Unfortunately von Ryusei (A - B - M - N = L. Prepared to surpass, forced to fail.) ================================================================================ Kapitel 1: Smile ---------------- Vorwort: Serie: Death Note Charaktere: L & Mello Reihe: Unfortunately - Kapitel 1: Smile Widmung: Shivers, dem kleinen flauschigen Chibi, die mich überhaupt erst auf den Geschmack mit Capoeira gebracht hat Persönliches: Die Fanfic ruhte lange auf meinem PC, da sie mit dem 'S' meiner Alphabethliste kollidierte. Außerdem war sie mir zu kurz. Deshalb jetzt eine kleine Waisenhaussammlung. Es gibt zu wenig Wammy's House auf Animexx. Smile „Noch ein Stück höher. Nein, noch höher.“ – „Au!“ Mello verlor den Halt endgültig und fiel nach hinten. Ryuzaki stellte beide Beine wieder auf den Boden und hockte sich zu dem kleinen Blonden herunter, der sich mit mürrischem Ausdruck auf den Zügen die schmale Stelle zwischen Hüfte und Oberschenkel rieb. „Wie machst du das? Das tut doch voll weh!“ – „Übung“, lächelte der Ältere und strich Mello eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ist wohl nichts für mich“, erwiderte Mello und schloss die Arme um Ryuzakis Hals. Mello hatte immer gerne zu gesehen, wenn Ryuzaki den Platz vor seinem Laptop verließ und in die meist verlassene Sporthalle ging. In solchen Momenten war der Blonde dem derzeitigen „L“, der selbst in seinen wenigen Aufenthalten im Waisenhaus weiterarbeitete, gefolgt, ihm eiligst den langen Fluren nachgeeilt und hinter ihm in die Sporthalle gehuscht. Ryuzaki verharrte reglos in dem menschenleeren Raum. Erst nach und nach setzte er seinen Körper in Bewegung, hob die Füße von dem staubigen Boden, trat in die Luft. Seine Hüfte verdrehte sich fast unnatürlich, wenn sich auch der zweite Fuß vom Boden löste und Ryuzaki sein ganzes Gewicht auf seine schlanken Hände legte, ehe er nur Sekunden später wieder auf den Beinen aufkam und sich aufrichtete. „Capoeira“, hatte Ryuzaki es einst genannt, als Mello ihn fragte, was er denn da eigentlich tat. Und je mehr er ihm zusah, desto mehr wollte er es selbst können. Es sah so einfach aus. Was einfach aussah musste nicht einfach sein. Das merkte Mello spätestens dann, als er sich das rechte Bein zerrte. Wenigstens konnte Near das auch nicht. Das war der einzige Gedanke, der seine Niederlage ein wenig angenehmer machte. Near war absolut unsportlich. Er stolperte über seine eigenen Hosenbeine, weil er vergaß den Fuß zu heben, er hing wie ein nasser, weißer Sack an den Kletterseilen, er blieb mitten im Hürdenlauf einfach stehen, weil er über etwas nachdachte, was Mello weder verstand noch interessiert hätte. Da war es unmöglich, dass Near so etwas Schwieriges wie Capoeira beherrschte. „Wollen wir es noch mal versuchen?“, riss Mello die sanfte Stimme Ryuzakis aus den Gedanken und der Blonde sah auf. „Was?“ – „Ob wir es noch mal versuchen wollen.“ Mello sah zu Ryuzaki auf. Wenn es jemanden gab, der an ihn glaubte und ihn unterstützte, dann war es Ryuzaki. Ryuzaki, der ihm immer wieder die Hand hinhielt, wenn er gefallen war. Ryuzaki, dem er es erst verdankte, dass er sich nun mit Near um diesen Titel prügelte. Ryuzaki, der selbst dann lächelte, wenn alle anderen nur noch schimpften. Ryuzaki, der ihm mehr bedeutete, als er sich je eingestehen wollte. „Natürlich.“ Mello drückte sich vom Boden hoch und ahmte Ryuzakis Ruhehaltung nach. Dann tat er es wieder, löste erneut die Zehen vom Boden und trat in einem schwungvollen Bogen nach vorne. Sein Knie streifte seine Schulter. Mello kam genauso hoch. Stolz starrte er auf den schönen Bogen, den sein Fuß beschrieb, ehe er sich das eigene Knie gegen die Nase schlug und mit einem leisen Aufschrei nach hinten stolperte. Ryuzaki fing ihn auf, schloss die Arme um den kleinen, schwarz gekleideten Körper und drückte Mellos Gesicht in einer einzigen, fließenden Bewegung an seine Schulter. Mello entwich ein trockenes Schluchzen, dann schlang er die Arme seinerseits um den knochigen Leib vor sich. „Danke“, nuschelte er gegen den weißen Pullover und Ryuzaki schüttelte den Kopf. „Da gibt es nichts zu danken, Mello.“ Doch, gab es. Er hätte ihm für so viel danken können. Allein dafür, dass er ihn jetzt tröstete, anstatt ihn zu schelten. Allein dafür, dass er Ryuzaki war. Sein Ryuzaki. „Du bleibst immer bei mir, nicht…?“, flüsterte Mello leise und löste das Gesicht von Ryuzakis Schulter. „Klar“, antwortete ihm der Schwarzhaarige und wieder schlich sich dieses seltene Lächeln auf seine Lippen. Dieses Lächeln, das er nur Mello zeigte. Eine einzige, fließende Bewegung. Das Leder knirschte, als Mello sich auf seinen Händen abstützte, die Beine einer Windmühle gleich drehte und mit einem lauten Geräusch mit den schweren Springerstiefeln wieder aufkam. Kal Snyder warf dem Blonden einen ungläubigen, verwirrten Blick zu, unterbrach seine eifrige Arbeit an der Laptoptastatur. Rodd Los mühte sich nicht einmal aufzusehen. Er kannte diese seltenen Anfälle seines Chefs. Irgendjemand hatte ihm das mal beigebracht, soviel hatte er von Mello erfahren. Mello strich sich die Haare aus dem Gesicht. Noch immer zog die Bewegung in seinen Beinen, aber er fiel nicht mehr. Schon lange nicht mehr. „Boss?“ Mello griff sich seine Schokolade, ehe er auch nur einen Blick an Snyder verschwendete. „Was war das eben?“ – „Nennt sich Capoeira, du unwissender Bastard.“ Die Schokolade brach krachend entzwei, als Mello seine Zähne in der braunen Kakaomasse vergrub. „Capoeira?“ – „Ist ne brasilianische Kampfsportart.“ Musste Snyder so viele Fragen stellen? Es ging ihn nichts an. Weder, woher er diesen Tritt konnte, noch was mit seinem Lehrer passiert war. Das ging niemanden hier etwas an. Denn je mehr er sich an Ryuzaki zu erinnern versuchte, desto mehr hörte er nur noch die Worte Rogers, die er versucht hatte in sich zu verdrängen. Doch da war noch eine andere, tiefe Erinnerung. „Noch höher!“, ermahnte ihn eine monotone, sanfte Stimme. Ein vager Geruch nach Seife und Zucker. Und ein Lächeln. Ein Lächeln auf einem bleichen, fast vergessenen Gesicht. „Wollen wir es noch einmal versuchen?“ „Ryuzaki“, hauchte Mello gegen seine Schokolade und drehte den Männern hinter ihm den Rücken zu. „Du bleibst immer bei mir, nicht…?“ Kapitel 2: Confusion -------------------- Serie: Death Note Charaktere: Mello, Near & L Reihe: Unfortunately – Kapitel 2: Confusion Widmung: Chibi, mein kleiner Schokoladenfetischist. Du bist schuld daran, du hast es auch auszubaden. Ich hoffe diese kleine Überraschung gefällt dir ebenso wie es bereits ‚Smile’ getan hat ^^ Und als Entschädigung, weil das, was ich dir ins ConHon geschrieben habe, nicht zufrieden stellend ist. Confusion „Near?“ Mello hustete. Seine Kleidung war aufgeweicht und klebte unangenehm an seiner Haut, sein Haar hing in dunklen Strähnen an seinen Wangen herunter. Tropfen des kalten Regenwassers fielen auf den Boden. „Near!“, wiederholte er deutlich lauter und ging schnellen Schrittes den Gang entlang. Near war verschwunden. Diese Meldung zog sich seit heute morgen durch das Waisenhaus. Und seit heute morgen suchte Mello den weißhaarigen Jungen, der es vorzog wie vom Erdboden verschluckt zu bleiben und kein Lebenszeichen von sich zu geben. In der Bibliothek war er nicht. Diesen Ort hatte Mello als erstes angesteuert und ihn sehr verwirrt wieder verlassen. Near verschwand häufiger spurlos, aber in den meisten Fällen fand man ihn in der Bibliothek vor einem Puzzle sitzend mit einem Buch in den kleinen Händen. Oder aber er baute wieder einmal monströse Gebilde aus Gegenständen, die ein normaler Mensch niemals für den Modellbau zu benutzen wagte und die längst höher und breiter waren als er selbst. Gebilde, die bei der kleinsten Detonation oder Erschütterung einstürzen konnten. War er nicht in der Bibliothek, dann war er in seinem Zimmer. Oder auf dem Gang. Was nicht bedeutete, dass diese beiden Örtlichkeiten für Near nicht den gleichen Stellenwert hatten. Doch dieses Mal fand er Near nicht an den gewohnten Orten. Er war auch nicht im Speisesaal, auf den Toiletten, im Garten oder in der Garage der hauseigenen Limousine. Er war… weg. Near war weg. Allein der Satz klang unausgesprochen merkwürdig. Near konnte nicht weg sein. Near war immer da um Mello bloßzustellen, ihm zu sagen, dass er nur Nummer 2 war. Das war immer so. Nach jeder Klausur, nach jeder Hausaufgabe, nach jedem Referat. Selbst Roger zog den Jüngeren dem Blonden vor, auch wenn er es Mello nicht direkt sagte. Mello seufzte tief und strich sich mit den Händen die nassen Haare aus dem Gesicht. „NEAR!“, schrie er so laut er nur konnte, doch die Antwort war auch wie die Male zuvor ein eisiges Schweigen. Near konnte nicht weg sein. Viele Räume, die er noch nicht auf- und durchsucht hatte, blieben jedoch nicht mehr. Dass er im Stockwerk der Mädchen war, war bei seiner Antipathie gegenüber Lindas Anwesenheit einfach unmöglich. Mello verharrte. Was war das? Töne. Leise, klare Töne. Eine Sonate. Beethoven? Oder Mozart? Mello versuchte genauer hinzuhören. Wagner? Er konnte es nicht genau verstehen. Aber er wusste aus welchem Raum die Klänge kamen. Nur in einem einzigen Zimmer hatten sie ein Klavier stehen. Im Aufenthaltsraum. Langsam ging Mello auf die Tür zu und drückte die Klinke herunter. Er erwartete einen kleinen, weißgekleideten Jungen hinter den Tasten. Einen Jungen, den er den ganzen Tag wie in wahnsinniger Paranoia gesucht hatte. Er konnte nicht verleugnen, dass er sich ein wenig um den physischen Zustand des Jüngeren gesorgt hatte. Aber nur ein wenig, nicht mehr. Die Tür öffnete sich ganz und Mello trat ein. Das erste, auf das seine Augen fielen, waren lange, schlanke Finger, die sich unablässig und konzentriert über die schwarzen und weißen Tasten bewegten, dem Klavier diese sanften Töne entlockten. Die Mondscheinsonate, wie Mello jetzt erkannte. Aber es war nicht Near, der hinter dem Instrument saß und dieses Lied spielte. Near saß an der Vorderseite und setzte nicht minder konzentriert Legosteine zusammen. Auf der ledernen Sitzbank vor dem Klavier saß… …Ryuzaki. Mello hatte nicht gewusst, dass er überhaupt im Waisenhaus war. Wann war er angekommen? Und warum hatte er ihm nicht Hallo gesagt? Warum wusste Near es? Mello biss sich gereizt auf die Unterlippe. Nicht nur Roger, jetzt war auch noch Ryuzaki auf Nears Seite? Sein Ryuzaki, den er mehr bewunderte und liebte als irgendeinen anderen Menschen auf dieser Welt? Wenn dem so war, dann sah Mello keinen Grund mehr im Waisenhaus zu bleiben. Gerade wollte er sich umdrehen und den Raum verlassen, als Ryuzaki sein Spiel unterbrach. „Mello. Wir haben auf dich gewartet.“ Gewartet? Was sollte das heißen? Der Blonde drehte den Kopf nach hinten. „Gewartet?“ – „Ja.“ Ryuzaki nickte und klopfte mit der Hand neben sich auf das dunkle Leder. „Komm her.“ – „Ich kann nicht Klavier spielen. Frag Near.“ Erst sagte ihm keiner auch nur ein Sterbenswörtchen und jetzt sollte er springen, wenn einer ‚hopp’ sagte. Das ließ Mellos Stolz nicht zu, auch wenn er Ryuzakis Bitte gerne nachgegangen wäre. Einfach um in der Nähe des Älteren zu sein. „Ich möchte aber, dass du herkommst. Bitte, Mello.“ Die Verbissenheit des Blonden schmolz mit jedem Wort. Der Drang die Arme einfach um diesen dürren Bauch zu schließen war stärker. Ohne etwas zu sagen drehte sich Mello um und rannte zu dem Klavier, kletterte ein wenig zu umständlich auf die Bank und ließ sich neben Ryuzaki nieder, der ihm sofort durch die nassen Haare strich. „Es tut mir leid, Mello“, flüsterte Near leise zu dem Boden und setzte einen weiteren Legostein auf sein angefangenes Werk. „Aber wir konnten dich nicht einweihen.“ – „Warum?“ – „Es hätte die Überraschung zerstört.“ Überraschung? Dass Ryuzaki da war? Mello verstand nicht ganz worauf sein von ihm so bewunderter Vorgänger und Near hinaus wollten. „Du solltest dich erst umziehen. Im Winter im Regen umherzulaufen ist nicht gut“, tadelte Ryuzaki leise. „Aber-„ – „Kein Aber. Umziehen, na los!“ Mello gab ein leises Knurren von sich, doch dann beugte er sich Ryuzakis Aufforderung und lief auf den Gang. Die Worte, die er gehört hatte, irritierten ihn. Er konnte sich immer noch nicht erklären welche Überraschung die beiden meinten. Aber er fror mittlerweile sehr in seiner Kleidung. Das Zittern seines Körpers unterdrückend zog er sein Oberteil über den Kopf und drehte die Heizung in seinem Zimmer ein wenig auf. Gänsehaut zog sich über seine Arme, seinen entblößten Brustkorb und seinen Rücken, während er sich an seinem Schrank reckte und frische, warme Kleidung herausangelte. „Du hast dich beeilt“, stellte Ryuzaki mit einem Lächeln fest und hob Mello wieder neben sich, schloss die Arme um ihn und fuhr sanft durch seine Haare. Mello atmete tief ein. Kernseife. Waschmittel. Und ein wenig Kuchen. Ryuzaki. „Was für eine Überraschung denn nu- … Eh?“ Mello zuckte, als etwas nur für den Bruchteil einer Sekunde über seine Wangen strich. Er blickte nach unten, kaum, dass Ryuzaki seine schlanken Finger weggenommen hatte. Ein Rosenkranz. Ein roter Rosenkranz. „Ryu… zaki?“ Er verstand immer noch nicht ganz. Nicht, dass er sich nicht über das Geschenk von Ryuzaki gefreut hätte. Aber es war unüblich, dass der Ältere etwas mitbrachte. Abgesehen von Schokolade. „Du hast es nicht gemerkt“, kommentierte Near das Geschehen leise und hielt ein Stück Papier in die Höhe. Ein Kalenderblatt. Mit einer roten 13. „Du hast heute morgen den 14. abgerissen, ohne zu merken, dass du deinen eigenen Geburtstag übergangen hast.“ Mellos Augen weiteten sich leicht. Roger war heute Morgen ins Zimmer gekommen um zu sagen, dass Near verschwunden war. Dabei hatte er gar nicht auf den Kalender geachtet. Near war ihm also den ganzen Tag ausgewichen? Kein Wunder, dass er ihn nicht gefunden hatte. Und Ryuzaki? Er hatte die Limousine gar nicht wegfahren hören. „Alles Gute, mein Kleiner“, lächelte Ryuzaki und beugte sich nach unten. Seine Lippen berührten Mellos Stirn, während dieser zu verstehen begann. Ryuzaki bevorzugte Near gar nicht. Er hatte ihn auch nicht verletzten wollen. Er war… wegen ihm hier. Wegen seinem Geburtstag. Mit einem Mal fühlten sich Mellos Augen unangenehm feucht an. „Ryuzaki…“ Der Schwarzhaarige schenkte ihm erneut ein Lächeln und drückte den Blonden an sich, der daraufhin ein leises Wimmern von sich gab und die kleinen Finger fest um das silberne Kreuz am unteren Ende des Rosenkranzes schloss. „Ich konnte doch nicht in Japan sein, während du hier Geburtstag feierst… Aber jedes Wort hätte die Überraschung verdorben. Ich wollte nicht, dass du im Vorfeld weißt, dass ich hier bin.“ Ganz sanft strichen Ryuzakis Hände über Mellos Wangen. „Alles Gute… Mihael.“ Kapitel 3: Funeral ------------------ Serie: Death Note Charaktere: Roger, Mello, Near, Matt Reihe: Unfortunately - Kapitel 3: Funeral Widmung/Persönliches: Die wenigsten wissen, warum ich heute und an diesem Tage so ein Werk verfasse. Aber denen, die es wissen, denen möchte ich danken. Dafür, dass sie mir beistanden, bei mir waren, als ich sie brauchte. Und die auch jetzt noch für mich da sind und mit mir leben. Meine Freunde, meine „Kinder“. Ich denke, jeder, der diese Zeilen liest und sich angesprochen fühlt, dem ist dieses Werk gewidmet. Mello und Near, Koji und Taku, die es unmittelbar danach erfuhren und trotz eigenem Ärger sofort Zeit für mich hatten. Zeit, um für mich da zu sein. Leav, die es so bereute heute an diesem einschneidenden Tag nicht für mich da sein zu können. Matt, B, Mikami und Vögelchen, die es erst kürzlich erfuhren und mir beistanden, die mich, wenn auch nur virtuell in den Arm nahmen. Euch allen möchte ich dafür danken. Ich bin froh, dass ich euch habe. Das Datum, an dem Roger die SMS mit der Meldung über Ls Sterben erhält, ist Absicht. Obwohl es rechnerisch stimmen dürfte, denn nach Ls Tod steht der Counter auf 20 d 18 h 31 m 30s. Aber selbst wenn es der 25. wäre, ich würde es nicht abändern. Aus ganz bestimmten Gründen. Funeral „L ist tot.“ Ein Satz. Nicht einmal. Drei Worte. Mellos Welt bröckelte. „Was…?“ Wie konnte das sein? L… tot? „Tot?... Aber… wie?! Das ist nicht wahr! Roger!“ Wut. Angst. Und Trauer. „Wer war es? Ist er wegen Kira gestorben?!“ Er war doch bei bester Gesundheit gewesen. Wie konnte es sein, dass er nun nicht mehr leben sollte? „Willst du sagen, er hat versucht Kira zu stellen und ist dabei…?“ Das war einfach nicht fair! „Ist es das, was du mir sagen willst?!“ Ohne sich selbst zu sehen packte Mello den älteren Waisenhausaufseher am Kragen. „Sag schon!“ – „Me-… Mello!