Liebe wie Gurkensushi von Memphis (YUAL mit BxB-Oneshots!) ================================================================================ Kapitel 36: I wanna taste the way you are ----------------------------------------- “Uh, das ist ja ekelhaft.” Leyla verzog angewidert das Gesicht und sah Nils entsetzt dabei an. “Kommt davon, wenn du ungefragt auf mein Handy schaust.” Nils steckte das Smartphone in die Hosentasche. Sie hatte sowieso schon zu viel gesehen. “Ich konnte ja nicht wissen, dass dir jemand Bilder von … Wunden schickt. Wer tut sowas?” Sie wirkte immer noch entsetzt. “Ein Freund. Er gibt gerne mit seinen Longboard-Verletzungen an.” Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Nils hätte eigentlich erwartet, dass - auch wenn er es nicht wollte - sich der Kontakt nach den Weihnachtsferien wieder verlieren würde. Sie waren nämlich wirklich beide nicht gut im Kontakthalten. Aber es schien zu helfen, dass sie beide den Kontakt wollten. Unverbindlich und ohne Erwartungshaltung. Wenn Nils mal zwei Wochen nicht schrieb, oder er drei oder vier Wochen von Jules nichts hörte, war das auch in Ordnung. “Ugh, Männer sind so ekelhaft.” Leyla schüttelte verständnislos den Kopf. “Sind wir.” Nils konnte sich auf jeden Fall sehr für das Longboarden von Jules begeistern. Er wurde offensichtlich in der Schule nicht mehr verprügelt, was eventuell mit Annette und ihrer großen Beliebtheit zusammenhing, und hatte etwas gefunden, dass ihm Spaß machte. Und dafür sorgte, dass es ihn immer wieder mal auf die Fresse haute. Immerhin war er so nett und dachte dabei an Nils und ließ ihm ab und zu Bilder zu kommen. Ein bisschen bereute Nils es ja, dass sie die Weihnachtsferien tatsächlich absistent geblieben sind - naja, zumindest Nils, er wusste nicht was Jules so getrieben hatte. Aber jetzt war Jules ja nicht mehr aus der Welt. “Was machst du eigentlich den Sommer über?”, fragte Leyla. Sie waren beide auf dem Weg zur Mensa. Sie war seine Lernpartnerin für Neurologie und eine der besten im Kurs. Nils hielt sich gerne an die guten Leute, sie sorgten dafür, dass man selbst höhere Ansprüche an sich stellte. Die Prüfungen im ersten Semester waren zum Glück auch gut gelaufen. “Es geht in die Heimat, denk ich.” Genau hatte Nils das nicht geplant, aber tatsächlich wollte er Jules mal wieder in Person sehen. Er stellte sich vor, wie sich der raue Schorf des Kratzers unter seiner Berührung anfühlte. “Kein Urlaub? Kein Springbreak?” Leyla lachte, warf dabei ihre braunen, glatten Haare nach hinten. Manchmal fragte sich Nils, warum er sich zu so wenigen sexuell hingezogen fühlte. Er konnte sagen, dass sie wirklich schön war, aber es interessierte ihn einfach nicht. “Nicht meine Welt.” Nils zuckte mit den Schultern. Urlaube vielleicht schon, aber keine Partyurlaub. Er hatte noch nicht herausgefunden, was andere an Parties so spannend fand, aber die tranken vermutlich auch lieber und mehr Alkohol als er. “Langweiler.” Sie boxte ihn gegen die Schulter. “Und nicht zu vergessen, ekelhaft”, fügte er hinzu, während er über die schmerzende Stelle rieb. Leyla war sehr taktil. “Ugh … ja. Das Bild wird mich noch in meine Träume verfolgen.” Sie verzog wieder das Gesicht und schüttelte sich angewidert. “Glaub mir, mich auch.” Aus anderen Gründen. Aber das musste Nils ihr ja nicht sagen. Nils versuchte gerade sich auf die Vorlesung zu konzentrieren. Aber es gab Dozenten, die machten einem das nicht so leicht. Es gab schon ein Grund, dass Nils am Ende des Semesters einer der wenigen Studenten war, die überhaupt noch auftauchten. Ein weiterer Nachteil war so leider auch, dass der Dozent mitbekam, wenn er eindöste. Er wusste nicht mal, ob es den Dozenten störte oder er wusste, wie Nils hieß. Aber Nils stellte es sich etwas deprimierend vor, wenn bei ihm jemand einschlafen würde, während er einen Vortrag hielt, deshalb bemühte er sich weiterhin die Augen offen zu halten. Es klappte immer besser, wenn er sich nebenher Notizen machte - auch wenn er schon die Erfahrung gemacht hatte, dass man sich besser an die Skripte und weniger den Vorlesungen orientieren sollte, wenn man gute Noten wollte. Eine SMS von Jules riss ihn aus dem Gedanken. “Be on the look out for things that make you laugh. If you see nothing worth laughing at, pretend you see it, then laugh.” Nils musste grinsen. Er hatte Jules zu Silvester “The Little Book of