Raftel (1) von sakemaki (When Spirits Are Calling My Name ...) ================================================================================ 30 - Auf zur Grandline! ----------------------- Die Navigatorin der Strohhutpiratenbande hatte sich und die Crew der Thousand Sunny tatsächlich zu diesem besagten Piratennest gelotst. Die Bande war etwas verwundert, dass sie an dem kleinen, verrotteten Anlegesteg kaum noch einen freien Ankerplatz ergattern konnte und erkannte an den Flaggen so einige Möchtegern-Piratenmannschaften. Dann erklommen sie gemeinsam eine endlose Treppe mit schiefen, unregelmäßigen Stufen in der Steilwand nach oben. Eisiger Wind pfiff ihnen um die Ohren. Der Hafenmeister am Fuß der Treppe hatte sich noch lustig gemacht. Man müsse hier keine Hafengebühr zahlen. Er kassiere da lieber die Schiffe der Besatzungen ein, die auf dem Weg nach oben im Eiswind erfroren waren. Da war die Ausbeute definitiv größer. Zudem konnte er auch mitteilen, warum hier ausschließlich Piratenschiffe vor Anker lagen. Die meisten würden hier entweder überwintern oder nur kurz Vorräte fassen, um dann auf der Grandline zu überwintern. Es gäbe auf dem kürzesten Weg zur Grandline gleich eine nette Sommerinsel namens Umeshu-Shima. Wer in den nächsten Tagen noch losfahren würde, könnte noch das große Pflaumenweinfest miterleben. Es wäre das absolute Highlight der Insel, mal abgesehen von Weihnacht und Neujahr. Die Strohhüte bedankten sich für diese knappen Informationen und hatten sich dann an den Aufstieg gemacht. Endlich kamen sie völlig außer Atem oben bei der Treppe an und standen schon mitten im Partytrubel. Menschenmassen drängelten feuchtfröhlich durch die einzige langgezogene Straße dieses kleinen Nestes. Jedes Haus war eine Kneipe, die aus allen Nähten platzen. Essen und Alkoholhaltiges türmten sich zu Bergen auf Tischen auf. Hier war eindeutig gute Stimmung. Verschiedene Musikrichtungen lärmten aus offenen Türen und Fenstern. Leichte Mädels versuchten ihre Kundschaft anzulocken und Trickbetrüger wollten einen schnellen Berri beim Hütchenspiel erhaschen. Zwischen den Häusern in kleinen Gässchen sammelten sich alle, die diesen Fetenmarathon nicht überlebt hatten oder lieber mit seinem Liebchen im Arm allein sein wollte. Durch die große Ansammlung von Menschen und die ausgelassene Feierei vergaß man schnell die Kälte. Die Strohhüte zeigten sich mehr als angenehm überrascht. So was gab es schon lange nicht mehr: eine richtig fette Party! Sie reihten sich in die Besucherströme ein, lugten in verschiedenen Bars und Kneipen, bis ihnen eine Bestimmte zusagte. Es war ein großer Saal mit großen Tischen und gemütlichen Rattanstühlen, in welche man sich so richtig reinlümmeln konnte. Zudem befand der Strohhutkapitän, dass hier das Essen am schnellsten serviert wurde. Das war das Hauptkriterium. Sanji hatte obendrein alle Hände voll zu tun, indem er jedem Schläge androhte, der „seine“ Mädels absichtlich in dem Gedrängel angrabschte oder sie einfach nur zu lange angaffte. Das war bei dem Anblick von weiteren Schönheiten in dem Trubel für ihn wirklich schwierig. In einer Ecke ergatterte die Bande einen großen, runden Tisch. Besser gesagt: Er wurde ihnen freigeräumt, denn mit der sagenumwobenen Strohhutbande wollte sich niemand freiwillig anlegen. Einen Moment später flossen Getränke im Überfluss an ihrem