“ Roger war machtlos. Was sollte er denn tun? Es war die Wahrheit, so schmerzlich sie sich auch nun herausstellte. L war tot. Etwas fiel klappernd zu Boden. Puzzleteile. „Wer das Spiel nicht gewinnt… Wer das Puzzle nicht löst…“ Mello ließ Roger los und drehte sich um, die Augen im Entsetzen immer noch geweitet. „…der hat versagt.“ Nur ein leises Klicken, als Near motorisch Teil um Teil wieder einfügte. Mello biss sich auf die schmalen Lippen. Das konnte nicht wahr sein. Nichts von alldem. Ein Traum. Es war ein Traum. Und wenn er aufwachte, dann würde ihm Roger sagen, dass L angerufen hatte und dass er bald wieder zu Besuch käme. Sicherlich. Anders konnte es gar nicht sein. L war nicht tot. Er… „Mello…“ Der Blonde sah auf. Irgendwo hinter ihm tickte eine Wanduhr. Über der Tür, wenn er sich richtig erinnerte. Auf dem Schreibtisch lag noch immer das aufgeklappte Handy, darauf jene drei Worte, die Roger ihnen gegenüber ausgesprochen hatte. L ist tot. Er würde nicht mehr wiederkommen. „So…“ Mello fühlte, wie ihm kalt wurde. „Zwischen Near und mir… für wen hat er sich entschieden?“ Mit jedem Wort, das er sprach, wurde die Gewissheit ein Stück mehr Realität. Roger schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid.“ Near. Natürlich. Mello hatte damit gerechnet. Nicht, dass es über den Verlust getröstet hätte. Aber er hatte seit jeher angenommen, dass er L mehr bedeutete als Near. „Er hat nicht entschieden. Und nun ist er tot…“ Ohne es selbst zu hören stieß Mello ein leises Wimmern aus. „Was…?“ – „Mello. Near. Was ist, wenn ihr zusammen arbeitet?“ Wieder ein Klicken. Wieder ein Puzzleteil. Near sah von seiner Arbeit nicht einmal auf, während es hier um seine maßgebliche Zukunft ging. Es war nun an ihnen den Mörder ihres Vorgängers zu stellen. Sie würden nun Kira fangen müssen. Sie? Oder nur Near? Mello konnte sich keine Zusammenarbeit mit dem Jüngeren vorstellen. „Ich denke nicht, Roger“, sagte er bestimmt. „Near würde den Job routinierter erledigen. Gefühllos und direkt, so, wie er nun das Puzzle zusammensetzt. Ich verlasse das Institut.“ – „Mello! Du kannst nicht gehen.“ Mello schüttelte den Kopf. Für einen kurzen Augenblick hatte er etwas wie Tränen in seinen Augen gespürt. „Warum? Ich bin jetzt 15. Ich bin alt genug um meinen eigenen Weg zu gehen!“ Roger faltete die Hände vor seinem Mund und sah den Jungen eindringlich an. Er konnte verstehen, wie er fühlte. Aber… „Sein Körper ist hier. Er wird in den nächsten Tagen beigesetzt.“ Wieder diese Kälte. L. Beigesetzt? Das war… endgültig. Near drehte sein Puzzle wieder um und begann von neuem. „Das… Das ist mir egal. Ich gehe!“ Weg. Raus aus diesem Raum. Keine Schwäche vor Near, vor Roger. Was verstanden sie denn schon? Die Tür schlug hinter Mello zu, als er das Büro des Waisenhausleiters verließ und den Gang entlang eilte. L. Wie oft war er ihm auf diesem Gang schon entgegen gekommen, hatte die Arme ausgestreckt und den blonden Jüngeren mit einem Lächeln empfangen. Das alles sollte nicht mehr sein? „Das ist nicht fair…!“, brachte Mello zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor und stolperte gegen seine Tür. „Das ist einfach nicht fair… Ryuzaki…“ Warum hatte er diesen Fall überhaupt angenommen? Er hätte sich raushalten können. Dann wäre er… wäre er… jetzt noch bei ihm. Mello sah längst nicht mehr was er eigentlich griff. Sein Zimmer, seine Gegenstände, alle Erinnerungen verschwammen vor seinen Augen, vor dem salzigen Film, der sich darüber gelegt hatte. Er wollte so schnell wie möglich hier raus. Zu viel. Es war einfach… zu viel. Wohin sollte er nun? Mello fühlte sich verlassen. Es gab nichts, wo er hätte hingehen können. Das Waisenhaus war alles, was er jetzt noch hatte. Frierend zog er die Beine näher an seinen Körper. Wie L es immer getan hatte. Fror er überhaupt oder war es die Gewissheit, die ihm langsam in die Glieder kroch? Er konnte es nicht sagen. Die Erlebnisse der letzten Stunden waren so frisch, so jung, dass es schmerzte, wenn er nur an sie dachte. Rogers Stimme, diese drei unheilvollen Worte, Nears abwertende Reaktion. ‚Wer das Puzzle nicht löst, der hat versagt.’ Ryuzaki hatte nie versagt. Was war nur geschehen? Was hatte sein Leben beendet? Über welche Kraft verfügte Kira, dass er den stets so vorsichtigen und perfekten Ermittler hatte töten können? Und gegen diesen Gegner sollten sie nun antreten? Das konnte nicht sein. Das war nicht fair. Wenn nicht einmal L gegen ihn bestehen konnte… wie sollten sie es dann schaffen? Und dann alles so plötzlich. Für Weihnachten hatte Ryuzaki doch noch seinen Besuch angekündigt. Bei seinem letzten Anruf hatte er gesagt, dass er Kira bis zum neuen Jahr gestellt hätte, dass er längst einen Hauptverdächtigen und bald wohl auch Beweise habe. Mello versuchte sich zu erinnern, wann das war. Kurz nach seinem Geburtstag. Am 01. November. Heute war der 26. Vier Tage nach seinem Anruf war er also gestorben. Mello konnte immer noch nicht verstehen, dass er da das letzte Mal seine Stimme gehört hatte. So kurz. Er hatte nicht mit dem gerechnet, was ihn erwartet hatte, als Roger ihn und Near in sein Büro rief. Mello war schon immer ein Rabauke gewesen. Und nicht selten war Near eines seiner auserkorenen Opfer. Near, sein Rivale um seinen Platz in der Zukunft. Near, der doch immer etwas besser war als er. Ganz gleich, wie viel und was Mello tat. Er hatte mit Schelte gerechnet. Mit Zimmerarrest, Putzdienst, Strafarbeiten. Aber nicht damit. Dass etwas nicht so war wie es sein sollte, das war ihm bereits an Rogers Augen aufgefallen. Er wirkte… verletzt. Und dann hatte er die Wahrheit erfahren. Eine Wahrheit, die er jetzt lieber wieder vergessen würde. Mello stand auf. Ihm wurde kalt. Immerhin konnte er nicht ewig in diesem Waldstück bleiben. Er würde… Er würde zurückgehen. Er würde bei der Beerdigung dabei sein. Ryuzaki hätte es sicherlich so gewollt. Es war seine letzte Ehre, seine letzte Heimkehr in das Waisenhaus. Wenn Mello nicht dabei war, dann würde er sicherlich nicht in Frieden ruhen können. Noch einmal wischte sich Mello über die Augen, dann ging er langsam und mit schmerzenden Gelenken zurück. „Mello.“ Roger wirkte nicht überrascht. Ganz und gar nicht. Fast so, als habe er gewusst, dass Mello zurückkommen würde. Immerhin ging es um L. L, der einzige Mensch, der stets an Mello geglaubt hatte. „Sag nichts, Roger…“ – „Eigentlich wollte ich sehr viel sagen…“ Mello blickte auf, sah wieder in dieses faltige Gesicht, welches er so oft verflucht hatte. „Worüber?“ – „Über L.“ Nein. Er wollte jetzt nichts über ihn hören. Nicht jetzt, wo der Schmerz über seinen Verlust noch so tief saß. „Wolltest du nie wissen, wer er war? ... Ich kenne ihn länger als jeder andere hier. Sogar länger als… als…“ – „…Watari“, beendete Mello den begonnenen Satz. Es war verständlich. Und die einzige Möglichkeit. Wenn L starb, dann starb Watari mit ihm. L und Watari waren immer eine Einheit gewesen. Eine Einheit, die alleine nicht existieren oder agieren konnte. Roger nickte. „Ja.“ – „Danke, aber… Nein. Roger. Ich möchte ihn in meinen Erinnerungen behalten. So, wie ich ihn kenne und … gekannt habe. Ich will nicht, dass neue Informationen das Bild von ihm in mir zerstören.“ “Na komm schon!“ Eine Stimme, die lachte. Und ein hagerer Jugendlicher rannte über den Flur. „Warte…!“ Kleine Füße, die die großen Schritte des deutlich Älteren nicht einholen konnten, so sehr sich Mello auch bemühte. „War-!“ Mello verlor den Halt und stolperte. „Au…“ Augenblicklich blieb L stehen und drehte sich zu dem sechs Jahre alten Jungen um, ehe er zurückkehrte und sich zu ihm beugte. „Komm, ich helfe dir auf.“ – „Nicht wegrennen…“, nuschelte Mello in Ls weißen Pulli, als dieser ihn auf den Arm genommen hatte. „Ich will doch dabei sein, wenn du dein Geschenk auspackst!“ Ein Lächeln stahl sich auf Ls Lippen. Er wusste doch sowieso was er von Mello bekam. Eine Tafel Schokolade. Mello schenkte ihm immer Schokolade. Der Weihnachtsbaum war hoch und reich behängt. Gemeinsam mit Watari brachte Roger die letzten Lichterketten an. „Und? Wie ist er?“, fragte der Waisenhausleiter seinen Gründungspartner und Watari begann zu lächeln. „Genau der, den wir gesucht haben. Er arbeitet gründlich, gewissenhaft und sehr schnell.“ Roger schnaufte erleichtert. Endlich. Nach all den Jahren der erfolglosen Suche hatten sie ‚L’ gefunden. „Was hältst du von den drei Nachfolgern?“ – „Ich kann noch nicht viel zu ihnen sagen. Sie sind noch so klein.“ – „Aber sie haben Potential.“ Watari lachte heiser, dann steckte er die Lichterketten ein. Sofort tauchten etliche, winzigkleine Glühbirnen den großen Aufenthaltsraum in ein weiches Licht. Neben dem festlich gedeckten Tisch saß ein Junge in einem viel zu großen gestreiften Pullover auf dem Boden und tippte immer und immer wieder mit dem Finger auf den Knöpfen eines grauen Game Boy. „Watari… Roger.“ – „Ryuzaki. Mello! Ihr seid pünktlich, wir sind gerade fertig geworden.“ – „Ich will Ryuzaki mein Geschenk geben! Weg da, Near!“ Mello, kaum von L heruntergelassen, sprang über den am Boden liegenden Weißhaarigen, der bis eben geschlafen hatte. Doch als ihn Mellos Fuß streifte, blinzelte er und setzte sich leicht auf. Mit einem schmalen Päckchen in den Händen rannte Mello ihn erneut um. „Hier! Pack aus, pack aus!“ Vorsichtig entfernte L das Geschenkband und die unzähligen Klebestreifen. „Hab ich selbst eingepackt“, grinste der Blondschopf neben ihm stolz. Nicht, dass er das L hätte sagen müssen. Near verließ Mellos Rennbahn zwischen Tannenbaum und L und ließ sich neben Matt nieder, der ihn nicht weiter beachtete. L grinste. Wie er erwartet hatte. Es war Schokolade. Mello starrte auf das schmale, sauber eingepackte Päckchen, das in dem Regal in seinem Zimmer lag. „Für Ryuzaki“, stand auf dem Kärtchen am Band. Er wollte es wegräumen. Allein es zu sehen tat weh. Aber er konnte nicht. Reglos blieb er auf dem Bett sitzen und fixierte das bedruckte Papier, das die darin eingewickelte Schokolade vor Blicken bewahrte. „Ryuzaki…“ Mello fühlte sich allein. Um 20.00 Uhr sollte die Beerdigung beginnen. Wenn er im Moment daran dachte, dann wollte er nicht mehr hin. Der Sarg sei zu, hatte Roger ihm versichert, doch Mello wusste nicht ob der das dem alten Herrn glauben sollte. Roger, der immer so stolz auf Ryuzaki gewesen war, würde ihn sicherlich bis zum letzten Augenblick sehen wollen. Nun war Mello doch neugierig was Roger noch über den Schwarzhaarigen gewusst hatte. Aber nun hinzugehen und zu sagen, dass er doch zuhören wollte, diese Blöße würde er sich nicht geben. Mit einem Seufzen zog er das Bein enger an seinen Körper, unmerkend über die Tatsache, dass er Nears Sitzhaltung imitierte und wandte den Blick endlich von dem Päckchen ab. Es war 18.23 Uhr, jedenfalls laut seines Funkweckers auf dem Nachttisch, den er während seiner eiligen Packerei vergessen hatte. Zeit genug. Mello stand auf und ging mit gebeugter Haltung zur Tür. Die Klinke fühlte sich warm an, als er die Hand darauf legte und sie herunter drückte. War es, weil er selbst so kalt war? Im Flur war niemand. Das ganze Gebäude wirkte ruhig, geräuschlos… tot. Mello konnte nicht sagen ob die anderen Kinder im Waisenhaus von dieser Meldung wussten oder ob Roger es ihnen verschwiegen hatte. Im Grunde hatte es sie nicht zu interessieren. Sie waren nicht seine Nachfolger, also ging er sie auch nichts an. Sie hatten nicht das Recht um Ryuzaki zu trauern. Es war nicht abgeschlossen. Das war es nie. Mello öffnete die Tür und betrat Ls ehemaliges Zimmer im Waisenhaus, welches nie geräumt oder an jemand anderen gegeben wurde. Nein, alles war so, wie er es kannte. Das unberührte, frisch bezogene Bett an der Wand, das unaufgeräumte Regal mit persönlichen Dingen, der Kleiderschrank, die schmale Tür, die auf den Balkon führte. Es roch nach ihm. Auch wenn Ryuzaki nie einen besonderen Geruch an sich gehabt hatte. Einfach nur… Seife. Und Waschmittel. Ab und an nach der Süßspeise, die er gerade gegessen hatte. Und doch… Der Blonde ließ sich auf das Bett fallen und sah sich um, strich mit den Händen über die Bettdecke unter sich. Wie häufig hatte er sich hier versteckt… “Uhm… Mello…?“ L rieb sich noch im Halbschlaf die Augen. Etwas hatte ihn geweckt. Etwas, das sich eiligst an seinen Bauch drückte und merklich zitterte. Etwas Blondes. „Mello. Was ist denn?“ Vorsichtig hob der junge Mann die Bettdecke und sah auf den Zehnjährigen herab, der sich am ganzen Leib bebend an seinem Körper festkrallte und nicht so wirkte, als wolle er ihn irgendwann wieder loslassen. Er schluchzte. „Mello… Hey.“ Ein wenig hilflos strich L dem Kleineren über den Kopf, bis Mello endlich losließ und sich aufsetzte. „E… Entschuldige“, keuchte er und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. „Ich… Ich hab geträumt… Ich… Ryuzaki…!“ Prompt liefen wieder Tränen über die Wangen des Jungen. „Ist doch gut… Ich bin doch da.“ L schloss die Arme um seinen Nachfolger und zog ihn auf seinen Schoß. Die Uhr hinter ihm zeigte, dass es bereits nach 4.00 Uhr nachts war. Aber das war egal. Mello war wichtiger. „Erzählst du mir was du geträumt hast?“ Endlich schien sich der Kleinere zu beruhigen. „Ja… Ich… Ich hab geträumt, du wärst…du wärst…“ Mello schluckte schwer und holte Luft. „Ich wäre…?“, hakte L vorsichtig nach, doch der Blonde schüttelte heftig den Kopf. Die Erinnerung an den Traum war wieder da. Mello rannte. Irgendwohin. Wo er war, das wusste er nicht. Aber Ryuzaki war bei ihm. Er lief neben ihm her. Zu irgendeinem Ziel. Wohin? Das war gleichgültig, solange Ryuzaki bei ihm war. Mello war sich sicher, mit ihm an seiner Seite konnte er alles Mögliche erreichen. Alles. Er wollte ihn anlächeln, ihm zeigen wie froh er über seine Anwesenheit war. Doch als er zur Seite blickte, war Ryuzaki verschwunden. Spurlos. „Ryu…zaki?“ Mello stoppte und blickte sich um. Da hinten. Lag er da? Aber da war noch mehr. Etwas Rotes. Blut…? „Du wärst… tot…“, beendete Mello mit einem Wimmern seinen Satz. „Unsinn…“ L strich ihm durch die blonden Strähnen. „Ich lasse dich nicht allein. Das weißt du doch. Das habe ich dir versprochen.“ „Lügner…“, stieß Mello leise aus und strich weiter über das Laken. „Lügner…! Du hast mich doch alleine gelassen! LÜGNER!“ – „Mello!“ Roger stand in der Tür. „Komm raus da, Mello. Es ist nicht gut, wenn du in den Erinnerungen an ihn ertrinkst.“ – „Wie spät ist es…?“ – „Es ist gleich soweit… Komm bitte.“ Mello merkte nicht einmal, dass er aufstand und das Zimmer verließ. Aber er registrierte, dass Roger die Tür abschloss. Zum allerersten Mal schloss sich diese Tür endgültig. Sonst war sie immer offen gewesen. Immer. Ein Sarg. Ein weißer Sarg. Mellos Blick fiel ein letztes Mal auf die bleichen, schneeweißen Züge. Es sah aus, als würde er lächeln. Als würde er… nur schlafen. Mello wollte ihn berühren, wollte über seine Wange streicheln. Aber er ahnte, dass seine Haut eiskalt sein musste. „Er sieht friedlich aus…“, hörte er Roger neben sich sagen. Die Hände des alten Mannes ruhten am Sargdeckel. ‚Das tun Tote immer’, wollte Mello einwerfen, aber er ließ es und fixierte stattdessen weiterhin Ryuzakis Züge. „Kann ich ihn schließen…? Ich möchte nicht, dass Near ihn so sieht.“ Eine Sonderbehandlung für Near. Der Schmerz saß zu tief, als dass Mello wütend werden konnte. „Ja…“ Das Bild hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Und er bereute, dass er in die Leichenhalle gekommen war, bevor der Sarg nicht zu gewesen war. Zu dem lächelnden Ryuzaki in seinen Erinnerungen gesellte sich nun das Antlitz seiner Person in diesem gottverdammten Sarg. Er war tot. Nur Near und Matt saßen auf den viel zu unbequemen Stühlen in der kleinen Halle. Es war befremdlich die beiden in schwarzer Kleidung zu sehen. Besonders Near. Das war das letzte, was Mello bemerkte, bevor er seinen Blick wieder auf den Sarg lenkte, der so nackt und kahl in dem Raum stand. Keine Kerzen, keine Blumen. Niemand außer ihnen, die sich seiner erinnerten. Das war schmerzlich. „Ich könnte so vieles über ihn sagen“, begann Roger seine verunsicherte Totenrede und seine Stimme zitterte. „Aber ich glaube, jedes Wort wäre das Falsche.“ Mello biss sich wieder auf die Lippen. Hätte er ihn nicht eben noch selbst gesehen, er hätte nicht geglaubt, dass die Person, die er stets so bewundert hatte, nun in diesem Sarg ruhte. „Er war… großartig. Mehr als das. Er hat sehr viel erreicht, von dem euch das meiste noch bevorsteht.“ Nur, weil sein Herz nicht mehr schlug? Das war nicht fair. War der Kira-Fall wirklich zu viel für ihn? „Sein Tod ist für uns alle bedauerlich… und schmerzlich. Ihr verliert einen Lehrer – ich…“ Kira lief da draußen noch frei herum. Und er, Ryuzaki, war tot. Nur wegen diesem Mörder. Nur wegen… „…ein Kind.