L'objet dégoûtant von BabYstAr (Kapitel 37 Upload am 04.10.2010 um 21:15 Uhr) ================================================================================ Kapitel 1: Von Bomberjacken und schwarzroten Chucks --------------------------------------------------- -1- Von Bomberjacken und schwarzroten Chucks Müde von diesem anstrengenden, sechsstündigen Tag setzte ich einen Schritt vor den nächsten, ohne überhaupt großartig darauf zu achten, wo ich hinlief. Schließlich kannte ich diesen Weg schon in- und auswendig, lief ihn seit fast 6 Jahren und auch fast immer zur gleichen Uhrzeit hin und zurück. Mittlerweile erschien er mir langweilig, denn es hatte sich in diesen sechseinhalb Jahren nichts an dem grauen Pflaster geändert und auch nicht an den meist kahlen Bäumen darum. Und trotzdem war er jeden Tag nach der Schule etwas Besonderes für mich. Aoi rempelte mich versehentlich von der Seite an, lachte und entschuldigte sich kurz. Aber es war sowieso nicht ernst gemeint, das wusste ich. Es kümmerte mich nicht einmal. „Gomen, Ruki hat sie nicht mehr alle!“, kicherte er. Ich wurde wieder auf ihr Gespräch aufmerksam, dem ich bis jetzt nicht mehr wirklich zugehört hatte, seit wir aus dem Gebäude gegangen waren. Ich war viel zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt gewesen. „Kommst du denn nächste Woche mit?“, fragte Ruki mich hoffnungsvoll und schaute mich bettelnd an. Er wusste, dass ich Partys eigentlich gar nicht mochte und Alkohol so gut wie verabscheute. Ich war einmal in meinem Leben betrunken gewesen und hatte einen Black Out von 3 Stunden an dem Abend. Das hatte definitiv gereicht. „Weiß ich noch nicht“, antwortete ich deshalb nur, „weil ich noch so viel lernen muss und außerdem an Wochenenden immer zu-“ „Red dich nicht wieder raus, Uruha!“, redete mir Aoi einfach dazwischen und seufzte genervt. „Du redest dich fast immer raus und wenn wir mal eine Zustimmung kriegen, sagst du ein paar Tage vorher dann doch wieder ab! Warum kommst du denn nie mit, um mal ein bisschen Spaß zu haben, hm?“ „Ich mag keine Partys und Alkohol und die ganzen Leute da…“, erklärte ich wahrheitsgemäß, „und ich hab bei sowas einfach keinen Spaß! Ich meine, wieso trinkt ihr immer alle so viel auf euren Partys? Das bewirkt nur, dass ihr alle dummes Zeug labert und hinterher mit irgendwelchen Mädchen hinterm Busch verschwindet.“ Ruki schwieg und Aoi prustete einfach los. Wie immer machte er sich wohl über meine naive und sture Art lustig. Ich war nun mal naiv und stur, da konnte ich doch nichts für! „Uruha, merkst du denn nicht, dass wir immer nur dummes Zeug labern? Außerdem hab ich eine Freundin und werde sicher nicht auf der Party mit ihr hinterm Busch verschwinden. Die ist nämlich gar nicht da!“ „Na und?“, antwortete ich nur unbeeindruckt und stellte mich an die Häuserwand neben den Mülleimer an der Bushaltestelle, wo wir nun endlich angekommen waren. „Irgendwann wirst du sowieso angegraben. Das lässt sich gar nicht verhindern.“ „Alkohol musst du doch auch gar nicht trinken“, versuchte Ruki mich nun zu überzeugen, der sich neben mich gestellt und einen Arm um meinen geschlungen, den Kopf auf meine Schulter gelehnt hatte. Aus großen Augen sah er zu mir auf. „Du kannst doch auch einfach nichts trinken und ohne Alkohol Spaß haben! Dazu muss man doch nichts trinken.“ Ich hörte jemanden lachen, dessen Stimme mir bekannt vorkam. Ich wandte meinen Kopf unauffällig nach links und sah ihn mit einem seiner primitiv aussehenden Freunde zusammen auf uns zukommen. Ein paar Meter weiter abseits von uns blieben sie beide stehen und unterhielten sich weiter, er rauchte eine Zigarette zu Ende und drückte sie auf dem Boden mit einem seiner schwarzroten Chucks aus. „Genau, du musst ja nichts trinken“, stimmte Aoi diesem kleinen Anhängsel an meinem Arm zu und nickte anerkennend – scheinbar, weil Ruki so ein tolles Argument dafür gefunden hatte, mich mitzuschleppen. „Ich bleib trotzdem zu Hause.“ Bei meiner schlichten Antwort seufzten sie beide resignierend und Ruki ließ mich los. Sogleich spürte ich einen kleinen Stich in meiner Brust, der mir scheinbar sagen wollte, dass ich sie damit nur wieder verletzt hatte. Typisch ich, was konnte ich denn schon großartig anderes? Dann, als die beiden neben mir endlich wieder in ein Gespräch vertieft waren, wanderte mein Blick erneut unauffällig zur anderen Seite, wo er noch immer an die Mauer gelehnt stand und sein Freund neben ihm. Wieder kam mir die absurde Frage in den Sinn, was ich denn nun von diesem blonden etwas halten sollte. Ein blonder, nicht allzu hoch gewachsener Typ mit einem halben Iro, die restlichen Haare zu Stacheln gegelt und abstehend. Über der Nase trug er ein seltsames Band, das hinter dem Kopf zusammen geknotet war und der Rest des Bandes sanft über seine Schultern nach vorn fiel, sich in den vielen Nieten an seiner Jacke verfing. Die Jacke war rotschwarz gemustert, viele Nieten in unterschiedlichen Längen zierten die Schultern und den Rücken. Obwohl man das nicht wirklich ‚zierten’ nennen konnte, immerhin sahen diese Dinger schon ziemlich spitz aus. Unter der Jacke trug er ein wahrscheinlich ärmelloses Tanktop – schwarz und mit einem Totenkopf darauf. Dazu eine seltsam gelbschwarz gemusterte Hose, die nach unten hin etwas enger wurde und schließlich in hohen, schwarzroten Chucks und einigen Nieten an den Schnürlöchern verschwand. Dann fiel mir auch auf, dass es seine vielen Gürtel und Ketten an der Hose waren, die ständig so auffällig klirrten. Alles in allem ein ziemlich schräger Typ. Ich glaubte zu wissen, dass er Reita hieß und meines Erachtens ein Punk war. Also eine ziemlich komische Type mit Hobbys wie saufen, rauchen, randalieren, sprayen und Party machen. Das genaue Gegenteil von mir. Ich fragte mich, wieso er wohl dieses Band um die Nase trug. Vielleicht mochte er seine Nase nicht? Oder sie war eingefallen? Geschwollen? Verletzt? Was auch immer, dieses Ding stand ihm irgendwie. Wenn ich mir vorstellte, dass ich mir so ein Band über die Nase zog, würde mich wohl jeder erdenkliche in diesem Sonnensystem für völlig bescheuert halten. Aber dieses Band schien sein Markenzeichen zu sein, denn seit ich ihn das erste Mal gesehen hatte, war dieses Band schon immer um seine