Gefangen in der Dunkelheit von Erdnuss91 (ohne Fluchtweg in einer fremden Welt) ================================================================================ Kapitel 12: Schwarze Schatten ----------------------------- Es ist jetzt schon eine Woche her, dass ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Reita habe ich die ganzen Tage gar nicht gesehen, bis auf den ersten und die letzten beiden Tage. Er hatte eine schwere Grippe und wollte nicht, dass ich mich bei ihm anstecke. Es ist schon erstaunlich wie leicht es ist jemanden aus dem Weg zu gehen, der im selben Haus wie man selbst ist. So oft es ging kamen Aoi und Uruha vorbei, damit ich wenigstens nicht allzu oft alleine bin. Ja und heute soll ich wieder zur Schule. Die ganzen Hausaufgaben habe ich nachgeholt und mit der Lehrerin habe ich vereinbart, dass ich die Arbeiten erst nächste Woche nach schreibe. Unruhig sitze ich auf meinem Bett und schwinge meine Beine vor und zurück. Ich bin nervös, denn heute ist es auch das erste Mal, dass ich wieder nach draußen gehe. Langsam aber sicher werde ich unsicher. Was ist wenn mein Großvater jemanden anderen dazu arrangiert hat die Sache zu Ende zu bringen? „Komm Ruki, lass uns gehen“, schlägt Reita vor. „Ja“, meine ich wild nickend. „Du benimmst dich manchmal echt noch wie ein kleines Kind“, lachend piekst er mir in die Seite. „Aoi ist schlimmer“, verteidige ich mich schmollend. „Das glaubst auch nur du“, neckt er mich. „Tatsachen muss man halt glauben“, meine ich und nicke bekräftigend. Er schüttelt kurz den Kopf und ich folge ihm nach draußen. Kurze Zeit fällt es mir schwer zu atmen, da Bilder der Vergangenheit meine Sicht trüben. Reita zieht mich entschlossen mit sich, als er es mitbekommt. Ob diese Flashbacks irgendwann der Vergangenheit angehören werden? „Das wird schon noch Ruki. Bleib einfach weiterhin tapfer“, meint er zuversichtlich. Ich brummele etwas vor mir her und ziehe meine Hand zurück. Er hat leicht reden, da er ja nicht niedergeschossen wurde. Still schweigend gehen wir weiter und ich bin mehr als erleichtert, als ich endlich auf meinem Platz in der Klasse sitze. Ein paar grüßen mir, doch ihre Namen habe ich schon längst wieder vergessen. Nur an den Namen der Klassensprecherin erinnere mich. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie auf mich zukommt. Innerlich seufze ich. Irgendwie habe ich absolut keine Lust auf eine Konversation. „Na Ruki? Wie war die Zeit bei unserem Idioten?“, fragt sie lächelnd. „Reita ist kein Idiot. Die Zeit war sehr schön“, erwidere ich ehrlich. Bei Reita habe ich ein Gefühl von Sicherheit und er gibt mir auch immer wieder zu verstehen, dass man mich gern haben kann. Bei meinen Eltern habe ich mich immer wieder wie ein Eindringling und der Schandfleck der Familie gefühlt. „Nach letzter Woche ist er schon ein Idiot. Aber wenigstens ist er heute wieder kommen. Ich habe schon gedacht, er wird nie wieder gesund“, gibt sie seufzend zu. „Solange war er ja auch nun wieder nicht krank“, verteidige ich den Blonden. „Stimmt, nichts geht über deine Fehltage“, neckt sie. Wie unverschämt ist sie eigentlich? Als hätte ich freiwillig so lange gefehlt! „Ich kann ja auch nichts dafür, wenn ein Irrer mich niederschießt“, erwidere ich empört. „Du nimmst auch jedes Fettnäpfchen mit, oder?“, fragt sie lachend. „Scheint so“, nuschele ich. Scheinbar wollte sie mich nur ein wenig aufziehen. Die Lehrerin betritt den Raum und Gott sei Dank lässt mich das Mädchen alleine. Die ersten Stunden schleichen nur vor sich hin und langsam bereue ich es, mir gegen den Rat von Reita ein Beruhigungsmittel hinter die Kiemen geschoben zu haben. Ich stehe auf und werde direkt von Reita leise angesprochen. „Wohin willst du?“, flüstert er besorgt. „Toilette“, meine ich nur und gehe nach vorne zu unserem Mathelehrer. Ich weiß gar nicht mehr wie er überhaupt heißt. „Kann ich vielleicht kurz auf die Toilette, Herr Lehrer?“, frage ich verlegen nach. Normalerweise gehe ich nie mitten im Unterricht raus. Und da ist es mir egal wie schlecht es mir geht. Schließlich könnte ich ja etwas wichtig verpassen! Und an meiner alten Schule wurden Toilettengänge während der Stunde nur gestattet, wenn man krank ist. „Ja“, antwortet und mustert mich besorgt. Sieht man es mir etwa an, dass etwas nicht stimmt? Ich verlasse noch langsam die Tür, bis ich auf dem Flur angekommen bin. Ich fange an zu sprinten und erreiche gerade noch rechtzeitig die Toiletten. Auf diese Weise wollte ich mein gegessenes Essen definitiv nicht wieder sehen. Keuchend stütze ich mich auf meine Arme und ringe nach Luft. Mehrmals muss ich husten und ich wünsche mir, ich hätte den Fehler nicht begangen. Seufzend wische ich mir den Schweiß von der Stirn und lehne mich an die Kabinenwand. Schwerfällig betätige ich die Spülung und warte darauf, dass es mir endlich besser geht. Doch der ekelhafte Geschmack in meinem Mund macht das alles nicht einfacher. Vielleicht hätte ich wen mitnehmen sollen, für den Fall de Fälle. Aber wenn ich noch länger hier sitze, kommt garantiert wer gucken, sicherlich. Meine Schulter schmerzt wieder höllisch, vielleicht hätte ich mich eben nicht auf dem Arm abstützen sollen? Mir kommt es so vor, als wäre alles nur ein böser, böser Traum. Ich rappele mich auf und wanke zum Waschbecken, wo ich mir erst einmal kräftig den Mund durch spüle. Warum nur fühle ich mich so vollkommen fertig? Ich höre wie sich die Tür öffnet und zwei Personen hastig auf mich zukommen. Als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre, schrecke ich zusammen. „Ruki-san geht es dir nicht gut?