Calm” geschenkt. Jules hatte den Hinweis verstanden, seit dem schickte er in unregelmäßigen Abständen Nils Zitate aus dem Buch. Im Gegenzug hatte Nils den gehäkelten Regenbogenfischanhänger, der irgendwie schon ziemlich häßlich war und den Jules ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, an seinem Schlüsselbund. Was nützliche Geschenke anging, waren sie also irgendwie quitt. “Hab übrigens mein Abi bestanden, ne 3,3.” Kam noch eine SMS von Jules nach. Nils Grinsen wurde noch breiter. Ehrlich gesagt, tat er sich schwer mit der Vorstellung, dass Jules tatsächlich Arbeit und Bemühungen in etwas wie sein Abitur gesteckt hatte. War vielleicht der gute Einfluss von Annette, die sehr wahrscheinlich mit einem Einser-Schnitt abgeschlossen hatte. Nils war jedenfalls irgendwie stolz auf Jules, dass er es überhaupt geschafft hatte. “Sehr gut!” War Nils knappe Antwort. Für mehr lag zu viel Distanz zwischen ihnen. Jules hasste Komplimente und Nils wollte es genießen, ihn damit aufzuziehen. “Sorg dafür, dass du diesen Sommer keinen Freund hast.” Fügte Nils seiner SMS noch hinzu. Er wusste, dass das mit Johnny schon länger wieder aus war, und den zwei Typen danach auch. Nils hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich ihre Namen zu merken. Jules war kein Kind der Einsamkeit, aber immer noch nicht sonderlich begeistert von dem Konzept Verliebtsein. Nils verstand das. Natürlich mochte er Jules. Er verbrachte gerne Zeit mit ihm, der Sex war definitiv nicht zu verachten, aber auch die kleinen Nachrichten und Fotos zwischen durch, waren eine feine Sache. Aber es tat Nils nicht weh, wenn er Jules nicht sah, oder Jules andere Leute traf. Er hatte einfach nicht das Gefühl, dass sie … verliebt waren. Eigentlich war es wie mit Kilian, oder einem Kommilitonen, nur mit dem Unterschied, dass er sich zu Jules körperlich hingezogen fühlte und naja, zu anderen nicht. Aber Nils war sich sicher, dass es Jules ähnlich ging - zumindest was die Liebe betraf. Das sich Jules zu mehr Leuten körperlich hingezogen fühlte, war offensichtlich. Aber so emotional gesehen schien er Nils sehr ähnlich zu sein. Das war vermutlich auch der Grund, warum sie so gut miteinander klar kamen. Nils war sich nicht sicher, ob mit ihnen einfach etwas nicht stimmte. Immerhin war jeder gerne verliebt, das war was die Welt zusammenhielt - zumindest laut allen anderen. Aber Nils fand auch, solange ihn es nicht störte, war alles in bester Ordnung. Von Jules hörte er aber nach seiner SMS erstmal nichts mehr. Auch nicht weiter schlimm. Wahrscheinlich war er beschäftigt damit, sein Leben nach dem Abitur auf die Reihe zu kriegen. Nils war milde gespannt, was Jules eigentlich vor hatte. Er wusste gar nicht so genau, was Jules gerne machte … außer Sex haben. Aber das war nichts, wofür man studiert haben musste. Und vielleicht auch nicht die beste Berufswahl, wenn man die Gesundheitsrisiken und das gesellschaftliche Stigma bedachte. “Was willst du eigentlich studieren?” Die SMS schickte Nils nach dem er drei Wochen von Jules nichts mehr gehört hatte. Er wollte sich von seinem Lernstoff ablenken und wenn Jules eines war, dann eine gute Ablenkungen - selbst, wenn sie sich nur schrieben. Außerdem interessierte es Nils wirklich. Enttäuschenderweise kam keine Antwort und Nils war dazu gezwungen, weiter zu lernen, da es in der Universitätsbibliothek auch nicht viel Alternativen dazu gab. Vor kurzem hatte er das mit dem Kaffeetrinken auch wieder aufgegeben. Das ihn das ungeduldig und übellaunig machte, war ein deutliches Zeichen gewesen, dass es eine gute Entscheidung gewesen ist, damit aufzuhören. Nur keine leichte. Er hätte jetzt gerne Kaffee. Es war halb neun Abends und er saß immer noch in der Bibliothek. Um neun packte er seine Sachen zusammen. Der Gedanke an Kaffee verfolgte ihn noch, als er sich auf den Heimweg in seine WG machte. Unterwegs lagen drei ganz brauchbare Cafés und einen Starbucks. Am ersten lief er noch zielstrebig vorbei, beim zweiten zögerte er kurz, beim dritten blieb er stehen, zwang sich aber mit einem Seufzen weiter zu gehen. Er war standhaft, er würde einer Sucht nicht nachgeben. Er hatte Willenskraft und es war auch schon viel zu spät für Kaffee. Und so toll schmeckte Kaffee eigentlich auch nicht. Deswegen half jede Menge Karamellsirup mit Sahne auch sehr gut. Verdammter Starbucks. Nils war etwas enttäuscht von sich. Wann