Gefangen in der Dunkelheit von Erdnuss91 (ohne Fluchtweg in einer fremden Welt) ================================================================================ Kapitel 13: Nicht gewollte Wege ------------------------------- Jemand streicht mir sanft über die Wange. „Hey Kobito, aufwachen“, wird leise von Reita in mein Ohr geflüstert. „Ich will noch nicht“, murmle ich schlaftrunken. „Du kommst ansonsten zu spät zur Schule“, merkt er an und rüttelt sanft an meiner Schulter. Ist es wirklich schon so spät? Ich fühle mich so, als hätte ich seit Tagen nicht mehr geschlafen. Dabei bin ich doch gestern extra früher ins Bett, oder etwa nicht? „Ich will nicht“, mosere ich. Erschöpft reibe ich mir über die Augen und gähne erst einmal. „Was ist denn los Ruki?“, fragt er besorgt. „Hab doch schon gesagt, ich will nicht“, antworte ich, ohne auf seine Frage ein zugehen. Warum macht er sich immer direkt solche Sorgen um mich? Es kann halt nicht jeder direkt nach dem Aufstehen gut gelaunt sein. Außerdem habe ich total die Kopfschmerzen und alles tut einfach nur weh. Er tätschelt mir die rechte Wange und ich knurre leise, bevor ich die Augen aufreiße. „Sei doch nicht so zickig, am frühen Morgen. Also was ist los?“, fragt er noch einmal nach. „Kopfschmerzen“, nuschele ich. Mein Kopf will mich sicherlich umbringen. „Sicher?“, hakt er nach. „Und schlecht und keine Ahnung was noch alles“, füge ich hinzu. Ich fühle mich benebelt und so alles andere als richtig wach und auf der Höhe. „Macht dich die Schule und alles momentan so fertig?“, fragt er vorsichtig nach. Widerwillig bestätige ich seine Vermutung. „Was soll ich denn jetzt machen?“, entgegnet er frustriert. Du kannst mir da auch nicht helfen, Reita. Der einzige der meine Situation verändern kann bin ich, leider. „Nichts“, gebe ich ehrlich zu. „Komm steh schon auf“, fordert er mich auf. „Schlafen“, bitte ich ihn. „Steh auf, Ruki“, fordert er mich noch einmal auf. „Schlafen“, murmele ich. Uruha betritt das Zimmer und steuert zielstrebig auf mich zu. „Er ist ja immer noch total blass“, stellt er direkt überrascht fest. „Lasst mich doch alle in Ruhe“, murrend verkrieche ich mich unter die Bettdecke. Warum müssen die immer so einen Aufstand um so etwas macht? Mir geht es nicht gut und damit fertig. „Aoi hat heute erst zur 3. und er wird solange auf dich aufpassen, bis Reitas Mutter wiederkommt“, erklärt Uruha mir und ruckartig zieht er meinen errichteten Schutzwall weg. „Muss das sein?“, frage ich genervt nach. Ich brauche doch keinen Babysitter, oder etwa doch? „Ja, das muss sein. Und dann fahrt ihr zwei erst einmal zum Arzt“, klärt mich Uruha auf. „Ich will niemanden sehen“, erwidere ich trotzig. „Du musst aber Ruki. Du hast schon seit Tagen kaum gegessen und würden wir dich nicht ständig dazu auffordern, würdest du es gar nicht mehr tun“, meint Reita bestimmend. Uruha streicht mir leicht über die Wangenknochen und versucht Blickkontakt mit mir aufzunehmen. „Ruki wir machen uns doch nur Sorgen. Komm steh wenigstens auf und setze dich etwas mit uns unten hin“, bittet mich Uruha. Ich lasse mich von ihm hochziehen und folge den beiden schweigend runter. Es bringt nichts sich zu wehren, ich habe keine Chance gegen sie. „Morgen Ruki“, begrüßt mich Aoi direkt. „Morgen Aoi“, murmle ich ganz leise. Ich fühle mich total unwohl in meiner Haut. Ich will nicht zum Arzt, der steckt mich nur wieder in eine Klinik. Und das ist das letzte was ich gerade möchte. Jemand der darauf achtet was ich alles zu mir nehme, wie ich mich den ganzen Tag über verhalte und alle meine Launen analysiert. „Komm lächle, Ruki-chan“, meint Aoi auf einmal bittend. „Auf keinen Fall“, verneine ich. „Aoi wir haben dir doch schon gestern etwas gesagt“, weist Reita den anderen zu recht. „Ach man Reirei“, schmollend schiebt Aoi die Unterlippe vor. Ich schnappe mir einen Apfel und setze mich an den Küchentisch. Direkt beginne ich zu essen, damit sich die anderen nicht noch mehr sorgen. Der Apfel ist viel zu süß für meinen Geschmack. „Ach Kleiner, quäle dich nicht immer wegen ein paar Worten“, meint Reita und schaut mich lächelnd an. „Wie meinst du das, Reita?“, frage ich nach. „Du isst etwas, weil wir es wollen. Obwohl du genau weißt, dass es dir danach meist schlechter geht als vorher“, klärt mich Reita auf. „Aber“, setze ich an. „Nichts aber Ruki. Akzeptiere deine Lage“, neckend stupst Reita meine Nase. „Reita jetzt lass ihn doch einmal seine Sache machen. Er weiß was er zu tun hat. Und wenn er es für richtig hält, soll er sich selbst einen vormachen“, mischt sich Uruha ein. Er klingt ziemlich aufgebracht, warum wohl? Oder sind die anderen auch so zum ihm und deshalb kann er es nicht haben, wenn sie auch mit mir so umspringen? „Könnt ihr zwei bitte solche Gespräche vor ihm sein lassen?