Raftel (1) von sakemaki (When Spirits Are Calling My Name ...) ================================================================================ 50 - Vielleicht, vielleicht ... ------------------------------- Schon als der neue Morgen graute, war die Crew wieder auf den Beinen und versammelte sich rund um das Sofa am Steuerrad. Kivi hatte alle aus den Betten geschmissen. Nun sah er auf den bunt gewürfelten Haufen Schlaftrunkener und Hellwacher zugleich vor sich und schmunzelte. Eine wirklich ungewöhnliche Truppe voller komplizierter Charaktere mit eigenem Background. Ein Team von einzigartigen Individuen, wie man sie kaum ein zweites Mal in irgendeiner anderen Gruppierung finden würde. Großartig! Der blaue Prismenträger freute sich über soviel Freundschaft und Verschworenheit in kriegerischen Zeiten wie diese, wo Unruhen und alte Weltordnungen nun gerade zerbrachen. Langsam musterte er jeden einzelnen ohne denjenigen dabei direkt anzusehen. Ein Stoßgebet gen Himmel schickend, wünschte er im Stillen der Crew, dass sie nicht noch einmal auseinanderbrechen würde. Dann war es Zeit für einen Abschied und für allerletzte Tipps. Auf sein Anraten sollten sie nur langsame Fahrt machen. Das Unsterbliche würde auf der verfluchten Insel weilen. Da sollte man nie weglaufen, denn das errege dessen Aufmerksamkeit. Bei ein bis zwei Knoten Fahrt würden sie zwar gute drei Wochen brauchen, aber sie kämen ungeschoren und ungesehen davon. Luffy wollte protestieren. Trotz seines Steckbriefes fühlte er sich als freier Mensch, der gehen konnte, wann immer und wie immer er wollte. Da müsste er sich nun wirklich nicht an irgendwelche Regeln halten. Trotzig stand er in seiner Lieblingsdemonstrationspose an Deck: Mit den Füßen standhaft leicht auseinander, die Arme verschränkt und die Mundwinkel nach unten. Chopper protestierte ebenfalls, denn er war überhaupt nicht damit einverstanden, dass der Gummijunge seine Atemmaske abgenommen hatte, um Krawall zu schlagen. Als Arzt könnte er so etwas nicht zulassen. Sie müsste noch mindestens für ein paar Tage getragen werden, wenn von der Gasvergiftung keine bleibenden Schäden zurückbleiben sollten. Das laute Zankgerede brachte sowohl Luffy, als auch Chopper außer Atmen, so dass sie japsend zusammensackten. Somit war das Thema erst einmal erledigt. Kivi ignorierte alle Einwände des aufsässigen Strohhutjunges und dann verschwand der Fledermausköpfige einfach vor aller Augen. Eben noch vollkommen sichtbar und in der nächsten Sekunde verblasst und weg. Die Crew war wieder allein und unter sich. Wie gesagt, so getan. Nami berechnete den Kurs, stellte dann aber fest, dass dieses nicht notwendig wäre. Die Sunny trieb problemlos mittig in der Kanalströmung wie ein Bummelzug auf Schienen dahin. Schnell war die Insel hinter ihnen im Nebel eingetaucht und vom Horizont verschluckt.. Nur leicht erahnte man die Kanalbegrenzungen zu beiden Seiten der Sunny. Es passte nur ein Schiff in die eine Richtung auf den Kanal und sie rätselten, wie man wohl dem Gegenverkehr ausweichen könnte. Vermutlich hatte man damals immer nur Konvois hin und her geschickt. Das wäre denkbar. Sonst war da nichts mehr als Nebelwände und pechschwarzes Wasser zäh wie ein Ölteppich. Es war nasskalt an Deck. Der kalte Dunst benetzte Haut, Haar und Schiff. Ohne eine warme Jacke trat niemand vor die Tür. Geräusche waren aufgesogen. Nicht mal ein Plätschern war zu