“, werde ich gefragt und ich nicke einfach nur als Antwort. Zu mehr bin ich definitiv nicht in der Lage. Leicht wimmere ich als mich erneut eine Woge der Übelkeit heimsucht. Ich wirbele herum und stürze in eine der Kabinen. Geräuschvoll übergebe ich mich und bekomme langsam aber sicher Panik. Jemand schlingt seine Arme von hinten um mich und hält mir notdürftig die Haare aus dem Gesicht. Eher unbewusst lehne ich mich zurück an einen starken Körper. Er streicht mir zaghaft über die Schläfen und Wangenknochen, als ich wieder vor mir her wimmere. „Hol einen Lehrer, Ta-kun!“, weist der eine den anderen an. Nur am Rande registriere ich die Stimme von demjenigen. Was macht Reita hier? Ich schließe langsam die Augen. „Hey nicht einschlafen. Ruki?“, er versucht mich anscheinend wach zu halten. „Reita“, murmele ich seinen Namen. „Dein Hemd ist ja voller Blut an der Schulter“, stellt er fest und besorgt streicht er mir durch die Haare. Ich nicke nur und lasse mich von ihm in eine Umarmung ziehen, kurz nachdem er die Spuren der letzten Minuten fort gespült hat. Es tut so unheimlich ihn gerade bei mir zu haben. Die Tür wird aufgerissen und jemand kommt auf uns zu. „Matsumoto-san?“, fragt der Lehrer geschockt. Ich nicke und schmiege mich weiter an Reita, der mir leicht über die Arme streicht. „Kannst du aufstehen?“, erkundigt sich der Lehrer unsicher. Ich schüttelte leicht den Kopf. „Reita trage ihn am Besten irgendwie zum Schularzt“, gibt er Reita den Auftrag. Ich werde hoch gehoben, woraufhin ich ein kleines Stück meine Augen öffne. „Schön wach bleiben, Kleiner“, bittet mich Reita lächelnd. Ich nicke und kralle mich an ihm fest. „Pass gut auf ihn auf, Suzuki-san“, meint der Lehrer zu dem Blonden. Er trägt mich schweigend aus dem Raum und ich schließe auf dem Weg zum Schularzt wieder die Augen. Meine Umwelt nehme ich kaum noch wahr und die gleichmäßige Abfolge seiner Schritte wiegt mich sanft in den Schlaf. Leicht wird auf meine Wange getätschelt und murrend öffne ich die Augen. Das hier muss wohl das Zimmer des Schularztes sein. Reita fordert mich auf, mich hinzusetzen und eher widerwillig leiste ich folge. Mit kritischem Blick merke ich, dass jemand meine Schuluniform geöffnet haben muss. Reita zieht sie letztendlich auch noch ganz aus und löst langsam und vorsichtig den Verband und die Kompresse von meinem Körper. Mein Magen rebelliert schon wieder und ich habe größte Mühe, dieses zu unterdrücken. Als ich endlich einen freien Oberkörper habe, lasse ich mich zurück auf die Liege sinken. „Was ist los Ruki?“, fragt er in Sorge. Ich ignoriere ihn gekonnt und versuche mich zu entspannen. Er drückt eine neue Kompresse auf die wieder blutende Wunde. „Ich habe deine Tabletten geholt. Gegen Übelkeit und alles, willst du sie haben?“, fragt er nach. Ich nicke leicht und stütze mich auf meinen Unterarmen ab, als er mir die Tabletten in die Hand drückt und ein Glas Wasser bereitstellt. Zitternd schiebe ich mir die Tabletten in den Mund und schlucke sie mit dem Wasser runter. Wann wird dieser Alptraum enden? Oder hat er gerade erst angefangen? „Bleib ruhig Ruki, ja? Willst du vielleicht abgeholt werden?“, erkundigt er sich und legt die Stirn in Falten. Ich nicke leicht und lege mich wieder hin. Wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, wenn ich es heute nicht noch einmal versuche mit der Schule. Allein der Schulweg hat mich vollkommen geschafft. „Ich frag gleich noch einmal die Klassenlehrerin. Erst ruhst du dich etwas aus, damit du wieder halbwegs auf deinen eigenen Beinen stehen kannst“, schlägst du vor. Der Arzt kommt mit einer neuen Kompresse und vielen Mullbinden an. „Du kannst aufhören Akira“, meint der Arzt zu Reita. Ich höre sehr selten seinen richtigen Namen. Dabei ist er eigentlich sehr schön. „Danke“, bedankt sich Reita lächelnd. Ich setze mich wieder auf und lasse den Arzt meine Schulter verbinden. „Am Besten du ruhst deinen Arm noch etwas aus, damit die Wunde nicht wieder aufgeht. Sie ist schon größten Teils wieder zu, aber es wäre ratsam den Arm nicht zu viel zu bewegen“, gibt er mir den Ratschlag. Ich nicke leicht, während Reita mir wieder die Sachen anzieht. „Soll er sich vielleicht noch etwas im Krankenzimmer ausruhen?“, fragt Reita den Arzt. „Wenn er will ja“, meint dieser lediglich. Ich nicke leicht und Reita hakt sich bei mir ein, als ich wieder auf meinen zwei eigenen Beinen stehe. „Gute Besserung Ruki, sag Bescheid wenn es schlimmer wird“, bittet mich der Arzt. Ich nicke leicht und beiße die Zähne zusammen. Darauf hoffend, dass dadurch das Zittern am ganzen Körper etwas nachlässt. Er führt mich wortlos in das Krankenzimmer und ich setze mich auf das nächst beste Bett. Ich lege mich unter die Bettdecke und schlinge sie so fest ich kann um mich. Irgendwie ist mir ganz schön kalt. Reita zieht während dessen die Vorhänge zu und mustert mich kritisch. „Ich werde der Lehrerin Bescheid sagen, sie kommt bestimmt gleich nach dir gucken. Schlaf bis dahin etwas“, bittet er mich. Ich nicke und schließe die Augen. Die Vorhänge rascheln und Angst erfüllt mich. Ich kann hier nicht alleine bleiben, dann wäre ich nämlich meinen Dämonen schutzlos ausgeliefert. Leise hauche ich deinen Namen und hoffe du bist noch nicht gegangen. Die Vorhänge rascheln erneut. Träge öffne ich die Augen. „Ja, Ruki?