Tisch. Luffy schaufelte sich alles Essbare hinein und Usopp und Franky zog es schon als bald mitten unter die Leute. Chopper folgte ihnen, da der Kanonier ihm wieder irgendeinen Blödsinn und Schabernack versprochen hatte. Sanji war seinen Mädels schon lange untreu und hatte links und rechts je ein süßes, leichtbekleidete Weib im Arm, die in wohl später abservieren würden, wenn sie seine Mittellosigkeit feststellten. Robin nippte an einem Cocktail und tratschte ein wenig mit Nami, die ebenfalls an einem Getränk schlürfte. Das Gespräch war angeheitert sorglos bis zu dem Moment, wo Robin der Navigatorin erzählte, dass Tashigi zu Gast auf der Sunny war. „Was? DIE dumme Marineschnepfe hat in meinem Bett geschlafen? Der Fußboden hätte es ja wohl auch getan!“ schnaubte sie mit hochrotem Kopf. „Und DIE hat mein teueres Badeöl benutzt? Na, DIE soll mir zwischen die Finger kommen!“ Nein, da hört bei Nami der Spaß auf. Wenigstens blieb ihr die Information erspart, dass Zoro in ein und dem selben Badewasser gesessen hatte, denn das wusste die Archäologin bekanntlich auch nicht. Luffy schaute nur verständnislos zu seiner Navigatorin hinüber. Wenn die Marinesoldatin ihn gerettet hatte, dann wäre es doch OK? Aber Nami sah das anders und verpasste dem Gummijungen eine ihrer gefürchteten Kopfnüsse. „Nichts ist OK! Das Zeug war sündhaft teuer und nicht für so eine dumme Gans wie DIE gedacht! Und in meinem Bett lag DIE auch!“ „Na und? Dann schläfst du halt in meinem Bett, wenn deines belegt ist.“ Luffy konnte einem mit seinen Kulleraugen und seiner naiven Ader echt wahnsinnig machen. „Was?!?!?“ kam es nur als Antwort von Nami zurück. Robin zog lächelnd einen weiteren Zug aus ihrem Longdrinkglas. Ja, so eine Stimmung hatte sie vermisst. Es war fast alles wie früher. Heute Abend sollten die Sorgen vergessen sein und so ließen sie es alle zusammen richtig krachen. Zoro? Ach ja, da war doch was! Ach, der würde schon klarkommen. Und so feierten sie ausgelassen. Na, wer solche Freunde hat, der bräuchte wohl keine Feinde. Immer noch in die Decken gehüllt, die Tashigi und Zoro vor dem Fahrtwind auf dem Schneegleiter geschützt hatten, kämpften sie sich ebenfalls ihren Weg durch das Partyvolk. Er folgte seinem Gespür. Seine Freunde konnten nicht mehr fern sein. Ein kleiner Zwischenfall hielt sie jedoch auf. Tashigi konnte in dem Gewühl nicht so recht folgen und verlor den Schwertkämpfer. Ihr wurde mulmig, denn hier waren nur Piraten in der Szene unterwegs und den ein oder anderen hatte sie sicherlich mal auf der Marinewache vernommen. Was würde passieren, wenn sie erkannt würde? Sie sah sich unruhig um und versuchte, ihr Gesicht zu verbergen. Und da geschah es trotzdem so schnell, ehe sie noch ihre Befürchtungen zu Ende gesponnen hatte. „Seht mal da, Männer!“ erklang eine besoffene Stimme, die einem fettwanzigen Piraten mit Mundgeruch gehörte. An dessen Kleidung klebten Essenreste und Erbrochenes. Vermutlich war er schon länger auf dieser Veranstaltung. Darüber hinaus stankt er bestialisch nach Bier. Ebenso alle, die mit in dieser Ecke verkehrten. „Oh, tatsächlich! Ist das nicht die Marinehure, Captain?“ grölte eine weitere Stimme eines ebenso fetten Piraten mit langen, roten Filzhaaren. Tashigi kam Ekel und Übelkeit bei dem Anblick der beiden hoch. „Ja!