Nase gebunden. Wie gesagt, komische Type. Aber irgendwie auch eine sympathisch aussehende Type. Sicherlich hielte mich jeder für daneben und wäre der Meinung, ich würde an Geschmacksverkalkung leiden, aber mir gefiel dieser Stil irgendwie. Nur konnte ich diesen leider nicht auf mich übertragen, denn ich war schon mal gar nicht der Typ für solche ‚Hobbys’, wie sie die Punks wahrscheinlich hatten, und außerdem war ich viel zu sehr von der Sorte Schönling, als dass ich mich in eine Bomberjacke werfen und seltsame Bänder um die Nase tragen könnte. Trotzdem faszinierte mich dieser Stil. „Da kommt der Bus“, wurde ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen und spürte einen Ellbogen in der Seite, die sich daraufhin schmerzhaft bemerkbar machte und ich mich nach der Ursache für diesen Schmerz umsah. Seufzend stellte ich fest, dass Ruki schon hinter Aoi in den Bus verschwunden war und schüttelte darüber nur leicht den Kopf. Manchmal waren diese Kinder wirklich … Kinder. Und als ich noch einmal meinen Kopf drehte, setzte mein Herz wohl für einen kurzen Schlag aus, denn unsere Blicke trafen sich zum ersten Mal seit ich ihn gesehen hatte. Seine Augen waren tiefschwarz, doch beim genaueren Hinsehen glaubte ich, einen leichten Blauschimmer zu erkennen. Wahrscheinlich Kontaktlinsen, dachte ich mir im Stillen und schluckte einmal trocken, ehe ich mich dann doch in Bewegung setzte und zur Bustür ging, wartete, bis die restlichen kleinen, nervigen, drängelnden und kreischenden Kinder ausgestiegen waren und stieg dann selbst ein, zeigte kurz meine Busfahrkarte vor und ließ mich in dem Vierersitz neben Ruki und Aoi gegenüber nieder. Ich sah eine mit Nieten besetzte Jacke an mir vorbeirauschen und kurz darauf hörte ich ein dumpfes Geräusch seines Rucksacks, den er achtlos auf den Fensterplatz geworfen hatte und sich nun daneben setzte. Sein Freund setzte sich in den Zweier hinter ihn und schaute einfach nur gelangweilt aus dem Fenster. Etwas beschämt darüber, dass sich unsere Blicke nun schon ein zweites Mal getroffen hatten, schaute ich ebenfalls aus dem Fenster und achtete gar nicht auf das Gespräch, das Aoi und Ruki scheinbar total spannend fanden. Mich langweilten ihre Themen meist, aber dennoch beteiligte ich mich an ihren Unterhaltungen. Schließlich wollten die ‚coolen’ Leute an unserer Schule nicht wirklich etwas von mir wissen – die meisten kannten mich sowieso gar nicht oder wollten mir erst gar nicht begegnen. Schon ein komisches Gefühl von den Leuten, mit denen man in einer Klasse war, abgelehnt zu werden, bloß, weil man vielleicht ein bisschen femininer aussah und bessere Schulnoten hatte. Das regte mich einerseits auf, verletzte mich aber auch auf der anderen Seite. Schließlich musste ich mich eben mit der Mitte zufrieden geben, die ich allerdings doch als sehr sympathisch und oft auch unterhaltsam fand. Ruki hatte immer irgendeinen Spaß parat, mit dem er einen deprimierten Stoffel wie mich aufheitern konnte und Aoi war für sein Alter sehr reif, was bedeutete, dass ich mit ihm über fast alles reden konnte. Aber dass ich dieses Wesen, von dem ich mich irgendwie noch immer beobachtet fühlte, ziemlich interessant fand, das erzählte ich nicht einmal meinem besten Freund Aoi. Irgendwie war es mir dann doch peinlich, wo ich doch derjenige war, der trinkende und nach Alkohol stinkende Menschen nicht leiden konnte, jeder Rangelei selbst unter den Schülern aus der Unterstufe, die um einiges kleiner und schwächer als ich waren, aus dem Weg ging und meinen Müll brav und ordentlich in einen meist sinnlos herumstehenden Mülleimer warf. Diese Dinger wurden sowieso nie genutzt, es lagen Haufen von Müll drum herum – auch auf unserem Schulhof. Dass irgendwelche armseligen Menschen in orangenen Anzügen normalerweise jede Woche dafür sorgten, den Inhalt dieser ebenfalls orangenen Müllgefäße, die auf dem Schulhof rum hingen, zu entsorgen und eine weitere Verpestung der Blumeninseln durch diverse Brotreste oder Mathespicker zu verhindern, interessierte dabei keine Sau. Wieso denn auch, wenn man den Müll doch einfach bequem hinter sich schmeißen und durch die städtische Reinigung entfernen lassen konnte? Ich dachte schon wieder viel zu ökologisch. Peinlich, peinlich! So starrte ich eigentlich die gesamte restliche Fahrt über nur krampfhaft aus dem Fenster und lauschte der Musik aus meinem Mp3-Player, entspannte mich nur wenig, obwohl wir doch nun endlich Wochenende hatten. Nicht mal auf die Fahrt nach Nagoya morgen konnte ich mich freuen, wir gingen immerhin zusammen shoppen und das kam nicht oft vor, wenn man mit Aoi befreundet war. Er hasste Shopping. Ruki und ich liebten es. Da hatten wir gleich die Gelegenheit ergriffen, dass Aoi diese Fahrt selbst vorgeschlagen hatte, um sich ‚nur schnell ein paar neue Schuhe zu kaufen’, weil ihn seine Mutter dazu verdonnert hatte. Meine Mutter musste mich dazu verdonnern, ein bisschen besser auf meine Finanzen zu achten, weil ich mir ständig irgendwas kaufte. Angekommen an meiner Haltestelle stand ich schließlich zusammen mit Aoi auf, um Ruki noch einmal zuzulächeln und ihm noch einen netten Tag zu wünschen, ehe ich meinen Rucksack schulterte und mich auf den Weg zur Tür machte, während der Bus noch fuhr. Und ich betete, dass mich die verhältnismäßig recht hohe Geschwindigkeit und die bevorstehende scharfe Linkskurve nicht daran hinderte, einen halbwegs eleganten Auftritt hinzulegen und ohne zu schwanken zur Bustür zu schweben. Immerhin saß Reita zwei Zweier davor und es würde wohl ein bisschen komisch rüberkommen, wenn ich mich ebenso elegant, wie mein Auftritt nun eigentlich aussehen sollte, auf seinen Schoß packte. Das war Aoi mal bei einem aus der Parallelklasse passiert und wochenlang der Brüller gewesen. An jeder einzelnen Stange festhaltend, die ich finden konnte, ‚stolzierte’ ich richtung Tür und schließlich an Reita vorbei, wobei ich es mir nicht verkneifen konnte, ihn noch einmal anzusehen. Froh darüber, dass ich doch noch aus dem Bus gekommen war, ohne mich entweder auf die Schnauze zu packen oder mich von wuselnden, hysterischen kleinen Kindern umrennen zu lassen, lief ich nun schweigend neben Aoi her und schaute mich gelegentlich in der Straße um, wobei es aber nicht wirklich etwas interessantes zu sehen gab – immerhin ging ich nun auch diese Straße seit mehr als 6 Jahren entlang und in diesem winzigen, für meine Begriffe stinklangweiligen Stadtviertel, wo einem alle paar Meter eine alte Dame mit Stützwägelchen und einer Teppichratte an der Leine entgegenkam, wo kleine Kinder in den Straßen Hockey spielten und man aufpassen musste, dass man den Ball nicht vor die Birne bekam und wo es nicht mal einen vernünftigen Supermarkt gab, hatte sich bis dato nicht wirklich viel verändert. Leider. „Bleibt es bei morgen um elf?