war er nur so schwach geworden? Hatte das Studentenleben so einen negativen Einfluss auf ihn? Aber er musste zugeben, dass das viele Lernen auch wirklich schlauchte und man sich dann auch mal was gönnen wollte. Er tröstete sich mit diesem Gedanken, während er seine Karamell-Kaffee-Katastrophe schlürfte. Wenigstens war es nicht mehr weit in die Wohnung. Wenn er Glück hatte, hatte Charlotte gekocht und ihm was übrig gelassen. Als er die Wohnung betrat, konnte er Lachen aus der Küche hören. Das war ein gutes Zeichen. Wenn alle in der Küche waren, gab es da in der Regel was zu essen. Sie hatten zwar eher eine Art ZweckWG, aber Charlotte, Nils und Olga verstanden sich eigentlich ganz gut, deshalb gab es manchmal gemeinsame Abende in der Küche - neben dem Bad, der einzige Raum, den sie sich alle teilten. Im Bad trafen sie sich seltener alle zusammen. Meistens nur, wenn dort mal wieder ein Wasserhahn tropfte oder die Waschmaschine Zicken machte. Das war ein weniger erfreulicher Anlass. “Hallo!”, rief Nils in den Flur, während er seine Schuhe auszog und seine Tasche achtlos in sein Zimmer schmiss. Manchmal war es ganz praktisch, sein Zimmer so nahe an der Wohnungstür zu haben. “Hallo, Nils!”, kam es aus der Küche unisono zurück. Hatten die Mädels Besuch? Das waren doch mehr als zwei Personen gewesen. Die Frage erledigte sich, als er endlich die Küche betrat. Dort saßen Olga und Charlotte auf der kleinen Bank und Jules auf dem Stuhl am Tischende. Alle grinsten ihn breit an. “Oh, hi.” Nils würde lügen, wenn er behaupte wäre, er wäre nicht überrascht über Jules Anwesenheit. Nicht negativ überrascht, aber vielleicht auch nicht positiv? Was wollte Jules hier? “Überraschung!” Jules breitete seine Arme aus und die Mädchen kicherten. Nils ließ sich zu einem Grinsen hinreißen. “Hab mich schon gewundert, warum ich solange nichts von dir gehört habe …”, gab er schließlich zu. Er ging mit seinem halbvollen Starbuck-Becher auf den Tisch zu. Dort standen zwei Töpfe, drei dreckige Teller und Nils knurrte der Magen. Jules, der jetzt direkt vor ihm saß, nahm ihm dem Becher aus der Hand und schlürfte ungefragt aus dem Strohhalm. “Es ist noch was für dich da!”, erklärte Charlotte, hob den Deckel vom großen Topf. Dabei ging ihr Blick aber immer wieder von Nils zu Jules. Olga behielt im Gegenzug nur Jules im Auge. Warum lag soviel Spannung in der Luft? Gerade hatten doch noch alle gelacht … Jetzt hörte man nur das Schlürfen von Jules. “Sehr gut, hatte schon den ganzen Tag darauf gehofft …” Nils lächelte Charlotte an und setzte sich auf den anderen Stuhl. “So … Jules hat erzählt, dass ihr beide Schulfreunde seid?”, fragte Olga schließlich, während sich Nils eine Ladung Spaghetti mit Roter-Linsen-Soße in den Teller schaufelte. Nils sah zu Jules. Schulfreunde? Okay, mit der Geschichte konnte Nils leben. Jules grinste ihn mit einem unschuldigen Ausdruck an. Den Starbucks-Becher hatte er mittlerweile geleert … Schnorrer. “Er war eine Stufe unter mir, aber ja, wir kennen uns aus der Schule.” “Er hat mich dort vor so bescheuerten Mobbern beschützt!”, fügte Jules hinzu, hatte dabei seine Augen weit aufgerissen, als wäre das alles total dramatisch gewesen und würde der Wahrheit entsprechen. Nils war etwas irritiert von der Show, die Jules hier abzog. Aber eigentlich war er generell irritiert von seiner Anwesenheit. Immerhin war Jules 350 km gereist, um ihn … spontan zu besuchen? “Uh, heldenhaft, Nils. Hätte ich dir gar nicht zu getraut.” Charlotte klang etwas spöttisch dabei. Aber sie hatte recht damit. Nils half ihr nämlich nicht mal, wenn es darum ging, Spinnen aus der Wohnung zu tragen. Außerdem log Jules, er hatte nie aktiv dazu beigetragen, dass Sebastian und seine Truppe ihn in Ruhe ließ. Nur ein paar Fäden im Hintergrund gezogen. Er hatte gar nicht gewusst, dass Jules etwas davon mitbekommen hatte. “Oh, in ihm steckt viel mehr, als man denkt. Das erste Mal, als wir uns …” “Jules, bist du nicht müde? Du warst sicher lange unterwegs …”, unterbach Nils ihn. Er hatte eigentlich keine Lust, dass Jules weiter über sie beide erzählte. “Geht eigentlich, hab so einen Fernbus genommen. Wusste gar nicht, dass die so billig sind! Und ich hatte W-Lan. Voll der Wahnsinn!”, ging Jules auf den Themenwechsel ein. Nils entging aber nicht, dass seine Mitbewohnerinnen sie beide genau beobachteten. Was hatte Jules ihnen denn erzählt? Und wie