“ Er würde Kira stellen. Das würde er sicherlich. Ob als nächster ‚L’, ob mit oder ohne Near. Aber er würde. Das stand fest. Ryuzakis Tod sollte nicht ungesühnt bleiben, wenn man ihn schon vergessen würde. „Ich hoffe, ihr führt sein Werk mit Stolz weiter. Er war zwar der Erste, aber er wird nicht der Letzte sein.“ Roger war nun mit der Suche nach ihren Nachfolgern betraut. Eine endlose Liste an Menschen, die isoliert lebten und einsam starben. Nur eine Generation würde sich an die Person hinter dem Buchstaben ‚L’ erinnern. Danach gerieten diese wunderbaren Menschen in Vergessenheit. Mello war sich sicher, er würde niemandem von Ryuzaki erzählen wollen oder können. Wenn er starb, dann starben seine Erinnerungen an den ersten ‚L’ mit ihm. Für die Menschheit, das Volk, die Öffentlichkeit würde es ‚L’ jedoch immer geben. Das waren das Schicksal und die Aufgabe der Nachfolger. Den Schein zu wahren. Roger blickte auf den Sarg. Seine Fingerspitzen fühlten sich taub an. Die drei Nachfolger, wie sie hier vor ihm saßen, würden seinen Schmerz nicht verstehen können. Er hatte bereits seine beiden Töchter zu Grabe tragen müssen. Dann seinen jahrelangen Freund und Partner. Und nun… seinen eigenen Enkel. Aber er durfte sich jetzt nicht in der Trauer verlieren. Da gab es immer noch Personen, die ihn brauchten. Roger blickte auf die vorderste Reihe. Mello weinte lautlos. Die Tränen liefen einfach über seine Wangen, verfingen sich in den blonden Haarspitzen, tropften auf seine schwarze Hose. Er hatte L stets bewundert und zu ihm aufgesehen. Von allen dreien hatte er mit ihm die engste Verbindung und war auch immer der, den L am Telefon als erstes verlangt hatte. Roger würde ihn verlieren, da war er sich sicher. Und mit ihm würde auch Matt dem Waisenhaus bald den Rücken kehren. Somit spezialisierte sich die weiterfolgende Ausbildung auf Near. Near, der nun auf dem Stuhl saß und sich nicht regte. Er sah nicht einmal auf. Sein Blick hing starr und fixiert auf dem Boden. Roger konnte nicht einmal sagen ob der Junge überhaupt trauerte oder ob ihn der Tod Ls kalt ließ. Und Matt… Matt zog immer wieder schniefend die Nase hoch. Sein Game Boy war ausgeschaltet. Die Beisetzung war eine Woche später. Nun wussten es alle. Jeder einzelne im Waisenhaus. Doch niemand verstand wirklich den Kern dieser Aussage. Niemanden beschäftigte es nach wie vor so wie Mello. Seit der Trauerfeier hatte er kaum noch ein Auge zugemacht. Heute würde er das Waisenhaus endgültig verlassen. Je länger er hier blieb, desto schwerer fiel es ihm zu leben. „Möge er endlich seinen Frieden finden“, murmelte Roger kaum hörbar, als der schneeweiße Sarg von einigen der älteren Waisenhausinsassen in das ausgehobene Grab gesenkt wurde. Mello sagte nichts. Jetzt würde Ryuzaki da unten langsam verwesen, bis nur noch Knochen von diesem Menschen, in dessen Nähe Mello so häufig war, übrig blieben. Noch immer klang seine Stimme in Mellos Ohren. Seine Stimme bei diesem letzten Telefonat. “Ja. Natürlich, mit der gleichen Fluganbindung wie immer.“ Er lachte, wenn auch nur kurz. „Freust du dich?“ – „Das fragst du noch? Natürlich! Bleibst du denn dann länger…?“ – „Ich denke schon.“ L drehte am anderen Ende der Leitung das Telefonkabel zwischen seinen Fingern. „Jetzt, wo der Fall gelöst ist, kann ich mir auch länger Zeit für euch nehmen. Watari hat sicherlich nichts dagegen.“ Watari, der hinter ihm auf dem Bürostuhl saß und die Aufnahmen der Überwachungskameras in dem hohen Wolkenkratzer beobachtete, nickte. „Das ist toll!“, rief Mello begeistert. Sonst war L höchstens zwei Tage im Waisenhaus gewesen. Wenn er jetzt länger blieb, dann konnte er endlich mehr mit dem Älteren unternehmen. Und vielleicht würde sich L dann eines Tages für ihn entscheiden, anstatt für Near. „Ach ja… Alles Gute nachträglich! Wie alt bist du denn geworden?“ – „Alt. Steinalt.“ – „Jetzt sag schon!“ Wieder dieses Lachen. „25 ist er jetzt“, rief Watari von hinten und erntete einen finsteren Blick von seinem Schützling. „Du bist ja fast so alt wie Roger.“ – „Das habe ich jetzt überhört. Gibst du mir gleich Near?“ – „Sicher. Er sitzt zu meinen Füßen, aber Roger sagt, ich darf ihn nicht treten. Ryuzaki?“ – „Ja?“ – „Ich freue mich auf dich…“ „Asche zu Asche. Staub zu Staub.“ Es prasselte leise, als trockene Kieserde und Kohlenasche auf den Sarg fielen und ihn verschmutzten. Mello starrte in das tiefe Loch. Das war es also. Das war das Ende einer Legende. Er wollte es Roger, Near und Matt nicht gleich tun und den Sarg noch weiter verdrecken. Er hatte etwas anderes. Wieder leicht zitternd streckte er die Hand aus und ließ die eingepackte Schokolade fallen. Sie blieb auf dem unteren Drittel des Sarges liegen. „Für Weihnachten…“, murmelte Mello, dann wandte er sich endgültig ab. „Hey… HEY, warte!“ Matt packte Mello an der Schulter und riss ihn zurück. „Du gehst echt?“ – „Ja… Ich kann hier einfach nicht mehr. Es geht nicht. Ich ertrage weder Near, noch Roger, noch- …“ Matt neigte den Kopf zur Seite, als Mello ihn so anfuhr. „Na, doch. Dich ertrag ich grad noch.“ – „Denkst du, das ist der Weg, den er gewollt hätte?“ – „Wer?“ – „L.“ Mello seufzte und setzte seine Tasche ab. „Hör mal… Near folgt nun Ls Weg. Ich muss selbst sehen, was ich nun mache. Aber ich weiß eins… Ich finde heraus, wer Kira ist. Ich kriege heraus, wie er Ryuzaki umgebracht hat. Und dann… werde ich Ryuzaki rächen. Das schulde ich ihm einfach.“ – „Schon klar.“ Matt senkte den Game Boy, den er in der Hand hielt. „Ey… Matt?“ – „Hm?“ – „Tust du mir einen Gefallen?“ – „Sicher.“ Hinter ihnen im Waisenhaus ging das Licht an. „Besuch sein Grab für mich, ja? Sag ihm… sag ihm, dass es mir leid tut. Und bring ihm an Weihnachten Schokolade.“ Roger hatte Mellos Abwesenheit bemerkt. „Klar. Mach ich, Mello.“ Matt hob die Hand zu einem kurzen Gruß, fast so, als würde er glauben, es wäre kein Abschied für immer. Noch ein letztes Mal blickte Mello zurück. Dann drehte er sich um und rannte los. Als Roger am Tor ankam, war Mello schon außer Sichtweite. Schnaufend stützte sich der ältere Mann auf seinen Knien ab, während Matt wie gebannt auf das Display seines Game Boy starrte. „Wo- … Wo ist er hin?“ Matt hielt es nicht für nötig aufzusehen. „Keine Ahnung“, antwortete er leise. „Geht seinen Weg.“ – „Er ist noch ein Kind…!“ – „Nein.“ Bestimmt schüttelte Matt den Kopf und sah auf. „Nein, ist er nicht.“ Super Mario starb auf dem Game Boy einen qualvollen Tod und die leise Musik des Game Over war zu hören. „Er ist jetzt ‚L’.“ Kapitel 4: Looser ----------------- Serie: Death Note – Another Note [Novel] Charaktere: A & B Reihe: Unfortunately – Kapitel 4: Looser Widmung: Oh Gott. Wem widme ich dieses Werk nun? Chibi gehören auch schon zwei Kapitel meiner Wammy-Reihe. Also geht die Widmung dieses Mal an Mero, weil sie damit nicht rechnet und schon so gespannt hibbelte, als ich ihr nur von der Fanfic erzählte. Beta: Chibi ^_^ WARNING! Extreme Spoilergefahr! WARNING! Looser „Ich habe nie verstanden, warum gerade er zu einem Nachfolger ernannt worden war. Aber ich nehme an, dass ich auch nicht verstehen muss. Fakt ist: Er ist wahnsinnig. Sein Genie hat ihn verrückt gemacht. Er eifert seinem Vorbild nicht mehr als eigenständiges Individuum nach, nein, er kopiert ihn. Er will er sein und versteht nicht, dass er das nicht sein kann. Er ist gefährlich und nicht einzuschätzen. Bisher legte ich viel Wert auf die Entscheidungen von Roger, aber mit ihm hat er sich getäuscht.“ „A! A, bleib stehen!“ As viel zu dünnen Finger verkrampften sich um den Rücken des Buches, das er trug. Der Gang des Waisenhauses zu seiner linken und rechten Seite wirkte verschwommen. „Wenn du nicht stehen bleibst, schlitze ich dir die Kehle auf.“ Der hagere Junge ging weiter, ungeachtet der Drohung in seinem Nacken, ungeachtet der Person, die diese Drohung ausgesprochen hatte. A wollte nicht stehen bleiben, denn damit würde er sich aufliefern. Das war das letzte, was man in so einer Situation machen konnte. Die Chance, dass er unbeschadet das Klassenzimmer und damit die Sicherheit von Rogers Anwesenheit erreichte, war einfach höher. Anders als eine Kapitulation, die nur eine Einwilligung in die Methoden des Schwarzhaarigen, der ihn so hartnäckig verfolgte, zur Folge hatte. A biss sich auf die Lippen. Er würde einfach weitergehen, bis er die Tür zum – Etwas traf ihn hart am Hinterkopf. A stolperte nach vorne, landete hart und unsanft auf den Knien und knickte zur Seite. Das Buch, welches er in den Händen gehalten hatte, fiel zu Boden. Ein Marmeladenglas schlitterte gegen die Wand und blieb dort liegen. Natürlich war es leer. Er verschwendete keine Marmelade. A keuchte. Seine Knie brannten und ließen den Schmerz unangenehm und bittersüß durch seine Adern kribbeln. Er konnte jetzt nicht ausruhen. Er musste aufstehen, solange ihm noch die Zeit dazu blieb. Doch er hatte sich noch nicht ganz hoch gedrückt, als er bereits lange, schlanke Finger um seinen Hals fühlte. „Ich sagte doch, dass du stehen bleiben sollst, A. Kann du nicht hören?“ Der Druck der Finger verstärkte sich und A hustete. „Lass mich-!“ Ein nackter Fuß traf seine Wirbelsäule. Es knackte unangenehm laut und A verzog das Gesicht. „Wer hat dich Verlierer zu seinem Nachfolger ernannt? Du bist es doch nicht einmal Wert dieselbe Luft wie er zu atmen.“ Die Stimme des Schwarzhaarigen klang kalt, aber auch gleichermaßen verbittert. So, als habe man ihm etwas genommen, was ihm sehr wichtig gewesen war. A knirschte mit den Zähnen. Sein Rückgrat protestierte unter den auf es einwirkenden Schmerzen. „Derselbe, der auch dich ernannt hat“, brachte A schließlich hervor und versuchte den Fuß des anderen von seinem Rücken zu schieben, doch die schmalen Lippen des Dunkelhaarigen hinter ihm verengten sich zu einem angestrengten Grinsen. „Ich bin der Einzige, der seine Position verdient hat. Gib es auf, A.“ A sagte nichts. Er kannte diese Sätze, hörte sie jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, die er in der Nähe des Schwarzhaarigen verbrachte. Und da sie beide die einzigen Nachfolger waren, war das ständig. A war dem zweiten Nachfolger willkürlich ausgeliefert. „Ich habe nie anmerken lassen, was in den Gängen und Zimmern des Instituts abgelaufen ist. Die Worte dieser Fakultät, die uns vermittelt wurden, waren immer streng geheim. Aber es war reine Provokation, ein reiner Kampf, ein reines Überleben. Wer nicht das nötige Rückgrat beweisen konnte, der wurde von ihm gerichtet. Weil er der Ansicht war, dass nur ihm allein die Ehre der Nachfolge zu Teil wurde, obwohl er erst nach mir in diesen Stand erhoben worden war. Aber das wollte er natürlich nicht hören. Seine Art war nicht mit einem ruhigen Leben zu vereinbaren.“ Der Schwarzhaarige stand vollkommen ruhig in dem weiß getünchten Gang und starrte auf etwas, das wie ein Zettel aussah. A blieb unwillkürlich stehen. Der Rucksack, den er auf den Schultern trug, drückte ein wenig zu fest in seine Haut, denn am heutigen Tag hatten sie neue Bücher erhalten. Doch die Anwesenheit des Älteren faszinierte ihn widerwillig. Aus der Entfernung sah es aus, als würde er weinen. Doch A schloss das für sich selbst aus. Er kannte den anderen nun schon so lange, dass er weinte stimmte einfach nicht mit dem Bild überein, welches er von ihm hatte. Er musste sich täuschen. „Wen starrst du an, A?“ A zuckte auf und erwachte aus seiner Starre. Der andere hatte sich von der Wand weggedrückt und kam auf ihm zu, in seinen bleichen Händen das so gewohnte Glas Marmelade. A konnte aus der Entfernung, die noch zwischen ihnen bestand, welche sich aber mit jedem Schritt des auf ihn Zukommenden verringerte, nicht erkennen um welche Sorte es sich handelte. Im Grunde war es aber auch egal. Viel wichtiger war, dass er – B blieb vor ihm stehen. Lange, schwarze und im matten Licht der Deckenlampen leicht glänzende Haarsträhnen hingen in den roten Augen des Größeren. Das schneeweiße Oberteil hing schief an seinem Körper, entblößte ein Stück der knochigen Schulter. A beobachtete in verkrampfter Haltung, wie B seine Hand in das Glas tauchte und sich die rote Marmelade genüsslich und provokant von den Fingern leckte. „Was willst du?“ B grinste schräg, dann streckte er den Arm aus und fuhr über As Wange, hinterließ eine schmale, rote Spur, die auf der Haut unangenehm klebte. A verengte die Augenbrauen und starrte B an. Er wollte ihn nicht aus den Augen lassen. Das war einfach zu riskant. Zu oft hatte er Bs Hände schon um seinen Hals gehabt, zu oft dessen Fuß in seinem Gesicht. „Ich will, dass du aufgibst, A. Geh zu Roger. Sag ihm, dass du nicht „L“ sein willst. Überlass mir seine Position als Nachfolger.“ Bs Lippen hoben sich noch ein Stück höher, kniffen sich jedoch zu einer schmalen Linie zusammen, als A den Kopf schüttelte. „Nein, B. Ich werde sicherlich nicht aufgeben. Zum einen wurde ich ernannt, als du noch nicht im Waisenhaus warst und zum anderen werde ich meine Bestimmung nicht wegen dir aufgeben. Ich habe wie du das Potential „L“ zu werden. Wenn es sein muss, werde ich mit dir um meine Zukunft kämpfen.“ Bs Körper zitterte leicht. A konnte beobachten, dass die Fingerknöchel des Anderen bereits weiß hervortraten, so fest hatte er die Hände zu Fäusten geballt. Das Glas der Marmelade knirschte gefährlich, brach jedoch nicht. „Du hast doch keine Ahnung. Potential nennst du das?“ B schrie nicht, aber dennoch stellten sich an As Armen unter dem zu weiten, grauen Pullover die Haare auf. „Du wirst so oder so gegen mich verlieren. Jedoch könnte ich mich besser auf meine Zukunft konzentrieren, wenn du sie nicht gefährden würdest, A. Ich räume dich so oder so aus dem Weg.“ „Er drohte immer. Er war unnahbar und so unberechenbar, dass sich nicht einmal Roger näher an ihn herantraute. Es war einfach zu gefährlich. Als ich ihn kennen lernte, da war er noch anders. Da war er ein schüchterner, zurückgezogener Junge mit etwa schulterlangen, dunklen Haaren. Nur die roten Augen hatte er von Anfang an. Ich weiß nicht, woher diese exotische Farbe kommt. Aber ich weiß, dass er stolz auf sie ist. Ich kann es nachvollziehen. Verändert hat er sich erst so negativ, nachdem L bei uns zu Besuch war, um den neuen Nachfolger – also mich – zu begutachten.“ „Hallo.“ Der hagere, groß gewachsene und krank aussehende junge Mann streckte A die Hand hin, der sie kritisch ergriff und schüttelte. Das war L? A hatte ihn sich ganz anders vorgestellt. Seriöser. Hübscher. Jedenfalls… nicht so. Auf der anderen Seite erleichterte es A, denn er selbst fand sich alles andere als optisch positiv. Im Gegenteil. So war es angenehm zu sehen, dass L diesem Ideal auch nicht entsprach. A lächelte. „So, du bist also mein Nachfolger.“ Der Blick des Ermittlers war skeptisch. „Ja. Sein Name ist Abel Gallows, allerdings wird er nur noch A genannt.“ L, der den Finger an seine Unterlippe gelegt hatte, nickte langsam. „Ich verstehe. Ist er der Einzige?“ – „Bisher ja. Allerdings haben wir einen Neuzugang, der enormes Potential zeigt. Ich wollte, dass du ihn dir ansiehst, ehe ich ihn ebenfalls zu einem Nachfolger ernenne. Ich bin mir bei dem Jungen nicht zu 100% sicher, ob er sich wirklich für diese Position eignet. Er wird in der Bibliothek sein. A wird dich hinführen.“ – „Als ob ich vergessen hätte, wo die Bibliothek ist“, flüsterte L lachend und schob die Hände in seine Hosentaschen. Die Bibliothek war fast leer, mit Ausnahme des hübschen Schwarzhaarigen, der den Kopf über ein Buch gebeugt hatte. A ging schnellen Schrittes auf den Älteren zu, packte ihn an der Schulter und zog ihn zurück. „Hey, B.“ – „He?“ B sah auf, blinzelte ein paar Mal zu A und fixierte dann L, dessen Gesicht er nicht kante. „Was ist?“, wandte B sich an A und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Rivalen. „Das ist L.“, antwortete A tonlos. „L?“ B schien einige Minuten zu brauchen, ehe er die Aussage verstand. Doch dann weiteten sich seine Augen ungläubig. „L?“, hauchte er atemlos und stand von seinem Stuhl auf. L lächelte wieder kurz. „Roger sagte mir, dass du das Potential hättest meine Nachfolge anzutreten“, erklärte er und sorgte dafür, dass Bs Augen prompt noch eine Spur größer wurden. „Deine – Ihre – Nachfolge…?“ L nickte und hob die Schultern leicht. „Roger hat jedoch noch Zweifel, ob du dich wirklich als Nachfolger eignest“, erklärte L ohne die Stimme zu heben. A konnte beobachten, wie B die Daumen nervös umeinander drehte. Seine Anspannung war spürbar. „Aus diesem Grund möchte ich unter vier Augen mit dir reden. Hast du etwas dagegen?