“ meinte nun wieder der erste fröhlich, der tatsächlich der Anführer sein musste. „Die kleine Schlampe hatte uns doch zusammen mit diesem komischen Qualmertyp hochgenommen, als wir Schiffe gekapert hatten! Ich denke, dafür könnte sie sich mal entschuldigen!“ grölte der Typ weiter, leckte sich über die gelben, faulen Zähne und spielte an seinem entblößten Geschlecht, um seine Absichten zu unterstreichen. Der andere schubste die Prostituierte von seinem Schoß weg, die sich nun missmutig von dannen trollte. Wenn da nun dieses junge Ding an der Reihe war, dann gab es für sie selbst keine Arbeit mehr und auch keinen Verdienst. Der Rest der Mannschaft lachte lauthals darüber, sah man doch Tashigi die Angst aufsteigen. Um keinen Preis wollte sie zwischen diesen schmierigen Kerlen mitten auf dem Tisch flachgelegt werden. Sie wollte nur sofort weg, doch schon hatte sie einer der Kerle am Handgelenk gepackt. Blitzartig zog sie Shigure und hieb zu. Der Schlag ging ins Leere, denn in dem Gedränge hatten sie keine Chance, genug auszuholen und durchzuziehen. Ihr Katana wurde ihr aus der Hand gerissen und fiel irgendwo scheppernd zu Boden. Sie spürte das harte Holz des Tisches in ihrem Rücken und wie die Kerle ihr Hände und Füße festhielten. Da nutzte auch Strampeln nichts, obwohl sie doch so manch einem noch einen kräftigen Tritt verpassen konnte. Dabei kippten Bierkrüge samt Inhalt um, in deren klebrigen Pfützen sie nun lag. Gellend schrie sie um Hilfe, was im Krach der Kneipe unterging, zumal es auch nicht wirklich jemanden interessierte, ihr zu helfen. Mit Marineangehörigen hatte man kein Mitleid. Im Gegenteil: Schnell waren sogar noch einige amüsierte Schaulustige um den Tisch herum getreten. Durch den Biergeruch und die ekligen Kerle wurde ihr schlecht, und sie merkte, dass sich ihr Magen anschickte, das Frühstück von heute morgen postwendend nach oben heraus zu lassen. Sie unterdrückte den bitteren Geschmack von Magensäure in ihrem Mund. In dem Moment, wo Tashigi ihm nicht mehr durch die Massen folgte, hatte Zoro auf dem Absatz kehrt gemacht und kämpfte sich nun mehr prügelnd als schubsend durch die Menge. Dass seine Wunde am Arm wieder aufbrach und heftig blutete, störte ihn nicht im Geringsten. Wo war sie denn nur wieder abgeblieben? Eben war sie doch noch dicht bei ihm gewesen. Er ahnte nichts Gutes und kam gerade rechtzeitig an dem Tisch an, als einer der schmierigen Kerle seiner Bande demonstrieren wollte, wie man ihr seine Zunge möglichst entwürdigend in den Rachen schieben konnte. Doch dazu sollte dieser nicht mehr kommen, da er durch Zoros Faust im Gesicht von der Tischplatte gepfeffert wurde. Sofort erstarrten die Kerle und blickten ungläubig auf den plötzlich auftauchenden Typen mitten auf dem Tisch stehend neben der Marinesoldatin. So etwas freches! Der Typ verstand wohl keinen Spaß? Oder kannte er die Regeln nicht? Der würde was zu hören bekommen! Langsam zog Zoro seine Deckenkapuze vom Kopf und gab seine Tarnung auf. Mit jedem hätten die Umherstehenden wohl gerechnet, aber nicht mit einem Roronoa Zoro, der ein Katana auf den Rädelsführer der Bande gerichtet hatte. Die Schaulustigen machten, dass sie schleunigst Land sahen, was in der überfüllten Kneipe mehr als schwer war. „Roronoa-kun! Deine Anwesenheit ist uns eine Ehre, aber wir haben die Hure zuerst klar gemacht!