lange war er eigentlich schon hier? “Übernachtest du hier, Jules?”, fragte Olga schließlich. Es ging tatsächlich auf zehn Uhr zu - Nils hatte ja gesagt, es ist eigentlich zu spät für Kaffee. Und zehn war immer eine Zeit, in der man sich langsam mal in seine eigenen Zimmer zurück zog. “Wenn Nils nichts dagegen hat? Ansonsten würde ich mir wahrscheinlich noch eine Jugendherberge oder so suchen.” Jules klang dabei sehr unschuldig. Nils verdrehte nur die Augen … “Natürlich übernachtest du hier, Idiot”, brummte Nils. Das Lernen schlug ihm noch etwas aufs Gemüt, aber eigentlich freute er sich, dass Jules hier war. Er brauchte nur irgendwie einen Moment das zu verarbeiten. Eventuell. Vielleicht freute er sich auch nicht. Er war zu müde, um das wirklich zu entscheiden. “Er kann ruhig bei mir auf dem Sofa schlafen. Du hast ja nur ein schmales Bett”, schlug Charlotte vor. Sie hatte das größte Zimmer von ihnen Dreien und häufig Besuch. Als Kilian ihn mal besucht hatte, hatte er auch bei ihr auf dem Sofa geschlafen. Aber Kilian war auch ein Riese, der passte schon kaum alleine in ein normales Bett. Außerdem hätte er es sicher komisch gefunden, mit Nils in einem Bett zu schlafen - vor allem seit der Sache mit Jules. “Nein, ist schon okay, er kann ruhig bei mir schlafen”, winkte Nils ab, schob sich schließlich eine Gabel von seinem Essen in den Mund. Sein Plan für heute Abend hatte sich auch durch Jules Anwesenheit nicht großartig geändert. Essen, duschen, schlafen. “Bist du sicher? Dein Bett ist echt nicht so groß …”, fragte schließlich Olga. Sie hatte die Stirn gerunzelt. Jules lachte auf. “Hast du immer noch nur so ein schmales Bett? Bei sich zuhause hat er auch nur so ein kleines. Ich kenn niemand, der sowas noch hat!”, ereiferte sich Jules. “Ich hab die alte Matratze mit, die hat damals ein Vermögen gekostet und in so ein großes Bett passt die halt nicht rein …” Warum rechtfertige sich Nils überhaupt? Er seufzte. “Und ihr beide passt nicht in ein kleines Bett”, fügte Charlotte hinzu. Jules lachte wieder, klopfte ihr dann aber auf die Schulter. “Keine Sorge, ist nicht das erste Mal, dass ich mir ein Bett mit Nils teile.” Nils entging der Blickwechsel zwischen Charlotte und Olga nicht. Er stopfte sich nochmal eine Portion Essen in den Mund. “Er kuschelt gerne”, ließ sich Nils schließlich doch zu einem Kommentar hinreißen. Er war nicht der einzige, der … Geschichten erzählen konnte. Olga runzelte ihre Stirn noch mehr. Charlotte wurde rot. “O-Kay. Wenn ihr meint … aber wie gesagt, meine Sofa ist immer eine Option.” Charlotte klang nicht sehr überzeugt von ihrem Plan. “Du bietest wirklich einem wildfremden Kerl einfach so einen Schlafplatz in deinem Zimmer an?”, fragte Jules diesmal doch nach. Er klang ehrlich erstaunt. “Klar, du bist doch ein Freund von Nils … da mach ich mir keine Sorgen.” Charlotte warf Nils ein Lächeln zu. Sie hatte ihn schonmal erklärt, dass sie große Stücke auf ihn hielt und er der beste Mitbewohner war, den sie bisher hatte. Sie machte aktuell ihren Master in sowas wie Soziologie - Nils hat es sich nicht so genau gemerkt - und sie war auch eine angenehmere Mitbewohnerin, als die Leute aus seiner alten WG. Auf jeden Fall freute er sich, dass wohl Jules Besuch nichts daran änderte, dass sie seine Art mochte. Also platonisch. Das war auch einer der Punkte, die Charlotte mochte: Nils Mangel an sexuellen Interesse an ihr. “Ich würde übrigens wirklich gerne schlafen. Hatte einen harten Tag und … ich hab nicht mit Besuch gerechnet.” Nils schob den leeren Teller von sich. Er hoffte, das kam nicht zu unhöflich rüber. Aber eigentlich wollte er mit Jules alleine sein. Sie hatten ernsthaft ein paar Worte zu wechseln. Es beunruhigte ihn irgendwie, dass Jules hier war … auch noch ohne ihm Bescheid zu geben. “Klar, klar, geht schlafen. Wir wollen euch nicht länger aufhalten!” Olga war immer noch rot, als sie das sagte. Jules zwinkerte ihr zu, als er von seinem Platz aufstand. Hätte Nils nicht gewusst, dass Jules so mal gar nicht auf Frauen stand, hätte man denken können, er flirtete mit ihr. “Schlaft gut, ihr Beiden!”, verabschiedete sich Charlotte auch noch. “Ja, ihr auch … Und Danke fürs Essen. Morgen kochen wir.” Nils lächelte noch in die Runde, schob dann aber Jules aus dem Raum in Richtung seines Zimmer, nach dem dieser wieder dazu ansetzte etwas zu sagen. Immerhin war Jules geistesgegenwärtig