Unfortunately von Ryusei (A - B - M - N = L. Prepared to surpass, forced to fail.) ================================================================================ Kapitel 3: Funeral ------------------ Serie: Death Note Charaktere: Roger, Mello, Near, Matt Reihe: Unfortunately - Kapitel 3: Funeral Widmung/Persönliches: Die wenigsten wissen, warum ich heute und an diesem Tage so ein Werk verfasse. Aber denen, die es wissen, denen möchte ich danken. Dafür, dass sie mir beistanden, bei mir waren, als ich sie brauchte. Und die auch jetzt noch für mich da sind und mit mir leben. Meine Freunde, meine „Kinder“. Ich denke, jeder, der diese Zeilen liest und sich angesprochen fühlt, dem ist dieses Werk gewidmet. Mello und Near, Koji und Taku, die es unmittelbar danach erfuhren und trotz eigenem Ärger sofort Zeit für mich hatten. Zeit, um für mich da zu sein. Leav, die es so bereute heute an diesem einschneidenden Tag nicht für mich da sein zu können. Matt, B, Mikami und Vögelchen, die es erst kürzlich erfuhren und mir beistanden, die mich, wenn auch nur virtuell in den Arm nahmen. Euch allen möchte ich dafür danken. Ich bin froh, dass ich euch habe. Das Datum, an dem Roger die SMS mit der Meldung über Ls Sterben erhält, ist Absicht. Obwohl es rechnerisch stimmen dürfte, denn nach Ls Tod steht der Counter auf 20 d 18 h 31 m 30s. Aber selbst wenn es der 25. wäre, ich würde es nicht abändern. Aus ganz bestimmten Gründen. Funeral „L ist tot.“ Ein Satz. Nicht einmal. Drei Worte. Mellos Welt bröckelte. „Was…?“ Wie konnte das sein? L… tot? „Tot?... Aber… wie?! Das ist nicht wahr! Roger!“ Wut. Angst. Und Trauer. „Wer war es? Ist er wegen Kira gestorben?!“ Er war doch bei bester Gesundheit gewesen. Wie konnte es sein, dass er nun nicht mehr leben sollte? „Willst du sagen, er hat versucht Kira zu stellen und ist dabei…?“ Das war einfach nicht fair! „Ist es das, was du mir sagen willst?!“ Ohne sich selbst zu sehen packte Mello den älteren Waisenhausaufseher am Kragen. „Sag schon!“ – „Me-… Mello!“ Roger war machtlos. Was sollte er denn tun? Es war die Wahrheit, so schmerzlich sie sich auch nun herausstellte. L war tot. Etwas fiel klappernd zu Boden. Puzzleteile. „Wer das Spiel nicht gewinnt… Wer das Puzzle nicht löst…“ Mello ließ Roger los und drehte sich um, die Augen im Entsetzen immer noch geweitet. „…der hat versagt.“ Nur ein leises Klicken, als Near motorisch Teil um Teil wieder einfügte. Mello biss sich auf die schmalen Lippen. Das konnte nicht wahr sein. Nichts von alldem. Ein Traum. Es war ein Traum. Und wenn er aufwachte, dann würde ihm Roger sagen, dass L angerufen hatte und dass er bald wieder zu Besuch käme. Sicherlich. Anders konnte es gar nicht sein. L war nicht tot. Er… „Mello…“ Der Blonde sah auf. Irgendwo hinter ihm tickte eine Wanduhr. Über der Tür, wenn er sich richtig erinnerte. Auf dem Schreibtisch lag noch immer das aufgeklappte Handy, darauf jene drei Worte, die Roger ihnen gegenüber ausgesprochen hatte. L ist tot. Er würde nicht mehr wiederkommen. „So…“ Mello fühlte, wie ihm kalt wurde. „Zwischen Near und mir… für wen hat er sich entschieden?