AfterLife von abgemeldet (Totgeglaubte leben länger) ================================================================================ Kapitel 5 --------- Camuel hatte nicht viel schlafen können. Bereits bei Sonnenaufgang war er wieder auf den Beinen gewesen. Er war durch die Stadt gewandert, aber erst, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Jez friedlich schlief. Die meisten Stadtbewohner taten es ihr gleich, nur wenige mussten am Samstagmorgen zur Arbeit fahren. Camuel war das nur recht, so konnte er ungehindert durch die Stadt streifen und die Eindrücke daraus auf sich wirken lassen. Die Golden Gate Bridge im Westen der Stadt hatte es ihm angetan. Der Riesenkoloss aus Stahl hatte ihn auf eine seltsame Art und Weise beeindruckt, wie er ruhig im Dunst der aufgehenden Sonne dalag und nur darauf wartete, dass wieder abertausende von Autos über ihn hinwegdonnerten. Nachdem er sich ein wenig in der Stadt umgesehen hatte, kam er wieder zurück, um weiter die Golden Gate Bridge zu betrachten. Er verstand, warum es Jezebel hierher gezogen hatte. Camuel hätte noch ewig an seinem Aussichtspunkt bleiben können, aber irgendetwas trieb ihn zurück in die Stadt. Eine seltsame Unruhe hatte ihn gepackt. Und er wollte nicht riskieren, dass diese Unruhe vielleicht etwas mit Jezebel zu tun haben könnte. Der Weg zurück zu ihrer Wohnung schien sich ins endlose zu strecken. Schon auf den ersten Blick stellte er fest, dass etwas nicht stimmte. Die Haustüre stand sperrangelweit offen und er bezweifelte stark, dass einer der Mieter nur mal eben kurz den Müll raus bringen wollte. Vor dem Haus stand ein schwarzer Van, der so gar nicht ins Bild passen wollte. Camuel ging langsam darauf zu. Ein Mann saß noch im Wageninneren. Laute Musik dröhnte aus den offenen Fenstern ins Freie. Zu seinem Pech bemerkte er Camuel erst, als es bereits zu spät war. Camuels Hand legte sich um die Kehle des Mannes, spielerisch drückte er zu, ließ aber gleich wieder locker. Er wollte den Kerl nicht umbringen. Zumindest noch nicht. „Ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen. Wenn du sie nicht zu meiner vollsten Zufriedenheit beantwortest, oder auf die Idee kommen solltest mich anlügen zu wollen, dann…“ Camuel verstärkte den Griff um die Kehle, schnürte ihm die Luft ab. „Hast du verstanden?“ Erst als der Kerl nickte, lockerte Camuel seinen Griff soweit, dass der Kerl sprechen konnte. „Also, dann fangen wir mal mit unserer kleinen Fragerunde an. Erstens: Was wollt ihr hier?“ Camuel kannte die Antwort eigentlich schon, es war nur ein Test, um zu sehen, ob der Kerl die Regeln verstanden hatte. „Wir… wir… man hat uns geschickt um so ein junges Ding zu holen…“ „Und warum?“ „Das weiß ich nicht…“ Camuel drückte leicht zu, gerade so stark, dass er noch sprechen konnte. „Nein, ehrlich, ich weiß nicht, was die mit ihr vorhaben!“, keuchte der Kerl. Camuel ließ wieder etwas lockerer, allerdings nicht so locker wie zuvor. „Wo sollt ihr sie hinbringen?“ „Das kann ich nicht sagen… die bringen mich sonst um“ Camuel grinste kalt. „Ach, ist es dir etwa lieber, wenn ich das für sie übernehme?“, und drückte zu. Der Kerl röchelte. „Nach… nach Westen … ungefähr 150 Kilometer von hier .. in ein altes Bergwerk … oder so …“ Camuel ließ wieder locker und zog seine Hand dann zurück. „Na also, geht doch… Du solltest dir vielleicht einen neuen Job zulegen“ Der Kerl nickte nur, und kam zu dem Schluss, dass er hier schnellstens weg sollte, bevor Camuel es sich anders überlegen würde. Der Van setzte sich mit quietschenden Reifen in Bewegung und hüllte Camuel in kurz in eine weiße Wolke ein. Gerade als, der Van wegfuhr, kamen zwei andere Männer aus dem Haus raus. Einen davon erkannte Camuel sofort. Es war der Soldat aus den Rockys. Camuel grinste genüsslich. Die beiden Männer verstanden die Welt nicht mehr. Für sie musste es ein gespenstischer Anblick sein, Camuel, wie er aus der weißen Qualmwolke auftauchte. Aber anscheinend hatten sie sich schnell gefasst. Einer hatte die Waffe bereits gezogen und der andere schickte sich an