genug seine Reisesachen aus dem Flur mitzunehmen. Kurz bevor die Zimmertür schloss, konnten sie aber Olga noch hören. “Glaubst du, die sind ein Paar?” Charlottes Antwort bekam Nils nicht mit, aber er konnte sie sich denken. Jules grinste ihn breit an. “Du kannst deine Sachen dahinten hinstellen”, wies Nils seinen Gast an, zeigte in die vage Richtung seines Schreibtisches. Jules stellte fest, dass sein neues Zimmer eigentlich aussah, wie sein altes Zimmer. Nur mit weniger Büchern. Wahrscheinlich war Nils zu faul gewesen, den ganzen schweren Kram umzuziehen. Jules lud seine Reisetasche ab und kramte nach seinem Kulturbeutel. “Wie lange hast du eigentlich vor zu bleiben?”, fragte Nils schließlich, während er seine Schlafklamotten vom Bett fischte. Genau genommen ein karierter Pyjama. Jules kannte niemanden, der Pyjamas trug … oder überhaupt besaß. “Bist du sauer? Weil ich dich geoutet habe?”, Jules wirkte neugierig, und kein bisschen besorgt oder so, als hätte ihm das Leid getan. Warum auch, er war Jules und es entsprach ja auch den Tatsachen. “Nee, nur müde … Prüfungszeit und so. Ich geh jetzt duschen und will dann schlafen.” Er sah aus, als hätte er das bitter nötig. Es wäre schon ein Wunder, wenn ihm nicht schon unter der Dusche die Augen zufallen würden. “Klar, kein Problem … Willst du Gesellschaft?” Jules wackelte mit seinen Augenbrauen, grinste dabei. Nils seufzte nur. “Es reicht schon, dass du in meinem Bett schläfst …” Mit den Worten verließ Nils den Raum. Kurz überlegte Jules, ihm etwas nach zu rufen. Aber das war eventuell gegen die WG-Etikette. Nils hingegen war ganz froh, noch einen Moment für sich zu haben. Er verstand nicht so ganz, was gerade passierte. Es war irgendwie cool, dass Jules hier war, da er seine Gesellschaft mochte. Aber er hatte ein komisches Gefühl, wenn er das ganze im Kontext betrachtete. Jules hatte gerade sein Abi gemacht. Er war auf der Suche nach einem Studienplatz. Er hat Nils einfach überraschend besucht. Nils sollte vernünftig mit ihm darüber reden. Aber erst morgen, heute würde bei dem Gespräch nichts gutes rauskommen. Nicht, dass er irgendwas falsch verstand, oder falsch sagte, oder sonst irgendwie etwas verbockte. Oder Jules. Die Chancen standen gut, dass Jules es verbockte. Jules konnte sowas. Nach der Dusche, putzte Nils sich noch kurz die Zähne, um zurück ins Zimmer zu huschen. Olga und Charlotte gingen in der Regel deutlich später als er ins Bett, also hatte Jules auch noch Zeit, sich bettfertig zu machen. “Die blauen Handtücher sind meine, du kannst dir einfach welche ausm Schrank nehmen. Duschgel ist egal. Ich glaube, Olga nimmt eh immer meines”, das letzte murmelte Nils in sein Kopfkissen, da er sich bäuchlings aufs Bett geworfen hatte. Er wollte noch die kurze Zeit auskosten, die er allein damit hatte. Vielleicht hätte er Charlottes Angebot doch wahrnehmen sollen, also das Jules bei ihr auf der Couch schlief. Nils hasste es in fremden Betten zu schlafen. “Alter, du bist echt fertig.” Mit einem Schmunzeln schüttelte Jules den Kopf und verließ das Zimmer Richtung Badezimmer. Nils bekam erst wieder mit, dass Jules zurück war, als er einen Ellenbogen in die Seite gerammt bekam und kurz darauf sich etwas naßes, kaltes gegen seinen Rücken drückte. Jules frisch gewaschene, ungeföhnte Lockenmähne. Igitt. Nils bekam noch einen Tritt gegen seine Waden, bevor er sich seinem Schicksal ergab, sich zu Jules drehte und ihn von hinten umarmte. Er war nicht so der Typ zum Kuscheln, aber es war fast unmöglich anders in so einem schmalen Bett zu schlafen. “Nils?”, fragte Jules schließlich in die Stille, während er versuchte eine bequeme Position in Nils Armen zu finden. Nicht so einfach, wie man denken konnte. Kuscheln wollte immerhin gelernt sein … “Hn?”, kam die etwas desinteressierte Reaktion. Mit Jules im Arm war es zwar fast etwas zu warm, aber nicht mehr ganz so unbequem. “Weißt du, dass sich Annette und Kilian getrennt haben?”, setzte Jules die Unterhaltung fort. Er hatte aufgehört, sich hin und her zu drehen und blieb nun ganz ruhig liegen. “Ja”, nuschelte Nils in Jules Haare. Deshalb hatte Kilian ihn auch besucht. Er war ein weinerliches Häufchen Elend gewesen und Nils war sich nicht sicher, ob der Besuch ihm sonderlich geholfen hatte. Er war nicht so gut im Trösten. “Annette hat jemand neues kennen gelernt an ihrer Uni”, führte Jules trotzdem näher