahnend an. „Mir aber nicht“, böse schaue ich zurück. Ich verstumme sofort, als Reitas Mutter in der Küchentür auftaucht. Die habe ich ja gar nicht reinkommen gehört! Dabei hätte ich wenigstens ihr Auto hören müssten. Scheinbar machen mich die Tabletten doch sehr unaufmerksam. Ich springe auf und verbeuge mich tief. „Guten Morgen ihr zwei. Ruki, dass ist doch nicht nötig“, begrüßt sie mich. „Guten Morgen! Ich bin dann mal den kleinen anziehen gehen“, meint Aoi. Aoi packt mich am Handgelenk und zieht mich ins Gästezimmer. „Und jetzt schön warm einpacken“, erklärt er mir. Er spricht manchmal so, als wäre ich noch ein kleines hilfloses Kind. Hoffentlich sieht er mich nicht als solches? Klar bin ich dank der Verletzung auf Hilfe angewiesen, aber ich bin schon lange kein Kind mehr. Vor sich hin summend entkleidet er mich bis auf die Shorts und zieht mir auch mehr als dicke Kleidung über. „Wir wollen ja nicht, dass du frierst“, meint er mit einem Lächeln, „Und mach uns ja keinen Kummer.“ „Werde mich bemühen“, versichere ich ihm. Mit Tränen in den Augen schaue ich ihn an, ich will da einfach nicht hin. Ich will nicht schon wieder diese Worte hören. Ich weiß doch selbst, dass mein Leben einer ganz schlechten Seifenoper gleicht. Aber solche Aussagen helfen mir nicht weiter und ich bräuchte einfach einmal wen, der mir wieder auf die Beine hilft. Und der mir nicht das Gefühl gibt Schuld an dem Ganzen Schlamassel zu haben. „Hey, ist schon okay. Reitas Mum passt ja auf dich auf“, aufmunternd tätschelt er meinen Kopf. Ich nicke und umarme ihn. „Komm wir müssen“, meint er. Ist es wirklich schon Zeit? Ich schüttele den Kopf und seufzend hebt er mich hoch, trägt mich runter. Auf einen neuen Höllenstrip! Nach etlichen Gesprächen, Ratschlägen und Gähnen meinerseits soll mir jetzt Blut abgenommen werden. Eisern halte ich meinen Arm fest, von mir bekommen sie keins! Reitas Mutter redet unaufhörlich auf mich ein, aber ich bin kein Blutspender, also nichts da! Ich hasse so etwas einfach und will nicht ständig gepiekst werden. Es kommen noch zwei weitere Personen herein, jetzt sind es fünf, die mich festhalten sollen. Mit vereinten Kräften brechen sie den Schutzwall, drücken mich auf die Liege. Etwas schnürt mir die Luft ab, meine Atmung wird unregelmäßig. Tränen schießen in meine Augen, Angst steigt auf. Reitas Mutter nimmt mein Gesicht vorsichtig in ihre Hände, zwingt mich so in ihre Augen zu sehen. „Ganz ruhig Ruki, es passiert dir wirklich nichts“, Reitas Augen, „konzentriere dich auf irgendetwas, was du mit Reita und den anderen gemacht hast, in Ordnung?“ Ich schlucke die Tränen herunter, versuche mich verzweifelt an die Vergangenheit zu erinnern. Die drei geben mir etwas, was ich nicht kenne. Ob ich jetzt endlich lerne, was Vertrauen und Freundschaft bedeuten? Ein kleiner Pieks, vor Schmerzen presse ich die Augen zu. „Es dauert nicht lange Ruki, versprochen“, versichert sie mir. Ich spüre wie der Arzt die Nadel raus zieht und augenblicklich wird mir schwarz vor Augen. Es ekelt mich an, total. Das kalte Metall auf nackter Haut, die Schmerzen, das Drücken, das Blut. Es ekelt mich an. Obwohl ich mir früher selber Wunden zugefügt habe, ekelt es mich an. Vor allem das Band um meinen Arm, das gefühlt von gestautem Blut ekelt mich an. „Bleib wach Ruki!“, fordert mich Reitas Mutter auf. Jemand legt mir einen kalten, nassen Lappen über Augen und Stirn und lagert meine Beine hoch. Ich spüre wie Reitas Mutter mir langsam über die Wangen streicht und höre, wie sie irgendetwas mit dem Arzt bespricht. Langsam entspanne ich mich, werde ruhiger. Sie tätschelt mir leicht auf die Wange, nach scheinbar unendlichen Minuten. „Wir können gehen, wenn es dir wieder gut geht“, meint sie. Ich nehme das Tuch von meinen Augen und sehe sie aus halb geöffneten Augen an. Am ganzen Körper bebend stehe ich auf und stütze mich an ihrer Schulter ab. „Bleib lieber noch etwas liegen“, bittet sie mich. „Es geht schon“, schwach lächele ich. „Ruki, jetzt lüge dich nicht selber an“, ermahnt sie mich. „Ich möchte lediglich hier weg“, und das möchte ich wirklich. „Reita hat Recht, du kannst manchmal echt anstrengend sein“, sie klingt ziemlich genervt. „Nett“, brummle ich vor mir her. „Jetzt komm schon Ruki, sei vernünftig“, bitte sie mich noch einmal. Warum soll ich vernünftig sein? Ich will lediglich nach Hause, das ist alles. Der Desinfektionsmittelgestank ist einfach unerträglich. Zudem machen mir die ganzen Spritzen Angst. Nachher kommt der Arzt noch einmal und will mir was spritzen? „Bin ich aber nicht! Ich will hier auf der Stelle weg!“, trotzig schaue ich sie an. „Beruhige dich. Du musst noch länger mit mir auskommen“, sie scheint echt sauer zu sein. Reitas Schwester ist genau wie sie. Man kann beide anscheinend sehr leicht verärgern. „Ja, aber können wir aber trotzdem nach Hause?“, ein flehender Unterton liegt in meiner Stimme. „Na klar“, gibt sie sich letztendlich doch geschlagen. Sie stützt mich so gut es geht beim raus gehen. Immer wieder wird mir schwarz vor Augen, aber ich habe tapfer durchgehalten. Endlich sitze ich auf dem Beifahrersitz und jetzt geht es endlich nach Hause. „Isst du gleich mit?“, fragt sie. „Ich denke schon“, obwohl ich keinen Hunger verspüre. „Nicht ich denke, du tust, ja?“, verbessert sie mich. „Schlafen“, erwidere ich. Ich bin nach wievor ziemlich müde. „Wir sind ja gleich zu Hause“, erwidert sie. Gleich ist ein dehnbarer Begriff. Schließlich ist das Krankenhaus nicht gerade direkt um die Ecke. Und die ganzen Einbahnstraßen machen das ganze nicht gerade besser. „Du gehst morgen in die Schule, oder?“, fragt sie mich. „Klar“, warum sollte ich auch nicht hin gehen? „Das hört sich ja gut an“, antwortet sie neutral. Ich seufze laut und schließe die Augen. Ich will schlafen! Sofort! „Ruki ich will dich jetzt nicht beunruhigen oder so“, meint sie unsicher. „Mit was denn?“, fragend hebe ich beide Augenbrauen. „Die Sozialarbeiterin setzt uns momentan unter Druck. Auf jeden Fall hat das der Arzt gemeint“, erzählt sie mir. Haben die beiden eben darüber gesprochen? Das würde auch erklären, warum ich einige Zeit mit der Arzthelferin alleine war. „Und was bedeutet das?“, hake ich nach. „Du kommst wahrscheinlich bald in ein offenes Heim, da sie meinen, wir können dich nicht gut genug versorgen. Sie ist der festen Überzeugung, dass du verhaltensgestört, schwer suizidgefährdet und so weiter bist. Außerdem hast du eine Essstörung, schwere Depressionen und einen Hang dazu, dich selbst zu verletzen“, erklärt sie mir. Dann weiß die gute Frau vom Sozialamt ja mehr wie wir alle zusammen. „Wow“, staune ich. Da ist es eigentlich schon ein Wunder, dass ich überhaupt entlassen wurde! Eigentlich müsste ich doch dann auf der Geschlossenen sein und nicht in ein Heim kommen? Wie wollen die in einem Heim sicher gehen, dass ich mich nicht einfach umbringe? „Dass du dich mehrmals selbst verletzt hast, da stimme ich zu. Aber momentan machst du es ja nicht. Und ich an deiner Stelle, würde auch erst einmal nicht viel oder gar nichts essen. Und suizidgefährdet bist du bei weitem nicht. Und für schwere Depressionen lachst du zu viel und du kommst auch eigentlich recht gut mit dem Alltag zurecht. Ich frag mich echt, woher die die maßlosen Unterstellungen her holt“, regt sie sich auf. Wahrscheinlich meint sie das wegen dem Gespräch im Krankenhaus. „Wegen der einen Therapiestunde beim Psychologen und weil ich mit ihr nicht viel geredet habe“, gebe ich kleinlaut zu. Das muss ich leider ehrlich zu geben, dass ich wahrscheinlich selbst Schuld bin an dieser Meinung. Vielleicht hätte ich einfach den Mund aufmachen sollen. „Oh man“, seufzend guckt sie mich kurz an. Welche Suppe habe ich mir nur dieses Mal wieder eingebrockt. Ich will in kein Heim, denn dort herrscht Gewalt. Nachher gelange ich dadurch noch an Drogen? „Ich werde noch einmal mit ihr reden, aber versprechen kann ich nichts“, versichert mir seine Mutter. Es wäre ja auch zu schön um wahr zu sein, wenn ich jetzt nicht ins Heim müsste. „Wann soll ich denn reinkommen?“, erkundige ich mich. Hoffentlich haben wir noch viel Zeit bis dahin. Ich will definitiv nicht dorthin, da man von solchen Institutionen in der Regel nichts gutes hört. Aber es war auch klar, dass ich dort hinkomme immerhin bin ich quasi gerade erst von daheim weggelaufen. „Heute oder Morgen, genau haben sie sich nicht festgelegt“, erwidert sie frustriert. Die Aussage kam aber jetzt sehr plötzlich? Hat sie das auch gerade erst erfahren? „Kann ich es nicht verhindern?“, frage ich, obwohl ich die Antwort darauf schon längst kenne. Ich muss dahin, da irgendein Gericht so entschieden hat. Und wenn ich jetzt weglaufe, haben sie einen Grund dazu mich in ein geschlossenes Heim oder auch das Gefängnis zu stecken. Immerhin habe ich meinen Großvater bestohlen und zeige mich nicht wirklich kooperativ. „Du kannst lediglich den Aufenthalt verkürzen. Beweise ihnen wie stark du bist. Lächle und sei immer höflich und hörig“, rät sie mir. Ob mir dieses Verhalten wirklich nützen wird? „Ich werde es versuchen“, es kann ja nicht schaden. „Das schaffst du schon“, meint sie zuversichtlich. Ich möchte Reita nicht alleine lassen. Es wird sicherlich schwierig, wenn ich die erste Zeit wieder alleine unter fremden Personen bin. Im Krankenhaus hatte ich zwar auch niemanden, aber dort hatte ich wenigstens immer Besuch. Und diesen werde ich im Heim definitiv nicht haben. „Du hast ja unsere Nummer und wenn etwas sein sollte, dann ruf einfach an“, bietet sie mir an. „Egal wann?“, frage ich erstaunt nach. „Ja, wir sind immer für dich da“, verspricht sie mir. Das heißt ich darf sogar mitten in der Nacht anrufen, das ist toll. Ich bedanke mich höflich bei ihr und knete meine Hände. Ich hasse diese Ungewissheit einfach nur! „Nichts zu danken“, meint sie verlegen. Die restliche Fahrt schweigen wir und ich bin mehr als erleichtert, als ich endlich für mich alleine sein kann in Reitas Zimmer. Seine Mutter packt mir gerade ein paar Sachen ein in meinem Zimmer. In der Zwischenzeit darf ich Animes schauen, wie nett. Ich habe mich tief in seine Decke eingekuschelt und hoffe, dass ich wenigstens noch heute bleiben darf. Langsam drifte ich in die Traumwelt hinein. Irgendwann reißt mich ein Schrillen aus dem Schlaf und ich schrecke hoch. Das wird sie sein, garantiert! Erschöpft lasse ich mich zurück in die Kissen sinken und schließe die Augen wieder. Und tatsächlich, seine Mutter tritt mit dieser abartigen Frau in dieses Zimmer, denn nur ihr traue ich es zu, dass sie die Schuhe beim betreten eines Hauses nicht auszieht! „Bist du wach Ruki?“, fragt mich seine Mutter. Im Halbschlaf stehe ich auf und gehe auf Reitas Mum zu. Ich umarme sie und sie erwidert es. Irgendwie muss man der doch klar machen können, dass hier im Haus mein Platz ist, nur wie? „Ich wünsche dir alles Gute, wir reden noch, ja?“, verspricht sie mir. „Ich möchte hier bleiben“, meine ich weinerlich. „Im Heim ist es auch nicht ganz so schlimm“, versichert sie mir. „Aber da habe ich niemanden, der mich so gern hat“, dort bin ich ganz alleine. „Ach was Ruki. Komm ich bring dich noch bis zum Auto“, schlägt sie vor. Sie nimmt meine Hand und drückt sie sanft, aber bestimmend. Ich ziehe meine Schuhe und meine Jacke an und dann bringt sie mich zusammen mit einem kleinen Koffer raus zum Auto. Dort angekommen setze ich mich auf den Beifahrersitz. „Bis bald Ruki!“, verabschiedet sie sich von mir. Ich fange an zu schluchzen und die ersten Tränen fließen, als sie die Tür zuschlägt. Die Sozialarbeiterin fährt los und ich winke wie verrückt und muss dabei zusehen wie das Licht hinter einer Ecke verschwindet. Meine Tränen versiegen langsam und ich bin mehr als gespannt, wie der neue Käfig wohl aussehen mag. Es ist eine unangenehme Spannung, da ich einfach nur Angst davor habe was alles passieren könnte. Ich sehe ein ziemlich großes, trostloses Gebäude und sie fährt die Einfahrt dazu hinauf. Hier werde ich wohl die nächste Zeit wohnen, Ironie des Schicksals. „Ich werde dich dann mit den deinen Sachen auf dein Zimmer bringen, das Haus bekommst du dann später gezeigt“, erklärt sie mir. Ich nicke und steige aus, als sie mir die Tür öffnet. Schweigend gehen wir hoch und betreten einen großen Schlafraum. Hier schlafen bestimmt zwölf Kinder in einem Raum. „Hier das Bett ist dir. Gleich ist Essenszeit“, weist sie mich daraufhin. Ich nicke und verabschiede mich von ihr, ziehe danach die Vorhänge um mein Bett zu. Murrend ziehe ich mir einen Schlafanzug an und lege mich auf das Bett. Ich will hier weg, ich will zurück zu Reita. Leise bahnen sich wieder Tränen ihren Weg über meine Wangen. Warum kapiert das keiner? Ich möchte nicht von ihm getrennt sein. Nicht jetzt, nicht momentan. Wie können sie mir nur meinen letzten Halt nehmen? Wie kann ich hier schnell wieder raus kommen? Wenn ich einen Selbstmord vortäusche, aus einer Anstalt ist es leichter raus zukommen, wie aus einem Heim. Die beste Gelegenheit dazu wäre jetzt, gleich kommt garantiert jemand gucken. Oder es ist jemand hier im Raum. Bestimmt ist einer hier. Ich schluchze theatralisch auf, immer und immer wieder. Immer und wieder ramme ich mir die Fingernägel in den Arm, reiße somit Hautfetzen hab. Tränen laufen über mein Gesicht. Ich höre wie die Tür aufgestoßen wird und jemand den Vorhang zur Seite reißt. Nur am Rande nehme ich wahr, wie meine Hände fest gepackt werden und ich auf das Bett gedrückt werde. Sie reden auf mich ein, doch die Stimmen erreichen mich nicht hinter meinem Schutzwall. Ich spüre wie mir jemand etwas spritzt. Ich will mich wehren, aber es bringt nichts. „Ruki beruhige dich!“, meint jemand von denen bestimmend. Ich schluchze laut auf und will mich losreißen. Nur widerwillig lassen mich die Arme los. Ich drehe mich auf den Bauch und vergrabe somit mein Gesicht in dem großen Kissen. „Wir lassen dich jetzt ein wenig allein, okay? In ein paar Minuten kommen wir noch einmal gucken“, jemand zieht die Decke unter mir hervor und legt sie über mich, „Bis dann.“ Ich seufze laut auf, Versuch ist definitiv gescheitert. Was kann ich noch tun? Ich werde wohl meine Klassenlehrerin fragen müssen, vielleicht hat sie ja eine Idee. Ich seufze und komme wieder ein wenig runter. Immerhin, etwas anderes wäre nicht gut für meinen Blutdruck. Zudem macht mich das Medikament aus der Spritze ziemlich müde. Wieder öffnet sich die Tür und eine Betreuerin kommt an mein Bett. „Geht es wieder etwas Ruki?“, erkundigt sie sich und guckt mich besorgt an. Ich nicke und drehe mich auf die Seite. Eine Welle von Übelkeit überkommt mich. Wer ist nur auf die Idee mit dem Beruhigungsmittel gekommen?! Ich presse mir eine Hand auf den Mund und beginne zu würgen. Die Betreuerin reagiert sofort und schnappt sich den Mülleimer. Ich schüttele den Kopf, denn es hat wieder aufgehört. Wo auch immer diese plötzliche Welle von Übelkeit her gekommen ist. Mir ist immer noch ein wenig flau im Magen, aber richtig schlecht ist mir nicht mehr. „Komm ich bring dich auf die Krankenstation“, meint sie und guckt mich auffordernd an. Ich nicke und folge ihr auf wackeligen Beinen. „Bitte sag Bescheid bevor du umkippst“, bittet sie mich. Wieder nicke ich nur. Was soll ich auch groß sagen? Wir betreten einen noch größeren Raum wie den Schlafsaal. In diesem stehen jedoch auch weitaus mehr Betten. Sie ruft kurz nach wem und eine Person tritt in mein Sichtfeld. „Haben sie vielleicht etwas Stärkeres gegen Übelkeit? Dem jungen Herrn geht es nicht gut“, fragt sie direkt nach. Die Betreuerin flüstert der Dame etwas ganz leise ins Ohr, damit ich es ja nicht mitbekomme. Sie nickt und kommt wenig später mit ein paar Gefäßen und Tabletten auf mich zu. „Am Besten er bleibt über Nacht hier“, meint die Ärztin oder was auch immer sie ist. Die Betreuerin nickt und lässt mich mit dieser komischen Damen alleine. Diese führt mich auch direkt zu einem Bett am Fenster, wo ich mich erst einmal unter der Decke breit mache. Schrecklich unbequem sind diese Betten. Sie hält mir eine komisch gefärbte Flüssigkeit hin und ich schlucke diese, samt den Tabletten hinunter. „Schlaf etwas, dann geht es dir auch besser“, versichert sie mir. Ich nicke leicht und gleite irgendwann in einen traumlosen Schlaf. Am frühen Morgen werde ich unsanft aus dem Schlaf gerissen. Wie lange hab ich verflucht noch einmal geschlafen?! „Hey aufwachen, kleiner Mann“, begrüßt mich diese komische Dame vom Vortag. Ich schlage die Augen auf und murre ein wenig vor mir her. „Es gibt gleich Frühstück für dich. Es sind immerhin schon 9Uhr“, klärt sie mich auf. Frühstück und schon 9Uhr?! Ich muss mich in der Schule abmelden! Wenn das nicht Ärger gibt. Ich bin schon eine ganze Stunde zu spät dran! „Ich muss mich noch abmelden, in der Schule“, und das dringend. „Ja, natürlich. Warte ich hol dir kurz die Nummer deiner Schule und das Telefon“, lächelnd guckt sie mich an. Ich setze mich auf und halte mir den Kopf. Warum der auch immer jetzt weh tut. „Hier“, sie hält mir einen Zettel und das Telefon hin. Ich bedanke mich und wähle sofort die Nummer der Schule. Gott sei Dank ist jetzt Pause! Der Sekretär meldet sich direkt und nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich meine Klassenlehrerin sprechen will, verbindet er mich direkt weiter. „Ah Ruki, du lebst ja doch noch. Reita probt hier gerade den Aufstand“, meint die Lehrerin sichtlich amüsiert. Was meint sie mit Aufstand? Hat er sich solche Sorgen um mich gemacht? „Hallo. Tut mir Leid, dass ich so spät anrufe. Nur ich bin krank und kann deshalb nicht kommen“, erkläre ich ihr. „Du klingst auch gar nicht gut. Reita hat erzählt, dass du seit gestern im Heim bist. Gefällt es dir?“, fragt sie neugierig. „Ich hab noch nicht viel gesehen. Ich liege schon seit gestern Nachmittag krank im Bett herum“, und das Bett ist ziemlich unbequem. „Kommst du Morgen wieder?“, fragt sie weiter nach. „Ja, ich denke schon“, und das hoffe ich wirklich. „Können wir dann vielleicht morgen nach der Schule miteinander reden? Reitas Mutter kommt auch“, und was sollen wir dann groß bereden? „Natürlich. Ich muss jetzt Schluss machen“, schließlich kann ich nicht ewig die Telefonleitung belegen. „Ja, gute Besserung und ruhe dich schön aus“, wünscht sie mir. „Werde ich machen. Danke Ciao“, verabschiede ich mich. Sie verabschiedet sich und legt auf. Ich drücke den roten Knopf auf dem Telefon und reiche es der Dame. „Geht es dir besser?“, fragt sie. „Ja, denke schon. Nur irgendwie hab ich jetzt ganz andere Probleme wie gestern. Mein Kopf bringt mich um den Verstand“, er schmerzt richtig unangenehm. „Dann schlafe noch etwas. Oder willst du vorher ein wenig essen?“, fragt sie nach. „Ein wenig Ich esse nie viel wenn ich Kopfschmerzen habe“, auch wenn es vielleicht anders herum besser wäre. „Verständlich. Ist dir öfters so schlecht?“, hakt sie nach. „Manchmal. Aber der Arzt hat gemeint, das kommt von den Nerven“, und von der Psyche allgemein. Er meint das Hauptproblem ist einfach, dass ich dauerhaft im Fluchtmodus bin und mein Körper mit der Anspannung nicht klar kommt. „Was ist denn gestern vorgefallen, dass du dich so aufgeregt hast?“, fragt sie besorgt nach. „Ich habe gestern erfahren, dass ich ins Heim komme. Vorher hab ich ein paar Wochen bei einem Freund gewohnt und jetzt wurde er mir weggeholt“, erkläre ich und schaue traurig die Bettdecke an. „Deine Betreuerin hat irgendetwas in die Richtung gemeint, dass du absolut nicht zufrieden mit der jetzigen Situation bist“, meint die Dame. Wenigstens scheinen sich die Betreuer für mich zu interessieren. Ansonsten würde sie ja nicht solche Sachen behaupten, oder? „Ich möchte wirklich nur noch zurück zu ihm nach Hause“, das ist mein einziger Wunsch. „Vielleicht will die Sozialarbeiterin auch nur deine ganzen Fehltage in den Griff bekommen“, rät sie. „Das kann ich auch bei Reita“, mit Sicherheit. „Warum warst du überhaupt so oft nicht in der Schule?“, nachdenklich mustert sie mich. „Anfangs hatte ich zu viel Angst. Dann sind wir umgezogen und ich bin von zu Hause abgehauen. Und irgendwann danach wurde ich ja zusammengeschlagen. Als nächstes hatte mich ja einer niedergeschossen. Und durch die ganzen Beruhigungstabletten die ich nehmen musste, ging es mir die letzte Zeit nicht ganz so gut“, eine recht kurze Zusammenfassung gebe ich zum Besten. „Und trotzdem musst du sie nehmen?“, ungläubig starrt sie mich an. „Nein, muss ich nicht. Aber manchmal komm ich selbst nicht mehr mit meinen Gefühlen klar“, ich habe mittlerweile schon Angst vor mir selbst. Und dann nehme ich sie, weil ich mir nicht mehr anders zu helfen weiß. Früher habe ich mich dann immer geschnitten um irgendwie mit der Situation klar zu kommen. „Und was machst du dann?“, hakt sie nach. „Manchmal hilft mir Reita. Und wenn nicht dann, früher hab ich mich dann geritzt und jetzt schaff ich es auch so. Seit ich von zu Hause weg bin. Okay eigentlich erst seit kurzem, aber ich habe es in den Griff bekommen.“, auf jeden Fall denke ich dieses. „Das ist doch schön. Und sonst, mit dem Essen?“, wird das hier jetzt eine Fragerunde? „Ich verspüre kaum noch Hunger. Deshalb vergesse ich zwischendurch auch gerne einmal etwas zu essen. Aber es ist nichts Ernstes. Ich glaub nicht, dass ich ein drittes Mal eine Essstörung entwickelt habe“, schließlich war die Magersucht und alles nicht sehr schön. Und letztendlich war es ja noch nicht einmal eine klassische Magersucht, sondern einfach ein Resultat der posttraumatischen Belastungsstörung. Ich wollte ja nicht dünn sein, sondern einfach nur irgendetwas unter Kontrolle haben und mich mehr oder weniger selbst bestrafen. Ihre Augen strahlen eine unsagbare Wärme aus, ich fühle mich in irgendeiner weise Wohl. Vielleicht hilft das Reden mit ihr etwas? Vielleicht komme ich dann schneller raus? „Und wie ist es sonst so?“, fragt sie weiter. „Meinem sie allgemein mit dem Leben? Ganz gut, aber nur solange ich wieder zurück zu meinen neuen Freunden darf. Reitas Eltern sind total nett, okay ich kenne nur die Mutter. Nur ich fühle mich wirklich wohl da und ich vermisse auch absolut nicht meine alte Umgebung. Ich möchte mich nicht schon wieder auf ein komplett neues Leben einstellen müssen“, schließlich war der Einstieg in dieses Leben alles andere als einfach. „Warum erzählst du nicht alles den Leuten, die für dich zuständig sind?“, schlägt sie vor. „Die hören mir nicht zu“, die ignorieren mich eh nur. „Ein Versuch ist es wert“, ist es das wirklich? „Kann ich die ersten Nächte hier bleiben?“, frage ich unsicher nach. „Wieso denn das?“, fragend schaut sie mich an. „Uruha hat mir Angst gemacht“, laut ihm ist ein Heim kein Zuckerschlecken. Er hat gemeint ich solle auf mich Acht geben, da ich dank meiner Statur und meines Auftreten ein leichtes Opfer für andere darstelle. Und man merkt mir die Angst einfach direkt an und das merken solche Menschen direkt. „Ah Uruha ist ja auch zu der Suzuki-Familie gekommen. Wie geht es ihm?“, erkundigt sie sich. „Gut“, so weit ich das sehe. „Das ist schön zu hören! Also wenn die Leute mit ihm fertig geworden sind, dann wirst du ja wohl kein Problem sein“, wie meint sie das? War Uruha wirklich so schlimm? „Können sie mir vielleicht meine Schulsachen und so bringen?“, bitte ich sie. „Aber bevor du anfängst zu lernen, isst du etwas“, weist sie mich zu recht. Ich nicke und schaue auf meine Arme hinab. „Sag uns bitte Bescheid, wenn dich der Verband zwickt“, bittend schaut sie mich an. „Wozu ist der da?“, frage ich nach. „Damit kein Dreck an die Wunden kommt. Die Kratzer sind teils mehr als tief“, habe ich gestern wirklich so übertrieben? Ich entschuldige mich direkt. „Hey, es ist nun einmal passiert“, aufmunternd lächelt sie. Stimmt, die Zeit kann man leider nicht zurück drehen. Warum kam ich überhaupt auf die dumme Idee, so ein Theater zu veranstalten? „Meine Schulter tut weh“, meine ich weinerlich. „Die mit der Schusswunde?“, erkundigt sie sich. „Ja“, antworte ich nickend. „Wenn du etwas gegessen hast, kannst du Schmerztabletten nehmen“, bietet sie mir an. „Bekomme ich dann auch gleich essen?“, schließlich darf ich danach eine Tablette haben und dann kann ich schlafen. „Ja und deine Sachen auch“, die Sachen sind mir eigentlich nebensächlich. Ich seufze leise und kuschle mich weiter unter die Bettdecke. Mir ist kalt, auch wenn ich schwitze. Wieder hat die Dunkelheit mit ihren Händen nach mir gegriffen, schon wieder hat sie mich gefangen genommen. Schon wieder erstarre ich zu Eis, all die Wärme scheint verschwunden. „Die Betreuerin kommt gleich“, klärt sie mich auf. Ich nicke und schließe die Augen. Reita, warum? Warum muss ich gehen? Warum darf ich nicht bleiben? Nachdem ich einige Zeit vor mir her gedöst habe, werde ich sanft aus dem Schlaf gerissen. „Guten Morgen Ruki“, begrüßt mich die Betreuerin. „Hallo“, erwidere ich schlaftrunken. Ich öffne etwas die Augen und richte mich auf. „Du siehst auch wieder etwas besser aus als gestern“, lächelnd guckt sie mich an. Mir geht es auch ein wenig besser. Auch wenn meine Schulter und mein Kopf schmerzt. „Es ist ein Doppelzimmer freigeworden und wenn du willst, kannst du erst einmal alleine darein. Solange du dich anständig benimmst“, schlägt sie vor. Ich nicke, wundere mich aber. Warum vertrauen sie mir so? Ich könnte mich locker erhängen, einfach so, alleine, in dem Zimmer. „Dann gibst du mir am Besten noch deinen Stundenplan und halt wichtige Telefonnummern“, bittet sie mich. „Telefonnummern hab ich keine, außer Reitas“, die von Aoi und Uruha müssen sie schließlich nicht haben. „Na gut, aber den Stundenplan bekomme ich, ja?“, meint sie bestimmend. „Morgen muss ich aber länger bleiben und ich denke Mal, jemand wird mich dann hierhin bringen“, ich hoffe es einfach einmal. Denn ich weiß gar nicht wie man von der Schule hier her kommt. Die Busverbindungen und alles habe ich mir schließlich noch nicht angeguckt. Und das Heim liegt ja etwas außerhalb. „Das ist kein Problem. Dir geht es wieder gut, oder?“, fragt sie besorgt. „Denke schon“, auf jeden Fall hatte ich schon Tage, wo es mir eindeutig schlechter ging. „Ich werde dir einen Schlüssel für das Zimmer geben und ich vertrau dir. Dein Zimmer liegt nur wenige Meter von den Aufenthaltsräumen der Betreuer entfernt, wenn etwas sein sollte, komm einfach. Dafür sind wir da, um dir zu helfen. Und tue mir bitte noch einen Gefallen, lass den Schlüssel nicht stecken. Ich werde dich auf alle Fälle morgens wecken und dich persönlich zur Schule bringen, solange wie du noch keine eigene Fahrkarte hast. Ich habe mit Suzuki-san gestern telefoniert und sie hat mir einiges erzählt“, klärt sie mich auf. Fragend schaue ich sie an. Was seine Mutter der Betreuerin wohl alles erzählt hat? „Auch, dass du nicht sehr gesprächig bist“, lachend mustert sie mich. Ich zucke nur mit den Schultern und drohe wieder einzuschlafen. „Ich bring dich dann auf dein Zimmer, bevor du den Rest des Tages auch verschläfst“, meint sie. Leicht reibe ich mir über die Augen und schwinge lustlos die Beine über die Bettkante. Schweigend folge ich ihr auf mein neues Zimmer. „Ich bring dir dann gleich deine ganzen Sachen“, verspricht sie mir. Ich nicke und schlüpfe unter die Bettdecke. Das Beste was ich tun kann ist schlafen, schlafen um alles zu vergessen. -.-.-.-.-.-.-.- Disclaimer: nichts mir, nichts Geld Ich hoffe euch gefällt das Kapitel und ich würde mich sehr über Kommentare freuen fröhliche Weihnachten an alle ^^ 9.8: 3927 -> 5725 Wörter. 5725 → 6631 Wörter(11.07.18) Kapitel 14: Rückfall -------------------- Lustlos drehe ich den Apfel in meinen Händen, immer und immer wieder. Mir wird schlecht, wenn ich an die letzten Stunden denke. Das Frühstück habe ich neben einem Betreuer verbracht und musste irgendetwas nicht Definierbares herunter würgen, was ich dem Porzellan am stillen Ort direkt wiedergegeben habe. Ich weiß noch nicht einmal, ob es einfach an der Mahlzeit an sich oder einfach der Angst lag? Danach wurden mir irgendwelche Tabletten gegeben und dann haben sie versucht mit mir ein anständiges Gespräch zu führen. Nur leider, sehr zu meinem Bedauern, habe ich die Hälfte des Gespräches regelrecht verschlafen. Mir war einfach zu schlecht und immer wenn ich an die vergangenen Stunde gedachte hatte, kam alles wieder hoch. Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, dass ein Mensch in so einer Situation ein Gespräch führen möchte? Aber wenigstens sind sie der Meinung, dass ich lediglich eine Unverträglichkeit habe. Das haben sie mir auch direkt gesagt, damit ich mir ja keine Sorgen machen muss. Sie sind der Meinung, dass ich keine besorgniserregende Essstörung habe. Schließlich habe ich am Vortag mittags und abends nach Essen gefragt gehabt. Im Speisesaal war ich nicht, deshalb musste ich auch nach fragen. Trotz allem bin ich zur Schule gegangen, auch wenn die Betreuer es nicht wollten. Die Lehrer haben mich bisher auch kritisch gemustert. Auch Reita und Uruha waren mehr als geschockt, als sie mich gesehen haben. Besonders, als ich so gefühlskalt und abweisend reagiert habe. Naja, ich bin auch erst zur dritten Stunde erschienen. Ich bin halt einfach nicht gut drauf und mich überfordert das alles schon ziemlich. Und gerade will ich einfach bei wem sein, der eben auch meine Stille ertragen kann. Und gerade jetzt ist Mittagspause, die ich auf dem Krankenzimmer verbringe. Solange es die beiden nicht wissen, ist es schön und gut. Nur die Lehrerin hat sich gerade auf den Weg gemacht um eben jene beiden zu holen. Sie ist überhaupt erst auf die Idee gekommen mich hierhin zu bringen, als ich fast umgekippt bin. Vielleicht würde mir mehr Gewicht nicht schaden. Immerhin will ich nicht dünn sein. Ich selbst kann die ganzen hervorstehenden Knochen nicht mehr sehen. Und das ständige Hungern bewirkt nun einmal, dass mir öfters einmal schwarz vor Augen wird. Mit einem lauten Knall fliegt die Tür auf und ich seufze innerlich. Hoffentlich ist Aoi nicht mit dabei, hoffentlich. Ich beginne mit den Füßen zu baumeln und hoffe innerlich, dass der Alptraum bald endet. „Hey Ruki“, begrüßt er mich. Oh, doch nur Reita, ohne jemand anderes. Ich brumme als Antwort und frage mich, ob er mir jetzt eine Standpauke hält? „Ruki, warum bist du heute Morgen so spät gekommen?“, fragt er direkt nach. „Hm“, wieder mache ich nur ein Geräusch. „Hey ich rede mit dir Kleiner!“, weist er mich zurecht. „Hm?“, erwidere ich fragend. „Ich will lediglich wissen was heute Morgen passiert ist“, meinst du. „Ich hing über der Kloschlüssel und durfte eigentlich gar nicht in die Schule. Dann hab ich solange gedroht, bis sie mich hergebracht haben“, ansonsten würde ich jetzt immer noch im Bett liegen und mich langweilen. „Gestern warst du ja auch krank. Ich mache mir Sorgen“, teilt er mir mit. „Gestern war es wegen den Beruhigungsmitteln und heute wegen dem ekligen Essen“, auf jeden Fall meint das die Ärztin im Heim. „Und warum bist du dann so komisch zu Uruha und mir?“, hakt er weiter nach. „Weil es mir wirklich alles andere als gut geht und ich mit der Situation momentan nicht klar komme“, gebe ich ehrlich zu. „Meine Mutter will dir zu dem Thema noch etwas sagen, heute Abend. Ist dir immer noch sehr schlecht?“, fragt er besorgt. Ich bestätige seine Vermutung und knete meine Hände. Können wir nicht über etwas anderes reden oder uns einfach gegenseitig anschweigen? „Hast du schon etwas gegessen?“, will er misstrauisch wissen. „Kommt alles wieder hoch“, flüstere ich. Mein Magen ist immer noch sauer, da ihm dieses komische Zeug heute Morgen absolut nicht gefallen hat. Ich hab einfach nicht das Bedürfnis dazu es noch einmal auszuprobieren mit dem Essen. „Du solltest echt nicht hier sein, Ruki“, meint er und legt seine Häne auf meine. „Ich bin ja nur wegen deiner Mutter gekommen“, vielleicht wäre ich doch besser im Heim geblieben. Ich habe so Angst davor, dass mir auch noch das hier genommen werden könnte. Ich möchte die Schule nicht wechseln, es ist ja schon schlimm genug nicht mehr bei ihm zuhause zu sein. „Die Lehrerin holt gerade den Schularzt“, meinst du traurig. „Ich möchte nicht“, dieser schickt mich bestimmt direkt zurück. „Warum nicht?“, will er perplex wissen. „Was bringt es?“, frage ich sauer nach. „Ruki bitte“, bittest du. „Nichts Ruki bitte“, motze ich. Ich sehe emotionslos dabei zu, wie er aufseufzt und mich in den Arm nimmt, mir beruhigend über den Rücken streicht, was letztendlich meinem Magen zu Gute kommt. Allein mit solchen Gestern schafft er es immer wieder meinen Schutzwall zu durchbrechen. Ich schluchze laut auf und beginne hemmungslos zu weinen. Ich möchte heute Abend wieder mit zu ihm, unbedingt! Er drückt mich näher an sich, als sich die Tür öffnet und ich schluchze erstickt weiter, als ich mein Gesicht in seinem T-Shirt vergrabe. Der Vorhang wird beiseite geschoben und der Arzt kommt mit einer Schale und vielen Medikamenten zu uns. Ich kann den Arzt aufgrund der vielen Tränen kaum erkennen. „Geht es ihm besser, Reita?