“, fragt er verwirrt nach. „Bitte bleib hier“, flehe ich. „Hab doch keine Angst, bitte“, verzweifelt guckt er mich an. „Ich will nach Hause“, teile ich ihm mit und gucke ihn traurig an. „Jetzt fange nicht schon wieder damit an“, meinst du genervt. Ich wimmere leise und kauere mich Schutz suchend zusammen. Bin ich ihm etwa Leid? Warum ist er denn jetzt plötzlich genervt? Die Tür wird geöffnet und ich verziehe mich ganz unter die Bettdecke. Der Vorhang raschelt, schon wieder. „Matsumotu-san?“, fragt jemand leise. „Lassen Sie ihn am Besten etwas in Ruhe. Haben Sie meine Mutter erreicht?“, fragte Reita höflich nach. „Nein. Ich würde Sie Ihn ja gerne nach Hause bringen lassen, aber dann müssten Sie wieder zurück zur Schule kommen“, meint die Frau. „Ich kann ihn unmöglich alleine zu Hause lassen. Er hat momentan extreme Angst vor dem allein sein“, gibt Reita zu bedenken. „Schon klar. Ich werde noch einmal Absprache mit dem Direktor halten. Geht es ihm ein bisschen besser?“, erkundigt sie sich nach meinem Zustand. „Nicht viel“, meint er. „Hat er Drogen genommen?“, fragt die Lehrerin gerade heraus. Auf was für Ideen kommt bitte die Frau?! Mir würde es gar nicht in den Sinn kommen illegale Substanzen zu mir zu nehmen. „Das sind die Beruhigungsmittel. Sie entfalten gerade ihre ganze Bandbreite an Nebenwirkungen“, rechtfertigt er sich. Hoffentlich ist es nur das und nicht eine neue bzw. alte Seite der Erkrankung. Ich habe schon länger Angst davor, dass das mit dem Essen nicht in sich behalten können wieder Normalität werden könnte. „Denkst du deine Mutter kommt gleich nach Hause?“, fragt sie nach. Reita verneint die Frage. Wenn ich nicht nach Hause gehen kann, was mache ich dann? Reita kann ja nicht den ganzen Tag an meiner Seite bleiben. „Ich lass euch gleich eure Sachen bringen. Bitte halt Ruki etwas bei Laune, Ja?“, bittet sie den Blonden. „Ja, werde ich machen“, erwidert er und sein Lächeln hört man schon fast heraus. „Denkst du er ist morgen wieder halbwegs fit?“, fragt sie hoffnungsvoll. „Klar, die Nebenwirkungen lassen sowieso in ein paar Stunden nach. Und danach müssen wir halt Mal schauen“, erwidert er mit fester Stimme. Bist du dir da ganz sicher, Reita? Und was ist wenn es mir dann immer noch so dreckig geht? „Versuch ihn am Besten etwas von den Tabletten weg zubringen. Ich bin mir sicher, dass er es auch ohne schafft“, meint die fremde Person zuversichtlich. Wie kann sie sich da so sicher sein? Sie weiß doch gar nichts über mich. „Der Meinung bin ich ja auch, aber er zeigt zurzeit einfach zu wenige Gefühle. Ich kann ihn schlecht einschätzen, ob er nun durchhält oder nicht“, gesteht Reita. Dabei zeige ich dir doch am meisten meine Gefühle, oder? Oder meint er ich rede nicht genug über diese? „Und der Psychologe macht nur noch mehr Probleme, oder?“, hakt sie weiter nach. „Ja, sowie es aussieht“, antwortet Reita. Leider komme ich mit dem Psychologen absolut nicht so recht. Mir fällt es schwer im zu vertrauen und vor allem fällt es mir schwer ehrlich zu ihm zu sein. Ich schlage die Decke zurück und beobachte die beiden kritisch. „Er ist ja doch noch wach. Matsumoto-san geht es ihnen wieder besser?“, fragt sie mich direkt. „Ja“, erwidere ich immer noch ein wenig schwach. „Gute Besserung und hoffentlich bis Morgen“, meint die Klassenlehrerin lächelnd und geht wieder. Warum habe ich sie nicht an der Stimme erkannt? Wahrscheinlich weil es sich durch die Decke so komisch gedämpft angehört hat. Sie bemüht sich schon ziemlich um mich und hat mehr in der kurzen Zeit getan als meine alte Klassenlehrerin innerhalb von einem Jahr. Reita kommt näher auf mich zu, um mir beruhigend über die Wangenknochen zu streichen. „Du hast abgenommen, schon wieder“, meint Reita tadelnd. „Ja, glaube schon“, bestätige ich und traurig gucke ich auf die Decke. Ich will eigentlich nicht abnehmen. Aber da ich nie Hunger habe, esse ich einfach viel zu wenig. Zudem schaffe ich immer nur kleine Portionen und habe kein Interesse daran sehr viele von diesen über den Tag verteilt zu mir zu nehmen. Wenn mich keiner ans essen erinnert, dann lasse ich es meistens ganz sein. Durch die Essstörung habe ich mir jegliches Hungergefühl abtrainiert und das wird momentan zum Verhängnis. „Ach Kleiner“, seufzend tätschelt er mir den Kopf. „Es tut mir Leid, das war nicht mit Absicht“, entschuldige ich mich direkt. „Ist doch nicht schlimm. Ich habe dich trotzdem noch gern und bin deshalb nicht sauer auf dich. Du solltest aber trotzdem mehr darauf achten“, meinst du beruhigend. „Was machen wir zu Hause?“, frage ich nach. „Deine Haare färben, ja?