aus. Nils hatte seine Hand fast direkt über Jules Herzen. Er nahm in seinem Halbschlaf nur vage wahr, dass es schneller schlug, als er erwartet hätte. “Hast du jemand neues kennen gelernt?”, fragte er schließlich. “Viel zu viele”, brummte Nils nur. Studieren bedeutete soviele neue Leute, auf die man sich einlassen musste. Bei denen man herausfinden musste, wie sie tickten, und auch, ob sie überhaupt eine Bereicherung für sein Leben waren. Seine alten Mitbewohner waren zwar nett gewesen, aber für Nils viel zu anstrengend. Gott, war er froh gewesen, als er hörte, dass bei Charlotte in der WG etwas frei geworden war. Menschen … Er spürte noch, wie sich Jules etwas enger an ihn drückte, bevor er endlich einmal einschlafen konnte. Die Nacht war trotzdem nicht sonderlich erholsam. Jules war ja bekannt dafür, dass er sich gerne viel im Bett bewegte … und normal schätzte das Nils auch, aber er tat das eben auch im Schlaf. Ständigt drehte und wälzte er sich herum. Und jedes einzelne Mal wachte Nils davon aus. Er fragte sich, wie sie das letztes Jahr gemacht haben, aber ihm fiel irgendwann ein, dass Jules noch nie bei ihm übernachtet hatte. Klar, nach dem Sex war er ab und an mit ihm im Bett eingeschlafen. Aber so richtig übernachtet hatte er nicht. Warum hatte er eigentlich gedacht, dass er so schon so häufig bei ihm geschlafen hatte? Er hätte dem Sofa-Angebot wirklich zu stimmen sollen. Irgendwann war er wahrscheinlich in einen Art Erschöpfungsdämmerkoma verfallen - anders konnte er das nicht beschreiben. Jedenfalls schaffte es Jules ihn auch daraus zu wecken. Diesmal aber deutlich bewusster. Er war nämlich wach und rüttelte an Nils Schulter. Missmutig öffnete dieser seine Augen und bedachte seinen schlafraubenden Gast mit einem bösen Blick. “Hey, Mann. Deine Mitbewohnerinnen sind gerade aus der Wohnung.” Und das breite Grinsen von Jules konnte man nur als obszön beschreiben. Nils seufzte. Sein Rücken war kalt - weil Jules im die Decke geklaut hatte - sein rechter Arm war taub - weil Jules die halbe Nacht darauf gelegen hatte - und trotzdem fühlte sich dieses Grinsen und was es versprach wie eine Entschädigung an. Da sich Jules aufgesetzt hatte, um Nils besser wecken zu können, hatte dieser nun freien Blick auf seinen Oberkörper. Und dem lila-blauen Bluterguss direkt unter seinen Rippen. Inklusive einer kleinen Aufschürfung. Nils konnte nicht anders, er musste einfach darüber fahren. Diese zerkratzte unebene Haut. Viel besser, als auf dem Foto. “Freak.” Jules grinste, als er das sagte. Nils erwiderte es mit einem Lächeln, bevor er den Anderen für einen Kuss zu sich zog. Im Hinterkopf war da noch etwas mit einer Vorlesung heute vormittag und ein Treffen seiner Lerngruppe im Laufe des Tages, aber das musste Nils ja nicht den Morgen versauen. Deshalb drückte er Jules jetzt ziemlich zielstrebig auf das Bett zurück. Als Nils nach der Dusche in die Küche ging, um sich ein Glas Milch zu gönnen, saß da Olga am Esstisch. Sie wurde rot, als er den Raum betrat. Vielleicht weil er nur Boxershorts trug, allerdings kannte sie den Anblick schon. Er schaute auf die Uhr. Es war halb elf - seine Vormittagsvorlesung würde er nicht mehr schaffen. “Du bist ja doch hier”, stellte Nils schließlich fest. Er war etwas … überrascht. Olgas Ohren glühten. “Uhm, ja, meine Vorlesung ist … äh … ausgefallen, deshalb bin ich … zurück … gekommen.” Sie wurde immer leiser, während sie sprach. Nils seufzte. “Du hast uns gehört, oder?” Es war offensichtlich. Jules war auch schwer zu überhören … “Ich hab nicht gelauscht! Aber … also … ich meine … ihr seid nicht gerade … leise?” Olga brach ab. Sie war ja noch mehr außer Fassung als Kilian damals, aber gut, der hatte sie auch nicht beim Sex gehört. “Tut mir leid. Jules meinte, ihr seid nicht mehr da. Hätte ich das gewusst, hätte ich Rücksicht auf dich genommen.” Nils hatte das Gefühl, er schuldete ihr eine Entschludigung. Sie wirkte so aufgelöst. Ob sie ein Problem damit hatte, dass er mit einem Kerl schlief? “Nein, oh Gott! Nein, sorry, ich … war ja auch wirklich weg! Und du hast ihn ja solange nicht gesehen! Da ist das doch total normal. Würde ich meinen Freund monatelang nicht sehen, wäre ich da genauso!” Sie redete immer schneller und lauter und wedelte dabei mit ihren Händen. Ihr war es so wichtig, dass er wusste, dass sie seine Situation verstand. “Jules ist nicht mein Freund. Also