“, fragt der Arzt. „Eher nicht“, antwortet er. Machst du dir wirklich Sorgen um mich? Obwohl ich dir nichts an Liebe und Wärme zurück geben kann? Wieso nur fällt es ihm so schrecklich leicht eine Person wie mich zu mögen, obwohl ich ihm nur Kummer bereite? Plötzlich wird mir speiübel und ich verziehe angewidert das Gesicht. Ich drehe meinen Kopf etwas zur Seite und drücke Reita etwas weg, sofort lässt er mich los und ich lege mich auf das Bett. Die Übelkeit ist fast unerträglich geworden in den letzten Minuten. Der Arzt drückt mir ein Glas mit einer komischen Flüssigkeit in die Hand, weshalb ich mich etwas aufrichte und widerwillig schlucke ich das bittere Zeug hinunter. Vorsichtig nimmt er das Glas aus meiner Hand, weshalb ich mich auch wieder hinlege. „Gleich müsste es wieder gehen, wenn nicht habe ich hier noch ein paar Tabletten. Bitte geh zum Arzt Ruki, tue mir den Gefallen. Ich kenne mich auf dem Gebiet leider nicht so gut aus“, ernst schaut mir der Arzt in die Augen. „Er war schon. Aber es liegt an ihm selbst, alles zu ändern“, redet Reita für mich. Der Arzt letztens meinte, er kann nur die Symptome lindern, aber nicht die Ursache beseitigen. Das kann niemand und ich muss lernen mit dieser Tatsache zu leben. Ich muss mir laut ihm selber helfen, in dem ich die ganzen Geschehenen Dinge mir nicht zu sehr zu Herzen nehme. Ich müsste lernen das Trauma zu verarbeiten, dann würde das mit der Übelkeit und allen anderen körperlichen Beschwerden nach und nach besser. Er meint ich solle zum Psychologen gehen, wenn ich mich bereit dafür fühle. Diese Arbeit könne er mir nicht abnehmen und Tabletten würden nur für kurze Zeit das Problem lindern. „Ich will nicht, dass es genauso mit ihm endet wie mit Uruha“, meint der Arzt. Wie ist das mit Uruha denn zu Ende gegangen? Immer wieder werden Sachen in die Richtung angedeutet, aber nie werden meine Fragen diesbezüglich beantwortet. Was hat Uruha nur angestellt? „Ich ja auch nicht. Es ist nur so kompliziert“, was ist kompliziert, Reita? „Es wird schon wieder“, meint die Lehrerin zuversichtlich. „Ruki?“, spricht mich die Lehrerin an. Ich nicke und schließe die Augen. Vielleicht sollte ich doch wieder in eine Klinik. Dabei stand ich damals kurz vorm Tod und dieses Mal scheint es anders. „Geht es wieder etwas?“, fragt sie weiter. Ich schüttle den Kopf und vergrabe mein Gesicht im Kissen. „Ruki ich schreib dich für die ganze nächste Woche krank, aber versprich mir, dass du ernsthaft über eine Therapie egal in welcher Form nachdenkst“, bittet der Arzt mich. „Das geht nicht, die Arbeiten“, gebe ich zu bedenken. „Ruki! Ich tue mir das auch nicht länger an. Du kannst froh sein, solche Freunde wie Reita, Aoi und Uruha gefunden zu haben. Nehme endlich die Hilfe an, die dir ständig angeboten wird! Oder willst du ein drittes Mal eingeliefert werden, ein drittes Mal mit irgendetwas zu gepumpt werden? Ein weiteres Mal vor deinem Leben und den Problemen davonlaufen?“, schreit er mich an. Verunsichert ziehe ich die Decke etwas höher und schüttle den Kopf. „Also, tue etwas, damit es dir bald besser geht“, meint er dieses Mal sanfter, „ruhe dich etwas aus. Gute Besserung.“ Als er und die Lehrerin weg sind, beginnt Reita mir über die hervorstehenden Wangenknochen zu streichen. „Wenn es zu viel wird musst du es uns sagen. Damals ist Uruha freiwillig ins Heim, weil er es nicht mehr ausgehalten hatte, uns alle zu sehen. Er hat sich teils wochenlang in der Schule nicht mehr blicken lassen, hat sich versucht zu ertränken, die Pulsadern auf zuschneiden. Und dann haben ihn meine Eltern gezwungen zurück zu ihnen zu kommen. Er hat eine Therapie angefangen und seitdem geht es ihm auch wieder einigermaßen gut. Naja und er hat das Schuljahr wiederholt. Eigentlich war er mit Aoi in einer Klasse. Sorry wenn ich dich damit nerve“, entschuldigt er sich. Ich schüttele nur den Kopf und frage mich, warum Uruha nicht gezwungen wurde in die Psychiatrie zu gehen. Das waren doch dann ernst gemeinte Selbstmordversuche und dann erfolgt doch meist eine Zwangseinweisung? „Du sollst auch eine Therapie machen, erst einmal. Mit viel Bewegung und außerdem sollst du ein Tagebuch über deine Essensgewohnheiten schreiben. Das sind die Dinge, die meine Mutter mit dem Arzt aus dem Krankenhaus ausgemacht hat. Was die im Heim vorhaben, weiß ich nicht. Aber du schaffst es“, versichert er mir. Er redet ziemlich viel, wenn die anderen beiden nicht da sind. Und er redet am meisten, wenn man ihn immer weiter reden lässt. Hauptsache er hat das Gefühl, es hört ihm einer zu. Er legt die Bettdecke richtig über mich und setzt sich auf den Stuhl, der neben meinem Bett steht und nimmt sich eine Hand von mir. Sanft gleite ich in eine heile, vorgetäuschte Welt, die Welt meiner Gedanken. ~ Reitas Mutter wiederholte nur Reitas Worte und redet mir noch einmal ein ja keinen Mist zubauen. Es würde nur noch einen Monat dauern, wenn überhaupt bis ich wieder aus dem Heim darf. Sie arbeitet momentan mit der Heimleitung zusammen an einem Plan, damit ich schnellstmöglich wieder zu ihnen zurück kann. Seufzend gehe ich neben seiner Mum her, die mich zurück zu den Betreuern bringt. Sie trägt meinen Rucksack und einen kleinen Koffer, der neue Kleidung und anderes beinhaltet. Sie möchte gerne noch einmal mit der Heimleiterin oder sonst wem sprechen, es ist mir im Grunde egal. Angekommen klopft sie an die Tür vom Aufenthaltsraum und ein Mann öffnet uns. Sie verlangt nach der zuständigen Betreuerin, die mich direkt in ihre Obhut nimmt mit meinen Habseligkeiten. Reitas Mutter ihr Weg führt weiter. „Geht es dir wieder besser, Ruki?“, fragt die Betreuerin direkt nach. „Ich hab in der Schule noch irgendwelche Tropfen und Tabletten bekommen. Der Arzt hat mich für die ganze nächste Woche krank geschrieben“, obwohl ich dieses nicht wollte. „Dann werden wir dich in der Zeit mal wieder gesund machen, bist du bereit?“, aufmunternd lächelt sie. Ich zucke nur mit den Schultern. Würde es einen Unterschied machen, wenn ich diese Frage verneinen würde? „Du brauchst auch keine Angst zu haben. Erst einmal bekommst du nur leichte Kost und wir werden darauf achten, dass du auch genug trinkst und isst. Also musst du anfangs nichts machen, außer unseren Befehlen gehorchen. Aber schauen wir erst einmal, wie es dir montags geht“, meint sie. „Aber nur wenn ich ausschlafen darf“, schließlich bin ich noch im Wachstum und brauche meinen Schlaf! „Dann musst du nachmittags bzw. tagsüber auch wach sein. Wir werden schon Beschäftigung für dich finden, dann. Dein Hobby ist zeichnen, oder? Dann bring ich dir gleich einen Karton voll Stifte und Papier mit“, teilt sie mit mir, „Wir wollen es dir ja so angenehm wie möglich machen.“ Auf den Boden blickend gehe ich mit ihr auf mein Zimmer, wo ich mir erst einmal meinen Schlafanzug anziehe. Mir ist immer noch übel und langsam frage ich mich, ob das wirklich nur von dem heutigen Essen kommt. Ich bin total angespannt und das Adrenalin schießt nur so durch meine Adern. Ich fühle mich hier einfach alles andere als sicher. „Ich habe dir noch ein paar Tabletten neben das Bett gelegt. Es reicht wenn du eine davon nimmst, wenn es schlimmer wird. Wenn irgendetwas sein sollte, ich bin im Aufenthaltsraum. Dein Schlüssel liegt auf dem Nachtschrank“, weist sie mich darauf hin. „Können sie vielleicht gucken, dass hier kein anderer drinnen ist? Und vielleicht solange bleiben bis ich eingeschlafen bin?“, bitte ich sie. „Kann ich machen“, seufzend schaut sie mich an. Ich weiß, dass ich in manchen Sachen noch sehr kindlich bin. Aber ich habe nun einmal Angst vor erneuten Übergriffen, da gegen hilft auch nicht die Festnahme meines vermeintlichen Angreifers. Während sie das Zimmer absucht, lege ich mich ins Bett und decke mich zu. Eigentlich ist es noch viel zu früh um schlafen zu gehen, aber da die Übelkeit wieder stetig zunimmt, ist es wohl das Beste was ich tun kann. Am ganzen Körper bebend nehme ich eine der Tabletten vom Nachttisch und schlucke sie mit samt dem Wasser aus der Flasche runter. Es ist wirklich zum verrückt werden. ~ [Reitas POV] Unsicher stehe ich vor dem Kinderheim am Stadtrand. Meine Mum hatte mich noch gewarnt, dass ich nicht hierhin gehen soll, aber ich will Ruki nicht alleine lassen. Hier sind halt auch einige Jugendlich nicht ganz ohne Grund hier. Umher guckend stiefele ich zum Büro der Heimleiterin. Hier war ich des öfteren wegen Uruha allein um zu erfahren, warum er einmal wieder nicht in die Schule kam. Nachdem ich ihr erklärt habe, dass ich Ruki die Hausaufgaben bringe, schickt sie mich zu der zuständigen Betreuerin. Seufzend mache ich mich auf den Weg und finde diese auch schnell. Leider sind die Worte nicht gerade erfreulich, die sie mir übermittelt. Aber wenigstens ist er nicht in der Gruppe mit den ganzen Problemkindern. „Ruki hat die ganzen Tage auf dich gewartet. Er hat kaum geschlafen und wenn er am schlafen war, haben ihn Alpträume gejagt. Momentan schläft er noch. Bitte versuch ihn etwas zu beruhigen und ihn zum Essen zu bringen. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, ihn ins Krankenhaus zu schicken, wo er dann zwangsernährt wird“, teilt sie mir mit. Geschockt starre ich sie an. Ist es wirklich schon so schlimm, dass das Thema künstliche Ernährung im Raum steht? „Werde ich versuchen“, versichere ich ihr. Sie klopft an eine Zimmertür, eine nicht weit entfernt von uns, keine Reaktion. Kurz zuckt sie mit den Schultern und schließt die Tür auf, schaut mir dabei durchdringend in die Augen. „Wenn etwas sein sollte, ich bin wieder im Aufenthaltsraum“, sagt sie. Und schon überlässt sie mich meinem Schicksal. Vorsichtig schleiche ich in das Zimmer, schließe die Tür hinter mir. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich sehe wie friedlich Ruki dort auf dem Bett liegt und schläft. Sanft küsse ich ihn auf die Stirn und verschreckt schlägt er die Augen auf. „Guten Ruki“, lachend schaue ich ihn an. Er brummelt etwas leise vor sich hin. „Ich bringe dir die Hausaufgaben. Wie geht es dir?“, frage ich. „Hm“, und schon wieder keine richtige Antwort. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mir überhaupt nicht zuhört bzw. gar nicht wirklich realisiert, dass ich hier bin. Ich nehme sein Gesicht in meine Hände und zwing ihn so, mich an zugucken. „Rei“, murmelt er leise als er sich über die Augen reibt. „Ja, Kleiner?“, aufmerksam mustere ich ihn. „Lass los. Mir ist schon schlecht genug“, murmelt er kaum hörbar. Seufzend lasse ich ihn los und stelle meine Tasche neben sein Bett. „Sie haben dir Äpfel und alles hingelegt. Magst du wirklich nicht essen?“, frage ich nach. Er verneint meine Frage. Mit meinem Taschenmesser bewaffnet schäle ich den Apfel und schneide ihn in kleine Stücke. Ruki ist blass und hat schon wieder einiges abgenommen. Wenn sich nichts ändert stirbt er, sein Körper ist am Ende. „Schau mal ich habe mir so viel Mühe gegeben, ne? Also nimm wenigstens ein kleines Stück“, bitte ich ihn. Er reibt sich wieder kurz über die Augen, ehe er ein kleines Stück nimmt und es isst. Vielleicht hilft es ja, wenn ich weiter bettle. Ohne ein weiteres Wort von mir nimmt er sich auch die restlichen Stücke, schlingt sie fast wie ein gieriges Tier runter. Also scheint er ja doch noch leben zu wollen? Hoffentlich bleibt es auch im Magen. Ich kenne dieses Verhalten von Uruha einfach zu gut und meistens ging das alles nicht gut aus. „Geht es dir jetzt besser, Ruki?“, frage ich. „Ja“, er sieht mittlerweile auch ein wenig wacher aus. Sein Körper fühlt sich eiskalt an, als ich ihn berühre. „Ist dir kalt Ruki?“, erkundige ich mich. Langsam mache ich mir nur noch mehr Sorgen, als ohne hin schon. Sollten die Betreuer nicht genau auf so etwas achten? Oder will Ruki sich einfach nicht helfen lassen? „Ein wenig“, gibt er zu. „Magst du vielleicht etwas raus gehen?“, frage ich nach. Damit sein Kreislauf wieder in Schwung kommt, sollte er vielleicht einmal aufstehen. „Da ist es ja noch kälter“, gibt er zu bedenken. Ich streichle ihm leicht über den Rücken und spüre die Gänsehaut und die Narben unter dem Schlafanzugsoberteil. Die Narben machen mich immer noch wütend. Wie kann man nur so grausam zu seinem eigenen Kind sein? Diesen Hass habe ich schon bei Uruhas Eltern nicht verstanden, aber diese haben wenigstens Uruha nie körperlich so schlimm misshandelt wie Rukis Opa es getan hat. Auch noch heute läuft es mir eiskalt den Rücken runter, wenn ich an Rukis Rücken denke nach dem er weggelaufen war. Und die Ärzte meinte nur, dass er auf dem Level öfters misshandelt wurden war und man genau das an den unzählige Narben sieht. „Hast du noch eine Decke hier?“, hake ich nach. Wenn er schon nicht raus will, dann soll er es wenigstens hier drinnen warm haben. „Ja im Schrank ist noch eine. Kannst du bitte die Tür abschließen?“, bittet er mich. „Mach ich“, fühlt er sich etwa immer noch so bedroht? Den Schlüssel nehme ich von seinem Nachttisch und schließe die Tür ab. Aus seinem Kleiderschrank nehme ich eine dickere Decke, die ich direkt über ihm ausbreite. Seinen Schlüssel lege ich dorthin zurück, wo ich ihn her hatte. „Willst du am Wochenende zu mir kommen?“, biete ich ihm an. „Ja“, deine Antwort war mir von vorne herein klar. Wieso solltest du auch nicht zu mir wollen? „Ich frag dann einmal die Betreuerin. Sie sagt es dir dann auch“, hoffentlich darf er am Wochenende zu mir. Traurig schaust du aus dem Fenster. Es ist so schwer diese Hoffnungslosigkeit in deinen Augen zu ertragen. Und noch schwerer fällt es mir das Thema nicht zur Sprache zu bringen. Ich weiß halt ganz genau, dass Worte die Situation nicht verbessern würden. „Ich geh dann auch wieder, damit du weiter schlafen kannst. Dann bis Freitag oder Montag“, verspreche ich dir. Wir werden uns sicherlich dann sehen. Er nickt nur und ich tätschle seinen Kopf. Lächelnd wünsche ich ihm noch eine gute Nacht, bevor ich dass Zimmer aufsperre und es verlasse. Vorher habe ich ihm natürlich noch seinen Schlüssel wieder gegeben. Auf dem Flur begegne ich seiner zuständigen Betreuerin. „Warte bitte hier auf deine Mutter, ihr nehmt Ruki vorerst mit. Mir ist es egal was die Sozialarbeiterin sagt, es war vollkommen falsch von ihr, ihn euch weg zunehmen“, erklärt sie mir aufgebracht. „Das sehe ich genauso. Soll ich irgendetwas bei ihm beachten?“, frage ich vorsichtig nach. Ruki ist in der Handhabung leider wie ein rohes Ei. „Nein, brauchst du nicht. Versucht ihn lediglich bis Montag gesund zu bekommen“, bittet sie mich. „Das schaff ich schon, irgendwie. Aber er hat sich nicht geritzt oder sonst was die ganzen Tage, oder?“, ansonsten könnte er Probleme mit der Sozialarbeiterin bekommen. „Er hatte sich lediglich am ersten Tag die ganzen Wunden am Arm aufgerissen. Aber ansonsten ist meines Wissens nichts vorgefallen“, berichtet sie mir. Das heißt im Klartext er kann sich trotz allem selbst verletzt haben. Er weiß es halt einfach gut zu verstecken und er redet ja auch nicht darüber. „Dann ist gut. Ich packe dann seine Schulsachen und helfe ihm beim Umziehen, wenn etwas ist, melde ich mich. Noch einmal danke“, bedanke ich mich. „Kein Problem. Wenn es ihm nicht bald besser geht, geht mit ihm ins Krankenhaus. Ich gebe ihm nicht mehr lange, wenn er so weiter macht bricht er zusammen und wacht vielleicht nie mehr auf“, ernst schaut sie mich an. „Ich kümmere mich darum. Ich geh dann auch direkt mit ihm raus. Dann schon einmal Auf wieder sehen und bis Sonntag oder Montag“, verabschiede ich mich. „Ja, bis dann“, erwidert sie lediglich. Seufzend mache ich mich zurück auf sein Zimmer, wo der kleine mehr oder minder wach am Schreibtisch sitzt. „Ruki, wir nehmen dich erst einmal mit nach Hause. Willst du irgendetwas Spezielles mitnehmen?“, erkundige ich mich. Obwohl er hat ja gar nichts wichtiges hier haben dürfte. Das einzige was meine Mutter ihm eingepackt hatte waren Klamotten und an denen hängt er meines Wissens sowieso nicht. Stattdessen stibitzt er immer wieder Sachen aus meinem Schrank, weil ihn seine eigenen wohl zu sehr an früher erinnern. Er schüttelt nur den Kopf. „Hast du mir zugehört?“, frage ich unsicher nach. „Nein?“, antwortet er abwesend. „Ach Ruki, dreh dich mal bitte zu mir um“, fordere ich ihn auf. Er hat hoffentlich nicht geweint. Schüchtern dreht er den Kopf herum und ich komme nicht um ein Lächeln herum. Er ist so was von unglaublich süß. „Packst du schon einmal deine Schulsachen zusammen?“, bitte ich ihn. Kritisch mustere ich ihn, als er seine sieben Sachen packt. Schweigend verlasse ich mit ihm das Zimmer und er schließt es ab. Er ist noch blasser wie eben. Vorsichtshalber ziehe ich ihn näher zu mir und stütze ihn, darauf hoffend, dass ich ihn auffangen kann wenn es darauf ankommt. „Reita“, murmelt er meinen Namen. „Was ist Kleiner?“, frage ich schmunzelnd. „Mir geht es so mies“, brummelt er leise. „Das glaub ich dir. Aber meine Mum kommt ja gleich. Und Morgen wollte mich Uruha besuchen, da er ja mittwochs seinen freien Tag hat“, kläre ich ihn auf. „Mir ist langweilig“, moserst du. Redet er nur gerade um bei Bewusstsein zu bleiben? Oder ist es das Wissen, dass ich ihn erst einmal für ein paar Tage mit heim nehmen darf? „Kaum bist du aus dem Heim raus, fängst du wieder an zu mosern“, er ist echt unverbesserlich. „Weil es mir besser geht“, erwiderst du trotzig. „RUKI!“, ruft auf einmal wer. „Wer, versteck mich Reita!“, flehst du. Ich sehe noch wie Tränen in seine Augen schießen und er sich schutzsuchend an mein Hemd klammert. Ich halte ihn fest an mich gedrückt, als ich mich zur Lärmquelle umdrehe. Und es ist ein Aoi. Was macht Aoi hier?! Vorausahnend lege ich den Finger auf meine Lippen und hoffe, er hält seinen Mund. Vorsichtig gehe ich mit dem zitternden Bündel zu Aoi und gucke ihn fragend an. Ich kann immer noch nicht ganz einschätzen, ob die beiden sich mögen oder nicht. „Deine Mutter hat mich beim Einkaufen getroffen. Tut mir leid wenn ich störe. Hey Ruki“, begrüßt er den Kleinen. Abwartend schauen wir beide Ruki an. Doch dieser gibt keinen Mucks von sich, hängt immer noch an mir. Leicht streichle ich durch seine Haare und drücke ihn ein wenig von mir. Jetzt scheint es so, als wäre all die Farbe aus seinem Gesicht gewichen und er presst die Augen zusammen. „Ruki kippst du gleich um?“, fragt Aoi. Er murmelt etwas ganz leise. Ich packe ihn und hieve ihn auf Aois Rücken. „Es ist auch nicht weit zu eurem Auto. Wir machen am Besten einen kleinen Ausflug zum Krankenhaus, wie es scheint“, schlägt er vor. Das halte ich auch für eine sehr gute Idee. „Nein“, murmelt Ruki leise. „Ach unser kleiner lebt ja noch“, schmunzelt Aoi. „Es tut mir so Leid. Aber kein Krankenhaus! Mir geht es nur so schlecht, weil ich kaum esse. Ich will nicht ins Krankenhaus!“, fleht Ruki uns an. „Schon gut. War ja nur so eine Idee“, versucht Aoi den kleinen zu beruhigen. Scheinbar ist das Krankenhaus an sich schon sehr beängstigend. Solange er nur ambulant behandelt wird ist alles in Ordnung, aber wehe er muss eine Nacht da bleiben. Da will man gar nicht wissen, was die bisher alles mit ihm angestellt haben. „Wie alle deine Ideen, Aoi“, erwidert Ruki trotzig. „Auch noch frech werden, Kleiner“, meint Aoi belustigt. Keine Antwort folgt und ich kann nur tatenlos dabei zusehen, wie der Kleine sich mehr und mehr von uns entfernt. Schweigend verläuft die Fahrt nach Hause. Währenddessen ist Ruki eingeschlafen und naja, ich und Aoi sitzen jetzt neben seinem Bett, halten Wache. „Die Betreuerin hat gemeint, wenn er noch einmal zusammenbricht, wacht er vielleicht nie wieder auf“, erzähle ich Aoi. Diese Worte machen mir nach wie vor Angst. Was ist wenn er wirklich nicht mehr aufwacht? „Ihm geht es bestimmt gut“, meint Aoi zuversichtlich. „Ich mache mir trotzdem Sorgen. Ihm geht es von Tag zu Tag schlechter“, und das merkt man allzu deutlich. Ein Klopfen an der Tür lässt uns herum fahren, meine Mutter tritt ein gefolgt von einem älteren Herrn. „Jungs, geht bitte einmal runter, Uruha ist da“, bittet sie uns. „Und was ist mit Ruki?“, frage ich vorsichtig nach. „Er wird jetzt von einem Arzt untersucht, ich bleibe solange bei ihm“, meint meine Mutter. Aoi legt einen Arm um meine Schulter als wir das Gästezimmer verlassen. „Komm schon Reita, der Trübsal hilft Ruki nicht. Du musst ihm zeigen, dass du stark bist. Er braucht einen um sich herum, der gut drauf ist. Ansonsten macht er sich nur noch mehr Vorwürfe“, meint Aoi. Ob er recht hat? Im Wohnzimmer finden wir dann auch Uruha vor, zusammen mit Tee und vielen Frauenzeitschriften. Ich wette er hat mal wieder nur mit meiner Mutter geredet, wie immer also. Und jetzt sollen wir ihn weiter beschäftigen. Aber er ist ja mein Freund, also was soll es. Aoi beginnt auch direkt ein Gespräch mit ihm, über irgendwelche weibischen Dinge. Damit kann ich leider nicht dienen, mit so was kenne ich mich überhaupt nicht aus. Nach einer Stunde kommt meine Mutter wieder, gefolgt von dem Arzt. „Was ist nun mit Ruki?“, frage ich besorgt nach. „Er braucht Ruhe, viel Ruhe. Bitte lasst ihn für heute in Frieden“, weist sie uns an, „wenn er bereit ist, wird er es euch selbst sagen.“ „Ich hoffe Ruki hat nichts zu schlimmes“, und das hoffe ich wirklich. „Er wird es uns bestimmt sagen. Er ist die letzte Zeit viel offener geworden. Auf jeden Fall habe ich so das Gefühl“, mischt sich Aoi ein. „Ich hoffe du hast Recht Aoi, ich hoffe es so sehr“, ich will Ruki nicht verlieren. „Und was denkst du darüber Uruha?“, spricht Aoi Uruha an. „Nicht wirklich viel. Ich will es glaub ich auch nicht.“, gibt er ehrlich zu. „Ach wir brauchen nur Optimismus, dann wird es schon klappen“, meint Aoi hoffnungsvoll. Ob er Recht hat? Ich weiß es nicht. Immerhin wäre das zu einfach. Und egal wie oft ich damals bei Uruha an das Gute geglaubt habe, immer traf das Gegenteil ein. Damals hat er auch gemeint, mit einem Lächeln auf den Lippen werden wir das ganze gemeinsam durch stehen. Aber dem war nicht so und auch heute habe ich noch Angst davor, dass ein kleiner Windstoß Uruha zurück ins Loch katapultieren könnte. Wenige Tage nach diesem Spruch war Uruha abgehauen und ist in von der Brücke in einen Fluss gesprungen. Spaziergänger sind direkt hinterher und konnten ihn noch retten. Was wäre passiert, wenn er gestorben wäre? Und das war nur ein Impuls, der ihn dazu veranlasst hatte. Eine reine Kurzschlussreaktion und nichts anderes. Ich hoffe es so sehr, dass Ruki nicht zu so etwas tendiert. Geschockt blicke ich zur Tür, als Schritte zu vernehmen sind. Ruki ist leichenblass, hat richtig blutunterlaufene Augen und kann sich kaum auf den Beinen halten. Ich habe Mitleid mit dem kleinen. „Reita, hol du ihn bitte“, meint meine Schwester. So schnell ich kann springe ich auf und hole ihr Ruki ab. Warum will er gerade jetzt zu mir? Wäre es nicht das Beste, würde er sich oben weiterhin ausruhen? Auch Aoi und Uruha sind mittlerweile aufgestanden und zu uns gekommen. „Was hat er Reita?“, fragt Aoi verwundert. „Keine Ahnung. Ruki?“, spreche ich den kleinen an. Ja?“, seine Stimme klingt schwach. „Was ist los kleiner?“, frage ich besorgt nach. „Nichts..“, verneinend schüttelt er den Kopf. „Das glaub ich dir nicht“, widerspreche ich ihm. „Warum denn nicht?“, traurig guckt er mich an. „Darum, Ruki. Also sag schon“, fordere ich ihn sanft auf. Ich drücke ihn fester an mich, als er seinen Kopf schüttelt. Was ist nur los mit ihm? Er scheint völlig durch den Wind und zudem noch mit der Situation überfordert. „Hey bleib wach, Gartenzwerg“, bittet Aoi ihn. Sogar zum böse funkeln, scheint er zu fertig zu sein. Mein armer kleiner Kuschelleopard. Ich hebe ihn auf meine Arme und gehe mit ihm zum Sofa, lasse ihn dort dann auf meinem Schoß sitzen. Er scheint auch absolut nichts dagegen zu haben. Er schmiegt sich sogar ein wenig an mich. Ob ihm kalt ist? „Ich glaub er will doch nur seine Kuscheleinheiten abholen, mehr nicht“, schmunzelnd gucke ich Ruki an. „Reita sei mal nicht so gemein zu ihm!“, verteidigt meine Schwester ihn. „Ach Schwesterherz, was würdest du denn sagen, wenn du ihn auch noch als Bruder dabei bekommst?“, jetzt bin ich aber auf die Antwort gespannt. „Uruha ist doch ein nettes Brüderchen“, meint sie. „Den hast du doch schon! Ich meine Ruki!“, weise ich sie daraufhin. „Der ist doch niedlich, ich wollte schon immer mal eine Babyraubkatze“, lachend guckt sie uns beide an. „Wie witzig!“, böse funkele ich zurück. Immer wenn ich Ruki so betrachte und auch erlebe was für ein liebevoller Mensch er ist frage ich mich, wieso sein voriges Umfeld ihm mit so viel Hass begegnet ist? Sanft streichle ich durch Rukis Haare, massiere seine Schultern. Er sieht immer mehr danach aus, als würde er gleich einfach in meinen Armen einschlafen. Ein Glück, dass ich gleich eh ins Bett gehen will. Dann kann ich mich direkt mit ihm zusammen ins Bett legen. Denn ich denke nicht, dass er auch ohne mich weiter schlafen würde. Scheinbar gebe ich ihm tatsächlich einiges an Sicherheit. „Ich geh dann mal mit ihm ins Bett. Er soll ja erst einmal nicht allein sein. Dann tschüss bis Morgen!“, verabschiede ich mich. „Aoi du bleibst gefälligst noch hier. Wir haben ja weiterhin Gesprächspartner“, Uruha kann ja ziemlich herrisch klingen, das macht einem richtig Angst. Schulterzuckend verlasse ich den Raum mit Ruki auf meinen Armen. Mittlerweile ist er zwar wieder etwas wacher, aber er ist allein weil er so verschlafen ist total niedlich! Verboten süß, könnte man schon meinen. Bevor ich ihn kennen gelernt hatte, wäre ich nie auf die gekommen jemand anderen als süß zu bezeichnen. Vorsichtig lege ich ihn auf meinem Bett ab und ziehe mich schnell um. In der Zwischenzeit hat er sich auch schon unter die Decke gelegt und sich regelrecht darunter vergraben. „Ruki, du bist ab sofort mein kleiner Bruder, ob du willst oder nicht“, er ist wenigstens lieb. „Gerne..“, murmelt er leise. „Du bist süß und total anhänglich“, auf alle Fälle zwischendurch. Lächelnd schalte ich das Licht aus und lege mich neben ihn unter die Decke. Ich hoffe ihm geht es Morgen besser und ich hoffe er kann uns dann sagen, was er genau hat. Immerhin sind wir jetzt Freunde und bald wird er auch zu einem Familienmitglied, wie Uruha es einst geworden ist. Er kuschelt sich direkt an mich und guckt zu mir hoch. Lächelnd schaue ich ihn an. „Du hast dich verändert, Ruki. Zum Positiven“, und das meine ich ernst. „Wirklich?“, fragt er ungläubig nach. „Auf alle Fälle. Jetzt musst du nur noch gesprächiger werden. Aber das geht schnell bei uns“, aufmunternd lächele ich ihn an. „Kommen die anderen auch morgen Nachmittag?“, fragst du hoffnungsvoll nach. „Die müssen beide arbeiten“, was müssen die auch so viel arbeiten immer?! „Aber du kommst nachmittags nach Hause?“, fragst du mich bittend. „Auf alle Fälle. Schlaf erst einmal etwas, damit du wieder zu Kräften kommst“, liebevoll kraule ich seinen Nacken. Irgendwie komme ich mir gerade wie in einem schlechten Liebesfilm vor, obwohl ich ihn nicht liebe. -.-.-.-.-.-.-.- Disclaimer: nicht mir, nichts Geld 3519 -> 4709 Wörter(10.08.2009) 4709 → 5560 Wörter(13.07.2018) Kapitel 15: Endloser Kreislauf ------------------------------ Müde reibe ich mir über die Augen. Wir haben schon weit nach Mittag und ich bin gerade erst aufgestanden. Reita kommt auch in einer halben Stunde wieder, verflucht. Ich würde am liebsten wieder schlafen, einfach immer weiter schlafen. Aber langsam muss ich aufstehen und essen, ansonsten liefern sie mich doch ein. Und genau das will ich nicht! Gestern haben sie gemeint, dass ich mit einem halben Bein in der Psychiatrie stehe. Jetzt habe ich noch die Chance mein Leben selbst in den Griff zu bekommen, bald nicht mehr. Ich bekomme jetzt 5mal am Tag kleine Mahlzeiten, zusätzlich muss ich Vitamintabletten und Nahrungsergänzungsmittel schlucken. Und für Montag habe ich Koffeintabletten bekommen, damit ich wenigstens wieder genug Energie habe um in die Schule zu gehen. Niemand soll etwas davon erfahren, denn eigentlich soll ich nicht solche Aufputschmittel bekommen. Sogar Antidepressiva bekomme ich jetzt, etwas was ich sonst nie bekommen hätte. Die brauchen jetzt einige Zeit bis sie wirken, aber das ist die Sache wert. Vollgestopft mit Medikamenten, aber dafür bin ich ja immer noch bei Reita, immerhin etwas. Leise seufzend stehe ich auf und gehe hoch auf mein Zimmer. Dort esse ich erst einmal ein paar Kekse und Reiskuchen, danach würge ich fast schon einen halben Medizinschrank runter. Und manches davon soll ich dreimal am Tag einnehmen, was für eine Freude. Und damit ich es nicht vergesse, muss ich es wahrheitsgemäß notieren, wie jede Mahlzeit die ich zu mir nehme. Um mir die Sache etwas zu erleichtern hat mir Reitas Mamas all die Tabletten in eine Art Tablettendose gefüllt, damit ich nicht durcheinander komme. Stirnrunzelnd schreibe ich sowohl Datum, als auch Uhrzeit, sowie die gewünschten Daten auf. Auch Dauer des Schlafes muss ich notieren. Ein Wort: Nervig! Ein Klopfen an der Tür ertönt und ich schrecke zusammen. „He-Herein?“, stottere ich. Die Tür geht auf und seine Schwester grinst mich an. Warum muss die mich auch immer so erschrecken? Sonst klopft nie jemand an die Tür, nur sie oder es ist etwas passiert. „Erschrecke dich doch nicht nicht so. Es gibt unten etwas zu Essen“, klärt sie mich auf. „Ich hab schon etwas gegessen, sorry“, entschuldige ich mich. „Kleiner so haben wir gestern Abend nicht gewettet. Du kommst jetzt schön mit runter und isst wenigstens ein Reiskorn!“, meint sie und schaut mich mahnend an. „Wenn es unbedingt sein muss“, gebe ich genervt von mir. Augen rollend folge ich ihr runter in die Küche und begrüße dort erst einmal Reitas Mum. Mittlerweile ist sie wie eine richtige Mutter für mich. Sie bedeutet mir wirklich sehr viel, da ich eigentlich immer zu ihr kommen kann. Selbst wenn es mitten der Nacht ist hat sie noch ein offenes Ohr für mich. Und vor allem versucht sie mir immer wieder Angst vor den Tabletten und auch der Zukunft zunehmen. „Wenn es dir gut genug geht, kannst du gerne mit Reita später raus“, bietet sie mir an. „Nein, ich möchte es nicht übertreiben. Auch wenn es mir wieder gut geht“, schließlich soll ich nach wie vor die Bettruhe beherzigen. „Du bist echt liebenswürdig, Ruki“, meint Aiko plötzlich. „Kann schon sein“, auch wenn ich es absolut nicht glaube. Wie kann einer liebenswürdiger sein, wenn er nur Kummer verursacht? „Falls du es noch haben willst, ich habe ein Geschenk gefunden, von Aoi an dich. Nur Reita wollte es dir damals im Krankenhaus nicht aushändigen. Weil er Angst davor hat, dass du Aoi dafür umbringen könntest“, erzählt mir Fumiko. „Ich kann es mir gleich ja einmal ansehen“, und dann kann ich immer noch entscheiden, ob Aoi weiter leben darf oder nicht. „Kannst du auch jetzt schon. Es steht auf dem Wohnzimmertisch“, meint sie. Ich verbeuge mich einmal tief, bevor ich ins Wohnzimmer gehe. Dort angekommen fällt mir direkt ein Riesenpaket auf. Kritisch mustere ich es, bevor ich es öffne. Das Geschenkpapier trenne ich sorgfältig von dem Geschenk und lege dieses dann auch zusammengefaltet auf den Tisch. Kopfschüttelnd packe ich den Leoparden und schleppe diesen hoch in mein Zimmer. Jetzt muss Reita wenigstens nicht immer als Kuscheltier hinhalten und der Leopard ist echt flauschig und auch in gewisser Weise süß. Warum schenkt Aoi mir überhaupt ein Stofftier? Bin ich in seinen Augen wirklich noch so kindlich? Direkt mache ich mich auch wieder ein Stockwerk tiefer um mich neben Reitas Schwester zu setzen. Auch Reita lässt nicht lange auf sich warten. Ich esse nur ein wenig und verschwinde auch schnell hoch, um alles zu notieren. Mir ist zwar schlecht vom Essen, aber es geht schon. Ich werde mich sicherlich in keine Essstörung hineinbringen. Ich setze mich auf die Fensterbank und schaue aus dem Fenster. Die Übelkeit nachdem Essen hasse ich und vor allem verstehe ich auch nicht wieso mir immer nach dem Essen schlecht wird. Ein starkes Paar Arme umarmt mich von hinten und ich lehne mich an seinen Brustkorb. „Geht es dir nicht gut?“, fragt Reita besorgt. „Mir ist nur ein wenig schlecht, mehr nicht“, also alles halb so wild. „Was hat der Arzt gestern gesagt?“, erkundigt er sich zögerlich. „Das es meine Sache ist, ob ich weiterleben will oder nicht. Und dass nur noch ich mein Leben ändern kann“, er hat mich wenigstens zu nichts gezwungen. „Weise Worte hat er da gesagt. Komm leg dich noch etwas hin, okay?“, bittet er mich. „Ja“, meine ich und stehe auf. Vorsichtshalber klammere ich mich an ihn, denn mir wird mal wieder schwarz vor Augen. Mein Kreislauf ist im Eimer, definitiv. Seufzend hebt er mich mit Leichtigkeit hoch und legt mich auf das Bett. Danach deckt er mich zu und mustert mich besorgt, wie so oft in letzter Zeit. „Schlaf noch ein wenig, ja? Ich bleib auch hier sitzen“, bietet er mir an. „Es geht schon, gleich ist es wieder gut“, es war immer nach einer Zeit wieder gut. Normalerweise dauert es nie lange, bis sich mein Kreislauf nach dem Essen wieder im Griff hat. „Bitte Ruki. Sei einmal vernünftig“, meint er und schaut mir dabei ernst in die Augen. „Leg dich zu mir“, fordere ich ihn auf und erwidere traurig seinen Blick. „Meinetwegen, notgeiler Gartenzwerg“, neckt er mich. Lächelnd legt er sich neben mich unter die Decke. „Du bist gemein!“, erwidere ich trotzig. „Kleiner, ich doch nicht“, rechtfertigt er sich. „Reita“, gebe ich weinerlich von mir. „Ruhig jetzt und halt dein Mittagsschläfchen“, weist er mich zurecht. Schmollend schiebe ich meine Unterlippe vor und rücke demonstrativ ein Stück von ihm weg. Von Reita höre ich nur ein leises Glucksen. Ich schließe meine Seelenspiegel und lande in einer fremden, doch bekannten Welt. Das erste was ich wieder spüre, ist ein heftiges Ziehen in meinem Kopf und ich kann ein schmerzhaftes Aufstöhnen nicht unterdrücken. Mühsam drehe ich mich auf die andere Seite und öffne vorsichtig meine Augen. Das Licht fühlt sich wie tausend Nadelstiche an, deshalb kneife ich sie lieber wieder zusammen. „Ruki? Kleiner?