“, bittet Aoi die anderen beiden. „Danke“, meine Stimme zittert. „Und ihr zwei geht jetzt zur Schule“, weist der Schwarzhaarige die beiden zu recht. „Bye ihr zwei“, verabschiede ich mich und umarme sie. Sie winken noch kurz und schon sind sie auf und davon. Mit Tränen in den Augen stehe ich da, wie früher wenn mich beim Bruder allein zurück gelassen hat. Leicht wankend verlasse ich den Raum und suche Schutz im Badezimmer. Doch kurz bevor ich die Tür schließen kann, werde ich unsanft am Handgelenk gepackt. Vor Schreck schreie ich erst einmal. Was will er von mir? Was zum Teufel?! „Hey Ruki, ganz ruhig. Ich wollte dich nicht erschrecken“, versichert er mir und seine Stimme klingt so sanft. Wie eine Katze schlüpft er durch die Tür und nimmt mich in den Arm. Hemmungslos fange ich an zu weinen, ich will nicht zurück. Warum muss ich in diesem Teufelskreis gefangen sein, warum gibt es kein entrinnen? Vorsichtig streicht er mir über den Rücken und flüstert mir immer wieder beruhigende Worte ins Ohr. Ich will einfach nicht zu einer Therapie gezwungen werden. „Aoi mir ist so schlecht“, murmele ich wimmernd. Es fühlt sich so an als hätte mein Magen ein paar Saltos geschlagen. Und ich fühle mich so, als müsste ich jeden Moment wegen meinem eigenen Speichel ertrinken. „Komm ich koch dir jetzt einen Tee. Magst du wirklich nicht sagen, was los ist?“, fragt er bittend nach. „Wie denn? Es gibt nichts zu erzählen“, meine ich traurig. So wirklich weiß ich ja selbst nicht, warum ich gerade wieder einmal weine. Er führt mich in die Küche und hält mich die ganze Zeit fest in einer Umarmung, auch als er den Tee zubereitet. „Die Ärzte wollen dich genau wie wir, wieder gesund haben. Also habe keine Angst, okay?“, beruhigend redet er auf mich ein. „Wirklich?“, erwidere ich unsicher. „Na klar! Und morgen sehen wir uns wieder in der Schule, in Ordnung?“, schlägt er vor. Ich weiß gar nicht ob ich Morgen wieder in die Schule darf. „Ich hab Angst, wieder eingewiesen zu werden“, gebe ich zu. Ich will nicht zurück in die Klinik. „Wollten die im Krankenhaus dich einweisen?“, fragt Aoi ungläubig. „Ja, aber ich wollte nicht“, gebe ich ehrlich zu. „Ist es wirklich so schlimm in einer Psychiatrie?“, fragst du neugierig nach. „Ja, das ist es“, aber es kommt sicherlich auf die Einrichtung selbst an. In der einen Psychiatrie war es die Hölle. Ich selbst habe dort keine Rolle gespielt, es stand nur das Geld zur Debatte. Solange ich alles völlig von der Rolle galt, war alles in Ordnung. Doch irgendwann kam ich hinter das Spiel was dort getrieben wurde. Mein Großvater hatte den Arzt dafür bezahlt mich einige Zeit dazubehalten, damit mich niemand so abgemagert sehen konnte. Und jedes Mal wenn ich mir versucht hatte die Magensonde zu ziehen, wurde ich ans Bett fixiert und mit Tabletten vollgepumpt. „Warst du schon einmal in einer?“, fragt Aoi verwundert nach. „Zweimal. Ist aber schon etwas her“, antworte ich. Es kommt mir wie Ewigkeiten vor. Wie als hätte ich das alles in einem anderen Leben erlebt. Er tätschelt mir kurz den Kopf und lässt mich los. Er trägt die Teetassen zum Tisch, wo er sich auch direkt nieder lässt. Aoi rutscht etwas, als ich mich neben ihn auf die Bank setze. „Ruki schau mal. Dir geht es mittlerweile wieder viel besser als im Krankenhaus, auch wenn ich nicht weiß, was in dir vorgeht. Und das mit dem Essen bekommen wir auch so wieder hin. Und wenn sie dich einweisen wollen, werde ich das mit aller Kraft zu verhindern wissen“, versichert er mir und tätschelt liebevoll meinen Arm. Ich bedanke mich bei ihm und lege meine Hände um die Tasse. „Du brauchst dich nicht dafür zu bedanken“, meint er belustigt. „Kannst du mir gleich helfen beim umziehen?“, schließlich kann ich den Arm immer noch nicht wirklich heben. „Natürlich“, erwidert er breit grinsend. „Pädophiler Opa“, meine ich Zunge rausstreckend. Es erregt ihn bestimmt, mich nackt zu sehen. „Ruki!“, empört schaut mich Aoi an. „Ist ja schon gut“, murmele ich leise. Aoi kann man ganz leicht mit solchen Sprüchen aus der Fassung bringen. Deshalb sage ich sie ja, da ich weiß wie er ungefähr reagiert. Und ich weiß auch, dass er eigentlich nur gerne anderen Menschen hilft und mehr auch nicht. „Du bist ganz anders, wenn Reita nicht da ist“, stellt Aoi fest. „Wirklich?“ , frage ich verunsichert nach. Soll ich seine Aussage jetzt eher positiv oder negativ auffassen? „Viel selbstbewusster“, erläutert er seine Aussage. „Nicht wirklich“, oder etwa doch? Nachdenklich beobachte ich den anderen. Er wirkt meistens erwachsen, obwohl er in vielen Dingen noch ziemlich kindlich ist. Es fällt mir einfach schwer ihn einzuschätzen. „Was bedeutet dir Reita?“, fragt mich der Kindskopf auf einmal. „Viel“, er hat schließlich schon sehr viel für mich getan. Und ohne ihn würde ich garantiert immer noch bei meinen Eltern wohnen und darauf hoffen von einem herabfallenden Satelliten erschlagen zu werden. „Wie viel?