nicht mein fester. Wie gesagt, ich hätte Rücksicht genommen, hätte ich gewusst, dass du da bist”, stellte Nils aber klar. Er wollte nicht, dass sie den falschen Eindruck von ihm gewann. Ein angenehmes WG-Leben für alle war ihm wirklich wichtig. “Oh”, kam es leise von ihr. Jetzt war sie ganz ruhig. Sie musterte aber Nils ganz genau, als müsste sie nochmal sicher gehen, dass er wirklich er selbst war. Sie schüttelte ziemlich abrupt den Kopf, hatte die Augenbrauen dabei zusammen gezogen. Nils beschloss, dass es jetzt Zeit für die Milch war. Jules war sicher auch bald fertig mit Duschen. “Versteh mich nicht falsch”, fing Olga wieder an zu reden. Nils drehte sich mit der Milch in der Hand wieder zu ihr. Er war gespannt, was jetzt kam. “Ich hab kein Problem mit …. Jules. Euch. Der Situation. Es ist nur so …” Sie verstummte wieder, sah dabei Nils immer noch mit Befremdlichkeit an. “Gestern warst du noch Nils, der sogar zum Semesterende noch in jede seiner Vorlesungen geht. Der überhaupt kein Interesse an irgendeine Form von Sex oder Beziehungen zeigt. Der … immer alles so genau macht. Und heute konnte man euch schon auf der Straße hören, wie ihr …” Olga bekam wieder rote Ohren. Nils lachte. “Als Jules Schuld. Wir haben auch einmal einen Schulverweis bekommen, weil Jules nicht die Klappe halten konnte, als ich ihm auf der Toilette einen runtergeholt habe.” Er verdrehte die Augen, es wirkte aber eher wie ein liebevoller Ausdruck. “Ugh, too much information. Warte, was? Du hast schonmal einen Verweis bekommen?” Sie schüttelte entsetzt den Kopf. Ihr Weltbild war zerschmettert. Wie konnte man sich so in einer Person täuschen? Sie wohnte jetzt mit Nils sicher schon acht Monate zusammen, da kannte man doch jemand. “Jub. Aber wie gesagt, wird nicht wieder vorkommen.” Nils lächelte beruhigend, trank seine Milch leer. “Okay.” Olga klang nicht ganz zufrieden. “Sonst noch irgendwelche Geheimnisse? Dealst du mit Drogen? Hast du schon mal jemand getötet?” “Wer weiß.” Nils zwinkerte ihr zu und Olga lachte, immer noch etwas nervös. “Ich bin dann mal wieder …” Er nickte Richtung Zimmer, hielt aber noch einen Moment inne. “Ach genau, heute kochen wir. Ich hoffe, Spinat-Lasagne ist okay?” “Jub, super. Ich freu mich schon.” Auch wenn es albern wirkte, winkte sie Nils noch zu, als er den Raum verließ. Sie bekam ein mitleidiges Lächeln von ihm. Komisches Gespräch. Seltsame Situation. Perfekte Verabschiedung. “Olga war doch da.” Mit den Worten betrat Nils das Zimmer. Jules lag frisch geduscht und nackt auf dem Bett. Er hatte dabei allerdings die Augen geschlossen und kurz dachte Nils er wäre wieder eingeschlafen. “Hab ich gehört. Sorry. Dachte, sie wäre gegangen”, murmelte Jules stattdessen. Richtig wach sein wollte er aber anscheinend auch nicht. Nils beschloss, dass er sich mal ordentlich anzog und raus finden sollte, wann das Lerntreffen war. Das wollte er auf keinen Fall verpassen. Er hatte da noch ein paar Fragen an Leyla. “Ist sie auch, ist wohl wieder zurück gekommen”, erklärte Nils kurz. Er nahm es Jules nicht übel. Er hatte ja nicht gelogen und sie waren wohl zu beschäftigt gewesen, um zu hören, dass sie wieder gekommen war. “Und? Wie hat sie reagiert?” Jetzt hatte Jules doch die Augen geöffnet, beobachtete Nils dabei, wie er sich sein Hemd zu knöpfte. Er kannte niemanden in seinem Alter, der im Alltag gerne Hemden trug. War wohl etwas, dass er sich fürs Studium angewöhnt hatte. “Passt schon. Wir machen heute Spinat-Lasagne. Ist ihr Lieblingsessen.” Nils lächelte. Er mochte es, wie ihn Jules im Auge behielt. “Du kannst kochen?” Echte Überraschung lag in Jules Stimme. Er war sich sicher, Nils noch nie kochen gesehen zu haben. “Klar. Kennst mich doch.” Er zwinkerte Jules zu. Kurz war Jules irritiert davon. Natürlich kannte er Nils. Sie waren immerhin mittlerweile Freunde, oder sowas in der Art. Trotzdem konnte er sich nicht daran erinnern, jemals etwas gegessen zu haben, was Nils gekocht hatte. Nils war fertig damit sich anzuziehen. Hellblaues Hemd. Graue Jeans. Schwarze gerahmte Brille und die hellen Haare zu einem Seitenscheitel, der ihm irgendwie stand. Jules wusste nicht genau, wann es passiert ist, aber Nils war definitiv über die letzten Monate hin attraktiver geworden. Ob das anderen auch aufgefallen war? Er bemerkte Nils Blick auf sich. Der Ausdruck war ernst. Jules wusste schon, was jetzt kommen würde. Er