hören. „Wie lebendig begraben“, kommentierte Sanji eines morgens beim Abwasch die Lage, als er aus dem Fenster blickte. Dann zog er wieder an der Zigarette und wusch den nächsten Teller ab. Es gab nichts weiter zu tun für die Mannschaft, als das Schiff auf Vordermann zu bringen und dann irgendeiner Beschäftigung gegen die Langeweile nachzugehen. Irgendwann war jedes Besatzungsmitglied in einem Winkel ihres Piratenschiffes verschwunden, kramte und werkelte vor sich her oder verdingte sich sonst einem mehr oder weniger sinnvollem Hobby. Besonders Luffy tat sich nach seiner Genesung schwer mit dem Zeitvertreib und ging allen gehörig auf die Nerven. Auch Brooks Geübe wurde mit der Zeit eine Zerreißprobe für die Nerven, obwohl es ja gar nicht mal schlecht klang. Wenigstens ließ das harte Holz da Adamsbaumes keinen Laut aus dem Schiffsbauch nach oben dringen. Dort unten hämmerte Franky etwas zusammen und der Rhythmus der Schläge auf dem Amboss wollte nicht so recht zu dem Takt der Geigenmusik passen. So vergingen die ersten Tage. Nur geprägt vom Hell des Tages und vom Dunkel der Nacht. Tashigi hatte es sich zur Gewohnheit werden lassen, ihr Aufzeichnungen oben in der Bibliothek zu erledigen. Zumeist herrschte hier eine angenehme Ruhe. Nami war beim Kartieren hochkonzentriert und Robin verlor sich beim Lesen in ihre Bücher. Nur gelegentlich sprachen sie über Belangloses, lachten und lästerten über die kuriosen Verhaltensmuster der Jungs. Nur ab und zu unterbrach das Türklappern die ausgeglichene Atmosphäre, wenn Sanji eine kulinarische Leckerei anschleppte oder einer der Piraten den Weg hoch ins Badezimmer aufsuchte. Heute saß Tashigi allein im Zimmer und starrte gedankenverloren durch das Fenster in die dicken Schwaden. „Was für’n dicke Suppe“, sprach sie laut zu sich selbst. Das Wetter drückte auf ihr Gemüt und die vielen neuen Dinge in ihrem Verstand taten ihr übriges dazu. Nachdenklich kaute sie auf dem Ende ihres Bleistiftes herum wie schon die letzten Tage. Es war nun schon Bleistift Nummer Fünf, der zwischen ihren Zähnen nachgab und splitterte. Chopper hatte er prophezeit, dass eines Tages sich ein Stück vom Stiftholz lösen und sich in ihrem Hals verfangen würde. Dann würde sie hilflos ersticken. Bei dem Gedanken an das kleine Rentier mit den besorgten Kulleraugen musste sie auflachen. Ach ja, Chopper. Er war stets so liebenswürdig bemüht um alle, aber trotzdem nahm man oft seine ärztlichen Ratschläge nicht an. Das müsste doch manchmal echt frustrierend für ihn sein. Zum Glück ging es ihm gesundheitlich wieder gut. Gerade erst neulich hatte er sich wieder wild mit Zoro gestritten, dass der ein oder andere Verband doch noch etwas auf den Verletzungen bleiben müsste. Für Zoro hingegen gab es absolut keinen Grund, einen Verband länger als einen Tag zu tragen. Und wieder war der kleine Arzt als Verlierer vom Platz gezogen. Auch wenn Chopper eine Gleichgültigkeit vorspielte, traf es ihn manchmal sehr in seinem kleinen Rentierherzen. Seine Anerkennung und Ehre als Mediziner waren dahin. Dann verzog er sich stillschweigend in seine Praxis und rührte in Medizintöpfen längst gerührte Salben an oder zählte zum tausendsten Male seine Pflanzensamen, die er von Yurenda bekommen hatte. Er wusste immer noch nicht, was er damit anstellen sollte oder was überhaupt aus den Samen jemals sprießen würde. Jedoch traute er sich auch nicht, einen von diesen