“ B schüttelte auf Ls Frage hin den Kopf und rutschte auf seinem Stuhl hin und her. „Ich nehme an, Roger hat dich schon geprüft?“ – „Ja. Er hat mich Fälle lösen lassen, die eigentlich A zugeteilt waren und war von meiner Leistung recht angetan. Er meint, ich hätte eine sehr schnelle Kombinationsgabe.“ L nickte kaum sichtbar und richtete die dunklen Augen an die Decke. „Ich lege Wert auf Rogers Meinung, dennoch würde ich mir das gerne selbst ansehen. Kommst du bitte mit?“ A beobachtete mit einem leichten Anflug von Zorn, wie L die Hand auf Bs Schulter legte und mit ihm den Raum verließ. Ein zweiter Nachfolger also. Und dann ausgerechnet B. Nicht, dass A etwas gegen den Älteren hatte, aber B war ihm vom ersten Moment an unsympathisch gewesen. Seine anbiedernde Art, nachdem er seinen ersten Fall bearbeitet hatte, war einfach ekelhaft. Und nun verfolgte er diesen Weg auch bei L – dem einzigen Menschen, zu dem A ohne Schuldgefühle oder Angst aufsehen konnte. A wusste nicht, wie das Gespräch mit L für B verlaufen war. Aber unmittelbar nach diesem Ereignis veränderte sich B von Grund auf. Er schnitt sich selbst die Haare, bis sie ebenso stufig, zerzaust und unordentlich waren, wie die von L. Seine Kleidung warf er komplett weg, besorgte sich stattdessen Jeans, die rutschten und viel zu weite, weiße Longleeves. Er begann sich zu schminken, färbte den Bereich unter den Augen mit Kajal bewusst schwarz. A erschrak, als B so zum ersten Mal das Klassenzimmer betrat. Er sah aus, wie eine Kopie von L. Der einzige Unterschied waren die roten Augen, auf die er nun gar nicht mehr so stolz zu sein schien. „Seine Augen waren mir immer suspekt. Sie waren anders und damit schließe ich nicht nur auf ihre ungewöhnliche Farbe. Dass mit ihnen nichts stimmte, merkte ich das erste Mal, als er plötzlich Sachen wissen konnte, die ihm eigentlich niemand gesagt hatte. Um genau zu sein wusste er Namen. Meinen Namen. Und nicht nur ihn. Eigentlich kannte er jeden Namen eines jeden Waisenhausbewohners. Es war von Anfang an so, dass unsere Namen beim Einzug geändert wurden. Mein Name wurde auf den Anfangsbuchstaben meines Vornamens herunter reduziert. Bei ihm war es meinem Wissen nach nicht anders. Aber auch die restlichen Kinder bekamen neue Namen zugeteilt. Woher er also meinen richtigen Namen, den außer Roger, L und mir niemand sonst kannte, wissen konnte, kann ich mir selbst heute nicht erklären. Es war einfach so.“ „Hey, A.“ A machte sich nicht einmal die Mühe überhaupt aufzusehen. Seine Augen fixierten die Zeilen des Gesetzestextes, den er gerade auswendig zu lernen versuchte. Dass dieser auf Französisch war, machte die Sache jedoch nicht unbedingt leichter. „A, ich rede mit dir.“ Bs Stimme wurde eine Spur lauter, doch niemand in der Bibliothek störte sich daran – außer ihnen war niemand mehr in dem großen, weitläufigen Raum mit den unzähligen Bücherregalen. „La loi Gayssot n'est pas contraire à l'article 10 de la Convention européenne des droits de l'homme“, las A halblaut vor und betrachtete den Satz mit höchster Skepsis. „Das heißt nur, dass das französische Gesetz nicht im Gegensatz zu den europäischen Menschenrechten steht, A“, belehrte B und A knirschte mit den Zähnen. „Das weiß ich, B. Du bist nicht der Einzige, der Französisch spricht.“ B lachte kurz, doch dann schlug er mit der Hand auf das aufgeschlagene Buch und A zuckte zurück. „B, was soll das? Ich versuche zu lernen!“ – „Wozu? Du wirst es doch eh nicht…“ B war A so nah, dass er jedes Wort als Atemzug fühlen konnte. A schauderte leicht. „Das wird sich noch entscheiden. Roger meinte, L trifft die Wahl, wer von uns beiden irgendwann seine Nachfolge antritt.“ B stieß die Luft in seinen Lungen zischend zwischen den Zähnen aus. „Diese Frage wird sich gar nicht erst stellen. Du bist einfach nicht dafür geeignet.“ A hörte nicht mehr hin. B betete solche Sätze jeden Tag aufs Neue herunter, nur um ihn zu verunsichern. Wenn er weghörte, gab B irgendwann auf. So war es jedenfalls immer. Außer heute. „Weißt du“, begann der Schwarzhaarige wieder und drückte seine mit Marmelade beschmierte Hand auf das Buch, welches A eigentlich zu lesen versucht hatte. „Dir fehlt es an Rückgrat, A. Du steckst ein, aber du teilst nicht aus.“ B wischte seine Hand an As Pullover ab, um seinen Worten noch handgreiflichen Ausdruck zu verleihen. „Du kannst nicht einmal offen vor der Klasse reden“, fuhr B fort und erwischte A damit an seinem wunden Punkt. Tatsächlich hatte er Probleme mit Referaten und bekam vor seiner Klasse, den Blicken seiner Klassenkameraden ausgeliefert, immer Herzrasen. „Ich werde dir den Platz trotzdem nicht kampflos überlassen!“, zischte A und klappte sein Buch zu, nicht ohne Bs Hand, die sich wieder dreist auf den Seiten platziert hatte, dabei einzuklemmen. B zog die Hand knurrend zurück und rieb sich über den röter werdenden Handrücken. „Gut, wie du willst. Aber du legst dich mit dem Falschen an… Abel!“ „Es wurde mit jedem Tag schlimmer, an dem man ihm nicht aus dem Weg ging oder ihn mied. Er wurde immer mehr zu dem, was er eigentlich zu bekämpfen versuchte und er merkte es nicht einmal. Seine Art wurde gewalttätiger – blutiger. Was anfänglich mündliche Provokation war, wurde gegen Ende des Jahres 1999 ein beinahe tödlicher Kampf. Seine Augen hatten sich verändert, waren schmäler geworden. Und er bösartiger.“ „B!... B, lass mich raus!“ A schnappte keuchend nach Luft. Der Raum um ihn war dunkel, modrig und kalt. Dumpf hörte er B vor der Tür lachen. „Was denn? Gewöhn dich daran. So fühlt es sich auch an, wenn man in einem Grab liegt.“ As dünner Körper zitterte stark, während er sich wieder mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, gegen die schwere Kellertür warf. Doch das unnachgiebige Metall wollte nicht aufgehen, wollte sich nicht öffnen und ihn in die ersehnte Freiheit entlassen. Gott, er würde ihn umbringen. B würde ihn hier einfach verhungern lassen. Wieder schlug A mit den Fäusten gegen die Tür und schrie. „Lass mich hier endlich raus!“ Irgendwo hinter ihm bewegte sich etwas. Jedenfalls hörte es sich so an. Ein kurzes Rascheln, dann war es wieder verschwunden. Und es war zu dunkel, um auch nur einen Schatten erkennen zu können. A biss sich auf die Lippen und drückte sich noch näher gegen die Tür und die danebenliegende Wand. Wenn Roger ihn doch nur hören könnte. Doch der Keller war im Erdgeschoss ebenfalls nur durch eine schwere Eisentür zu erreichen, die keinen Laut nach außen ließ. Wimmernd sank A zu Boden und zog seine Beine eng an den Körper, da er nicht wagte, sie in den Raum zu strecken. Seine Brust schmerzte längst unangenehm, so scharf holte er immer wieder Luft. „Lass mich doch bitte raus…!“ In seinen Augen fühlte er Tränen, doch diesen letzten Sieg würde er B einfach nicht gönnen. Er würde jetzt nicht weinen. Wenn er in diesem Keller starb, dann bestand immer noch die Chance, dass L herausfinden würde, dass sein eigentlich ersternannter Nachfolger einem Mord zum Opfer gefallen war. Vielleicht würde er B dann enterben. Die Tür ging so plötzlich auf, dass A nach hinten kippte. Gleißendes Licht fiel von den hellen Halogenstrahlern in seine von der Dunkelheit geweiteten Pupillen und ließen Flecken vor seinen Augen tanzen. Kurz darauf fühlte er ein Gewicht auf seinem Bauch, als B sich breitbeinig auf ihn setzte und ihn mit einem kalten, unnahbaren und tödlichen Grinsen ansah. „Du weinst ja gar nicht. Schade. Ich dachte, ich hätte dich schluchzen hören. Versager. Nicht einmal aus einem Keller kommst du raus?“ Bs Beckenknochen bohrte sich schmerzhaft in As Rippen und ließen den Jüngeren scharf Luft holen. „Geh – runter!“, brachte er würgend hervor und drückte die Hände gegen Bs Brustkorb. „Eigentlich wäre es einfacher, wenn ich dich da drin hätte verrotten lassen. Aber weißt du… Wenn ich dich erledige, dann würde L das merken. Damit würde ich mir meine eigene Zukunft verspielen. Verstehst du, A?“ A kniff die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. B war ihm überlegen. „Aber nicht nur meine Rivalität mit ihm verschärfte sich mit jedem anbrechenden Tag. Auch der Unterricht nahm zu, es wurde mehr Lernstoff, mehr, was es auswendig zu lernen galt, mehr, was wir wissen mussten und noch nicht wissen konnten. Kombinationsgabe und rechnerische Fähigkeit wurden immer mehr auf die Probe gestellt. Wir sollten mit Fällen umgehen und erhielten für jedes Versagen eine Strafe. Schnell und präzise arbeiten wurde eine Pflicht, der wir nicht mehr entkommen konnten. Er hatte damit keine Probleme. Ganz im Gegensatz zu mir. Man konnte nicht in Ruhe lernen, wenn einem dieser Rachegeist im Nacken saß. Man war nirgendwo vor ihm sicher. Er wusste zu verhindern, dass ich auch nur eine ruhige Minute zum Lernen hatte, störte mich, wann immer ich mich irgendwo niederließ. Nur im Büro Rogers hatte ich Ruhe vor ihm.“ „Du lernst wirklich fleißig“, lobte der ältere Herr den braunhaarigen Jungen und sah A über die Schulter, wie dieser Logarithmen löste. Zahl um Zahl, Wurzel um Wurzel, Binom um Binom. A war müde, aber zurück in sein Zimmer wollte er nicht. Die Gefahr von B wieder irgendwo eingesperrt zu werden, war einfach zu hoch. Er wollte so einen Alptraum wie in dem dunklen Keller nicht noch einmal erleben. Roger hatte er davon nichts erzählt. Der Fakt zugeben zu müssen, dass er gegen B versagt hatte, würde ihn in seinem Rang und im Kampf um Ls Position nur unnötig weiter herunterstufen. Das wollte und konnte er einfach nicht riskieren. Er musste jetzt durchhalten, auch wenn ihn Bs Strapazen mehr und mehr belasteten. Es war bereits weit nach Mitternacht, als A seine Hefte zusammensammelte und das Büro von Roger verließ. Die Gänge waren wie ausgestorben und wurden nur durch das einfallende Mondlicht leicht erhellt. A hörte seine eigenen Schritte. Ihm war ein wenig klamm, die frische Luft, die durch die nicht ganz dicht schließende Eingangstür wehte, war kalt und blies ihm in unregelmäßigen Abständen in das eingefallen wirkende Gesicht. Jedes Geräusch klang unnatürlich laut und A hielt sorgsam Ausschau nach Schatten, die sich in dem langen Gang bewegen könnten. Schatten, die auf B hindeuteten. Doch B schien bereits zu schlafen. Wann immer A um eine Ecke bog, war der Gang dahinter menschenleer. Doch da war immer noch die Treppe, die in den ersten Stock führte und die er nach oben musste. Die Treppe, auf dem ihm B schon einmal aufgelauert hatte… „Ich kann nicht mehr. Das gebe ich ungern zu, aber es wird einfach zu viel. Er hat die Kontrolle übernommen, er unterdrückt mich und damit meine Möglichkeit meine Zukunft aufzubauen. Ich merke, dass ich diesem Erfolgsdruck nicht mehr Stand halten kann oder möchte. Jedes Mal, wenn ich Roger in die Augen sehe, sehe ich diese Enttäuschung, die mich so anwidert, dass ich mich selbst strafen möchte. Ich bin froh, dass L dem Waisenhaus nicht noch einen Besuch abgestattet hat. Diesen Blick auch in seinen Augen sehen zu müssen, hätte ich nicht überlebt.“ „Abel.“ A blieb abrupt stehen. Er hatte gerade die letzte Treppe betreten, als er den schmalen Schatten in dem Gang des ersten Stocks sehen konnte. „Du… Du bist noch wach?“ Es sollte nicht anklagend oder gar ängstlich klingen. Doch A hatte seine Stimme eine Spur zu schlecht unter Kontrolle. „Ich habe auf dich gewartet, Abel. Freust du dich?“ Eine bittere Ironie lag in dem Tonfall, den B angenommen hatte. Es war zu dunkel, um das bösartige Grinsen auf den blassen Lippen zu erkennen. Dafür hörte A das leise, schmatzende Geräusch, das entstand, als B seine Finger wieder in die Marmelade tauchte und sie sich ableckte. Ab und an fiel ein Klecks des süßen Brotaufstrichs zu Boden. „Lass mich bitte… Ich bin müde und möchte ins Bett.“ – „Wofür? Um für Morgen fit zu sein? Was erhoffst du dir noch, Abel? Deine Noten werden immer schlechter. Roger setzt längst keine Karte mehr auf dich. Du hast ausgedient.“ A versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass ihn Bs Worte trafen. Nicht, weil sie ihn beleidigten, sondern weil er Recht hatte. Er hatte lange keine Klausur mit 15 Punkten mehr zurückbekommen. Obwohl er lernte und den Stoff eigentlich beherrschte, vergaß er in den Klausuren doch immer wieder wichtige Punkte oder verdrehte Fakten. Alles dank B. Er hatte es tatsächlich geschafft. Er hatte ihn so durcheinander gebracht, dass ihm selbst das einfache Denken immer schwerer fiel. A hatte schon oft überlegt, ob er nicht einfach aufgeben sollte. Ohne den enormen Druck, den die Ausbildung als „L“ und damit die Rivalität zu B auf ihn auswirkten, hätte er in Ruhe seinen Abschluss im Waisenhaus machen können. So überqualifiziert, wie er war, hätte er auch ohne Zukunftsposition als „L“ einen gut bezahlten Beruf bekommen können. Aber dann gab es wieder solche Momente wie das Einsperren im Keller oder der Tag, an dem B ihn auf der Treppe fast stranguliert hätte. Momente, in denen A sich bewusst wurde, dass er einfach nicht aufgeben durfte, dass ihn all das nur stärker machen würde – und in denen er sich sicher war, dass er B doch noch schlagen konnte. Es war nicht mehr als ein leichter Stoß gegen As Schulterblätter, doch sie genügten. Der hagere Braunhaarige hatte nicht gemerkt, dass B die Treppen bis zum ersten Absatz heruntergekommen war, hatte nicht gesehen, wie er die marmeladenverschmierten Hände gehoben und sie gegen seine Schultern gedrückt hatte. Dagegen fühlte er den Schmerz, als sein viel zu dünner Körper auf den ersten Stufen aufschlug und sich die Kanten der Treppe tief in sein Fleisch zu bohren schienen. Es knackte und zog, sein Kopf schlug gegen die Außenwand und er überschlug sich mehrfach, ehe er im Flur des Erdgeschosses auf der Seite liegen blieb und in viel zu schnellen Stößen Luft holte. Vor seinen Augen verschwamm der Flur zu einem grauen Wirbel, drehte sich erst im Uhrzeigersinn, dann entgegen dessen. Sein Körper schmerzte an jeder Stelle, an mit der er an Stufe oder Wand angeeckt war und der kleine Finger seiner linken Hand stand in einem Winkel von geschätzten 45 Grad von seinem Handrücken ab. Und tat noch dazu höllisch weh. A wagte sich nicht zu rühren. Selbst das Atmen sorgte dafür, dass vor seinen Augen schwarze Flecken tanzten. Seine Muskeln hatten sich verkrampft und jedes Geräusch klang fern und dumpf, fast so, als wäre sein Kopf unter Wasser. So bemerkte er B, der dem Fallenden gefolgt war, auch erst, als ein paar nackte Füße neben seinem Gesicht auftauchten. „Gib doch endlich auf, Abel. Du holst mich so oder so nicht mehr ein.“ Ganz langsam streckte B den Arm aus und drehte das Glas Marmelade, das er bis dahin in der Hand gehalten hatte, über As Körper um. Klebrig und ekelhaft süßlich riechend verteilte sie sich in seinen Haaren, auf seinem Pullover, seinem vor Schmerz pulsierenden Leib. A kniff die Augen zusammen. „Welchen Sinn hätte es gemacht noch weiterzukämpfen? Er hat nicht nur mein Leben, sondern auch meine Zukunft zunichte gemacht. Alles, was ich mir aufzubauen versuchte, brach immer mehr und mehr über mir zusammen und ließ mir keine Luft mehr zu atmen. Egal, in welche Richtung ich meinen Erfolg auszuweiten versuchte, er war immer schon da und stellte sich mir in den Weg. Ich kam nicht mehr an ihm vorbei, konnte ihn nicht mehr einholen. Er hatte sein Ziel erreicht, auch wenn ich es ihm gegenüber niemals zugegeben hätte.