“, hakt Aoi weiter nach. Soll ich ihm wirklich verraten, wie viel der andere mir bedeutet? „Nur wenn du dicht hältst, sag ich es dir“, warne ich ihn und meine eigene Stimme klingt beängstigend. „Na klar“, versichert er mir und lächelt zuversichtlich. „Erst wie ein großer Bruder“, versuche ich es zu beschreiben. Er bedeutet mir mehr wie mein leiblicher Bruder. Und ich würde ihn auch für nichts in der Welt mehr hergeben. „Och wie süß!“, quietscht er. „Aoi!“, empört gucke ich ihn an. Er ist doch ein Junge, seit wann quietschen Jungen so? „Und was bin ich für dich?“, und direkt muss er mich weiter ausfragen, das war ja so etwas von klar. „Ein nerviger Zeitgenosse“, brummele ich leise. „Das war gemein!“, entgegnet er und verschränkt beleidigt die Arme vor seiner Brust. Manchmal frage ich mich schon, ob irgendwer genau das an ihm witzig findet. Uruha scheint es auf alle Fälle zu gefallen, wenn er so herum albert. Auch wenn er mal meckert, hat er meistens dabei ein Lächeln auf seinem Gesicht. Seufzend entschuldige ich mich für meinen Aussage. „Ach, kleiner. Wenn du so weiter machst, komme ich heute doch noch einmal vorbei“, überlegt er laut. Soll das jetzt eine Drohung sein?! „Kannst du machen“, dann ist es wenigstens nicht so langweilig. Immer wenn Aoi hier ist, ist es schön. Er bringt richtig Leben in die Bude. „Dann komm ich!“, erwiderst du freudestrahlend. „Wie kann ich mich noch vor dem Arzt drücken?“, frage ich ihn. Ich will schließlich nicht zum Quacksalber. Ich will einfach nur ins Bett. „Gar nicht, kleiner“, erwidert er und mustert mich besorgt. Warum macht er sich jetzt wieder Sorgen? Verheimlicht er mir etwa etwas? „Ich will aber nicht“, brummele ich leise. „Uns ist es egal, ob du willst oder nicht“, erwidert er und schaut mich mahnend an. „Mir aber nicht“, böse schaue ich zurück. Ich verstumme sofort, als Reitas Mutter in der Küchentür auftaucht. Die habe ich ja gar nicht reinkommen gehört! Dabei hätte ich wenigstens ihr Auto hören müssten. Scheinbar machen mich die Tabletten doch sehr unaufmerksam. Ich springe auf und verbeuge mich tief. „Guten Morgen ihr zwei. Ruki, dass ist doch nicht nötig“, begrüßt sie mich. „Guten Morgen! Ich bin dann mal den kleinen anziehen gehen“, meint Aoi. Aoi packt mich am Handgelenk und zieht mich ins Gästezimmer. „Und jetzt schön warm einpacken“, erklärt er mir. Er spricht manchmal so, als wäre ich noch ein kleines hilfloses Kind. Hoffentlich sieht er mich nicht als solches? Klar bin ich dank der Verletzung auf Hilfe angewiesen, aber ich bin schon lange kein Kind mehr. Vor sich hin summend entkleidet er mich bis auf die Shorts und zieht mir auch mehr als dicke Kleidung über. „Wir wollen ja nicht, dass du frierst“, meint er mit einem Lächeln, „Und mach uns ja keinen Kummer.“ „Werde mich bemühen“, versichere ich ihm. Mit Tränen in den Augen schaue ich ihn an, ich will da einfach nicht hin. Ich will nicht schon wieder diese Worte hören. Ich weiß doch selbst, dass mein Leben einer ganz schlechten Seifenoper gleicht. Aber solche Aussagen helfen mir nicht weiter und ich bräuchte einfach einmal wen, der mir wieder auf die Beine hilft. Und der mir nicht das Gefühl gibt Schuld an dem Ganzen Schlamassel zu haben. „Hey, ist schon okay. Reitas Mum passt ja auf dich auf“, aufmunternd tätschelt er meinen Kopf. Ich nicke und umarme ihn. „Komm wir müssen“, meint er. Ist es wirklich schon Zeit? Ich schüttele den Kopf und seufzend hebt er mich hoch, trägt mich runter. Auf einen neuen Höllenstrip! Nach etlichen Gesprächen, Ratschlägen und Gähnen meinerseits soll mir jetzt Blut abgenommen werden. Eisern halte ich meinen Arm fest, von mir bekommen sie keins! Reitas Mutter redet unaufhörlich auf mich ein, aber ich bin kein Blutspender, also nichts da! Ich hasse so etwas einfach und will nicht ständig gepiekst werden. Es kommen noch zwei weitere Personen herein, jetzt sind es fünf, die mich festhalten sollen. Mit vereinten Kräften brechen sie den Schutzwall, drücken mich auf die Liege. Etwas schnürt mir die Luft ab, meine Atmung wird unregelmäßig. Tränen schießen in meine Augen, Angst steigt auf. Reitas Mutter nimmt mein Gesicht vorsichtig in ihre Hände, zwingt mich so in ihre Augen zu sehen. „Ganz ruhig Ruki, es passiert dir wirklich nichts“, Reitas Augen, „konzentriere dich auf irgendetwas, was du mit Reita und den anderen gemacht hast, in Ordnung?“ Ich schlucke die Tränen herunter, versuche mich verzweifelt an die Vergangenheit zu erinnern. Die drei geben mir etwas, was ich nicht kenne. Ob ich jetzt endlich lerne, was Vertrauen und Freundschaft bedeuten? Ein kleiner Pieks, vor Schmerzen presse ich die Augen zu. „Es dauert nicht lange Ruki, versprochen“, versichert sie mir. Ich spüre wie der Arzt die Nadel raus zieht und augenblicklich wird mir schwarz vor Augen. Es ekelt mich an, total. Das kalte Metall auf nackter Haut, die Schmerzen, das Drücken, das Blut. Es ekelt mich an. Obwohl ich mir früher selber Wunden zugefügt habe, ekelt es mich an. Vor allem das Band um meinen Arm, das gefühlt von gestautem Blut ekelt mich an. „Bleib wach Ruki!