Saatkörner wissenschaftlich zu sezieren. Die Anzahl der Körner würde sich ändern und vielleicht hätte es einen Sinn, dass es genau 625 wären. Aber das war nur rein spekulativ. Tashigi seufzte. Sie wusste um die Sturheit ihres Freundes. Da würde es auch nichts bringen, ihn einmal auf Choppers gutgemeinte Hilfe anzusprechen. Immerhin verstanden sich die beiden eigentlich ganz gut. Vielleicht könnte sie das Thema ja um ein paar Ecken entlang beginnen. Aber nein. Zoro könnte so was sofort erspüren und Lunte riechen. Etwas erspüren ... Ihr Laune änderte sich zum Schlechten. Vielleicht würde der blöde Kerl auch mal merken, dass sie sich sehr vernachlässigt fühlte seit ihrer Abfahrt von Lysø. Bis auf ein Hallo und kurze Sätze war da nichts weiter gewesen. Man musste ja nicht Händchenhalten durch die gegen rennen. Das lag ihr selbst nicht. Aber ein bisschen mehr Aufmerksamkeit wäre doch sicherlich nicht zuviel verlangt. Ein Anflug von Wut über diese Behandlung stieg in ihr auf, denn er hatte seit der Weiterfahrt nichts anderes gemacht, als Fressen, Pennen oder Trainieren. Sie kam in seinem Tagesablauf derzeit nicht eine Sekunde vor. Aber hinterher rennen wollte sie ihm auf keinen Fall. Das fehlte noch! Ihre Wut wuchs, doch es fiel ihr erst auf, als das Papier auf ihrem Tisch einriss. Unbewusst hatte sie mit ihrem geborstenen Bleistift darauf rumgekritzelt und war dann mit der Mine abgerutscht. Sie zerknüddelte das bekritzelte Blatt Papier und warf es achtlos in den Papierkorb. Sich selbst zur Ordnung und Disziplin ermahnend, nahm sie sich ein neues Blatt vor. Aus den kurzen Stichworten und Aufzeichnungen für ihren Freund erwuchs allmählich ein dicker Sammelordner. Mittlerweile schrieb sie auch nicht mehr in losen Stichpunkten alles nieder, sondern war ganz von allein in eine Tagebuchform übergegangen. Es tat ihr gut, sich in stillen Minuten alles von der Seele zu schreiben, was sie belastete und nicht so recht im Moment mit irgendjemanden teilen konnte. Auf dem Fensterbrett am ihrem Arbeitsplatz hatte sie einen Karton gelagert, der von den anderen respektiert wurde, indem niemand hineinsah oder ihn gar anrührte. Alles, was sie bisher geschrieben und gesammelt hatte, lag im Innersten tief verborgen und behütet. Ihr neuster Schatz waren das Bild aus der Kamera und ein ungeöffneter Kuvert von Zoro. Ob sie den wohl mal aufmachen sollte? Wie sollte sie den sonst in ihre Sammlung einordnen? Sie betrachtete das Bild. Ihr Freund saß dort auf dem Sofa. Leicht vorn übergebeugt, die Unterarme auf den Knien ruhend. Azarni strich ihm über den Rücken und sah verheult aus. Als Tashigi in dieser Nacht diese Szene fotografiert hatte, war sie eifersüchtig gewesen. Nun nicht mehr. Wie hätte sie auch wissen können, dass sich hier Mutter und Sohn ein kurzes Lebewohl sagten? Sie hatten sich beide zuvor noch nicht einmal in ihrem Leben gesehen. Das Schicksal zog manchmal grausame Kreise. Das Foto war eigentlich gut gelungen, obwohl es ein so trauriges Motiv hatte. Sie legte Zoros einzige wahre Familienerinnerung wieder in den Karton zurück und riss nun doch seinen Brief auf, den er bei dem Gemälde gefunden hatte. Es hatte eine schlimme Geschichte erzählt und diese hatte er ihr wiederum weiter erzählt. Obwohl es unfassbar war, erschütterte sie der Inhalt des Kuverts nicht. Als hätte sie es geahnt, war ein amtliche Dokument darin versteckt. Und so war es noch einmal