“, fragte mich Aoi plötzlich und ich schreckte leicht auf, ließ mir jedoch nichts anmerken. Zur Antwort zuckte ich nur mit den Schultern und nickte dann, während ich meinen Player etwas leiser stellte, damit Aoi nicht dagegen anschreien musste. Bei ihm musste man das nämlich ständig und das konnte auf Dauer schon ziemlich nervig werden. „Gut“, meinte er fast schon erleichtert – sicherlich hatte er wieder mit irgendeiner Ausrede oder Absage gerechnet, aber diesmal nicht! Nein, diesmal würden wir shoppen gehen und da lief Uruha-chan nun mal auf Hochtouren an! „Hast du schon das Ticket gekauft?“ „Sicher“, antwortete ich grinsend und deutete auf meine Tasche auf dem Rücken, „das kuschelt gerade mit den letzten tausend Yen, die ich noch in meiner Spardose hatte. Ich muss morgen noch Geld ziehen, bevor wir in die Stadt fahren.“ „Gut“, meinte er ebenfalls grinsend, „dann sitzen wir ja beide im selben Boot. Ich bin auch pleite. Muss meine Mom gleich erstmal noch nach dem Geld anbetteln, damit ich mir neue Chucks kaufen kann!“ „Du willst dir Chucks kaufen?“, fragte ich nur ungläubig, machte meinen Player nun gänzlich aus und unweigerlich schoss mir ein Bild von einem gewissen Typen mit schwarzroten Chucks in den Kopf. Doch ich versuchte, das aufkommende Grinsen zu unterdrücken und schaute meinen Kumpel weiterhin fragend an. „Hai“, antwortete er und blieb an der schmalen Kreuzung stehen, wo er nun rechts einbiegen musste und ich weiter geradeaus, „und ich werde sie auch in Rukis Lieblingsladen kaufen, damit wir nicht so viele Läden abklappern müssen. Das Geschäft ist sowieso schon viel zu groß und außerdem auch viel zu gut besucht. Ich weiß gar nicht, was die alle an dem Laden finden.“ „Wahrscheinlich dasselbe, wie Ruki!“, lachte ich und umarmte Aoi kurz zum Abschied, ehe er hinter einer großen Hecke verschwand und ich meinen Heimweg ebenfalls fortsetzte. Und versuchte, nicht die ganze Zeit an einen gewissen blonden Typen mit schwarzroten Chucks zu denken … © Kapitel 2: Bahnhof? ------------------- -2- Bahnhof? Die brüllende Hitze an diesem gottverdammten Samstagvormittag war beinahe schon unerträglich – zumindest für jemanden wie mich. Ich hasste die Sonne und ihre Hitze. Davon verlief nur die Schminke und man fing irgendwann zwangsläufig an zu stinken, wenn man keinen anständigen Deodorant hatte. Grausam! Von weitem sah ich schon Aoi am Eingang zur Bahnhofshalle stehen, er hatte sich nicht einmal mehr die Mühe gemacht, sich großartig zu schminken und trug einfach nur ein schwarzes Shirt mit farblich passender Hose. Natürlich war ich nicht minder aufgetakelt aus dem Haus gegangen, als ich es eh schon jeden Morgen war. Ich hatte mir ein pinkes Hemd mit einem weißen Totenkopf darauf angezogen, der eine rosa Blüte im ‚Haar’ trug. Darüber nur eine dünne, weiße Jacke und eine schwarze Jeans. Und natürlich war ich geschminkt und reichlich mit Schmuck behängt. Ich hasste es nun mal, ungestylt aus dem Haus zu gehen. Aoi grinste schon blöd, als er mich kommen sah und kam mir auf den letzten paar Metern etwas entgegen, um mich zur Begrüßung zu umarmen. „Ohayo! Ist Ruki noch nicht da?“, fragte ich verwundert und schaute mich kurz um. Sonst war der kleine doch auch immer überpünktlich und meist sogar noch zu früh. Seltsam, dass er gerade heute, wo wir unseren Zug in zehn Minuten kriegen mussten, zu spät kam. „Natürlich bin ich da!“, vernahm ich plötzlich eine Stimme hinter mir und ich drehte mich schmunzelnd um, schaute in das Gesicht meines zu klein geratenen Kumpels und mein Blick fiel schließlich auf den Kaffee in seiner Hand. „Ich hab nur verschlafen und musste mir noch eben einen Kaffee holen. War gestern wohl doch noch zu lang am PC“, erklärte er. Noch immer schmunzelnd schüttelte ich meinen Kopf und machte mich dann zusammen mit den beiden auf den Weg zu unserem Gleis. Recht zügig liefen wir durch die riesige Bahnhofshalle, ich beobachtete die Menschen, die mir entgegen kamen und ein paar Schaufenster, in denen teilweise die nutzlosesten Sachen standen. „Wie viel hat denn eigentlich das Fünferticket jetzt gekostet?“, fragte mich Ruki schließlich, als wir an einer Gruppe ziemlich seltsam aussehender Gestalten vorbeigingen. Einer von ihnen trug sogar einen langen, schwarzen Stoffmantel bis zum Boden und mit einem weißen Schriftzug auf dem Rücken und ich fragte mich, ob dieser Typ nicht wohl schon längst geschmolzen war und der Mantel nur noch von seinem eigenen Dreck aufrecht gehalten wurde. Kannte der auch sowas wie eine Waschmaschine? „Achthundert Yen für jeden“, antwortete ich matt, „aber wenn du noch immer kein Geld hast, brauchst du mir das jetzt noch nicht wiederzugeben. Ich hab auch vorhin erst Geld gezogen.“ Für einen Moment lang glaubte ich, unter diesen Gestalten, an denen wir nun vorbeigelaufen waren, ein bekanntes Gesicht zu sehen, aber ich hatte mich wohl doch eher verguckt. Ja, ganz sicher. „Na dann ist ja gut“, grinste Ruki und wir bogen die Treppe zum vierten Gleis nach oben ein, wo unser Zug bereits stand und wir nur noch einsteigen brauchten, um endlich ins Shoppingparadies namens Nagoya zu gelangen. Herrlich! „Wie viel Geld hast du denn mit?“, fragte mich Aoi, als er sich neben Ruki auf den Sitz schmiss und mir gegenüber saß. „Ich hab mir noch 10.000 Yen gezogen, als ich vorhin bei der Bank war. Ist zwar nicht viel, aber man bekommt schon einiges dafür“, grinste ich, „besonders in dem tollen Laden, den du am Ende der Fußgängerzone gefunden hast, Ruki!“ „Der ist toll!