“, flüstert Reita leise. Ich spüre wie Reita mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht streicht. „Ist dir schlecht?“, fragt er in Sorge. „Denke nicht“, verneine ich die Frage. „Wenigstens etwas“, antwortet er erleichtert. „Wo bin ich?“, frage ich vorsichtig nach. „Im Wohnzimmer. Wir hatten dich eben runter getragen. Du bist umgekippt, als du mir hinterher wolltest“, erklärt er mir. Wieso wollte ich ihm hinterher? „Wie?!“, frage ich ungläubig. „Ich wollte auf Klo und da habe ich halt einen dumpfen Aufprall gehört und bin zurück. Und dann lagst du da und warst ein wenig am Kopf am bluten“, fügt er hinzu. Ich kann mich gar nicht daran erinnern aufgestanden zu sein. Ich kenne diese Erinnerungslücken von anderen Medikamenten, aber trotzdem erschreckt mich das alles immer wieder aufs Neue. „Aber“, widerspreche ich. „Wie geht es dir denn?“, würgt er mich direkt ab. „Mein Kopf tut wie verrückt weh und mir ist schwindlig“, aber mir ist komischerweise nicht schlecht. „Du musst ja noch deine Tabletten nehmen. Ich hab hier auch etwas zu essen für dich stehen. Mum ist mit meiner Schwester weg“, erzählt er. „Holst du mir etwas zum Kühlen, Rei?“, frage ich nach. „Kann ich machen“, meint er. Ich höre Schritte, die sich entfernen. Unter großen Schmerzen und Schwindelanfällen schaffe ich es in eine sitzende Position und mittlerweile kann ich auch wieder die Augen offen lassen, auch wenn nur halb. Als Reita wiederkommt schenke ich ihm ein müdes Lächeln. Stumm rollt eine Träne über meine Wange. Warum ist er nur so lieb? Ich möchte ihm etwas geben, dafür dass er mir die letzten Wochen beigestanden hat. Nur was? Ich kann ja einmal seine Mutter fragen, sie muss es schließlich wissen. „Komm iss etwas Ruki, ja?“, bittet er mich. Murrend nehme ich die Suppenschüssel in die Hand und fange an zu essen. Die Übelkeit die bei dem Gedanken an Essen aufkommt verdränge ich und bin mehr als froh, als Reita mir den Eisbeutel an die Stirn hält und mir ab und an über den Rücken streicht. „Gleich kommt Uruha nach Hause. Willst du etwas mit zu ihm?“, fragt er mich. „Warum willst du denn zu ihm?“, frage ich verwirrt nach. Es muss ja schließlich einen Grund geben, oder? „Er hat gefragt, ob ich kommen will. Ihm geht es nicht so gut und er will Ablenkung“, antwortet er. Ich habe gedacht es wäre alles mit Uruha in Ordnung, Rei? „Warum kommt er dann nicht her?“, sonst kommt er doch immer. „Ich hab ihm angeboten, dass ich zu ihm komme“, klärt Reita mich auf. „Will er mich überhaupt dabei haben?“, nachher will er mich nämlich gar nicht sehen. „Ist doch egal, kleiner. Komm hol deine Tabletten. Ich hab schon alles notiert für dich“, fordert er mich auf. „Holst du mir dann etwas zum Anziehen?“, schließlich kann ich nicht ewig in dieser Kleidung hier bleiben. „Na klar“, erwidert er fröhlich. Während ich den halben Medizinschrank zu mir nehme, huscht er weg. Danach hilft er mir beim Anziehen, da ich den verletzten Arm immer noch nicht wirklich viel bewegen kann. Wir gehen zur Tür, wo wir uns Schuhe und Jacke anziehen. Er hängt mir ein Schlüsselband um. „Wenn du nachher nach Hause willst, musst du es sagen, in Ordnung?“, bittet er mich. Ich nicke nur und gucke ihn abwartend an. Wortlos machen wir uns auf den Weg zu Uruhas Wohnung. „Du schaffst den Weg zu ihm, oder?“, fragt er besorgt nach. „Hm, ja“, ich denke schon. „Komm ich trage dich“, bietet er mir an. Mittlerweile sind wir schon die Hälfte des Weges gegangen. Dankend klettere ich auf seinen Rücken. Die Tabletten machen mich ganz schön fertig und selbst kurze Strecken fühlen sich wie ein Marathon an. Ich frage mich was mit Uruha los ist. Normalerweise ist doch er derjenige, der soviel redet. Ob etwas vorgefallen ist? „Ruki bitte frag nicht wie es bei der Arbeit ist. Er hat gekündigt. Warum, muss er dir selbst sagen. Deshalb zieht er auch bald wieder zu uns, da meine Eltern nicht wollen, dass er direkt wieder woanders anfängt zu arbeiten“, meint Reita traurig. „Ist er deshalb so schweigsam zur Zeit?“, hake ich nach. „Bitte frag mich nicht aus. Aoi weiß darüber eher als ich etwas, aber ich glaub es ist das Beste, wenn du nicht alles weißt“, meint Reita seufzend. Ist die Wahrheit etwa so schlimm, dass es besser ist sie nicht zu kennen? „Warum?“, ihr lasst mich immer außen vor. „Weil Uruha es nun mal anscheinend nicht will, deshalb. Ich hoffe, Aoi hat ihn nach Hause gebracht“, meinst du nachdenklich. „Wieso?“, frage ich. „Ruki bitte stell keine Fragen, ja? Egal wie Uruha gleich aussieht“, bittest du mich. Und schon wieder lenkst du vom Thema ab, wie ich es doch hasse! Ich will doch eigentlich nur wissen was momentan genau los ist und mehr nicht. Als wir beim Gebäudekomplex ankommen, erwartet uns schon Aoi. Zusammen gehen wir hoch zu Uruhas Wohnung. „Na ihr zwei?“, begrüßt er uns lächelnd. „Hey Aoi, ist er schon zu Hause?“, fragt Reita direkt nach. „Habe alles wie besprochen erledigt. Er schläft gerade. Aber er wacht sowieso gleich wieder auf. Wie immer also“, seufzend mustert uns Aoi. „Vielleicht ist es doch besser, wenn er mit zu mir kommt“, meint Reita. „Denke ich auch. Wenn er es bis dahin schafft“, gibt Aoi zu bedenken. „Was ist denn passiert?“, werfe ich einfach mal dazwischen. „Er hat sich krank gemeldet, deshalb hab ich ihn schon vor ein paar Stunden abgeholt. Ihm geht es echt, alles andere als gut“, klärt uns Aoi auf. Will ich wirklich herausfinden warum Uruha krank ist? „In der Schule fing es schon an. Aber er wollte nicht auf uns hören, auch als die Lehrer ihn nach Hause schicken wollten“, fügt Reita noch zu Aois Aussage hinzu. „Kommst du gerade mit hoch, damit wir ihm ein paar Sachen mitnehmen können?“, fragt Aoi. „Kann ich machen. Ich geh dann mit Ruki danach nach Hause, du kommst zu Recht oder?“, fragt Reita. „Klar“, versichert uns Aoi. Mittlerweile sind wir oben angekommen und befinden uns in seinem Schlafzimmer. Aoi packt irgendwelche Taschen und Reita sucht irgendetwas. Ich sitze derweil nur auf dem Bett herum und warte darauf, dass wir endlich zurückgehen. Helfen darf ich nicht, da ich laut ihnen nicht fit genug bin. Ich lehne mich zufrieden zurück, als mich Uruha von hinten umarmt. „Hey Kleiner“, begrüßt er mich. „Huhu Riese“, erwidere ich lächelnd. „Du siehst wieder fast normal aus“, stellt er erstaunt fest. Was meint er mit normal? Sehe ich wieder gesünder aus? „Ich hab dich vermisst“, und das meine ich ernst. „Ich dich doch auch“, erwidert er lächelnd. Er lässt mich plötzlich los, stürmt raus und lässt irgendeine Tür ins Schloss fallen. „Das meinte Rei eben Ruki. Sturer Idiot“, beleidigt Aoi Uruha. Uruha scheint anscheinend eine Magendarmgrippe zu haben. Auf jeden Fall kommt es mir so vor. Aber warum machen die beiden dann so ein Drama darum? Oder steckt dahinter doch etwas ernstes und sie wollen mich mit dem Thema nicht belasten? „Ich glaube deine Mum ist nicht gerade begeistert, wenn wir wieder alle kommen“, gibt Aoi zu bedenken. „Schlaft ihr dann wieder im Gästezimmer?“, frage ich nach. „Ich denke Mal, dass Uruha Reitas Zimmer bekommt und ich mit Reita im Wohnzimmer schlafe“, überlegt Aoi laut. Warum will Aoi unbedingt mit Reita zusammen im Wohnzimmer schlafen? „Im Gästezimmer, bitte“, flehend schaue ich ihn an. „Bist du dir sicher?“, fragt Aoi vorsichtshalber noch einmal nach. „Bin sowieso hellwach“, ich habe ja schließlich die letzte Zeit viel geschlafen. „Ist ja deine Angelegenheit“, meint er nur. Gehetzt kommt Reita ins Zimmer gestürmt. „Aoi, meine Mutter ist gerade gekommen und holt Ruki mit und das Gepäck. Ich helfe dir dann mit Uruha“, klärt Reita uns auf. „In Ordnung. Dann bis später kleiner“, verabschiedet Aoi sich. Seufzend nehme ich Aoi die Reisetasche ab und gehe mit Reita runter. Er trägt einen Koffer und ich bin mir sicher, es ist mehr als das nötigste da drinnen. „Ah Ruki geht es wieder besser. Ihr kommt mit Uruha zurecht oder?“, fragt seine Mutter. „Ja kommen wir, Mum. Bis später“, verabschiedet sich Reita von uns. Und schon verschwindet er wieder im Gebäudeinnern. Reitas Mum lädt in der Zeit das Gepäck ein, welches nicht gerade wenig erscheint. Der Weg nach Hause scheint kurz, dafür die Wartezeit unglaublich lange. Fumiko räumt momentan Uruhas Sachen in die Schränke, die ich momentan nicht benutze. „Ruki ist es sehr schlimm, wenn du die nächste Zeit zusammen mit Reita ein Zimmer hast?“, fragt Reitas Mutter mich. „Ich muss doch eh wieder zurück ins Heim“, antworte ich traurig. „Hey, das weißt du doch noch gar nicht“, versucht sie mich aufzumuntern. „Trotzdem“, erwidere ich trotzig. „Du schläfst erst einmal auf dem Schlafsofa von ihm“, legt sie fest. „Soll ich bei irgendetwas helfen?“, biete ich an. „Du kannst etwas Platz in Reitas Schrank für dich schaffen. Hast ja nicht sehr viel momentan an Kleidung hier. Wir holen dann bald deine Sachen aus dem Heim und kaufen dir einen kleinen Schrank. Der müsste auch noch in Reitas Zimmer passen, so viel Platz wie er da hat“, stellt sie nüchtern fest. Ob es einen speziellen Grund hat, dass Uruha nicht zu Reita mit ins Zimmer soll? Oder ist es einfach, weil er ja schon einmal hier im Zimmer eine Zeit lange gewohnt hat und ich ja noch nicht so lange hier bin? Ich mache mich auf den Weg in sein Zimmer und räume etwas seinen Kleiderschrank auf. Danach gehe ich meine Sachen holen und räume sie in den Schrank. Als es klingelt stürme ich zur Tür, falle über meine Schuhe und klatsche voll gegen die Tür. Murrend öffne ich diese dann und werde direkt von Reita bei Seite geschoben und ignoriert. Wie nett ist das denn bitte? Zusammen gehen sie ins Badezimmer. Oder eher Reita und Aoi stützen Uruha auf dem Weg dort hin. Die Badezimmertür wird zugemacht und ich frage mich im Geheimen, ob die dort drinnen gerade versaute Dinge machen. Murrend gehe ich zurück in sein Schlafzimmer und ziehe mir einen Schlafanzug an. Das Reitas Mutter gerade hier ist, stört mich nicht im Geringsten. Pah! Jetzt bin ich beleidigt! „Ruki, was ist los?“, fragt Fumiko verwundert nach. „Die ignorieren mich einfach“, erwidere ich traurig. „Das war bestimmt nicht mit Absicht“, versichert sie mir. „Reita hat mich einfach bei Seite geschoben als er rein gekommen ist“, schniefe ich. „Komm beruhige dich. Kommst du mit in die Küche? Ich mache Tee und etwas zu Essen“, erzählt sie mir. Ich nicke nur und folge ihr. In der Küche erwartet mich ein ziemlich fertig aussehender Reita. „Heil angekommen?“, gebe ich genervt von mir. „Heil ja, außer das er sich umziehen durfte. Aoi ist bei ihm oben und wartet darauf, dass die Tabletten wirken und Uruha zur Ruhe kommt“, erzählt er geschafft. „So schlimm?“, fragt Fumiko besorgt nach. „Schlimmer als schlimm“, versichert Reita uns. Besorgt tapse ich zu meiner neuen Schlafstätte und lege mich erst einmal hin. Ich mache mir mittlerweile gewaltige Sorgen um ihn. Was ist nur geschehen? Warum rennt mir Reita direkt hinterher? „Sorry Ruki, dass ich dich eben nicht beachtet habe. Aber Uruha musste dringend wohin“, ich habe es gemerkt, Reita. „Musst du mir jetzt auch noch hinterher gehen?“, erwidere ich erbost. „Was ist denn los, warum so zickig?“, fragt er vorsichtig nach. „Rei lass mich bitte allein, ansonsten tue ich noch etwas was ich später bereuen werde“, und da bin ich mir absolut sicher. „Das ist mein Zimmer“, weist er mich darauf hin. „Gut dann geh ich halt“, sauer starre ich ihn an. Ich krame in meinen Sachen, ziehe mir etwas anständiges an, suche nach meinem Handy und stopfe es in die Hosentasche. Wütend stürme ich aus dem Zimmer und ziehe mir meine Schuhe an und hänge mir das Schlüsselband um, bevor ich aus dem Haus renne. Wohin ich will, weiß ich nicht. Meine Geldbörse ist zwar noch bei Reita, aber es ist mir egal. Irgendwo werde ich für die Nacht schon eine Unterkunft finden und morgen Abend gehe ich zu Aoi. Oder eher dorthin wo er arbeitet, um ihn abzufangen. Ich hoffe seine Arbeitszeiten haben sich nicht geändert. Langsam bekomme ich Angst, denn im Park lauern nicht gerade nette Gestalten. Ich gehe am Tor vorbei Richtung Stadt. Es fühlt sich so an als würde mein Unterbewusstsein einfach alles in sich aufsaugen um ja nichts zu übersehen. Die Kälte macht sich auch langsam bemerkbar. Als ich auch noch Schritte hinter mir vernehme, renne ich los. Wähle meinen Weg ohne nachzudenken und bin mehr als froh, als die Schritte verstummen. Mein Kreislauf droht zusammen zu brechen. Erschöpft lasse ich mich in einer Seitengasse nieder. Ich sollte Aoi anrufen. Wenn einer mich überfallen würde, könnte ich mich nicht wehren. Und mein Körper ist zu schwach um noch lange auf den Beinen zu bleiben. Und wenn ich erst einmal bewusstlos bin, bin ich eine leichte Beute. Ich klappe mein Handy auf, schalte es an und suche Aois Nummer raus. Diese wähle ich letztendlich auch. „Hier ist Ruki“, meine ich nach dem Klacken. „Ruki wo bist du?!“, fragt Reita sauer nach. „Reita?“, frage ich ängstlich nach. „Ja, Reita“, er klingt immer noch ziemlich gereizt. „Ich möchte Aoi sprechen“, kläre ich ihn auf. Ich versuche ruhig zu bleiben, aber meiner Stimme hört man die Angst und Unsicherheit einfach an. „Was du ihm sagen willst, kannst du auch genauso gut mir sagen“, weist er mich daraufhin. Ich höre wie eine kleine Rangelei im Hintergrund entsteht. Tränen laufen mir über die Wangen. Warum ist er so kalt und abweisend? Ich habe gedacht, dass ich ihm wichtig bin. Aber er klang so, als wäre ich ihm gar nichts mehr wert. „Bist du noch dran Ruki?“, fragt Aoi vorsichtig nach. „Kannst du mich holen kommen Aoi?“, bitte ich ihn. „Wo bist du denn?“, fragt er nach. „In der Seitengasse neben dem Supermarkt“, wenigstens bin ich nur ein paar Blocks von daheim entfernt. Scheinbar bin ich die ganze Zeit im Kreis gelaufen. „Bewege dich nicht von der Stelle, ich bin unterwegs“, versichert er mir. „Leg bitte nicht auf. Holst du mir eine Jacke mit?“, bitte ich abermals. „Kann ich machen. Ich fliege zu dir“, meint er lachend. Im Hintergrund raschelt es und ich höre schnelle Schritte, aber Gott sei Dank aus dem Handy. „Hast du sehr viel Angst, Ruki?“, fragt er besorgt. „Ja“, nachher kommt noch einer um die Ecke und will mich vergewaltigen oder missbrauchen. „Geh doch etwas in den Supermarkt“, meint er nachdenklich. „Mir wird immer wieder schwarz vor Augen, Aoi“, ich frage mich wie lange ich noch bei Bewusstsein bleiben werde. Immer wieder verschwimmt die Umgebung vor meinen Augen und es fällt mir unglaublich schwer diese offen zu halten. „Ich beeile mich ja schon“, verspricht er mir. „Aoi“, flüstere ich leise. „Leg dich auf den Boden und versuch die Beine etwas hoch zu lagern“, weist er mich an. Ich lege das Handy neben mich, als ich mich auf den Boden lege und die Beine anwinkele. Danach halte ich mir das Handy wieder ans Ohr. Der Boden fühlt sich eiskalt an. „Versuch ruhig zu bleiben, ich bin in einer Minute bei dir. Entspanne dich ein wenig. Ich leg jetzt auf“, klärt er mich auf. Ich höre nur noch ein beständiges Tuten und wie sich Schritte schnell nähern. Seufzend klappe ich das Handy zu. „RUKI!“, ruft Aoi. Ein wenig blinzele ich, als ich seinen schwarzen Haarschopf erkennen kann. Er nimmt meine Beine und hält sie hoch. „Danke, dass du gekommen bist“, bedanke ich mich. „Ich bin dein Freund Ruki, vergesse das nicht“, erwidert er. „Können wir irgendwo hingehen?“, frage ich. „Wir können in meine Wohnung. Reita will dich erst einmal nicht sehen“, klärst du mich auf. „Und was ist mit Uruha?“, hoffentlich geht es ihm ein wenig besser. „Er schläft. Naja ich denke Mal Reita ruft mich sowieso gleich an, da er nie lange beleidigt sein kann, egal was war. Auch wenn er es nicht zeigt, dass er einem verziehen hat“, erzählt mir Aoi. „Es tut mir trotzdem Leid, dass ich so überreagiert habe“, am liebsten würde ich die Zeit zurück drehen. „Er ist es selbst Schuld. Komm steh auf“, bittest du mich. Mir wird direkt wieder schwarz vor Augen, als ich mich aufrichte. Als ich dann aufstehe fange ich an zu wanken und muss mich an der Wand abstützen. Aoi zieht mir meine Jacke an und hebt mich hoch. „Wir gehen am Besten zurück zu Reita, du brauchst deine Tabletten und etwas zu Essen“, meint Aoi besorgt. „Er wird sauer sein“, da er mich ja eigentlich nicht sehen will. „Lass dich nicht verunsichern. Er wird es schon verstehen, wenn ich mit ihm rede“, bist du dir da sicher, Aoi? Schutzsuchend schmiege ich mich an ihn. Er geht schnellen Schrittes mit mir zurück Richtung Reita und nimmt mir das Schlüsselband ab, um die Haustür zu öffnen. „Kannst du alleine gehen, oder soll ich dich weiterhin tragen?“, bietet mir Aoi an. „Glaub nicht“, ich fühle mich immer noch total erschlagen. Wir gehen Richtung Reitas Zimmer. Unsicher klopft Aoi an und es ist ein genervtes „Herein“ zu hören. Reita beachtet uns nicht weiter als Aoi mit mir eintritt und mich auf dem Schlafsofa ablegt. Er huscht schnell raus und kommt mit einem Glas Wasser und dem halben Medizinschrank wieder. Ich schlucke die Tabletten und krauche unter die Bettdecke. „Aoi notierst du das auf dem Zettel? Auch das mit dem Schwindel“, flüstere ich. „Mach ich“, meint er nur. Als er fertig ist, setzt er sich auf den Futon und schaut Reita beim Autorennen fahren zu. „Ich hab gedacht, ihr kommt nicht mehr“, meint Reita gelangweilt. Wow, er kann ja noch reden! Und er klingt nicht mehr so sauer. „Weißt du Reita, der Kleine hat sich so verausgabt und Angst gehabt, dass ich ihn gnädigerweise abgeholt und hergebracht habe. Was würdest du bitte mit ihm machen, wenn er sich nicht mehr auf den Beinen halten kann?“, antwortet Aoi sarkastisch. „Ihn zu Uruha bringen“, erwidert er nüchtern. „Und der würde ihn dir wieder zurückbringen“, antwortet Aoi nur. „Aoi du kennst mich doch gut genug. Du müstest langsam wissen, dass man mich in manchen Situationen alleine lassen sollte“, erinnert Reita den anderen. „Und ich weiß genauso gut, dass dir der Kleine viel zu viel bedeutet“, bedeute ich Reita wirklich so viel, Aoi? Reita schaltet bei seinem Spiel auf Pause und dreht sich um, blickt mir genau in die Augen. „Was zum Teufel hast du mit ihm gemacht, Aoi?“, fragt Reita erstaunt nach. „Nichts, außer ihn den ganzen Weg vom Supermarkt hierher getragen“, erwidert Aoi. Als ich aufstehe zittern meine Beine unheimlich, weshalb ich mich schnell neben den sitzenden Reita ins Bett lege. Zufrieden seufzend begebe ich mich unter die Bettdecke. „Aoi, er beginnt mir echt Angst ein zu jagen“, meint Reita ängstlich. „Glaubst du nicht, dass du ihm mehr Angst einjagst? Er kennt dich noch nicht lange und hat bei Weitem noch nicht genug von deinen Launen mit bekommen, um dich anständig einschätzen zu können“, erläutert Aoi. „Wie geht es dir?“, fragt Reita an mich gewandt. „Wieso fragst du?“, ich bin dir doch eigentlich egal, oder? „Darum halt“, seufzend schaust du mich an. „Könnte besser sein“, gebe ich ehrlich zu. „Ruki macht es dir etwas aus, wenn ich auf dem Schlafsofa schlafe und du bei Reita?“, belustigt schaut Aoi mich an. „So lang er die Nacht anständig bleibt“, schließlich muss er lieb zu mir sein. Ich habe ihm nichts getan! „Ich bin immer anständig“, rechtfertigt sich Reita. „Das will ich nicht gehört haben“, erwidere ich empört. „Siehst du sogar der Kleine will dich zum lachen bringen“, meint Aoi schmunzelnd. „Wie das geht soll er bei Uruha lernen und nicht bei dir!“, meint Reita trotzig. Aoi neckt Reita immer und das oft ohne Rücksicht auf Verluste. „Wie geht es der Heulsuse überhaupt?“, fragt Aoi nach. „Ich glaube dafür würde er dich am liebsten killen“, seufzend schaut Reita aus dem Fenster. „Also wie geht es ihm?“, hakt Aoi weiter nach. „Kurz nachdem du gegangen warst, ist er kurz aufgewacht und da hab ich ihm gesagt, dass du bei Ruki bist, da es ihm nicht gut geht. Dann war er wieder kurz vorm los heulen und da hab ich ihn in den Arm genommen. Irgendwann ist er Gott sei Dank wieder eingeschlafen und jetzt sitzt meine Schwester bei ihm“, klärt uns Reita auf. „Du hast ihn abgeschoben, du Schuft!“, meint Aoi erbost. „Meine Schwester ist in solchen Sachen einfach einfühlsamer, besonders wenn er wieder über der Kloschüssel hängt“, dabei habe ich gedacht, dass Reita gut im Trösten von Menschen ist. „Bei Ruki klappt es doch auch!“, gibt Aoi zu bedenken. „Nicht so wirklich“, eigentlich schon, Rei. „Aber gut genug“, erwidert Aoi. „Wie du meinst“, antwortet er resigniert. „Rei ich weiß wie schwer dir das mit Uruha fällt, aber wir sollten uns nicht mitreißen lassen, sondern abwarten was passiert. Du weißt genau das er noch in Therapie ist und dass die ihm helfen können und werden“, meint unser großes Kleinkind zuversichtlich. „Und meine Mum, hat direkt Morgen früh mit ihm einen Termin dort und Ruki ist wieder alleine mit meiner Schwester“, klärt uns Reita auf. „Wie lange hat sie noch Urlaub?“, fragt Aoi erstaunt nach. „Sie hat momentan keinen. Du weißt doch das sie Schichtdienst hast. Und heute hatte sie Frühschicht und morgen hat sie Spätschicht“, ihr Job klingt immer so anstrengend wenn Reita davon erzählt. „Rei, wo ist eigentlich dein Vater?“, diese Frage brennt mir schon lange auf der Zunge. „Mein leiblicher? Keine Ahnung, interessiert mich nicht. Mein Stiefvater will sich jetzt scheiden lassen, aber meine Mum will die Papiere erst unterzeichnen, wenn sie das verdammte Sorgerecht für dich hat. Du sollst ja in eine intakte Familie kommen, wenn überhaupt. Aber das haben wir ja dann nicht ohne Vater“, erklärt mir Reita sauer. „Wird schon schief gehen“, meint Aoi. Ich schmiege mich leicht an Reita und schließe die Augen. Ich bin so froh darüber ihn zu haben. „Ich glaube wir zwei sollten auch langsam ins Bett und Ruki müsste sich auch noch umziehen“, schlägt Aoi vor. „Du hast doch gar keine Sachen zum Wechseln dabei, Aoi“, meint Reita lediglich. „Meine Schuluniform reicht mir. Und die Lehrer sollten langsam einmal wissen, dass ich alles andere als ein guter Hausmann bin“, schmunzelnd schaut uns Aoi an. „Aber dafür ist deine Wohnung ordentlich“, gebe ich zum Besten. „Uruha hatte aufgeräumt, als du am Schlafen warst. Ansonsten ist sie nicht ganz so ordentlich“, gibt Aoi ehrlich zu. Reita zieht mich in eine sitzende Position und huscht zum Schrank, um mir einen Schlafanzug raus zu holen. Aoi wirft er auch einen von sich zu. „Das schaffst du alleine, oder?“, fragt Reita mich. Ich schüttele den Kopf und gucke ihn abwartend an. „Das sagst du jetzt nur so, oder?“, fragst du erstaunt. „Ziehst du ihn mir trotzdem an? Ich habe Angst, dass die Wunde wieder aufgeht. Hab den Arm eben viel zu viel bewegt“, ich hätte vorsichtiger sein sollen. Auch Fumiko ermahnt mich immer wieder, dass ich mehr auf die Wunde acht geben soll. Seufzend zieht er mir vorsichtig meine Sachen aus und den Schlafanzug an. „Der Verband ist ein wenig blutig. Lass ihn dir Morgen von meiner Schwester wechseln“, fordert er mich auf. Aoi und er ziehen sich auch schnell um. Kurz darauf löscht Reita das Licht. Als er sich neben mich legt, schmiege ich mich besitzergreifend an ihn. „Wann denkst du geht Uruha wieder in die Schule?“, frage ich Reita. „Wenn er Pech hat, wird er wieder für drei Wochen befreit“, antwortet er. „Warum Pech?“, hake ich nach. Wenn er es so formuliert muss es schon einmal vorgekommen sein. Folglich ging es ihm schon öfters so miserabel. Aber wieso wurde er noch nie wirklich stationär behandelt? „Er hat schon wieder so viele Fehltage, dass er wahrscheinlich die Klasse wiederholen muss“, erklärst du mir. „Seine Noten sind doch gut“, sie sind für seine Arbeitsmoral sogar sehr gut. Schließlich lernt er viel weniger wie Reita oder Aoi. Manchmal frage ich mich ob er überhaupt etwas für die Schule macht. Und ich kann jetzt nicht behaupten, dass die beiden anderen viel für die Schule machen. „Naja vielleicht kommt er doch weiter. Bald gibt es ja wieder Zeugnisse“, meint Reita nur. „Außer für Ruki“, fügt Aoi hinzu. „Ich glaube, dass es auch das Beste für ihn ist“, ob es wirklich so besser für mich ist, Reita? Und von nun an herrscht Stille. Immer wieder streicht mir Reita über den Rücken und irgendwann schlafe ich ein. Reitas Schwester reist mich unverschämter Weise viel zu früh aus dem Schlaf und murrend lasse ich mir von ihr den Verband wechseln. Es ziept richtig als sie die Kompresse vorsichtig von der Wunde entfernt. „Nimm jetzt erst einmal deine Tabletten. Ich habe dir etwas zu Essen hingestellt, wenn etwas sein sollte, ich bin oben“, klärt sie mich auf. „Danke“, bedanke ich mich. „Kein Problem“, und schon geht sie wieder. Ich esse etwas, nehme die Tabletten und notiere alles. Wie ich solche Schreibarbeit hasse! Augen rollend lege ich mich zurück aufs Bett und döse vor mich hin. Bis wieder irgendeiner auf die Idee kommt, mich zu wecken. „Na Ruki“, begrüßt Uruha mich mit einem Lächeln. „Hm“, brummele ich. „Du magst mich nicht mehr“, traurig guckt mich Uruha an. „Ich mag dich schon noch“, berichtige ich seine Aussage. „Warum willst du dann nicht mit mir reden?“, fragst du immer noch traurig. „Über was denn?“, immerhin fällt mir gerade spontan kein Thema ein. Und in Smalltalk bin ich einfach eine Niete. Die Frage kann er jedoch nicht mehr beantworten, denn just in dem Moment kommt eine genervte Mutter herein. „Uruha, du sollst doch hochgehen und dich etwas ausruhen. Rukis Tabletten wirken auch nicht ewig“, ermahnt Fumiko Uruha. „Das ist gemein!“, erwidert Uruha trotzig. „Uruha wir wollen nur dein Bestes, also bitte geh hoch und ruhe dich aus. Kannst ja lesen oder sonst etwas, aber lass den kleinen in Ruhe“, bittet sie. „Ich will aber nicht!“, immer noch klingt Uruha trotzig. Er ist zickig, also nicht männlich, oder? „Schau mal, Ruki braucht seine Ruhe und du auch. Also geh lieber wieder hoch“, immer noch ist sie sehr ruhig. „Ich bin schon weg“, erwidert er schmollend. Und wieder bin ich alleine. Wenn er bei mir ist, lässt er sich gar nichts von seinen Sorgen und Ängsten Anmerken. Ob er mir nicht traut? Oder ist er gegenüber allen Menschen so? Ich stehe auf und gehe zu Rukis Mutter in die Küche und beobachte sie beim Kochen. „Was war eben mit Uruha?“, frage ich vorsichtig nach. „Ich hatte ihm deine Tabletten gegen Übelkeit gegeben, damit er die Therapiestunde nicht über der Kloschüssel verbringt. Und jetzt ist er ein wenig sauer, weil ich ihn ins Bett schicke, obwohl es ihm besser geht“, erzählt mir Fumiko. „Versteh ich“, ich würde wahrscheinlich genauso handeln. „Ihr zwei könnte beide gleich anstrengend sein. Er ist jetzt für eine Woche von der Schule befreit und wenn er Morgen wieder gesund ist, schicke ich ihn zu seinen Großeltern. Reden nützt zur Zeit überhaupt nicht“, klärt sie mich auf. „Kommt er danach wieder hierhin?“, ich hoffe einmal ja. „Klar. Wir werden die Tage seine Wohnung ausräumen und wenn du fit genug bist, kannst du uns bei dem Kleinkram helfen“, bietet sie mir an. „Ich helfe gerne. Was ist eigentlich jetzt mit meinen Eltern und alles?“, es ist glaub ich das erste Mal, dass ich so direkt danach frage. „Klage läuft ja noch, dein Großvater sitzt in Untersuchungshaft und der Auftaktbeginn ist auch bald. Dein Sorgerecht bekomme ich sicherlich auch bald und zurück zu ihnen kommst du auf gar keinen Fall. Und ins Heim brauchst du auch erst einmal nicht zurück, da die Heimleiterin keine Verantwortung mehr für dich übernehmen will. Damit bestätigt sie leider die Behauptung, dass du akut suizidgefährdet und depressiv bist“, gibt sie traurig zu. „Was denken Sie darüber?“, frage ich unsicher nach. „Ich kann es nicht ganz so gut einschätzen. Frage lieber Reita oder auch Aoi“, erwidert sie nur. „Aber ich werde nicht eingewiesen, oder?“, ich möchte nicht hier weg. „Wissen wir nicht. Uruhas Psychologe ist ganz gut und ich bin mir sicher, dass gut mit ihm zurecht kommen würdest. Uruha hat demnächst wieder eine Stunde bei ihm und er willigt ein, dass du gerne mal mitkommen kannst. Er wird entscheiden, wie wir ab jetzt am Besten vorgehen“, antwortet sie. „Ich will aber nicht eingewiesen werden!“, alles nur nicht das! „Und was ist, wenn es dir helfen könnte?“, fragt sie entschlossen nach. „In der Psychiatrie bin ich ganz alleine und es letzte Mal war ich die ganze erste Zeit in einer Zwangsjacke und wurde mit sehr starken Medikamenten zugepumpt. Ich will nicht dort hin zurück“, es war die Hölle auf Erden. An manchen Tagen wusste ich gar nicht mehr wer ich war oder wie ich überhaupt dahin gekommen bin. „Du weißt ja nicht, wie es dieses Mal wird“, versucht sie mich um zustimmen „Wie es erste Mal? Oder es zweite Mal? Die interessiert es keinen Deut, ob es mir gut geht oder nicht. Hauptsache sie können wieder an jemanden Geld verdienen“, rechtfertige ich mich. Ich habe es oft genug so erlebt! „Das stimmt doch gar nicht“, verbessert sie mich. „Aber so ist es doch! Mein Großvater hat bezahlt, da mit sie mich so behandeln“, und das hat mir meine Mutter unter Tränen erzählt. Ich werde von hinten gepackt und augenblicklich schießen mir die Tränen in die Augen. Panisch schlage ich um mich. Ich will nicht schon wieder dorthin! „RUKI!“, ruft Reitas Mutter. Irgendwie schaffe ich es mich zu befreien und fliehe ins Bad, schließe mich dort ein. Verzweifelt schaue ich um her, denn ich muss einen klaren Kopf bewahren. Ich möchte nicht zurück dorthin. „Ruki?“, fragt Fumiko unsicher nach. „Komm bitte raus, ich wollte dich ehrlich nicht erschrecken!“, bittet mich Reita. „Komm schon“, meint auch Fumiko. Wütend presse ich mir die Handflächen auf die Ohren und schalte die Dusche an. Wenigstens höre ich sie so nicht mehr, wenigstens etwas habe ich erreicht. Erschöpft lasse ich mich auf dem Teppich nieder und schließe die Augen. Ich höre mein Herzschlag in meinen Ohren und alles dreht sich. Ich kann nicht schon wieder durch diese Hölle gehen. Warum versteht das keiner? Nach ungefähr einem gefühlten Jahrhundert öffne ich die Augen auch wieder und erblicke ein Blatt Papier auf dem Fußboden. 'Ruki, bitte komm raus. Du weißt doch, dass es nichts bringt. Es tut mir wirklich sehr, sehr Leid!' Seufzend stehe ich auf, aber schwarze Schleier nehmen mir die Sicht. Verängstigt schalte ich die Dusche aus, entriegele die Tür und stolpere aus dem Badezimmer. Zitternd halte ich mich an der Wand fest, nehme kaum die Schatten um mich herum war. Irgendwo höre ich leise Stimmen, wo ist das Licht bloß hin verschwunden? Jemand hebt mich hoch, ich versuche mich zu wehren, ich bin zu schwach. Widerwillig schlucke ich die Dinge, die sie mir einflößen. Bin ich zurück, zurück in der Vergangenheit? Die Sicht wird klarer, wiedererkennen kann ich nichts. Wo bin ich hier gelandet? Was machen sie nur mit mir? „Kleiner?“, fragt Reita vorsichtig nach. Seine Stimme hört sich so gedämpft an, was ist passiert? „Lass ihn Rei. Er ist nicht bei uns“, was meint seine Schwester damit? „Aber“, widerspricht er. „Rei“, bittet sie ihn. Mein Gesicht wird mit etwas kalten und nassen Lappen abgetupft, nur am Rande nehme ich die Hitze wahr. Meine Kleidung klebt förmlich an mir und ich habe das Gefühl zu verbrennen. „Wir brauchen einen Arzt, Rei ruf bitte einen“, bittet Aiko ihn. Unruhig wälze ich mich auf die andere Seite. Ich fühle mich leer. „Warte Rei. Ich ruf lieber einen. Bleib du Mal neben ihm sitzen“, bittet sie ihn. Jemand streichelt mir behutsam über die Wangenknochen, mit aller Kraft versuche ich mich aus dem Gefängnis zu befreien. „Schwesterherz!“, schreit Reita. Halt suchend kralle ich mich an den nächstbesten, ziehe ihn so zu mir. „Lass mich los. Bitte lass mich los“, bittet mich Reita. „Ruki! Lass Rei los!“, bittet nun auch Aiko. Was meinen die beiden damit? Jemand entreißt sie mir, die Chance. Ich werde runter gedrückt. „Der Arzt müsste jeden Moment kommen“, welcher Arzt? Meine Augenlider werden schwerer, ich lasse mich fallen, in eine farbenfrohe Welt. ~ Ein weißes Licht umgibt mich. Fragend schaue ich mich um, nehme nur am Rande die Fesseln wahr. Was mache ich hier, wo bin ich hier? Und wie bin ich hierher gekommen? Eben wahr ich doch noch in der Küche. Fragend schaue ich die Kamera gegenüber meinem Bett an und höre, wie die Tür geöffnet wird. Scheinbar wurde ich doch in eine Psychiatrie gebracht. „Matsumoto-san? Wie geht es ihnen?“, fragt mich ein Mann im weißen Kittel. „Nicht gut“, ich fühle mich ein weniger benebelt. „In wie fern?“, hakt er nach. „Wo bin ich hier?“, ich fühle mich so unwohl. „In einer Klinik“, ernst schaut er mich. „Seit wann?“, ich war doch eben noch zu Hause, oder? „Seit ein paar Tagen“, er mustert mich kritisch. „So lange schon“, ich bin müde. „Wie fühlen sie sich gesundheitlich?“, fragt er noch einmal. „Ich weiß nicht“, das Denken fällt mir schwer. „In wie fern nicht wissen?“, aufmerksam mustert er mich. „Mir ist schlecht und schwindlig“, was haben die mir bloß gegeben? Ich fühle mich so schrecklich betäubt. Ich sehe dabei zu, wie er etwas auf seinem Klemmbrett notiert. „Wo sind meine Freunde?“, ich möchte nicht alleine sein. „Zu Hause. Soll ich jemanden für sie rufen?“, bietet er mir an. „Egal wen“, Hauptsache es kommt irgendeiner. „Ich lasse ihnen jetzt etwas zu Essen bringen. Gleich müssten auch die Beruhigungsmittel aufhören zu wirken. Dann wird es ihnen garantiert besser gehen“, versichert er mir. „In Ordnung“, antworte ich. „Haben sie vielleicht eine Ahnung, warum sie hier sein könnten?