musste ein Seufzen unterdrücken. “Du sagst mir jetzt aber nicht sowas, dass ich bis heute Abend hier verschwunden sein soll, oder? Ich kann auch echt bei Charlotte im Zimmer schlafen. Sie hat einen netten Eindruck gemacht. Sie hätte da sicher nichts dagegen”, laberte er deshalb darauf los. Er wollte Nils nicht die Gelegenheit geben, es zuerst anzusprechen. Damit hätte er automatisch die Oberhand. Bei was auch immer. “Ich wüsste ja ganz gerne, warum du überhaupt hier bist.” Nils stand mit verschränkten Armen da. Jules fühlte sich nackt liegend auf dem Bett etwas unterlegen. Er setzte sich auf, bevor er antwortete. “Ich hab es bei meiner Mutter nicht mehr ausgehalten. Außerdem dachte ich mir, ich schau mir mal an, wie es hier so ist. Hab gehört, hier gibt es einen guten Studiengang für E-Technik.” “Hm, E-Technik? Ich hab keine Ahnung was man da macht.” Nils lachte. Er machte sich nicht darüber lustig, es wirkte nur so, als wäre er erleichtert mehr über die Situation zu wissen. Dass Jules und seine Mutter einen schwierigen Stand miteinander hatten, hatte Nils mittlerweile auch mitbekommen. Er wusste nicht genau, was das Problem war, aber er wusste, dass es Jules hasste darüber zu reden. Deshalb fragte er nicht. “Ich will mir hier jedenfalls eine Wohnung suchen, oder halt eine WG”, stellte Jules klar. “Du ziehst aber nicht wegen mir hier her?”, fragte Nils. Er musste wissen, woran hier war. Es war nicht so, als hätte er was dagegen, wenn Jules in der Nähe wohnen würde. Aber es machte Dinge vielleicht unnötig kompliziert oder komisch. Die letzten Monate mit losen Kontakt war sehr entspannend gewesen, eigentlich das was Nils wollte. “Ich will nur einfach in eine große Stadt mit einer guten Uni. Außerdem kann es ja nicht schaden, dass ich dich hier schon kenne, oder?” Jules hatte das Kinn herausfordernd vorgeschoben. Wirkte natürlich trotzdem kein Stück einschüchterend. Dafür war er zu sehr Jules. “Und willst du … naja, über uns reden?”, fragte Nils schließlich. Sein Herz schlug schneller bei der Frage. Was ihn überraschte. Er wusste eigentlich ziemlich genau, was Jules von ihnen hielt und auch, was er von ihrer Beziehung hielt. “Hm, weiß nicht.” Mit den Worten stand Jules schließlich auf. Er begonn damit seine Kleidung aus der Sporttasche zu wühlen. Er vermied es dabei bewusst in Nils Richtung zu sehen. “Okay, ich kann dir die Sache von meiner Seite aus erklären”, bot Nils schließlich an. Er wollte dieses Gespräch unbedingt vom Tisch haben, bevor Jules sich dazu entschied, hier zu bleiben. Er bekam nur ein Nicken von dem Anderen. Er hatte ihm aber noch immer den Rücken zu gedreht, während er unnötig Dinge in seiner Sporttasche herumschob. Immerhin trug er mittlerweile eine Boxershorts und eine Hose. Das machte es vielleicht leichter. “Die Chancen stehen ziemlich schlecht, dass ich mich mal zu jemand anders hingezogen fühle, als zu dir. Du brauchst dir da nichts drauf einzubilden, ist halt einfach so. Mir ist es auch ziemlich egal, wenn du mit anderen Leuten was hast. Ich … bin da einfach irgendwie komisch. Mich interessieren die meisten Leute auch einfach nicht. Aber ich bin auch glücklich ohne … naja, Beziehung. Ich denke, das war es von meiner Seite aus.” Nils war sich nicht sicher, ob er alles richtig erklärt hatte und was er genau sagen wollte. Aber er wusste, es würde einfacher mit Jules werden, wenn dieser wusste, dass er sich auf nichts festes einlassen musste. Selbst wenn Nils niemand anders haben würde, als Jules. “Du bist echt komisch”, war Jules erste Reaktion darauf. Er hatte sich zu Nils gedreht, ein verwaschenes T-Shirt in der Hand. “Jub.” Nils zuckte mit den Schultern. Sein Smartphone vibirierte in der Hosentasche. Wahrscheinlich seine Lerngruppe. “Isses okay, wenn wir einfach so weiter machen, wie bisher?”, fragte Jules schließlich. Schob seine Hände in die Hosentasche. Er mochte das mit Nils. Ehrlich. Er war auf die Art seltsam, dass es genau zu Jules passte. Aber Jules wusste noch nicht so ganz, was das für ihn bedeutete. “Klar. Aber erstmal musst du hier eine Wohnung finden. In die WG hier ziehst du nämlich definitiv nicht.” Nils grinste ihn breit an. Er wusste, er hat Jules richtig eingeschätzt. “Hm, wenn du dir ein größeres Bett kaufst?” Jules wackelte mit den Augenbrauen und bekam ein Augenverdrehen als Antwort. Perfekt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)