“ Mit jedem Wort, das er sprach, wurde die Gewissheit ein Stück mehr Realität. Roger schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid.“ Near. Natürlich. Mello hatte damit gerechnet. Nicht, dass es über den Verlust getröstet hätte. Aber er hatte seit jeher angenommen, dass er L mehr bedeutete als Near. „Er hat nicht entschieden. Und nun ist er tot…“ Ohne es selbst zu hören stieß Mello ein leises Wimmern aus. „Was…?“ – „Mello. Near. Was ist, wenn ihr zusammen arbeitet?“ Wieder ein Klicken. Wieder ein Puzzleteil. Near sah von seiner Arbeit nicht einmal auf, während es hier um seine maßgebliche Zukunft ging. Es war nun an ihnen den Mörder ihres Vorgängers zu stellen. Sie würden nun Kira fangen müssen. Sie? Oder nur Near? Mello konnte sich keine Zusammenarbeit mit dem Jüngeren vorstellen. „Ich denke nicht, Roger“, sagte er bestimmt. „Near würde den Job routinierter erledigen. Gefühllos und direkt, so, wie er nun das Puzzle zusammensetzt. Ich verlasse das Institut.“ – „Mello! Du kannst nicht gehen.“ Mello schüttelte den Kopf. Für einen kurzen Augenblick hatte er etwas wie Tränen in seinen Augen gespürt. „Warum? Ich bin jetzt 15. Ich bin alt genug um meinen eigenen Weg zu gehen!“ Roger faltete die Hände vor seinem Mund und sah den Jungen eindringlich an. Er konnte verstehen, wie er fühlte. Aber… „Sein Körper ist hier. Er wird in den nächsten Tagen beigesetzt.“ Wieder diese Kälte. L. Beigesetzt? Das war… endgültig. Near drehte sein Puzzle wieder um und begann von neuem. „Das… Das ist mir egal. Ich gehe!“ Weg. Raus aus diesem Raum. Keine Schwäche vor Near, vor Roger. Was verstanden sie denn schon? Die Tür schlug hinter Mello zu, als er das Büro des Waisenhausleiters verließ und den Gang entlang eilte. L. Wie oft war er ihm auf diesem Gang schon entgegen gekommen, hatte die Arme ausgestreckt und den blonden Jüngeren mit einem Lächeln empfangen. Das alles sollte nicht mehr sein? „Das ist nicht fair…!“, brachte Mello zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor und stolperte gegen seine Tür. „Das ist einfach nicht fair… Ryuzaki…“ Warum hatte er diesen Fall überhaupt angenommen? Er hätte sich raushalten können. Dann wäre er… wäre er… jetzt noch bei ihm. Mello sah längst nicht mehr was er eigentlich griff. Sein Zimmer, seine Gegenstände, alle Erinnerungen verschwammen vor seinen Augen, vor dem salzigen Film, der sich darüber gelegt hatte. Er wollte so schnell wie möglich hier raus. Zu viel. Es war einfach… zu viel. Wohin sollte er nun? Mello fühlte sich verlassen. Es gab nichts, wo er hätte hingehen können. Das Waisenhaus war alles, was er jetzt noch hatte. Frierend zog er die Beine näher an seinen Körper. Wie L es immer getan hatte. Fror er überhaupt oder war es die Gewissheit, die ihm langsam in die Glieder kroch? Er konnte es nicht sagen. Die Erlebnisse der letzten Stunden waren so frisch, so jung, dass es schmerzte, wenn er nur an sie dachte. Rogers Stimme, diese drei unheilvollen Worte, Nears abwertende Reaktion. ‚Wer das Puzzle nicht löst, der hat versagt.’ Ryuzaki hatte nie versagt. Was war nur geschehen? Was hatte sein Leben beendet? Über welche Kraft verfügte Kira, dass er den stets so vorsichtigen und perfekten Ermittler hatte töten können? Und gegen diesen Gegner sollten sie nun antreten? Das konnte nicht sein. Das war nicht fair. Wenn nicht einmal L gegen ihn bestehen konnte… wie sollten sie es dann schaffen? Und dann alles so plötzlich. Für Weihnachten hatte Ryuzaki doch noch seinen Besuch angekündigt. Bei seinem letzten Anruf hatte er gesagt, dass er Kira bis zum neuen Jahr gestellt hätte, dass er längst einen Hauptverdächtigen und bald wohl auch Beweise habe. Mello versuchte sich zu erinnern, wann das war. Kurz nach seinem Geburtstag. Am 01. November. Heute war der 26. Vier Tage nach seinem Anruf war er also gestorben. Mello konnte immer noch nicht verstehen, dass er da das letzte Mal seine Stimme gehört hatte. So kurz. Er hatte nicht mit dem gerechnet, was ihn erwartet hatte, als Roger ihn und Near in sein Büro rief. Mello war schon immer ein Rabauke gewesen. Und nicht selten war Near eines seiner auserkorenen Opfer. Near, sein Rivale um seinen Platz in der Zukunft. Near, der doch immer etwas besser war als er. Ganz gleich, wie viel und was Mello tat. Er hatte mit Schelte gerechnet. Mit Zimmerarrest, Putzdienst, Strafarbeiten. Aber nicht damit. Dass etwas nicht so war wie es sein sollte, das war ihm bereits an Rogers Augen aufgefallen. Er wirkte… verletzt. Und dann hatte er die Wahrheit erfahren. Eine Wahrheit, die er jetzt lieber wieder vergessen würde. Mello stand auf. Ihm wurde kalt. Immerhin konnte er nicht ewig in diesem Waldstück bleiben. Er würde… Er würde zurückgehen. Er würde bei der Beerdigung dabei sein. Ryuzaki hätte es sicherlich so gewollt. Es war seine letzte Ehre, seine letzte Heimkehr in das Waisenhaus. Wenn Mello nicht dabei war, dann würde er sicherlich nicht in Frieden ruhen können. Noch einmal wischte sich Mello über die Augen, dann ging er langsam und mit schmerzenden Gelenken zurück. „Mello.“ Roger wirkte nicht überrascht. Ganz und gar nicht. Fast so, als habe er gewusst, dass Mello zurückkommen würde. Immerhin ging es um L. L, der einzige Mensch, der stets an Mello geglaubt hatte. „Sag nichts, Roger…“ – „Eigentlich wollte ich sehr viel sagen…“ Mello blickte auf, sah wieder in dieses faltige Gesicht, welches er so oft verflucht hatte. „Worüber?“ – „Über L.“ Nein. Er wollte jetzt nichts über ihn hören. Nicht jetzt, wo der Schmerz über seinen Verlust noch so tief saß. „Wolltest du nie wissen, wer er war? ... Ich kenne ihn länger als jeder andere hier. Sogar länger als… als…“ – „…Watari“, beendete Mello den begonnenen Satz. Es war verständlich. Und die einzige Möglichkeit. Wenn L starb, dann starb Watari mit ihm. L und Watari waren immer eine Einheit gewesen. Eine Einheit, die alleine nicht existieren oder agieren konnte. Roger nickte. „Ja.“ – „Danke, aber… Nein. Roger. Ich möchte ihn in meinen Erinnerungen behalten. So, wie ich ihn kenne und … gekannt habe. Ich will nicht, dass neue Informationen das Bild von ihm in mir zerstören.“ “Na komm schon!“ Eine Stimme, die lachte. Und ein hagerer Jugendlicher rannte über den Flur. „Warte…!“ Kleine Füße, die die großen Schritte des deutlich Älteren nicht einholen konnten, so sehr sich Mello auch bemühte. „War-!