“ Er konnte nicht sagen, wie spät es war. Als er zuletzt auf die Uhr sah, war es gerade 02:42 Uhr. Nur ein dünner Streifen Mondlicht sorgte für ein wenig Erhellung in seinem Zimmer, aber er wagte nicht die Lampe anzuschalten, weil er niemanden wecken wollte. Zögernd knüpfte er eine Schlinge in das raue Seil, was sich mit seinem immer noch gebrochenen Finger als nicht einfach herausstellte und ihm eine Menge abverlangte. Die hölzernen Griffe an beiden Enden des Seiles hatte er längst entfernt. A schnaufte leicht und strich sich die braunen Haarsträhnen aus den Augen. Dass er eines der Springseile nehmen musste, damit hatte er nicht gerechnet. Eigentlich wollte er ein Kabel benutzen, aber Roger hatte sie heute nicht mehr in den Computerraum gelassen. Somit blieb ihm keine andere Wahl. A stand von seinem Bett auf und ging zu dem einzigen Fenster, welches er im Zimmer hatte. Der Griff fühlte sich kalt an, als er ihn nach oben drehte und das Fenster öffnete, seinen dürren Leib auf das Fensterbrett zog und sich auf den Knien aufrichtete, um sich das Gitter, welches das Waisenhaus vor den Fenstern hatten, anzusehen. Es war ein altmodisches Gitter aus schwerem Eisen, mit zwei halblangen Zierstangen, die in Spitzen knapp unter der Fensteroberkante endeten. A schluckte leicht. Noch einmal blickte er auf den mehrseitigen Brief, der auf dem Bett lag, dann legte er die Schlinge zögernd um seinen Hals, zuckte angesichts der rauen Berührung. Das Zittern seines Körpers konnte er nicht ganz unterdrücken. Vorsichtig richtete er sich wieder ein Stück auf. Seine Finger tasteten an dem Sseil entlang, suchten das Ende und banden es an die Zierspitzen des Fensterrahmens. Mehr als unbewusst blickte A noch einmal nach draußen in den bewölkten Nachthimmel. Weiße Schneeflocken fielen langsam und in der Dunkelheit tanzend zu Boden. A fühlte, dass seine Kehle schmerzte, obwohl sich die Schlinge nicht einmal zugezogen hatte. In diesem Moment gingen viel zu viele Fragen durch seinen Kopf. Wie würde Roger morgen früh reagieren, wenn er ihn fand? Oder B? Was war mit L? All das war nun nicht mehr wichtig. Er verharrte still auf dem Fensterbrett, das Seil an der obersten Kante des Gitters gebunden, so kurz, dass seine Füße den Boden nicht mehr berühren würden, wenn er sich in sein Zimmer fallen ließ. Er konnte nicht verleugnen, dass er Angst hatte. Kalter Wind wehte durch das offene Fenster hinein. Hätte er die Möglichkeit gehabt, so hätte er seinen Suizid nach draußen verlegt. Doch um diese Uhrzeit waren die Türen des Waisenhauses abgeschlossen und das Fenster, an dem nun sein Strick festgeknüpft war, ließ nicht zu, dass er sich nach draußen fallen lassen konnte. Aber nun gab es kein zurück mehr. A verlagerte seine Position leicht, rückte auf dem Fensterbrett zur Kante und ließ sich dann einfach nach vorne kippen. Das Seil zog augenblicklich zu. Der Knoten um die Spitzen hielten, die Schlinge um den dünnen Hals des Jungen wurde stramm. A schnappte aus Reflex nach Luft, griff noch mit den Händen nach dem Seil. Seine Füße hingen nur wenige Zentimeter über dem Boden, gerade so hoch, dass er sich nicht mehr aufstellen konnte. Zu sehr schnitt sich die Schlinge in seine Haut, drückte tief in das warme Fleisch und unterband den Weg der Luft zum Herzen, welches A hart und unnachgiebig gegen seine Rippen pochen spürte. Doch mit jedem Atemzug, den das Seil seinem Körper verwehrte, wurde es langsamer. Das Zimmer verschwamm vor seinen Augen. Seine Finger hatten nicht mehr die Kraft das Seil zu halten. Sie ließen los, baumelten wie tot an seinen Seiten. A gab leise, erstickte Geräusche von sich. Eine unangenehme Kälte zog sich von seinen Zehen, über die Beine bis in den Brustkorb, wo sie ihn zu überschwemmen drohte. Seine Fingerspitzen kribbelten. Die Haut um die Schlinge war blau angelaufen, ebenso wie seine Wangen. As Augen verdrehten sich nach oben, die Lider flatterten, ehe sie halbgeöffnet verharrten und sich die Brust des Nachfolgers ein letztes Mal hob. „Ich sehe in all dem keinen Sinn mehr. Ich werde ihm den Weg ebnen, den ich ihm blockiert habe – in der Hoffnung, dass ihn jemand richten wird, der stärker ist, als ich es je hätte sein können. Ich hoffe – obwohl mir das Hoffen auf Strengste verboten wurde – dass es eines Tages eine Gerechtigkeit geben wird, die solche Menschen wie ihn unterbindet. Ich hoffe, dass jemand B aufhalten kann. Ich konnte es nicht. Abel Gallows.“ B gab ein verächtliches Geräusch von sich. Sein Blick fiel auf den leblosen, eiskalten Körper, der am Fenster hing. „Wurde auch Zeit, dass du es beendest, A.“ Mit dem mehrseitigen Brief in den Händen kehrte B seinem ehemaligen Rivalen den Rücken und verließ das Zimmer. Im Aufenthaltsraum war zu so früher Stunde noch niemand. B blieb am Fenster stehen und blickte nach draußen auf das Weiß des Schnees, welcher auf dem Hof des Waisenhauses lag. Seine Hand glitt in seine Hosentasche, ehe er ein Feuerzeug rausholte und es unter den Brief hielt. Das dünne Papier fing sofort Feuer, die Schrift, As Testament, rieselte als schwarze Asche zu Boden. B sah nicht einmal auf seine Hände, während er die letzten Worte seines Rivalen verbrannte. Sein Blick ruhte auf dem dunklen Schatten, der am Fenster von As Zimmer zu erkennen war. Ein Grinsen lag auf seinen bleichen Lippen. Nun stand ihm niemand mehr im Weg. Die Gerechtigkeit hatte gesiegt. Nachwort: Tatsache, es gibt mal wieder ein Nachwort. Warum? Weil ich genau weiß, dass diese Fanfic sehr viele Fragen aufwerfen wird, die ich nun jetzt gleich und auf der Stelle beantworten werde. Wie entstand As Name? - Sein Name wird in der Novel leider nicht genannt. Da ich ihn allerdings für die Geschichte brauchte, musste ich selbst ans Werk und meine grauen Zellen ein wenig anstrengen. Der Name musste irgendwo mit A anfangen und sollte nach Möglichkeit eine ausreichende Bedeutung haben. Der Name, den er nun trägt, erfüllt diese Kriterien. Abel ist ein biblischer Name und bedeutet „Hauch“ oder „Nichtigkeit“. Zudem wurde Abel in der Bibel von seinem Bruder Kain ermordet. Kain repräsentiert hier B. Gallows ist englisch für „Galgen“. Eine Anspielung auf die Art, wie er stirbt. Sind A und B wirklich so? - Wer weiß. Über A erfährt man leider so gut wie gar nichts. Jedenfalls ausgehend von der Summary zur Novel. Bei B habe ich ein wenig Freiheit walten lassen und ihn einfach so geschrieben, wie ich ihn mir vorstelle. In Band 7 sieht man am Waisenhaus aber keine Gitter! - Sie wurden natürlich entfernt, nachdem A sich erhängt hat ^.~ Und danach gab es nur noch Plastikbügel. Mein Dank an dieser Stelle geht nochmals an Chibi, die mir den Floh mit dem Aluminiumbügel erst ins Ohr gesetzt hat. Außerdem fing das Wort mit „A“ an. Da musste man sich ja für entscheiden. Seil und Kabel waren mir einfach zu langweilig. Kapitel 5: Mistake ------------------ Vorwort Serie: Death Note Reihe: Unfortunately - Kapitel 5: Mistake Charaktere: Yagami Raito, Mikami Teru, Mello, Matt, Near Widmung: Für Yuna und Koji, weil ich mit ‚Left Children’ ja nicht nachkomme Für Chibi, weil alle Unfortunately-Kapitel irgendwie für sie sind X3 Author’s Note: Böses Plotbunny ;_; Nothing more to say, I guess. Mistake „…36…“ Stille. Jeder in dem weitläufigen Raum hielt den Atem an. Nears Finger zuckten kurz über dem staubigen Boden. Matsudas Hände hatten sich zu Fäusten geballt, während sich alle Blicke auf den jungen, schwarzhaarigen Mann richteten, der angestrengt und mit einem siegessicheren Grinsen auf den Lippen den Sekundenzeiger seiner Uhr beobachtete. „…37…“ Yagami Raito hatte Mühe seine aufwallende Euphorie noch zu unterdrücken. Sein Blut schien zu kochen, so heiß und adrenalingetränkt rauschte es durch seine Adern und brachte sein Herz zum Rasen. Nur noch ein bisschen. „…38…“ Mikami Teru sah den Zeiger auf seiner Uhr nicht mehr klar, aber das tat nichts zur Sache. Nur noch zwei Atemzüge und das Utopia seines Gottes würde endlich Wirklichkeit werden. Und er würde ihm als rechte Hand treu bis an sein Lebensende zur Seite stehen. „…39…“ Nach über 6 Jahren würden in weniger als einer Sekunde nun endlich alle Hürden aus dem Weg geräumt sein. Dann stand der Herrschaft Kiras als Gott einer neuen Welt nichts mehr im Wege. „…40! “ Es geschah augenblicklich. Als der Zeiger auf Mikamis Uhr auf der 40 einrastete, ertönte ein heller, gepeinigter und Schmerz erfüllter Aufschrei. Matsudas Hände, bis eben noch angespannt, gruben sich in den Stoff seines eigenen Anzuges. Sein Puls raste, sein Kopf begann zu schmerzen. Dann sank er auf die Knie. Mogi prallte an die dunkelgraue Wand zurück, die Augen im Todeskampf weit aufgerissen, der Mund zu seinem stummen Schrei geöffnet. Halle torkelte nach vorne, konnte sich auf ihren Beinen kaum noch halten, während sie in tiefen Stößen Luft holte und Schweiß über ihre Stirn rann. Gevanni gab einen kurzen, wimmernden Laut von sich, als sein langsamer schlagendes Herz sein Körpergewicht nicht mehr halten konnte und er zu Boden sank. Während Mikami sich in dem Raum umsah und einer nach dem anderen zusammensackte, richtete Yagami Raito die Augen starr auf den kleinen, weißhaarigen Jungen, der vor seinen Füßen auf dem Boden kniete. Near zeigte kaum Regung. Seine Augen weiteten sich ein Stück, seine Lippen wurden eine Spur schmäler, als er sie zusammenkniff. Doch Raito sah es, wie er auch das Zittern von Ls Körper gesehen hatte, als er in seinen Armen gestorben war. Da saß er nun, sein Rivale, sein Feind, Near, der sich so lange seinem Einfluss entzogen hatte und starb qualvoll, je mehr Sekunden verstrichen. Gemächlich ging Raito auf Near zu. Kurz sah er Mikami aus den Augenwinkeln, wie er immer noch auf die Leichen blickte, doch Raito drehte den Kopf nicht in seine Richtung. Er wollte den Blick nicht von Near wenden, nicht eine Sekunde des süßen Todes dieses minderwertigen Menschen verpassen. Nur wenige Handbreit von ihm entfernt blieb er stehen und sah nach unten, sah herab auf einen Menschen, der versucht hatte sich ihm in den Weg zu stellen. Nears Kopf hob sich. Dünne Schweißperlen sickerten über sein blasses, kindliches Gesicht. So nah vor ihm sah Raito wie stark der kleine Körper doch zitterte, wie sehr er mit den Schmerzen kämpfte, die von seinem Herzen auszugehen schienen. „K…ir…“ Near hustete und schnappte nach Luft. Das Atmen fiel im mit jeder Sekunde schwerer, seine Worte waren nicht mehr, als ein abgehacktes Keuchen. Die grauen Augen schimmerten im Licht der tief hängenden Deckenlampen. Das Grinsen, das seit Minuten auf Raitos Lippen lag, wurde breiter. „Du hast verloren, Near… Du hast versagt. Weil du dich dem Gott einer neuen Welt in den Weg gestellt hast. Nun wird es niemanden mehr geben, der noch in der Lage sein wird, sich mir in den Weg zu stellen. Das musste auch L schon erkennen, als er in meinen Armen sein Ende fand. Dieser Narr hatte es herausgefordert und du hast es ihm nachgetan. Ja, Near. Du hattest Recht. Ich bin Kira!“ Raito fühlte nicht einmal den Impuls unter den Körper zu greifen und ihn festzuhalten, während er starb. Er blieb stehen, mit dem verächtlichen Ausdruck in den Augen und sah einfach nur auf ihn herab, sah dabei zu, wie sich sein Leben dem Ende neigte. Es war ein anderes Gefühl, als bei Ryuzaki, den er als Gegner noch geachtet hatte. Ryuzaki war eine Herausforderung gewesen, die seine Nachfolger nicht mehr aufholen konnten. Ryuzaki war… anders. Raito hatte ihm näher sein wollen, als er starb. Er hatte fühlen wollen, wie der Körper seines Feindes aufhörte zu funktionieren. Doch Near gegenüber wäre es eine Demütigung, wenn er sich hinknien würde, nur um ihn in den Armen zu halten. Near verdiente nicht mehr, als dass man auf ihn herabblickte. Doch plötzlich fühlte Raito eine Hand auf seinem Schuh. Near hatte sich nach vorne gebeugt und die Finger in das Leder gekrallt. Raito gab einen verächtlichen Laut von sich und zog sein Bein nach hinten weg, wodurch Near den Halt ganz verlor und mit der Stirn auf dem Boden aufkam. Erneut drang ein Keuchen über seine Lippen. Raito hob den Fuß, drückte die Sohle gegen die Seite des Weißhaarigen und drehte ihn auf den Rücken. Er sah gerade noch, wie sich Nears Augen nach oben verdrehten, als der weißgekleidete Körper auf dem staubigen Boden aufkam. Nears Hand rutschte von seinem Bauch und blieb reglos liegen. „Kami…“ Mikamis Stimme klang in dem Raum unnatürlich laut. Raito hob den Blick nur zögernd von Nears aufgerissenen, grauen Augen, die denen von L ähnlich sahen. „Mikami…“ Für einen kurzen Moment sahen sich die beiden Männer an. Es gab nicht mehr viel zu sagen. L war tot. Near war tot. Mello… War Mello noch eine Gefahr? Raito neigte den Kopf zur Seite und ging auf Mikami zu, der ihm das Death Note entgegenhielt. Ganz oben in der linken Ecke der neuen Seite stand der Name, nach dem er so lange gesucht hatte. Nate River. Near. „Mikami… Ich werde alle Namen ablegen und lediglich den behalten, unter dem mich die Welt kennt. Ls Titel war ein angenehmer Zeitvertrieb, jedoch widerstrebt es mir den Titel einer Person anzunehmen, deren Prinzipien und deren Moral meinen Idealen so vollkommen widersprechen. Gleichermaßen wäre es falsch mich noch länger Yagami Raito zu nennen. Ich bin… Kira.“ Die Halle war leer, als ein junger Mann die schwere Tür, durch die auch Mikami Teru gekommen war, aufschob und nur langsam einen Fuß vor den anderen setzte. In einem gleich bleibenden, dumpfen Ton drehte sich der Ventilator über der eigentlichen Eingangstür, doch außer ihm und den Schritten, die er selbst erzeugte, konnte Mello nichts hören. Langsam ließ er seine Augen durch den Raum gleiten, bis sie an dem weißen Leib Nears stoppten. Sofort beschleunigte er seinen Gang, stoppte abrupt vor seinem ehemaligen Rivalen und kniete sich zu ihm. Seine grauen Augen waren immer noch weit aufgerissen und mit einem merkwürdigen Glanz versehen. Mello biss sich auf die Unterlippe. Er wagte nicht Nears Körper zu berühren, aus Angst, dass er sich kalt anfühlen würde. Jedoch wollte er die großen Augen auch nicht geöffnet lassen. Sie erinnerten ihn zu sehr an den Blick, mit dem L ihn so oft angesehen hatte. Schließlich überwand er sich doch und drückte Nears Lider nach unten. Er sah friedlich aus. Als würde er nur schlafen. Doch Mello kannte die Wahrheit und wie es überhaupt zu ihr gekommen war. „Ich habe dir nicht geholfen“, sagte er leise zu dem blassen Gesicht vor sich. „Ich habe dir nicht geholfen, obwohl ich es hätte tun können. Dann wärst du am Leben und ich wahrscheinlich tot. Welch eine Ironie… Aber ich konnte dir diesen Sieg einfach nicht gönnen, Near. Verstehst du das? Einmal… Ein einziges Mal wollte ich dich überbieten können. Allerdings… Wie hätte ich wissen können, dass es dich umbringt? Du warst dir so sicher. Du sagtest, es würde alles nach deinem Plan laufen und Kira würde vor dir gestehen. Das hat er, oder? Es tut mir leid, Near. Ich wollte nicht, dass du stirbst.“ Er hatte alles gesagt, was er seinem ehemaligen Rivalen noch hätte sagen können. Es gab nichts mehr zu tun. Mello stand auf, griff unter Near und hob ihn hoch. Er fühlte sich wirklich kalt an. Er würde im Waisenhaus beigesetzt werden. Neben L. Er hatte die Chance gehabt das Leben des anderen Nachfolgers zu retten. Doch er konnte sie nicht nutzen. Er wusste, dass Near Mikami Teru unter Beobachtung hatte, hatte Matt sowohl Mikami, als auch ein Mitglied der SPK in einer U-Bahn gesehen. Und er hatte gewusst, dass Takada Kiyomi Kira ebenfalls unterstützte. Er hatte seine Chancen abgewogen. Einer der beiden hatte ein Death Note, wenn nicht gar zwei. Wen von beiden mussten sie weiter beobachten, weiter verfolgen, wenn sie das Notizbuch wollten? Wer von beiden war der Schlüssel zu Kira? Oder war Near in der Lage ohne seine Hilfe an eines der Bücher heranzukommen? Sie hatten lange observiert, Tag für Tag einen jeden Einzelnen beobachtet. Von den drei Kira-Anhängern, von denen sie wussten, benahm sich Amane Misa am unauffälligsten. Mello schloss sie aus. Zum einen schien sie bereits länger in den Fall verstrickt gewesen zu sein und hatte vielleicht schon unter Ls Verdacht gestanden. Zum anderen hielt Mello sie für zu dumm, um noch weiter Kiras härter werdenden Anforderungen zu erfüllen. Sie sollte ihn höchst wahrscheinlich nur noch von Mikami Teru und Takada Kiyomi ablenken. Doch dieses Vorhaben von Amane Misa und Kira misslang. Mello hatte sein Augenmerk früh auf Mikami Teru gerichtet, welcher sich in den Medien offenkundig zu Kira bekannte. Die Chance, dass Kira ihn wegen dieser Loyalität erwählt hatte, war hoch. Und wenn Mello Kira richtig einschätzte, dann würde dieser einen Mann als Unterstützung einer Frau vorziehen. Erst Recht, wenn diese Frau Amane Misa hieß. Also musste sich das Notizbuch, welches noch Kiras Eigentum war, bei dem Anwalt befinden, den auch Near hatte beschatten lassen. Allerdings… Die Möglichkeit eines gefälschten Notizbuches war ebenfalls nicht auszuschließen. „Wenn wir Takada Kiyomi entführen und Gevanni dadurch die Gelegenheit hat, das echte Notizbuch von Mikami Teru zu Near zu bringen…“ – „Dann gewinnt Near“, warf Matt mit einer Packung Instandnudeln in der Hand ein und Mello nickte. „Fassen wir zusammen… Mikami Teru ist X-Kira. Takada Kiyomi ist Kiras Sprecherin in den Nachrichten. Amane Misa ist oder war Kira 2. Sie ist mit Yagami Raito liiert, sagst du?“ – „Ich habe gehört, wie sie sich mit Takada um ihn gestritten hat. Sie haben beide Interesse an ihm.“ – „Yagami Raito ist der Sohn von Yagami Soichiro. Dieser war Chef der Sonderkommission gegen Kira. Und wenn die Informationen alle stimmen, dann ermittelte Yagami Raito vor 5 Jahren auch schon unter Ryuzaki…“ Mello brach kurz ab und sah aus dem Fenster. Er hatte Ryuzakis Namen lange nicht erwähnt. Doch der bloße Gedanke an den hageren jungen Mann versetzte ihm immer noch einen leichten Stich. „Also… Ist es nicht ein wenig auffällig, dass sowohl Takada, als auch Kira 2, sowie auch Yagami Soichiro und Ryuzaki etwas mit Yagami Raito zu tun haben?