“, schlägt er vor. Wie kommt man denn bitte auf so eine Idee? Erlaubt das die Schule überhaupt? „Okay. Mir geht es auch schon ein wenig besser“, meine ich lächelnd. „Das ist gut zu hören. Aber du kommst trotzdem gleich nach Hause, dass es dir besser geht hat noch lange nichts zu bedeuten“, weist mich Reita darauf hin und viel sagend schaut er mich an. Die Tür wird geöffnet und geschlossen und kurze Zeit später erscheint Ta-kun bei uns. „Na Ruki, geht es wieder etwas?“, fragt er lächelnd, als er mich so gut gelaunt sieht. „Ja“, erwidere ich strahlend. Auf jeden Fall hat die Übelkeit etwas nachgelassen. „Reita darf dich jetzt nach Hause bringen. Komm morgen ja wieder“, bittet er mich. Ich nicke, rappele mich etwas hoch und schwinge die Beine über die Bettkante. Reita kommt direkt ein Stück näher und hilft mir aufzustehen. Meine Beine sind weich wie Pudding und geben letztendlich doch nach. Ich sacke nach unten und reiße fast Reita mit. Er zieht mich wieder etwas hoch und drückt mich zurück auf das Bett. Warum nur kann ich noch nicht einmal alleine stehen? So schlimme Nebenwirkungen hatte ich schon lange nicht mehr. „Ich schaff das nicht Reita“, meine ich weinerlich. „Na klar schaffst du das, Ruki“, versichert mir Reita. „Soll ich ein Taxi rufen, Reita?“, bietet der Klassensprecher an. „Lass mal stecken Ta-kun“, meint Reita lachend. „Bist du dir sicher Reita? Du kannst ihn schlecht mit der Bänderüberdehnung den ganzen Weg tragen“, gibt Ta-Kun zu bedenken. „Ja, da hast du recht Ta-kun. Ich trag ihn trotzdem lieber die Strecke nach Hause, anstatt mit einem Taxi zu fahren“, erklärt er ihm. „Wie du meinst. Ich bring euch zwei dann noch bis zur Tür“, gibt sich Ta-kun geschlagen. Ta-kun scheint wohl so ein Verhalten von Reita zu kennen. Er ist aber auch wahnsinnig stur. Ich nicke leicht und ziehe mich an Reita hoch. Meine Beine sind mehr als wackelig und er schlingt seine Arme direkt um meine Taille. Aber dieses Mal bleibe ich stehen und meine Beine geben nicht einfach nach. „Bleib stark kleiner“, meint Ta-kun und hält uns die Türe auf. „Trägst du die Taschen noch bis zum Schultor?“, fragte Reita höflich. „Ja“, meint der Klassensprecher. Zusammen gehen wir bis zum Schultor, wo Ta-kun Reita die Taschen um den Hals hängt. „Na dann einen guten Nachhauseweg und passt auf euch auf. Dann bis Morgen und gute Besserung Ruki“, lächelnd verabschiedet er sich von uns. „Danke Ta-kun“, murmele ich erschöpft vor mir her. Es sind nur noch wenige Straßen, bis wir endlich ankommen müssten. Bei jedem Schritt dreht sich alles mehr und mehr und ich drohe langsam oder sich zusammenzubrechen. Meine Sicht verschwimmt immer und mir ist wahnsinnig schlecht. Ein letztes Mal noch greife ich Halt suchend nach Reitas Oberarmen und greife ins Leere. Ich spüre kaum wie ich zu Boden falle und auch Reitas Rufen hört sich mehr als gedämpft an. Langsam öffne ich die Augen und blinzle erst ein paar Mal. Zitternd nehme ich das nasse Tuch von meiner Stirn und drehe mich auf die Seite. Wie lange ich wohl ohnmächtig war? Draußen ist es schon dämmrig und ich mir sicher, ich bin noch im hellen von der Schule losgegangen. Ich fühle mich richtig erschlagen. „Ah Ruki du bist wieder wach“, flüstert Reita. Mit müdem Blick drehe ich mich um und gucke in das grinsende Gesicht von Reita. „Geht es dir wieder besser?“, fragt er besorgt. „Ja, ich denke schon“, erwidere ich. „Ich hatte die Lehrerin aus purer Verzweiflung angerufen. Und sie hat gemeint es wäre wahrscheinlich alles in Ordnung. Ich soll dich nach Hause bringen und abwarten“, erzählt er mir. Das war wohl auch das Beste. Ich will ja schließlich nicht schon wieder in fremden Räumen aufwachen! Ich wache viel lieber bei Reita zu Hause auf. Dieses Haus gibt mir immer noch Sicherheit, auch wenn ich genau vor der Haustüre angeschossen wurde. Und ich hasse es einfach, wenn ich nur wegen einem einfachen Kreislaufzusammenbruch von einem Arzt untersucht werden soll. „Aber dir geht es gut, oder?“, fragst du immer noch besorgt. „Mir ist nur schlecht und ich bin ein wenig müde“, versichere ich ihm. „Dann esse erst einmal etwas und dann, dann sehen wir weiter“, meinst du lächelnd. Ich richte mich etwas auf und rutsche soweit nach hinten, dass ich mich am Kopfteil des Bettes anlehnen kann. Reita beginnt mich mit Reis und Gemüse zu füttern und ich bin mehrmals kurz davor, einfach dabei ein zu schlafen. „Meine Mum will, dass du Morgen auch noch etwas zu Hause bleibst. Also tue mir einen Gefallen und lass die Finger von Tabletten“, bittet mich Reita. „Ja“, erwidere ich und grabsche nach seiner Hand und spiele etwas mit den Fingern. Wäre mir nur nicht so verdammt langweilig. Am liebsten würde ich einfach weiter schlafen. „Die Haare färbe ich dir dann erst Morgen. Blau-schwarz mit etwas rot?