“ Mello verlor den Halt und stolperte. „Au…“ Augenblicklich blieb L stehen und drehte sich zu dem sechs Jahre alten Jungen um, ehe er zurückkehrte und sich zu ihm beugte. „Komm, ich helfe dir auf.“ – „Nicht wegrennen…“, nuschelte Mello in Ls weißen Pulli, als dieser ihn auf den Arm genommen hatte. „Ich will doch dabei sein, wenn du dein Geschenk auspackst!“ Ein Lächeln stahl sich auf Ls Lippen. Er wusste doch sowieso was er von Mello bekam. Eine Tafel Schokolade. Mello schenkte ihm immer Schokolade. Der Weihnachtsbaum war hoch und reich behängt. Gemeinsam mit Watari brachte Roger die letzten Lichterketten an. „Und? Wie ist er?“, fragte der Waisenhausleiter seinen Gründungspartner und Watari begann zu lächeln. „Genau der, den wir gesucht haben. Er arbeitet gründlich, gewissenhaft und sehr schnell.“ Roger schnaufte erleichtert. Endlich. Nach all den Jahren der erfolglosen Suche hatten sie ‚L’ gefunden. „Was hältst du von den drei Nachfolgern?“ – „Ich kann noch nicht viel zu ihnen sagen. Sie sind noch so klein.“ – „Aber sie haben Potential.“ Watari lachte heiser, dann steckte er die Lichterketten ein. Sofort tauchten etliche, winzigkleine Glühbirnen den großen Aufenthaltsraum in ein weiches Licht. Neben dem festlich gedeckten Tisch saß ein Junge in einem viel zu großen gestreiften Pullover auf dem Boden und tippte immer und immer wieder mit dem Finger auf den Knöpfen eines grauen Game Boy. „Watari… Roger.“ – „Ryuzaki. Mello! Ihr seid pünktlich, wir sind gerade fertig geworden.“ – „Ich will Ryuzaki mein Geschenk geben! Weg da, Near!“ Mello, kaum von L heruntergelassen, sprang über den am Boden liegenden Weißhaarigen, der bis eben geschlafen hatte. Doch als ihn Mellos Fuß streifte, blinzelte er und setzte sich leicht auf. Mit einem schmalen Päckchen in den Händen rannte Mello ihn erneut um. „Hier! Pack aus, pack aus!“ Vorsichtig entfernte L das Geschenkband und die unzähligen Klebestreifen. „Hab ich selbst eingepackt“, grinste der Blondschopf neben ihm stolz. Nicht, dass er das L hätte sagen müssen. Near verließ Mellos Rennbahn zwischen Tannenbaum und L und ließ sich neben Matt nieder, der ihn nicht weiter beachtete. L grinste. Wie er erwartet hatte. Es war Schokolade. Mello starrte auf das schmale, sauber eingepackte Päckchen, das in dem Regal in seinem Zimmer lag. „Für Ryuzaki“, stand auf dem Kärtchen am Band. Er wollte es wegräumen. Allein es zu sehen tat weh. Aber er konnte nicht. Reglos blieb er auf dem Bett sitzen und fixierte das bedruckte Papier, das die darin eingewickelte Schokolade vor Blicken bewahrte. „Ryuzaki…“ Mello fühlte sich allein. Um 20.00 Uhr sollte die Beerdigung beginnen. Wenn er im Moment daran dachte, dann wollte er nicht mehr hin. Der Sarg sei zu, hatte Roger ihm versichert, doch Mello wusste nicht ob der das dem alten Herrn glauben sollte. Roger, der immer so stolz auf Ryuzaki gewesen war, würde ihn sicherlich bis zum letzten Augenblick sehen wollen. Nun war Mello doch neugierig was Roger noch über den Schwarzhaarigen gewusst hatte. Aber nun hinzugehen und zu sagen, dass er doch zuhören wollte, diese Blöße würde er sich nicht geben. Mit einem Seufzen zog er das Bein enger an seinen Körper, unmerkend über