“, fordert mich Reitas Mutter auf. Jemand legt mir einen kalten, nassen Lappen über Augen und Stirn und lagert meine Beine hoch. Ich spüre wie Reitas Mutter mir langsam über die Wangen streicht und höre, wie sie irgendetwas mit dem Arzt bespricht. Langsam entspanne ich mich, werde ruhiger. Sie tätschelt mir leicht auf die Wange, nach scheinbar unendlichen Minuten. „Wir können gehen, wenn es dir wieder gut geht“, meint sie. Ich nehme das Tuch von meinen Augen und sehe sie aus halb geöffneten Augen an. Am ganzen Körper bebend stehe ich auf und stütze mich an ihrer Schulter ab. „Bleib lieber noch etwas liegen“, bittet sie mich. „Es geht schon“, schwach lächele ich. „Ruki, jetzt lüge dich nicht selber an“, ermahnt sie mich. „Ich möchte lediglich hier weg“, und das möchte ich wirklich. „Reita hat Recht, du kannst manchmal echt anstrengend sein“, sie klingt ziemlich genervt. „Nett“, brummle ich vor mir her. „Jetzt komm schon Ruki, sei vernünftig“, bitte sie mich noch einmal. Warum soll ich vernünftig sein? Ich will lediglich nach Hause, das ist alles. Der Desinfektionsmittelgestank ist einfach unerträglich. Zudem machen mir die ganzen Spritzen Angst. Nachher kommt der Arzt noch einmal und will mir was spritzen? „Bin ich aber nicht! Ich will hier auf der Stelle weg!“, trotzig schaue ich sie an. „Beruhige dich. Du musst noch länger mit mir auskommen“, sie scheint echt sauer zu sein. Reitas Schwester ist genau wie sie. Man kann beide anscheinend sehr leicht verärgern. „Ja, aber können wir aber trotzdem nach Hause?“, ein flehender Unterton liegt in meiner Stimme. „Na klar“, gibt sie sich letztendlich doch geschlagen. Sie stützt mich so gut es geht beim raus gehen. Immer wieder wird mir schwarz vor Augen, aber ich habe tapfer durchgehalten. Endlich sitze ich auf dem Beifahrersitz und jetzt geht es endlich nach Hause. „Isst du gleich mit?“, fragt sie. „Ich denke schon“, obwohl ich keinen Hunger verspüre. „Nicht ich denke, du tust, ja?“, verbessert sie mich. „Schlafen“, erwidere ich. Ich bin nach wievor ziemlich müde. „Wir sind ja gleich zu Hause“, erwidert sie. Gleich ist ein dehnbarer Begriff. Schließlich ist das Krankenhaus nicht gerade direkt um die Ecke. Und die ganzen Einbahnstraßen machen das ganze nicht gerade besser. „Du gehst morgen in die Schule, oder?“, fragt sie mich. „Klar“, warum sollte ich auch nicht hin gehen? „Das hört sich ja gut an“, antwortet sie neutral. Ich seufze laut und schließe die Augen. Ich will schlafen! Sofort! „Ruki ich will dich jetzt nicht beunruhigen oder so“, meint sie unsicher. „Mit was denn?“, fragend hebe ich beide Augenbrauen. „Die Sozialarbeiterin setzt uns momentan unter Druck. Auf jeden Fall hat das der Arzt gemeint“, erzählt sie mir. Haben die beiden eben darüber gesprochen? Das würde auch erklären, warum ich einige Zeit mit der Arzthelferin alleine war. „Und was bedeutet das?“, hake ich nach. „Du kommst wahrscheinlich bald in ein offenes Heim, da sie meinen, wir können dich nicht gut genug versorgen. Sie ist der festen Überzeugung, dass du verhaltensgestört, schwer suizidgefährdet und so weiter bist. Außerdem hast du eine Essstörung, schwere Depressionen und einen Hang dazu, dich selbst zu verletzen“, erklärt sie mir. Dann weiß die gute Frau vom Sozialamt ja mehr wie wir alle zusammen. „Wow“, staune ich. Da ist es eigentlich schon ein Wunder, dass ich überhaupt entlassen wurde! Eigentlich müsste ich doch dann auf der Geschlossenen sein und nicht in ein Heim kommen? Wie wollen die in einem Heim sicher gehen, dass ich mich nicht einfach umbringe? „Dass du dich mehrmals selbst verletzt hast, da stimme ich zu. Aber momentan machst du es ja nicht. Und ich an deiner Stelle, würde auch erst einmal nicht viel oder gar nichts essen. Und suizidgefährdet bist du bei weitem nicht. Und für schwere Depressionen lachst du zu viel und du kommst auch eigentlich recht gut mit dem Alltag zurecht. Ich frag mich echt, woher die die maßlosen Unterstellungen her holt“, regt sie sich auf. Wahrscheinlich meint sie das wegen dem Gespräch im Krankenhaus. „Wegen der einen Therapiestunde beim Psychologen und weil ich mit ihr nicht viel geredet habe“, gebe ich kleinlaut zu. Das muss ich leider ehrlich zu geben, dass ich wahrscheinlich selbst Schuld bin an dieser Meinung. Vielleicht hätte ich einfach den Mund aufmachen sollen. „Oh man“, seufzend guckt sie mich kurz an. Welche Suppe habe ich mir nur dieses Mal wieder eingebrockt. Ich will in kein Heim, denn dort herrscht Gewalt. Nachher gelange ich dadurch noch an Drogen? „Ich werde noch einmal mit ihr reden, aber versprechen kann ich nichts“, versichert mir seine Mutter. Es wäre ja auch zu schön um wahr zu sein, wenn ich jetzt nicht ins Heim müsste. „Wann soll ich denn reinkommen?