“, strahlte der Zwerg mir gegenüber und grinste breit. „Letztens hatten sie auch Klamotten für Punks und Visus! Ich hatte schon überlegt, ob ich mir nicht so ein Oberteil kaufen soll…“ Irgendwie eine seltsame Vorstellung, Ruki in solchen Klamotten. Immerhin waren sie bunt, ausgefallen und meistens auch noch sehr freizügig. Aber ich konnte nicht leugnen, dass sie auch mir gefielen. Nur hätte ich mich wahrscheinlich nie getraut, selber so rum zu laufen. Immerhin war ich doch der Streber, der keinen Stil hatte und für jeden einfach nur präsent war, also nicht von großer Bedeutung. Man sah mich nicht, man übersah mich eher. Aber war ich nicht bis jetzt ganz gut damit zurechtgekommen? „Ich hatte überlegt, ob ich mir nicht lila Strähnen in die schwarzen Haare machen soll“, warf Aoi schlicht ein und kramte in seinem Rucksack, holte eine Flasche Wasser hervor und trank einen Schluck. Und wäre es Ruki gewesen, der jetzt getrunken hätte, hätte ich wahrscheinlich die volle Ladung auf meine Hosenbeine bekommen. Nette Vorstellung, immerhin bedeutete das Abkühlung. Aber Ruki lachte plötzlich einfach los und ich schaute Aoi wohl nur ziemlich seltsam an, denn dieser reagierte gleich patzig und beleidigt – natürlich nur gespielt, wie immer. „Warum lacht ihr denn jetzt?“, fragte er mürrisch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich finde die Idee gar nicht so schlecht! Oder ist das so schwer vorstellbar?“ Na ja, wenn man bedachte, dass Aoi eigentlich so gut wie immer nur schwarze Sachen und selten – nicht mal im Sommer – irgendwas buntes trug, war das schon eine seltsame Vorstellung. Aber sicherlich würde man sich an alles gewöhnen, wie ich mich auch an Rukis seltsame Art und Aois nicht gerade seltene Beklopptheit gewöhnt hatte. Mittlerweile war er ja sowas wie mein bester Freund geworden und da war ich auch dankbar für. Wenn ich so an die Zeit in der Grundschule zurückdachte, wurde mir sowieso immer schlecht, denn das war mit Abstand die schlimmste gewesen. Niemand hatte etwas mit mir zu tun haben wollen und mir ging dieser Vorfall mit der Kreide in meinem Kakao bis heute nicht mehr aus dem Kopf… „Das ist deine Sache, was du mit deinen Haaren anstellst, oder?“, antwortete ich einfach nur und versuchte, so schlicht und gelangweilt wie möglich zu klingen. „Das steht dir sicherlich, aber Färben macht die Haare kaputt.“ „Ja, ja“, seufzte Aoi nur theatralisch und dachte wohl wieder daran, was für ein Öko ich doch manchmal war, „du würdest dir die Haare natürlich nie färben und auch nichts tun, was schlecht oder gar schädlich für dich ist. Na ja, ich gehe auf jeden Fall demnächst zum Frisör.“ Endlich fuhren wir dann auch ab und es würde mich nur noch eine halbe Stunde Zeit kosten, die ich mit Zug fahren verschwenden musste, bis wir endlich im Shoppingparadies Nagoya sein würden. Nun freute ich mich doch irgendwie, aber in den letzten Stunden hatte ich mich noch nicht so recht entscheiden können. Wahrscheinlich lag es – wie fast immer eigentlich – an der Tatsache, dass ich die Hinwege hasste. Zum Bus laufen, zum Bahnhof fahren und von dort aus endlich im Zug nach Nagoya. Es war immer nur halb so schlimm, wenn jemand dabei war, mit dem ich fahren konnte, und natürlich war auch wichtig, wohin ich fuhr, um einen Grund zu haben, sich mal nicht zu beschweren. Ich war wirklich manchmal wie so n Mädchen. „Dann bin ich ja mal gespannt wie es…“, doch ich unterbrach mich selbst, als die Tür zu diesem Abteil schwungvoll aufgerissen und wieder zugeknallt wurde, „…aussieht.“ Da ich jedoch mit dem Rücken zur Tür saß, konnte ich natürlich nicht sehen, wer denn gerade das Abteil betreten hatte. Mal wieder war ich der Depp, der nichts mitbekam. Aber umdrehen würde ich mich jetzt ganz sicher nicht, das sah ja noch bescheuerter aus. So wartete ich einfach, bis Aoi oder Ruki irgendeine andere Reaktion zeigten, außer etwas ungläubig zur Tür zu starren. Schien ja was ganz interessantes zu sein, was da gerade so geräuschvoll reingeplatzt war. Plötzlich sah ich, wie jemand einen Rucksack genau vor meine Füße schmiss und spürte, wie sich jemand neben mir niederließ. Und wenn ich den Rucksack so betrachtete, kam er mir irgendwie verdammt bekannt vor. Aufgenähte Bandlogos, Buttons und schwarze und silberne Schriftzüge auf trübgrünem Stoff? War das nicht… „Kann man helfen?“, fragte Aoi so gelassen wie möglich, während er nur wie gelangweilt auf die Person neben mir starrte und Ruki neben sich, der einfach nur einen ziemlich lächerlichen Blick aufgesetzt hatte, gekonnt ignorierte. Mir kam ein bekannter Geruch entgegen, den ich eindeutig als Alkohol und Zigaretten identifizierte und ich rümpfte automatisch die Nase ein wenig, schaute gar nicht erst neben mich, sondern nur auf die Tasche auf dem Boden und tat gerade so, als würden mich diese ganzen Bands, deren Logos darauf genäht waren, brennend interessieren. Dabei kannte ich die Hälfte davon gar nicht wirklich. „Reita“, sagte die Gestalt neben mir und zum ersten Mal hörte ich seine Stimme laut und deutlich, vernahm deren Klang. Bisher hatte ich immer nur angedeutet hören können, wie sich seine Stimme anhörte, da er immer recht weit von mir weg gestanden hatte an der Bushaltestelle und ich sowieso immer die halbe Zeit damit beschäftigt gewesen war, mich entweder von Aoi oder Ruki zutexten zu lassen. Lediglich sein Lachen hatte ich einmal hören können. Ich sah, wie er Aoi seine Hand entgegen streckte, aber sowohl dieser, als auch Ruki besahen sich diese nur skeptisch und schauten Reita dann wieder in die Augen. Auch ich blickte nun zur Seite und schaute in das Profil des blonden, der, wie eigentlich immer, seine Nasenbinde trug und diesmal die Haare glatt gelassen hatte, nicht aufgegelt. Meiner Meinung nach sah er heute generell gar nicht so chaotisch aus, wie sonst immer. Seine Nietenjacke hatte er weggelassen – hätte ich auch bei dem heißen Wetter getan – und trug nur ein Tanktop mit einigen Rissen darin. Manche davon wurden mit Sicherheitsnadeln zusammen gehalten, über anderen waren sowas wie Flicken drüber genäht, die verschiedene Muster hatten. Die Hose war ebenfalls schwarz, allerdings mit einem etwas breiteren, im Schottenmuster karierten Streifen an den Außenseiten der Hosenbeine und einigen Schnallen und Bändern daran. Wie immer trug er viele Gürtel, die klirrten. War mir erst gar nicht aufgefallen, als die Tür aufgeflogen war. Ich hatte doch sonst immer so ein gutes Ohr? „Was is?