Schwarz auf Weiß auf Zoros Geburtsurkunde zu lesen, dass Azarni ihn tatsächlich geboren hatte: Am 11. November 1503 in der Nähe von Shimotsuki-Mura, Redline. Vielleicht hing Zoros Verhalten damit zusammen. Vielleicht, vielleicht ... Kurz dachte sie nach und begann wieder einmal, ihr Tagebuch weiter zu schreiben: „Überwasserkanal Lysø – Namida City, den 15. Januar 1523 Die Überfahrt ist total öde. Nichts als Nebel weit und breit. Seit Tagen hat sich weder Seegang, Luftdruck, noch Temperatur verändert. Hoffentlich erreichen wir bald Namida City, die Stadt der Tränen. Das soll wohl eine Nachtinsel mit Dauerregen und blühendem Leben sein, aber trotzdem wäre dort endlich mal wieder Normalität los. Zumindest hoffe ich das. Aber erst müssen wir laut Seekarte durch das „Meer der verdrängten Träume“ segeln. Kein Plan, warum es so heißt. Aber es hat garantiert etwas zu bedeuten, sonst hätte es diesen Namen ja nicht bekommen. Logisch. Einerseits nervt es mich tierisch mit der Eintönigkeit an Bord, anderseits habe ich endlich mal alles in meiner Kiste ordnen können und da haben sich wirklich so mache Fragen gelöst. Dafür habe ich aber auch wieder Neue gefunden. Wie hält Robin so was in ihrem Beruf nur aus? Sie macht ja auch nichts anderes den ganzen Tag lang, als ständig neuen Fragen nachzujagen und jede gelöste Frage ist eine neue Ungelöste. Ist doch unbefriedigend. Ich frage sie einfach mal. Tja, was weiß ich denn nun so alles? Erstmal zu der Insel, wo wir waren. Ich bleibe einfach bei der zeitlichen Reihenfolge, sonst komme ich wieder durcheinander, so wie neulich. Mir fällt sowieso immer das meiste noch zwischendurch ein und dann ist es eh wieder Chaos. Mein Schreibstil ist beschissen. Das war er schon immer. Ständig nur Halbsätze, Wortwiederholungen und der Inhalt kreuz und quer. „Genauso kreuz und quer wie in deinem Kopf, Tashigi“, hatte mein Ausbilder in der Kadettenschule immer gesagt und behauptet, ich könnte es niemals in die Offizierslaufbahn schaffen. Egal, nun aber zurück. Also, die Insel hatte ein schlimmes Unglück mit dem Kohlenbrand dort Untertage, worauf die Weltregierung die Insel von den Karten gelöscht hat, damit dort niemand hingelangen könnte. Das wäre ja auch viel zu gefährlich wegen der Umweltverseuchung. Aber die Insel hat seitdem etwas besonderes. Ein böser Fluch hat sie Parallelwelten belegt. Das hat Kivi vor seiner Abreise beim Tee erzählt. So was hatte ich zuvor noch nie gehört und konnte mir darunter auch gar nichts vorstellen. Es funktioniert ganz leicht: Je länger man dort ist, desto mehr landet man in seiner eigenen persönlichen Welt. Man kommt da auch nicht mehr raus. Jagt man diesen Trugbildern nach, ist man rettungslos verloren. Die Welten spielen sich wie Alpträume im eigenen Kopf ab. Man sieht selbst Dinge und Erinnerungen, die ein anderer nicht unbedingt sehen kann. Jeder wird mit einer Sache aus seinem eigenen Leben konfrontiert, was noch nicht abgeschlossen und geklärt ist. Es sind alles nur Illusionen, die einen an den Rand des Wahnsinns treiben. Daher ist diese Insel auch als Verbannungsort so beliebt. Entweder erstickt man an den Gasen oder man wird wegen den Halluzinationen in den Suizid getrieben. Zoro hat erzählt, er wäre durch ein riesiges Haus gegangen. Na, so wie er das erzählt hat, würde ich eher wohl behaupten: Verirrt. Dort hat er Räume gesehen, die eigentlich nicht in dem Haus drin sein