“, erkundige ich mich. Hoffentlich haben wir noch viel Zeit bis dahin. Ich will definitiv nicht dorthin, da man von solchen Institutionen in der Regel nichts gutes hört. Aber es war auch klar, dass ich dort hinkomme immerhin bin ich quasi gerade erst von daheim weggelaufen. „Heute oder Morgen, genau haben sie sich nicht festgelegt“, erwidert sie frustriert. Die Aussage kam aber jetzt sehr plötzlich? Hat sie das auch gerade erst erfahren? „Kann ich es nicht verhindern?“, frage ich, obwohl ich die Antwort darauf schon längst kenne. Ich muss dahin, da irgendein Gericht so entschieden hat. Und wenn ich jetzt weglaufe, haben sie einen Grund dazu mich in ein geschlossenes Heim oder auch das Gefängnis zu stecken. Immerhin habe ich meinen Großvater bestohlen und zeige mich nicht wirklich kooperativ. „Du kannst lediglich den Aufenthalt verkürzen. Beweise ihnen wie stark du bist. Lächle und sei immer höflich und hörig“, rät sie mir. Ob mir dieses Verhalten wirklich nützen wird? „Ich werde es versuchen“, es kann ja nicht schaden. „Das schaffst du schon“, meint sie zuversichtlich. Ich möchte Reita nicht alleine lassen. Es wird sicherlich schwierig, wenn ich die erste Zeit wieder alleine unter fremden Personen bin. Im Krankenhaus hatte ich zwar auch niemanden, aber dort hatte ich wenigstens immer Besuch. Und diesen werde ich im Heim definitiv nicht haben. „Du hast ja unsere Nummer und wenn etwas sein sollte, dann ruf einfach an“, bietet sie mir an. „Egal wann?“, frage ich erstaunt nach. „Ja, wir sind immer für dich da“, verspricht sie mir. Das heißt ich darf sogar mitten in der Nacht anrufen, das ist toll. Ich bedanke mich höflich bei ihr und knete meine Hände. Ich hasse diese Ungewissheit einfach nur! „Nichts zu danken“, meint sie verlegen. Die restliche Fahrt schweigen wir und ich bin mehr als erleichtert, als ich endlich für mich alleine sein kann in Reitas Zimmer. Seine Mutter packt mir gerade ein paar Sachen ein in meinem Zimmer. In der Zwischenzeit darf ich Animes schauen, wie nett. Ich habe mich tief in seine Decke eingekuschelt und hoffe, dass ich wenigstens noch heute bleiben darf. Langsam drifte ich in die Traumwelt hinein. Irgendwann reißt mich ein Schrillen aus dem Schlaf und ich schrecke hoch. Das wird sie sein, garantiert! Erschöpft lasse ich mich zurück in die Kissen sinken und schließe die Augen wieder. Und tatsächlich, seine Mutter tritt mit dieser abartigen Frau in dieses Zimmer, denn nur ihr traue ich es zu, dass sie die Schuhe beim betreten eines Hauses nicht auszieht! „Bist du wach Ruki?“, fragt mich seine Mutter. Im Halbschlaf stehe ich auf und gehe auf Reitas Mum zu. Ich umarme sie und sie erwidert es. Irgendwie muss man der doch klar machen können, dass hier im Haus mein Platz ist, nur wie? „Ich wünsche dir alles Gute, wir reden noch, ja?“, verspricht sie mir. „Ich möchte hier bleiben“, meine ich weinerlich. „Im Heim ist es auch nicht ganz so schlimm“, versichert sie mir. „Aber da habe ich niemanden, der mich so gern hat“, dort bin ich ganz alleine. „Ach was Ruki. Komm ich bring dich noch bis zum Auto“, schlägt sie vor. Sie nimmt meine Hand und drückt sie sanft, aber bestimmend. Ich ziehe meine Schuhe und meine Jacke an und dann bringt sie mich zusammen mit einem kleinen Koffer raus zum Auto. Dort angekommen setze ich mich auf den Beifahrersitz. „Bis bald Ruki!“, verabschiedet sie sich von mir. Ich fange an zu schluchzen und die ersten Tränen fließen, als sie die Tür zuschlägt. Die Sozialarbeiterin fährt los und ich winke wie verrückt und muss dabei zusehen wie das Licht hinter einer Ecke verschwindet. Meine Tränen versiegen langsam und ich bin mehr als gespannt, wie der neue Käfig wohl aussehen mag. Es ist eine unangenehme Spannung, da ich einfach nur Angst davor habe was alles passieren könnte. Ich sehe ein ziemlich großes, trostloses Gebäude und sie fährt die Einfahrt dazu hinauf. Hier werde ich wohl die nächste Zeit wohnen, Ironie des Schicksals. „Ich werde dich dann mit den deinen Sachen auf dein Zimmer bringen, das Haus bekommst du dann später gezeigt“, erklärt sie mir. Ich nicke und steige aus, als sie mir die Tür öffnet. Schweigend gehen wir hoch und betreten einen großen Schlafraum. Hier schlafen bestimmt zwölf Kinder in einem Raum. „Hier das Bett ist dir. Gleich ist Essenszeit“, weist sie mich daraufhin. Ich nicke und verabschiede mich von ihr, ziehe danach die Vorhänge um mein Bett zu. Murrend ziehe ich mir einen Schlafanzug an und lege mich auf das Bett. Ich will hier weg, ich will zurück zu Reita. Leise bahnen sich wieder Tränen ihren Weg über meine Wangen. Warum kapiert das keiner? Ich möchte nicht von ihm getrennt sein. Nicht jetzt, nicht momentan. Wie können sie mir nur meinen letzten Halt nehmen? Wie kann ich hier schnell wieder raus kommen? Wenn ich einen Selbstmord vortäusche, aus einer Anstalt