die Tatsache, dass er Nears Sitzhaltung imitierte und wandte den Blick endlich von dem Päckchen ab. Es war 18.23 Uhr, jedenfalls laut seines Funkweckers auf dem Nachttisch, den er während seiner eiligen Packerei vergessen hatte. Zeit genug. Mello stand auf und ging mit gebeugter Haltung zur Tür. Die Klinke fühlte sich warm an, als er die Hand darauf legte und sie herunter drückte. War es, weil er selbst so kalt war? Im Flur war niemand. Das ganze Gebäude wirkte ruhig, geräuschlos… tot. Mello konnte nicht sagen ob die anderen Kinder im Waisenhaus von dieser Meldung wussten oder ob Roger es ihnen verschwiegen hatte. Im Grunde hatte es sie nicht zu interessieren. Sie waren nicht seine Nachfolger, also ging er sie auch nichts an. Sie hatten nicht das Recht um Ryuzaki zu trauern. Es war nicht abgeschlossen. Das war es nie. Mello öffnete die Tür und betrat Ls ehemaliges Zimmer im Waisenhaus, welches nie geräumt oder an jemand anderen gegeben wurde. Nein, alles war so, wie er es kannte. Das unberührte, frisch bezogene Bett an der Wand, das unaufgeräumte Regal mit persönlichen Dingen, der Kleiderschrank, die schmale Tür, die auf den Balkon führte. Es roch nach ihm. Auch wenn Ryuzaki nie einen besonderen Geruch an sich gehabt hatte. Einfach nur… Seife. Und Waschmittel. Ab und an nach der Süßspeise, die er gerade gegessen hatte. Und doch… Der Blonde ließ sich auf das Bett fallen und sah sich um, strich mit den Händen über die Bettdecke unter sich. Wie häufig hatte er sich hier versteckt… “Uhm… Mello…?“ L rieb sich noch im Halbschlaf die Augen. Etwas hatte ihn geweckt. Etwas, das sich eiligst an seinen Bauch drückte und merklich zitterte. Etwas Blondes. „Mello. Was ist denn?“ Vorsichtig hob der junge Mann die Bettdecke und sah auf den Zehnjährigen herab, der sich am ganzen Leib bebend an seinem Körper festkrallte und nicht so wirkte, als wolle er ihn irgendwann wieder loslassen. Er schluchzte. „Mello… Hey.“ Ein wenig hilflos strich L dem Kleineren über den Kopf, bis Mello endlich losließ und sich aufsetzte. „E… Entschuldige“, keuchte er und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. „Ich… Ich hab geträumt… Ich… Ryuzaki…!“ Prompt liefen wieder Tränen über die Wangen des Jungen. „Ist doch gut… Ich bin doch da.“ L schloss die Arme um seinen Nachfolger und zog ihn auf seinen Schoß. Die Uhr hinter ihm zeigte, dass es bereits nach 4.00 Uhr nachts war. Aber das war egal. Mello war wichtiger. „Erzählst du mir was du geträumt hast?“ Endlich schien sich der Kleinere zu beruhigen. „Ja… Ich… Ich hab geträumt, du wärst…du wärst…“ Mello schluckte schwer und holte Luft. „Ich wäre…?“, hakte L vorsichtig nach, doch der Blonde schüttelte heftig den Kopf. Die Erinnerung an den Traum war wieder da. Mello rannte. Irgendwohin. Wo er war, das wusste er nicht. Aber Ryuzaki war bei ihm. Er lief neben ihm her. Zu irgendeinem Ziel. Wohin? Das war gleichgültig, solange Ryuzaki bei ihm war. Mello war sich sicher, mit ihm an seiner Seite konnte er alles Mögliche erreichen. Alles. Er wollte ihn anlächeln, ihm zeigen wie froh er über seine Anwesenheit war. Doch als er zur Seite blickte, war Ryuzaki verschwunden. Spurlos. „Ryu…zaki?