“, spielt das denn eine Rolle, Herr Doktor? „Stark suizidgefährdet und depressiv, vielleicht?“, dann spiele ich halt dieses Spiel ausnahmsweise einmal mit. „Wie kommen sie darauf?“, erstaunt guckt er mich an. Anscheinend hat es wohl doch andere Gründe warum ich hier bin. Wahrscheinlich hängt es mit diesem Aussetzer oder eher der Gedächtnislücke zusammen. „Das wurde mir die letzte Zeit immer wieder gesagt“, von vielen verschiedenen Personen. „Und wie sehen sie das?“, erkundigt er sich. „Ich weiß es nicht, ehrlich nicht“,was für Worte erwartet er bloß? „Ich komme später noch einmal nach Ihnen gucken. Dann guten Appetit“, vorsichtig löst er die Handfesseln. „Danke“, ich schenke ihm ein angedeutetes Lächeln, als er raus geht. Eher missmutig esse ich wenig später einen Joghurt und schaue immer wieder hoch zur Kamera. Irgendwie fühle ich mich unwohl, hier mit ihr in einem Zimmer. Kurz bevor ich einschlafen konnte, kam auch schon der Besuch. Aber es ist nicht Reita, sondern nur seine Mutter. Trotz allem lächle ich ein wenig und strecke meine Arme von mir. Sie scheint zu verstehen und kommt auf mich zu, nimmt mich in den Arm. „Geht's dir besser Ruki?“, fragt sie besorgt nach. „Ich weiß es nicht“, warum stellen alle die gleichen Fragen? „Ach komm schon kleiner. Was hätten wir denn machen sollen?“, fragt sie unsicher nach. „Keine Ahnung“, vielleicht ist es auch besser so. Vielleicht gehöre ich wirklich in eine Klinik. Und vielleicht brauche ich wirklich eine Therapie. „Du bleibst auch nicht zu lange hier, versprochen. Nur solange bis sie wissen, was du hast“, und wie lange wird das dauern, Fumiko? „Und wie sollen sie das raus finden?“, frage ich verwundert nach. „Sie beobachten dich. Es werden auch keine Therapien in dem Sinne stattfinden, versprochen“, verspricht sie mir. „Trotzdem will ich nicht hier sein“, solche Einrichtungen machen mir Angst. Auch wenn ich mittlerweile keine Fesseln mehr trage. Anscheinend waren diese auch nur zur Vorsichtsmaßnahme da. Habe ich mich etwa die letzten Tage immer wieder gewehrt? Ansonsten machen die ja keinen Sinn? „Komm schon, danach bekommst du auch etwas“, verspricht sie mir. „Darf wenigstens Reita kommen?“, ich will hier nicht so allein sein! „Nein, darf er nicht. Auch nicht Uruha oder sonst wer. Vor erst nur ich. Bitte mach mir keinem Kummer, okay?“, bittet sie mich. „Warum keinen Kummer?“, wie soll ich überhaupt Kummer verursachen? Ich werde mich garantiert nicht in der Dusche ertränken, dazu fehlt mir momentan einfach der Mut. Außerdem möchte ich Reita ungern alleine zurück lassen. Und garantiert stehe ich hier unter ständiger Beobachtung. „Du wirst es verstehen, bald“, meint sie zuversichtlich. „Ich will nach Hause!“, erwidere ich trotzig. „Ich weiß es doch. Ruki versprich mir eins, sei bitte vorsichtig“, mahnt sie. „Bin ich doch immer“, okay fast immer, „wann kommt die Infusionsnadel weg?“ Ich hasse Nadeln an meinem Körper. Und noch mehr hasse ich es nicht zu wissen, was alles in den Infusionen drinnen ist. „Heute vielleicht. Soll ich dir Hausaufgaben mitbringen?“, bietet sie mir an. „Nein, das ist nicht nötig. Ich glaub nicht, dass ich die Ruhe habe mich dran zusetzen“, erst einmal muss ich mit der Situation hier klar kommen. „Aber etwas zu lesen willst du?“, fragt sie weiter nach. „Mir reicht Musik zum hören und etwas zum Schreiben“, damit ich wenigstens auf diese Weise meine Gedanken neu sortieren kann. „Du ich bleib auch nicht mehr lange“, klärt sie mich auf. „Wieso?“, frage ich verwundert nach. „Ich fahre gleich Uruha abholen und außerdem haben wir mitten in der Nacht“, fügt sie hinzu. „Ich will mit“, einfach nur herum liegen ist viel zu langweilig. „Darfst du nicht“, weist sie darauf hin. „Bitte!“, ich werde auch ganz lieb sein! „Nein“, und damit nimmt sie mir meine letzten Hoffnungen. „Bekomme ich wenigstens den Leopard?“, frage ich resigniert. „Hab ich dabei“, lächelnd guckt sie mich an. „Ich glaube ich schlafe jetzt lieber etwas“, ich bin immer noch ein wenig benommen und müde. „Sehe ich auch so. Ich komme dann morgen vielleicht noch einmal vorbei“, meint Fumiko. „Okay...“, vielleicht sieht die Welt morgen auch wieder besser aus. „Wenn du etwas haben willst, frag einfach einen. Du brauchst keine Angst zu haben“, versichert sie mir. „Und?“, hake ich nach. „Ich habe den Ärzten alles erzählt. Also dann schlafe schön“, verabschiedet sie sich. Sie setzt den Leoparden auf mein Bett und sofort schließe ich ihn in meine Arme. Reitas Mutter deckt mich noch einmal richtig zu und gibt mir einen Abschiedskuss. So etwas haben meine Eltern nie bei mir gemacht. ---------- Disclaimer: nichts mir, nichts Geld My smile is fake. Over the years I created a perfect mask. Gibts nichts dazu zu schreiben. Updates kommen hoffentlich wieder regelmäßiger. 5160 -> 7203 Wörter(13.08.2009)-> 7775 Wörter(24.07.2018) Kapitel 16: Life is cruel ------------------------- Irgendwann habe ich jegliches Zeitgefühl verloren. Heute soll mich endlich ein Angestellter nach Hause fahren. Es müssen auf jeden Fall mehrere Wochen wenn nicht sogar Monate vergangen sein. In der Zeit ist jedoch etwas schreckliches passiert. Erst einmal soll ich zu Aoi, mit dem ich auch direkt wieder am Montag in die Schule gehe. Und wenn alles in Ordnung wäre, dann müsste ich nicht zu ihm. „Bist du fertig, Kleiner?“, fragt mich eine der vielen Pfleger. Seit Anfang an dutzen sie mich. Lächelnd nicke ich. Er nimmt mein Gepäck in die eine und mich an die andere Hand. Neugierig tappele ich hinter ihm her. „Freust du dich auf zu Hause?“, fragt er. „Jap“, gebe ich freudestrahlend von mir. „Und war der Aufenthalt hier so schlimm?“, fragt er lächelnd nach. „Irgendwie nicht“, das muss ich leider auch zugeben. „Das freut mich zu hören“, antwortet er fröhlich. „Wissen sie, wieso ich zu erst zu Aoi komme?“, vielleicht weiß er mehr wie ich zu dieser Sache? „Darüber weiß ich nichts, tut mir Leid“, entschuldigt er sich. Wir steigen in einen Kleinwagen. Schweigend verläuft die Fahrt zu Aois Wohnung. Wir brauchen ungefähr eine Stunde. Als wir ankommen danke ich noch einmal dem Betreuer und verabschiede mich mit einer Umarmung von ihm. Ich hole meine Sachen und klingele, in der Hoffnung, dass er zu Hause ist. Ich kann gar nicht einschätzen was mich erwartet. So wirklich weiß ich immer noch nicht, wo ich bei Aoi dran bin und das ist ganz schön belastend. Ein Rumpeln im Gebäudeinnern lässt mich zurückschrecken. Doch bevor ich auch nur über eine Flucht nachdenken kann, werde ich schon fast tot geknuddelt. „Du lebst!“, was hat er denn gedacht? „Na klar“, selten so gelacht. Was hat er denn erwartet? Dass ich einfach mal vom Klinikdach springe? „Bin ich froh!“, teilt er mir grinsend mit. „Aoi...?“, ist er es wirklich? „Ja?“, meint er herausfordernd. „Irgendetwas ist passiert, oder?“, seine Fröhlichkeit wirkt so ungewohnt aufgesetzt. Er wirkt so schrecklich überdreht und ich merke einfach, dass er eigentlich gar nicht gut drauf ist. Wahrscheinlich freut er sich über meine Entlassung, jedoch scheint ihn irgendetwas zu bedrücken. „Ja, ist es. Aber darüber machen wir uns morgen Gedanken. Erst einmal gehen wir hoch“, klärt er mich auf. „Aoi-“, fange ich zu reden an. Er packt mich entschlossen am Handgelenk und sofort verstumme ich, lasse mich von ihm führen. Erst geht er mit mir ins Wohnzimmer und dann führt er mich ins Schlafzimmer. Dort lasse ich meine Koffer stehen. Es ist nicht viel, da Fumiko vor ein paar Tagen das meiste mit nach Hause genommen hatte. Sie war mich relativ häufig besuchen und war auch bei einigen Gesprächen mit den Psychologen dabei. „Ich weiß ja nicht wie es dir geht. Aber ich würde jetzt gerne etwas schlafen“, teilt mir Aoi mit. „Wir haben mal gerade 17Uhr!“, teile ich ihm mit einem Blick auf den Wecker entrüstet mit. „Komm schon Ruki, du bist sicherlich auch müde“, meint er zuversichtlich. „Hm, wenn es sein muss“, aber auch nur wenn es zwingend notwendig ist. „Musst du noch irgendwelche Tabletten nehmen?“, fragt er unsicher nach. „Sie haben alles vor ein paar Tagen abgesetzt und wenn es mir weiterhin so gut geht, muss ich auch keine mehr holen“, erzähle ich ihm. Denn Tabletten sind eklig und die Zeit danach macht einen noch wahnsinniger! Man merkt richtig wenn es aufhört zu wirken. Aber die Therapeuten meinen ich werde es auf alle Fälle ohne Tabletten schaffen. Sie haben schon vor über zwei Wochen angefangen diese langsam aber sicher ganz abzusetzen. Und wenn es nicht klappt, dann soll ich sie wieder einnehmen. „Das ist gut. Macht es dir etwas aus wenn du Montagabend alleine bist? Ich weiß, ich darf dich nicht alleine lassen, aber ich muss arbeiten“, gibt Aoi kleinlaut zu. „Wie lange bin ich dann alleine?“, hoffentlich nicht zu lange. „Ein paar Stunden. Wenn irgendetwas sein sollte, kannst du mich jeder Zeit anrufen“, teilt er mir mit. Als würdest du extra wegen mir nach Hause gestürmt kommen! Und auch wenn es mies klingt würde ich in so einer Situation lieber Reita anrufen. Gähnend streckt er sich erst einmal. „Morgen nach der Schule hast du erst einmal ein Gespräch mit der Klassenlehrerin. Weil du ja so viel jetzt vom Schuljahr verpasst hast“, klärst du mich auf. „Aber ich kann ja das meiste“, da ich ja auch sehr viel in der Klinik gelernt habe. „Naja wir werden sehen. Magst du vielleicht noch eine Runde baden?“, bietest du mir an. „Ja, gerne“, schließlich habe ich in der Klinik nur geduscht. „Darfst du doch wieder, oder?“, fragst du vorsichtig nach. „Jap“, schließlich sind alle Wunden verheilt. „Gut, dann lass ich dir jetzt Badewasser ein und mache in der Zwischenzeit Abendessen“, meinst du. „Ich hab gedacht du wolltest schlafen gehen?“, eben war er doch noch müde, oder? „Vorher noch essen“, antwortest du enthusiastisch. Er geht ins Bad und ich höre das Wasser rauschen. Ich suche mir meinen Schlafanzug und eine neue Boxershorts raus und gehe zu ihm ins Bad. Dort gucke ihm zu. „Soll ich dir wirklich ständig an der Pelle kleben, oder darfst du ruhig etwas alleine sein?“, fragt er mich besorgt. Warum macht er sich solche Gedanken darum? Die haben mich doch nicht aus der Klinik entlassen, damit auch daheim einer ständig bei mir bleibt? „Das ist eigentlich kein Problem. In der Klinik war ich nur noch Therapiestunden nicht alleine, aber auch nur wenn der Psychologe Bedenken hatte. Ansonsten habe ich damit kein Problem“, eigentlich war auch sonst einer immer für mich da. „Also du denkst, du kannst alleine bleiben?“, hakst du nach. „Ich denke schon, wann kommst du denn wieder?“, hoffentlich nicht zu spät. „23Uhr ungefähr. Kann auch später werden. Und jetzt wasche dich erst einmal, ich lasse die Tür angelehnt“, informiert er mich. Scheinbar traut er mir nicht? ~ Am nächsten Morgen werde ich von Aoi geweckt, welcher mich besorgt mustert. „Ist alles in Ordnung?“, fragt er auch direkt nach. Ich kneife kurz die Augen zusammen und schaue ihn dann fragend an. Was sollte denn nicht in Ordnung sein? „Du bist blass“, teilt er mir mit. Bin ich das wirklich? „Das vergeht schon wieder“, versichere ich ihm. „Sicher?“, fragt er ungläubig. „Jap“, auch wenn du es mir nicht glauben willst. „Okay, wenn du das meinst. Machst du dich dann für die Schule fertig? Deine Schuluniform hängt im Bad und deine Tasche und dein Bento sind auch schon fertig“, erzählt er mir stolz. Argh! Nein! Ich will auch wieder alleine für mich sorgen können! Aber ständig wuseln alle um mich herum und nehmen mir alle Arbeit ab! Dabei bin ich durchaus in der Lage solche Sachen alleine zu erledigen ohne Hilfe. Wahrscheinlich meinen sie es noch nicht einmal böse, aber trotzdem ärgert es mich. „Danke“, meine ich mit einem ziemlich genervten Unterton. Ich stütze mich an ihm ab und gehe ins Bad, ziehe mich um und mache meine Katzenwäsche. Auch meine Zähne werden mit etwas Wasser und chemischem Zeug bedacht. Es ist so ungewohnt sich nach so langer Zeit wieder für die Schule fertig zu machen. Und der Unterricht in der Klinik ist einfach nicht mit richtigem Unterricht in der Schule zu vergleichen. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht gehe ich in die Küche und sehe einen niedergeschlagenen Aoi, der mir eine Schüssel Reis mit Gemüse zuschiebt, die ich auch direkt verschlinge. Nachdem ich fertig bin, mustere ich ihn besorgt. „Also, warum darf ich nicht zu Reita?“, kritisch mustere ich Aoi. Raus mit der Sprache! Dieses mal gebe ich nicht so leicht auf. „Wir haben Streit Seitdem geht er auch nicht mehr in die Schule und vor ein paar Tagen habe ich die Lehrerin ausgequetscht und sie hat gemeint, dass Reita schwer krank im Bett liegt. Ich bin zu ihm gegangen und er sah auch alles andere als gut aus. Er hat gemeint, er bräuchte Abstand, ihm wird das alles zu viel“, erklärt er mir schuldbewusst. „Und was ist mit Uruha?“, ihr klebt doch sonst wie Pech und Schwefel zusammen. „Er liegt im Krankenhaus. Ich weiß nicht wieso und wie es passieren konnte, aber er war von zu Hause abgehauen. Reita hatte mich an dem Tag weinend aus dem Bett geklingelt und wir haben zusammen mit der Polizei die halbe Stadt abgesucht. Er hatte sich versucht umzubringen. Wir wissen nicht ob er je wieder wach wird oder so sein wird wie früher. Wir können nur hoffen. Naja das ist auch der Hauptgrund warum Reita schwer krank im Bett liegt. Er macht sich einfach zu viele Vorwürfe und weil ich ihm das ausreden wollte, haben wir uns gestritten“, gibt er ehrlich zu. „Aber es wird doch wieder, oder?“, bitte! „Ich hoffe es, ich hoffe es so sehr“, meint Aoi mit zitternder Stimme. „Denkst du, ich darf wenigstens zu Reita?“, ich möchte ihn unbedingt sehen. „Ruki lass es lieber. Er ist an seine Grenzen gestoßen und wir sollten seine Nerven nicht über strapazieren. Seine Mutter kümmert sich schon so liebevoll um ihn und solange er nicht schon wieder ins Krankenhaus muss, ist es in Ordnung“, versichert er mir. „Warum ins Krankenhaus?“, frage ich geschockt nach. „Vor längeren ist er in der Schule zusammengebrochen. Hat sich übergeben, Blut gespuckt. Er war nervlich total am Ende. Der Klassensprecher kam und hat gemeint“, seine Stimme bricht. Tränen laufen über seine Wangen und schnell versteckt er sein Gesicht in seinen Händen. Liebevoll nehme ich ihn in den Arm, wiege ihn hin und her. Immer wieder sage ich, es wird alles gut werden, auch wenn ich genau weiß, dass man die Vergangenheit nicht zurückholen kann. Ich bin so schlecht darin andere Menschen zu beruhigen. „'Aoi! Rei ist zusammengebrochen!'. Ich bin natürlich direkt mit und er ist zielstrebig zum Schularzt. Rei lag da, jegliches Blut war aus seinem Gesicht gewichen. Ich hatte so Angst. Gott sei Dank kam kurz darauf der Krankenwagen und ich bin mit ins Krankenhaus. Habe Beruhigungsmittel bekommen“, er schluchzt mehrmals unterdrückt auf. „Und?“, hake ich nach. „Er lag ein paar Tage dort, mehr tot als lebendig. Er wurde entlassen. Er kam wieder in die Schule, ihm ging es besser. Dann haben wir halt gestritten. Und er wurde wieder schwer krank. Aber es geht ihm wieder etwas besser, hat auf jeden Fall die Lehrerin gemeint“, erzählt er mir immer noch schluchzend. Ich hoffe sie hat Recht. Immerhin darf es Reita nicht schlecht gehen, schließlich ist ein total lieber Mensch. Und ich will auch einfach nicht, dass er leidet. Aber jetzt weiß ich wenigstens warum ich vorerst bei Aoi bin. Wahrscheinlich hat Fumiko alle Hände voll zu tun und kann nicht noch ein Auge auf mich werfen. Ich mag mir gar nicht vorstellen wie es Reita gerade geht. Beruhigend streichele ich über Aois Schultern und schaue ihm tief in die Augen. Es ist schon komisch, dass ich ausgerechnet jetzt für ihn stark sein kann. Ich mache mir auch keine Sorgen um Reita, da ich weiß wie stark er ist. Aber wahrscheinlich ist auch noch genügend von den ganzen Medikamenten in meinem Blutkreislauf und deshalb bin ich so ruhig. „Komm wir gehen, ansonsten kommen wir zu spät“, wo ich Recht hab, hab ich Recht. Ich helfe ihm hoch und hole schnell seine und meine Schultasche. Schweigend machen wir uns fertig und verlassen seine Wohnung um zur Schule zu gehen. „Aoi mach dir nicht zu viele Gedanken um die beiden. Ich weiß es ist schwierig, aber es wird schon wieder besser werden. Schau mal, bisher hat Uruha seine ganzen Selbstmordversuche überlebt“, versuche ich ihn auf zu muntern. Wenigstens weint er nicht mehr. „Ich weiß“, muss ich dir diese Aussage jetzt glauben? „Siehst du. Vertrau ihm, er wird schon wieder gesund“, ich hoffe es einfach einmal. „Kommst du morgen mit zu Reita?“, warum fragt er das? „In Ordnung. Denkst du nicht, er ist heute wieder gesund?“, schließlich liegt er jetzt schon eine ganze Weile krank im Bett herum, oder etwa nicht? „Ich denke nicht. Ihm ging es freitags alles andere als gut und seine Mutter hat gemeint, dass er noch eine weitere Woche braucht“, erklärt er mir traurig. Ob mich Fumiko überhaupt sehen will? Schweigend gehen wir den Rest des Weges weiter. In der Schule selbst werde ich direkt von Klassenkameraden belagert. Aber ich kann ihnen keine Antworten geben, weiß doch selbst nichts über das Thema Reita und Uruha. Irgendwann schickt der Klassensprecher die anderen weg und setzt sich neben mich. „Aber dir geht’s gut, oder?“, warum mustert er mich von oben bis unten? Ich nicke nur angedeutet, blicke ihn fragend an. Warum fragt mich das jeder? Wenn es mir nicht gut gehen würde, dann wäre ich nicht entlassen wurden. „Du siehst auch wieder gesünder aus. Du bist jetzt erst einmal bei Aoi, oder?“, erkundigt er sich. „Jap“, aber wahrscheinlich kann ich wirklich bald zu Reita zurück. „Ihm geht es auch nicht so gut, oder?“, fragt er nach. „Ja“, leider muss ich diese Vermutung bestätigen, so Leid es mir auch tut. „Es wird schon wieder, keine Bange“, versichert er mir. „Und Rei?“, schließlich brauche ich ihn noch. „Er auch. Ich kenne ihn schon lange genug, er war noch nie einer, der aufgibt“, ob du damit Recht hast Ta-kun? ~ Auch in der Mittagspause sitzt er neben mir und erzählt irgendetwas. Irgendwie wird er mir immer sympathischer. Mein Magen zieht sich auf einmal schmerzhaft zusammen und ich habe alle Mühe, das Würgen zu unterdrücken. Vielleicht war das zu viel heute Morgen. Vielleicht mache ich mir unbewusst zu viele Sorgen. Das ziehen im Magen will einfach nicht verschwinden. Ich hasse es, dass mein Körper direkt mit so etwas auf Stress reagiert. Kann ich nicht einfach nur Kopfschmerzen bekommen? Seufzend ziehe ich an Ta-kuns Hemdärmel, mir wird ganz warm. Das ist mir alles so peinlich! „Du“, spreche ich ihn schüchtern an. „Ja Ruki?“, aufmunternd lächelt er. „Mir geht’s nicht gut“, ich bin sicherlich rot wie eine Tomate! „Willst du dich etwas hinlegen?“, sein Blick wird immer besorgter. „Ich weiß nicht“, vielleicht geht es mir auch gleich wieder besser. „Ich sag gerade Ayumi Bescheid, dann komm ich wieder“, aufmunternd klopft er auf meine Schulter und geht. Verlegen schaue ich auf die Tischplatte und warte darauf, dass er wiederkommt. Er packt mich am Oberarm und führt mich zum Krankenzimmer, immer wieder wirft er mir einen besorgten Blick zu. „Willst du, dass der Schularzt mal nach dir schaut?“, bietet er mir an. „Nein, danke. Es geht schon“, es muss einfach gehen. „Was hast du denn genau?“, hakt er nach. „Bauchschmerzen“, und diese sind ziemlich stark. „Ich hol mal die Klassenlehrerin. Haben ja immerhin noch 'ne halbe Stunde Pause. Leg dich am Besten ein wenig hin“, er klingt wie Rei. Ich vermisse ihn einfach so sehr und würde am liebsten direkt zu ihm fahren. „Was ist denn los?“, besorgt mustert er mich „Ich mache mir Sorgen“, nachher muss noch einer von ihnen sterben, was mach ich denn dann? „Um die anderen drei?“, seufzend wendet er den Blick ab. „Ja“, um wen denn auch sonst? „Brauchst du nicht. Schau mal, ich habe Reita versprochen auf dich und Aoi die nächste Zeit Acht zu geben. Also bitte sei lieb“, warum lieb? Bin ich das nicht immer? „Warum macht er es nicht selbst?“, frage ich. „So einfach ist das nicht. Er ist krank und er hat schon genug mit sich selbst zu kämpfen. Außerdem macht er sich schwere Vorwürfe wegen Uruha“, erklärt er mir. „Weshalb?“, frage ich verwirrt. Es ist schließlich nicht seine Schuld, dass Uruha nicht mehr leben wollte. Oder etwa doch? Aber warum sollte er sich wegen Reita umbringen wollen? „Die beiden waren seit langem noch einmal zusammen weg. Und Reita hat auch Uruha als letztes gesehen. Uruha wollte nur auf Toilette und er ist nie wieder aufgetaucht. Er war schon den ganzen Tag ziemlich aufgedreht und komisch und Reita hatte schon mittags gesagt, dass er sich Sorgen um ihn macht . Auf alle Fälle hat Reita danach daheim angerufen, die Polizei. Und halt Klassenkameraden, Freunde, hat die auf die Suche geschickt“, erzählt er mir nachdenklich. „Aber wieso jetzt auf einmal?“, es muss doch irgendeinen Grund geben, oder? „Wir wissen es nicht. Uruha hat mich ein-, zweimal die letzte Zeit als Kummerkasten benutzt, dann als alles anfing. Er hat sich schon öfters etwas angetan, aber soweit ist er nie gegangen“, entgegnet er. Warum habt ihr denn ansonsten alles Selbstmordversuche genannt? Wenn er anscheinend noch nie soweit gegangen ist? Immerhin versucht man sich nicht einfach so mal umzubringen. Und wen er sich die vielen Male ernsthaft umbringen wollte, dann sind es Selbstmordversuche. Oder hat er nur dieses Mal versucht sich ernsthaft zu umbringen? Wahrscheinlich wollte er auch gar nicht gerettet werden, oder? Wieder überkommt mich eine Schmerzenswelle unter der ich mich zusammen krümme. „Ich hol die Lehrerin“, meint er gehetzt. Und es dauert wirklich nicht lange, bis die Klassenlehrerin vor mir steht und mich besorgt mustert. „Ich habe gedacht, du bist wieder fit, Ruki?“, fragt sie kritisch. „Habe ich auch“, mir ging es auch die letzten Tage richtig gut. „Was sollen wir denn machen?“, fragt sie unsicher nach. „Ich bleib“, die Schmerzen gehen sicherlich gleich wieder weg. „Geh lieber nach Hause, bevor es schlimmer wird“, bittet sie mich. Und was soll ich zu Hause machen? Ob ich mich hier vor Schmerzen krümme oder daheim, macht im Grunde keinen Unterschied. „Es geht gleich wieder. Das hat ich die letzte Zeit öfters nach dem Essen“, auch wenn es die letzten Tage nicht mehr vor gekommen ist. Aber die Therapeuten haben gemeint, es könnte wieder kommen. Da die Entlassung aus der Klinik und das hinein finden in mein altes Leben kein Zuckerschlecken ist, laut ihnen. „Sicher?“, fragt sie ungläubig. „Ja“, ich hoffe es einfach einmal. „Soll ich noch etwas bei dir bleiben, oder willst du allein sein?“, nicht gehen Ta-kun. „Bleib lieber hier“, flehe ich. „Du bist heute Abend alleine, oder?“, erkundigt er sich. Seufzend nicke ich. „Du bist sicher, dass du es schaffst?“, fragt mich der Klassensprecher unsicher. „Ich weiß nicht“, gebe ich ehrlich zu. „Ich frag gleich Mal Aoi, ob ich mit zu ihm kommen darf“, seufzend guckt er mir in tief in die Augen. „Mach das“, dann wäre ich wenigstens nicht alleine. „Ich geh dann, ihr zwei kommt zu Recht?“, fragt die Lehrerin. Schweigend schaue ich auf den Boden, spiele mit meinen Fingern. „Ruki?“, immer noch da? Neugierig wende ich meinen Blick auf sie. „Hast du zugehört?“, fragt sie mich. „Nein, tut mir Leid. Kann ich vielleicht etwas gegen Übelkeit haben?“, die macht mich langsam oder sicher verrückt. „Natürlich. Ist es sehr schlimm?“, erkundigt sie sich und mustert mich dabei besorgt. „Nein, glaube nicht. Oder eher, ich weiß nicht“, es könnte schließlich schlimmer werden, oder etwa nicht? Ta-kun nimmt mich liebevoll in den Arm und drückt mich an sich und streichelt mir immer wieder über den Rücken. „Ich geh ihm schnell etwas holen“, meint sie nur. „Am Besten auch etwas zu Trinken“, bittet er die Lehrerin. Ich weiß nicht wie lange wir schweigend so da sitzen, bis die Lehrerin wieder kommt. Seufzend schlucke ich die Tabletten und werde von Ta-kun in die Kissen gedrückt. Ich mag diese Übelkeit einfach nicht und noch weniger mag ich es, wenn mir in der Schule übel wird. „Vielleicht ist es wirklich das Beste, du kommst heute wieder zu Reita“, meint er. „Er will nicht“, glaube ich. „Das glaube ich nicht“, ungläubig guckt er mich an. Warum finden das alle um uns herum so abwegig? „Aoi hat das aber gesagt“, rechtfertige ich mich. Aoi würde mich nie anlügen, oder etwa doch? Oder interpretiere ich da etwas falsches in seine Aussage? „Es klingelt gleich Jungs. Ich werde mit Ruki noch einmal nach dem Unterricht reden und wie es jetzt generell weiter gehen soll“, erklärt sie mir. „Okay, solange sie nicht darüber reden, dass er in eine andere Klasse soll“, meint der Klassensprecher scherzhaft. „Keine Angst, dass werde ich nicht tun“, versichert sie uns. ~ Am Abend sitze ich mit dem Klassensprecher vorm Fernseher und lasse mir von ihm den Rücken massieren. Mittlerweile fällt es mir nicht mehr schwer, über die Vergangenheit zu reden. Ich habe in der Klinik gelernt diese zu akzeptieren und frei darüber zu erzählen. Schließlich ist sie ein Teil von mir, egal was passiert. Und ich muss mich dafür auch nicht schämen. „Wann kommt Aoi denn wieder?“, fragt er neugierig. „Um 23Uhr ungefähr“, soweit ich weiß. „Du bist müde, oder?“, fragt er seufzend nach. „Ja“, der Tag war viel zu anstrengend. „Dann komm, wir gehen ins Bett“, fordert er mich auf. „Danke“, ich schenke ihm ein müdes Lächeln. „Nichts zu danken“, entgegnet er. Er ist so lieb wie Rei. Lachend trägt er mich ins Schlafzimmer und legt mich dort auf dem Futon ab. Nach der Schule hatte ich mich direkt umgezogen und eine Stunde geschlafen. Aber trotz allem bin ich viel zu müde, um noch länger wach zu bleiben. Ich weiß auch nicht wieso, aber seit der Klinik bin ich ein ganz anderer Mensch. Offener, lebenslustiger und kommunikativer. Wahrscheinlich, weil sie mir beigebracht haben, mich selbst und die Vergangenheit zu akzeptieren. Ich hoffe, meine „Freunde“ freuen sich darüber. Darüber, dass ich nicht mehr suizidgefährdet, geschweige denn psychisch labil bin. Zwar können mich immer noch Kleinigkeiten aus der Bahn werfen, aber deshalb gehe ich jetzt auch zum Psychologen. Damit ich irgendwann einmal ein normales Leben haben kann. Es liegt immer noch ein langer Weg vor mir, aber auch den werde ich schaffen. ~ Am nächsten Tag nach der Schule sind wir direkt zu Reita, mit den Hausaufgaben im Gepäck. Als ich ihn sehe, fällt mir erst einmal die Kinnlade runter. Er ist weißer wie Schnee und hat Augenringe bis New York. Außerdem hat er, so wie es aussieht, in kürzester Zeit viel Gewicht verloren. Wieso sieht er so aus wie eine Leiche? Was ist nur in all der Zeit mit ihm passiert? „Hey Kleiner, keine Bange ich lebe noch“, und dann macht er noch Scherze?! „Bist du dir sicher?“, frage ich unsicher nach. „Na klar“, da bin ich mir nicht so sicher. Freudestrahlend werfe ich meine Arme um seine Hüfte und ziehe ihn an mich. Ich bin einfach nur froh darüber wieder hier zu sein. „Wüsste ich nicht, dass du heute mit dem Kleinen kommen wolltest, hätte ich ihn nicht erkannt“, erzählt uns Rei. Habe ich mich wirklich so verändert? „Ich weiß, er hat sich total verändert. Aber nicht nur äußerlich, sondern auch vom Charakter“, stimmt Aoi zu. „In wie fern?“, fragt Reita vorsichtig nach. „Finde das für dich selbst heraus“, erwidert Aoi. Ich möchte aber auch wissen wie er das meint? Sind es positive Veränderungen? Mag er all dieses oder hasst er mich jetzt? Breit grinsend gehe ich in das Innere des Hauses und überfalle dort erst einmal seine Mutter, die mich erstaunt mustert. „Ruki?“, fragt sie verwirrt nach. „Ja?“, lächelnd gucke ich sie an. „Du bist es wirklich, oder irre ich mich?“, fragt sie irritiert. „Nein, ich bin es wirklich. Nur mit neuem Haarschnitt und mehr Gewicht“, kläre ich sie auf. Ich habe über 10kg in der Klinik zugenommen, aber mir fehlen immer noch einige Kilos damit ich nicht mehr im Untergewicht bin. Vor ein paar Tagen war ich mit einem Therapeut in der Stadt und seit dem sind meine Haare um einiges kürzer und wieder dunkelbraun. Und es fällt einem eigentlich direkt auf, dass ich wieder um einiges gesünder seit dem Absetzen der Medikamente aussehe. Durch die war ich zeitweise doch sehr blass und ich bin einfach nur froh darüber wieder etwas mehr Energie zu haben. „Du hast dich in einer Woche so sehr verändert“, sie klingt immer noch ein wenig überrumpelt. „Ja, aber nur zum Positiven“, auf jeden Fall laut den Therapeuten. „Stimmt, du wurdest auch früher entlassen als vorgesehen“, erklärt sie mir. So etwas in der Richtung hatten auch die anderen gemeint. Aber ich bin froh darüber. Schließlich wurde der Wunsch immer größer meine Freunde wieder zu sehen. Und ich war ja in dem Sinne stabil und es gab jetzt keinen wirklichen Grund mehr mich noch länger da zu behalten. „Wann darf ich denn wieder hier hin?“, frage ich neugierig. „Das schauen wir mal, in Ordnung?“, bietet sie mir an. „Wenn Reita wieder gesund ist? Wegen Uruha ist bestimmt noch länger im Krankenhaus“, hoffentlich werden die zwei schnell wieder gesund. „Reita ist noch bis Donnerstag krank geschrieben, das heißt du könntest rein theoretisch Freitag wieder herkommen“, antwortet sie nachdenklich. „Das ist schön“, dann bin ich wenigstens ab Freitag wieder zu Hause. „Ihr bleibt die Nacht?“, erkundigt sie sich. „Vielleicht“, ich weiß schließlich nicht was Aoi vor hatte. „Solange ihr Reita nicht zu sehr beansprucht, könnt ihr gerne bleiben“, teilt sie mir mit. „Wie ist das jetzt mit dem Sorgerecht?“, davon habe ich lange nichts mehr gehört. „Ich hab es, vorerst. Aber ich denke, ich werde es dauerhaft behalten. Und jetzt geh zu den anderen, ihr habt euch sicherlich viel zu erzählen“, scheucht sie mich mit diesen Worten aus der Küche. Grinsend laufend ich zu den anderen beiden ins Wohnzimmer. Ich mache mir mit meiner guten Laune schon selbst Angst. Reita liegt mit geschlossenen Augen auf dem Sofa und scheint zu schlafen. Fragend schaue ich Aoi an, der mir zu verstehen gibt ich solle leise sein. Kopfschüttelnd verlasse ich den Raum und begebe mich zurück in die Küche. „Da bist du ja wieder“, stellst sie fest. „Reita schläft anscheinend“, schmollend schiebe ich die Unterlippe vor. „Was hast du auch anderes erwartet?“, lächelnd guckt sie mich an. „Geht es ihm wirklich so schlecht?“, frage ich vorsichtig nach. „Ihm geht es besser, aber immer noch sehr schlecht. Ich hoffe, er ist bis Freitag wieder halbwegs auf den Beinen“, meint sie. „Und was ist wenn nicht?“, langsam aber sicher bekomme ich Angst. „Dann muss er noch einmal zum Arzt“, klärt sie mich auf. „Ich will meinen alten Rei wieder“, der neue macht mir Angst. „Erwarte nicht zu viel. Genauso wie du dich verändert hast, hat er sich auch verändert. Die letzten Wochen waren halt nicht leicht für ihn und das merkt man auch. Auch wenn es hoffentlich nur vorübergehend ist bei ihm“, erläutert sie mir. „Aber er wird wieder?“, frage ich vorsichtig nach. „Bestimmt“, meint sie zuversichtlich. „Und was ist mit Ruha?“, er muss auch wieder werden! „Auch. Er ist auf dem Weg der Besserung. Die Ärzte beenden das künstliche Koma morgen, entweder er fällt ins Koma oder wacht auf“, erklärt sie mir seufzend. „Wie stehen denn de Chancen?“, bitte gut! „Also laut ihnen wird er zu einer sehr großen Wahrscheinlichkeit aufwachen. Ihr zwei könnt ja Morgen Abend einmal im Krankenhaus vorbei schauen“, bietet sie mir an. Seufzend gehe ich zurück zu den beiden und kann ein Seufzen nicht unterdrücken. Aoi sitzt mit Reita in den Armen auf dem Sofa und streicht ihm immer wieder beruhigend über den Rücken. Als er mich sieht schüttelt er den Kopf und hebt Reita hoch, trägt ihn in sein Zimmer. Schweigend folge ich ihm. „Was ist los, Aoi?“, frage ich besorgt nach. „Reita hat schon wieder starke Schmerzen“, erzählt er mir. Besorgt mustere ich das zitternde Bündel in seinen Armen. „Soll ich seine Mutter holen?“, frage ich nach. „Hol lieber seine Schwester. Sie ist oben in ihrem Zimmer. Ist neben dem Badezimmer“, bittet er mich. Seit wann ist seine Schwester wieder hier? Wohnt sie nicht eigentlich im Schwesternwohnheim? „Dann bis gleich“, versichere ich ihm. Ich hechte die Treppe hoch und klopfe an die Zimmertür, öffne diese auch prompt. „Ah Ruki, was'n los?“, fragt sie, als sie von irgendeinem Modemagazin aufsieht. „Reita geht es wieder schlechter“, antworte ich gehetzt. „Warte ich komm direkt“, erwidert sie panisch. Bedrückt gehe ich zu seiner Mum und werfe mich ihr um den Hals. Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr. Salzige Flüssigkeit rennt über mein Gesicht, verfängt sich im Stoff ihres Pullovers. „Komm beruhige dich. Willst du darüber reden?“, bietet sie mir an. „Nein“, warum kann nicht einmal alles gut gehen? „Wann hast du eigentlich den ersten Termin bei deinem Psychologen?“, erkundigt sie sich. „Gleich. Aber ich will nicht dahin“, ich habe Angst wieder in die Klinik zu müssen. „Wieso?“, hakt sie nach. „Darum“, ich möchte nicht darüber reden. „Soll ich dich hinfahren?“, damit sicher gestellt werden kann, dass ich überhaupt hingehe?! Ich schüttele nur den Kopf und beiße auf meine Unterlippe. „Warum denn nicht?“, fragt sie besorgt nach. „Mir ist schlecht“, wahrscheinlich wegen der Aufregung. „War dir das nicht schon gestern?