“, meinst du lachend. Ich quieke leicht auf. Was will der bitte schön aus mir machen?! „Das war Aois Idee! Also ich finde sie toll. Lass und das einfach mal machen“, meint er beschwichtigend. Ihr macht mir langsam echt Angst! Worüber reden die, wenn ich nicht dabei bin? Ich nicke und hebe meinen Blick etwas um Reita in die Augen sehen zu können. Es erste Mal in meinem Leben kann ich behaupten, dass ich mich sicher in der Nähe eines Menschen fühle. „Schlaf etwas Ruki. Ich geh jetzt auch runter schlafen“, schlägt er vor. Schlafen hört sich echt gut an. Obwohl ich heute so viel geschlafen habe, bin ich immer noch verdammt müde. Ich nicke leicht und lege mich wieder richtig aufs Bett. „Schlaf gut, Kleiner“, wünscht er mir. „Gute Nacht, Reita“, wünsche ich ihm. Ich seufze leise und schließe die Augen. Es ist langweilig geworden definitiv. Den ganzen Tag nichts zu tun ist einfach nichts für mich. Als ich bei meinen Eltern war hatte ich meine komplette Freizeit mit lernen verbracht. Damit ging ich meinem Vater am wenigsten auf die Nerven und somit konnte ich auch zusätzlichem Ärger aus dem Weg gehen. Langsam schippere ich zurück ins Traumland. Sanft um spielen die Sonnenstrahlen meine Nase und bringen mich zum Niesen. Gähnend stehe ich auf und watschele die Treppe runter in Reitas Zimmer. Er ist anscheinend schon weg, naja was soll es. Vor mir her brummelnd schalte ich den PC ein und lege mich noch einmal eine Runde auf sein Bett. Nach einiger Zeit stehe ich wieder auf und logge mich ein. Auch hier wurde mir ein rosa Account eingerichtet, na besten Dank auch. Ich öffne mal wieder das Schreibprogramm und fange an zuschreiben. Habe ja sonst nichts zu tun, wie es scheint. Es ist auch sonst keiner zu Hause und so wirklich auf ein Buch oder den Fernseher kann ich mich ohnehin nicht konzentrieren. Obwohl sie mich kaum kennen haben sie kein Problem damit mich vollkommen alleine hier in diesem Haus zu lassen. Als es schon Nachmittag ist, speichere die Geschichte ab und begebe mich in die Küche, wo ich mir etwas zu Essen aus dem Kühlschrank hole. Während ich gemütlich vor mir her vegetiere kommt auch langsam aber sicher Reita nach Hause. Ich falle ihm direkt um den Hals. „Warum denn so stürmisch, Ruki?“, meint er lachend. „Ich habe dich vermisst und mir ist langweilig“, erwidere ich schmollend. „Ich will kein Mittel zum Zweck sein“, meinst du beleidigt. „Bist du auch nicht“, versichere ich ihm. „So komme ich mir aber gerade vor“, erwidert er und guckt mich traurig an. „Tut mir Leid. Hat irgendeiner noch was zu gestern gesagt?“, frage ich neugierig nach. „Nein, hat keiner. Außer dass du ruhig sagen kannst, wie mies es dir geht. Und außerdem soll ich dir gute Besserung wünschen“, antwortet er grinsend. Vielleicht hätte ich wirklich von Anfang an Klartext sprechen sollen. Dann wäre manchen Leute viel Arbeit erspart geblieben. Am Besten wäre es sowieso gewesen, wenn ich die Tablette nicht genommen hätte. „Dir geht es doch wieder gut?“, fragt er verdutzt nach. Anscheinend verwirre ich ihn immer noch, wenn ich nicht auf alles direkt eine Antwort gebe. „Besser wie gestern auf jeden Fall“, versichere ich ihm lächelnd. „Uruha kommt auch gleich“, klärst du mich auf. „Wieso?“, frage ich verwundert nach. „Der will dir die Haare färben“, meinst du lächelnd. „Sind wir heute alleine hier?“, erkundige ich mich. Es war ja schließlich heute keiner aus mir hier, oder? „Ja, das sind wir. Mein Stiefvater ist auf Geschäftsreise, meine Oma bei meiner Tante und meine Mum ist bei ihrem Bruder“, erklärt er mir. Also haben wir sozusagen sturmfrei und können machen was wir wollen. „Das kann ja noch etwas werden“, merke ich an und seufze leise. Reita drückt mich sanft von sich und ich gehe ihm vor ran in sein Zimmer. Dort angekommen setze ich mich erst einmal auf sein Bett. „Ich habe deine Hausaufgaben dabei. Kannst sie ja jetzt schnell machen“, meinst du plötzlich. „Muss das sein?“, frage ich genervt. „Ansonsten bekommst du massig Ärger“, mahnend schaut er mich an. „Uhm…“, erwidere ich lediglich. Seufzend erhebe ich mich, um mich an seinen Schreibtisch zu setzen. Wie ich Hausaufgaben doch hasse. Leise vor mir hin summend drehe ich den Stift in meinen Händen und gucke Reita dabei zu, wie er verzweifelt nach seinem Hausaufgabenheft sucht. Seit ich bei ihm bin, gleicht sein Zimmer einem Schlachtfeld, sogar Uruha ist das schon aufgefallen. Es klingelt und ich springe auf, renne im rasenden Tempo zur Tür, die ich auch direkt mitnehme. Mein Anhalteweg war doch länger als erwartet. Hastig öffne ich diese und blicke in zwei Paar braune Augen. Ich habe gedacht nur Uruha kommt und das ohne Aoi? Naja sei es darum. Ich umarme beide kurz und lasse sie eintreten. „Du bist echt niedlich, wenn du dich so verhältst, Ruki“, meint Aoi quietschend. „Ich bin nicht niedlich!“, erwidere ich verärgert. „Wie ein kleines Kind bist du, keine Widerrede“, böse schaut mich der schwarzhaarige an. „Ich bin kein kleines Kind, riesiger Idiot!“, beleidige ich ihn. „Lieber ein riesiger Idiot als zurückgeblieben in der körperlichen Entwicklung!“, neckt er mich weiterhin. „Du hast doch keine Ahnung!“, rechtfertige ich mich und langsam sammeln sich die Tränen an. Ich habe größte Mühe diese zurück zuhalten und Aoi nicht diese Genugtuung zu geben. „Natürlich habe ich davon Ahnung!“, weist er er mich zu recht. „Bei weitem nicht!