AfterLife von abgemeldet (Totgeglaubte leben länger) ================================================================================ Kapitel 3 --------- Ein Sonnenstrahl kitzelte sie in der Nase. Jez blinzelte und drehte sich auf die Seite. Das Licht, das durch ihre Jalousie fiel, sprenkelte ihr Bett und ihren Rücken mit einem unregelmäßigen Muster aus Punkten und Strichen. Ihr Schlafzimmer hatte Südlage, und für einen Nachtmenschen und Langschläfer wie sie, war das nicht gerade von Vorteil. Sie gähnte, streckte sich und stieß dabei mit ihren Beinen einen Teil der Bettdecke runter. Einen ziemlich großen Teil, denn der seidige Stoff machte sich selbstständig und rutschte komplett vom Bett, bevor Jez ihn zwischen die Finger bekam. Jez stöhnte, griff über den Rand ihres Bettes und tastete am Boden nach einem Zipfel ihrer Decke. Als sie nichts fand, drehte sie sich wieder auf den Rücken. Den rechten Arm über die Augen gelegt, um sie vor der Sonne abzuschirmen, tastete sie mit links nach ihrem Wecker. Die kleine Digitaluhr stand ziemlich weit hinten auf ihrem Nachttisch, aber Jez bekam ihn zu fassen, bevor sie ihn mit ihren Fingerspitzen noch weiter nach hinten schieben konnte. Ein kurzer Blick darauf verriet ihr, dass es gerade mal viertel vor elf war. Jez stieß ein jammerndes Murren aus. Nicht einmal fünfeinhalb Stunden Schlaf hatte die Sonne ihr gegönnt. Aber Jammern half nichts. Wenn sie erst einmal wach war, konnte sie nicht mehr so schnell einschlafen. Also konnte sie auch gleich aufstehen. Den Wecker ließ sie einfach neben sich aufs Bett fallen. Verschlafen schwang Jez die Beine aus dem Bett und zog sich in eine sitzende Position. Sie machte sich sogar die Mühe ihre Decke vom Boden aufzulesen und auf die Matratze fallen zu lassen ehe sie aufstand und in Richtung Küche schlürfte. Das erste, was sie tat, war die Kaffeemaschine anzustellen. Und das zweite war die Musik anzumachen. Mit Musik ging alles gleich leichter. „… you can’t be sad. You’ve gone and dug your grave. And it’s getting deeper every minute...”, dröhnte es aus ihrer Anlage. Die Kaffeemaschine hinter ihr brummte und Jez stellte eine Tasse auf das Abtropfgitter. Ein Knopfdruck später hatte Jez eine heiße Tasse Cappuccino in der Hand und ging durch den offenen Torbogen, der das Wohnzimmer von der Küche trennte. Sie ließ sich in einen der Sessel fallen, zog die Knie an und machte es sich richtig gemütlich. Sie ließ sich Zeit mit ihrem Cappuccino, zum einen, weil sie sich unter Garantie die Zunge verbrannt hätte, wenn sie ihn zu schnell getrunken hätte. Zum anderen, um richtig wach zu werden. Wenn man ihr nicht gerade einen Eimer mit kaltem Wasser übers Gesicht kippte, brauchte sie morgens zwischen einer halben und einer ganzen Stunde um richtig wach zu werden. Und wenn sie so wenig geschlafen hatte wie heute, konnte es sogar noch länger dauern. Jez gähnte herzhaft. Vielleicht half ihr eine schöne kalte Dusche beim Wachwerden. Das kalte Wasser lief ihr über Kopf und Körper und weckte ihre Lebensgeister. Ihr Wasserverbrauch war enorm, aber das kümmerte sie nicht. Hatte sie eigentlich auch noch nie gekümmert. Jez stellte das Wasser ab und strich sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht. Sie schob die Glastür ihrer Dusche einen Spalt weit auf und tastete nach dem Handtuch, das sie sich bereitgelegt hatte. Das Handtuch um den Körper geschlungen, trat sie aus der Dusche heraus. Und musste prompt um ihr Gleichgewicht kämpfen, denn der Boden war glatt und Jez Fuß durch das Wasser noch glitschig. Folglich rutschte ihr Fuß weg, als sie aus der Dusche trat. Jez schrie erschreckt auf und krallte sich an ihrem Handtuchhalter fest. Nur mit Mühe konnte sie einen Sturz vermeiden und sich in der Schwebe halten. Sie atmete tief durch, beruhigte ihren Herzschlag, der für den Moment in die Höhe geschnellt war. Vorsichtig stieg sie endgültig aus der Dusche. Der Reißverschluss ihrer Caprihose klemmte, wie üblich, als sie ihn hochziehen wollte. Jez fluchte leise. Sie musste sich ganz schön anstrengen um mit dem zickigen Reißverschluss klar zu kommen. Aber letztendlich gewann sie den ungleichen Kampf. Sie wollte gerade nach ihrem Top greifen, als sie hörte, wie jemand ihre Wohnungstür aufbrach. Jez erstarrte. Einbrecher würden nicht mitten am Tag versuchen bei ihr einzusteigen. Jez hörte leise Stimmen im Flur und das Blut gefror ihr in den Adern. Die redeten über sie. Jez zog sich von der Tür zurück. Sie musste hier weg. Schnell streifte sie sich ihr Top über und ging zum Fenster, ihrem einzigen Ausweg. Der Plan in ihrem Kopf war noch nicht ganz fertig, als sie bereits anfing ihn in die Tat umzusetzen. Jez öffnete leise ihr Badfenster und stieg auf den schmalen Fenstersims. Das nächste Hausdach war gut und gern drei Meter entfernt. Und ein komplettes Stockwerk unter ihr. Sechs Meter in die Tiefe, drei in der Breite. Es war zu schaffen. Hinter ihr krachte etwas gegen die Badezimmertür. Anscheinend hatte ihr ungebetener Besuch herausgefunden, wo sie gerade steckte. Jez hatte keine Zeit mehr. Sie hielt sich mit beiden Händen am Fensterrahmen fest, verlagerte ihr Gewicht nach hinten und zog sich mit Schwung aus dem Fenster, wobei sie sich zusätzlich noch stark mit den Beinen abstieß. Sie katapultierte sich regelrecht aus dem Fenster heraus. Mit beiden Beinen kam sie auf dem gegenüberliegenden Dach auf, rollte sich nach vorne ab und war sofort wieder auf den Beinen. Sie konnte noch hören, wie ihre Badezimmertür das zeitliche segnete, aber da war sie schon in vollem Lauf. Barfuß rannte sie über das Dach. Sie konnte von Glück reden, dass es hier in der Gegend nur Flachdächer gab. Aus vollem Lauf heraus sprang sie auf das nächste Dach. Schon in der Schule war sie eine hervorragende Leichtathletin gewesen. Ihr persönlicher Rekord beim Weitsprung lag bei ungefähr sechseinhalb Metern, und zwischen den Dachkanten lagen im Höchstfall vier Meter. Atemlos stand Jez vor Ellys Haustür. Mit einer Hand klingelte sie Sturm, mit der anderen hämmerte sie an die Türe. „ELLY, lass mich rein“, schrie sie zum Fenster im ersten Stock hoch. Einen Augenblick später wurde die Tür von innen aufgerissen, Jez ins Haus gezerrt und jemand drückte ihr ein mit Chloroform getränktes Tuch über Mund und Nase. Jez schlug noch um sich, konnte aber nichts mehr ausrichten. Das letzte was sie glaubte zu sehen, als ihr die Sinne schwanden, war Elly, die grinste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)