ist es leichter raus zukommen, wie aus einem Heim. Die beste Gelegenheit dazu wäre jetzt, gleich kommt garantiert jemand gucken. Oder es ist jemand hier im Raum. Bestimmt ist einer hier. Ich schluchze theatralisch auf, immer und immer wieder. Immer und wieder ramme ich mir die Fingernägel in den Arm, reiße somit Hautfetzen hab. Tränen laufen über mein Gesicht. Ich höre wie die Tür aufgestoßen wird und jemand den Vorhang zur Seite reißt. Nur am Rande nehme ich wahr, wie meine Hände fest gepackt werden und ich auf das Bett gedrückt werde. Sie reden auf mich ein, doch die Stimmen erreichen mich nicht hinter meinem Schutzwall. Ich spüre wie mir jemand etwas spritzt. Ich will mich wehren, aber es bringt nichts. „Ruki beruhige dich!“, meint jemand von denen bestimmend. Ich schluchze laut auf und will mich losreißen. Nur widerwillig lassen mich die Arme los. Ich drehe mich auf den Bauch und vergrabe somit mein Gesicht in dem großen Kissen. „Wir lassen dich jetzt ein wenig allein, okay? In ein paar Minuten kommen wir noch einmal gucken“, jemand zieht die Decke unter mir hervor und legt sie über mich, „Bis dann.“ Ich seufze laut auf, Versuch ist definitiv gescheitert. Was kann ich noch tun? Ich werde wohl meine Klassenlehrerin fragen müssen, vielleicht hat sie ja eine Idee. Ich seufze und komme wieder ein wenig runter. Immerhin, etwas anderes wäre nicht gut für meinen Blutdruck. Zudem macht mich das Medikament aus der Spritze ziemlich müde. Wieder öffnet sich die Tür und eine Betreuerin kommt an mein Bett. „Geht es wieder etwas Ruki?“, erkundigt sie sich und guckt mich besorgt an. Ich nicke und drehe mich auf die Seite. Eine Welle von Übelkeit überkommt mich. Wer ist nur auf die Idee mit dem Beruhigungsmittel gekommen?! Ich presse mir eine Hand auf den Mund und beginne zu würgen. Die Betreuerin reagiert sofort und schnappt sich den Mülleimer. Ich schüttele den Kopf, denn es hat wieder aufgehört. Wo auch immer diese plötzliche Welle von Übelkeit her gekommen ist. Mir ist immer noch ein wenig flau im Magen, aber richtig schlecht ist mir nicht mehr. „Komm ich bring dich auf die Krankenstation“, meint sie und guckt mich auffordernd an. Ich nicke und folge ihr auf wackeligen Beinen. „Bitte sag Bescheid bevor du umkippst“, bittet sie mich. Wieder nicke ich nur. Was soll ich auch groß sagen? Wir betreten einen noch größeren Raum wie den Schlafsaal. In diesem stehen jedoch auch weitaus mehr Betten. Sie ruft kurz nach wem und eine Person tritt in mein Sichtfeld. „Haben sie vielleicht etwas Stärkeres gegen Übelkeit? Dem jungen Herrn geht es nicht gut“, fragt sie direkt nach. Die Betreuerin flüstert der Dame etwas ganz leise ins Ohr, damit ich es ja nicht mitbekomme. Sie nickt und kommt wenig später mit ein paar Gefäßen und Tabletten auf mich zu. „Am Besten er bleibt über Nacht hier“, meint die Ärztin oder was auch immer sie ist. Die Betreuerin nickt und lässt mich mit dieser komischen Damen alleine. Diese führt mich auch direkt zu einem Bett am Fenster, wo ich mich erst einmal unter der Decke breit mache. Schrecklich unbequem sind diese Betten. Sie hält mir eine komisch gefärbte Flüssigkeit hin und ich schlucke diese, samt den Tabletten hinunter. „Schlaf etwas, dann geht es dir auch besser“, versichert sie mir. Ich nicke leicht und gleite irgendwann in einen traumlosen Schlaf. Am frühen Morgen werde ich unsanft aus dem Schlaf gerissen. Wie lange hab ich verflucht noch einmal geschlafen?! „Hey aufwachen, kleiner Mann“, begrüßt mich diese komische Dame vom Vortag. Ich schlage die Augen auf und murre ein wenig vor mir her. „Es gibt gleich Frühstück für dich. Es sind immerhin schon 9Uhr“, klärt sie mich auf. Frühstück und schon 9Uhr?! Ich muss mich in der Schule abmelden! Wenn das nicht Ärger gibt. Ich bin schon eine ganze Stunde zu spät dran! „Ich muss mich noch abmelden, in der Schule“, und das dringend. „Ja, natürlich. Warte ich hol dir kurz die Nummer deiner Schule und das Telefon“, lächelnd guckt sie mich an. Ich setze mich auf und halte mir den Kopf. Warum der auch immer jetzt weh tut. „Hier“, sie hält mir einen Zettel und das Telefon hin. Ich bedanke mich und wähle sofort die Nummer der Schule. Gott sei Dank ist jetzt Pause! Der Sekretär meldet sich direkt und nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich meine Klassenlehrerin sprechen will, verbindet er mich direkt weiter. „Ah Ruki, du lebst ja doch noch. Reita probt hier gerade den Aufstand“, meint die Lehrerin sichtlich amüsiert. Was meint sie mit Aufstand? Hat er sich solche Sorgen um mich gemacht? „Hallo. Tut mir Leid, dass ich so spät anrufe. Nur ich bin krank und kann deshalb nicht kommen“, erkläre ich ihr. „Du klingst auch gar nicht gut. Reita hat erzählt, dass du seit gestern im Heim bist. Gefällt es dir?“, fragt sie neugierig. „Ich hab noch nicht viel gesehen. Ich liege schon seit gestern Nachmittag krank im Bett herum“, und das Bett ist ziemlich unbequem. „Kommst du Morgen wieder?