“ versuchte einer der Piraten eine dreckig grinsende Erklärung abzugeben, was ihm lediglich einen gezielten Fußtritt des Schwertkämpfers ins Gesicht einbrachte, so dass dieser rückwärts samt Stuhl an die Wand krachte und dort stumm liegen blieb. „Eure „Hure“ hat schon ein Date!“ sagte er unterkühlt zu dem Kapitän der Bande und zog Shigure langsam an dessen Halsschlagader entlang. Sie platze auf und das Blut sprudelte im Takt des Herzschlages wie ein Springbrunnen heraus. Entsetzen machte sich über soviel Brutalität breit. Zoro unterdessen versuchte jede Art von entgleisendem Hass über diesen Pöbel zu unterdrücken. Er sah auf Tashigi hinunter, die inzwischen befreit zu seinen Füßen zusammengerollt auf der Tischplatte kauerte. Bier tropfte aus ihren Haaren. Tonlos starrte sie nun mit leerem Blick vor sich her. Sie war wieder aus dieser Welt in ihre eigenes Trauma entflohen. Schlimmer, als zuvor. Der Mopp hatte versucht, dem zerbrechlichen Engel äußerst schändlich und verachtend die Flügel zu stutzen. Das war einfach unverzeihlich und schrie nach einer Strafe. Nie hatte er jemals aus Rache gekämpft, doch heute spürte er diese Wut durch sich hindurchströmen in jeden Winkel und jede Zelle seines Körpers. Bloß nicht die Beherrschung verlieren! Das war noch nie der Weg zum Ziel gewesen. Doch sein Engel lag einfach so da ... Die Meute wurde nun aggressiv und zog ebenfalls Schwerter. Die Stimmung drohte empfindlich zu kippen, bis plötzlich eine laute Stimme den Partykrach durchbrach: „Hey Leute, was ist das denn für ein schändliches Benehmen hier? Eine Dame zwischen Bierflaschen auf dem Tisch? Das geht ja gar nicht! Mensch Zoro, bist’e Stagediving-geil oder warum stehst’e da oben rum? Darf ich bitten, kleine Lady?“ Der Cyborg der Strohhüte gesellte sich an den Tisch und reichte Tashigi die Hand, um ihr aufzuhelfen. Da sie aber keine Regung zeigte, zog der Schiffsbauer sie zu sich, um sie nicht weiter diesen hämischen Blicken umherstehender Passanten auszusetzen. Der Schwertkämpfer riss sich aus seiner Wut zurück in die Realität, grinste und hüpfte locker vom Tisch zurück auf den Fußboden. Franky war doch immer für einen Lacher zu haben. Wäre er nicht genau jetzt aufgetaucht, dann hätte es hier wohl ein Blutbad gegeben. Alle Sicherungen wären ihm durchgeknallt. Er schob das Shigure wieder in die passende Saya zurück, doch Tashigi registrierte gar nichts von allem. Sie starrte einfach durch ihn hindurch, als wäre er aus Glas. Diese Welt um sie herum war so verdammt weit weg. Auch wenn der Meute nun nicht mehr wohl war in ihrer Haut mit zwei Strohhüten an einem Tisch, so fühlten sie sich doch um ihre Frauenbeute betrogen und machten weiterhin Stress. „Ach, ihr nervt echt!“ blubberte der Schiffsbauer und schoss mit seinem Kanonenarm einfach auf die Meute, was zu einem riesigen Loch in der Kneipenwand führte. „Na, frische Nachtluft! Genießt die mal, ihr Abschaumpack!“ Mit diesen Worten und Tashigi unter dem Arm geklemmt, deutete er mit ausgestrecktem Arm in eine Richtung und brüllte zu dem Schwertkämpfer: „Der Rest ist irgendwo dahinten! Ihr seht gewaltig fertig aus!“ Dieser nickte nur bestätigend und brüllte zurück: „Wo ist Chopper? Und die Sunny?