“, fragt sie nach. „Ja“, leider. „Komm schon“, fordert sie mich auf. „Ich will nicht“, ich will schlafen. „Das ist aber eine der Bedingungen, warum sie dich nach Hause gelassen haben“, weist sie mich daraufhin. Ich weiß ja selbst was ich alles an Bedingungen erfüllen muss um weiterhin daheim bleiben zu können. Und das ist neben den regelmäßigen Besuchen bei einem Psychologen ein halbwegs stabiles Körpergewicht und vieles mehr. „Dann geh ich halt“, auch wenn ich da absolut nicht hin will. Immer mehr Tränen suchen ihren Weg ins Freie. Niedergeschlagen ziehe ich mir meine Schuhe und meine Jacke an, verlasse das Haus. Solange ich die Termine alle einhalte und keinem einen Grund gebe mir zu misstrauen, darf ich sogar ganz alleine überall hin. Es dauert auch nicht lange bis ich endlich in der Praxis ankomme. Vor ein paar Tagen hatte ich die ersten Gespräche mit dem Psychologen und ich bin so froh darüber, dass er die weitere Behandlung übernimmt. „Ruki, ist alles in Ordnung?“, fragt mich die Sprechstundenhilfe. „Nichts ist in Ordnung“, antworte ich traurig. Sie steht auf und packt mich an den Schultern, führt mich in einen Behandlungsraum. „Er kommt direkt, hab ein wenig Geduld“, versichert sie mir. „Bleiben sie hier?“, frage ich unsicher nach. „Wenn du das unbedingt willst“, aufmunternd lächelt sie. Schutz suchend kralle ich mich an ihr fest. Warum nur läuft alles so schief? Warum? „Ich gebe dir jetzt deine Tabletten und dann legst du dich etwas hin. Du hättest ja eigentlich erst in zwei Stunden einen Termin“, klärt sie mich auf. „So früh noch?“, verwirrt schaue ich sie an. Vielleicht hätte ich einfach einmal auf die Uhr gucken sollen, bevor ich losgegangen bin. Aber ich hätte es auch keine weitere Minute daheim ausgehalten, deshalb ist es eh egal. Sie nickt nur und führt mich zum Medikamentenschrank, drückt mir irgendwelche Tabletten in die Hand. Danach holt sie mir ein Glas Wasser und bringt mich zur Liege, wo ich mich auch direkt drauf setze. Ich schlucke die Tabletten und lege mich hin. „Ich mache jetzt Entspannungsmusik an und hole dir eine Decke. Schlaf ruhig etwas“, bittet sie mich. ~ Irgendwann wache ich wieder auf, in Reitas Zimmer. Ich weiß nicht wie ich hierhin gekommen bin, denn das letzte an was ich mich erinnere, sind die ganzen Tabletten nachdem Gespräch mit dem Psychologen. So weit ich mich erinnere hatte ich eine Panikattacke und hatte mich auch daraufhin angefangen ziemlich heftig zu kratzen und zu beißen. „Ah du bist wach, Ruki“, Reita sein Lächeln kann einem richtig Angst machen. „Was ist passiert?“, frage ich vorsichtig nach. „Die haben dich gestern Abend nach Hause gebracht. Sie hatten dir starke Schlafmittel geben und so. Außerdem haben sie dich für heute krank geschrieben, damit du zur Ruhe kommen kannst“, erklärt er mir. Das muss nicht sein. Mir geht es gut. „Hab ich lange geschlafen?“, ich fühle mich ausnahmsweise mal ausgeschlafen. „Nicht wirklich“, gibt er zu. Aber ich habe doch von gestern Abend bis jetzt geschlafen und das waren doch mehr als 12 Stunden? Warum ist das in seinen Augen nicht lange? „Wann fahrt ihr zu Uruha?“, erkundige ich mich. „Gleich“, antwortet er knapp. „Bleib ich hier?“, ich darf denke ich eh nicht mit. „Meine Oma kommt zwischendurch mal nach dir gucken“, ich brauche keinen Babysitter! „In Ordnung“, obwohl ich es eigentlich nicht will. Ich will ihn nicht alleine gehen lassen, jedoch wäre ich ihm wahrscheinlich keine große Stütze. „Schlaf noch etwas, ich mach mich dann mal fertig“, teilt er mir mit. „Warst du die ganze Zeit bei mir?“, hoffentlich nicht. Ich möchte ihm nicht direkt wieder zur Last fallen müssen. „Ich hatte dich die ganze Zeit in einer festen Umarmung“, versichert er mir. „Geht es dir überhaupt besser?“, er sieht ein wenig gesünder aus wie gestern. „Ich war gestern Abend noch einmal im Krankenhaus und die haben mir etwas gegen die Schmerzen gegeben. Seitdem geht es mir viel zu gut“, bitterlich seufzt er einmal. „In wie fern viel zu gut?“, es ist doch gut, wenn es ihm gut geht, oder? „Das heißt ich bin wahrscheinlich Freitag gesund genug für die Schule“, teilt er mir frustriert mit. Er ist also lieber krank daheim als in der Schule? Er sieht jetzt nicht so aus, als wären die letzten Wochen für ihn in irgendeiner Art angenehm gewesen. „Keine Lust?“, frage ich lächelnd. „Ja“, antwortet er mir. „Naja dann bis später. Bestelle dem Trottel mal schöne Grüße“, bitte ich ihn. „Werde ich tun“, verspricht er mir. ~ Gegen Nachmittag kommt ein ziemlich erschöpfter Reita allein nach Hause. Seine Mutter ist anscheinend noch bei Uruha. Besorgt nehme ich ihn in den Arm, streiche ihm liebevoll über den Rücken. „Was ist mit Uruha?“, frage ich ihn mit Nachdruck in der Stimme. „Er schläft“, warum klingst du so traurig? „Aber er war wach, oder?“, schließlich kannst du mit schlafen auch was anderes meinen. „Klar, war er das. Er hat nur einen totalen Filmriss. Der Psychologe war da und so. Kurz um, er erinnert sich nicht an den Selbstmordversuch. Der Psychologe meint, er wäre nicht wirklich bei sich gewesen an dem Tag wegen den Drogen und deshalb sollen wir ihm auch keine Vorwürfe machen, er wäre nicht Schuld an seinen Taten“, erzählst du mir traurig. „Ist das öfters so?“, frage ich verwirrt nach. „'Ruha versucht so was für gewöhnlich zu unterdrücken, versucht Herr der Lage zu sein. Aber seit er so angeschlagen ist, gelingt es ihm kaum. Und ich will es auch um ganz ehrlich zu sein nicht wissen, wie lange er schon wieder Drogen nimmt oder seine Tabletten missbraucht“, meinst du. „Aber wieso?“, verständnislos starre ich ihn an. „Wir wissen es nicht. Wir wissen gar nichts. Er ist manchmal mehrmals pro Woche beim Psychologen, wenn es ihm nicht gut geht. Dieses Mal hat er gemeint, dass es wieder besser wird. Er wird wieder, wenn die Therapie anschlägt“, du klingst aber nicht gerade zuversichtlich. „Welche Therapie?“, was redet er da?! Irgendwie macht das alles gerade herzlich wenig Sinn. „Konfrontation mit der Vergangenheit. Ansonsten wird er nie darüber hinwegkommen. Sie versuchen ihn durch ein Hintertürchen zu erreichen. Hinter seine sonst so lockere Fassade zu kommen“, erklärst du mir. „Denkst du es klappt?“, frage ich vorsichtig nach. „Ich hoffe es. Du Kleiner, ich leg mich etwas hin. Bitte tue mir einen Gefallen und lass mich ein paar Stunden in Ruhe“, teilt er mir mit. Seine Atmung klingt gerade alles andere als gut, oder irre ich mich damit etwa? „Werde ich tun“, besorgt gucke ich ihn an. „Aoi bringt uns die Hausaufgaben. Gleich. Bitte sag ihm, dass es Uruha gut geht, ja?“, bittest du mich. Ich kann nur nicken und ihm dabei zu sehen, wie er die Hand auf den Mund schlägt und ins Badezimmer stürmt. Ich fühle mich hilflos, denn ich kann ihnen nicht helfen, nicht jetzt. Seufzend ziehe ich mir Schuhe und Jacke an, nehme das Schlüsselband und setze mich draußen auf die Gartenmauer. Reita will mich sowieso nicht neben sich haben, wenn es ihm nicht gut geht. Er ist wohl zu stolz dafür und vor allem will er mich nicht mit all dem belasten. Dabei empfinde ich es nicht als Belastung. Irgendwann kommt ein schwarzer Haarschopf in mein Sichtfeld und ich kann ein Lächeln auf meinen Lippen nicht verhindern. „Ah Ruki, geht’s dir gut?“, erkundigt sich Aoi mit einem Lächeln. „Ja, auf alle Fälle. Das Heulen gestern habe ich echt gebraucht“, und natürlich das reden mit dem Psychologen. „Du hättest mich auch zum aus heulen nutzen können“, schmollt er. „Nein, der Psychologe war eindeutig die bessere Wahl“, schließlich konnte mir dieser mal wieder in vielen Dingen weiter helfen. „Ts! Was machst du eigentlich hier draußen?“, fragt er erstaunt nach. „Entspannen?“, antworte ich schulterzuckend. „Lüge mich nicht an!“, ermahnt er mich direkt. „Okay, ich will nicht dass du Reita durchs Klingeln weckst“, hoffentlich ist er mittlerweile im Bett und versucht es wenigstens mit dem Schlafen. „Was ist denn mit ihm?“, fragt er besorgt nach. „Er schenkt dem Klo seine volle Aufmerksamkeit“, auf alle Fälle hat er dieses eben gemacht. „Dann geh ich mal nach ihm gucken, nachher ist er noch zusammen geklappt oder braucht irgendwie Hilfe“, mal bitte nicht den Teufel an die Wand, Aoi. „Warum lasst ihr mich heute eigentlich alle alleine?“, frage ich schmollend nach. „Komm schon Ruki. Ich beeile mich auch“, versichert er mir. „Darf ich wenigstens mit?“, ich will nicht immer alleine sein! „Lass mal“, antwortest du lediglich. Und selbst Aoi will mich nicht dabei haben. Scheinbar bin ich wirklich keine gute Hilfe bei so etwas. Seufzend schließe ich die Tür auf und gehe ins Wohnzimmer, wo ich mich auf der Couch niederlasse und den Fernseher einschalte. ~ [Aois POV] Seufzend gehe ich in sein Zimmer und mache mich schon auf das Schlimmste gefasst. Und ich werde Recht behalten, Reita sitzt zusammen gekrümmt auf seinem Bett und neben ihm steht ein Eimer. „Rei?“, hauche ich leise. „Ja?“, er klingt heiser. „Soll ich dir eine Wärmeflasche und Tee holen?“, etwas Besseres fällt mir nicht ein. „Nein“, antwortet er schwach. „Komm schon und dann holst du deine Tabletten“, schlage ich vor. Ich rufe kurz nach Ruki und gebe ihm den Auftrag, sage ihm auch wo die Sachen vorzufinden sind. So wirklich kennt er sich immer noch nicht im Haus aus und er ist auch keiner, der einfach irgendwelche Schränke ohne Erlaubnis öffnet. Wie kann ich Reita nur helfen? „Soll ich deine Mutter holen?“, biete ich ihm an. „Sie ist noch im Krankenhaus, bei Uruha“, teilt er mir mit. „Warum bist du überhaupt schon hier?“, frage ich ihn. „Taxi“, seine Stimme klingt nach wie vor ziemlich angeschlagen. „Ging es dir schon bei Uruha nicht gut?“, hoffentlich ist es nur ein Virus oder so. Ich will nicht, dass er schon wieder über längere Zeit im Krankenhaus am Tropf hängt. Aber so wie er hier gerade sitzt sieht es eher so aus, als wäre er noch lange nicht gesund. Und da wundert es mich nicht, dass ihn die ganze Aufregung aus den Latschen haut. Aber ich kann es auch verstehen warum Fumiko Reita und nicht mich mit geholt hat. Wer weiß schon wie Uruha auf mich reagiert hätte? „Ja.“, gibt Reita zu. „Kann ich etwas für dich tun?“, irgendwie muss man ihm doch helfen können, oder etwa nicht? „Nein“, ihm muss es wirklich mies gehen, wenn er kaum spricht. Kurz verschwinde ich im Bad um ein paar Haarspangen zu holen. Damit befestige ich seine Haare so, damit sie ihm nicht ins Gesicht fallen. Er ist wieder leicht grünlich im Gesicht und ich frage mich, ob etwas vorgefallen ist. Ruki kommt mir der Wärmflasche und dem Tee ins Zimmer und setzt sich neben Reita. Fürsorglich streicht er diesem über den Rücken und drückt ihm die Tasse Tee in die Hand und ich reiche ihm die Tabletten. Der Zwerg ist total unbeholfen wenn es darum geht sich um andere zu kümmern. „Hast du schon etwas bei ihm dagegen bekommen?“, frage ich. „Ja“, seine Stimme zittert ein wenig. „Und?“, hake ich nach. „Freitag, Montag krank geschrieben“, das wollte ich nicht wissen, naja auch egal! „Und jetzt ruhig und nimm deine Tabletten“, schmunzelnd gucke ich ihn an. Liebevoll helfe ich ihm dabei und zusammen mit Ruki schaffe ich es, Reita einen Schlafanzug anzuziehen. Immer wieder krampft Reita zusammen und wir haben Schwierigkeiten ihn anständig auf das Bett zu verfrachten. Scheinbar helfen die Tabletten doch sehr wenig gegen die Schmerzen und ich frage mich, warum er nicht einfach im Krankenhaus geblieben ist? Dann könnte er auch stärkere Mittel bekommen und vor allem welche, die auch viel schneller helfen. Zum Schluss lehne ich noch die Wärmflasche an seinen Bauch und setze mich mit Ruki auf das Schlafsofa von Reita. „Die Lehrerin hat gemeint, du brauchst keine Hausaufgaben zu machen, Ruki. Ich solle dir nur helfen für die Arbeit am Montag zu lernen“, meine ich zu dem Kleinen. „Muss Reita die eigentlich nach schreiben?“, fragt Ruki mich neugierig. „Ja, aber er kann das meiste. Seine Schwester übt mit ihm wenn es ihm gut geht“, versichere ich ihm. „Vielleicht sollten wir Rei schlafen lassen und du gehst mit mir ins Wohnzimmer üben?“, ihm scheint die Schule echt wichtig zu sein. Ich bewundere ihn richtig für sein Durchhaltevermögen. Auch in der Klinik muss er ziemlich viel gelernt haben und er achtet stets darauf, dass er auf dem Wissensstand seiner Klassenkameraden bleibt. Ich glaube ohne seine ganzen psychischen Erkrankungen hätte er schon längst eine Klassenstufe übersprungen. Ich nicke und nehme Rukis Schultasche, mache mich mit ihm auf den Weg ins Wohnzimmer. Hier versuche ich ihm alles nötige beizubringen und zu erklären, all das was er die letzten Wochen verpasst hat. Er lernt schnell fällt mir auf, hat das meiste wahrscheinlich schon einmal gelernt. Er wird die Arbeiten nächste Woche mit links schaffen, wahrscheinlich sogar als Klassenbester. Ruki ist wirklich eine tolle Person, auch wenn man es nicht vermutet. Er ist talentiert und findet mit Leichtigkeit Freunde. Ich bin zwar auch beliebt und habe Scharen von Mädchen um mich, jedoch habe ich kaum Leute, denen ich voll und ganz vertraue. Die meiste Zeit verbringe ich mit Reita oder Uruha. Die restlichen Leute nenne ich auch Freunde, ohne Frage, jedoch werden diese nie an die anderen beiden heran reichen können. Auch wenn Ruki den Platz der beiden streitig machen könnte. Und es dauert bestimmt nicht mehr lange, bis auch er mein bester Freund, mein kleiner „Bruder“ wird. Und da fällt mir ein, langsam könnte ich noch einmal meine Eltern besuchen gehen. Immerhin zahlen sie meine Miete und einiges anderes, auch wenn ich mit meinem Job meinen momentanen Lebensstandard finanziere. Bald brauche ich dieses nicht mehr, dann wenn mein Vater endlich befördert wird. Die Arbeit wird mir bestimmt fehlen. Aber im Abschlussjahr soll ich laut meinen Eltern eh nicht nebenbei arbeiten, damit ich mich voll und ganz auf die Schule konzentrieren kann. Leise lachend lasse ich Ruki alleine und stehe auf um Reitas Mutter an der Türe abzufangen. Momentan lernt Ruki etwas auswendig, etwas was er mir sicherlich gleich einwandfrei aufsagen kann. Richtig beneidenswert. „Ah Aoi, du bist auch hier. Geht es Reita besser?“, fragt sie besorgt nach. „Gucken sie lieber einmal nach ihm. Wir haben ihm Tee und Tabletten gegeben. Trotzdem sah er nicht gerade so aus, als würde er in den nächsten Stunden zu Schlaf finden“, erzähle ich ihr. „Werde ich tun“, versichert sie mir. „Gibt es Neuigkeiten?“, frage ich neugierig nach. Schließlich hat mich keiner der anderen beiden über irgendetwas informiert. Anscheinend halten sie es nicht für nötig mich auf dem neuesten Stand der Dinge zu halten. Hoffentlich ist nichts schlimmes passiert. Oder es ist etwas gutes passiert und deshalb halten sie es nicht für nötig. „Uruha wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in ein bis zwei Wochen entlassen. Ihm geht es ganz gut und das einzige was er braucht ist Schlaf, Ruhe und Zeit“, bin ich erleichtert! „Und was ist mit Reita?“, frage ich vorsichtig nach. „Er wird schon wieder. Es war nur ein wenig zu viel Aufregung und Trubel“, versichert sie mir. „Dienstag geht er wieder normal zur Schule?“, ich vermisse ihn einfach in den Pausen! „Wenn er bis dahin wieder gesund ist“, antwortet sie lediglich. „Mir ist so verdammt langweilig ohne die beiden“, ich langweile mich richtig. „Du hast doch jetzt Ruki ganz für dich allein“, meint sie lächelnd. „Der wird momentan von seinen Klassenkameraden belagert“, die lassen mich kaum noch an ihn heran. Wie es aussieht haben sie den kleinen wirklich vermisst. Ansonsten hätte er sicherlich mal Zeit in der Pause zu mir zu kommen. Aber es freut mich ungemein, dass er endlich einmal Anschluss gefunden hat und sich auch ohne Reita sicher fühlt. „Und wie kommt ihr mit dem Lernen voran?“, erkundigt sie sich. „Frag ihn selbst, dass ganze macht irgendwie nicht viel Spaß bei ihm“, seufzend wende ich den Blick ab. „Warum?“, hakt sie verwundert nach. „Der weiß das meiste. Und wenn ich es ihm erklären will, hat er die Antwort meistens schon direkt parat“, da kommt man sich richtig überflüssig vor. „Hast du mittlerweile die Termine für Reita raus gefunden?“, fragt sie mich. „Manches muss er nicht nach schreiben, im Gegensatz zu Ruki. Er wird wahrscheinlich bei manchen mündlich abgefragt. Aber das schafft er schon. Ich hab einen Zettel mit den Terminen ihm auf den Schreibtisch gelegt. Die Lehrerin meinte jedoch, dass die auch noch abgeändert werden können je nachdem wie es Reita die nächsten geht“, versichere ich ihr. Er muss es einfach schaffen, da mit ihm ja auch oft genug geübt wird. Und in mündlichen Angelegenheiten kann Reita gar nicht so schlecht abschneiden. Schließlich werden die Lehrer ihm bestimmt ausreichend Tipps geben, da er ja so lange Zeit gefehlt hat. Und er ist ja auch nicht gerade auf den Kopf gefallen! „Nächste Woche schon?“, fragt sie verwundert nach. „Die Arbeit die am Montag geschrieben wird, schreibt er mittwochs nach“, auf jeden Fall hatte die Lehrerin das so vorgesehen. Damit er nicht direkt in den ersten Tagen so viel Stress hat. Sie nehmen sehr viel Rücksicht, meiner Meinung nach. Aber sie haben schließlich auch gesehen, wie schlecht es Reita wirklich geht und wie sehr er sich in den wenigen Tagen wo er zwischendurch annähernd gesund war, angestrengt hat. Und im Gegensatz zu früher ist er in den letzten Wochen erstaunlich brav und zurückhaltend gewesen. An vielen Tagen habe ihn kaum wieder erkannt. Überrascht drehe ich mich um, als Schritte ertönen. Ruki steht einige Schritte von uns entfernt und guckt mich fragend an. „Ich komm ja direkt, kleiner“, versichere ich ihm. Entschuldigend gucke ich Reitas Mutter an und gehe zurück zu Ruki, um ihn die weiteren Dinge zu erklären. Gegen Mitternacht treten bei mir die ersten Erscheinungen von Müdigkeit in Kraft, wobei Ruki schon vor Minuten eingeschlafen ist. Wir haben all den Stoff durch und ich bin heilfroh, wenn er Morgen die erste Arbeit hinter sich hat und am Freitag die nächste. Und Montag. Wie schafft der Junge es, so viel auf einmal zu lernen? Oder schafft er das nur, weil er nach wie vor Angst vor einer eventuellen Bestrafung hat? Dabei würde Fumiko ihn doch nie wegen einer schlechten Note bestrafen. Am Wochenende werde ich mit ihm auf alle Fälle noch etwas lernen, damit er auch in den anderen Fächern wieder besser zu Recht kommt. Es wurde zwar mit ihm in der Klinik gelernt, aber auch nur nebenbei. Wer hätte auch gedacht, dass Ruki mehr als einen Monat früher auf freien Fuß kommt? Aber es hatte auch niemand damit gerechnet, dass sie Therapie wirklich so gut anschlägt und er sich darauf einlässt. Scheinbar ist er tatsächlich an den richtigen Therapeuten geraten. Der Anruf von Reitas Mutter kam letzte Woche ziemlich überraschend. Sie hatte mich gebeten ab Sonntag Ruki bei mir aufzunehmen. Erst habe ich gedacht, es wäre nur ein Traum. Aber am Sonntag stand der kleine wirklich vor meiner Tür. Seufzend trage ich den kleinen zur Couch und lege ihn darauf ab, decke ihn zu. „Habt ihr wirklich bis gerade eben gelernt?“, fragt sie erstaunt nach. Wo kommt bitte Reitas Schwester so plötzlich her? „Klar, was denkst du denn?“, was sollen wir auch sonst hier mit den Schulbüchern gemacht haben. „Pass bitte auf dich auf Aoi. Tust du mir den Gefallen?“, bittet sie mich. „Tue ich doch immer. Warst du noch bei Uruha?“, frage ich nach. „Was denkst du? Natürlich war ich bei ihm. Er war auch kurz aufgewacht und hat nach dir und Ruki gefragt. Ihm geht es wirklich total gut. Halt nur den Umständen entsprechend. Du wirst sehen, ne?“, versichert sie mir. „Ja. Vielleicht sollte ich morgen wirklich mal mit Ruki vorbei schauen. Obwohl Ruki eigentlich immer noch lernen muss“, aber der kleine brauch auch einmal eine Pause. „Und wie läuft es mit dem Job?“, erkundigt sie sich. „Morgen Abend und übermorgen wieder. Dann hab ich das Wochenende frei“, ich freue mich immer auf das Wochenende. Mein Chef meint, ich hätte die Freizeit verdient. Wahrscheinlich weil ich ihm wie oft ausgeholfen habe. Nicht umsonst habe ich genug Überstunden um mir viele Tage frei nehmen zu können. „Hast du ein Glück“, meint sie. „Ja. Ich glaub ich hau mich langsam auch in die Federn“, ich muss schließlich genau wie Ruki früh aufstehen. „Mach das. Geht es Reita besser?“, fragt sie besorgt. „Frag lieber deine Mutter“, meine ich niedergeschlagen. „Naja dann schlafe mal schön Aoi. Oder gehst du jetzt noch nach Hause?“, fragt sie nach. „Muss ich ja, wegen meinen Schulsachen“, die liegen ja dort. „Soll ich dich gerade fahren?“, bietet sie mir an. „Das wäre nett“, Aiko ist genauso lieb wie Reita. Die Lage spitzt sich zu. 5085 -> 7141 Wörter(16.08.2018) → 8417 Wörter(02.08.2018) wenn es so weiter geht erreiche ich doch noch die 100.000Wörter xD Kapitel 17: Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück ------------------------------------------------- Nach der Schule holt uns Reitas Mutter ab, um mit uns zu Uruha zu fahren. Reita kommt nicht mit, denn der hat strenge Bettruhe verordnet bekommen, damit er ja bis Montag wieder halbwegs fit ist. Und er möchte auch lieber daheim bleiben, da es ihm einfach nicht gut geht. Schweigend gehen wir den Krankenhausflur zu seinem Zimmer entlang. Er hat ein Einzelzimmer, mit Glasscheibe. Die Ärzte überwachen seinen Zustand im Minutentakt. Und als ich Uruha sehe, weiß ich auch wieso. Dieser liegt leichenblass in seinem Bett, mit einer Magensonde in der Nase. Seine Arme sind bandagiert und an einem Arm hängt eine Infusion. Das Lächeln auf seinem Gesicht wirkt erbärmlich und lässt ihn nur noch bemitleidenswerter aussehen. Aoi verhält sich unsicher und versucht sich ständig hinter uns beiden zu verstecken. Schulterzuckend trete ich an sein Bett und piekse Uruha in die Wange. „Na, Gnom?“, meint Uruha gelassen. „Was willst du Idiot?“, frage ich ihn. Er soll uns nichts vormachen! Wir sehen doch, dass es ihm nicht gut geht! Ich werde Uruha nicht verstehen, warum er immer einen auf heile Welt macht. „Ey, beleidige mich nicht!“, erwidert er schmollend. „Ich beleidige dich wann und wo ich will“, kontere ich. „Aoi, ist das wirklich Ruki?“, fragt Uruha ungläubig. „Ich glaube schon“, antwortet Aoi unsicher. „Oh nein!“, antwortet e r erschrocken. „Oh doch, mein Lieber“, meine ich auf Uruhas Aussage kühl. Wenn ich eins in der Psychiatrie gelernt habe, dann ist das streiten und diskutieren. Und vor allem mich zur Wehr zu setzen. „Jungs hört auf euch zu streiten“, mischt sich nun auch Reitas Mutter ein. „Streiten? Dass ich nicht lache“, selten so gelacht, ehrlich. „Wo habt ihr ReiRei gelassen?“, erkundigt sich Uruha. Hey ich war mit dir am streiten! Lenke nicht einfach immer vom Thema ab! „Er liegt wieder krank im Bett. Wundert es dich?“, antwortet Aoi. „Nein. Ich hatte mich nur auf seinen Besuch gefreut“, erwidert Uruha traurig. „Oh man 'Ruha, du bist echt komisch“, meint Aoi. „Warum?“, fragt er ungläubig. „Du bringst dich fast um, erinnerst dich an nichts und kannst trotzdem weiter machen wie bisher“, wundert mich auch, Aoi. „Was dagegen?“, fragt Uruha trotzig. „Das nicht, aber es ist komisch, mehr als komisch“, antwortet Aoi. „Hey! Beleidige mich nicht“, du wiederholst dich Uruha. „Und ihr sollt mich nicht ignorieren!“, rufe ich. „Halt deine Klappe!“, schreien mich beide an. Wutentbrannt verlasse ich den Raum und gehe den Flur entlang um auch die Station zu verlassen. Schnaubend mache ich mich auf den Weg zur Cafeteria, wo ich mir erst einmal eine Limonade genehmige. Pah! Sollen sie doch alleine glücklich werden, mich brauchen sie ja anscheinend nicht für ihr Glück. Nach der 3. Limonade kommt auch endlich einer nach mit schauen. Dass ich schon 3 Tortenstücke gegessen habe und mir deshalb gewaltig schlecht ist, ist mir egal. „Ah Ruki, hier bist du“, ist das ein lächeln auf den Lippen seiner Mum? „Hier bin ich wie es scheint“, erwidere ich erbost. „Kommst du wieder mit zu den anderen beiden?“, warum sollte ich? „Nein“, gebe ich extra laut von mir. „Schrei nicht so“, ermahnt sie mich. „Ich schreie wann ich will“, sie sind nicht meine Mutter! „Ach komm schon“, NICHT betteln. „Ich fahre jetzt nach Hause, so!“, böse funkele ich sie an. Ich weiß noch nicht einmal warum ich gerade so gereizt bin. „Mach das“, meint sie seufzend. „Werde ich auch tun!“, ich lasse mir von keinem auf der Nase herum tanzen! Reitas Mum schenke ich noch einen bösen Blick, bevor ich das ganze weit hinter mir lasse. Seufzend gehe ich zu Reita nach Hause und krame mein Schlüsselband aus der Jackentasche, schließe die Türe auf. Missmutig stapfe ich zu Reita aufs Zimmer und nehme seine Naturkundeaufzeichnungen und sein Buch. Heute hatte ich Mathematik geschrieben, das heißt morgen Naturkunde und Montag Englisch. Für Sport bin ich immer noch für zwei Monate befreit, da ich meine Schulter immer noch nicht voll belasten darf. Scheinbar will der Arzt auf Nummer sicher gehen, obwohl mir das alles kaum noch Probleme bereitet. Im Flur schreibe ich auf einen Zettel, dass ich etwas draußen bin und erst gegen Abend zurückkomme. Und so mache ich mich auf den Weg in den Park, um etwas Naturkunde zu lernen und um mich von den Geschehnissen des heutigen Tages abzulenken. Um dieses ungestört zu tun verlasse ich den üblichen Weg und verschwinde in der Baumgruppe, setze mich irgendwo unter einen Baum und fange an zu büffeln. Die immer noch eisigen Temperaturen stören mich nicht im Geringsten. Als die Nacht einbricht, gehe ich zum Supermarkt und kaufe mir Süßigkeiten, als Belohnung. Beladen mit zwei großen Tüten, man muss es ja übertreiben, gehe ich zurück nach Hause. Ich weiß noch nicht einmal wann ich angefangen habe so viele Süßigkeiten zu essen. Früher hatte ich wirklich selten welche gegessen, aber jetzt? Ich schließe die Türe auf, ziehe Schuhe und Jacke aus und gehe in die Küche und setze mich dort auf einen der Stühle. Freudestrahlend packe ich das Taiyaki aus und beginne es regelrecht zu verschlingen. Die Uhr an der Wand zeigt mittlerweile zwanzig Uhr an. Vielleicht sollte ich langsam einmal mit den Hausaufgaben anfangen, auch wenn es nicht viele sind. Nachdem ich satt bin bringe ich Reita die Unterlagen zurück und muss feststellen, dass er sich nach wie vor nicht in seinem Zimmer befindet. Schulterzuckend nehme ich meine Schultasche und gehe damit in die Küche, beginne dann mit den Hausaufgaben. Soll er nicht im Bett liegen und sich ausruhen? Als ich fertig bin sind es schon 21 Uhr, also stopfe ich noch einige Süßigkeiten in mich hinein und bringe die restlichen Süßigkeiten auf Reitas Zimmer. Man wo ist er bloß? Irgendwie vermisse ich ihn. Und irgendwie habe ich auch ein ganz ungutes Gefühl. Ich ziehe mir meinen Schlafanzug an und gehe ins Wohnzimmer, aber dort ist auch keiner. Verunsichert gehe ich hoch und klopfe an ihr Zimmer, aber niemand antwortet. Ängstlich tapse ich wieder runter, gehe ins hintere Teil des Hauses und klopfe bei seiner Großmutter an. Diese öffnet auch nach einer Zeit die Tür. „Ruki, was ist denn los?“, fragt sie direkt. „Wo sind die anderen?“, nervös schare ich mit dem Fuß auf dem Boden herum. „Krankenhaus“, antwortet sie knapp. „Warum?“, unsicher schaue ich sie an. „Reitas Zustand hat sich verschlechtert und deshalb hatte ich den Krankenwagen gerufen“, gibt sie traurig zu. Ich nicke nur als Antwort und starre den Boden an. Ich mache mir Sorgen. Ich will ihn nicht verlieren. Ich will eigentlich beide nicht verlieren. Geht es Reita wirklich so schlecht? „Willst du vielleicht etwas hier bleiben?“, fragt sie mit einem kleinen Lächeln. „Wenn ich darf“, ich will mich schließlich keinen aufdrängen. „Komm schon rein, dann mach ich dir auch etwas zu essen“, bietet sie mir an. „Keinen Hunger“, schon lange nicht mehr. „Hast du heute schon etwas gegessen?“, erkundigt sie sich besorgt. „Frühstück, Mittagessen und ganz viel Süßkram“, wahrscheinlich hätte ich nicht so viel süßes essen dürfen. „Dann ist das kein Wunder“, kopfschüttelnd guckt sie mich an. Die Tränen am weg blinzeln schlurfe ich ins Wohnzimmer und lasse mich auf der Couch nieder. Ich möchte nicht schon wieder weinen. Im Fernseher läuft irgendeine Seifenoper, die mich ganz schläfrig werden lässt. Müde schlage ich die Augen auf, als mich seine Schwester hoch hebt und zu unserem Zimmer trägt. „Sorry, wenn ich dich geweckt habe“, entschuldigt sie sich. „Nicht schlimm“, murmele ich leise vor mir her. „Geht es dir gut?“, fragt sie direkt besorgt. „Nicht so“, murmele ich noch leiser vor mir her. „Was hast du denn?“, was habe ich eigentlich? „Müdigkeit“, gebe ich nach kurzem zögern von mir. „Du kannst ja auch direkt weiter schlafen“, versichert sie mir lächelnd. Sie legt mich auf dem Schlafsofa ab und deckt mich zu, streicht mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Und jetzt schlafe noch etwas“, meint sie mit einem Lächeln. ~ Zur Schule bringt mich Reitas Mutter, die auch direkt zur Klassenlehrerin stiefelt. In der ersten Stunde soll ich die Arbeit nach schreiben, also mache ich mich auf den Weg zu dem jeweiligen Raum. Nachdem dieses erledigt ist, mache ich mich auf den Weg zur Turnhalle, um den anderen beim Sport zu zugucken. Der Lehrer lässt mich gnädigerweise lernen, sodass ich die Zeit nicht mit Protokoll schreiben verbringen muss. In der Mathestunde bekomme ich nur Lob zu hören und auf meine Arbeit habe ich auch 100% bekommen, also kann ich doch noch gut sein. Und es freut mich einfach, dass ich trotz der langen Fehlzeit keine sichtlichen Probleme habe. Nach der Schule beeile ich mich um ins Krankenhaus zu kommen. Ich möchte Aoi nicht begegnen, denn auf ihn habe ich heute absolut gar keine Lust. Und es dauert auch nicht lange, bis ich ankomme und mich zu Reitas Zimmer durchgefragt habe. Dort angekommen begrüße ich erst einmal seine Mutter und umarme Reita. „Hast du Aoi gesagt, dass ich wieder im Krankenhaus liege?“, fragt er. „Nein, hab ich nicht. Hab seit gestern Mittag nicht mehr mit ihm geredet“, gebe ich leise lachend zu. „Dann hoffe ich mal, dass er es nicht raus bekommt“, seufzend guckt er mich an. „Warum?“, frage ich überrascht. „Er will seine Ruhe. Eigentlich will er niemanden sehen“, mischt Fumiko sich ein. „Warum?“, hake ich nach. „Ruki frag nicht nach. Bitte frag einfach nicht nach“, fügt sie hinzu. Irgendwie bin ich jetzt alles nur nicht schlauer. Vielleicht sollte ich trotzdem einmal Reita fragen. „Hast du etwas sehr schlimmes?“, frage ich ungläubig. „Nein, glaub nicht. Aber ich möchte oder eher brauche viel Ruhe“, gesteht er mir. „Wann kommst du wieder nach Hause?“, erkundige ich mich. Er fehlt mir einfach so unglaublich, dabei liegt er noch gar nicht lange im Krankenhaus. „Donnerstag, vielleicht“, warum weiß er das nicht? „Ruki gehst du bitte zu Uruha?“, bittet sie. „Aoi ist bestimmt da“, erwidere ich. „Komm schon“, bettelt sie schon fast. „Dann geh ich halt. Bis später Rei, wenn du willst“, hoffentlich darf ich später noch einmal zu ihm. Er fehlt mir nach wie vor, da ich die Zeit mit ihm einfach nicht genießen kann. Immer wenn ich da bin, geht es ihm nicht gut. Und wie soll ich dann die Zeit genießen, wenn ich weiß, dass er es nicht tut? „Aber sag Aoi nichts“, fleht Rei. Nickend verlasse ich den Raum und mache ich mich auf den Weg zu Uruhas Zimmer. Beide liegen momentan auf der Intensivstation, deshalb muss ich auch nicht so weit gehen. Warum will er das alles vor Aoi geheim halten? Bei Uruha werde ich direkt von Aoi belagert, ich habe es geahnt. „Und wie ist Mathe ausgefallen bei dir?“, will er direkt wissen. „100%“, erwidere ich ernst. „Du lügst!“, warum sollte ich lügen? „100%!“, und noch einmal für ganz Langsame. „Herzlichen Glückwunsch. Du bist echt klasse, kleiner“, meint Uruha freudig. „Geht es dir besser Uruha?“, erkundige ich mich. „Klar. Bald kommt auch die Magensonde weg, hoffe ich einfach einmal. Denn langsam bekomme ich richtig Lust auf was zu essen“, teilt mir Uruha mit einem Lächeln mit. Heute scheint er tatsächlich gut drauf zu sein. Oder diese gute Laune kommt einfach von den Medikamenten. „Das wird schon wieder. Wann wirst du genau entlassen?“, frage ich nach. Ich bin nicht neugierig, aber ich würde es schon gerne wissen. „Sonntag“, antwortet er nachdenklich. Warum liegt er dann noch hier? Und warum können die ihn nicht Zwangseinweisen? Oder stellt er aktuell keine Gefahr mehr für sich da und darf deshalb nachhause? „Und warum bist du noch auf Intensiv?“, ohne Grund wird er ja nicht hier liegen. „Sie haben Angst, dass ich abhauen könnte“, gibt er traurig zu. „Aber der Psychologe gibt grünes Licht für die Entlassung?“, kann ich um ehrlich zu sein nicht glauben. „Er kennt mich besser als ihr zwei. Er meint, ich würde es schon irgendwie schaffen. Also wieder wie früher zu werden. Ich hab jetzt jeden Tag eine Therapiestunde bei ihm, bekomme wieder irgendwelche Medikamente. Damit ich keine Gefahr mehr für mich darstelle“, antwortet er unsicher. Er klingt nicht gerade zuversichtlich. Wie soll das nur alles besser werden, wenn er nicht selbst daran glaubt? Ich habe ehrlich Angst um ihn. „Ich hab es ja auch geschafft, also schaffst du es auch“, muntere ich ihn auf. „Sicher. Weißt du wann Rei noch einmal vorbeikommt?“, fragt er hoffnungsvoll. „Die nächste Zeit gar nicht“, erwidere ich. „Wieso das denn?