“, fragt sie weiter nach. „Ja, ich denke schon“, und das hoffe ich wirklich. „Können wir dann vielleicht morgen nach der Schule miteinander reden? Reitas Mutter kommt auch“, und was sollen wir dann groß bereden? „Natürlich. Ich muss jetzt Schluss machen“, schließlich kann ich nicht ewig die Telefonleitung belegen. „Ja, gute Besserung und ruhe dich schön aus“, wünscht sie mir. „Werde ich machen. Danke Ciao“, verabschiede ich mich. Sie verabschiedet sich und legt auf. Ich drücke den roten Knopf auf dem Telefon und reiche es der Dame. „Geht es dir besser?“, fragt sie. „Ja, denke schon. Nur irgendwie hab ich jetzt ganz andere Probleme wie gestern. Mein Kopf bringt mich um den Verstand“, er schmerzt richtig unangenehm. „Dann schlafe noch etwas. Oder willst du vorher ein wenig essen?“, fragt sie nach. „Ein wenig Ich esse nie viel wenn ich Kopfschmerzen habe“, auch wenn es vielleicht anders herum besser wäre. „Verständlich. Ist dir öfters so schlecht?“, hakt sie nach. „Manchmal. Aber der Arzt hat gemeint, das kommt von den Nerven“, und von der Psyche allgemein. Er meint das Hauptproblem ist einfach, dass ich dauerhaft im Fluchtmodus bin und mein Körper mit der Anspannung nicht klar kommt. „Was ist denn gestern vorgefallen, dass du dich so aufgeregt hast?“, fragt sie besorgt nach. „Ich habe gestern erfahren, dass ich ins Heim komme. Vorher hab ich ein paar Wochen bei einem Freund gewohnt und jetzt wurde er mir weggeholt“, erkläre ich und schaue traurig die Bettdecke an. „Deine Betreuerin hat irgendetwas in die Richtung gemeint, dass du absolut nicht zufrieden mit der jetzigen Situation bist“, meint die Dame. Wenigstens scheinen sich die Betreuer für mich zu interessieren. Ansonsten würde sie ja nicht solche Sachen behaupten, oder? „Ich möchte wirklich nur noch zurück zu ihm nach Hause“, das ist mein einziger Wunsch. „Vielleicht will die Sozialarbeiterin auch nur deine ganzen Fehltage in den Griff bekommen“, rät sie. „Das kann ich auch bei Reita“, mit Sicherheit. „Warum warst du überhaupt so oft nicht in der Schule?“, nachdenklich mustert sie mich. „Anfangs hatte ich zu viel Angst. Dann sind wir umgezogen und ich bin von zu Hause abgehauen. Und irgendwann danach wurde ich ja zusammengeschlagen. Als nächstes hatte mich ja einer niedergeschossen. Und durch die ganzen Beruhigungstabletten die ich nehmen musste, ging es mir die letzte Zeit nicht ganz so gut“, eine recht kurze Zusammenfassung gebe ich zum Besten. „Und trotzdem musst du sie nehmen?“, ungläubig starrt sie mich an. „Nein, muss ich nicht. Aber manchmal komm ich selbst nicht mehr mit meinen Gefühlen klar“, ich habe mittlerweile schon Angst vor mir selbst. Und dann nehme ich sie, weil ich mir nicht mehr anders zu helfen weiß. Früher habe ich mich dann immer geschnitten um irgendwie mit der Situation klar zu kommen. „Und was machst du dann?“, hakt sie nach. „Manchmal hilft mir Reita. Und wenn nicht dann, früher hab ich mich dann geritzt und jetzt schaff ich es auch so. Seit ich von zu Hause weg bin. Okay eigentlich erst seit kurzem, aber ich habe es in den Griff bekommen.“, auf jeden Fall denke ich dieses. „Das ist doch schön. Und sonst, mit dem Essen?“, wird das hier jetzt eine Fragerunde? „Ich verspüre kaum noch Hunger. Deshalb vergesse ich zwischendurch auch gerne einmal etwas zu essen. Aber es ist nichts Ernstes. Ich glaub nicht, dass ich ein drittes Mal eine Essstörung entwickelt habe“, schließlich war die Magersucht und alles nicht sehr schön. Und letztendlich war es ja noch nicht einmal eine klassische Magersucht, sondern einfach ein Resultat der posttraumatischen Belastungsstörung. Ich wollte ja nicht dünn sein, sondern einfach nur irgendetwas unter Kontrolle haben und mich mehr oder weniger selbst bestrafen. Ihre Augen strahlen eine unsagbare Wärme aus, ich fühle mich in irgendeiner weise Wohl. Vielleicht hilft das Reden mit ihr etwas? Vielleicht komme ich dann schneller raus? „Und wie ist es sonst so?“, fragt sie weiter. „Meinem sie allgemein mit dem Leben? Ganz gut, aber nur solange ich wieder zurück zu meinen neuen Freunden darf. Reitas Eltern sind total nett, okay ich kenne nur die Mutter. Nur ich fühle mich wirklich wohl da und ich vermisse auch absolut nicht meine alte Umgebung. Ich möchte mich nicht schon wieder auf ein komplett neues Leben einstellen müssen“, schließlich war der Einstieg in dieses Leben alles andere als einfach. „Warum erzählst du nicht alles den Leuten, die für dich zuständig sind?“, schlägt sie vor. „Die hören mir nicht zu“, die ignorieren mich eh nur. „Ein Versuch ist es wert“, ist es das wirklich? „Kann ich die ersten Nächte hier bleiben?“, frage ich unsicher nach. „Wieso denn das?