dürften, sondern ganz woanders in der Welt. Später hat er Sanji aufgegabelt und ist mit ihm durch eine Galerie gelatscht, wo ein Gemälde auf einem Dachboden versteckt war. Da hat er den Brief gefunden. Ich habe reingeschaut. Es war seine Geburtsurkunde drin. Ich würde ja zu gern wissen, wer den Wisch dahin gehängt hatte. Wieder so eine ungeklärte Frage. Vielleicht gibt es nicht immer eine Antwort. Das ist irgendwie blöde. Ach, die Parallelwelt war sicher daran schuld. Das klingt doch nach einem guten Grund. Das Bild dort oben hat aber die Wahrheit gezeigt. Azarni war eine Tempelpriesterin in einem kleinen unbekannten Tempel auf der nördlichen Redline. Sie war fleißig, beliebt, hübsch und hilfsbereit. In ihrem Dorf genoss sie hohes Ansehen. Jedoch verliebte sie sich in einen Umherreisenden. In dem Tempel hatte sie sich dann immer heimlich mit ihrer großen Liebe getroffen, die sich erst später als Dämon entpuppte. Kurzum: Azarni musste Dorf und Tempel schwanger verlassen, da man ihr vorwarf, ihre Aufgaben als Priesterin verletzt zu haben. Zu diesem Zeitpunkt taucht nun die schwarze Dame namens Yurenda auf. Sie verschleppte die Hochschwangere, um das Kind bei sich selbst zu behalten. Durch den Stress jedoch erlitt Azarni eine Frühgeburt und Zoro kam dann halt auf der Durchreise in irgendeinem Hotelzimmer Nummer 529 zur Welt. Die Mutter verblutete elendig bei der Geburt, konnte aber mit der Prismenträgerin den Deal abschließen, an deren Seite weiterzuleben, um nur noch einmal später ihr Kind sehen zu können. Das war der Schwur. Warum nun aber unbedingt Zoro das Objekt der Begierde war, ist unklar. Auch Yurendas wahren Absichten sind mir immer noch schleierhaft. Sie war jedenfalls über diese Gesamtentwicklung stinksauer und zoffte sich mit dem plötzlich auftauchendem Kindsvater, der nun ebenso auf Anspruch auf seinen Sohn haben wollte. Ein Halbdämon wie Zoro könne weder unter Menschen, noch unter Dämonen leben. Schon gar nicht mit derart grünen Haaren, wie es nur die Kalikinder hätten. Es endete damit, dass sich erwartungsgemäß die schwarze Dame durchsetzte. Sie versiegelte Zoros Kräfte mit einem Bann, damit ihn niemand finden würde und setzte ihn bei Roronoas vor der Haustür ab. Dumm nur, dass sich Zoros Kräfte immer dann entfalten, wenn er mit seiner wahren Vergangenheit konfrontiert wird, wie damals, als er in Yurendas Umkreis in Kosa trifft. Da bricht der Bann irgendwie auf. Eine Tatsache, wohl nicht bekannt war. Vielleicht ist das des Rätsels Lösung, weshalb er ihren Kräften auf der Insel Paroli bieten konnte. Es muss also einen Zusammenhang zwischen den Kräften der Kalikinder und den Kräften der Prismen geben, wenn sie sich gegenseitig stand halten können. Jedenfalls haben sich Roronoas zwar sehr über den Zuwachs, den sie dann Zoro nannten, gefreut, waren selbst aber nur verarmte Bauern. Missernten häuften sich und so wurde das Durchfüttern eines weiteren hungrigen Mauls schwierig. Auch begann das Dorf über ein grünhaariges Kind zu reden und zu spotten, welches schon im Kleinkindalter kräftiger war, als alle anderen Gleichaltrigen. Bei meinem Besuch in Shimotsuki-Mura meinte mein Vater damals zu mir, dass die Roronoas nur schweren Herzens ihre Einwilligung gaben, dass Zoro bei ihm im Dojo bleiben könnte. Wie es dann weiterging, wissen wir ja. Eigentlich haben Zoro und ich eine Gemeinsamkeit: Wir sind beide bei Zieheltern aufgewachsen. Bleibt