“,hakt er nach. Eine Notlüge muss her, sofort! „Keine Zeit. Er muss lernen“, hoffentlich glauben mir das die beiden. „Bestell ihm schöne Grüße“, meint Uruha. „Von mir auch“, sagt Aoi klein laut. Irgendwie scheint es Aoi schon ziemlich mitzunehmen, dass Reita ihn nicht um sich haben will. Dabei kann ich es ihm nicht verübeln, dass er zurzeit niemanden sehen will. Schließlich hat er ja genug mit sich selbst zu kämpfen. „Ich geh dann mal. Muss noch Hausaufgaben machen und dann arbeiten“, murmelt Aoi plötzlich. Wir winken beide zum Abschied und ich lege mir schon einmal die passenden Worte zu Recht. Uruha hat das Recht darauf zu erfahren, warum Reita nicht kommt. Als Aoi außer Hörweite ist, fange ich an zu reden. „Du Uruha, sorry für die Lüge eben“, entschuldige ich mich. „Ich weiß schon Bescheid. Seine Schwester war gestern noch einmal kurz bei mir und hat ein wenig mit mir geredet. Und dass ich Aoi nichts sagen soll.Und wir am Besten ihm etwas fern bleiben sollen, also Rei“, seine Augen scheinen wieder so matt. Und man merkt wie fertig er ist. „Warum eigentlich fernbleiben?“, frage ich unschuldig nach. Vielleicht weiß Uruha mehr über Reitas Beweggründe wie ich. Einerseits kann ich es ja verstehen, aber trotzdem kann ich mir sein Verhalten nicht so wirklich erklären. „Er kann durch die Schmerzen nicht so gut Luft holen und reden strengt ihn deshalb zu sehr an. Außerdem krampft er ständig zusammen beim Reden wegen den Schmerzen und ihm wird davon gewaltig schlecht und das erbrechen macht das Problem nicht gerade erträglicher“, erklärt mir Uruha mit ruhiger Stimme. Das kam mir eben nicht so schlimm vor oder ich habe es einfach nicht bemerkt. Vielleicht habe ich es auch einfach nicht bemerken wollen. Ich will Reita einfach nicht so geschwächt sehen. „Kannst du mir einen Gefallen tun, Uruha?“, frage ich ihn. „Ja?“, antwortet er lächelnd. „Kannst du mit mir am Montag ein Geschenk kaufen gehen, für Rei?“, frage ich und setze meinen Dackelblick auf. „Warum denn das?“, soll ich es ihm sagen? Ich weiß nicht ob er die Gründe versteht. Schließlich schenkt man Freunden nicht einfach so etwas, oder nicht? Ich weiß es gar nicht, da ich nie echte Freundschaften hatte. Und selbst wenn waren es immer eher erzwungene Freundschaften, wo ich auch an die Geschäftsbeziehungen von meinem Vater denken musste. In gewissen Kreisen schließt man keine Freundschaften ohne Hintergedanken. „Ich möchte ihm einfach für die letzte Zeit danken, weil er immer bei mir war und mich nie alleine gelassen hat. Für Aoi und dich hab ich schon eine Idee, aber bei Reita bin ich völlig ratlos“, gestehe ich ihm. „Was für eine Idee hast du denn?“, fragt er neugierig nach. Er sieht zwar so als wäre er kurz vorm einschlafen, aber trotzdem schmeißt er mich nicht einfach raus. „Reita ist sowieso momentan außer Gefecht. Deshalb wollte ich mit euch beiden nächste Woche oder so feiern gehen, auf meine Kosten“, meine ich. Was besseres ist mir leider nicht eingefallen. Ob das überhaupt schon geht? Immerhin ist Uruha jetzt schon so lange im Krankenhaus und ich darf wahrscheinlich auch nicht ohne weiteres einfach weggehen. „Lass mal, dass darf ich noch lange nicht. Lass uns lieber schick essen gehen oder so. Das würde Aoi sicherlich auch lieber sein“, entgegnet Uruha. „Na gut. Und was ist mit Reita?“, schließlich will ich vorwiegend für ihn etwas haben. „Vielleicht eine Kette oder so. Mal schauen. Wir finden sicherlich etwas“, meint Uruha zuversichtlich. „Hoffentlich“, schließlich will ich Reita wieder glücklich sehen. „Sehe es einfach positiv, in seinem Zustand freut er sich über nichts so wirklich“, toller Witz, echt toll. Zögerlich gestehe ich ihm: „Ich hatte so Angst, weil ich nicht wusste, wieso ich nicht mehr zu ihm soll. Habe mir immer wieder Vorwürfe deshalb gemacht. Weil ich nicht wusste was am Tag der Einlieferung passiert ist.“ Tränen kommen hoch und ich kann sie einfach nicht aufhalten. Es tut mir alles so schrecklich Leid. „Das ist auch unwichtig. Du hast uns nur einen riesigen Schrecken eingejagt“, versichert mir Uruha. „Das wollte ich nicht“, erwidere ich mit brüchiger Stimme. „Mach dir doch jetzt keine Vorwürfe, bitte. Wann gehst du noch einmal zum Psychologen?“, erkundigt er sich. „Morgen früh“, auf alle Fälle laut meinem Terminplaner. Seit der Klinik führe ich diesen, damit es Reitas Mutter ein wenig einfacher hat. Sie bringt mich ja auch zu den meisten Terminen. Und es soll mir auch dabei helfen den Überblick zu behalten. Darin stehen auch die Hausaufgaben, die mir der Therapeut aufgibt und im Groben was alles während den Stunden besprochen wurde. „Kommst du mich danach besuchen?“, schwingt da Hoffnung in seiner Stimme mit? „Kann ich machen. Ich will gerade einfach nur zu Rei“, und in seinen Armen liegen und den Schmerz von meiner Seele weinen. Es ist so beängstigend wie wichtig er mir geworden ist. Auch in der Klinik hat er mir unheimlich gefehlt und ich hatte mir so oft gewünscht, dass er einfach vorbei kommt und meine Tränen trocknet. „Später, lass ihm noch etwas die Ruhe“, bittet er mich. Schweigend hängen wir wieder unseren eigenen Gedanken nach. Ich frage mich nach wie vor wieso Uruha sich versucht hat umzubringen. Ich habe gedacht, er wäre von den Drogen los, aber dem scheint es ja nicht so. Ob er nach wie vor Sterben will? Immerhin scheint es ja kein Hilferuf gewesen zu sein und er konnte ja nicht damit rechnen, dass beide Methoden komplett versagen. Aber es sagt eigentlich auch viel aus, dass er nicht eingewiesen wurde. Müsste er nicht nach so einer Aktion zwangsläufig für längere Zeit in die Psychiatrie? Bei mir war es ja um Welten harmloser und trotzdem war ich eine ganze Zeit lang auf der Geschlossenen. „Du“, spreche ich ihn vorsichtig an. „Ja?“, antwortet er neugierig. „Weißt du wirklich nichts mehr davon?“, frage ich. „Nichts“, er schüttelt ein wenig den Kopf. „Warum?“, er kann es doch nicht vergessen haben, oder? „Schlechter Drogenmix“, ungläubig starre ich ihn an. Drogenmix?! Warum will er seinen Körper nur noch mehr zerstören? Es gibt doch für alles eine Lösung. Und Drogen ist garantiert eine, die man definitiv nicht wählen sollte. Ich frage mich, ob er vor dem Selbstmordversuch wieder konsumiert hatte und warum das keinem aufgefallen ist. Oder war er nie wirklich davon weg? „Wieso?“, frage ich nach. „Irgendwann wirst du es herausfinden. Irgendwann“, entgegnet er mit leerem Blick. „Das hat mit deiner ehemaligen Arbeitsstelle zu tun oder?“, frage ich vorsichtig nach. Ohne Grund wird er ja nicht da weg sein und ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt gehabt, warum ihn immer wieder jemand abholen musste. Ob sie ihn dort misshandelt hatten? „Ja“, bestätigt er meine Vermutung. „Seit wann nimmst du wieder Drogen?“, frage ich zögerlich. „Erst seit einem Monat wieder so richtig. Falscher Umgang halt. Mir wurde das ganze einfach zu viel und ich habe Spaß gesucht“, gesteht er mir. So wie er spricht scheint es etwas zu sein, was er die letzten Tage immer wieder erzählen musste. Wahrscheinlich stimmt noch nicht einmal die Hälfte davon, oder? „Aber“, versuche ich ihm zu widersprechen. „Ruki bitte lass das Thema. Du würdest es nicht verstehen“, bittet er mich. „Vielleicht ja doch“, er weiß ja nicht was ich bisher schon alles erlebt habe. „Du hast keine Ahnung von der Welt in der ich lebe. Du bist einfach zu unschuldig dafür“, meint er nachdrücklich. Obwohl ich schon schlimme Dinge erlebt habe, hatte ich bisher noch so gut wie gar nichts mit Drogen zu tun. Natürlich habe ich schon das ein oder andere auf den großen Feiern der Firma erlebt. Aber bisher hatte ich noch nie Kontakt zu einem Junkie. Und wenn Uruha eins ist, dann ist es ein Junkie. Und das ist etwas, was ich von ihm nie erwartet hätte. „Sorry nur ich rede nicht gern darüber. Aoi und Rei wissen auch nichts von all dem, auch nicht von den Drogen. Bitte erzähl es ihnen nicht“, bittet er mich. „Okay“, aber ich denke einmal, dass sie es schon längst wissen. „Ich wollte es ja auch nicht. Aber ich war so verdammt verzweifelt“, fügt er hinzu. Er hätte mit uns reden können. Warum kann er nicht einmal jemanden vertrauen? Fällt es ihm so schwer sich auf eine Beziehung einzulassen? Auch wenn es nur eine einfache Freundschaft ist? Warum muss er den Leuten, denen er wichtig ist immer wieder vor den Kopf stoßen? Letztendlich sind es wahrscheinlich die Drogen, die ihn dazu bringen. Aber was um alles in der Welt hat ihn dazu gebracht? Ich bin mal gerade ein Jahr jünger und ich könnte nie so handeln wie Uruha. Warum um alles in der Welt schmeißt er sein Leben nur so weg? Die Tür schwingt auf und Reitas Mum tritt herein. „Na ihr zwei“, ein Lächeln ziert ihre Lippen. „Ah, wie sieht's denn heute mit unserem Sturkopf aus?“, erkundigt sich Uruha. Uruha wirkt schon wieder viel fröhlicher und wacher. Warum zeigt er Fumiko nicht wie es ihm wirklich geht? „Besser wie letzte Nacht, langsam wirkt die Medizin“, versichert sie uns. „Und seine Stimmung?“, hakt Uruha nach. „Sie geben ihm etwas dafür. Und halt die Gespräche mit dem Psychologen“, erzählt sie. „Das tut mir so was von Leid“, Uruha senkt schuldbewusst dein Kopf. „Er hat ja auch nie gesagt, dass ihn das alles so mit nimmt. Besonders die Sache mit Ruki scheint ihn ja sehr mitzunehmen. Euch trifft keine Schuld“, versichert sie uns. Warum ist das? Bin ich Reita wirklich so wichtig? Bin ich ihm etwa mittlerweile mehr wert wie Uruha? „Dabei weiß er doch, dass Ruki tief im Innern ein Kämpfer ist“, murmelt Uruha leise. Das bin ich nicht, ich kämpfe sehr selten bewusst um etwas. Ansonsten wäre ich nie so lange bei meinen leiblichen Eltern geblieben. Und vor allem hätte ich mich ansonsten viel früher gegen den Missbrauch gewehrt und das habe ich definitiv nicht getan. „Es geht nicht um wissen, sondern um glauben“, erklärt Fumiko. „Kann ich am Sonntag zu ihm?“, fragt Uruha. „Übermorgen? Ich denke schon“, verwirrt schaut sie ihn an. „Kann ich dann am Montag Ruki entführen?“, erkundigt sich Uruha. Wie bitte, du willst mich Knirps entführen?! „Du bist noch Montag krank geschrieben, das weißt du?“, fragt sie abwartend. „Trotzdem kann ich weggehen“, verbessert Uruha Fumiko. „Hast du wenigstens für die Arbeiten gelernt?“, erkundigt sie sich. „Ja“, warum glaub ich das Uruha nicht? „Kannst du es?“, hakt sie nach. „Na klar“, versichert er uns. „Ich frag dich am Sonntag ab. Wenn du es kannst, darfst du mit Ruki weg. Aber feiern oder ähnliches darfst du noch lange nicht! Und auch nur für maximal zwei Stunden und wehe du beschwerst dich danach darüber wie schlecht es dir geht“, harte Worte von Fumiko. Aber sie hat ja Recht. Feiern darf Uruha noch lange nicht, da er ja erst bis vor kurzem im künstlichen Koma lag und sein Zustand ja auch nicht gerade viel versprechend war. Es ist ein Wunder, dass es ihm wieder so gut geht. Und vor allem ist es ein Wunder, dass das künstliche Koma kaum Auswirkungen hat. Es gibt ja durchaus Fälle, bei denen die Betroffenen alles erst wieder erlernen müssen. „Ich will ja auch nur kurz ins Einkaufszentrum mit ihm“, wirklich nur das, Uruha? „Holt ihr Aoi mit?“, bittet uns Fumiko. Eigentlich wollte ich Aoi nicht dabei haben, da er ja nach wie vor zwischendurch ziemlich nervig sein kann. Aber wahrscheinlich ist es besser ihn dabei zu haben, schließlich kennt er Uruha und seine Launen und kann dann auch dementsprechend reagieren. „Warum?“, frage ich verwundert. „Er würde sich sicherlich freuen“, antwortet sie. „Und sich nur mit Ruki streiten“, genau Uruha! „Das glaube ich kaum“, wirklich Suzuki-san?! „Ist aber so“, gebe ich trotzig von mir. „Seit Ruki wieder zu Hause ist, verstehen die beiden sich unheimlich gut“, erklärt sie uns. „Stimmt das kleiner?“, fragt Uruha fassungslos. „Ja“, gebe ich widerwillig und zerknirscht von mir. Auch wenn wir zwischendurch immer noch aneinander geraten. Aber was soll man schon dagegen machen? Selbst unter den besten Freunden gibt es ab und an Streit. „Das ist man einmal nicht da und schon steht alles Kopf“, murmelt er verwundert. Müde strecke ich mich und gähne erst einmal herzhaft. „Ich glaub der Gartenzwerg gehört ins Bett“, ich bin doch gar nicht so klein Uruha! „Und du solltest dich auch lieber mehr ausruhen“, weist Fumiko den Kranken zu recht. „In wiefern?“, fragt er. „Du weißt was ich meine“, fügt sie hinzu. Ich will auch wissen, worum es geht. „Schon in Ordnung, werde ich tun. Sobald ihr weg seid lerne ich“, verspricht er uns. Müde lehne ich mich an Rei seiner Mutter und schließe die Augen. „Ich glaube wir gehen jetzt lieber. Bis morgen dann“, verspricht sie ihm. „Geht ihr nicht noch einmal zu Reita?“, fragt er verwundert nach. Also vorm Schlafen gehen will ich ihn wenigstens noch einmal sehen! „Er schläft sicherlich. Bist du morgen schon auf einem normalen Zimmer?“, erkundigt sie sich. „Denke schon“, antwortet er. Es ist echt Wahnsinn wie schnell es für Uruha jetzt Richtung Entlassung geht. Hoffentlich kann ich wenigstens Morgen noch einmal Reita sehen. Vielleicht geht es ihm dann auch wieder besser und wir können ein wenig reden? Warum kann nicht schon Morgen sein? „Dann ärgere die Krankenschwestern nicht zu viel“, mahnt Fumiko. „Werde ich tun. Aber ihr kommt morgen Nachmittag?“, fragt Uruha. „Dich kann man doch keinen Tag alleine lassen, ohne dass du Mist baust“, meine ich lachend. „Warum ärgert ihr mich neuerdings alle?“, tun wir das, Riese? „Das kommt dir nur so vor“, ein fettes Grinsen ziert meine Lippen. Achselzuckend verlasse ich den Raum und gehe schon einmal vor. Seine Mutter kommt auch bald und zusammen gehen wir stillschweigend zum Auto. Warum bin ich nur so müde? Dabei habe ich die letzte Zeit doch oft genug geschlafen, oder etwa nicht? Selbst die in der Klinik haben zum Schluss gemeint, dass ich einen gesunden Schlafrhythmus habe. Ich bin jeden Abend früh zu Bett, damit ich am nächsten Morgen ausgeschlafen bin. Selbst die Schlaftabletten brauchte ich nicht mehr zu holen. Dafür machen mich die anderen Tabletten einfach zu ruhig und da bin ich auch froh drum. Natürlich bin ich immer noch wie auf glühenden Kohlen, aber trotzdem klappt das mit dem Schlafen erstaunlich gut. „Magst du vielleicht noch etwas essen, bevor du schlafen gehst?“, fragt sie mich. „Später vielleicht, erst einmal schlafen“, antworte ich. Ich bin viel zu müde und würde wahrscheinlich auch keinen Bissen runter bekommen. „Soll ich dich denn wecken?“, bietet sie mir an. „Nein“, ich werde schon irgendwann wieder aufstehen. Pünktlich zur Tabletteneinnahme werde ich sicherlich wach. „Aber du isst etwas, versprochen?“, bittet sie mich. „Ja, werde ich“, verspreche ich ihr. Warum wird nur so auf meine Ernährung geachtet? Ich habe wieder zugenommen, okay nicht genug, aber so dünn bin ich auch nicht mehr! Und die restlichen Kilos kommen laut den Therapeuten auch von alleine wieder auf meine Rippen. So lange ich wie ein normaler Mensch esse, werde ich auch wieder so viel wiegen wie ein normaler Mensch. Ich glaube so viel jetzt habe ich schon zu lange nicht mehr gewogen. Erst am Sonntag begebe ich mich wieder aus dem Haus. Den Termin beim Psychologen habe ich nicht wahrgenommen und dieser war auf Grund der Tatsache, dass ich nicht kommen konnte, sehr besorgt. Reitas Mutter hat für mich den Termin verschoben. Sogar Aoi ist einmal kurz nach mir gucken kommen und die ganze Zeit saß Großmütterchen neben mir. Heute geht es mir zwar auch nicht besser, aber ich habe lange genug gebettelt um wenigstens Reita besuchen zu dürfen. Dabei hatte ich mir so viel vorgenommen und ich hatte ganz außer Acht gelassen, dass eine Traumafolgestörung ja sich durchaus auch körperlich bemerkbar machen kann. Und dieses Mal hatte es mich wirklich eiskalt erwischt. „Ruki?“, ja so heiße ich, Reita. „Hm?“, fragend schaue ich ihn an. „Du bist blass“, ach wirklich Rei. „Du auch Rei“, kontere ich. „Ich weiß das. Mum hat gemeint dir ging es gestern nicht so gut“, murmelt er leise. Man merkt einfach wie erschöpft er ist und das es ihm nach wie vor sehr dreckig geht. „Es geht schon wieder etwas. Meine Schulter tat wieder ziemlich weh und mir war ein wenig schlecht. Deine Mutter meinte ich soll im Bett bleiben und deine Großmutter hat dann darauf aufgepasst, dass ich das auch ja tue“, und nebenbei habe ich mich wie ein Prinz von vorne bis hinten bedienen lassen. Ich habe es jetzt nicht absichtlich ausgenutzt, aber da ich nicht aufstehen durfte außer für die Toilette ließ es sich halt nicht vermeiden. „Also das hätte ich mir nicht gefallen lassen“, antwortet er verwundert. „Zu Hause wurde ich nie so umsorgt“, da war es völlig egal wie schlecht es mir wirklich ging. Selbst mit hohen Fieber und allem musste ich mir mein Essen selbst aus der Küche holen. Außer mein Vater und mein Großvater haben nicht aufgepasst. Dann hat mir meine Mutter immer etwas hoch gebracht. Manchmal hat dieses aber auch mein Bruder gemacht. Aber trotzdem wurde es nicht gern gesehen, wenn ich eine Krankheit als Ausrede für so etwas benutzt hatte. Ich hatte schließlich zu funktionieren und das egal wie. „Kommt Uruha gleich?“, lenke nicht ab Rei! „Ich denke schon. Deine Mum und Aoi auch“, auf jeden Fall wollten sie kommen. „Dann habe ich ja wieder volles Haus“, erwidert er genervt. Ich hätte mich damals im Krankenhaus gefreut, wärt ihr jeden Tag vorbei gekommen, Reita. „Wenigstens bist du wieder auf einem normalen Zimmer. Und kannst wieder normal reden, ohne dass es dir schlecht geht“, seufzend spiele ich mit seinen Fingern. „Hm...“, warum antwortest du mir nicht? „Wehe du bist bis Donnerstag immer noch nicht auf freiem Fuß! Dann werde ich richtig sauer“, dann erlebst du mich in Aktion! „Sehe du erst einmal zu, dass du zu deinem Psychologen kommst. Nachher holen sie dich noch mit einer Zwangsjacke ab“, weist er mich daraufhin. „Im Gegensatz zu Uruha bin ich nicht mehr stark suizidgefährdet. Wäre ich irgendetwas in der Art, würde ich hier garantiert nicht stehen“, gebe ich genervt von mir. „Sei doch nicht direkt so sauer“, bittet er mich. „Ts“, wütend schaue ich ihn an. „Lass dich mal umarmen“, ah einschleimen will er sich jetzt auch noch! Seufzend kommt er auf mich zu und nimmt mich in den Arm. Murrend kuschle ich mich an ihn. „In der Hinsicht hast du dich wenigstens überhaupt nicht verändert“, bist du jetzt glücklich, Rei? „Ja“, warum sollte ich mich auch in der Hinsicht verändert haben? Erst durch Reita habe ich gelernt wie schön Umarmungen sein können. „Ich habe dich so vermisst gehabt“, wirklich, Reita? „Ich dich doch auch“, meine ich leicht belustigt. Er zieht mich mit sich zu seinem Bett und hebt mich hoch, um mich auf dieses zu setzen. „Am liebsten würde ich dich nicht mehr gehen lassen“, teilt er mir mit. Ich will dich auch nie mehr verlassen! Dafür ist er mir als Person einfach viel zu wichtig. „Musst du aber“, antworte ich. Die Tür wird aufgerissen und ein freudestrahlender Aoi tritt herein und zieht Uruha mit sich. „Was macht ihr denn hier?“, fragt Aoi ungläubig. „Nichts, notgeile Oma“, erwidert Rei kalt. „Sei mal nicht so frech Reita“, weist ihn seine Mutter zu Recht. „Wir bleiben auch nicht lange Rei, versprochen“, meint Uruha. Auf einmal kribbelt mein Nacken und das Atmen fällt mir schwer. Tränen sammeln sich in meinen Augen und ruckartig verstecke ich mein Gesicht in Reitas Schlafanzugoberteil. Bilder des vergangenen erfüllen die Luft. „Was ist denn mit dem Zwerg?“, fragt Aoi. Liebevoll streicht mir Reita über den Rücken und flüstert immer wieder irgendetwas vor sich her. So wirklich kann ich nicht verstehen was er meint. „Sollen wir kurz raus?“, fragt Aoi direkt. „Bleibt ruhig hier“, flüstere ich leise vor mir her. Panik, pure Angst verbreitet sich wie ein Virus tief in mir. Kalter Schweiß sammelt sich auf meinem Gesicht und mir wird schrecklich heiß. Meine Atmung beschleunigt sich. Und ich habe das Gefühl den Boden unter meinen Füßen zu verlieren. „Mum? Ich glaube er hat eine Panikattacke“, meint Reita auf einmal laut. Zitternd schnappe ich nach Luft. Mein Hals schmerzt, als hätte ihn jemand mit einem Reibeisen bearbeitet. Warum muss es ausgerechnet heute wieder passieren? Zuletzt hatte ich so eine Panikattacke vor mehr als einem Monat. Immer wieder tauchen schwarze Punkte in meinem Blickfeld auf. „Ich geh mal kurz mit ihm raus an die frische Luft“, gibt sie seufzend von sich. Reitas Mutter stützt mich auf dem Weg nach draußen. Mir geht es mit jedem Schritt ein bisschen besser und das Atmen fällt mir auch leichter. „Geht es wieder etwas?“, fragt sie besorgt. „Ein wenig“, flüstere ich. „Was war denn los?“, erkundigt sie sich. Will sie das wirklich wissen? „Flashbacks“, murmele ich vor mir her. Liebevoll streicht sie mir die verschwitzten Haare aus der Stirn. Vorsichtig umarmt sie mich. „Das wird schon wieder“, versucht sie mich etwa aufzumuntern? „Hm“, meine ich daraufhin nur. „Sollen wir wieder rein?“, fragt sie mich. „Noch eine Minute“, bitte ich. „Ich hab dir den Termin auf Dienstag legen lassen. Der Psychologe macht sich Sorgen“, warum Sorgen? „Wieso?“`, frage ich direkt nach. „Weil du wieder so viel emotionalem Stress ausgesetzt bist. Er hat Angst davor, dass du einen Rückfall erleidest“, warum Rückfall?! Bin ich etwa wirklich so wenig belastbar? „Was will er denn dagegen tun?“, frage ich verunsichert nach. „Dich wieder in die Klinik schicken“, sprachlos schaue ich sie an. „Empfehlung oder Befehl?“, frage ich klein laut nach. Ich will nicht schon wieder zurück. Ich will endlich leben. „Nur ein Gedanke, hoffe ich. Aber ich denke Mal, er überlässt dir die Entscheidung. Du wolltest ja auch unbedingt nach 2 Monaten raus“, erklärt sie mir ruhig. Weil ich gedacht habe, ich schaffe das. Ich habe gedacht mir geht es gut, dabei war es nur eine Illusion. Vielleicht hätte ich die restliche Zeit da bleiben sollen, damit ich wirklich stark werde. Damit die Mauer die ich errichtet habe nicht bei einem kleinen Erdbeben zusammen fällt, sondern für immer steht. Aber ich war töricht und jetzt muss ich mit den Konsequenzen leben. „Ich glaub ich fahre lieber nach Hause“, laut seufze ich. „Geht es dir nicht gut?“, fragt sie direkt besorgt. „Ich möchte etwas schlafen“, demonstrativ gähne ich. „Wir sollen dich doch nicht alleine lassen“, warum eigentlich nicht? „Ich will aber nicht mehr“, gebe ich weinerlich von mir. „Ganz ruhig“, vorsichtig streicht sie mir über den Oberarm. Ich schniefe einmal leise und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Warum ist das alles nur so anstrengend? „Ruki?“, spricht sie mich zögerlich an. „Mir ist schlecht“, antworte ich nur darauf. Sie packt mich an den Handgelenken und zieht mich zurück zu Reita, würdigt mich keines Blickes mehr. „Lassen sie los, bitte“, flehe ich. Aber nichts passiert. „Bitte“, noch mehr Tränen finden ihren Weg. Warum kann sie nicht einfach los lassen? Sie tut mir weh. Ich möchte nicht schwach sein, ich möchte stark sein vor den anderen. Ich will wieder lachen können, ohne Hintergedanken. Ich möchte nicht mehr weinen, ich möchte erwachsen werden. Sie öffnet die Tür und schon stürzt sich Uruha auf mich. „Uruha kümmere du dich etwas um ihn. Ihm ist ein wenig schlecht“, sie klingt genervt. „Hm, okay“, antwortet Uruha nur. Seufzend kuschele ich mich mehr an Uruha und schließe die Augen. Die Übelkeit hat auf dem Weg zurück noch zu genommen und ich kann nur mit Mühe und Not das Würgen unterdrücken. Ich möchte hier weg. Der Geruch nach Desinfektionsmitteln treibt mich in den Wahnsinn. Warum nur triggert mich das immer wieder? Dabei war doch während den letzten Besuchen alles in Ordnung? „Vielleicht sollten Uruha, der kleine und ich nach Hause gehen. Reita wollte ja schon eben seine Ruhe“, schlägt Aoi vor. „Macht das, passt aber gut auf Ruki auf“, meint seine Mum. Sie nicken und Fumiko hilft mir dabei auf Aois Rücken zu klettern. Und so machen wir uns auf den Weg nach Hause. „Wenn dir noch schlechter wird, sagst du Bescheid“, bittet Aoi. „Mach ich“, murmele ich schwächlich. Ich fange haltlos an zu zittern. Mir ist so wahnsinnig schlecht und kalt. Aber ich möchte nichts sagen, nachher wird die Übelkeit nur noch schlimmer beim Sprechen. Ich habe das Gefühl an meinem eigenen Speichel zu ertrinken. „Ich glaub wir gehen lieber erst einmal zu dir Aoi“, meint Uruha. „Sehe ich auch so“, entgegnet Aoi. Irgendwann kommen wir endlich an. Endlich kann ich mich kurz hinlegen und hoffentlich zur Ruhe kommen. „Ich mach ihm am Besten einen starken Tee“, schlägt Uruha vor. „Mach das. Hast du eine Ahnung wo er seine Tabletten hat?“, ich will keine Tabletten Aoi! „Daheim“, murmele ich. „Ich ruf Reitas Mum an, sobald ich Ruki ins Bett verfrachtet habe“, seufzt Aoi. „Klo“, meine Stimme klingt so brüchig. „Leg dich erst einmal etwas hin, dann vergeht die Übelkeit schon“, das glaub ich nicht, Aoi. Und was ich wenn ich mich doch übergeben muss? Er lässt mich erst auf seinem Bett runter und holt mir dann einen Schlafanzug. „Ist bequemer“, versichert er mir. Er lässt mich kurz alleine, damit ich mich in Ruhe umziehen kann. Natürlich ist er einige Nummern zu groß, aber es stört mich nicht im Geringsten. Ich zittere immer noch ein wenig, aber nicht mehr so stark wie vorhin. Es fühlt sich so an als wäre das Schlimmste mittlerweile vorbei. Uruha kommt rein und stellt mir eine Tasse Tee und einen Eimer neben das Bett. Er beugt sich zu mir runter und runzelt die Stirn. „Wir lassen dich dann einmal alleine, damit du schlafen kannst“, aufmunternd tätschelt er meinen Kopf und geht wieder. Ich nicke nur und nehme ein paar Schlucke von dem Tee und hoffe einfach einmal, dass ich den Eimer heute nicht brauchen werde. Die Übelkeit lässt langsam aber sicher auch etwas nach. Ich ziehe die Bettdecke bis zu meinem Kinn und bin einfach nur froh darüber, im Bett liegen zu können. Es ist schön warm und langsam lässt das Zittern nach. Und trotzdem läuft es mir plötzlich eiskalt den Rücken runter. Erste Tränen rollen über meine Wange. Wieso kann nicht einmal alles gut gehen? Warum bin ausgerechnet ich dazu verdammt ein notorischer Verlierer zu sein? Ich wische energisch über meine Wangen, aber immer wieder finden neue Tränen ihren Weg. Und das zittern wird auch wieder schlimmer. Schwankend begebe ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer. „Ruki?!“, Uruhas Augen weiten sich. Uruha rast auf mich zu und schließt mich in seine Arme. Beruhigend streicht er über meinen Rücken, immer und immer wieder. „Ganz ruhig Ruki. Was ist denn los?“, fragt Aoi unwissend. Immer wieder schniefe ich und kann mich einfach nicht beruhigen. „Aoi mach ihm mal eine Wärmflasche“, fordert Uruha Aoi auf. Er trägt mich zum Sofa und setzt sich mit mir zusammen hin. Immer wieder streicht er mir die Haare aus der Stirn oder streicht vorsichtig über meinen Rücken. „Ist dir wieder schlechter?“, fragt er besorgt. Ein Kopfschütteln folgt. „Was ist denn mit dir los Ruki?“, fragt er besorgt nach. „Ich weiß es nicht“, und das stimmt auch. Ich weiß nicht was mich gerade so aus der Bahn wirft. Es ist doch alles in Ordnung? „Dann komm, beruhige dich wieder“, wie denn Uruha? Ich schniefe noch einmal und kuschele mich an seine Halsbeuge. Ich möchte schlafen, mich ausruhen. Aber ich finde einfach keine Ruhe. „Denkst du, du schaffst den Weg nach Hause?“, fragt er vorsichtig nach. „Ja“, wenn mich einer trägt, schaffe ich ihn sicherlich. „Wenn nicht, sag es ruhig. Ruhe dich am Besten noch ein wenig aus. Ich will nicht, dass du uns einfach aus den Latschen kippst“, teilt mir Uruha mit. „Werde ich nicht“, schmollend schiebe ich die Unterlippe vor. „Ruki-chan, du bist immer noch total blass“, leise gluckst er. „Dann halt nicht“, wütend verenge ich die Auge zu Schlitzen. „Ich hab doch nur Angst um dich“, lacht er. Obwohl mich das Gespräch ein wenig ablenkt, nimmt die Angst stetig zu und auch die Übelkeit wird immer schlimmer. „Toll jetzt ist mir wieder richtig schlecht“, meine ich. „Toilette?“, fragt er direkt. Ich schüttele den Kopf und frage mich, ob das die richtige Entscheidung ist. Aoi kommt wieder und lehnt die Wärmflasche an mich, wirft uns beiden eine Decke über. „Schlaf etwas Ruki. Fumiko hat gemeint, dass sie uns in ein paar Stunden abholt. Wenn Reita fertig untersucht wurde“, ein kleines Lächeln ziert Aois Lippen. „Genau kleiner, ruhe dich etwas aus. Ich bleibe auch bei dir“, wehe wenn nicht! ---- Disclaimer: nicht mir, nicht Geld~ wow, ich lebe noch XD naja ich hoffe das Kapitel hat irgendwem gefallen~ klein Ruki lasse ich bald auch noch einmal richtig leiden. Die Flashbacks sind nur der Anfang. Und eigentlich wollt ich Uruha sterben lassn =/ aber dann lieber doch nicht. Das hätte einfach nicht gepasst. 16.08.2009: 4330 -> 5767 Wörter 14.01.2019: → 7050 Wörter Kapitel 18: Sackgasse --------------------- [Uruhas POV] Am Abend bei uns zu Hause geht es ihm immer mieser. Er hat sogar leicht erhöhte Temperatur und mittlerweile redet er gar nicht mehr. Zwar reagiert er noch auf uns, aber trotzdem macht sich Fumiko unglaubliche Sorgen. Vielleicht hat er sich ja etwas eingefangen, heute im Krankenhaus. Ich streiche ihm die Haare aus der Stirn und wechsle den Lappen auf seiner Stirn und die Wadenwickel. Eigentlich sollte er eben seine Schlaftabletten nehmen, doch dafür geht es ihm zu schlecht. Er will weder trinken noch essen. Vor Stunden hat er gemeint, es würde eh alles wieder raus kommen wollen. Und dass er keine Lust auf so etwas hat. Und selbst die Tabletten gegen die Übelkeit helfen nicht. Ich weiß nicht ob er morgen mit in die Schule kommt, da es ihm wirklich nicht gut geht. Sogar Fumiko wollte ihn direkt ins Krankenhaus bringen, als sie ihn gesehen hatte. Er ist einfach unglaublich blass und man sieht ihm direkt an, dass etwas nicht stimmt. Wie es aussieht, wird er wieder wacher, auch wenn er noch kein Stück geschlafen hat. Sie haben mich alleine gelassen. Nur damit sie sich vergnügen können, wieder bleibt alle Arbeit an mir hängen! Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, dass es wie eine Strafe für das ist was ich Reita die letzten Wochen angetan habe. Und es fällt mir so schwer nicht sauer auf Ruki zu sein. Dabei weiß ich genau, dass ihn keine Schuld trifft. „Geht es wieder etwas?“, frage ich flüsternd nach. Er nickt und lehnt sich an meine Hand, als ich sie auf seine Wange lege. „Du bist aber immer noch total warm. Willst du etwas Bestimmtes haben?“, erkundigt er sich. Er wird ja hoffentlich langsam Hunger haben. Oder wenigstens Durst. „Nein“, nur ein kleines Murmeln. „Kannst du nicht schlafen?“ Er nickt und senkt den Blick. ~ Auch am Morgen ist er nicht wirklich fit. Er will jedoch unbedingt in die Schule und er wehrt sich verbissen gegen uns. Seine Schwester hat Ruki, Aoi und mich gefahren. Sie hat auch Angst um ihn, ich weiß es. Es ist einfach so unglaublich schwer zu sagen, ob das jetzt mit der Schule so eine gute Idee war. Als wir den Schulhof halb überquert hatten, läuft uns Ruki weg. „Sollen wir nachgehen?“, fragt Aoi unsicher nach. „Lass ihm ein paar Minuten. Dann gehen wir mit ihm zum Schularzt“, versuche ich Aoi zu beruhigen. Selbst wenn wir ihm direkt hinterher rennen würde es ja keinen Unterschied machen. So wie er sich verhält ist er sowieso nur zu den Toiletten gelaufen. Warum Ruki plötzlich wieder wie früher ist, kann ich nur vermuten. Auch wenn ich darauf vertraue, dass der Psychologe ihn über Wasser halten kann, dass er nicht irgendwann an seinen Tränen ertrinkt. Um ehrlich zu sein, ich will nicht wissen, wie es in seinem Inneren aussieht. Auch wenn ich es eigentlich zu genüge wissen müsste. Und wahrscheinlich macht es die Sache nicht besser, dass er jetzt wieder ganz normal zur Schule muss. Immerhin hat ihn seine alte Schule erst so traumatisiert und da helfen auch keine 2 Monate in der Psychiatrie um ihn stabiler zu machen. Warum nur wurde einer vorzeitigen Entlassung zugestimmt? Wobei ich die Frage lieber nie laut stellen sollte, denn ich wurde ja auch einfach so aus dem Krankenhaus entlassen. Und wenn man sich die Arme aufschneidet und Tabletten überdosiert, dann ist das ein eindeutiger Selbstmordversuch. Und eigentlich hätte ich direkt in die Geschlossene gemusst. Aber ich will da einfach nicht hin, schließlich müsste ich dann auch einen Entzug machen und das will ich einfach nicht. Langsam schlendere ich mit Aoi zu den Toiletten und tatsächlich, man hört unterdrückte Schluchzer aus der letzten Kabine. „Ruki-chan? Kommst du bitte raus?“, bitte ich den Kleinen. Die letzte Kabinentür öffnet sich und Ruki kommt raus. Er krümmt sich immer wieder vor Schmerzen. „Was ist los?“, besorgt gehe ich zu ihm. „Meine Schulter“, nur ein kleines Wimmern, kaum verständlich. Er bricht weinend vor unseren Augen zusammen. Aoi steht der Schock ins Gesicht geschrieben, doch ich bleibe ruhig. Denn Sorgen helfen Ruki am aller wenigsten und einer muss ja den kühlen Kopf bewahren. Und was das betrifft habe ich einfach schon zu viel erlebt, da bringt mich ein weinender Ruki auch nicht mehr aus der Fassung. „Aoi hilf mir mal“, fordere ich ihn auf. Gemeinsam schaffen wir es Ruki zum Schularzt zubringen. Mittlerweile hatte er sich noch zweimal übergeben, wahrscheinlich wegen den schier unendlichen Schmerzen. Wobei ich noch nicht einmal weiß, ob er tatsächlich Schmerzen hat? Oder ist es nur die Psyche, die ihm Schmerzen vorgaukelt? Die Tabletten machen mich einfach so unglaublich gleichgültig und ruhig und das geht mir jetzt schon gewaltig gegen den Strich. Als würden die mich tatsächlich daran hindern so weiter zu machen wie bisher! „Ruki?! Was ist passiert?“, fragt der Schularzt überrascht. „Er ist zusammengebrochen“, antworte ich. „Du bist ja auch wieder da Uruha?!“, meint er erstaunt. „Sieht so aus. Können sie vielleicht unsere Mutter anrufen? Ich glaub es ist das Beste, wenn Ruki nach Hause geht“, erwidere ich. „Was ist denn genau passiert?