“, erwidere ich und funkele ihn wütend an. „Och wie niedlich, allein dieser Blick“, provoziert er weiterhin. Wütend stapfe ich auf ihn zu und werde bei halbem Wege von Uruha in den Arm genommen. „Komm beruhige dich wieder. Und du Aoi hör auf ihn immer zu ärgern. Du weißt genau, dass er Ruhe braucht“, tadelt Uruha Aoi direkt. „Ist ja schon gut Uruha“, meint Aoi nur schmollend. Reita kommt langsam um die Ecke geschlendert und guckt uns fragend an. „Wollt ihr etwa im Flur übernachten? Naja meinetwegen. Uruha du kannst Ruki hier unten im Bad die Haare färben und schneiden, du Aoi hilfst mir beim Schlafstätten aufrichten im Gästezimmer“, weist uns Reita alle zu Recht. Ich trotte langsam hinter Uruha ins Badezimmer und setze mich dort auf den Rand der Badewanne. „Du hast dir schon Mal damit die Haare gefärbt?“, fragt er und hält eine Packung hoch. Ich nicke und sorgsam mustere ich ihn. Ich werde aus ihm einfach nicht schlau. Schweigend verbringen wir die Zeit, während dem Haare färben und dem anschließendem Farbe auswaschen. Auch als er mir die Haare schneidet, verweilen wir im Stillen. Der Föhn ist mehr als angenehm warm. Als er fertig ist, gehen wir zusammen hoch zu den anderen beiden. Er ist so schrecklich einfühlsam und manchmal habe ich Angst davor, dass ich ihn mit einer Art zu sehr belaste. Ich bin schrecklich anhänglich und depressiv und gehe ihm wahrscheinlich wie Reita damit unheimlich auf den Keks. „Du bist ja jetzt noch süßer, klein Ruki“, teilt mir Aoi mit und umarmt mich störmisch. Ich knurre leise und drücke ihn leicht von mir und gehe zu Reita. „Das steht dir echt Ruki. Es macht dich ein wenig frecher und es passt wunderbar zu deinem roten Schlafanzug mit den gelben Noten drauf“, meint er und irgendwie ist mir gerade jetzt genau dieser Schlafanzug peinlich. Aber ich bedanke mich trotzdem, da er es wahrscheinlich nicht böse meint. „Für Tatsachen bedankt man sich nicht, Kleiner“, meint er lächelnd. Ich gähne und krauche unter die Bettdecke. Irgendwie bin ich jetzt schon müde, dabei ist es noch gar nicht so spät und so wirklich aktiv war ich ja heute auch nicht. Oder liegt es einfach daran, dass mein Körper sich immer noch von der Schussverletzung erholen muss? „Bist du dir sicher, dass es dir gut geht Ruki?“, fragt mich Reita direkt in Sorge. „Ich denke schon“, erwidere ich erschöpft. „Was hast du denn, kleiner?“, fragt Aoi seufzend. „Bin gerädert“, murmele ich. „Ach Ruki-chan. Soll Mama Aoi dich ins Krankenhaus bringen?“, bietet mir Aoi neckend an. Seine wann zum Teufel ist Aoi Mutter oder Tante oder was auch immer geworden?! „NEIN!“, schreie ich direkt verneinend. „Schrei nicht so Ruki“, bittet Aoi mich. Ich nicke und lege mich bequemer hin. Sicherlich werden mich die drei die ganze Nacht wach halten. Dabei brauch ich Schlaf, wenigstens ein paar Stunden. Ich versuche einzuschlafen, doch ich scheitere kläglich. Ich lausche ihren Gesprächen, um mich wenigstens etwas ablenken zu können. Leicht lächle ich, als Reita Aoi eine runter haut. Ist er immerhin auch selbst Schuld, man kann auch einfach mal seine Späße sein lassen, bevor es zur Katastrophe kommt. „Klein Ruki ist ja auch noch wach“, meint Aoi lächelnd. Manchmal ist er ein ganz schöner Blitzmerker. „Warum auch nicht?“, fragt Reita. „Kleine Kinder sind normalerweise zu dieser Uhrzeit schon längst am pennen“, provoziert mich Aoi. Ich bin weder klein, noch ein Kind! „Aoi, ich habe dir schon heute Mittag nahe gelegt, dass du ihn nicht ärgern sollst“, meint Uruha. „Das war heute Mittag und nicht jetzt“, gibt Aoi zum Besten. „Sei einfach ruhig und lass ihn in Ruhe“, meint Reita schroff. „Ach ist der Winzling etwa empfindlich?“, fragt Aoi. „Aoi!“, mahnt Reita ihn noch einmal. „Wie kann man nur so sensibel sein“, gibt Aoi genervt von sich. Ich drehe mich um und verkrieche mich unter die Bettdecke. „Siehst du was du angerichtet hast?!“, verteidigt mich Reita. „Hey ist schon gut, hab verstanden“, meint Aoi abwehrend. Stumm rollen mir die Tränen über die Wangen. Bin ich wirklich so sensibel? Aber nach all dem was ich durch gemacht habe, ist es doch verständlich? Lieber sensibel, als total abgestumpft. „Ruki, alles okay?“, fragt Reita mich besorgt. Ich schlinge die Bettdecke fester um mich und wische mir notdürftig mit dem Handrücken über das Gesicht. Ich weiß nicht, ob ich wirklich okay bin. Warum muss ich nur immer sofort anfangen zu weinen? Ich bin doch kein Kind mehr. „Ich geh mal kurz mit Aoi raus. Okay Ruki?“, klärt mich Uruha auf. Ich höre wie die Tür geht und jemand näher kommt. Dieser jemand rüttelt ein wenig an mir, bevor er die Bettdecke sanft aus meiner Umklammerung reißt. Eher widerwillig lasse ich das zu. „Was ist denn los, Ruki?“, fragt Reita interessiert nach. „Warum muss er mich immer so ärgern?“, frage ich schluchzend. „Das ist halt Aoi, mach dir nichts daraus“, versucht er mich zu beruhigen. „Es tut aber weh“, bringe ich zwischen den Schluchzern hervor. „Hey ganz ruhig“, bittet er mich und sanft streicht er mir über die Wange. Immer wieder streicht er die Tränen weg, aber ich kann einfach nicht aufhören zu weinen. „Warum?“, frage ich verletzt nach. „Ich weiß nicht warum er dich so ärgert“, stellt er traurig fest. „Aber“, setze ich zum sprechen an. „Ganz ruhig Ruki. Ich rede morgen noch einmal mit ihm, okay?“, bietest du mir an. Ich nicke leicht und greife nach seiner Hand, drücke diese leicht. Ganz langsam hören die Tränen auf zufließen. „Geht es wieder etwas?