trotzdem die Frage: Warum der ganze Aufwand, den Tod einer Mutter in Kauf zu nehmen und ein Kind zu verstecken? Nur um One Piece zu finden? Nein, zweifelsohne steckt da mehr dahinter. Ich weiß, dass es da auf der Insel eine mehr als aggressive Auseinadersetzung zwischen Yurenda und Zoro gab. Aber dazu wollte er sich nicht äußern. Noch nicht. Da hab ich ihm gesagt, dass sich so aber nichts aufschreiben könnte. Das hatte ihn aber nicht interessiert. Ich frage mich manchmal, ob ihn eben überhaupt was interessiert. Vielleicht sollte es mir auch alles egal sein, wen ihm alles egal ist. Warum schreibe ich hier eigentlich alles auf? Wir schippern planlos durch die Gegend, wissen nicht genau, wo wir sind und was wir machen müssen. Wir wissen ja noch nicht mal, wo wir so eine Kerze vom Kerzenmacher finden oder was das überhaupt sein soll. Vielleicht unterscheidet das die Marine von den Piraten. Piraten ziehen einfach über die Meere von Abenteuer zu Abenteuer. Zwar suchen sie One Piece, aber wie lange es dauert, scheint egal zu sein. Vielleicht ist der Weg das Ziel und nicht das Ziel selbst? Vielleicht, vielleicht... Ich benutze dieses Wort „vielleicht“ in der letzten Zeit sehr oft. Viel zu oft. Vielleicht ist so ein unbestimmtes und zeitloses Wort. Vielleicht passiert etwas. Vielleicht auch nicht. Aber im Grunde ist es egal.“ Sie machte eine Pause mit dem Schreiben und las noch einmal das eben Verfasste zur Fehlerkontrolle durch. Ein Außenstehender würde bei so einem Text sicherlich urteilen, eine Verrückte hätte ihn geschrieben und es wäre Zeit für die Klapsmühle. Sie tröstete sich damit, dass sie es besser wusste und blickte durch das Fenster. Nichts hatte sich dort draußen verändert. Mal zogen die Nebenschwaden dicker, dann wieder dünner über das Schiff. Würde man unten vor dem Bug nicht eine kleine Welle erahnen können, so hätte man auch behaupten können, sie hätten sich seit Tagen nicht mehr von der Stelle bewegt. Den Blickwinkel etwas kürzer gerichtet und betrachtete sie ihr Spiegelbild in der Glasscheibe. Die Narbe über ihre Wange bis hoch zur Schläfe verblasst zusehends. Bald würde nur noch eine feine weiße Linie davon zurückbleiben. Welch dumme Idee hatte sie doch damals gehabt, sich ihr Gesicht zu zerschneiden, weil sie dachte, es würde Probleme lösen. Den Schatten des Schmetterlings an ihrem Hals würde man wohl ewig sehen. Wie eine dunkle Hautverfärbung schimmerte er hauchzart rosa auf ihrem hellen Teint. Da hatte sich nichts verändert. Die Tür wurde aufgestoßen und mit nasskalter Luft zusammen strömte Franky herein, flankiert von einem Werkzeugkasten in der einen und einem langen Plastikschlauch in der anderen Hand. „Ach, hier bist du. Der Rest hockt unten im Aquarienzimmer und versucht mal wieder, eine Runde Karten zu spielen.“ Das Kartenspiel. Das war in den letzten Tagen ein großer Streit gewesen. Usopp hatte die grandiose Idee umgesetzt, dass Skat-Blatt einfach durch ein paar neue Karten Marke Eigenbau zu einem Rommé-Blatt zu erweitern. Jedoch tauchten bei jedem Spielgang einfach immer mal wieder neue Joker auf. Mittlerweile gab es statt der üblichen sechs schon gute fünfzehn Stück davon. Und da sie alle von Usopp selbst gezeichnet waren und jede Joker-Karte wie dem Ei ein anderes glich, konnte sich nun überhaupt nicht erklärt und geklärt werden, wer da nun immer schummelte. Vielleicht würden sie heute mal eine vernünftige Runde zusammenbekommen. „Ja, ich komme da gleich hin. Ich schreibe hier nur noch das Stück fertig“, lächelte Tashigi freudig zurück. „Bin auch gleich da. Aber einer der Idioten ist zu blöde, ein Klo zu benutzen. Es ist verstopft“, beschwerte sich Franky noch, als er bereits schon die Leiter mit Sack und Pack nach oben erklomm. „Na, du kennst doch unsere Pappenheimer!