“, fragt er ungeduldig nach. „Gestern war ihm schlecht und dann hatte er eine erhöhte Temperatur bekommen. Heute morgen ging es ihm besser. Naja eben ist er zusammengebrochen und hat gemeint, seine Schulter tut wieder weh. Und auf den Weg hierher hatte er sich mehrfach übergeben müssen“, erzähle ich ihm. „Aoi geh mal bitte zu seiner Klassenlehrerin“, fordert er Aoi auf. Warum schickt er ihn jetzt raus?! Will er etwa mit mir alleine reden? Aoi verschwindet und lässt mich alleine zurück. „Seelisch alles okay bei dir?“, will der Arzt wissen. „Ansonsten wäre ich ja nicht hier. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen“, entgegne ich genervt. Ihn geht es nichts an und ich weiß sobald ich etwas falsches sage wird sofort Fumiko angerufen. Und dann komm ich wahrscheinlich nicht um die Psychiatrie drum rum. „Und mit Ruki?“, was soll schon mit ihm sein? Zögerlich antworte ich: „Gar nicht gut. Anfangs ging es ihm prächtig. Aber momentan kann man froh sein, wenn er überhaupt lacht.“ Ich möchte dem Kleinen auch nicht zu Nahe treten mit meinen Aussagen. „Setzt ihn am Besten etwas auf die Liege. Ich glaube nicht, dass er etwas Ernstes hat“, versichert mir der Arzt. „Ruki, möchtest du die erste Stunde hier bleiben?“, frage ich. Er reagiert überhaupt nicht und es fällt mir schwer ihn dazu zu bringen sich auf die Liege zu setzen. Scheinbar hält ihn die innere Unruhe auf den Beinen. Vor was hat er nur solche Angst? Was haben sie ihm an der alten Schule bloß angetan, dass er sich noch nicht einmal im Krankenzimmer sicher fühlt? „Er hat nur ein einfaches T-Shirt und die Schuluniformjacke an, oder?“, erkundigt sich der Arzt. „Ich hoffe es gibt keinen Ärger“, und dieses hoffe ich wirklich. Eigentlich müssen wir ein Hemd anziehen, aber Ruki wollte das heute Morgen nicht. Er hatte es keine 5 Minuten in diesem ausgehalten und das nur weil ihm scheinbar der Kragen zu eng ist? Auf jeden Fall hatte er erst ein Problem damit, als ich ihm die Krawatte umgebunden hatte. „Zieh ihm mal bitte die Jacke aus“, fordert mich der Arzt auf. Seufzend ziehe ich ihm diese aus und stutze als ich die roten Striemen an seinem Arm sehe. „Macht er das öfters?“, fragt er verdutzt nach. „Definitiv nicht! Gestern war das noch nicht da“, erwidere ich hektisch. Stirnrunzelnd hebe ich sein Kinn an und gucke ihm tief in die Augen, aus denen sich sofort ein paar Tränen schleichen. Ich glaube nicht, dass er sich absichtlich verletzt hat. Wenn er wirklich Flashbacks gestern hatte, dann ist das auch der Grund für die Schmerzen in der Schulter. So etwas verschwindet nicht nach einem Tag. Und ich bin der festen Überzeugung, dass er aus Verzweiflung das ganze getan hat. Und die Striemen sind ja jetzt auch kein Weltuntergang. Ob er sich eben auf der Toilette selbst verletzt hatte? Aber mit was hat er sich diese zugefügt? Immerhin war er ja nicht so lange alleine und seine Fingernägel sind extra so kurz geschnitten, dass er sich eben nicht damit so leicht aufkratzen kann. „Hey ist nicht schlimm. Komm hör jetzt auf zu weinen“, fordere ich ihn auf. Warum nur will er einfach nichts sagen? Oder hat er daheim gelernt, dass nichts sagen einen vor Bestrafungen schützt? Ich nehme zaghaft seinen Arm und winke den Arzt heran. „Was denken sie, sollen wir jetzt tun?“, frage ich vorsichtig nach. „Nichts. Ich verbinde es ihm und dann kann er selbst entscheiden, ob er nach Hause will oder nicht. Hat er seine Beruhigungstabletten und alles dabei?“, mit Tabletten ruhig stellen?! Ich nicke und beiße mir auf die Unterlippe. „Danach geht es ihm bestimmt besser. Er kann sich ja eine halbe Stunde hinlegen, aber so schlecht geht es ihm auch nicht. Er ist nur etwas durch den Wind“, meint der Arzt. Auf einmal sackt Ruki gegen mich. „Uru“, flüstert der Zwerg. „Ruki, was ist los?“, erkundige ich mich. „Mir ist nur eiskalt“, flüstert er. „Siehst du Uruha, ihr unterschätzt Ruki. Er will sicherlich nicht so umsorgt werden. Vertraut ihm etwas mehr, es bringt nichts ihn zu verhätscheln. Er kennt es nicht von zu Hause aus, er muss sich auch erst an alles gewöhnen. Auch wenn er vielleicht anhänglich scheint, lasst ihm etwas mehr Freiraum“, weist der Arzt mich zu Recht. „Er gibt uns aber immer wieder Gründe, damit wir ihn bemuttern“, rechtfertige ich mich. „Ruki, willst du nach Hause?“, fragt der Arzt an Ruki gewandt. „Es geht schon. Wäre aber schon nett, wenn ich einen hübschen Verband bekommen könnte“, flüstert er. Scheinbar ist er tatsächlich ein ganzes Stück ruhiger mittlerweile. Ich lasse den Arzt die Wunden desinfizieren und dann verbinden. Und just in diesem Moment geht die Tür auf und unsere Klassenlehrerin kommt alleine rein. „Was ist passiert?“, fragt sie besorgt nach. „Ruki ging es eben nicht gut, aber jetzt geht es wieder“, antworte ich. „Das ist schön zu hören. Wollt ihr zwei jetzt die Arbeit nachschreiben?“, fragt sie mit einem Lächeln nach. „Ja“, flüstert Ruki. Warum redet Ruki nur so leise? Oder tut ihm etwa der Hals weh, weil er sich eben übergeben musste? Es ist so schwierig sein Schweigen richtig zu deuten. Wir schreiben heute zwei Arbeiten, wie es scheint. Schon blöd, und das nur wegen mir. Ich kann froh sein, wenn ich überhaupt wieder den Anschluss finde. Und ich weiß noch nicht einmal, ob ich überhaupt den Anschluss finden will. Aber ist es nicht die Schule, die mich vor einem kompletten Absturz bewahren? ~ Nach der Klassenarbeit gehe ich mit dem Winzling Richtung Klassenzimmer, wo uns die nächste Arbeit erwartet, wir sind spät dran. Ruki ist blasser geworden, nur seine Wangen und seine Stirn ziert ein leicht roter Ton, ich hoffe, er weiß was er da macht. Am liebsten wäre ich jetzt bei Aoi. Ich sollte nur so früh wieder in die Schule, damit ich nicht auf dumme Gedanken komme. Als wir endlich fertig sind, sind die anderen schon längst im Sportunterricht. Ruki zittert zusehends immer mehr und die Lehrerin legt ihm besorgt die Hand auf die Stirn, als er die Arbeit abgeben will. „Takashima-san bitte bringen sie ihn auf das Krankenzimmer, ich rufe ihre Mutter an“, teilt sie mir mit. Von Ruki sind keine Einwände zu hören, also platziere ich einen Arm an seiner Schulter und den anderen an seinen Kniekehlen um ihn hochzuheben. Eigentlich darf ich die Arme noch nicht stark belasten, eigentlich. Warum habe ich ausgerechnet versucht, mir die Pulsadern aufzusäbeln? Und die ganzen Schlaftabletten dazu. Und trotzdem bin ich noch auf freiem Fuß, komisch. Es zieht unheimlich in meinen Armen, als ich ihn die Gänge entlang trage. Mittlerweile hat er die Augen zu und scheint friedlich zu schlafen. Feine Schweißperlen rennen sein Gesicht hinab, sie sehen aus wie Tränen. Ich hoffe, dass sie schnell kommt. Er braucht einen Arzt, dringend. Seine Tabletten sind in meiner Tasche, die sich aber leider nicht bei mir befindet. „Ru, wo bin ich?“, will er verwirrt wissen. „In der Schule?“, erwidere ich. Er kneift die Augen zusammen und besorgt bleibe ich stehen. Wie weggetreten ist er, dass er noch nicht einmal das hässliche Schulgebäude erkennt? „Was hast du, Ruki?“, stochere ich nach. Er murmelt immer wieder etwas ganz leise vor sich her und kneift die Augen zusammen. So schnell ich kann, renne ich mit ihm zum Schularzt, klopfe an und trete hinein. „Was ist denn los?“, verwundert blickt er von seinen Unterlagen auf. „Ruki geht es nicht gut! Bitte passen sie auf ihn auf“, fordere ich ihn auf. Die ersten Tränen rollen meine Wangen hinab, als ich ihn auf die Liege lege und raus stürme. Das Rufen des Arztes versuche ich auszublenden, ich laufe und laufe, laufe und laufe. Ich kann das alles einfach nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr um andere Personen kümmern. Die Lehrerin begegnet mir, versucht mich festzuhalten, doch ich laufe und laufe. Ich will hier weg, weg von der Aussichtslosigkeit. Ich kann Ruki nicht helfen, kann ihn nicht beschützen. Egal wie sehr ich mich abmühe, ich kann niemandem helfen. Immer falle ich allen zur Last. [Blackout] Ich weiß nicht wie ich hierher gekommen bin, aber ich stehe vor seiner Zimmertür. Zitternd öffne ich sie, sehe in seine verwunderten Augen. Angst schnürt mir die Kehle zu. Das Atmen fällt mir schwer und ich habe das Gefühl zu Ersticken. Wie bin ich zum Krankenhaus gekommen? Wie viel Zeit ist vergangen? Habe ich mir unterwegs was eingeworfen? Dein Grinsen weicht der Unverständnis, der Sorge. Du ziehst mich in dein Zimmer, legst mir deinen Arm beschützend um die Schulter. „Ruhig Uruha. Magst du darüber reden?“, vorsichtig streichst du mir die Haare aus dem Gesicht. Ich verneine die Frage und versuche mich zu beruhigen. „Gut. Müsstest du nicht in der Schule sein?“, erkundigt sich Reita mit ruhiger Stimme. „Bin abgehauen“, gebe ich kleinlaut zu. „Ich ruf einmal dort an. Sie machen sich sicherlich Sorgen“, sicherlich nicht. Er zieht mein Handy aus meiner Hosentasche und tippt darauf herum, hält es sich dann ans Ohr. Ich winde mich aus seinem Griff und lege mich auf das Bett. Meine Lungen schmerzen. Das Telefongespräch bekomme ich kaum mit. Und egal was passiert, er ist und bleibt mein Fels in der Brandung. Bei ihm fühle ich mich automatisch sicher.Aber trotzdem schaffe ich es nicht für Reita und Aoi clean zu bleiben. „Aoi holt dich nachher ab, wenn du willst“, ein aufmunterndes Lächeln. Ich nicke als Antwort. „Willst du heute noch einmal nach Hause?“, fragt er nach. Ich schüttele den Kopf. „Ist es wegen Ruki?“, fragt er. Und schon wieder weiß er direkt was mich getriggert hat. „Er hat Fieber, wie es scheint. Vielleicht sollte ich doch zurück in die Schule“, laut seufze ich. Ich lege den Unterarm auf meine Stirn und gucke die Decke an. „Vergiss es. Versuch du dich erst einmal zu beruhigen“, ich bin doch ruhig, oder? Auf jeden Fall ruhiger als eben, aber trotzdem rast mein Herz noch. „Wann kommst du nach Hause?“, versuche ich das Thema zu wechseln. „Donnerstag, das weißt du doch“, erwidert er. „Ich vermiss dich“, ehrlich. „Die Ärzte wollen nur sichergehen, dass ich gesund bleibe. Außerdem hast du mich doch bald wieder nur für dich“, versichert er mir. „Meinst du ich soll ein Taxi nach Hause holen?“, frage ich leicht eingeschüchtert nach. „Wieso?“, hakt er nach. „Schlaf. Oder so“, war ja nur eine Idee. Ich fühle mich so schrecklich durch den Wind und ich glaube das liegt an der derzeitigen Medikation. Die dämpft so schrecklich und mir fällt es gerade so unheimlich schwer mich selbst zu verstehen. „Komm wir gehen einmal runter und dann lassen wir dir eins rufen. Und wenn du erst einmal daheim bist, nimmst du ein heißes Bad und entspannst dich“, schlägt er vor. Ich lasse mir von ihm aufhelfen und zusammen gehen wir schweigend runter zur Anmeldung. Dort lässt er die Dame ein Taxi für mich rufen. Mit einem Lächeln steckt er mir Geld zu. „Pass auf dich auf. Und ruf mich bitte an, wenn du wieder zu Hause bist“, bittet mich Reita mit gerunzelter Stirn. Ich nicke und gucke ihn einfach nur unsicher an. „Da ist schon dein Taxi, dann bis Morgen und richte den anderen schöne Grüße aus“, meint Reita. „Mach ich“, erwidere ich mit brüchiger Stimme. Mit einem traurigen Lächeln umarme ich Reita und drücke ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. „Werde wieder gesund“, bitte ich ihn. Mir ist auf einmal eiskalt und am liebsten würde ich bei Reita bleiben. Ich kann jetzt nicht heim. Ich will keinen Ärger bekommen. Mit Tränen in den Augen verschwinde ich. Die Angst wächst immer mehr, ich möchte zurück. Ich gebe nicht nach, steige ins Taxi und nenne ihm die Adresse. Die Fahrt dauert ungewohnt lang. Als wir endlich da sind, bezahle ich und stürme aus dem Taxi, habe immer noch Angst vor älteren Männern. Und ich frage mich, ob diese Angst jemals verschwinden wird. Fast panisch renne ich zur Tür, klingele Sturm. Die Angst steigt, keiner öffnet. Mit bebendem Körper renne ich zum Seiteneingang, klingele bei seiner Großmutter Sturm. Diese öffnet, ein Lichtblick. Schnell drücke ich mich an ihr vorbei und lasse mich auf dem Boden nieder. „Uruha...?“, spricht sie mich an. Ich nicke nur, versuche meinen rasselnden Atem zu beruhigen. „Komm steh auf, wir gehen dann wieder nach vorne zu Ruki“, fordert sie mich auf, „Was ist denn los?“, „Nichts...“, erwidere ich. „Uruha, sonst erzählst du mir auch fast alles“, hakt sie nach. „Reita wollte das ich ein Taxi nehme. Und“, meine Stimme fängt an zu beben, bricht. Unter großer Anstrengung schaffe ich es in das Wohnzimmer von uns, lasse mich dort auf der Couch nahe Ruki nieder. Ich kann ihr nicht von der Angst erzählen. Dann müsste ich ihr auch erzählen warum ich weggelaufen bin und das mich der Taxifahrer an all das erinnert hat, was ich einfach nur noch vergessen will. „Uruha?“, fragt Ruki leise nach, „Ruki, nicht“, bringt sie ihn zum schweigen. Liebevoll nimmt sie mich in den Arm, streicht mir die Haare aus der Stirn und redet beruhigend auf mich ein. „Ruki geh mal bitte hoch seine Tabletten holen. Und etwas zu trinken, bitte“, fordert sie den Kleinen auf. „Hunger“, murmele ich. „Hattest du heute noch nichts?“, fragt sie nach, „Wenn Ruki wieder da ist, mach ich dir etwas. Und jetzt beruhige dich erst einmal.“ Und genau das kann ich nicht. Dafür ist die Angst einfach zu präsent. „Ich sollte Rei anrufen“, teile ich ihr mit. „Bleib sitzen, ich hol dir das Telefon“, antwortet sie. Sie verschwindet kurz und kommt Zeitgleich mit Ruki wieder. Sie drückt mir den Hörer in die Hand und seufzend wähle ich seine Handynummer. Obwohl ich so oft mit Fumiko aneinander gerate, komme ich mit Reitas Oma wunderbar aus. Aber sie trägt ja auch nicht die Verantwortung für mich und muss niemanden erklären, warum ich immer noch Drogen nehme und einfach nicht davon loskomme. „Rei“, meine ich nach dem Klacken im Telefon. „Ist alles In Ordnung?“, fragt er besorgt nach. Ich verneine seine Frage und schließe die Augen. „Mach mir keine Sorgen, bitte Uruha“, fordert er mich auf. Ich beginne wieder am ganzen Körper zu zittern und die ersten Tränen fließen über meine Wangen. Hilflos drücke ich Ruki das Telefon in die Hand und hole die Tablettenschachteln, drücke mir die Tabletten raus und spüle sie mit dem Wasser hinunter. Die Bedarfsmedikamente sind so schrecklich eklig. „Willst du ihm noch etwas sagen, Uruha?“, verwirrt schaue ich Ruki an. „Er soll sich keine Sorgen machen“, meine ich leise. Ich stehe auf und gehe nach oben, lege mich dort auf das Bett. Ich hasse es. Ich hasse alles. Und am meisten hasse ich die Tatsache, dass ich immer noch am Leben bin. ~ [Ruki's POV] „Ich habe Angst“, meine ich zu Reita. Was ist nur mit Uruha los? Er ist so schrecklich aufgelöst und ich habe ein ganz schlechtes Gefühl. Was ist wenn er sich etwas antut? Besorgt meint die Oma zu mir: „Ruki ich geh einmal nach ihm gucken. Bitte bleib hier unten.“ Und schon verlässt sie gehetzt das Zimmer. „Ganz ruhig kleiner. Es wird schon nichts passieren“, versichert mir Reita. Aber ich höre genau, dass auch er unsicher ist und eben nicht alles okay ist. Und er sich genauso Sorgen macht. Laute Schreie ertönen von oben, Schluchzer entweichen mir. „Bitte geh etwas raus oder wenigstens zu meiner Oma in die Wohnung“, bittet er mich. „Hab aber nur Schlafanzug an“, irgendwie ist mir das peinlich. „Zieh dich um und dann gehst du“, meint er fordernd. Ein stetiges Tuten erfüllt die Stille. Seufzend lege ich auf, lege mich auf die Couch und decke mich zu. Warum hat er einfach aufgelegt? Ist etwa eine Schwester in sein Zimmer gekommen? Ich höre die beiden oben diskutieren und kurz darauf höre ich Uruha würgen und den Wasserhahn. Also ist doch etwas passiert? Warum nur wurde er entlassen und das obwohl es ihm definitiv nicht gut geht? Ich ziehe die Decke bis zu meinem Kinn und versuche die Angst auszublenden. Sie hätten ihn nicht hierhin gelassen, wenn sie mit der Situation nicht klar kämen. Oder etwa doch? ----------- Disclaimer: Nichts mir, Nichts Geld Hier ist das 18. Kapitel mit etwasVerspätung, sorry ^^" Ich hoffe es gefällt wem. Nächstes Kapitel ist wieder in einer anderen Sicht geschrieben(am meisten wieder Ruki xD). Naja die Lage spitzt sich bald wieder zu 15.01.2019: 2615 → 3631 Wörter Kapitel 19: Flashbacks ---------------------- Irgendeiner findet es anscheinend witzig, mich ständig in die Seite zu pieksen. Ein leises Knurren entweicht mir und ich schlage blindlings mit der Faust zu. Ich hasse es einfach über alles in die Seite gepiekst zu werden oder wenn mich wer vom Schlafen abhält. Und ich erschrecke mich ziemlich, als ich mit der Faust auf irgendetwas Hartes treffe. „Zum Teufel mit dir Gnom“, zischt Aoi. Geschockt reiße ich die Augen auf und erkenne Aoi. was macht der denn hier?! „Es gibt Essen, also komm schon“, fordert er mich direkt mit Nachdruck auf. „Lass mich in Frieden“, fauche ich ihn an. „Schon okay, verhungere ruhig“, meint er ganz gelassen zu mir. Und endlich hab ich wieder meinen Frieden, denn er verlässt einfach das Wohnzimmer. Doch der Frieden hält nicht lange, denn der nächste Störenfried kommt. Seit wann ist Reitas Mutter wieder da? „Kleiner was ist denn los? Komm du musst doch etwas essen“, macht sie mich darauf aufmerksam. Seufzend fahre ich mir mit der Hand durch die Haare. Vor mich her am grummeln nehme ich die Decke und gehe in Reitas Zimmer, wo ich mich direkt auf dem Bett zusammenrolle. Ich will jetzt nicht wach sein und ich will erst rechts nichts essen. Ich will einfach nur meine Ruhe und schlafen. Als ich das nächste Mal aufwache kann ich auf dem Schlafsofa Aoi erkennen. Seufzend stehe ich auf, als ich einen pinken Zettel auf dem Schreibtisch entdecken kann. Warum ausgerechnet pink und nicht weiß?! Ich bin doch kein Mädchen! Und ein weißer Zettel reicht doch aus, um mir die Hausaufgaben mitzuteilen. Ich nehme meine Schultasche und gehe in die Küche, wo ich in Ruhe meine Hausaufgaben erledige. Ich bin hell wach, obwohl wir erst 3 Uhr haben. Und für die Arbeit kann ich auch alles, na klasse. Was mache ich jetzt nur bis es Zeit für die Schule ist? Die restlichen Hausaufgaben sind gleich schon erledigt. Am liebsten würde ich mich jetzt an irgendeinen anlehnen und nur noch weinen, warum auch immer. Ich weiß noch nicht einmal warum ich zur Zeit so oft weine. Als ich endlich fertig bin gucke ich noch die Kopien der Aufzeichnungen von Ta-kun an. Ich frag mich wie er wirklich heißt. Nachdem ich auch das erledigt habe packe ich alles zusammen und bringe es aufs Zimmer. Dann stupse ich Aoi an, was er kann, kann ich schon lange! Müde öffnet er die Augen. „Ist etwas mit Uruha?“, fragt er schaftrunken. „Nein?“, fragend ziehe ich eine Augenbraue nach oben. „Dann ist gut“, und schon schließt er wieder die Augen. „Was soll denn mit ihm sein?“, hake ich nach. „Ach nichts, schon gut. Also was ist los?“ „Nichts“, seufzend piekse ich ihn noch einmal. „Dann würdest du mich nicht mitten in der Nacht wecken“, was ist schon dabei? „Kann ich mich etwas zu dir hinlegen?“, frage ich. Er nickt und klopft neben sich auf die Matratze. Schniefend lege ich mich neben ihn und kralle mich an sein T-Shirt. „Gehst du morgen mit zur Schule?“, erkundigt er sich. Ist das gerade im Moment so wichtig? „Ja, werde ich. Uruha auch?“, frage ich direkt nach. „Ich glaube er hat Morgen wieder einen Termin im Krankenhaus. Und bei seinem Psychologen. Ich bin froh, wenn Reita wieder hier ist“, teilt mir Aoi mit. „Ich auch. Wieso hat seine Großmutter heute so geschrien?“, erkundige ich mich. Es hat mich schon von Anfang an so gewundert. Und ich frage mich immer noch, warum niemand danach mit mir darüber geredet hatte? Oder sind solche Zwischenfälle zeitweise normal bei Uruha? „Du weißt doch noch was passiert ist, als wir heute beim Schularzt waren. Reitas Mutter war ja ziemlich sauer auf Uruha. Er ist ja nur entlassen wurden, weil er meinte, dass er es schafft. Und dieses hat er wie oft nach Selbstmordversuchen gesagt. Er hat sich immer wieder gegen eine stationäre Behandlung ausgesprochen und auch gegen einen Entzug. Wir allen wissen, dass wir ihn nicht einsperren können und er nun einmal seine Freiheit braucht. Er ist damals nicht ohne Grund in eine eigene Wohnung gezogen und deshalb geht es ihm auch so gegen den Strich, dass er jetzt wieder hier wohnen soll. Er ist völlig am Ende. Das Leben ist ihm vollkommen egal, glaub mir. Klar, wir haben keinen Abschiedsbrief dieses Mal gefunden, aber dafür jede Menge andere Dinge. Was hat er dir so schönes erzählt?“, entgegnet er. Er klingt so furchtbar sauer. „Er wollte vergessen und er wusste keinen Ausweg mehr“, meine ich. Wie viel darf ich sagen? Uruha ist es garantiert nicht recht, wenn ich Aoi alles erzähle. „Dafür nimmt man keine Drogen. Wir haben uns alle Mühe gegeben ihn aus dem Drecksloch raus zuziehen in das er gefallen ist. Wir haben ihn immer wieder von der Arbeit abgeholt, damit nichts passiert. Haben ihm immer zur Seite gestanden und trotzdem hintergeht er uns immer wieder. Ich weiß, er will es selbst nicht. Dass es nur die Gewohnheit ist, zu lachen auch wenn er weinen könnte“, seine Stimme überschlägt sich quasi. Ich habe gedacht sie sind Freunde? Und warum lassen sie Uruha nicht einfach ziehen, wenn er sowieso nicht am Leben bleiben möchte? Würde es Uruha dann nicht leichter fallen zu gehen, wenn ihn ohnehin niemand mehr will? „Mach es ihm nicht noch schwerer“, versuche ich Uruha in Schutz zu nehmen. „Ruki du kannst es nicht verstehen. Er hat uns heute nur mal wieder bewiesen, dass es nichts bringt. Er ist von der Schule abgehauen, hat nach den Tabletten eine Flasche Schnaps gesoffen oder eher es versucht und dann sind bei ihm anscheinend alle Sicherungen durchgebrannt“, erzählt mir Aoi. Was meint er mit alle Sicherungen durchgebrannt? Warum kann er nicht Klartext reden? Ich werde ziemlich unruhig und bekomme Angst. „Reg dich nicht so auf, bitte“, flehe ich ihn an. Lächelnd legt er einen Arm um meine Schulter und streicht mir leicht über den Rücken. „Lass uns noch etwas schlafen. Liegst du bequem?“, lenkt er vom Thema ab. „Du auch?“, frage ich ihn. „Was denkst du denn? Aber dir geht es wieder besser oder?“, erkundigt er sich. „Ein wenig. Mir ist immer noch übel, es geht schon. Brauchst keiner Angst zu haben und wenn hab ich ja immer noch den Eimer neben dem Bett“, meine ich und versuche so die angespannte Stimmung zu verdrängen. „Du bist immer so gut im Aufheitern“, wie ironisch Grinsend lasse ich ihn los und schiebe seinen Arm von mir, rolle mich ein. Zufrieden seufzend schnappe ich mir seine Hand und kuschele mich an sie. „Du bist eine richtige Raubkatze“, ein wenig schmunzelt er. „Vielleicht“ „Träume süß, kleiner“, ich bin nicht klein! „Du auch“ ~ Aoi holt mich vom Psychologen ab, da er es mir nach der Schule wieder schlechter ging. Ich war ziemlich unruhig und mir war schlecht und ich wollte mich eigentlich nicht mit meiner Vergangenheit auseinandersetzen. Ich wollte den Termin jedoch nicht schon wieder absagen. Obwohl er meint, er habe sich wohl grundlos Sorgen gemacht. Naja jetzt fühle ich mich wieder wie am Tag der Entlassung, einfach gut. Auf jeden Fall seelisch. Das Gespräch hat richtig gut getan und ich glaube ich bin endlich dazu bereit mit einem Therapeuten über all das zu reden, was mich aus der Bahn geworfen hat. Bisher waren die Gespräche zwar anstrengend, aber nie tiefgreifend genug. Und er wollte erst Vertrauen aufbauen ehe er all das schreckliche besprechen mit mir aufarbeitet. Als Aoi die Tür geöffnet hatte war ich sofort aufgesprungen und zu ihm gerannt und habe ihn fast zu Boden gerissen. Er war ziemlich verwirrt, nur weil ich nicht geweint, sondern gelacht hatte. Und jetzt sind wir auf dem Weg nach Hause. „Reita ist eben nach Hause gekommen. Er hat die Ärzte gefragt ob es in Ordnung wäre und sie haben zugestimmt. Er ist immer noch sehr schwächlich, aber er kümmert sich trotzdem liebevoll um Uruha. Uruha lag eben mindestens eine halbe Stunde in seinen Armen und hat stumm vor sich her geweint“, erzählt mir Aoi ziemlich nachdenklich. „Du redest nur mit dir selbst. Oh, tu mir Leid.“, erwidere ich. Gerade will ich mich einfach nicht damit auseinandersetzen, was uns beide daheim erwartet. „Naja auf alle Fälle gebe dich lieber mit mir nachher zufrieden. Uruha belagert gerne Reita für sich“, teilt mir Aoi mit. „Wann gehen sie wieder zur Schule?“, will ich wissen. „Uruha nächste Woche, Reita da drauf die Woche“, so lange soll ich noch ohne sie auskommen?! Vor mir her am summen hake ich mich bei ihm ein und grinse blöd vor mir her. Ich ängstige mich schon vor mir selbst. Ob das die Tabletten sind, die mich so aufgedreht machen? „Ruki du spinnst“, meint Aoi belustigt und schenkt mir ein schiefes Lächeln. „Ich weiß, du aber auch. Werden wir Freunde?“, frage ich mit einem breiten Grinsen. „Sind wir schon längst, Dummkopf“, auch schon bemerkt? „Trägst du mich?“, Freunde tun das. Oder etwa nicht? Was macht eine Freundschaft aus? „Du bist verdammt faul“, meint er neckend. „Mir doch egal“, erwidere ich grinsend. Zunge raus streckend klammere ich mich noch mehr an ihn und kann auch schon das Haus sehen. Die letzten paar Meter fange ich an zu rennen und reiße Aoi mit mir mit. Freudestrahlend schließe ich die Haustür auf, öffne diese und bleibe wie angewurzelt stehen. Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken und mein Herz rast. Irgendetwas stimmt hier nicht. Plötzlich fängt mein Magen schrecklich an zu krampfen und ich wimmere leise. „Was ist los, Ruki?“, fragt er besorgt nach. Wimmernd lasse ich mich am Türrahmen hinunter rutschen und halte meinen Bauch, lasse ab und an Schluchzer von mir hören. Mein Magen fühlt sich schrecklich an. Fast so, als würde ein Messer in ihm stecken. Mir ist so schrecklich übel und es fühlt sich so an, als würde ich nicht genug Luft bekommen. „Hey, Ruki. Komm steh schon auf“, fordert er mich auf. Versteht er nicht? Ich kann nicht aufstehen. Ich krümme mich leicht und kralle mich an meinem T-Shirt fest. Er hebt mich hoch, trägt mich rein und schließt die Tür hinter mir. Besorgt mustert er mich und trägt mich in Reitas Zimmer. Mit seinem Fuß schiebt er die Decke auf dem Bett bei Seite und legt mich dann auf das Bett. „Also was ist los?“, will er wissen „Schlecht und Bauchschmerzen“, wimmere ich. „Ich guck mal ob dir jemand Tee und eine Wärmflasche macht, okay? Ich bin direkt wieder da“, beeile dich, bitte. Schnell entledige ich mich meiner Schuhe, der Hose und dem Pullover und decke mich zu. Ich rolle mich leicht zusammen, obwohl dieses die Schmerzen nur verschlimmert. In den Augenwinkeln kann ich erkennen, dass Reita das Zimmer betritt. Erschöpft schließe ich die Augen. Die Krämpfe lassen langsam nach. „Magst du nicht mit ins Wohnzimmer kommen?“, fragt er. Ich nicke und presse die Lippen aufeinander. „Dann komm steh auf“, fordert er mich auf. „Gib mir erst einen Schlafanzug“, bitte ich ihn. Mir ist jetzt schon kalt und das obwohl ich unter der Bettdecke liege. Zitternd erhebe ich mich und wanke auf ihn zu, kralle mich an seinen Arm. „Du solltest besser zu Hause bleiben morgen. Ansonsten wirst du nie gesund“, rät mir Reita. „Es sind nur noch drei Tage, das schaff ich schon“, meine ich seufzend. „Übertreib es nicht“, ich werde schon auf mich aufpassen. Und das ist wahrscheinlich nur psychisch und nichts körperliches, also warum sollte ich das auskurieren? Er hilft mir beim Schlafanzug anziehen und trägt mich ins Wohnzimmer. Er setzt mich dort auf einer Couch ab. Wo ist Uruha eigentlich hin? „Jetzt wo er schläft, kann ich mich auch um dich kümmern“, teilt mir Reita mit und setzt sich neben mich. Leicht lächelnd kuschele ich mich an ihn. „Ich mag dich Rei“, vom ganzen Herzen. „Das weiß ich doch“ „Wo ist deine Mum?“, frage ich. „Bei Uruha“ „Warum denn das?“, ich weiß ich bin nervig. „Wir sollen ihn beobachten. Der Arzt überlegt ihn in die Geschlossene zu stecken“, erwidert er. Wenn sie ihn gegen seinen Willen in die Geschlossene stecken, dann wird das doch nie besser. Er muss den Entzug selbst wollen und das will er ja nicht. Er fügt hinzu: „Er stellt mehr und mehr eine Gefahr für sich selbst dar. Er bekommt zurzeit sehr starke Beruhigungsmittel, er schafft es aber nicht sie regelmäßig einzunehmen. Heute wurde wieder die Dosis angepasst und auch das Bedarfsmedikament, damit so etwas wie gestern nicht mehr passiert.“ Also wenn er es nicht freiwillig nimmt, dann sagt das ja schon sehr viel aus. Natürlich möchte ich, dass alles gut wird. Aber im Leben wird nicht immer alles gut, egal wie sehr man das möchte. Ich schmecke bittere Galle auf meiner Zunge. Wimmernd halte ich mir die Hand vor den Mund und drücke mich etwas von Reita ab. Die Übelkeit bringt mich noch um. Reita packt mich unter den Schultern und alles wird schwarz. ~ Zufrieden lache ich. Der Schmerz durchflutet meinen Arm. Rotes Blut tropft auf die weißen Fließen. Schon wieder ist eins meiner Schulhemden zerrissen dank ihnen, schon wieder habe ich mich in der Schule übergeben, wegen ihnen. Als die Lehrer mich gefunden hatten, wollten sie einen Krankenwagen rufen, doch ich wollte nicht. Sie haben zu Hause angerufen, keiner war bereit mich abzuholen. Was aber niemanden mehr verwundert. Jemand hat mich nach Hause gebracht, ich weiß nicht mehr wer. Und das nächste was ich wirklich mitbekommen hatte, war der gleißende Schmerz im Rücken. ~ Die Rasierklinge fällt klirrend zu Boden. Meine Wange brennt, fassungslos starre ich in das Gesicht meines Bruders. Warum musste er mich jetzt gerade finden? Warum? Habe ich etwa vergessen die Badezimmertür abzuschließen? ~ Blonde Haare? Reita? Wo bin ich? Was ist los? ~ „Erhöhen sie die Dosis“, fassungslos starre ich sie an. Ich kann schon lange nicht mehr die Träume von der Wirklichkeit unterscheiden. Was gestern war, ich weiß es nicht. Jemand drückt eine Kompresse auf meinen blutroten Arm. ~ Wimmernd spucke ich sauren Speichel ins Klo. Schon lange war mir nicht mehr so schlecht. Ich würge trocken und sehe wie die Tränen in die Kloschüssel fallen. „Ruki-chan? Geht es wieder?“, vernehme ich eine leise Stimme neben mir. Hat mich Aoi die ganze Zeit festgehalten? Er hebt mich hoch und Schutzsuchend kralle ich mich an ihm fest. Ich habe Angst. Was war das eben? Warum hatte ich so viele Flashbacks? ~ Und er grinst mich hämisch an, als seine Faust auf meinen Kiefer trifft und meine Lippe aufplatzt. Alles tut einfach nur noch so schrecklich weh. Durch das Rufen meines Freundes wirbele ich herum, ein stechender Schmerz und alles verdunkelt sich. ~ „Ich habe Angst Aoi“, teile ich ihm mit. „Ganz ruhig. Der Psychologe müsste gleich da sein“, besorgt streicht er mir durch die Haare. Er legt mir einen Finger auf die Lippen und lächelt mich traurig an. Ich muss zurück, habe ich Recht? Werde ich jetzt wieder in die Geschlossene gebracht? „Reita kommt direkt, ja? Bleib ganz ruhig“, wie soll ich ruhig bleiben?! Verwirrt schaue ich ihn an und gucke dann an mir runter. Geschockt reiße ich die Augen auf. Woher kommt das Blut? Warum sind da so viele Schnitte? Was ist nur passiert? „Reg dich nicht auf. Komm schau mir in die Augen“, fordert er mich eindringlich auf. Seit wann liege ich auf dem Sofa? Völlig fertig schließe ich die Augen, nachdem ich eine von Aois Händen genommen habe. „Ist er wach, Aoi?“, erkundigt sich Reita, „Okay dann helfe mir bitte.“ Müde schlage ich die Augen auf und lasse mir die Jacke anziehen. Ich fühle mich so vollkommen fertig, aber zeitgleich kribbelt mein ganzer Körper und Tonnen von Adrenalin rauschen durch meinen Körper. „Meine Schwester sitzt im Auto. Bitte fahre du mit meiner Mum und ihr ins Krankenhaus, ich bleib lieber bei Uruha“, warum lässt du mich allein, Reita? Flehend schaue ich Aoi an, der mir leicht den Kopf tätschelt. „Also kommt der Psychologe nicht?“, fragt Aoi überrascht? „Es bringt nichts, bei Rukis Verletzungen. Morgen früh ist dafür noch genug Zeit“, erwidert Reita. „Denkst du sie behalten ihn da?“, will Aoi wissen. „Meine Schwester meint ja“, Rei, sag so etwas nicht. Aoi hebt mich vorsichtig hoch und schon legt Reita eine Decke über mich. „Ich hab Angst“, murmele ich vor mir. „Ganz ruhig, Kleiner. Aoi passt schon auf dich auf“, verspricht mir Reita lächelnd. Erste Tränen kullern über meine Wangen. „Du brauchst nicht zu weinen. Es wird alles gut“, meint Aoi und geht mit mir zum Auto. Er setzt sich mit mir zusammen auf die Rücksitzbank und unruhig wälze ich mich in seinen Armen hin und her. Ich kann jetzt nicht still hier liegen. Ich will nicht zurück in die Klinik. „Aoi bitte sag uns, wenn es Ruki noch schlechter geht. Und pass auf, dass er sich nicht noch mehr verletzt“, meint Fumiko. „Okay Ruki, hast seine Mum ja gehört, schön ruhig liegen bleiben“, fordert mich Aoi auf. Ängstlich schaue ich in seine Augen. Alles tut einfach nur weh und ich finde keine Position, die keine stechenden Schmerzen verursacht. „Was ist passiert?“, frage ich nach. „Du hast dich an den Scherben von einer Tasse verletzt, nichts Schlimmes“, antwortet er mit ruhiger Stimme. „Ist euch irgendetwas passiert?“, hake ich nach. „Nein! Wir wissen auch nicht wie es passieren konnte. Aber wenigstens geht es dir wieder einigermaßen gut, oder?“, fragt er nach. Ich nicke nur und kuschele mich näher an ihn. „Magst du mir erzählen, was genau passiert ist?