“ Franky brüllte eine Erklärung zurück, die Zoro nur halbwegs verstand. Sie drängelten sich gemeinsam in eine Ecke, um sich nicht gleich wieder zu verlieren, und als Chopper auftauchte, zog ihn der Schwertkämpfer einfach am Geweih aus der Masse heraus. Natürlich war der kleine Arzt über das Auftauchen der beiden hocherfreut, aber über den gesundheitlichen Zustand seiner beiden Freunde mehr als schockiert. Sofort ordnete er eine Rückkehr zur Sunny und absolute Ruhe an. Eine Minute später zogen sie zu viert zurück zum Schiff, der Rest würde sie schon nicht vermissen, zumal Franky versprach, Luffy von ihrer Rückkehr zu berichten. Der Rückweg über die zugige Treppe verlief schweigend und auch an Bord wurde nicht viel gesprochen. Während Franky in der Küche nach einem Mitternachtssnack Ausschau hielt, führte der erste Weg die restlichen Drei direkt in Choppers Behandlungszimmer. Erst die Hartnäckigkeit des Rentieres brachte Zoro dazu, sich wenigstens die schlimme Wunde am Arm verbinden zu lassen. Dann stand er mit verschränkten Armen an die Tür zum Essraum gelehnt und sah finster auf Tashigi, die stumm auf der Krankenliege hockte. Sie nahm nicht wahr, dass der kleine Arzt die ganze Zeit besorgt auf sie einredetet, um ihren Zustand erfahren zu können. Langsam verzweifelte das Rentier. Was war denn nur mit ihr los? Zoro hielt es keine Sekunde mehr aus. Er verließ mit lautem Türknall das Sprechzimmer, so dass die Tür böse knarrte und wackelte. Eine rumliegende Kiste versperrte ihm den Weg. Mit voller Wucht trat er gegen sie, dass sie an der nächsten Wand zerbarst. Er dachte über Tashigi nach, wie sie endlich auf dem Wege der Besserung war und nun so eine gequirlte Scheiße! Wegen diesen paar perversen Arschlöchern! Franky lugte mit hochgezogener Augenbraue und etwas verwirrt über dieses befremdliche Verhalten über den Tresen. Der Schwertkämpfer hatte den Cyborg beim Betreten des Raumes nicht beachtet, nun platzierte er sich auf einem der Barhocker und ließ sich von Franky eine Flasche Sake reichen. Nachdem diese in einem Zug geleert war, wurde sie mit der gleichen Wut quer durch die Küche an die gegenüberliegende Wand gepfeffert, wo sie in unzählige Scherben zersplitterte und dann in diesem Zustand auf den Möbeln und dem Fußboden zur Ruhe kam. Danach raufte er sich durch seine kurzen Strubbelhaare und blieb dann mit dem Kopf in den Händen und den Ellenbogen auf dem Tresen ruhig sitzen. „Möchtest du mir vielleicht irgendetwas mitteilen?“ fragte Franky nun recht rhetorisch, fast zynisch, und war sich klar darüber, dass er keine Antwort erhalten würde. Er dachte nach, denn dieses Bild hier hatte er doch vor gut ein paar Wochen schon mal gesehen, als sie nach Loguetown übersetzen. Es war fast wie ein Deja’vu, nur dass beim letzten Mal keine Gegenstände flogen. Der Cyborg beobachtete den Schwertkämpfer und bastelte an einem Puzzle, wo er sich fast zu blöde hielt, es richtig zusammenzusetzen. Doch dann saß auch das letzte Teil und er schalte sich dafür, dass erst jetzt der Groschen bei ihm fiel. Ha, wer hätte das jemals gedacht, dass sich ihr Haus- und Hofeisklotz an Bord jemals verlieben würde? Und da Franky eh jemand war, der gern frei heraus sprach, tat er das auch in diesem Fall: „Es ist schwer, einen geliebten Menschen so leiden zu sehen, oder?“ „Ach, quatsch...