“ lachte sie ihm fröhlich hinterher, um ihn aufzumuntern. So mochte den Cyborg, der sie von Alter und Statur an ihren alten Chef Smoker erinnerte. Die Vaterrolle, die der Qualmer damals noch für sie inne hielt, hatte längst zu Franky gewechselt. Kurzum nahm sie sich ein Herz und kletterte ebenfalls die Treppe hoch. „Kann ich dich was fragen?“ sprach sie ihn zögerlich an. „Aber immer doch, meine Kleine.“ Kam es irgendwo hinter dem Klokasten hervor. „Wenn ich dabei weiterschrauben kann?“ „Klar!“ „Was ist los?“ Sie überlegte. Eigentlich konnte man dem Schiffsbauer nichts vormachen. Also wäre wohl frei heraus die beste Überlegung. „Also, das ist schwer zu erklären. Stell dir vor, du müsstest noch eine Entscheidung abwarten. Von dieser Entscheidung hängt aber nicht nur deine eigene Situation ab, sondern auch noch die von anderen. Würdest du den anderen davon erzählen, auch wenn noch nichts Handfestes vorliegt? Oder wartest du, bis die Entscheidung steht? Verstehst du, was ich meine?“ „Puh“, überlegte Franky, während er sich den kalten Hammer auf die Beule drückte. „Schwer zu sagen. Das hängt mit der Tragweite der Entscheidung zusammen. Und auch, worum es denn überhaupt geht.“ „Aber prinzipiell würdest du auch vorher keine Pferde scheu machen?“ „Nein. Wohl nicht. Hast du irgendetwas vor?“ Er blickte sie an und sah in ihr sehr nachdenkliches Gesicht. Plötzlich hellte sich ihre Miene wieder auf. „Danke, du hast mir sehr geholfen!“ Dann verschwand sie wieder durch die Bodenluke hinunter in die Bibliothek, setzte sich an den Schreibtisch und schrieb noch einige Zeilen darunter. Dann wurde alles sorgfältig in die Kiste gelegt. Sie rief dem verwunderten Nakama noch zu, dass sie schon mal vorgehen würde und weg war sie. Kopfschüttelnd versuchte Franky hinter diese Gesprächszeilen zu blicken, doch ihm fiel im Moment nichts Gescheites ein. Vielleicht später. Unten im Aquarienraum hatte sich schon die ganze Bande versammelt und natürlich ging es wieder einmal um die Joker, welche zu einer langen Spielpause geführt hatten. Die Archäologin ließ ihren Kartensatz von ihren Teufelskräften halten und trank amüsiert eine Tasse Kaffee. Die Navigatorin keifte, dass sie die Vorderseiten der Joker durchnummeriert hätte. Wie könnte denn nun zweimal Joker Nummer drei auftauchen? Usopp war sich keiner Schuld bewusst und schmollte beleidigt. Zoro war längst über den Streit eingeschlafen und saß samt Karten und Katana in eine Ecke und schnarchte vor sich her. Luffy und Chopper verstanden nur Bahnhof, wo denn überhaupt das Problem wäre. Ob man nun sechs oder fünfzehn Joker im Spiel hätte, wäre doch egal. Hauptsache, sie würden endlich überhaupt mal anfangen. Der Smutje hatte längst sein Kartenblatt beiseite gelegt und erst einmal einen Nachschub an Fingerfood organisiert. Die Diskussion könnte ja noch dauern, besonders da Brook versuchte, den Streit zu schlichten. Tashigi gesellte sich zu der streitenden Runde. Der Abend würde noch länger dauern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)