“, bitte ich ihn. Ich habe Angst davor wieder einen Aussetzer gehabt zu haben. Nachher habe ich mich wieder versucht zu umbringen. Was passiert dann mit mir, wenn es so war? ~~~~ Disclaimer: nichts mir, nichts Geld 16.01.2019: 2234 → 2987 Wörter Kapitel 20: Cliffhanger - Everything is fine - just for now ----------------------------------------------------------- Fröhlich lächelnd schlendere ich nach Hause. Gestern Nacht haben sie mir sehr starke Beruhigungsmittel verabreicht. Danach durfte ich wieder nach Hause, da die Schnittverletzungen nicht so schlimm waren. Nur eine Schnittverletzung am Handgelenk mussten sie nähen, weshalb ich jetzt einen Verband tragen muss. Den Rest der Nacht habe ich mit Aoi im Wohnzimmer gesessen und DVDs geguckt. Danach bin ich mit in die Schule, da es mir Recht gut ging. Dank der vielen Tabletten war ich ziemlich aufgedreht. Eben war ich beim Psychologen, der mich momentan betreut. Wenn es noch einmal vorkommt mit den Flashbacks bzw. Dissoziationen muss ich noch einmal zur Beobachtung in eine Klinik. Eigentlich soll ich schon längst in einer sein, da ich so unregelmäßig und wenig esse. Jedoch weigere ich mich strikt. Laut ihm ist es nur wegen der Gedächtnislücken problematisch und weil man nicht so wirklich einschätzen kann, ob ich während so etwas tatsächlich auf dumme Gedanken könnte oder eben nicht. Kaum betrete ich das Grundstück beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Ganz so als würde mich irgendetwas schlechtes erwarten, sobald ich ins Haus gehe. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken und eine Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen. Etwas zögerlich schließe ich die Haustüre auf und schließe direkt wieder ab, als ich drinnen bin. Meine Schuhe streife ich ab und dann hänge ich meine Jacke und den Schlüssel auf. Seufzend marschiere ich Richtung Zimmer, in der Hoffnung dort etwas Ruhe zu finden. „Ruki? Kannst du bitte kurz ins Wohnzimmer kommen“, fordert mich Reita auf. Warum guckt mich Reita so Ernst an? Also ist doch etwas schwerwiegenderes vorgefallen. Grummelnd setze ich mich neben Aoi auf die Couch und vergrabe meine zitternden Hände unter meinen Oberschenkeln. Mit solchen Situationen kann ich einfach nicht umgehen. „Weißt du Ruki. Ich weiß nicht wie ich dir sagen soll“, kurz wuschelt mir Aoi durch die Haare. „Ist irgendetwas mit Uruha?“, frage ich nach. Wegen er ist ja schon wieder nicht da und ein anderer Grund fällt mir nicht ein. „Nein! Also dein Vater hatte einen Unfall“, fassungslos starre ich ihn an, „Sie wissen nicht ob er durch kommt.“ „Wie?!“, wütend balle ich meine Hände zu Fäusten. Und mit einem Mal werde ich unfassbar wütend. „Die Polizei meint er hätte ihn wohl selbstverschuldet. Tut mir Leid“, vorsichtig streicht er mir durch die Haare. Warum? Warum kann er so leicht entfliehen? Das ist nicht fair. Er soll gefälligst leiden für meinen Schmerz. Er hat ohne mit der Wimper zu zucken mein Leben zerstört. Zaghaft nimmt mich Reita in den Arm und streicht mir immer wieder über die Arme. „Willst du etwas alleine sein?“, flehend schaut mich Reita an. Heftig schüttele ich den Kopf. Habe Angst jetzt wieder einen Aussetzer zu bekommen. Wütend haue ich mir auf den Kopf. Ich hasse mein Leben! Wieso kann er so einfach entfliehen und ich nicht? Warum ausgerechnet jetzt? Ich haue mir noch einmal auf den Kopf, während heiße Tränen über meine Wangen fließen. Warum nur muss das Leben so ungerecht sein? Reita packt mich energisch an den Handgelenken. „Ganz ruhig, okay?“, haucht er mir ins Ohr. „Rei, ich will nicht mehr“, meine ich schluchzend. „Hör auf zu weinen, Ru-chan. Das bringt dich nicht weiter“, fordert mich Aoi auf. „Ich bring dich jetzt ins Bett, in Ordnung? Und dann schauen wir einmal weiter“, lächelnd trägt mich Reita in unser Zimmer. Immer noch leise schluchzend kralle ich mich an ihn, vergrabe mein Gesicht in seinem T-Shirt. Ich will und kann nicht mehr so weiter leben. Denn diese Gewissheit, dass die Leute unbestraft davon kommen macht mich wahnsinnig. Obwohl sie mein Leben zerstört haben, mich für immer gezeichnet haben können sie einfach so ihrer Strafe entkommen. „Ruhig, Ru-chan. Hier trink das“, beruhigend streicht mir Rei über den Rücken. „Ich will hier weg“, zitternd kralle ich mich an im fest. „Shhhh“, immer wieder streicht er mir durch die Haare. „Wo willst du denn hin, Ru-chan?“, zögerlich legt mir Aoi eine Hand auf die Schulter. „Weg“, erwidere ich immer noch laut schluchzend. Aiko-chan kommt ins Zimmer, direkt auf mich zu. „Ru-chan? Kommst du mit?“, auffordernd hält sie mir die Hand hin. Eher widerwillig gehe ich mit ihr ins Wohnzimmer. „Aiko-chan, mir ist schlecht“, leise schluchzend setze ich mich auf die Couch. „Ganz ruhig, Kleiner. Wenn du dich beruhigt hast fahren wir zur Therapiestunde, in Ordnung?“, aufmunternd klopft sie mir auf die Schulter. Heute habe ich das erste Mal so etwas. Aiko soll dabei bleiben, damit ich nicht alleine unter Fremden bin. Es geht wohl um die Essstörung. Der Psychologe meint, dieser Therapeut kann mir da eher weiter helfen. Und mit einem Mal überlagert die Angst vor dem Unbekannten die Wut und die Verzweiflung. „Und danach gehst du ins Bett. Morgen früh reden wir mit Mum über alles, versprochen. Nur dafür brauchst du erst einmal einen klaren Kopf“, aufmunternd lächelt sie. „Habe ich morgen keine Schule?“, verwirrt schaue ich sie an. „Du bist beurlaubt für morgen. Wir fahren ins Krankenhaus mit dir“, verängstigt schaue ich sie an, „Hey, schaue nicht so! Der Psychologe hat das angeordnet, nachdem wir mit ihm geredet haben“. „Aiko-chan, ich habe Angst davor“, meine Wangen fühlen sich so warm an. „Das muss dir doch nicht peinlich sein. Du weißt doch, wir können über alles reden“, lächelnd streicht sie mir über die Wange. „Kann ich mit Aki-chan morgen in die Stadt? Also wenn wir früh genug nach Hause kommen“, bittend schaue ich sie an. „Musstest du früher auch wegen jedem kleines bisschen fragen? Du kannst gehen, wenn es dir morgen gut geht. Nächstes Wochenende bist du ja erst einmal bei deiner Mutter“, erinnert sie mich daran. „Aki-chan ja auch, oder? Er hat es mir ja versprochen“, nicht, dass er seine Meinung geändert hat. „Ich denke schon. Alleine sollst du ja nicht gehen“, kichernd tätschelt sie meinen Kopf. „Gehen wir dann? Ansonsten kommen wir zu spät“, seufzend erhebe ich mich. „Ich bin ja mittlerweile im trösten besser wie mein kleiner Bruder“, meint Aiko stolz. Und ich habe es gar nicht so wirklich gemerkt, dass ich mich tatsächlich wieder beruhigt hatte. ~ [Reita's POV] Er sitzt jetzt schon zwei Stunden vor dem Fenster. Schaut anscheinend raus, was auch immer er da sieht. Er reagiert auch nicht wirklich auf uns, sondern starrt immer weiter gerade aus. Aiko hatte ihn rein getragen, da er im Auto eingeschlafen war. Und seit er aufgewacht ist, sitzt er da. Er hat wieder kleine Schnitte am Handgelenk, Aiko meint diese kommen vom ritzen. Ob das stimmt? Wir tun doch alles, damit es ihm gut geht. Warum ritzt er sich dann noch? Können wir ihm doch nicht helfen? Ist es also egoistisch, wenn wir von ihm verlangen, dass er weiterlebt? Denn er will immer noch gehen also sterben. Man merkt es allzu deutlich. Ach kleiner, warum machst du dir alles schwerer wie es ist? Ist das nicht ein Schniefen? Erschrocken gucke ich ihn an. Er weint, man sieht es in der Spiegelung im Glas. Das sein Vater diesen schrecklichen Unfall hatte scheint ihn sehr mitzunehmen. Es muss schrecklich für ihn sein, dass sich das mit dem Gerichtsverfahren so unendlich in die Länge zieht. „Ruki-chan? Was ist los?“, langsam nähere ich mich ihm. „Rei? Lenke mich ab“, wimmernd wirft er sich mir um den Hals. „Komm wir legen uns was hin, ja? Und dann schauen wir weiter“, lächelnd hebe ich ihn hoch und lege mich mit ihm zusammen auf mein Bett. Er zittert total und sieht auch alles andere als gesund aus. Aiko meint es ist die Erschöpfung, da er ja schon seit längerem nicht mehr anständig schlafen kann. Und wahrscheinlich ist es auch der ganze zusätzliche Stress, der ihn so mitnimmt. Ein leises Klopfen ist zu hören. „Rei-chan? Kann ich reinkommen?“, fragt Uruha kleinlaut. „Ja, kannst u“, was er wohl von mir will? Die Tür öffnet sich und Uruha tritt ein. Aoi ist schon längst wieder weg, da er noch lernen muss. Uruha war zwischendurch auch bei irgendeiner Therapiestunde. „Was ist denn? Bedrückt dich irgendetwas?“, fragend schaue ich ihn an. Ruki dreht sich auf die andere Seite, schmiegt sich richtig an meinen Brustkorb. Sein Herz schlägt ziemlich schnell, was er wohl gerade denkt? Oder will er nur sein Gesicht verstecken? „Darf ich hier bleiben? Und wir gucken dann etwas?“, erkundigt sich Uruha. Momentan ist er wieder total anhänglich. Entweder er ist ständig bei meiner Schwester oder Aoi. So wirklich kann sich keiner von uns einen Reim darauf machen, aber solange er nicht ständig bei seinen Junkie Freunden abhängt ist es okay. „Gerne. Machst du gerade den Fernseher an? Ich glaube nicht, dass Ruki mich aufstehen lässt“, leise lachend kneife ich dem kleinen in die Wange. Er verzieht zwar sein Gesicht, aber ansonsten ignoriert er mich. Es ist echt faszinierend wie sehr er sich allein durch eine Umarmung entspannen kann. „Deine Mutter meint er soll gleich noch die Schlaftabletten nehmen. Damit er morgen wenigstens halbwegs ausgeruht ist“, meint Uruha, während er den Fernseher einschaltet und sich mit der Fernbedienung auf das Schlafsofa setzt. „Ich glaube er schläft gleich eh ein“, zaghaft streiche ich ihm durch die Haare. „Ihr seid zeitweie wie ein Liebespaar. Total vertraut. Hat seine Mutter nichts dagegen?“, fragend begutachtet er mich. „Bisher hat sie noch nichts dagegen gesagt. Und sie weiß ja von meiner Mutter hier von. Mich wundert es ja auch“, seufzend fange ich an seinen Nacken zu kraulen. Vor allem seiner Mutter hatte ich eine eher ablehnende Haltung zugetraut. Sein Vater würde ihm wahrscheinlich so ein Verhalten hart bestrafen. Mittlerweile hat Ruki die Augen geschlossen und atmet ganz ruhig und gleichmäßig. Er ist so unheimlich niedlich. Schmunzelnd decke ich ihn zu. „Meine Mutter hätte mich für so etwas umgebracht! Yuu durfte auch nur ein Freund auf Distanz sein. Genau wie du. Du hast es echt gut, Akira“, traurig lächelnd schaut er mich an. „Dafür bist du ja jetzt hier, damit du ein besseres Leben leben kannst“, aufmunternd schaue ich zurück. Es stimmt mich wirklich traurig, dass Uruha immer noch so sehr daran zu knabbern hat. Ob er je über all das hinweg kommen wird? ~ Schweigend schaue ich aus dem Fenster. Wir haben Pause und Uruha ist mit Aoi draußen. Ich hatte nicht wirklich Lust mitzugehen. Um Ruki mache ich mir unglaubliche Sorgen. Er ist heute im Krankenhaus, da die Ärzte nach körperlichen Ursachen für die Aussetzer gucken wollen. Ich weiß nicht ob Ruki heute Abend nach Hause kommt, auch wenn er total gerne mit mir weggehen würde. Deshalb mache ich mir ja auch solche Sorgen. Wenn er einen Aussetzer hat bin ich total überfordert. Was soll ich denn dann tun? Selbst Uruha konnte ich nicht von seinem Selbstmordversuch abhalten. Und erst Recht nicht von den Drogen. Es kann ja keiner so wirklich abschätzen wie zurechnungsfähig Ruki während einer Dissoziation ist. Seufzend starre ich wieder auf meine Unterlagen für die nächste schriftliche Überprüfung. Mein Seufzen hallt komisch im Klassenzimmer nach. Wahrscheinlich deshalb, weil ich der einzige im Raum bin. Wir haben nur noch eine Schulstunde, da der Nachmittagsunterricht ausfällt. Heute gehe ich nicht zu Fußball, da ich mich schon den ganzen Tag nicht so gut fühle. Der Sportlehrer, also unser Trainer, hat gemeint ich solle nach Hause gehen und mich ausruhen. Ich war eben kurz bei ihm und habe mit ihm über Ruki gesprochen. Er ist eine meiner einzigen Bezugspersonen und so eine Art Ersatzvater für mich. Kennen tue ich ihn schon seit dem Kindergarten, er hat mich erst dazu gebracht in den Fußballclub der Grundschule einzutreten. Immer war er da, als ich ihn brauchte. Wie oft war ich früher mit ihm am Wochenende weg, da meine Mutter viel gearbeitet hatte. Erst kurz bevor Uruha zu uns zog, hatte sie wieder mehr Zeit für mich. Darüber bin ich mehr als froh, denn früher hat mich diese Einsamkeit immer wieder verletzt. Vor allem als dann noch mein ehemaliger Stiefvater ständig mit von der Partie war konnte ich das kaum ertragen. Ich weiß nicht, ob das wirklich einfach nur Eifersucht war. Oder ob ich einfach nur schon sehr früh gemerkt hatte, dass er es nicht ernst meint mit uns. „Akira? Was ist los? Warum bist du nicht bei Yuu?“, fragend schaut mich Ayumi an. „Fühle mich nicht so gut“, seufzend richte ich meinen Blick auf sie. „Du bist auch ganz blass. Vielleicht solltest du dich lieber etwas hinlegen“, besorgt legt sie mir eine Hand auf die Stirn. „Geht schon. Ich gehe ja gleich mit Kouyou nach Hause und dann geh ich direkt ins Bett“, leicht lächelnd gucke ich wieder auf die Unterlagen. „Du solltest nicht bis tief in die Nacht lernen. Auch wenn du so viel gefehlt hast“, ermahnt sie mich. Ich will das Schuljahr unbedingt mit guten Noten abschließen und deshalb lerne ich so viel. „Aki-chan bitte passe auf dich auf“, und schon geht sie wieder. Manchmal frage ich mich, was passiert wäre, wenn ich Ruki nicht kennen gelernt hätte. Ob ich dann auch so viele Freunde gefunden hätte? Früher war ich eher ein Einzelgänger. Und jetzt? Eher ein Gruppenmensch. Ich bin gerne bei den anderen und habe Spaß. Da sie mir ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Sie lassen mich für ein paar Stunden die harte Realität vergessen. Die Realität, die ich so gut wie möglich versuche zu verdrängen. Ruki ist suizidgefährdet und unberechenbar. Es kann sogar sein, dass er sich im nächsten Moment vom Schuldach stürzt, einfach so. Warum er nicht in einer Klinik ist? Er will es nicht. Da noch kein ernsthafter Grund besteht ihn einweisen zu lassen ist er daheim. Fragt sich noch wie lange. Es gibt halt keine konkreten Hinweise darauf, dass er sich tatsächlich etwas antun würde. Wahrscheinlich weiß er genau was er dem Psychologen sagen muss, damit er eben keine Zwangseinweisung veranlassen kann. Es belastet mich zu wissen, dass ihm im Grunde alles egal ist. Er lässt mich kaum noch an sich ran, kapselt sich immer mehr ab. Selbst Aoi weiß mittlerweile mehr von Ruki's Befinden wie ich. Diese Erkenntnis tut mehr als weh, dass Ruki Angst hat mir von seinen Problemen zu erzählen. Natürlich kommt er immer wieder für Umarmungen und alles an, aber so wirklich reden wir dann nicht. Oder denkt er Aoi wäre der bessere Gesprächspartner? ~ Auch die restliche Stunde bin ich nur körperlich anwesend und mit den Gedanken völlig woanders. Unser Naturwissenschaftenlehrer mustert mich immer wieder besorgt, lässt mich aber ansonsten völlig in Ruhe. Erst als Uruha mich in die Seite knufft, merke ich es. Wir sind die einzigen im Raum, die Stunde ist schon längst zu Ende. „Schaffst du es bis nach Hause, oder soll uns jemand abholen?“, besorgt streicht er mir über den Oberarm. „Es geht schon. Bin ja nicht aus Zucker“, lachend ziehe ich mich an ihm hoch und packe meine Schultasche, schultere sie dann. Er steht auch auf und zusammen gehen wir schweigend nach Hause. ~ [Ruki's POV] Immer wieder leise fluchend gehe ich mit Aiko nach Hause. Die haben mich sage und schreibe 13 Stunden bei sich festgehalten! Dann kann ich doch nicht mit Reita weg, dafür ist es ja auch zu spät. Wütend kicke ich einen Stein weg. „Beruhig dich Ruki! Du machst einem richtig Angst, wenn du so wütend bist“, meint sie. „Lass mich in Ruhe!“, böse funkelnd schaue ich sie an. „Zick jetzt ja nicht um! Du kannst von mir aus so mit Akira umgehen, aber nicht mit mir!“, wütend packt sie mich am Oberarm. Ich beiße auf meine Unterlippe, sie hat ja Recht. Warum lasse ich meine Wut immer an anderen aus? Sie können doch nichts dafür. „Komm jetzt lass uns nach Hause gehen. Es ist schon spät und morgen hast du ja wieder Schule“, seufzend nimmt sie mich an die Hand und zieht mich nach Hause. Die Ärzte haben noch nichts organisches gefunden. Ich soll wieder kommen, nächste Woche. Dann liege ich zwei Tage im Krankenhaus auf der Intensivstation für ein EEG und anderes. Damit sie alles kontrollieren können. Wenn es dann noch nicht zu spät ist. Die Aussetzer sind öfters, ich habe immer wieder ein Blackout. Auch die Flashbacks sind da, nach meinen Geschmack zu häufig. Und ich weiß noch nicht einmal was sie konkret auslöst. Aiko hat gemeint, dass ich erst einmal nicht mehr alleine weg darf. Da Reita nicht so wirklich mit mir umzugehen weiß wenn etwas ist, soll ich nicht alleine mit ihm weg. Alles nur damit nichts Schlimmes passiert. Auch mein Besuch bei meiner Mutter sieht momentan ziemlich schlecht aus. Aber wenn die Tabletten wirken, die ich ab nächster Woche nehme darf ich zu ihr. Außer die Aussetzer sind immer noch da. Grummelnd klammere ich mich an Aikos Arm und lehne meinen Kopf an ihren. Ich bin total müde, möchte nur noch ins Bett. Der Tag war richtig anstrengend. Zu erst muss ich jedoch meine Hausaufgaben machen und lernen. Auch wenn die Lehrer sicherlich Verständnis haben. „Trink erst Mal einen Tee, wenn wir zu Hause sind. Und dann helfe ich dir bei den Hausaufgaben“, irgendwie ist dieses zur Normalität geworden. Entweder ich sitze zusammen mit Uruha oder Aiko an den Hausaufgaben. Das was ich schon hatte mache ich alleine, aber bei dem Rest helfen sie mir. Ich bin kaum noch in der Schule, wenn ich genau darüber nachdenke. Das ist schon ein komisches Gefühl. Auch die Lehrerin meint, ich solle lieber ganz in eine Klinik. Nur will ich nicht das Leben aufgeben, was ich mir nach und nach zurück gewonnen habe. Ich will noch viel Zeit mit Reita verbringen, ich will lernen zu vertrauen. Zu gerne würde ich ihm alles sagen können, doch dafür brauche ich noch Zeit. Bis ich ganz über meinen eigenen Schatten springen kann, um mit ihm alle meine Sorgen teilen zu können. Nur Aoi kann ich diese erzählen, da er mir nicht so nahe steht wie Reita. Schon bevor sie die Tür öffnet habe ich die Jacke ausgezogen und meine Schuhe auch. Drinnen schmeiße ich alles in eine Ecke und renne ins Wohnzimmer. Schmollend puste ich die Backen auf, Reita ist nicht da, nur Uruha. „Nicht schmollen, kleiner“, liebevoll nimmt er mich in den Arm. „Was ist denn mit Akira los? Ist doch sonst nicht seine Art, jetzt schon zu schlafen“, inzwischen ist auch Aiko bei uns. „Ihm geht es nicht gut. Er ist wieder einmal über den Schulbüchern eingeschlafen und ich musste ihn erst wecken, damit er ins Bett geht“, seufzend fährt mir durch die Haare. „Uruha“, quengelnd schlinge ich meine Arme um seinen Hals. „Eifersüchtig, Ru-chan? Komm setze dich, damit wir endlich die Hausaufgaben machen können“, lachend zieht er mich zum Tisch. „Aber ganz, ganz schnell. Ich will ins Bett“, grummelnd setze ich mich an den Tisch. „Du bist echt wie ein kleines Kind. Und genau das mag ich“, lächelnd legt er mir die Arbeitsblätter vor die Nase. ------------ Disclaimer: nichts mir, nichts Geld Cliffhänger zum Auftakt ich weiß nicht, ob ich das nächste Kapitel posten kann, da es doch ziemlich extrem ist. Aber ich hoffe, es klappt~ 22.01.2019: 2731 → 3193 Wörter Kapitel 21: Kontrollverlust --------------------------- Disclaimer: Hierfür bekomme ich kein Geld. Die Charaktere gehören sich selbst. Warnung: Svv, Suizidversuch ~~~~ „Kann ich ganz kurz auf Klo? Mir geht es nicht so gut“, fragend schaue ich unseren Sportlehrer an. „Soll einer mitkommen?“, besorgt schaut er zurück. Ich schüttele lediglich den Kopf und mache mich auf den Weg. Am Besten ich spritze mir etwas Wasser ins Gesicht, dann bin ich bestimmt wieder munterer. Hierfür brauche ich keinen Aufpasser und wegen Kreislaufproblemen braucht mir auch keiner die Hand halten. Es war eine schlechte Idee heute in die Schule zu gehen. Aber es muss ja gehen, immerhin möchte ich nicht ständig in der Schule fehlen. Und für Fumiko ist es auch garantiert schwer immer jemanden zu finden, der daheim auf mich aufpasst oder mich zu zusätzlichen Arztterminen begleitet. Seufzend gehe ich die Treppe hinauf. Ich möchte gerne die anderen Toiletten benutzen, da es dort nicht ganz so schlecht riecht wie in den anderen. Und der Gestank würde mir wahrscheinlich den letzten Rest geben. Endlich bin ich am gewünschten Ort angekommen um meine Blase erleichtern zu können. Dieses tue ich auch direkt, damit ich schnellst möglich zurück kann. Auch beim Hände waschen beeile ich mich, obwohl ich das nicht müsste. Schnellen Schrittes gehe ich zurück und achte gar nicht so sehr darauf, wo ich meine Füße auf der Treppe platziere. Geschockt reiße ich die Augen auf, als ich auf einmal den Boden unter den Füßen verliere. Im rasenden Tempo sehe ich die Treppenstufen auf mich zukommen, versuche mich noch instinktiv mit den Händen abzufangen. Vergeblich, schmerzhaft komme ich auf, spüre wie die Haut nachgibt. Wie ich über den unebenen Boden rutsche und die Hose aufreißt. Wie alles anfängt zu brennen, zu schmerzen. Habe den Schmerz, diesen Schmerz der Sühne schon lange nicht mehr gespürt. Obwohl es nur Sekunden waren, kommt es mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Zitternd erhebe ich mich, stolpere Richtung Umkleidekabinen. Das Blut tropft von meinem Kinn. Nur langsam fließt es mein Bein hinab. Die Wunden brennen und mir wird schlecht. Ich kann nicht mehr, die Schmerzen überrollen mich. Immer wieder wird mir schwarz vor Augen, verliere kurzzeitig die Kontrolle über ihn. Er wird zu meinen größten Feind, mein eigener Körper. ~ Es muss schnell gehen, darf nicht zögern. Zielstrebig gehe ich auf meine Schultasche zu, reiße das Seitenfach auf. ~ Was mache ich hier? Schnelle ziehe ich meine Hand zurück, ich darf das nicht. Darf nicht gegen ihn verlieren. Muss stark sein, will doch noch leben. ~ Wieder habe ich einen Fehler begangen, muss mich dafür bestrafen. Hole die Rasierklinge, gehe schnellen Schrittes in die Duschen. Hier wird man mich am wenigstens vermuten, sicherlich. Außerdem kann ich es hier beschleunigen. Das Wasser ist mein bester Freund. ~ Ich will schreien, kein Ton verlässt meine Lippen. Fühle mich wie in der Schwebe, habe wieder die Kontrolle verloren. Reita, beschütze mich. Rette mich! ~ Den Wasserstrahl drehe ich voll auf. Warm genug um mich nicht zu verbrennen, warm genug um mir mein Blut zu nehmen. Es muss schnell gehen, sie suchen bestimmt schon noch mir. Darf nicht zögern. Muss es beenden hier und jetzt. Ohne zu zögern setze ich die Klinge an, ramme sie vollständig in den Arm. Spüre die Schmerzen kaum. Erst beim raus ziehen entweicht mir ein Keuchen, die heftigen Schmerzen machen sich bemerkbar. Genießerisch fahre ich mit der Zunge über die Klinge. Dieses Mal ist es endgültig, es gibt kein zurück. Ich habe es geschafft. Ein letztes Mal lache ich, als ich Reita besorgtes Gesicht sehe. Alles wird in einem angenehmen dunklen Farbton getaucht. ~ „ReiRei?! Ich hab Angst“, hilflos sehe ich dabei zu, wie er versucht mit seinem T-Shirt den Blutfluss zu stoppen. „Ganz ruhig. Ich weiß, dass du Angst hast. Es wird alles gut, okay? Es wird alles gut“, versichert er mir. Warum habe ich die Kontrolle verloren? Warum konnte ich nicht Herr über meinen eigenen Körper sein? Ich habe alles vermasselt. Rei, ich muss sterben oder? Es gibt kein Zurück. Ich muss gehen endgültig, habe ich Recht? Wie ist das alles nur passiert? Woher kommt die blutende Wunde an meinem Arm? War ich das selbst? Und warum liegt hier eine Rasierklinge? Es fällt mir immer schwerer die Augen offen zu halten und immer wieder fallen sie zu. „Rei, ich habe dich gern. Total gerne“, hauche ich. Ein letztes Mal nehme ich ihn in die Arme, bevor ich der Dunkelheit meine Hand gebe. ~ [Reitas POV] Jetzt sitze ich schon bestimmt über eine Stunde im Krankenzimmer und trotzdem bin ich noch total angespannt. Ein Klopfen an der Tür lässt mich zusammen zucken. „Ganz ruhig Rei“, liebevoll streicht mir Takuya über den Rücken. Die Tür öffnet sich und Ayumi kommt mit meinen Sachen rein. „Hier Rei-chan. Deine Schwester kommt in einer halben Stunde. Oder geht es wieder?“, besorgt mustert sie mich. Kopfschüttelnd klammere ich mich mehr an Takuya. „Aoi kommt direkt“, immer noch guckt sie mich an. „Sag bitte dem Schularzt Bescheid, dass seine Sachen jetzt da sind“, vorsichtig löst Takuya meine Umklammerung. Ayumi ist wieder weg. „Rei? Was hast du?“, beunruhigt schaut er mich an. Kopfschüttelnd pelle ich mich aus der Sporthose. Überall hängt noch sein Blut. Mir wird schlecht davon. Der Gedanke daran, was passiert ist, treibt mir die Galle in den Mund. Wieso musste ausgerechnet das passieren, wovor wir solch eine Angst hatten? Meinte der Psychologe nicht, dass es sehr wahrscheinlich nicht passieren wird? Kurz nachdem er mit dem Krankenwagen weggefahren ist, habe ich mich übergeben müssen. Uruha hatte versucht mich zu beruhigen, vergeblich. Dabei weiß ich es zu schätzen. Er war stark geblieben, nur für mich. Dabei muss es ihn genauso hart getroffen wie mich selbst. Der Arzt kommt mit einer Schüssel Wasser und zwei Waschlappen in ren Raum. „Hilfst du mir Takuya? Ich glaube es ist besser so für Akira“, aufmunternd lächelt er mich an. Erschöpft schließe ich die Augen, lasse mir von ihnen die Spuren der letzten Stunden fort wischen. Ich schließe die Augen, denn ich will gar nicht sehen wie sich das klare Wasser blutrot färbt. „Kann ich vielleicht kurz raus? Mir ist nicht gut“, leise wimmernd presse ich mir die Hand auf den Mund. Es fällt mir so schwer nicht vollkommen auszuflippen. „Ganz ruhig Akira, leg dich am Besten etwas hin“, vorsichtig legt mich der Arzt richtig auf das Bett. Das Klopfen veranlasst mich dazu die Augen zu öffnen und endlich ist Yuu da, kommt schnellen Schrittes auf mich zu. „Aki! Was machst du bloß?“, empört schaut er mich an. „Bitte beruhige ihn, Aoi. Ich komme später nach dir gucken Akira, wenn du wieder zu Hause bist“, und schon lässt mich Takuya alleine. „Ich geh dir jetzt etwas gegen die Übelkeit holen. Und dann versuchst du erst einmal etwas zu schlafen“, auch der Arzt geht wieder. „Akira? Es wird schon wieder, vertrau mir. Die tun gerade ihr Bestes um Ruki's Leben zu retten. Sie werden es schon schaffen“, aufmunternd tätschelt er mir die Schulter. Ich versuche die Übelkeit herunter zu kämpfen. Doch es fällt mir schwer den Würgereflex zu unterdrücken. Beruhigend streicht mir Aoi immer wieder über die Schultern. „Aoi? Kannst du vielleicht nach der Schule auch kommen? Und dafür sorgen, dass Uruha gut nach Hause kommt?“, fragend schaue ich ihn an. „Natürlich. Aber entspann dich erst einmal. Dann können wir immer noch reden“, lächelnd streicht er mir die Haare hinter die Ohren. Seufzend ziehe ich die Decke über meinen Körper. Ich habe immer noch nur die Boxershorts an. „Willst du vielleicht deine Schuluniform wieder anziehen?“, vorsichtig ziehe ich Aoi näher zu mir. „Nein“, wieder schließe ich die Augen. „Hier, trink das Akira“, ich habe gar nicht bemerkt, dass der Arzt wieder gekommen ist. Zitternd setze ich das Glas an meine Lippen und trinke es aus. Die Flüssigkeit schmeckt bitter, wie immer eigentlich. „Für den Fall der Fälle“, er stellt eine kleine Blechschüssel auf den Beistelltisch, „es dauert doch noch 3 Stunden, bis deine Schwester kommt. Es hat wohl einen schweren Verkehrsunfall gegeben.“ Bebend klammere ich mich an Aois Arm. Wieder bahnen sich Tränen ihren Weg in den Tod. „Keine Sorge, Ruki ist schon längst im Krankenhaus. Deine Mutter will uns anrufen, wenn Ruki fertig operiert wurde“, seufzend geht er wieder. „Aoi, ich habe Angst“, selbst meine Stimme zittert. „Zieh dich an, damit du etwas raus gehen kannst“, lächelnd hält er mir die Schuluniform entgegen. Ich schüttele nur den Kopf und beiße auf meine Unterlippe. Wie schafft es Aoi nur so ruhig zu bleiben? [Aoi's POV] „Können sie kurz mitkommen? Akira hat sich übergeben und ist zusammen gebrochen. Ich bekomme ihn einfach nicht mehr beruhigt“, bittend schaue ich den Schularzt an. „Ich geh nach ihm gucken. Ruf bitte einmal bei ihm zu Hause an. Mir wäre es lieber wenn Akira zum Arzt geht, damit dieser ihm etwas geben kann. Damit es nicht wie bei Kouyou endet“, kurz klopft er mir auf die Schulter und geht. Ich erinnere mich noch genau daran wie schlimm es Reita nach Uruhas Selbstmordversuch ging. Grummelnd nehme ich das Telefon und wähle die Nummer von Reitas Großmutter. „Hier ist Aoi. Kannst du vielleicht Akira abholen kommen? Oder mir die Erlaubnis geben ihn zum Arzt zu bringen? Er will sich einfach nicht mehr beruhigen“, seufzend fahre ich mir durch die Haare. „Ohne Auto geht es schlecht nehme ich an. Vielleicht kann ihn ja ein Lehrer fahren? Frag bitte einmal. Außerdem ist Rukis Mutter hier, ich lasse sie ungern alleine“, teilt sie mir mit. Warum ist alles so kompliziert? Und warum ist seine Mutter nicht im Krankenhaus? Oder will Fumiko das nicht? „Ich frage einfach einmal. Vielleicht darf ich ihn auch nach Hause bringen. Schon etwas neues von Ruki gehört?“, frage ich hoffnungsvoll nach. „Sie mussten ihn einmal wiederbeleben. Bitte sag Akira nichts. Die Ärzte sind zuversichtlich, da es ihm schon ein wenig besser geht. Sie sind aber immer noch am operieren“, auch keine guten Nachrichten. „Ich geh dann zurück zu Akira“, und mit diesen Worten lege ich auf. Durch die ganzen Krankenhausaufenthalte von Uruha habe ich ein schreckliche Ruhe entwickelt was das Thema betrifft. Mich wirft so leicht nichts mehr aus der Bahn. Und es ist ja auch nicht Rukis erster Krankenhausaufenthalt oder seine erste Operation. Allein nach der Schussverletzung war er ja ziemlich lange im Krankenhaus. Auf dem Weg zurück zum Krankenzimmer begegne ich erst einmal seiner und meiner Klassensprecherin. „Was ist denn hier los? Stimmt irgendetwas nicht?“, fragend schaue ich sie an. „Aoi, du kannst mit Akira zusammen nach Hause. Uruha kommt auch gleich, er ist noch beim Sportlehrer. Lasst den Kopf nicht hängen, Ruki schafft das schon“, aufmunternd tätschelt mir Ayumi die Schulter und drückt mir unsere Taschen in die Hand. „Geht es ihm besser? Also Uruha meine ich“, erkundige ich mich. „Ein wenig. Er hat eben Tabletten geholt, als ich mit ihm raus gegangen bin. Er wollte nur noch einmal zu eurem Sportlehrer“, meint Ayumi. „Gut, dann bis Morgen ihr zwei“, und schon bin ich im Krankenzimmer verschwunden. Ich habe gerade einfach keine Lust auf sinnlosen Smalltalk. „Geht es Rei besser?“, frage ich direkt. Die beiden sind hinter dem Vorhang verschwunden und ich frage mich warum. „Er ist eingeschlafen. Willst du ein Taxi rufen, oder trägst du ihn?“, lächelnd schaut er mich an. „Ich trage ihn lieber“, seufzend gehe ich hinter den Vorhang, „Uruha kommt gleich. Ich warte noch etwas.“ „Mach das. Ich geh dann wieder, du schaffst das schon“, und er geht, lässt mich mit meinen Sorgen alleine. Uruha lässt gar nicht lange auf sich warten und holt mir direkt meine und Akiras Schultasche ab. „Und jetzt ab nach Hause, ich bin müde“, demonstrativ gähnt er. Leise lachend gebe ich ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. „Hilfst du mir Rei auf meinen Rücken zu heben?“, bittend schaue ich Uruha an. Dieser lässt auch direkt die Taschen fallen und hebt Rei einfach so hoch. So als würde er gar nichts wiegen. Woher nimmt Uruha nur diese Kraft die letzte Zeit? Dankend halte ich Reita fest, der mittlerweile auch wieder wach ist. Ganz schlaftrunken schaut er sich um. „Rei, es geht nach Hause. Dann kannst du auch erst einmal eine Runde schlafen“, aufmunternd lächele ich. ~ Erst als Uruha die Tür geöffnet hat, setze ich Reita ab. Er ist zwar wieder hellwach, aber wirklich reagieren will er nicht. „Ich geh hoch ins Bett. Bitte kümmere dich gut um ihn“, und mit einem typischen Lächeln für ihn lässt Uruha uns zwei alleine. Grummelnd schmeiße ich meine Schuhe in eine Ecke und ziehe Reita auf die Beine. Zusammen gehen wir ins Wohnzimmer wo ich Reita erst einmal auf die Couch platziere. Irgendwo muss doch seine Großmutter sein?! Am Telefon im Flur erkenne ich einen kleinen Zettel. „Wir sind ins Krankenhaus gefahren. Aiko kommt so schnell wie möglich“, na klasse. Kopfschüttelnd gehe ich in die Küche und wärme den Tee und eine Kleinigkeit zu Essen auf. Damit bewaffnet gehe ich zurück zu Reita, der den Tee dankend annimmt. „Wenn du Hunger hast, kannst du etwas Essen. Wenn du nicht willst, ist es in Ordnung. Nur esse bitte etwas, bevor deine Schwester nach Hause kommt“, flehend schaue ich ihn an. Er nickt und widmet sich wieder seiner Tasse zu. Ruki macht echt nur Probleme zur Zeit. Ich frage mich, ob er es überhaupt merkt wie Reita daran zerbricht. Dabei habe ich gedacht, die Sache mit Uruha war schon schlimm genug. Und jetzt wo es Uruha dank den Therapien wirklich wieder besser geht, kommen die nächste Probleme. Hoffentlich packt Reita das. Ich will ihn nicht schon wieder im Krankenhaus besuchen dürfen. Wahrscheinlich macht es Ruki noch nicht einmal mit Absicht, aber trotzdem bin ich gerade wütend auf ihn und die Situation an sich. „Rei? Geht es wieder? Oder willst etwas dagegen holen?“, vorsichtig nehme ich seine Hand in meine. „Geht schon. Aoi, nimm es mir bitte nicht übel. Ich möchte gerne etwas alleine sein. Bin in meinem Zimmer, falls etwas sein sollte“, lächelnd erhebt sich und geht... ~~~ Vor erst ein Ende. Wenn ich Lust habe gibt es eine Fortsetzung. Doch ob Ruki überleben soll/wird, ich weiß es nicht =/ danke an alle Favos und Kommis! Eure Meinungen sind mir immer noch sehr wichtig. Da ich mich verbessern will~ 23.01.2019: 2043 → 2397 Wörter Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)