“ Mello stoppte und blickte sich um. Da hinten. Lag er da? Aber da war noch mehr. Etwas Rotes. Blut…? „Du wärst… tot…“, beendete Mello mit einem Wimmern seinen Satz. „Unsinn…“ L strich ihm durch die blonden Strähnen. „Ich lasse dich nicht allein. Das weißt du doch. Das habe ich dir versprochen.“ „Lügner…“, stieß Mello leise aus und strich weiter über das Laken. „Lügner…! Du hast mich doch alleine gelassen! LÜGNER!“ – „Mello!“ Roger stand in der Tür. „Komm raus da, Mello. Es ist nicht gut, wenn du in den Erinnerungen an ihn ertrinkst.“ – „Wie spät ist es…?“ – „Es ist gleich soweit… Komm bitte.“ Mello merkte nicht einmal, dass er aufstand und das Zimmer verließ. Aber er registrierte, dass Roger die Tür abschloss. Zum allerersten Mal schloss sich diese Tür endgültig. Sonst war sie immer offen gewesen. Immer. Ein Sarg. Ein weißer Sarg. Mellos Blick fiel ein letztes Mal auf die bleichen, schneeweißen Züge. Es sah aus, als würde er lächeln. Als würde er… nur schlafen. Mello wollte ihn berühren, wollte über seine Wange streicheln. Aber er ahnte, dass seine Haut eiskalt sein musste. „Er sieht friedlich aus…“, hörte er Roger neben sich sagen. Die Hände des alten Mannes ruhten am Sargdeckel. ‚Das tun Tote immer’, wollte Mello einwerfen, aber er ließ es und fixierte stattdessen weiterhin Ryuzakis Züge. „Kann ich ihn schließen…? Ich möchte nicht, dass Near ihn so sieht.“ Eine Sonderbehandlung für Near. Der Schmerz saß zu tief, als dass Mello wütend werden konnte. „Ja…“ Das Bild hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Und er bereute, dass er in die Leichenhalle gekommen war, bevor der Sarg nicht zu gewesen war. Zu dem lächelnden Ryuzaki in seinen Erinnerungen gesellte sich nun das Antlitz seiner Person in diesem gottverdammten Sarg. Er war tot. Nur Near und Matt saßen auf den viel zu unbequemen Stühlen in der kleinen Halle. Es war befremdlich die beiden in schwarzer Kleidung zu sehen. Besonders Near. Das war das letzte, was Mello bemerkte, bevor er seinen Blick wieder auf den Sarg lenkte, der so nackt und kahl in dem Raum stand. Keine Kerzen, keine Blumen. Niemand außer ihnen, die sich seiner erinnerten. Das war schmerzlich. „Ich könnte so vieles über ihn sagen“, begann Roger seine verunsicherte Totenrede und seine Stimme zitterte. „Aber ich glaube, jedes Wort wäre das Falsche.“ Mello biss sich wieder auf die Lippen. Hätte er ihn nicht eben noch selbst gesehen, er hätte nicht geglaubt, dass die Person, die er stets so bewundert hatte, nun in diesem Sarg ruhte. „Er war… großartig. Mehr als das. Er hat sehr viel erreicht, von dem euch das meiste noch bevorsteht.“ Nur, weil sein Herz nicht mehr schlug? Das war nicht fair. War der Kira-Fall wirklich zu viel für ihn? „Sein Tod ist für uns alle bedauerlich… und schmerzlich. Ihr verliert einen Lehrer – ich…“ Kira lief da draußen noch frei herum. Und er, Ryuzaki, war tot. Nur wegen diesem Mörder. Nur wegen… „…ein Kind.“ Er würde Kira stellen. Das würde er sicherlich. Ob als nächster ‚L’, ob mit oder ohne Near. Aber er würde. Das stand fest. Ryuzakis Tod sollte nicht ungesühnt bleiben, wenn man ihn schon vergessen würde. „Ich hoffe, ihr führt sein Werk mit Stolz weiter. Er war zwar der Erste, aber er wird nicht der Letzte sein.