“, sagte er barsch an Aoi gewandt, der noch immer seine Hand beäugte und bisher nichts erwidert hatte. „Ihr seid doch soziale Menschen?“ Er zog seine Hand wieder zu sich und lehnte sich im Sitz zurück, schaute Aoi abwartend an und hatte einen sehr durchdringenden Blick, wie ich fand. Das verlieh ihm eine gewisse … Bösartigkeit. „Inwiefern?“ Doch ehe Reita meinem schwarzhaarigen Freund antworten konnte, wurde erneut die Abteiltür aufgerissen und es ertönte die Stimme des Schaffners: „Fahrkarten, bitte!“ Wunderbar, dachte ich. Und Ruki und Aoi schienen dasselbe zu denken, wie ich in ihren Augen erkennen konnte. Scheinbar wussten sie nun auch, worauf Reita mit seiner Frage eben hinaus gewollt hatte. Punks waren eben dauerpleite, das war ein Gesetz der Natur. „Die Herren?“, fragte der Schaffner freundlich und ich seufzte ergeben, aber leise, ehe ich in meinem Portemonnaie zu kramen begann, die Fahrkarte rausholte und sie dem guten Mann reichte. Und zu Reitas offensichtlicher Zufriedenheit sagte niemand meiner Freunde etwas dagegen, dass dieses streng riechende Etwas nun auf unsere Kosten Bahn fuhr. „Gute Fahrt wünsche ich“, verabschiedete sich der Kerl dann wieder, da wir sowieso die einzigen im Abteil waren und kaum war er aus der Tür verschwunden, meldete sich Reita neben mir zu Wort. „Ey, ist echt nett von euch, Jungs. Ist auch nur für zwei Stationen, also danke noch mal. Ihr seid echt in Ordnung!“, meinte er, doch ich meinte einen leicht spöttischen Unterton in seiner Stimme zu erkennen. Das war wohl auch irgendwie typisch für diese Sorte Mensch, sie meinten die Hälfte von dem, was sie sagten, nicht einmal ernst und zogen alles, was andere – egal, ob für sich selbst oder für sie selbst – taten, ins Lächerliche. Lustig, ha, ha. „Sicher“, lachte Aoi, der diesen Unterton scheinbar auch bemerkt hatte, „jetzt hast du ja, was du wolltest und kannst dich wieder verziehen, oder? Eine Haltestelle noch, dann sind wir dich los, verstanden?“, meinte er fast schon bedrohlich und funkelte Reita fies an. „Ey, ganz ruhig, man“, konterte dieser nur, „ich hab kein Geld für so n bekacktes Bahnticket!“ Jeder von uns – außer Reita natürlich – wusste, dass Aoi diese Art von ‚Geschäften’ hasste. Nicht gefragt werden war ein Unding für den schwarzhaarigen, wenn man sich einfach nahm, was man wollte, konnte er das so gar nicht verstehen. Und ich konnte Aoi verstehen, immerhin hatte Reita sich ja einfach dazu gesetzt. Und schon da hatte sich Aois Mimik deutlich verändert. Jetzt war er sichtlich angepisst wegen Reita, das bemerkte wohl auch Ruki, der sich ein bisschen näher zum Fenster hin verzogen hatte. Ja, Aoi konnte richtig beängstigend sein… Außerdem mochte Aoi nun mal keine Punks. Seiner Meinung nach war Trinken ja eine Sache des Spaßes, aber es sollte schon nicht zur Routine werden, wie es bei Reita ja der Fall zu sein schien, denn die Bierfahne war schon schwer zu überriechen. „Dann geh arbeiten“, Aoi zuckte nur mit den Schultern und winkte dann mit seiner Hand, deutete Reita an, dass er sich nun seiner Meinung nach zu verziehen hatte. Immerhin hatten wir ihm ja jetzt geholfen, oder wie? War schon irgendwie witzig, wie Aoi sich benahm, wenn er sauer war. Dann hatte er immer so eine trockene Art, vor der man aber doch irgendwie Angst hatte. „Verzieh dich, du riechst!“, motzte Ruki ihn plötzlich an und ich schaute überrascht zu ihm hin. Na ja, ich wusste zwar, dass Ruki nichts mehr hasste, als Raucher, aber dass er jemanden deshalb gleich so anfuhr, das war auch noch nie vorgekommen. Aber Reita schien das gar nicht zu stören, der zuckte nämlich nur mit den Schultern und grinste: „Weiß ich.“ Ich hatte mich bisher noch nicht an dem Gespräch beteiligt, hatte ab und an mal zwischen den dreien hin und her geschaut, mir jeglichen Kommentar verkniffen. Ich konnte nicht leugnen, dass Reita etwas unangenehm roch, aber das änderte auch nichts daran, dass er seinen Hintern wahrscheinlich nicht eher hier weg bewegen würde, bis wir die beiden Haltestellen bis nach Nagoya überwunden hatten. Jetzt war es zum Glück ja nur noch eine, denn wir fuhren endlich weiter. „Kannst du eigentlich auch sprechen?“, fragte er dann plötzlich an mich gerichtet und grinste mich irgendwie geheimnisvoll an, schaute mich eindringlich aus seinen dunkelblauen Augen an. Ich hatte auch immer schon solche Kontaktlinsen haben wollen, hatte aber immer Angst davor gehabt, sie mir einzusetzen. „Zu dir fällt mir nichts mehr ein, sorry“, antwortete ich einfach nur matt auf seine Frage, schaute ihn gleichgültig an und es schlich sich ein kleines Grinsen auf meine Züge, als ich sein etwas verwundertes Gesicht sah. „Gott, ihr seid ja echt ne freundliche Gesellschaft. Echt mal, ich mag euch irgendwie. Besonders dich hier“, grinste er ironisch und deutete auf Aoi, „dich mag ich! Nett, dass ihr mich habt mitfahren lassen, aber ich muss dann auch schon wieder. Man sieht sich! Ach, und hier, du“, somit deutete er auf Ruki, „bisschen eleganter solltest du dich vielleicht ausdrücken, das kommt besser an. Tschau!“ Und mit offenem Mund schauten Aoi und Ruki dem Blondschopf nach. Innerlich musste ich schmunzeln. Dieser Kerl hatte irgendwie was, wie ich fand. Einerseits das größte Arschloch, mit dem ich je irgendwas zu tun gehabt hatte, aber andererseits auch ein sympathisches Arschloch. Ich fragte mich, wofür ich mich nun entscheiden sollte. Aber in jedem Menschen steckte doch was Gutes, oder? Und ich war nun mal von der naiven Sorte und glaubte auch noch daran, dass solche Menschen wie Reita beeinflussbar waren. Weniger Alkohol und Zigaretten und dafür mal ein paar mehr Manieren würden da sicher nicht schaden, dachte ich mir. Ob das wohl machbar war, einen täglich rauchenden und trinkenden Punk, der wahrscheinlich auch nichts anderes machte, dazu zu bringen, den Konsum von Tabak und hochprozentigen Getränken etwas einzugrenzen und durch sinnvollere Sachen, wie zum Beispiel Shoppen gehen zu ersetzen? Schlechte Idee, der würde sicherlich auch während des Shoppens mit ner Bierflasche durch die Gegend rennen, damit war ihm auch kein Gefallen getan. Aber der Versuch, ihm beizubringen, wie viele Gehirnzellen mit jedem einzelnen Tropfen Alkohol abstarben, würde sicherlich ebenso aussichtslos sein, wie zu versuchen, unsere Kunstlehrerin davon zu überzeugen, dass Schwarz nicht aus den drei Grundfarben zu mischen war. Alles in allem: aussichtslos. War ja auch nicht mein Problem… „Hast du das gerade auch gesehen?