dasselbe zu tun. Camuel war das nur recht, so hatte er wenigstens einen Grund, den beiden zuvor zu kommen. Eigentlich war er weder rachsüchtig, noch überaus gewalttätig. Ihm genügte es für gewöhnlich dem Leid anderer zuzusehen. Er musste nicht selbst aktiv werden. Aber in diesem Fall war es anders, in diesem Fall war alles anders. Camuel stand auf einem Felsvorsprung und beobachtete die Straße unter ihm. Er hatte nicht lange gebraucht um die versteckte Straße zu finden. Und jetzt stand er da und wartete darauf, dass jemand vorbeifuhr. Er hörte den Van, noch bevor er ihn sah. Instinktiv wusste er, dass Jezebel im Inneren war. Kleine Steinchen lösten sich von dem Felsvorsprung und rollten den Abhang hinunter. Er ging in Gedanken verschiedene Szenarien durch. Nun, er konnte zum einen einfach nach unten springen, den Van zum Kippen bringen, sich Jez schnappen und abhauen. Aber die Gefahr war groß, dass er sich bei dem Aufprall mehrere Knochen brechen würde. Außerdem wusste er nicht, wie gut Jez in dem Van gesichert war. Und ihre Sicherheit stand bei ihm an allererster Stelle. Also fiel die Möglichkeit schon einmal weg. Es lief wohl alles darauf hinaus, dass er zulassen musste, dass man sie in das Labor, oder was auch immer, bringen würde. Es würde um einiges einfacher werden sie aus einer Anlage wieder heraus zu holen. Dort war das Risiko überschaubar. Zumindest überschaubarer als hier. Die Außentür der Anlage war für Camuel kein Problem gewesen. Adrenalin strömte durch seinen Körper. Das Virus, das so lange geschlafen hatte, regte sich langsam in ihm. Er stand auf der Schwelle zur Mutation, als er Jez schreien hörte, oder vielmehr die Ahnung eines Schreis. Seine Sinne waren bis aufs Äußerste gespannt. Er brauchte einen Moment um ihre Position auszumachen. Auf seinem Weg durch die Gänge gingen etliche der Überwachungskameras allein durch seine ungeheure Ausstrahlung zu Bruch. Die Schaltkreise wurden regelrecht geschmort. Nur noch eine Tür trennte ihn von Jez. Sie hatte mittlerweile aufgehört zu schreien, nur noch ein leises Wimmern drang an sein Ohr. Eine neue Woge des Virus schwappte durch seinen Körper als er die Tür mit einem gezielten Tritt eintrat. Innerhalb weniger Sekunden hatte er die Lage erfasst, was auch nicht sonderlich schwer war. Jez kauerte sich in eine Ecke des Raumes und ein Mann stand mit heruntergelassenen Hosen vor ihr. Camuel knurrte dunkel. Das Virus war dabei die Oberhand zu übernehmen, aber er ließ es nicht zu. Er wollte nicht, dass seine Instinkte sein Handeln bestimmten. Der Kerl, vermutlich ebenfalls einer der Soldaten, hatte seinen Schock noch nicht überwunden, als Camuel ihn an der Kehle packte und hochhob. Camuels Augen hatten einen seltsamen Glanz angenommen. Er grinste. Aber es war kein freundliches Grinsen, nein, es war ein durch und durch kaltes, böses Grinsen, dass er schon so oft zur Schau getragen hatte. Damals, bevor er Jezebel begegnet war. Es bereitete ihm Freude den Kerl so zu sehen, hilflos, komplett verängstigt und mit der Gewissheit in den Augen, dass er jetzt sterben würde. Und es bereitete ihm noch mehr Freude, als er ihn mit bloßen Händen entmannte und gegen die nächste Wand schleuderte. Wie er weiterleben sollte, war Camuel egal, schließlich hatte der Kerl verdient, was er bekommen hatte. Jez wimmerte leise. Sie sah alles durch einen Schleier aus Tränen hindurch. Allerdings weinte sie nicht ihretwegen oder wegen Bret. Nein, sie weinte weil Camuel tatsächlich gekommen war. Weil er sie nicht im Stich gelassen hatte, als sie ihn am dringendsten brauchte. Camuel brauchte einen Moment um wieder klar denken zu können. Jez wimmerte leise und erst da wurde er sich ihrer Anwesenheit wieder mit einem Schlag bewusst. Er trat zu ihr, beugte sich zu ihr hinunter. Und sie fiel ihm um den Hals, warf sich schon fast in seine Arme. Er konnte ihre Tränen auf seiner Haut spüren. Aus einem Impuls heraus schloß er die Arme um sie, drückte sie an sich. „Ich bin da. Keine Sorge, jetzt bin ich ja da…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)