“ Roger war nun mit der Suche nach ihren Nachfolgern betraut. Eine endlose Liste an Menschen, die isoliert lebten und einsam starben. Nur eine Generation würde sich an die Person hinter dem Buchstaben ‚L’ erinnern. Danach gerieten diese wunderbaren Menschen in Vergessenheit. Mello war sich sicher, er würde niemandem von Ryuzaki erzählen wollen oder können. Wenn er starb, dann starben seine Erinnerungen an den ersten ‚L’ mit ihm. Für die Menschheit, das Volk, die Öffentlichkeit würde es ‚L’ jedoch immer geben. Das waren das Schicksal und die Aufgabe der Nachfolger. Den Schein zu wahren. Roger blickte auf den Sarg. Seine Fingerspitzen fühlten sich taub an. Die drei Nachfolger, wie sie hier vor ihm saßen, würden seinen Schmerz nicht verstehen können. Er hatte bereits seine beiden Töchter zu Grabe tragen müssen. Dann seinen jahrelangen Freund und Partner. Und nun… seinen eigenen Enkel. Aber er durfte sich jetzt nicht in der Trauer verlieren. Da gab es immer noch Personen, die ihn brauchten. Roger blickte auf die vorderste Reihe. Mello weinte lautlos. Die Tränen liefen einfach über seine Wangen, verfingen sich in den blonden Haarspitzen, tropften auf seine schwarze Hose. Er hatte L stets bewundert und zu ihm aufgesehen. Von allen dreien hatte er mit ihm die engste Verbindung und war auch immer der, den L am Telefon als erstes verlangt hatte. Roger würde ihn verlieren, da war er sich sicher. Und mit ihm würde auch Matt dem Waisenhaus bald den Rücken kehren. Somit spezialisierte sich die weiterfolgende Ausbildung auf Near. Near, der nun auf dem Stuhl saß und sich nicht regte. Er sah nicht einmal auf. Sein Blick hing starr und fixiert auf dem Boden. Roger konnte nicht einmal sagen ob der Junge überhaupt trauerte oder ob ihn der Tod Ls kalt ließ. Und Matt… Matt zog immer wieder schniefend die Nase hoch. Sein Game Boy war ausgeschaltet. Die Beisetzung war eine Woche später. Nun wussten es alle. Jeder einzelne im Waisenhaus. Doch niemand verstand wirklich den Kern dieser Aussage. Niemanden beschäftigte es nach wie vor so wie Mello. Seit der Trauerfeier hatte er kaum noch ein Auge zugemacht. Heute würde er das Waisenhaus endgültig verlassen. Je länger er hier blieb, desto schwerer fiel es ihm zu leben. „Möge er endlich seinen Frieden finden“, murmelte Roger kaum hörbar, als der schneeweiße Sarg von einigen der älteren Waisenhausinsassen in das ausgehobene Grab gesenkt wurde. Mello sagte nichts. Jetzt würde Ryuzaki da unten langsam verwesen, bis nur noch Knochen von diesem Menschen, in dessen Nähe Mello so häufig war, übrig blieben. Noch immer klang seine Stimme in Mellos Ohren. Seine Stimme bei diesem letzten Telefonat. “Ja. Natürlich, mit der gleichen Fluganbindung wie immer.“ Er lachte, wenn auch nur kurz. „Freust du dich?“ – „Das fragst du noch? Natürlich! Bleibst du denn dann länger…?“ – „Ich denke schon.“ L drehte am anderen Ende der Leitung das Telefonkabel zwischen seinen Fingern. „Jetzt, wo der Fall gelöst ist, kann ich mir auch länger Zeit für euch nehmen. Watari hat sicherlich nichts dagegen.