“, fragte mich Ruki nur etwas entrüstet und starrte zur Tür, zeigte mit einem Finger in die entsprechende Richtung. Aoi lachte nur gespielt belustigt auf – eher war es ein sarkastisches Lachen, das erkannte man bei ihm sofort – und schüttelte den Kopf. Scheinbar konnte er noch immer nicht glauben, was da gerade eben passiert war. Es war für ihn ja auch ein Unding, wenn man mal nicht fragte, ob man wohl den freien Stuhl in der Bibliothek haben konnte, um sich an einen anderen Tisch mit zu wenig Stühlen zu setzen. So pingelig war ich da nun doch nicht. „Stellt euch nicht so an“, sagte ich nur ruhig und kramte nun meinerseits nach einer Wasserflasche, „als hättet ihr das noch nie gemacht. Ich meine, er ist wenigstens nicht auf die Idee gekommen, uns um Geld anzubetteln, wie es jeder andere getan hätte. Ich fand ihn ganz in Ordnung.“ Ruki blinzelte daraufhin nur ziemlich ungläubig und wandte seinen Blick dann wieder ab, sich wohl jeden anderen Kommentar zu der Sache verkneifend. „Wie du meinst“, antwortete mir Aoi schließlich und sah mir beim Trinken zu, „ich fand ihn verdammt scheiße und unfreundlich. Ist der nicht immer auch nach der Schule bei uns im Bus? Geht der nicht auf die Schule nebenan?“, fragte er dann scheinbar sehr desinteressiert, sodass es für mich nicht Not tat, ihm zu antworten und ich stattdessen einfach nur nickte. Das schien Aoi auch völlig zu reichen und er packte seine Flasche, ebenso wie ich, wieder weg und stand auf, hängte sich seine Tasche um. Auch Ruki und ich waren aufgestanden und liefen nun zur Tür, wo wir Reita erneut begegneten. Aber diesmal war er nicht allein, er hatte scheinbar einen Kumpel von sich in irgendeinem anderen Abteil gefunden. Grinsend wartete er, bis wir nahe genug bei ihm waren, um mir schließlich einen Arm um die Schulter zu legen und zu seinem Freund zu schauen. „Das sind meine neuen Kumpels! Haben mir freundlicherweise ihr Fünferticket geliehen und mich mitfahren lassen. Nett, nicht? Kollege Wortkarg hier kann sogar sprechen, wusstest du das?“ Sein Freund nickte anerkennend, war scheinbar noch besoffener als Reita selbst und das machte mich irgendwie nervös. Immerhin hatte dieses blonde Etwas neben mir einen Arm um meine Schulter gelegt und grinste noch immer wie ein Honigkuchenpferd, hatte wohl unheimlichen Spaß daran, sich über mich lustig zu machen. Störte mich irgendwie weniger. „Hör mal, du Witzfigur“, fiel ihm Ruki dann plötzlich ins Wort und stellte sich unmittelbar vor Reita, funkelte ihn böse an, „nimm deine Griffel mal schleunigst da weg und geh aus dem Weg, sonst dienst du hier demnächst als Fußabtreter für die Leute, die hier einsteigen!“ Einen Moment lang sagten sowohl Reita, als auch sein Kumpel nichts, doch dann lachte der blonde los und wuschelte Ruki durch die Haare, ehe er die Tür öffnete und mit diesem Etwas in seinem Schlepptau ausstieg. Scheinbar hatte er Ruki nicht wirklich ernst genommen, aber das war bei dessen Größe auch nicht wirklich verwunderlich. Irgendwie tat Ruki mir schon etwas Leid. „Lass gut sein, Ruki“, versuchte Aoi ihn zu beruhigen, als der kleine den beiden Punks hinterher starrte, „wir gehen jetzt shoppen und laufen denen garantiert nicht mehr über den Weg.“ Wie fast immer hatte ich mich die ganze Zeit enthalten und nichts dazu gesagt, denn mir war nicht wirklich etwas eingefallen, was ich auf so viel Dummheit auf einen Haufen hätte erwidern können. Aber war das wirklich Dummheit, was mir da jeden Nachmittag nach der Schule über den Weg lief? Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich glaubte, dass in Reita nicht wirklich der Typ von Mensch steckte, der er vorgab, zu sein. Bestimmt war er genauso drauf, wie ich, denn ich versuchte durch meine Schweigsamkeit zu verbergen, dass ich mir viele Gedanken über die Menschen in meiner Umgebung machte und auch sonst sehr viel über irgendwelche Umstände nachdachte. Und dieser Reita brachte mich zum Nachdenken. Vielleicht sollte ich mich einfach mal mit ihm anfreunden und sehen, was wirklich hinter dieser Fassade steckte? Vielleicht war er gar nicht so schräg drauf, wie er es vorgab, zu sein? Vielleicht konnte er ja auch zur Abwechslung mal ernst bleiben? „Uruha, kommst du?“ Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und setzte mich nun endlich in Bewegung, hechtete noch aus dem Zug, ehe sich die Türen wieder geschlossen hatten und folgte meinen beiden Freunden, zusammen machten wir uns dann auf den Weg in die Innenstadt, um ein bisschen die Geschäfte zu durchstöbern. Ich war gespannt, ob Reita am Montag im Bus noch etwas sagen würde. Ob er mich wieder erkennen würde? Sicherlich, immerhin hatte er mir einen Arm um die Schultern gelegt und mir einen liebevollen neuen Spitznamen gegeben. Als ich ihn mir zurück ins Gedächtnis rief, musste ich unweigerlich schmunzeln. Stimmte das eigentlich? War ich wirklich zu schweigsam und langweilig? Bestimmt, immerhin beschwerten sich Ruki und Aoi ständig, dass ich ja nirgendwohin mitging und Reita hatte ja auch angedeutet, dass ich wirklich nicht viel zu irgendwelchen Themen beitrug. Gut, dann würde ich daran eben etwas ändern. Und ich würde gleich Montag damit anfangen… © Kapitel 3: Von Trennung und Zusammenfinden ------------------------------------------ -3- Von Trennung und Zusammenfinden Heute würde ein Dreckstag werden, das hatte ich schon gespürt, als ich aufgewacht war. Nun lief ich einfach nur total deprimiert durch die noch halbdunklen Straßen zur Bushaltestelle und war jetzt schon genervt von Aois bevorstehenden Fragen. Ich würde mich weigern, auch nur eine einzige davon zu beantworten. Er hatte damals schließlich auch nichts gesagt, als seine Eltern sich getrennt hatten… „Morgen“, begrüßte er mich wie erwartet ziemlich verschlafen, schaute mir aber dann ins Gesicht und blinzelte, „was ist los?