“ entgegnete Zoro nur genervt, doch er musste sich eingestehen, dass der Schiffsbauer mit seiner Frage voll ins Schwarze getroffen hatte. Es hatte irgendwann vor fast einem Jahr schleichend angefangen, dass er sie nicht mehr als nervig empfand und sich auch nicht mehr vor ihr versteckte oder gar Reiß aus nahm. Und irgendwann hatte er sich dabei ertappt, dass er überlegte, wo sie wohl gerade stecken würde auf den Weiten der Meere und wie es ihr so gehen würde. Aber mehr Beachtung hatte er dem Ganzen nicht geschenkt. Es hätte auch nicht viel Sinn gemacht. Als sie eines Tages mal wieder auf einer Insel vor Anker lagen, wo auch Smoker mit seinen Einheiten einen Zwischenstopp einlegten, war sie ihm über den Weg gelaufen. Eigentlich hatte sie ihn nicht bemerkt, wie sie da so über den Bazar schlenderte und bei dem ein oder anderen Stand die Waren begutachtete. Zur Abwechslung zu ihrer üblichen Kleidung hatte sie ein einfaches, knielanges Sommerkleid getragen und sah so verdammt süß darin aus. Doch was nutzte es letztendlich? Da sie nur darauf aus war, ihm am liebsten den Kopf abzuschlagen, hätte er nie die Gelegenheit gehabt, ihr jemals etwas derartiges wie Gefühlsduseleien mitzuteilen. Vermutlich hätte sie ihm nur vorgeworfen, dass er sie schon wieder Verschaukeln würde und das alles gar nicht ernst genommen. Wie dem auch wäre, es hätte eh absolut keine Zukunft gehabt. Aber das war ein anderes Thema. Warum weiter darüber nachdenken? Just in diesem Augenblick kam Chopper langsam und ratlos durch die Tür und machte somit eine Fortsetzung des begonnenen Gesprächs unmöglich. Man sah ihm an, dass er mehr als traurig war. Er berichtete, dass sie wohl Untergewicht, eine Unterkühlung und unzählige Blessuren hätte, die allesamt zwar heilbar wären, aber er beklagte auch, dass er ihrer Seele nicht heilen könnte. Sie bräuchte strenge Bettruhe, regelmäßige Mahlzeiten und ihre Medizin. Mehr könnte er derzeitig nicht tun. Man merkte ihm seine Verzweiflung an und wischte sich Tränen aus den Augen. „Weißt du denn nicht, was sie so fühlt? Du kannst doch so was!“ fragte er heulend Zoro. „Mach doch was!“ bettelte er weiter. Der Cyborg wurde hellhörig. Zoro konnte Gefühle anderer fühlen? Das wurde nun interessant. „Was denn? Sie ist weit weg in ihrer eigenen kleinen Welt. Da krieg’ selbst ich nichts raus“ entgegnete dieser ruhig. Er hatte seine Unterarme auf die Knie gestützt und schaute nun etwas von oben herab auf das Rentier im Chibi-Format. „Ich möchte den Teil mit den Gefühlen noch mal erklärt haben“, mischte sich der Schiffsbauer ein und erntete nur ungläubige Blicke von Zoro und Chopper. „Morgen ...“ gab Zoro an. „Na schön, dann gehe ich jetzt los zu unserem Captain und unterrichte ihn von unserer Vollzähligkeit. Kommst du mit, Chopper? Zoro passt sicher prima allein auf die Sunny auf!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, zog der Cyborg das Rentier am Geweih unter großem Protest hinter sich her, grinste den Schwertkämpfer noch einmal aufmuntert an und polterte dann die Treppe hinunter. Zoro hörte Franky noch zu Chopper sagen: „Du schnallst aber auch gar nichts!“ „Was soll ich denn schnallen?“ „Ach, vergiss es!“ „Hey, das ist unfair. Erst Vorwürfe machen und dann keine Argumente haben!“ Und weg waren die beiden auf der Suche nach Luffy und dem feiernden Rest. Es dauerte nicht lange, bis sie diesen vollgefressen mit einem kugelrunden Bauch auf einem Stuhl liegen sahen. Ein Knochen einer Keule hing noch im Mundwinkel. „Hey, wo ward ihr so lange? Wir haben euch vermisst!“ mampfte er mit vollem Mund satt, aber zufrieden. „Wir sind wieder vollzählig! Und nu?