“, fragst du lächelnd. „Denke schon“, teile ich ihm mit. Vielleicht muss ich mich erst einmal an die Sprüche von Aoi gewöhnen. Ich bin das einfach nicht mehr gewöhnt, dass man Personen auch liebevoll necken kann. Meine Klassenkameraden haben das immer gemacht um mich zu verletzen und sie wussten halt welche Knöpfe sie für einen größtmöglichen Schaden drücken mussten. Er zieht mich etwas hoch und umarmt mich. „Du bist blass. Ist sonst alles in Ordnung?“, fragt er besorgt. „Mir ist schlecht“, antworte ich. Oder eher mir ist etwas Flau im Magen. Vielleicht ist es auch nur das fehlende Essen, was sich langsam bemerkbar macht. Oder mir ist von der ganzen Aufregung schlecht. „. Sollen wir vielleicht etwas raus gehen?“, schlägt er vor. „Zu kalt“, meine ich lediglich. „Lass uns in Bad gehen, damit du dir dein Gesicht waschen kannst“, startest du einen erneuten Versuch um mich zum Aufstehen zu bewegen. Er löst die Umarmung und ich stehe auf, um ihm ins Bad zu folgen. Dort angekommen wasche ich mir erst einmal mit Seife und kaltem Wasser das Gesicht. „Du kannst ja jetzt deine Hausaufgaben machen. Ich muss sie auch noch machen“, schlägt er vor und guckt mich lächelnd an. Schweigend gehen wir in sein Zimmer, wo ich mich auf dem Bett niederlasse. Er hält mir meine Hefte vor dir Nase und sein Hausaufgabenheft. „Wenn du irgendwo nicht weiter kommst, sag es ruhig“, meinst du. Ich nicke bestätigend. Sorgfältig erledige ich die Hausaufgaben und schaue ab und an aus dem Fenster. Ich bin mir mehr als unsicher, wie ich mich gegenüber Aoi verhalten soll. Er kann zwar nett sein, aber mit seinen Witzen tritt er mir einfach zu Nahe. Denn er weiß nicht, was passiert ist. Und darüber bin ich auch mehr als froh. Aber wie soll er auf mich Rücksicht nehmen, wenn er gar nicht weiß was mich alles triggert? „Ruki du bist ja total blass. Stimmt irgendetwas nicht?“, fragt Uruha, als er eintritt. Ich schüttele den Kopf und beim Gähnen halte ich mir notdürftig die Hand vor den Mund. Gott sei Dank bin ich schnell fertig mit den Aufgaben. Reita ist auch gerade fertig geworden. „Reita?“, spreche ich den Blonden an. „Ja, Kleiner“, verwirrt guckt er mich an. „Ich schlafe lieber hier unten“, sage ich. Vielleicht finde ich dann eher zur Ruhe und schaffe es ein paar Stunden zu schlafen. „Wieso? Hast du Angst vor Aoi?“, hakt er nach und guckt mich fragend an. „Ich will etwas allein sein und nachdenken“, antworte ich knapp angebunden. „Willst du vielleicht darüber reden?“, fragst du direkt nach. Ich lehne sein Angebot dankend ab. „Aber sag Bescheid, wenn irgendetwas ist“, meint er mahnend. „Werde ich schon. Weckst du mich morgen?“, frage ich lächelnd. „Ja, kann ich machen“, und dieses Mal erwidert er auch mein Lächeln. Das Schulzeug räume ich vom Bett, bevor ich unter die Bettdecke krauche. „Dann träume was schönes. Ich geh dann hoch“, verabschiedet sich Reita. Uruha nickt zustimmend und ich murmle ein „Gute Nacht“ vor mir her. Ich ziehe die Bettdecke bis zur Nasenspitze, als das Licht ausgeht. Wie ich Dunkelheit doch hasse. Sie erinnert mich immer wider an längst vergangenes, an qualvolle und ungewisse Stunden in der Nacht. Ich hauche mir etwas in die Hände, um wenigstens etwas die Kälte von mir zu vertreiben, die mich von innen heraus auffrisst. Es hilft nichts, ich weiß nicht wie lange ich nun zitternd hier liege. Meine Muskeln schmerzen schon und die Angst treibt mir den Schweiß auf die Stirn. Auch wenn ich vor Aoi dann noch schlechter dastehe, am Besten gehe ich einfach hoch zu anderen. Ich kann noch nicht einmal sagen wovor ich gerade ganz konkret Angst habe. Erst kann ich mich kaum auf den Beinen halten als ich aufstehe, doch nach einer Weile geht es. Ich renne schon regelrecht hoch, soviel Angst habe ich. Erst als ich vor der Tür stehe, bemerke ich, wie lächerlich ich mich verhalte. Schwer atmend lasse ich mich an der Flurwand runter rutschen. Ich will mich so nicht den anderen zeigen, nachher hassen sie mich. Ich muss mich endlich erwachsener benehmen und nicht mehr wie ein kleines verängstigtes Kind. Panisch krauche ich den Flur entlang, als die Zimmertür aufgeht. „Hey bleib stehen Ruki“, meint jemand lachend. Ich atme erleichtert auf, da es nur Reita ist. „Re-Reita?“, frage ich trotz allem ängstlich nach. „Warte Mal Ruki“, meint er immer noch lachend. Er schaltet das Flurlicht an und kommt ein bisschen näher und hält mir eine Hand hin. Dankend nehme ich das Angebot an und ziehe mich an der Hand hoch. „Also was ist los Ruki?“, fragst du besorgt nach. „Können wir vielleicht unten reden?“, bitte ich ihn. Er guckt mich leicht verwundert an, folgt mir aber trotzdem nach unten in die Küche, wo wir uns auf zwei Stühle setzen. „Jetzt sag nur du hattest eben Angst rein zukommen?“, fragt er verwundert nach. Ich bestätige unsicher seine Vermutung. „Nur wegen Aois Worten? Nimm dir diese doch nicht zu Herzen. Klar bist du manchmal ein wenig überempfindlich, aber das ganze ist ja auch verständlich. Du hast halt kein Selbstwertgefühl, weil du immer so untergeordnet wurdest“, meint er und kippt auch noch zusätzlich Salz in die Wunde. „Aber“, verteidige ich mich. „Nichts aber! Ruki, lass dir einfach nichts von ihm gefallen. Dann bist du halt sensibel, na und? Nimm dir solche Sachen einfach nicht zu Herzen“, teilt er mir ziemlich schroff mit. „Aber“, setze ich wieder zur Verteidigung an. „Ruki!