“ Ja, Aoi erkannte eben, wenn es mir scheiße ging. Leider. Und diesmal hätte ich liebend gern verzichtet, aber ich hatte den Fehler gemacht, meine Maske nicht aufzusetzen und ihm vorzuspielen, dass es mir gut ging. Es saß einfach zu tief. Ich schwieg vor mich hin, setzte mich neben ihn und kramte nach einem Kaugummi, den ich mir dann zwischen die Zähne schob und zu kauen begann. So zäh wie Gummi wäre ich auch gern gewesen, den konnte man wenigstens nicht zerreißen. „Nichts“, antwortete ich nur matt, starrte geradeaus auf die gegenüberliegende Bushaltestelle, wo ein seltsamer Mensch in weiten Klamotten stand und so laut Musik hörte, dass es bis drüben auf die andere Straßenseite zu hören war. Hopser. „Sieht anders aus, aber ich frag besser nicht weiter nach“, gab Aoi es schließlich frühzeitig auf. „Danke.“ Schweigend saß ich da und kaute vor mich hin, lauschte meiner eigenen Musik aus dem Player und hörte nun schon zum x-ten Mal dasselbe Lied. Und es war verdammt noch mal nicht gut für mich! Ja, unser Haussegen hing schief. Ja, mein Arschloch von Vater hatte meine Mutter mehr als nur einmal betrogen! Und ja, meine Mutter hatte ihn schließlich rausgeschmissen, samt Koffer und jedem einzelnen Foto, das von diesem Mistkerl existierte. Aber nein, es hatte niemanden interessiert, dass meine Mutter nicht die einzige gewesen war, die heulend auf ihrem Zimmer gehockt hatte, weil das alles an einem Sonntag zu viel für sie war. Nein, es hatte niemanden interessiert, wie ich mich dabei fühlte, hin und her gerissen zu sein und zu wissen, dass meine sonst so scheinbar glückliche Familie plötzlich auseinander gerissen wurde. Dabei war ich immer stolz darauf gewesen, einer der einzigen in meinem Bekanntenkreis zu sein, der eine halbwegs funktionierende Familie hatte. Wie man sich doch täuschen konnte. Denn seit ich meinen Vater mit unserem alten Honda hatte wegfahren sehen, funktionierte gar nichts mehr. Meine Mutter war abgehauen und war die halbe Nacht nicht nach Hause gekommen. Ich hatte kein Auge zugetan, hatte nur gehört, wie um vier Uhr morgens jemand das Haus betreten hatte und kurz darauf auch schon wieder Stille herrschte, weil sie wahrscheinlich sturzbetrunken auf dem Sofa eingeschlafen war. Selbst am Morgen hatte ich sie nicht geweckt, damit sie zur Arbeit gehen konnte. Das hätte ich nicht ertragen, dachte ich. „Der Bus“, Aoi machte mich freundlicherweise auf die nahende Mitfahrgelegenheit aufmerksam und ich stand wortlos auf, zog meine Fahrkarte hervor und zeigte sie kurz, als ich einstieg, packte sie dann wieder in die Innentasche meines Mantels und schaute mich nach Ruki um, der fast ganz hinten im kaum besetzten Bus saß. Ich lief dann schwankend – wegen der Fahrt – auf ihn zu und setzte mich in den Vierer neben ihn, grüßte nicht einmal, weil ich es vergessen hatte. Und ich glaubte, einen seltsamen Geruch wahrzunehmen. Ja, die Welt stank, das war eindeutig und ich fragte mich, wie ich das bisher hatte überriechen können. Alles, aber auch wirklich alles stank zum Himmel! Da war ja der Geruch von Alkohol und Zigaretten noch besser… „Uru-chan?“, sprach mich Ruki neben mir unsicher an und schaute mit einem fragenden Blick zu mir, wusste wohl nicht recht, wie er sich verhalten sollte, denn er war es nun mal nicht gewohnt, dass ich weder grüßte, noch ihn morgens nicht ansah. Ich zwang mich zu einem kleinen Lächeln und schüttelte nur den Kopf, was ihm wohl als Antwort auf seine ungestellte Frage reichte. Auch er wollte wissen, was mit mir los war, das hatte ich im Gefühl. Aber es tat gut, die anderen unwissend zu lassen. Es tat gut, sie zu verletzen, indem ich nicht mit ihnen redete. Ich brauchte es an diesem Morgen einfach, vielleicht würde das später ja wieder anders sein. Die gesamte Fahrt über hatten weder Aoi oder Ruki, noch ich ein Wort gesprochen und wir alle hatten uns nur auf die Musik unserer Mp3-Player konzentriert und nicht auf einander geachtet. Ich hatte beider Blicke gemieden und nur aus dem gegenüberliegenden Fenster geschaut, hatte zugesehen, wie die Landschaft an mir vorbeizog, wie alles andere wohl auch zurzeit. Selbst in der Schule bekam ich nicht wirklich etwas vom Unterricht mit, war viel zu beschäftigt damit, in meinen Gedanken zu hängen und kleine Kreise auf meine Blöcke zu malen. Dass mich die Lehrer mehr als nur einmal ermahnt hatten, störte mich dabei nicht im Geringsten. In der Pause gingen wir drei wie immer nach draußen und setzten uns auf dieselbe Bank hinter der letzten Blumeninsel, Ruki aß seine tägliche Ration an Apfel und Aoi nuckelte schweigsam an seiner Colaflasche. Nur ich aß und trank wie immer nichts, baumelte einfach mit den Beinen und hörte weiterhin Musik, wie ich es eigentlich schon den ganzen Morgen getan hatte – selbst in der Chemiestunde. „Uruha, was ist los mit dir?“, riss mich Aois ernste Stimme wieder aus meinen Gedanken, die sich üblicherweise um diese fabelhafte familiäre Situation gedreht hatten und ich schaute ohne die geringste Veränderung meiner Gesichtszüge zu ihm auf. „Ich hab wenig geschlafen“, gab ich ihm zur Antwort, zufrieden damit, dass es nicht einmal gelogen war, denn schließlich war ich bis 4 Uhr morgens wach gewesen, bis meine Mutter wieder nach Hause gekommen war. Ruki schaute mich skeptisch über Aois Schulter hinweg an und biss ein letztes Mal in seinen Apfel, ehe er ihn wegwarf und sich einmal prüfend auf dem Schulhof umsah, ob ihn auch kein Lehrer dabei gesehen hatte. Na, immerhin waren Apfelreste nicht Umwelt verschmutzend. „Selbst, wenn du die Nacht über gar nicht geschlafen hast, bist du nicht so komisch drauf, wie heute. Ist irgendwas passiert?“, erkundigte er sich und lehnte sich noch ein Stück vor, um mich besser sehen und meine Reaktion beobachten zu können. „Diesmal nicht“, antwortete ich gezwungenermaßen lächelnd und schüttelte leicht mit dem Kopf, um meine Aussage zu bekräftigen, „aber trotzdem danke. Ist lieb von euch.