“ Watari, der hinter ihm auf dem Bürostuhl saß und die Aufnahmen der Überwachungskameras in dem hohen Wolkenkratzer beobachtete, nickte. „Das ist toll!“, rief Mello begeistert. Sonst war L höchstens zwei Tage im Waisenhaus gewesen. Wenn er jetzt länger blieb, dann konnte er endlich mehr mit dem Älteren unternehmen. Und vielleicht würde sich L dann eines Tages für ihn entscheiden, anstatt für Near. „Ach ja… Alles Gute nachträglich! Wie alt bist du denn geworden?“ – „Alt. Steinalt.“ – „Jetzt sag schon!“ Wieder dieses Lachen. „25 ist er jetzt“, rief Watari von hinten und erntete einen finsteren Blick von seinem Schützling. „Du bist ja fast so alt wie Roger.“ – „Das habe ich jetzt überhört. Gibst du mir gleich Near?“ – „Sicher. Er sitzt zu meinen Füßen, aber Roger sagt, ich darf ihn nicht treten. Ryuzaki?“ – „Ja?“ – „Ich freue mich auf dich…“ „Asche zu Asche. Staub zu Staub.“ Es prasselte leise, als trockene Kieserde und Kohlenasche auf den Sarg fielen und ihn verschmutzten. Mello starrte in das tiefe Loch. Das war es also. Das war das Ende einer Legende. Er wollte es Roger, Near und Matt nicht gleich tun und den Sarg noch weiter verdrecken. Er hatte etwas anderes. Wieder leicht zitternd streckte er die Hand aus und ließ die eingepackte Schokolade fallen. Sie blieb auf dem unteren Drittel des Sarges liegen. „Für Weihnachten…“, murmelte Mello, dann wandte er sich endgültig ab. „Hey… HEY, warte!“ Matt packte Mello an der Schulter und riss ihn zurück. „Du gehst echt?“ – „Ja… Ich kann hier einfach nicht mehr. Es geht nicht. Ich ertrage weder Near, noch Roger, noch- …“ Matt neigte den Kopf zur Seite, als Mello ihn so anfuhr. „Na, doch. Dich ertrag ich grad noch.“ – „Denkst du, das ist der Weg, den er gewollt hätte?“ – „Wer?“ – „L.“ Mello seufzte und setzte seine Tasche ab. „Hör mal… Near folgt nun Ls Weg. Ich muss selbst sehen, was ich nun mache. Aber ich weiß eins… Ich finde heraus, wer Kira ist. Ich kriege heraus, wie er Ryuzaki umgebracht hat. Und dann… werde ich Ryuzaki rächen. Das schulde ich ihm einfach.“ – „Schon klar.“ Matt senkte den Game Boy, den er in der Hand hielt. „Ey… Matt?“ – „Hm?“ – „Tust du mir einen Gefallen?“ – „Sicher.“ Hinter ihnen im Waisenhaus ging das Licht an. „Besuch sein Grab für mich, ja? Sag ihm… sag ihm, dass es mir leid tut. Und bring ihm an Weihnachten Schokolade.“ Roger hatte Mellos Abwesenheit bemerkt. „Klar. Mach ich, Mello.“ Matt hob die Hand zu einem kurzen Gruß, fast so, als würde er glauben, es wäre kein Abschied für immer. Noch ein letztes Mal blickte Mello zurück. Dann drehte er sich um und rannte los. Als Roger am Tor ankam, war Mello schon außer Sichtweite. Schnaufend stützte sich der ältere Mann auf seinen Knien ab, während Matt wie gebannt auf das Display seines Game Boy starrte. „Wo- … Wo ist er hin?“ Matt hielt es nicht für nötig aufzusehen. „Keine Ahnung“, antwortete er leise. „Geht seinen Weg.“ – „Er ist noch ein Kind…!“ – „Nein.“ Bestimmt schüttelte Matt den Kopf und sah auf. „Nein, ist er nicht.“ Super Mario starb auf dem Game Boy einen qualvollen Tod und die leise Musik des Game Over war zu hören. „Er ist jetzt ‚L’.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)