“ – „Du meinst…“ Mello nickte. „Yagami Raito ist Kira. Darauf scheint auch Near schon gekommen zu sein. Allerdings befürchte ich fast, dass wir an einem Punkt sind, mit dem auch schon Ryuzaki zu kämpfen hatte. Wir brauchen handfeste Beweise. Wir brauchen… das Death Note, welches im Moment benutzt wird.“ „Mello, dein Handy!“ Mello fluchte und schaltete sämtliche Überwachungsgeräte aus, die zur Oberservierung von Amane Misa und Takada Kiyomi liefen. Schließlich fand er das kleine, schwarze Mobiltelefon und klappte es auf. Ohne sich zu melden hielt er es sich ans Ohr. Nur wenige Sekunden darauf ertönte eine leise, unverzerrte Stimme, die Mello selbst dann erkannt hätte, wenn sie verstellt gewesen wäre. Er erkannte diese Stimme immer. Auch, als er sie nach 5 Jahren das erste Mal wieder gehört hatte, hatte er sie erkannt. „Mello.“ – „Was willst du, Near?“ Sein Gegenüber schwieg kurz und Mello hörte das Piepsen irgendeines Spielzeuges, dann fuhr Near fort. „Wir observieren Mikami Teru-“ – „Ich weiß“, fiel ihm Mello ins Wort und Near schwieg wieder für einige Sekunden. „Verstehe. Ich nehme an, du hast den gleichen Entschluss wie ich. Ich habe ein Treffen mit dem aktuellen „L“ arrangiert. In zwei Tagen in der Lagerhalle am Daikoku-Kai. Sie nennt sich Yellow Box“ Mello nickte, obwohl Near es so oder so nicht hätte sehen können. „Das wollte ich dir nur sagen.“ – „Hast du Beweise?“, platzte es aus Mello heraus und er setzte sich leicht auf. Dass Near von sich aus anrief war selten, dass er Informationen weitergab glich einem kleinen Wunder. Aber so wie Nears Stimme klang, war er kurz vor dem finalen Durchbruch. „Ja, die habe ich“, sagte die leise Stimme des Weißhaarigen und Mello ließ sich wieder nach hinten sinken. Er hatte Beweise? Brauchte er dann vielleicht gar nicht einschreiten? „Das heißt… Ich werde keine Beweise benötigen. Kira wird mir in die Falle gehen und vor mir gestehen. Damit wäre der Fall abgeschlossen.“ Mello knirschte in den Hörer und wickelte knisternd eine Tafel Schokolade aus. „Heißt, ich hab gegen dich verloren, was?“ – „Du hast es als Spiel gesehen, Mello. Nicht ich. Ich war damit einverstanden mit dir zusammenzuarbeiten.“ Mello schüttelte den Kopf und biss von der Tafel ab. „Lass gut sein, Near. Solange Ryuzaki gerächt ist, bin ich zufrieden“, sagte er ruhig, obwohl sein Blut zu kochen schien. Near hatte ihn überholt, obwohl er die gleichen Informationen zur Hand hatte. Verdammter Bengel! „Gibt es sonst noch etwas?“, fragte Mello, nicht ohne erneut von der Schokolade abzubeißen. „Nein, das wäre es. Halt dich mit jeglichen Aktionen zurück, bis ich Kira gestellt habe.“ Und damit legte Near auf. Mello starrte sein Handy an. In seinem Kopf rasten die Informationen und Gefühlsimpulse, die sich zu einem Feuerwerk zu vermischen schienen. Matts Stimme klang seltsam fern, als wäre der Rothaarige gar nicht mehr im Raum. Near hatte gewonnen. Near hatte… gewonnen. Der Plan scheiterte. Near erlaubte sich einen winzig kleinen Fehler. Er war sich zu sicher, er testete es nicht. Er setzte zu sehr darauf, dass Mikami Teru ein falsches Notizbuch hatte… und er selbst das wirkliche Death Note. Doch so war es nicht. Es gab zwei Fälschungen, die Kira hatte anfertigen lassen. Damit hatte Near, der nur eine vermutete, nicht gerechnet. Nears Plan war es gewesen, das echte Death Note gegen ein vom ihm gefälschtes Notizbuch austauschen zu lassen. Aus diesem Grund hatte er Mikami Teru durch Gevanni beschatten lassen, bis er sich sicher war, dass das echte Death Note in Mikamis Bankschließfach sein musste. Doch Near hatte nicht wissen können, dass es sich bei diesem Death Note ebenfalls nur um eine Fälschung handelte. Die linierten Seiten, auf denen fein säuberlich Namen aufgeschrieben waren, waren wirkungslos. Das echte Death Note hatte Mikami Tag für Tag bei sich gehabt, gut versteckt unter dem doppelten Boden seines Aktenkoffers. So ließ Near Fake gegen Fake austauschen… und ging Kira damit in die Falle. Als Mikami am Morgen des 28. Januar an der Lagerhalle ankam, in der sich Kira und Near treffen wollten, trug er nur das echte Death Note bei sich, welches Near für die Fälschung, die er hatte anfertigen lassen, hielt. Doch da irrte Near sich… Mello stand in Nears altem Zimmer und blickte nach draußen. Leichter Nieselregen fiel sanft auf das Außengelände des Waisenhauses. Hinter ihm, vom Bett her, tönte das gleich bleibende Geräusch von Matts Game Boy. „Was glaubst du… War es Neid?“ – „Hm?“ – „Dass Takada sterben musste. Ich denke nicht, dass es wirklich Selbstmord war. Wenn du mich fragst, hat Mikami sie umgebracht, so wie er auch Near getötet hat.“ Matt nickte abwesend. „Könnte sein. Kiras Anhänger spinnen doch alle. Und so fanatisch, wie Mikami ist, könnte es sein, dass er seinen Gott nur für sich wollte…“ Matt verzog bei der Vorstellung das Gesicht. „Ich weiß momentan nicht mehr genau, wie viele Fälschungen es jetzt von dem Notizbuch gibt und wer welche hat. Fest steht nur, dass entweder Mikami Teru oder Kira selbst das echte Death Note haben.“ Mello seufzte tief und wandte sich endlich vom Fenster ab. Wenn man nach draußen blickte, konnte man den kleinen Friedhof sehen, der zu dem Waisenhaus gehörte. Und neben dem hellgrauen Steinkreuz, unter dem der weiße Sarg mit Ryuzakis Körper war, stand ein kleineres, schneeweißes Holzkreuz mit nicht mehr als einem schlichten Namen und einem einzigen Satz, der alles ausdrückte, was die beiden Nachfolger viel zu spät erkannt hatten: „Near. Together we can surpass.“ Kapitel 6: Image ---------------- Serie: Death Note Charaktere: Mello, Near, Matt, Watari, Roger & L Reihe: Unfortunately – Kapitel 6: Image Widmung: Meinen drei kleinen Kindern, meinen Wammys, meinen Nachfolgern. Weil ihr alle drei hier vorkommt und noch so klein seid. Ich hab euch lieb X3 Image Wenn man nach draußen sah, erkannte man die weiße Decke, die sich über die Landschaft gelegt hatte. Dicke Schneeflocken fielen vom dunklen Abendhimmel und blieben überall haften, wo es ihnen möglich war. Die Bäume um das Waisenhaus ächzten unter der Last ihrer weißen Schneekronen und ab und an pfiff der Wind ein schauerliches Lied, wenn er durch das Gittertor rauschte. Mello starrte angestrengt aus dem Fenster. Seine Augen brannten längst vor Müdigkeit und in dem Aufenthaltsraum war es kalt, doch er wollte um nichts auf der Welt in sein Bett. Wenn er es bis Mitternacht durchhielt, dann würde er sehen könne, wie er durch den Kamin kam und die Geschenke unter den gewaltigen Baum legte, welchen Mello mit Nears „Hilfe“ geschmückt hatte. Auf diese Begegnung freute sich der blonde Junge das ganze Jahr, auch wenn er es noch nie geschafft hatte, ihn wirklich zu sehen. Immer war er eingeschlafen, sowohl in seiner alten Wohnung, als auch im Waisenhaus, in welchem er seit zwei Jahren lebte. Doch dieses Jahr nicht. Dieses Jahr würde er wach bleiben. „Guten Morgen“, sagte ein Geschenkpaket zu Mellos Rechten und der Blonde schreckte auf. Mit verklebten Augen blickte er zur Seite und konnte hinter dem vermeintlich sprechenden Geschenk gerade noch einige weiße Haarsträhnen erkennen. „Near…“, nuschelte Mello und rieb sich mit der Faust die Augen. Es dauerte etwas, bis er bemerkt hatte, was eigentlich passiert war. „Ich bin eingeschlafen?!“, schnappte er und war mit einem Schlag hellwach. „Ja“, antwortete Near träge und befingerte das Geschenkpapier der Schachtel vor sich. Near war zu realistisch, um Mellos Glauben noch teilen zu können. Er genoss es jedes Jahr nur aufs Neue, wenn er frühmorgens in den Aufenthaltsraum kam und Mello tief schlafend vorfand. „Dann… Dann hab ich ihn wieder verpasst!“ Mello blickte sich um, in der Hoffnung vielleicht doch noch einen Zipfel rot vorfinden zu können. Near starrte die Schachtel zu seinen Füßen an. Wann würde Mello endlich lernen, dass es Santa Clause nicht gab, dass es eine Lüge war, die Roger ihnen immer wieder erzählte? Sollte er Mello desillusionieren? Oder sollte er dieses Schauspiel, welches er auch schon letztes Jahr beobachten durfte, noch ein wenig laufen lassen? Gerade hatte Near den Mund geöffnet, um Mello die Wahrheit vor Augen zu führen, als es auf den Fluren lauter wurde. Die Tür zum Aufenthaltsraum schob sich auf und die ersten Waisenhauskinder stürmten hinein. Während sie sich im Raum verteilten, betrat ein kleinerer Junge mit wirren, roten Haaren, die Augen fest auf das Display seines Game Boys gerichtet. „Matt!“ Mello rannte auf den deutlich Kleineren zu und rempelte ihn an. „Matt, ich hab ihn schon wieder verpasst!“ Matt schielte kurz nach oben, dann zuckte er mit den Schultern und blickte stattdessen zu den Geschenken. „Hauptsache, die sind da.“ Mello kniff die Lippen zusammen, offenbar entsetzt darüber, dass Matt sich überhaupt nicht für ihn interessierte. Der Rotschopf hatte sich neben Near in den Geschenkberg gesetzt, um den auch die anderen Kinder standen und suchte nach Päckchen mit seinem Namen. Keiner von ihnen bemerkte den älteren Herrn, der im Türrahmen stand und dem geschäftigen Treiben mit einem Lächeln auf den faltigen Lippen zusah. Roger ließ den Kindern noch ein wenig Zeit sich ihre Geschenke zu suchen, ehe er auf den Baum zuging und Mello die Hand auf die Schulter legte. Sofort blickte der Blondschopf nach oben, grinste schräg und neigte den Kopf zur Seite. „Was ist los, Roger?“ „Mello. Near. Matt. Wir bekommen heute noch Besuch.“ Besuch? Mello kniff die Augen kurz zusammen. Besuch war im Waisenhaus ungewöhnlich. Eigentlich war niemand hier, der nicht auch hier lebte. Das Waisenhaus war geheim, das hatte Mello früh mitbekommen. Wenn jemand hierher kam, dann musste er mal hier gelebt haben. Das hieß… „L und Watari kommen über Weihnachten hierher. L möchte euch drei endlich persönlich kennen lernen. Er hat euch ja noch nicht gesehen.“ Augenblicklich verzog Mello das Gesicht. L und Watari. Watari war noch faltiger, als Roger und L… Er kannte den Menschen hinter dem Buchstaben nicht, aber er hatte eine feste Vorstellung von ihm. Und nach dieser war L ein Mann mittleren Alters mit feinem Anzug und guten Manieren. Also niemand, den Mello mögen würde. Mello war ein Wirbelwind und ein Regelbrecher. Nichts und niemand war vor ihm sicher und es gab keinen Streich, den er mit Matt nicht schon einmal gespielt hätte. Mit ihrer Art brachten die beiden Jungs Roger regelmäßig zum Verzweifeln. „Nehmt euch ein Beispiel an Near!“, tadelte er in solchen Momenten oft und erntete dafür stets nichts weiter, als eine herausgestreckte Zunge von Mello. Aus diesem Grund wollte Mello L nicht sehen. Er würde ihnen allen das Weihnachtsfest verderben, dessen war er sich ganz sicher. Gegen 17 Uhr hielt Rogers schwarze Limousine wieder vor den Toren des Waisenhauses, nachdem er Watari und L am Flughafen hatte abholen wollen. Mello, der bis dahin mit Matt und einer neuen Eisenbahn gespielt hatte, stand auf und sah aus dem Fenster. Watari war ausgestiegen und setzte seinen Filzhut ab. Er redete mit Roger, jedenfalls sah Mello, wie sich die Lippen des älteren Herrn bewegten. Dann gingen beide um den Wagen herum und luden zwei Koffer aus. Kurze Zeit später hörte Mello die Eingangstür und er wandte den Blick gerade ab, als die dritte Person das Auto verließ. Eilig lief der kleine Blondschopf auf den Gang. Watari stellte den Koffer, den er getragen hatte, ab und hob den Kopf. Als er den Jungen sah, lächelte er. Roger nickte leicht. „Lass die Koffer ruhig stehen, Watari. Ich kümmere mich darum… Wo bleibt L eig-… Ah!“ Ein hagerer Jugendlicher mit wirrem, schwarzem Haar hatte hinter Watari den Flur betreten. Mello wagte sich ein wenig weiter vorzubeugen. „Ist das lange her“, hörte Mello den Jugendlichen seufzten. Watari nickte bedächtig. „Acht Jahre, L.“ Mello verschluckte sich und hustete. Und erst jetzt bemerkte L den Blonden, der im Gang stand und skeptisch zu ihnen blickte. „Hey“, sagte er leise und Mello zog rasch den Kopf ein. „Matt!“ Mello krallte sich an dem gestreiften Pullover seines Freundes fest. „Matt! L ist… L ist… Er ist… Er ist so gar nicht, wie ich dachte!“, brachte er hervor und starrte Matt an, als wäre nur dieser und niemand sonst dazu in der Lage ihm zu erklären, warum L bitte nicht in Anzug und Krawatte erschienen war, sondern in Jeans und weißem Longleeve. „Hier bist du…“ L hatte den Raum betreten, ohne dass einer der beiden ihn bemerkt hatte. Mello wich zurück, während Near regungslos auf dem Boden sitzen blieb. L neigte den Kopf zur Seite und blickte auf die drei kniehohen Jungs, die zu seinen Füßen kauerten. Dann lächelte er und ging in die Hocke. „Ihr seid also meine Nachfolger?“, fragte er ruhig und behielt dabei besonders Mello im Auge. „Und du bist unser Vorgänger?“, gab dieser patzig zurück und versteckte sich weiterhin hinter Matt. L nickte mit einem etwas breiter werdenden Lächeln. „Glaub ich nicht“, zischte Mello. „Du siehst gar nicht aus wie ein L.“ L konnte ein kurzes Lachen nicht unterdrücken. „Wie sieht ein L denn deiner Vorstellung nach aus?“, hakte er nach und ging ein Stück auf die Kleineren zu, ehe er sich wieder hinhockte. „Na ja…“ Mello kaute an seiner Unterlippe. „Anders. Älter halt. Und strenger… So… So wie Roger, nur in jung!“, platzte es schließlich aus ihm heraus. „Mit Krawatte und Anzug!“ „Viel zu unbequem“, murmelte L und schüttelte den Kopf. „Ich mag keine Krawatten. Ich kann sie nicht binden.“ Auf Mellos Lippen schlich sich ein kleines Grinsen. Vielleicht war L doch nicht so übel, wie er die ganze Zeit vermutet hatte. „Du hast auf Santa Clause gewartet?“, fragte L leise und Mello, der auf seinem Schoß saß, nickte. „Ja. Aber ich bin immer eingeschlafen. Und wenn ich aufwachte, hockte der Schlumpf neben mir und war schadenfroh!“ L legte mit einem Lächeln die Arme um den Bauch des Blonden. „Und du musst heute wirklich abreisen?“ „Ja, muss ich. Die Arbeit ruft. Zehn Tage Freizeit sind in meiner Position schon fast zu viel.“ Mello seufzte und lehnte den Kopf gegen Ls Schulter. Die vergangenen zehn Tage hatten sich Vorgänger und Nachfolger immer besser kennen gelernt gehabt. Anfänglich war Mello noch vor L zurückgewichen, doch als er beobachtet hatte, wie er Matt bei einem Konsolenspiel zugesehen hatte, hatte das Eis langsam zu bröckeln begonnen. Und es war ganz geschmolzen, als L Mello an Neujahr eine Tafel Schokolade in die Hand gedrückt hatte. „Dann bin ich ja wieder mit Near allein.“ „Du vergisst Matt“, flüsterte L und legte die Finger an seine Lippen. „Jaah“, kam es gedehnt zurück. „Aber Matt ist halt… Weißt du, der ist da. Das ist nichts Besonderes mehr.“ Mello biss in eine Tafel Schokolade. „Kommst du denn wieder?“ „Wenn Watari mich lässt“, erwiderte L und hob seinen zukünftigen Nachfolger von seinen Beinen, die unter Mellos Gewicht langsam eingeschlafen waren. „Aber du hast doch die Telefonnummer, nicht?“ „Roger hat gesagt, wir dürfen nur anrufen, wenn es einen Notfall gibt“, schmollte der Blondschopf und wischte sich über den schokoladenverschmierten Mund. L grinste wissend. „Das geht schon in Ordnung. Erzähl Roger einfach, es ist ein Notfall.“ „Hast du die Nummer auch Near gegeben?“, warf Mello rasch ein und sah beinahe böse zu L hoch, der sofort den Kopf schüttelte. „Natürlich nicht.“ antwortete L grinsend. Die Nummer, die er Mello an Neujahr auf das Papier seiner Schokolade geschrieben hatte, war die Nummer eines Diensttelefons, unter der man sowohl Watari, als auch ihn erreichen konnte. Sie war im Waisenhaus hinterlegt und somit auch für Near und Matt zugänglich. Aber das musste Mello nicht wissen. „Und…“ Er beugte sich näher zu Mello und flüsterte ihm ins Ohr. „Du musst vor Heiligabend nicht mehr warten… Der Weihnachtsmann ist in Wahrheit nur Roger.“ Mello riss ungläubig die Augen auf. „Ist nicht wahr!“, rief er, doch L nickte. „Ich hab ihn dabei erwischt, wie er sich den Bart anklebte. Er will, dass ihr ihn mögt.“ Mello wollte gerade noch etwas erwidern, als Wataris tiefe Stimme zu ihnen drang: „L, sind Sie soweit?“ Der Schwarzhaarige richtete sich auf. „Ja, ich komme sofort, Watari. Also, Mello… Pass auf dich auf… Lern fleißig und… sorg dafür, dass ich stolz auf dich sein kann.