“, tadelnd schaut er mich an. Nervös spiele ich mit meinen Fingern unter dem Tisch. „Komm lass uns hochgehen. Morgen sieht die Welt eh wieder anders aus“, versichert er mir. Bist du dir da ganz sicher? „Rei“, murmele ich leise. „Ach komm Ruki, ein Lächeln steht dir. Also lächle“, meinst du aufmunternd. „Nein“, mein Lächeln gleicht einer Maske. Er stellt sich hinter mich und zieht meine Mundwinkel nach oben. „So geht das“, meinst du lachend. Ich lehne mich zurück und entweiche so der Quälerei. „Ist sonst noch irgendetwas Ruki?“, fragst du verdutzt nach. Ich verneine es und beiße mir auf die Unterlippe. Warum kann er mich nur wie ein offenes Buch lesen? „Auf deiner Stirn steht gerade groß und fett: Lüge“, stellt er fest. „Lass mich nicht allein, bitte“, flehe ich. „Habe ich auch nicht vor“, versichert er mir. „Können wir vielleicht noch ein paar Minuten hier bleiben?“, bitte ich ihn. „Nein, du siehst erst einmal zu, dass du hoch unter deine Decke kommst. Oder willst du weiterhin einem gerupften Hahn Konkurrenz machen?“, meint er und streicht lachend über meine die Arme. „Das will ich nicht“, eine Decke hört sich nicht schlecht an. Ruckartig drehe ich mich um und umarme ihn. Nach einer kurzen Weile spüre ich, wie auch er seine Arme um mich schließt. „Also, was liegt dir wirklich auf dem Herzen?“, stochert er weiter nach. „Ich habe Angst, davor zur sterben“, meine ich weinerlich. „Warum solltest du ausgerechnet jetzt sterben?“, fragst du verwundert nach. „Mein Großvater hat vor Jahren meine Oma in den Tod getrieben“, soweit ich das mitbekommen habe. „Das ist doch schon Jahre her“, erwidert er lediglich. „Aber“, versuche ich zu widersprechen. „Mach dir keinen Kopf darum“, gibt er mir den Rat. Wie soll das denn machen, wenn mich diese Angst einfach nicht in Ruhe lässt? „Ich wette mein Großvater, hat meinen Vater auf mich gehetzt“, und das glaub ich langsam mehr als alles andere. „Wie kommst du darauf?“, fragst du verdutzt. „Ansonsten würde mir die Polizei doch irgendetwas sagen“, schließlich geht es bei diesem Fall um mich! „Nicht unbedingt“, meint er und runzelt die Stirn. „Warum erfährt es dann nicht das Opfer?“, frage ich nach. „Ich erkenne dahinter selbst keine Logik“, antwortet er. „Warum beschuldigen sie meine Eltern und meinen Großvater, nur wegen so einer Kleinigkeit?“, bei jedem Wort werde ich lauter, bis ich vollends in Tränen ausbreche. „Hey beruhige dich. Mach dir keinen Kopf darum“, bittet er mich abermals. Mein Schluchzen wird immer lauter und halt suchend kralle ich mich am ihm fest. Warum lassen sie mich so im Dunkeln tappen und warum bekomme ich als einziger nichts von all dem gesagt, was gemacht wird? Betrifft es nicht mich am meisten? Er drückt mich fest an sich und zieht mich auf seinen Schoß, als er sich auf einen Stuhl setzt. „Komm Ruki, so änderst du die Lage auch nicht“, meint er. Mein Schluchzen wird weniger, aber die Verzweiflung steigt. Was soll ich machen? Wie um Himmels Willen kann ich Licht ins Dunkle bringen? „Ganz ruhig. Es wird sich sicherlich alles klären, die nächste Zeit“, versichert er mir zuversichtlich. Erst die nächste Zeit? Wie lange soll ich noch diese schier unendlichen Schmerzen aushalten? Wie lange soll mich noch diese Kälte von innen heraus zerfressen? Er hebt mich hoch und trägt mich zurück zu den anderen aufs Zimmer. Schutz suchend vergrabe ich mein Gesicht in seinem Schlafanzugsoberteil. „Reirei was ist passiert?“, was geht es dich noch an, Aoi?! „Was soll schon groß passiert sein? Du bist passiert“, meint Reita patzig. „Sorry, das wollt ich echt nicht“, entschuldigt sich Aoi. Ich spüre wie mich jemand näher an Reita drückt und eher unbewusst fange ich wieder an zu weinen. „Lass ihn lieber etwas in Ruhe, Aoi“, weist Reita Aoi zu recht. „Aber das wollt ich echt nicht“, seine Stimme zittert beim Sprechen. „Aoi, lass gut sein. Ich bin mir sicher, Ruki verzeiht dir. Nur bedränge ihn nicht“, bittet Uruha. „Ja“, meint Aoi traurig. Er lässt uns zwei wieder in Frieden und Reita legt mich vorsichtig auf dem Bett ab. „Ruki ist ja leichenblass“, stellt Aoi fest. Aoi halt bitte deinen Mund. „Das wird schon wieder“, meint Reita. „Hoffentlich Reirei“, erwidert Aoi. Und wenn es nicht besser wird, dann ist es doch auch kein Problem für dich, oder Aoi? Ich schließe die Augen, denn zu sehr brennt das Licht in meinen Augen. Licht, das die Dunkelheit meines Körpers erhellt. Etwas, wovor er sich schützen will, immer und immer wieder. Jemand deckt mich zu und streicht mir die Haare aus dem Gesicht. Zufrieden seufze ich und ziehe die Bettdecke näher an mich. „Er ist wie eine kleine Raubkatze, manchmal“, Aoi scheint wohl wieder zu grinsen. „Scheint so“, meint Uruha zustimmend. „Und Reita ist der Raubtierbändiger“, fügt Aoi hinzu. Und ich versuche die anderen einfach auszublenden und zu schlafen. --------- Disclaimer: nichts mir, nichts Geld Aoi und Ruki sollten mal lieber aufhören ständig zu streiten~ 01.08.2009: 4594 -> 5990 Wörter~ Und immer noch sind 9 übrig~ Es wird noch ein langer und steiniger Weg folgen == 14.05.2018: 5990 → 7109 Wörter Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)