“, fragend schaut sie mich an. „Uruha hat mir Angst gemacht“, laut ihm ist ein Heim kein Zuckerschlecken. Er hat gemeint ich solle auf mich Acht geben, da ich dank meiner Statur und meines Auftreten ein leichtes Opfer für andere darstelle. Und man merkt mir die Angst einfach direkt an und das merken solche Menschen direkt. „Ah Uruha ist ja auch zu der Suzuki-Familie gekommen. Wie geht es ihm?“, erkundigt sie sich. „Gut“, so weit ich das sehe. „Das ist schön zu hören! Also wenn die Leute mit ihm fertig geworden sind, dann wirst du ja wohl kein Problem sein“, wie meint sie das? War Uruha wirklich so schlimm? „Können sie mir vielleicht meine Schulsachen und so bringen?“, bitte ich sie. „Aber bevor du anfängst zu lernen, isst du etwas“, weist sie mich zu recht. Ich nicke und schaue auf meine Arme hinab. „Sag uns bitte Bescheid, wenn dich der Verband zwickt“, bittend schaut sie mich an. „Wozu ist der da?“, frage ich nach. „Damit kein Dreck an die Wunden kommt. Die Kratzer sind teils mehr als tief“, habe ich gestern wirklich so übertrieben? Ich entschuldige mich direkt. „Hey, es ist nun einmal passiert“, aufmunternd lächelt sie. Stimmt, die Zeit kann man leider nicht zurück drehen. Warum kam ich überhaupt auf die dumme Idee, so ein Theater zu veranstalten? „Meine Schulter tut weh“, meine ich weinerlich. „Die mit der Schusswunde?“, erkundigt sie sich. „Ja“, antworte ich nickend. „Wenn du etwas gegessen hast, kannst du Schmerztabletten nehmen“, bietet sie mir an. „Bekomme ich dann auch gleich essen?“, schließlich darf ich danach eine Tablette haben und dann kann ich schlafen. „Ja und deine Sachen auch“, die Sachen sind mir eigentlich nebensächlich. Ich seufze leise und kuschle mich weiter unter die Bettdecke. Mir ist kalt, auch wenn ich schwitze. Wieder hat die Dunkelheit mit ihren Händen nach mir gegriffen, schon wieder hat sie mich gefangen genommen. Schon wieder erstarre ich zu Eis, all die Wärme scheint verschwunden. „Die Betreuerin kommt gleich“, klärt sie mich auf. Ich nicke und schließe die Augen. Reita, warum? Warum muss ich gehen? Warum darf ich nicht bleiben? Nachdem ich einige Zeit vor mir her gedöst habe, werde ich sanft aus dem Schlaf gerissen. „Guten Morgen Ruki“, begrüßt mich die Betreuerin. „Hallo“, erwidere ich schlaftrunken. Ich öffne etwas die Augen und richte mich auf. „Du siehst auch wieder etwas besser aus als gestern“, lächelnd guckt sie mich an. Mir geht es auch ein wenig besser. Auch wenn meine Schulter und mein Kopf schmerzt. „Es ist ein Doppelzimmer freigeworden und wenn du willst, kannst du erst einmal alleine darein. Solange du dich anständig benimmst“, schlägt sie vor. Ich nicke, wundere mich aber. Warum vertrauen sie mir so? Ich könnte mich locker erhängen, einfach so, alleine, in dem Zimmer. „Dann gibst du mir am Besten noch deinen Stundenplan und halt wichtige Telefonnummern“, bittet sie mich. „Telefonnummern hab ich keine, außer Reitas“, die von Aoi und Uruha müssen sie schließlich nicht haben. „Na gut, aber den Stundenplan bekomme ich, ja?“, meint sie bestimmend. „Morgen muss ich aber länger bleiben und ich denke Mal, jemand wird mich dann hierhin bringen“, ich hoffe es einfach einmal. Denn ich weiß gar nicht wie man von der Schule hier her kommt. Die Busverbindungen und alles habe ich mir schließlich noch nicht angeguckt. Und das Heim liegt ja etwas außerhalb. „Das ist kein Problem. Dir geht es wieder gut, oder?“, fragt sie besorgt. „Denke schon“, auf jeden Fall hatte ich schon Tage, wo es mir eindeutig schlechter ging. „Ich werde dir einen Schlüssel für das Zimmer geben und ich vertrau dir. Dein Zimmer liegt nur wenige Meter von den Aufenthaltsräumen der Betreuer entfernt, wenn etwas sein sollte, komm einfach. Dafür sind wir da, um dir zu helfen. Und tue mir bitte noch einen Gefallen, lass den Schlüssel nicht stecken. Ich werde dich auf alle Fälle morgens wecken und dich persönlich zur Schule bringen, solange wie du noch keine eigene Fahrkarte hast. Ich habe mit Suzuki-san gestern telefoniert und sie hat mir einiges erzählt“, klärt sie mich auf. Fragend schaue ich sie an. Was seine Mutter der Betreuerin wohl alles erzählt hat? „Auch, dass du nicht sehr gesprächig bist“, lachend mustert sie mich. Ich zucke nur mit den Schultern und drohe wieder einzuschlafen. „Ich bring dich dann auf dein Zimmer, bevor du den Rest des Tages auch verschläfst“, meint sie. Leicht reibe ich mir über die Augen und schwinge lustlos die Beine über die Bettkante. Schweigend folge ich ihr auf mein neues Zimmer. „Ich bring dir dann gleich deine ganzen Sachen“, verspricht sie mir. Ich nicke und schlüpfe unter die Bettdecke. Das Beste was ich tun kann ist schlafen, schlafen um alles zu vergessen. -.-.-.-.-.-.-.- Disclaimer: nichts mir, nichts Geld Ich hoffe euch gefällt das Kapitel und ich würde mich sehr über Kommentare freuen fröhliche Weihnachten an alle ^^ 9.8: 3927 -> 5725 Wörter. 5725 → 6631 Wörter(11.07.18) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)