“ meldete Franky. Es war ein geschickter Schachzug, Tashigi nicht zu erwähnen. „Ha, das ist super. Wir fahren zur Grandline. Zu dieser coolen Insel mit den Pflaumenaprikosen. Da soll Sommer sein!“ Luffys Freude und Lachen waren gerade zu ansteckend „Auf zur Grandline!“ Alle nickten zustimmend und machten sich viele Getränke später mit dem Anbruch der Morgendämmerung auf den Rückweg zur Thousand Sunny. In der Zwischenzeit hatte sich Zoro doch von seinem Hocker aufgerafft und sich hinüber in den Schlafraum begeben. Irgendwo in den unendlichen tiefen seines nie aufgeräumten Spindes musste doch sicher noch ein Hemd sein, was noch nicht dreckig, zerfetzt oder zerknüddelt war. Zu seiner eigenen Überraschung gab es so was tatsächlich nebst sauberer Unterhose. Als saubere Hose fand er nur eine Kurze, die eigentlich für den Sommer gedacht war, aber mehr wäre wohl auch zuviel des Glückes gewesen. Dann zog er noch ein weiteres Shirt aus dem Schrank, was zwar noch recht ungetragen, aber ihm schon lange zu klein war, weil er durch das Training zuviel Muskelmasse aufgebaut hatte. So bewaffnet stapfte er zurück Richtung Bad. Der Dreck aus der Donnerebene musste so langsam mal runter. Das heiße Wasser prasselte auf seinen Rücken und brannte in den noch nicht so gut verschorften Wunden. Er ertrug den Schmerz. Morgen würde das alles schon wieder anders aussehen. Verheilter. Man kannte es ja. Wieder unten im Speisesaal angekommen, steckte er leise seinen Kopf durch die Tür zu Choppers Zimmer. Sie saß noch immer an Ort und Stelle, wie sie vorhin dort abgesetzt wurde. Lediglich eine warme Decke hatte das Rentier ihr umhängen können. Er war ratlos, was er ihr sagen sollte. Also legte er eine frisches Handtuch und sein Shirt neben sie auf die Krankenliege. „Falls du aus deinen dreckigen Sachen raus willst...“, begann er. „Danke!“ sagte sie leise wie ein Flüstern. Es war das erste Wort, was er seit dem Zwischenfall wieder von ihr vernahm. Tatsächlich stand sie eine ganze Weile später auf und kletterte die Leiter im Speisesaal hinauf zur Dachterrasse, von wo man in die Bibliothek und dann ins Bad gelangte. Zoro wusste nicht, wie lange er dort im Halbdunklen auf dem Sofa im Essensraum gelegen und schlaflos Löcher in die Luft gestarrt hatte. Irgendwann stand sie vor ihm. Nur mit einem Badetuch um die Hüften geworfen und seinem Shirt bekleidet, welches ihr wie ein kurzes Nachthemd herunterhing. Sie sah wirklich sehr dünn aus und war von unzähligen blauen Flecken übersät. Ihre Haut war so blass wie der Schnee von heute Morgen und der Schmetterling an ihrem Hals schimmerte geheimnisvoll Rot. Man sah, dass sie unter der Dusche ihre Haut krebsrot gerubbelt hatte, um die Stellen abzuwaschen, wo sie festgehalten worden war. Es war natürlich ein Irrglaube, dass so etwas ginge, aber Gewaltopfer neigten dazu. Sie nahm eine ebenso rote Gesichtsfarbe an und biss sich verlegen auf ihre schmalen Lippen, bis sie herausrückte: „Darf ich wieder bei dir sein? Ich habe Angst ... so ganz allein ... wenn es dunkel ist...“ Wortlos zog er sie mit sich wieder in Choppers Zimmer zurück, wo sicherlich nicht morgen früh gleich die halbe Mannschaft aufkreuzen würde. Es dauerte nur Minuten, bis sie beide einschliefen. So wie letzte Nacht. Arm in Arm und unter einer warmen, kuscheligen Decke. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)