“ Dann wandte er sich ab und ging den Gang entlang auf Watari zu. Mello blickte ihm nach und grub die Zähne in die Schokolade. Er hatte sich in L sehr getäuscht. Er war so gar nicht das, was man sich unter seinem Namen vorstellte, doch wenn er es recht bedachte, war Mello froh, dass L so vollkommen anders war. Er lächelte, während sich die große Eingangstür schloss. Dann sah er auf die Nummer, die auf der Außenseite des Schokoladenpapiers stand. Er würde anrufen. Ganz sicher. Kapitel 7: Frustration ---------------------- Serie: Death Note – Another Note Charaktere: Watari, Roger, A, B, L (Buchstabensalat also) Reihe: Unfortunately – Kapitel 7: Frustration Widmung: B, unserem jüngsten Sohn X3~ Author’s Note: Huch. Das war so... verschiedene Plotbunnies auf einmal und am Ende wurde ein Großes daraus. Ich schrieb den Anfang und löschte ihn wieder, begann neu und dann lief es. Awh, ich mag solche Fanfictions, die sind unkompliziert. Titel bitte auf Englisch aussprechen, danke. Die Unfortunately-Kapitel bestehen alle aus einem englischsprachigen Wort. ‚Enttäuschung’ passte in diesem Fall ganz wunderbar. Wie auch schon bei „Looser“ gilt: As Name gehört mir. Meins. Meine Erfindung, meine Interpretation, mein Eigentum. Wenn ich Diebe erwische, werde ich sie essen. Weiterhin ist die Theorie mit Ls Verwandtschaft ebenfalls auf meinem Mist gewachsen. Keine offizielle Bestätigung dessen, einfach eine Interpretation meinerseits. Ansonsten gehört alles Obata Takeshi, Ohba Tsugumi und Nishio Ishin. Ich verdiene kein Geld damit und überhaupt. Frustration 14. Juli 1998 „Warum... ausgerechnet... ER?!“ Es gab kein Geräusch, als die Nadel tiefer in den Stoff gedrückt wurde. „Er ist nicht einmal besser als ich. Nein. Wahrscheinlich sogar SCHLECHTER!“ Eine zweite Nadel wurde bis zu ihrem silberfarbenen Kopf in die kleine, handgenähte Puppe mit den schwarzen Wollhaaren geschoben. „Nur weil er... Weil er... VERDAMMT!“ B schleuderte die mühevoll selbstgestaltete Puppe gegen die Wand, an der sie herunterrutschte und auf dem Boden liegen blieb. Es war eine sehr schlichte Puppe, grob zusammengenäht und aus rauem, braunen Stoff, ähnlich dem eines Reissackes. Aber das Auffälligste an ihr waren die großen, aufgemalten, schwarzen Augen mit den dunklen Augenringen. Die Augen einer Person, die B am Liebsten auf möglichst qualvolle Art umgebracht hätte. „Elender... Diese endlose Heuchelei. ‚Ihr habt Talent!’“ Bs Fuß drückte die Puppe zu Boden. Seine halblangen Haare schlugen gegen seine Wangen, als er den Kopf zu ruckartig bewegte. „Eine Lüge. Talent ist nie entscheidend... Oder?“ Der schwarzhaarige Junge sah auf die Wolle, die unter seiner Fußsohle hervorragte. „Natürlich ist es das nicht. Sonst wäre ich der Einzige für diesen Posten... Ich habe ihn verdient. Ich... Nicht er. Weder er, noch...“ Erschöpft ließ er sich an der Wand herunter sinken und sah sich in dem leeren Raum um. Hier verbrachte er die meiste Zeit seines Tages. Es war das Klassenzimmer, indem sie von Roger unterrichtet und auf das vorbereitet wurden, was sie erwarten würde, wenn sie das Waisenhaus verließen. Normalerweise waren die kleinen, braunen Tische besetzt, die Tafel beschrieben und der Raum mit einem stetigen Summen gefüllt, wenn die Schüler miteinander redeten. Doch im Augenblick war es leer und das einzige Geräusch war das regelmäßige Atmen des Schwarzhaarigen. Schlagartig wandte B den Kopf herum und sah zu der Tür, die sich in ebendiesem Moment einen Spalt geöffnet hatte. Ein hagerer, viel zu dünner Junge war durch den schmalen Schlitz zu erkennen, doch B wusste sofort, um wen es sich dabei nur handeln konnte. Das Grinsen auf seinen Lippen wurde eine Spur breiter. „Abel... Was stehst du dort auf dem kalten Flur? Komm doch... herein. Oder... traust du dich nicht?“ Mit Genugtuung betrachtete B das kurze Zucken, das durch den Körper des Anderen gegangen war, dann fiel die Tür wieder ins Schloss und ließ den Dunkelhaarigen allein in dem Raum zurück. B stieß ein kehliges, raues Lachen aus. Schon immer hatte A Angst vor ihm gehabt, aber in den letzten Tagen war diese Angst zu einer wahrhaften Panik geworden und er ging ihm aus dem Weg, wann immer ihm das möglich war. Er hatte nach einem leeren Raum gesucht, in dem er ungestört hätte lernen können, denn die Bibliothek war um die Mittagszeit immer ungewöhnlich voll. Doch er hätte nicht gedacht, dass B ausgerechnet in dem sonst menschenleeren Klassenzimmer war. A war der Erste. Der Erste, der um die Position des Genies gekämpft hatte. Sie hatten nach diesem Menschen gesucht. Sie – Watari und Roger, von der Regierung beauftragt, eine Person zu finden, die in der Lage war jeden nur erdenkbaren Fall zu lösen. Eine Person, die hochintelligent war und deren Kombinationsgabe die der weltweiten Polizeieinheiten bei weitem übersteigen sollte. Für diesen Zweck wurde das Waisenhaus gegründet, in dem nun Kinder lebten, die in der Lage wären, diese Position einzunehmen. Aufgenommen wurden, welche sich oberflächlich dafür eigneten, welche Talente aufwiesen oder sich als besonders begabt bewiesen hatten. Dann, wenn sie im Waisenhaus waren, wurde gefiltert und nur die Besten waren es überhaupt wert für diese Position ausgebildet zu werden. A war es wert. Er war dürr, scheu und hatte kein Selbstvertrauen, aber er war fleißig, ausgesprochen klug und fasste Dinge schnell auf. Er war es würdig, dass sich Watari und Roger weiter mit ihm beschäftigten, dass er auf das vorbereitet wurde, was diese Person in dieser Position erwarten würde. Doch in Bs Augen war A nichts weiter als ein Versager. B, die Nummer zwei in diesem ungleichen Kampf. Obwohl er vor A im Waisenhaus war, wurde er erst nach ihm zu einem Anwärter ernannt, denn auf Grund seiner temperamentvollen Art waren sich die Waisenhausleiter zunächst unsicher gewesen. Doch Bs Talent sollte nicht verschwendet werden, hatten sie gesagt, als sie B eröffneten, dass er es wert war mit A um diesen Titel zu kämpfen. Seit diesem Tag war A, der Junge, den er vorher nicht weiter beachtet hatte, sein Feind geworden. Ein Feind, der es nicht würdig war, dass man sich überhaupt mit ihm abgab. A war nichts weiter als ein lästiges Insekt. B hätte ihn umbringen können, aber an A wollte er sich die Hände nicht schmutzig machen. Nein. A würde ihm diesen Job sogar abnehmen... und sich selbst das Leben nehmen. Irgendwann, wenn er ihn psychisch soweit hatte. Trotz As Talent war der Junge sehr leicht zu beeinflussen und nicht in der Lage sich irgendwie zu verteidigen. Allein dieser Fakt machte ihn für B zu einer leichten Beute... 02. Februar 1998 „Abel.“ Die langen, schlanken Finger des jüngeren Anwärters gruben sich in As braune Haare. A zuckte und drückte das Buch in seinen Händen fester gegen seine Brust. „Du weißt, dass du mich nicht so nennen sollst...“ Obwohl er versucht hatte, seine Stimme fest klingen zu lassen, hatte sie gezittert. „Niemand ist hier, Abel. Warum sollte ich also auf dich hören?“ Mit einer einzigen Bewegung hatte B A zu Fall gebracht und ihn nach hinten gerissen. Das Buch landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem steinigen Boden und schlitterte noch wenige Zentimeter über den Kies, ehe es außerhalb von As Reichweite liegen blieb. A gab ein schmerzerfülltes Geräusch von sich und richtete sich auf alle Viere in dem vergeblichen Versuch B zu entkommen, doch er war nicht einmal eine Schrittlänge gekommen, als er auch schon den nackten Fuß des Anderen auf seinem Rücken spürte. „Warum lebst du eigentlich, Abel...? Niemand hier kann dich leiden... Sie halten dich für Abschaum, weißt du das? Sie sind neidisch, weil Roger dich so bevorzugt. Sogar vor mir, obwohl wir beide auf einer Höhe stehen... Halt. Ich... stehe über dir.“ B sah auf den Körper unter sich. Ein dünner Körper in viel zu weiter Kleidung. Der braune Kapuzenpullover des nur wenige Wochen Älteren reichte fast bis zu dessen Knien. „Irgendwann wird sich Roger für mich entscheiden. Und dann... wirst du entsorgt.“ B lachte wieder. Freudlos und kaltherzig, wie er immer lachte, wenn er wusste, dass er einer Person überlegen war. „Wie... Abfall. Wie ein... leeres Marmeladenglas. Du bist nichts wert, Abel. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis du das selbst erkennst.“ B ließ A auf dem Hof zurück und betrat die wenigen Stufen, die in das Waisenhaus führten, als ihm unbekannte Stimmen ihn plötzlich herumfahren ließen. In der Toreinfahrt stand die schwarze Limousine, die zu dem Waisenhaus gehörte und neben ihrer Beifahrertür stand ein Junge, vielleicht wenige Jahre älter als B. Roger nahm ihn an der Hand und führte ihn an B vorbei, dessen rote Augen sich prompt weiteten. Diese Namen... Das... konnte nicht sein. 25. Juni 1998 „L? Er nennt sich L?!“ „Er nennt sich nicht so... Er wird so genannt. Warum fragst du das? Du weißt doch sonst immer alle Namen...“ Im Schutz des Bücherregals war A mutiger, als hilflos auf dem Hof, aber allzu vorlaut wollte er B gegenüber dennoch nicht sein. Die Ernennung des neuen Jungen zu dem, was sie eigentlich hätten werden sollen, hatte etwas im Waisenhaus verändert. Etwas, was bis dahin die einzige Wahrheit für die Anwärter gewesen war. Sie hatten beide nicht gewusst, dass der Junge, der von allen nur noch ‚L’ genannt wurde, schon seit Jahren für diesen Titel vorgemerkt war, dass die beiden anderen Anwärter, A und B, nur ein Test waren, um zu überprüfen, ob L tatsächlich der Richtige war. Nach Bs anfänglicher Wut hatte er sich gefasst, doch er reagierte nach wie vor sehr gereizt auf die Namen der Waisenhausleiter oder auf L. „Das kann doch nicht wahr sein... Er ist ein Lügner. Sie ALLE sind Lügner. Von wegen, wir wären die ersten um diesen Titel! Warum belügen sie uns, wenn sie ihn längst haben!?“ Eine Vase, die bis dahin auf einem Sockel neben dem Regal gestanden hatte, ging laut klirrend zu Bruch, als B zu fest gegen sie schlug. Tränen liefen über seine Wangen, doch sie drückten kein Gefühl aus. Sie waren einfach da, wie ein Ventil, das sein Körper eigenständig geöffnet hatte, während er sich auf die Lippen biss und nach etwas suchte, an dem er seine Wut noch besser auslassen konnte, als an der Vase. Dann fiel sein Blick auf den über dem Buch zusammengesunkenen Körper. A bemerkte die drohende Gefahr ein paar Sekunden zu spät. Bs Finger schlossen sich rasch und unnachgiebig um seinen Hals und drückten sofort zu. „Wenn es sowieso keinen Sinn mehr macht, dann kannst du auch sterben! Du warst es eh nie wert!“ Es tat gut in dieses Gesicht zu sehen, wie es verzweifelt nach Luft zu ringen versuchte. As Finger rutschten von seinen Händen ab, als er versuchte den Klammergriff um seinen Hals zu lösen. „L... Lass...!“ „Wer soll dir jetzt noch helfen, Abel? WER? Dich bevormundet nun niemand mehr. Rogers neuer Liebling ist L!“ Den letzten Laut schrie er, dann löste er die Hände von dem dünnen Hals und packte stattdessen die braune Kapuze. „All die Monate... Jahre... haben sie uns belogen. Hast du gehört, was Watari sagte? Mit 8 schon Fälle gelöst! Mit 8 Jahren! Dieser verdammte, kleine Bastard. Wie kann er es wagen, sich die Position zu nehmen, die MIR zustand?!“ As klagende Schreie, als B ihn die Treppen nach unten zerrte, nahm er gar nicht wahr. Noch immer tobte alles in ihm. Er wollte jemanden umbringen. Alle. L. Watari. Roger. Abel. Jeden Einzelnen. Wie hatten sie es nur wagen können ihn dermaßen zu belügen? „Weißt du wie er wirklich heißt?“, fauchte B, als er die Tür zur Besenkammer öffnete und As Körper über die Schwelle zerrte. „Lawliet RUVIE! Fällt dir etwas auf? Ach, wie könnte es. Du hast meine Fähigkeiten nicht... Aber ich werde es dir verraten...“ Der kleine, karge Raum, in dem nichts weiter war, außer einigen Regalen mit Putzutensilien, tauchte in völlige Dunkelheit, nachdem B die Tür geschlossen hatte. „Roger. Ich kenne seinen Namen auch... Das kannst du dir sicherlich denken, Abel. So schlau müsstest selbst du sein. Weißt du, wie sein Nachname ist?“ B rückte näher an den Leib heran, der sich im Dunkeln gegen die Wand drückte. Er fand As Ohr, biss kurz in das warme Fleisch, dann legten sich seine Hände auf die Schultern des Braunhaarigen. „Er heißt Ruvie. Roger Ruvie. Von wegen, wir werden des Talentes wegen ausgesucht. Sie wussten von Anfang an, dass Lawliet diesen Titel bekommen würde. Wahrscheinlich wussten sie es schon seit seiner Geburt, denn er ist ja Rogers geliebter... Enkel! Hör dir seinen Namen doch an! LAW! Aber das ist er nicht... Er ist nicht das Gesetz, nicht die Gerechtigkeit, die ich hätte sein müssen... Nichts weiter als ein Lügner... Oh ja. Es gibt so viele Namen, die ihm besser zu Gesicht stehen, diesem elenden Verräter... So wie... Lie.“ Bs Hände waren von As Schultern unter seinen Pullover gewandert und fuhren immer und immer wieder über die Rippenknochen. „Ich werde... um meinen Platz kämpfen. Ich lasse nicht zu, dass ein Familienverband über MEINE Zukunft entscheidet. Oh, Abel... Es ist nichts Persönliches. Du warst einfach... da...“ Die kleine Schere schloss sich mit einem leisen Klacken und wieder segelte eine Haarsträhne ins Waschbecken. B betrachtete sein Spiegelbild, dann wuschelte er sich kräftig durch die wesentlich kürzeren Haare. Seine Augen hatten sich noch nicht ganz an das Make up gewöhnt, aber das war nur eine Frage der Zeit. Ebenso, wie er sich bald damit abgefunden haben würde, dass seine Hose bei jedem Schritt rutschte. Es war seltsam in dem Spiegel den Menschen zu sehen, den man eigentlich hasste, aber eine andere Möglichkeit hatte er nicht. Wenn er den Titel nicht selbst bestimmen konnte, wenn der Titel nicht seinen Namen trug, dann musste er dafür sorgen, dass niemand merkte, dass er seine rechtmäßige Position übernommen hatte. Um L zu ersetzen, musste er L sein. Nein. Er musste ihn übertreffen. Und zwar in allen Punkten. „Vorher warst du hübscher“, war alles, was A zu Bs optischer Veränderung sagte. Und vielleicht hatte er mit seiner Aussage recht, denn B war nie hässlich gewesen. Anders als L. Während Ls Haare wirr und ungezähmt von seinem Kopf abstanden und nicht immer gewaschen aussahen, waren Bs Haare immer gekämmt und fielen bis auf seine Schultern. Seine Haut war gesund, wenn auch blass, aber bei weitem nicht krankhaft und gräulich, wie es bei L der Fall war. Und Bs Nase war für sein Gesicht passend, während Ls ein wenig zu groß geraten war. As seltsam ausgedrücktes Lob brachte B zum Grinsen. „Fandest du, hm...?“ Die Blessuren auf As Körper waren noch nicht ganz verheilt und unter dem viel zu weiten Pullover ragte quer über den Nacken eine breite Schnittwunde hervor. B drückte mit dem Zeigefinger darauf und beobachtete, wie A zusammenfuhr und mit dem Stuhl wegrutschte. „Das klingt, als würdest du mich mögen, Abel...“ „Das... ist nicht wahr... Lass mich bitte in Ruhe, B...“ „Er sagt ‚bitte’, der kleine Abel. Wie... niedlich.“ „B. Lass es.“ Drei Worte, obwohl A die Lippen nicht bewegt hatte. B drehte den Kopf nach hinten und blickte in die schwarzen Augen, die er mehr hasste, als alles andere und die ihn ausdruckslos musterten. Ohne weiter auf seine erklärten Nachfolger zu achten, schob sich L mit zwei Büchern in den Armen an B vorbei und verschwand hinter einem Regal. Bs Körper hatte wieder zu zittern begonnen. Nicht nur, dass L sich nahm, was ihm zustand. Jetzt mischte er sich auch noch in seine Beziehung mit A ein. Es war Zeit einen Schlussstrich zu ziehen. L würde fallen, er würde es bereuen, dass er jemals im Waisenhaus gewesen war, er würde bereuen sich mit Beyond Birthday angelegt zu haben. Er würde... scheitern. Wie viele Wege gab es einen Menschen wie L zu Fall zu bringen? L, der in allen Punkten besser war, als B es jemals sein könnte. Es musste einen Weg geben, eine Möglichkeit, etwas, womit selbst L nicht klar kommen würde. „Konstruiert, um jeden Fall lösen zu können...“ Die Lösung war einfach. Aber wie sollte er es umsetzen? Wie konnte man einen Fall unlösbar machen? Wie... konnte man L scheitern lassen? November 1998 So kalt, wie sich der Winter ankündigte, so hastig überschlugen sich auch die wenigen Ereignisse. Im Grunde waren es zwei, die Bs Leben gleichermaßen einen Grund zum Handeln gaben. Anfang November fand man As Leiche, aufgeknüpft in seinem eigenen Zimmer. Roger bedauerte den Umstand zutiefst, doch es führte zu nichts, außer einer stillen Beisetzung und einem weiteren grauen Kreuz auf dem Friedhof nahe des Waisenhauses, wo die lagen, die dem Druck und den Anforderungen nicht stand gehalten hatten oder die von einer Krankheit dahingerafft worden waren. Gegen Ende des Monates verließ L endgültig die Einrichtung, zusammen mit Watari, um seinen Namen in der Welt bekannt zu machen. Roger zwang die Waisenhauskinder sich die erste offizielle Rede Ls an Interpol anzuhören und B unterdrückte den Impuls irgendetwas gegen den Fernseher zu werfen, nur damit diese elende Stimme endlich versiegte. B lehnte mit dem Rücken an der Wand und sah zu der Stelle, wo vor wenigen Wochen noch der dünne Körper des zweiten Anwärters gehangen hatte. Der Raum war kalt, ohne die Anwesenheit des Körpers. Aber A hatte es nicht mehr ausgehalten. Mit jedem Tag, den er B und seinen Attacken ausgesetzt war, hatte er weiter abgenommen, seine Konzentration hatte nachgelassen und schließlich war er dem Impuls gefolgt, über den er schon seit Wochen nachgedacht hatte. Nun war er frei. Und das leere Seil hing noch immer an dem vergitterten, offenen Fenster. Kalte Winterluft wehte hinein und zauste durch Bs Haare, ließ seine Augen trocken werden. Es war seltsam an Abel zu denken. Auch wenn er ihn für minderwertig erachtete, so war er doch eine Konstante in seinem Leben gewesen, die B nun irgendwie vermisste. Aber wie man das Blatt auch drehte, es änderte nichts an dem Fakt, den dieser leere Raum bewies: Abel Gallows war tot. Und L würde ihm bald folgen... July 2002 Der Raum war aufgeräumt und sauber. Nur ein Fakt störte das Bild eines friedlichen Schlafzimmers: Der mit Kreide aufgemalte Umriss auf dem blutgetränkten Teppichboden. Naomi Misoras Blick ruhte auf dem Bücherregal. Doch plötzlich schoss eine Hand unter dem Bett hervor und griff nach ihrem Knöchel. Mit einem erschrockenen Schrei stolperte sie zurück und prallte mit dem Rücken gegen die Bücher. Entsetzt beobachtete sie, wie sich ein junger Mann unter dem Bett hervorzog und sich aufrichtete. Mit einem neugierigen Ausdruck in den Augen starrte er sie an, dann zwang er sich zu einem schrägen Lächeln. Auffällig war seine gebückte Haltung und... die dunkeln Augenringe. Während er ihr die Hand hinstreckte, musterte sie ihn weiterhin und ging skeptisch auf ihn zu. Er war dürr und groß gewachsen, seine Kleidung war zu weit und abgetragen. Wann war er in das Zimmer gekommen? Und wie lange lag er schon unter dem Bett? Wenn er ihre Unterhaltung mit L mitbekommen hatte... „Hallo. Freut mich Sie kennen zu lernen“, sagte B mit dem Ausdruck eines scheinheiligen Lächelns auf den Lippen und streckte der erschrockenen, jungen Frau weiterhin die Hand hin, bis Naomi sie ergriff und kurz schüttelte. „Nennen Sie mich einfach... Ryuzaki.“ Der Anfang von Ls Ende hatte begonnen. Kapitel 8: Agony ---------------- Serie: Death Note: Another Note Charaktere: B Rating: FSK 18… ôo Genre: Splatter Widmung: Koji: Weil ihr AMV den nötigen Impuls, sowie einige herrliche Ideen gab und dessen Musik mir als Hintergrundmusik diente. Author’s Note: Urghs. Es ist blutig, es ist more or less kurz, es ist… B. Mehr hab ich nicht zu sagen ôo Ich hab es lieb. Habt es auch lieb X3 Agony „Komm schon, Kira. Versuch mich zu töten!“ „AAAAAAAAARRRRGH!“ „Was zur Hölle ist da los?!“ „AAAAAAAARH!!“ „Nummer 611 dreht durch!“ „AAAAAAAH!“ „611? Der Strohpuppenkerl?“ „ICH BRING IHN UM!“ „Genau der!“ „Irgendjemand muss ihn beruhigen! Er macht die anderen Patienten sonst wahnsinnig!“ „Was war das überhaupt für eine Sendung?“ „AAARH!“ „L hat Kira herausgefordert. Ich weiß nicht, warum er jetzt so durchdreht!“ „Das ist egal. BERUHIG IHN!“ Der Schlüsselbund klapperte leise. Aus der geschlossenen Zelle drangen noch immer Schreie und ein Geräusch, das nach einem Gurgeln klang. Jonathan Frey strich sich nervös durch die Haare und schloss die Zwischentür hinter sich. Eine Strähne fiel ihm immer wieder in die Augen. Sein Hals schmerzte, wenn er zu schlucken versuchte. Patient Nummer 611. Keiner war gerne in der Nähe dieser Zelle. Patient 611 war vor vier Monaten von der Justizvollzugsanstalt in Los Angeles an die Psychiatrie in Phoenix überwiesen worden, nachdem die Gefängniswärter mit ihm nicht mehr klar gekommen waren. Sie hatten regelrecht Angst vor ihm gehabt. Also war er abgeschoben worden, damit sie sich nicht mehr mit ihm befassen mussten. Und jetzt musste ausgerechnet er da rein und diesen schreienden Wahnsinnigen beruhigen. Jonathan seufzte. Es würde so oder so nur mit Medikamenten möglich sein. So wurden hier alle Probleme gelöst. Als die Tür sich öffnete, verstummten die Schreie abrupt. Beyond Birthday wandte sich um und fixierte die Person, die gerade hereingekommen war. Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen, dann huschten seine Augen für einen winzigen Augenblick über den Kopf der Person. „Verschwinde, Jonathan…“, raunte er und stellte mit Entzücken fest, dass sein Gegenüber schauderte. Beyond grinste kurz, doch es erlosch sofort, als er an die Sendung dachte, die vor einer Viertelstunde im Fernsehen ausgestrahlt worden war. Dieser verdammte L. Nicht nur, dass er ihm vor Jahren den Titel geraubt hatte, der ihm eigentlich zustand. Nein, nun forderte er auch noch einen anderen auf ihn zu töten! Beyond konnte nichts machen. Seine Hände waren fest gebunden. Zur Sicherheit des Personals trug er eine Zwangsjacke. Und dann erwarteten sie, dass er wie alle anderen Patienten voll gepumpt mit Medikamenten sein Dasein fristete, bis er eines Tages starb, während L weiterhin SEINEN Namen in den Dreck zog. Das konnte er nicht! Das würde er nicht! L gehörte ihm. Er würde ihm mit seinen eigenen Händen das Herz aus dem Leib reißen. Aber zuvor… Beyonds Augen ruhten wieder auf den schmalen Zügen des blonden Wärters. Wenige Sekunden war es still gewesen, dann begann er wieder zu schreien. „AAAAAARH!“ Wie erwartet war Jonathan Frey mit nur wenigen Schritten bei ihm. „Jetzt beruhig dich endlich!“ Die weiß behandschuhten Hände des Anästhesisten zerrten an den Schnallen der Zwangsjacke. Um ihn mit dem Medikament ruhig zu stellen, musste er an Beyonds Armbeuge heran kommen. Das ging allerdings nur, wenn dieser die Zwangsjacke nicht trug. Jonathan war nicht wohl dabei, diesem Psychopathen die Jacke auszuziehen, aber anders würde er ihn nicht beruhigen können. Sobald er das Mittel in der Spritze erst einmal in die Blutbahn des schwarzhaarigen Mannes gejagt hatte, würde er nur noch apathisch in seiner Zelle sitzen und die Wand fixieren. Jonathan nickte zuversichtlich. In zwei Stunden hatte er Feierabend und danach würde er seine Zeit auf den Malediven verbringen und keinen Gedanken mehr an Patient Nummer 611 verschwenden. Ja. Und wenn sein Urlaub vorüber war, war er braun gebrannt. Es war nur eine Sekunde. Nur ein winziger Augenblick der Unachtsamkeit. Beyonds Arm war frei. Seine Finger schlossen sich um die Kehle des jungen Anästhesisten. Jonathan spürte wie sein Körper mit aller Kraft gegen die Wand gedrückt wurde. Wie konnte eine so hagere Gestalt so stark sein? Beyonds Gesicht war nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. Ein roter Schimmer lag in den großen Augen und das Grinsen auf den blassen Lippen wurde eine Spur breiter. Die Zwangsjacke fiel zu Boden. Beyonds Finger schlossen sich fester um die Kehle des Mannes. Er spürte die Halsschlagader an seinen eigenen Fingern pulsieren. Nicht mehr lange, und es war Ls Hals, den er auf diese Weise umschloss. Nicht mehr lange… Aber vorher… Fast zärtlich legte Beyond die freie Hand auf den Kopf des Anästhesisten, zog ihn von der Wand weg, bis an seine Schulter. Er roch förmlich nach Angst. „Hnn…“ Beyond neigte den Kopf zur Seite, bis seine Lippen fast das Jonathans Ohr berührten. „Tut mir wirklich… wahnsinnig leid. Es ist nichts… Persönliches. Nur eine kleine… Meinungsverschiedenheit. Das verstehst du doch sicher, Jonathan.“ „Aaarhh!“ Es knirschte, als der Schädel des jungen Mannes gegen die Wand schlug. Jonathan würgte leicht und ein scharfes Stechen schoss durch seinen Kopf. Ihm wurde schwarz vor Augen. Beyond Birthday ließ ihn los und sah zu, wie er zu Boden sackte, ehe er auf alle Viere ging und in den Taschen des Mannes wühlte. Da war sie. Die Spritze, die man eigentlich ihm verabreichen wollte. Beyond grinste, dann schlug er sie auf den Boden. Das Glas splitterte und das Betäubungsmittel rann ihm über die Finger. Wieder gruben sich Beyonds Finger in Jonathans Haare und er zog den besinnungslosen Anästhesisten zu sich. Das Grinsen auf seinen Lippen wurde zu einer wahnsinnigen Fratze. „Ahh!“ Jonathan streckte den Rücken durch, als so plötzlich kalte Luft über seinen Oberkörper strich. Beyond hatte sein weißes Oberteil zerrissen. Der Anästhesist lag am Boden, unfähig sich noch irgendwie zu rühren, während Beyond auf seinen Hüften saß. In einer Hand hielt er die zerbrochene Spritze, in der anderen eine der scharfkantigen Schnallen der Zwangsjacke, scheinbar unfähig sich für einen der beiden Gegenstände zu entscheiden. Doch schließlich legte er das Glas zur Seite und beugte sich über den blonden Anästhesisten. „Du bist ja wach“, stellte er amüsiert fest und stützte sich mit der flachen Hand auf Jonathans Brustkorb ab. „Das macht keinen Unterschied. Ich an deiner Stelle wäre jedoch… lieber bewusstlos geblieben.“ Die Schnallen waren nicht mehr ganz sauber geschliffen. Zu oft hatten die Wände der Zelle das Metall aufgeraut, wann immer Beyond mit dem Rücken an ihr entlang gerieben war. Und nun waren sie seine einzige, effektive Waffe. Ohne auf die Schreie des Blonden zu achten, drückte er eine der Kanten in seine Brust. Immer tiefer. Millimeter für Millimeter. Blut quoll neben dem rostigen Material nach oben und lief wie ein verästelter Fluss über Jonathans Brustkorb. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis L in seinen Armen seine letzten Atemzüge tat… Dann würde der Titel endlich ihm gehören. Ihm, dem dieser Titel zustand. Er hatte Jahr um Jahr dafür gekämpft. Und dann war dieser dahergelaufene Straßenköter gekommen und hatte ihm seine Zukunft und sein Leben genommen. Das würde nicht ungesühnt bleiben. Jonathans Arm schoss nach vorne und verfehlte Beyonds Gesicht nur um wenige Zentimeter. Der Schwarzhaarige stolperte aus Reflex zurück, blickte auf, wirkte ein wenig zögernd, als er die grünen Augen seines Opfers fixierte. Doch dann trat er gezielt zu. Es knackte, laut wie ein Peitschenhieb und der junge Mann schrie erneut. Sein rechter Arm stand in einem unnatürlichen Winkel von seinem Körper ab und zog dadurch sofort Beyonds Aufmerksamkeit auf sich. Auf allen Vieren kroch er ein Stück weiter nach oben. Seine Hände schlossen sich ober- und unterhalb der Bruchstelle um Jonathans Arm. „Bitte… nicht…!“, jappste der Blonde verzweifelt. Beyonds Grinsen wurde wieder eine Spur breiter. Ganz langsam drehte er die Hände entgegengesetzt. Es knackte erneut, doch das Geräusch ging augenblicklich in einem lang gezogenen Schrei unter. Beyond ließ mit der linken Hand los und zog die Schnalle aus der Brust des Mannes. Blut tropfte auf den staubigen Boden. Ein Messer wäre idealer gewesen. Oder ein Beil. Irgendetwas, das scharf genug war, um Haut und Fleisch sofort zu durchdringen. Doch er hatte nichts dergleichen zur Hand. Die Schnalle der Zwangsjacke war an einer Ecke zwar scharf genug, doch es dauerte, bis er damit durch die Haut kam. Er musste mehrmals nachbohren und einiges an Kraft aufbringen. Beyond störte sich nicht daran. Er hatte zwei Jahre lang Zeit gehabt, um Kraft zu sammeln. Nur seinem Opfer würde er auf die Art und Weise mehr Schmerzen zufügen. Aber was kümmerte ihn das…? Wie einen spitzen Stein trieb Beyond die Ecke der Schnalle in die Haut genau über dem Bruch. Jonathan gab ein Heulen von sich. Tränen liefen über seine Wangen, doch sie hielten Beyond nicht davon ab, seinen Vorgang zu wiederholen. Immer und immer wieder grub sich das Metall in die frisch gerissene Wunde. Jonathans Oberarm war längst rot gefärbt und sein Ärmel begann sich mit Blut voll zu saugen. Beyonds Augen waren weit aufgerissen. Der süße Geruch von Blut. Wie sehr hatte er ihn vermisst. Der Schmerz machte wahnsinnig. Jonathan atmete schwer, doch Beyond ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Die tiefer werdende Wunde an seinem Oberarm brannte wie Feuer und seine Stimme war von den Schmerzensschreien längst heiser. Warum kam niemand, um ihm zu helfen? War die Wachstation nicht besetzt? Hörten sie ihn durch die Zwischentüren nicht? Oder dachten sie, es wäre immer noch Beyond Birthday, der schrie? Beyond Birthday hatte immer geglaubt, dass es schwer sei einen Menschen zu töten. Doch dann hatte er gemerkt, dass es im Grunde ganz einfach war. Sie starben schnell, wenn man nicht vorsichtig war. Es gab so viele Stellen am menschlichen Körper, die zu einem sofortigen Tod führten. Während seiner Herausforderung an L hatte er gelernt was er tun musste, damit der Körper möglichst lange funktionierte. Haut war wie Papier. Man konnte sie schneiden und sogar falten. Sie gab dem Druck des Metalls nach, wenn man nur fest genug dagegen drückte. Beyonds Finger waren rot. Jonathan schrie nicht mehr. Er wimmerte nur noch, die Augen apathisch auf einen Punkt an der Wand gerichtet. Sein Körper fühlte sich heiß an. Bei L würde er nicht so sanft sein. L würde leiden. Er würde ihm beibringen, was wahrer Schmerz bedeutete. All die Qualen, die er wegen diesem elenden Namensdieb hatte auch auf sich nehmen müssen. Der Name, der IHM zustand. Nicht L. IHM! „Hilfe… Bitte…!“ Jonathan hatte sich in Bewegung gesetzt. Mühsam zog er seinen Körper mit dem gesunden Arm nach vorne. Der gebrochene Arm hing nutzlos an seiner Seite. An der Bruchstelle war ein tiefer, klaffender Schnitt. „Irgendwer… Bitte…“ Hoffend streckte der Blonde seine Hand durch die Zellentür und versuchte nach dem Türrahmen zu greifen, um sich auf den Flur ziehen zu können. Beyond überbrückte die Distanz mit wenigen Schritten. Seine Hand schloss sich um den Türgriff. Der Stahl mit der abblätternden Farbe schlug gegen die Finger des Anästhesisten. Es knackte erneut. Beyond hörte es viermal. Langsam legte er den Kopf in den Nacken und stieß ein kurzes Lachen aus, ehe er wieder nach vorne blickte. Mit einer einzigen Bewegung drückte er die Tür wieder ein Stück auf, nur um die direkt danach wieder mit aller Kraft zuzuschlagen. Immer und immer wieder. Jonathans Schrei brach sich in dem engen Raum. Mit einem letzten Schlag fiel die Tür ins Schloss. „Du sollst still sein…“, raunte Beyond und blickte nach unten ohne den Kopf zu senken. „Still…“ Die leisen, wimmernden Geräusche, die Jonathan von sich gab, nervten ihn. Warum musste er so laut sein? Seine anderen Opfer waren das nie gewesen. Wenn L schrie, dann war es egal. Er sollte schreien. Aber nicht dieser unwürdige Mensch zu seinen Füßen! „Sei – endlich – still!“ Beyond trat zu. Einmal. Zweimal. Immer und immer wieder in das hübsche Gesicht des Blonden. Irgendwann gab der Widerstand nach. Die geschundene Haut begann rasch anzuschwellen. „Bist du jetzt ruhig…? Es ist so oder so gleich vorbei.“ Beyond ließ sich auf die Knie fallen und kroch wieder über sein Opfer. Jonathans Augen drehten sich in den aufgequollenen Höhlen in seine Richtung. „Keine Angst… Gleich… ist es vorbei…“ Beyond legte seine Hände an Jonathans Wangen. Die Daumen mit den langen, ungepflegten Nägeln deuteten auf seine Augen. Dann drückte er sich einfach mit den Beinen nach oben… „AAAAAAAAAAAAAAAARRRRRRRRRRH!“ Seine Finger stießen kurz auf Widerstand, dann gab dieser nach. Eine weiße Flüssigkeit lief aus den Augenhöhlen des Blonden. Dort, wo vor wenigen Sekunden noch die Augen waren, war nun nur noch Schwärze. Beyond ließ sich zufrieden nach hinten sinken und beobachtete, wie sich Jonathans Kopf unruhig drehte. Beyonds Hand hatte sich wieder um die Schnalle geschlossen… „Glaubst du an den Himmel, Jonathan Frey?“, flüsterte Beyond und drückte den Kopf seines Opfers ein Stück zur Seite. „Glaubst du daran, dass jemand, der einen gesunden Menschen mit Medikamenten zwangsberuhigt, in den Himmel kommt…?“ Die Metallspitze drückte gegen den Hals. „Weißt du… Ich glaube nicht daran. Wir sehen uns also… wieder…“ Die Halsschlagader lag nur wenige Zentimeter unter der Haut. Ein fester Druck genügte, um sie zu treffen. In nur wenigen Sekunden war Beyonds weißes Oberteil blutrot. Mit letzter Kraft versuchte Jonathan seine Hand gegen seinen Hals zu drücken. Doch sein Körper gehorchte ihm längst nicht mehr. Wie eine rote Pfütze breitete sich die warme Flüssigkeit auf dem Boden aus. Beyond ging langsam ein paar Schritte zurück. Es war ein schöner Anblick, wie sich sein Opfer dort auf dem dreckigen Linoleum wälzte und um sein Leben kämpfte, wo es doch schon längst vorbei war. Beyond Birthday blickte auf den erkalteten Körper. Das Blut trocknete bereits. Es roch nach Metall... Wieder legte Beyond den Kopf in den Nacken und schloss die Augen für einen Augenblick. Er stellte sich vor, dass es nicht Jonathan Frey war, sondern L Lawliet, der in ebendiesem Moment sein Leben aushauchte. „Bald…“, flüsterte er zu dem Leichnam und strich sich die Haare aus dem erhitzten Gesicht. „Bald… L!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)