“ Wie erwartet schaute Aoi mich ziemlich enttäuscht an. Ja, er dachte jetzt sicherlich Dinge wie ‚Sowas hätte ich nicht von dir erwartet’ oder ‚Ich dachte, wir wären Freunde und könnten über alles reden’. Falsch, diesmal wollte ich eben nicht reden. Diesmal ging es niemanden etwas an, was meine Gefühle zum Durchdrehen brachte. Ich konnte und wollte nicht reden, denn davon wurde sicherlich nichts besser und meine Eltern würden sich auch nicht wieder neu ineinander verlieben. Und Ruki? Der sah eher etwas verwirrt aus, aber auch sauer, denn er hasste es, wenn er nicht wusste, was Sache war. So, wie ich. Und es machte Spaß, zu sehen, wie er darauf reagierte, dass ich nichts sagte. „Die Pause ist gleich um“, hörte ich Aoi matt sagen und ich stand gleich nach ihm auf, um mit ihm ins Schulgebäude zurück zu gehen und mich in der Klasse erst einmal auf meinen Platz zu setzen, einen Schluck zu trinken und weiter auf meinem Block zu kritzeln. Und ich tat den lieben langen Schultag nichts anderes als das, konzentrierte mich rein gar nicht auf den Unterricht. Er interessierte mich nicht einmal. Es interessierte mich sogar noch weniger, dass ich erneut dreimal von irgendwelchen Lehrern ermahnt wurde und ignorierte auch Rukis Blicke, die er mir zuwarf und die nach eindeutigen Warnungen aussahen. Er machte sich scheinbar wirklich Sorgen. Nach der Schule gingen wir den gewohnten Weg zum Bus und ich dachte nicht einmal mehr daran, dass ich dort wieder dem blonden Punk begegnen würde. Den ganzen Samstag lang hatte ich mich innerlich darauf eingestellt und vorbereitet – auch, wenn es eigentlich unsinnig war, zu glauben, dass er mich noch einmal auf den Vorfall im Zug ansprechen würde, besonders, weil Aoi und Ruki viel gesprächiger als ich gewesen waren – und irgendwie schon darauf gewartet, dass es Montag wurde. Aber jetzt war diese gewisse Spannung total weg, ich dachte einfach nur die ganze Zeit daran, dass ich nicht nach Hause wollte. Ruki, der neben mir lief, grummelte plötzlich, was mich dazu brachte, seinem Blick zu der Ursache für diesen gefährlich klingenden Laut zu folgen und entdeckte Reita an der Mauer lehnend und eine Zigarette rauchend. Er stand allein da und sah für meine Begriffe noch schräger aus, als sonst. Diesmal bestand seine komplette Frisur aus Stacheln, die kurzen an der Seite standen wie immer ab und die etwas längeren hatte er nach vorne hin ebenfalls aufrecht abstehen lassen, allerdings fielen sie ihm vorn ins Gesicht und die Stacheln gingen in den weißblonden Pony über, der wie immer glatt geföhnt war und man seine Augen wie sonst auch nur schwer erkennen konnte. Seine Klamotten waren allerdings nicht besonders auffällig, schlicht und trotzdem hatten sie was. Die Nasenbinde hatte er wie immer umgelegt, diesmal trug sie sogar ein leichtes Muster, wie mir auffiel, als wir schließlich über die Straße liefen und uns wie üblich neben dem Mülleimer auf dem Boden niederließen. Und auch Reita hatte uns bemerkt. Ich hatte sein Grinsen im Gesicht schon von der anderen Straßenseite aus gesehen und irgendwie hatte ich schon gar keine Lust mehr, mich jetzt noch lange hier aufzuhalten bei diesem Idioten. „Netten Tag gehabt Samstag?“, fragte er gespielt überfreundlich und grinste nur noch breiter, als er einfach zu uns kam und sich dazu setzte. Und wie erwartet setzte Aoi einen mehr als nur skeptischen Blick auf, während Ruki ihn nur böse anfunkelte. Ich hingegen blieb ganz ruhig und still wie immer, versuchte, meinen Blick so ausdruckslos wie möglich wirken zu lassen, ohne, dass es zu auffällig wurde. Ich wollte nicht, dass man mir ansah, dass ich etwas zu verbergen versuchte, was besser keiner erfahren sollte. „Großes Schweigen, eh? Komm schon, Schönheit, sprich doch mal mit mir. Siehst deprimiert aus! Schlechte Note zurückbekommen?“, fragte er an mich gewandt, wartete wohl allen ernstes auf eine Antwort. Die konnte er haben! „Pass auf, Gelfresse. Wenn du mich noch mal mit dem Namen ansprichst, reiß ich dir einen deiner Stacheln aus und schieb ihn dir in den Arsch! Und wenn du noch mal versuchst, meinen Gesichtsausdruck zu interpretieren und das auch noch fälschlicherweise, interpretier ich mal den Fetzen da um deine Nase und das, was darunter ist, auch!“ Ruki gluckste leise und verkniff sich das Kichern, während Aoi mich einfach nur überrascht anstarrte und wohl aus allen Wolken gefallen war, dass ich solche Worte ausspucken konnte. Tja, manchmal knallten bei mir eben sämtliche Sicherungen durch und ich wurde dann so richtig wütend. Dass Aoi und Ruki das bisher noch nicht erlebt hatten, grenzte schon an ein gewisses Wunder. Aber das lag wohl an meiner perfekten Maske, mit der ich jegliche Emotionen unterdrückt hatte. Nur heute funktionierte das nicht so wirklich… Reita hingegen schienen für einen Moment die Worte zu fehlen, ehe er leise zu lachen begann und mir anerkennend auf die Schulter klopfte. „So n Spruch hat noch keiner bei mir gebracht. Gefällst mir irgendwie, keine Ahnung. Kommst Samstag auch zur Scheunenfete, ne? Bin mit n paar Freunden da. Wird lustig, n Bekannter organisiert die mit! Dann gibt’s immer gute Musik!“, schwärmte er mir vor, doch ich wusste ehrlich gesagt nicht wirklich was ich nun darauf antworten sollte. Ich hatte Ruki und Aoi bereits abgesagt, also wäre es wohl seltsam, wenn ich nun doch auftauchen würde – und das auch noch mit Reita! Nein, kein Schwein würde mich jetzt im Moment auf eine Scheunenfete kriegen, immerhin hasste ich Feten und im Moment gab es für mich reichlich wenig zu feiern. Und außerdem hatte ich keine Lust! „Klar…“, lautete meine ironische Antwort. Ich war zwar dankbar, dass der Bus nun endlich um die Ecke kam, um kreischende, kleine Kinder zu entladen und uns schließlich mitzunehmen, doch wieder kam mir in den Sinn, dass ich nun nach Hause musste und das war irgendwie eine beschissene Vorstellung. Wahrscheinlich war meine Mutter mal wieder betrunken – und mir fiel auf, dass ich ein bisher nur einmaliges Ereignis bereits als zukünftigen Alltag bezeichnete – und ich würde den ganzen Tag ihr Gewinsel ertragen müssen. Ich würde mich dann wie eigentlich jeden Tag wieder auf mein Zimmer verziehen und vorm PC hocken, irgendwelche dämlichen Rollenspiele spielen und versuchen, ruhig zu bleiben und meine Mutter nicht unnötig aufzuregen. Denn wenn sie sich aufregte, war es um meine gute Laune geschehen. Immer. „Wunderbar“, war Reitas Kommentar zu der Antwort. Glaubte er etwa, dass das ernst gemeint gewesen war? Tse… Dass weder Aoi, noch der Zwerg etwas dazu gesagt hatten, verwunderte mich eigentlich. Aber wahrscheinlich waren sie nur etwas verunsichert, weil Reita plötzlich auf uns zukam und mit uns redete. Immerhin hatten wir normalerweise auch nichts mit solchen Typen zu tun, sondern hingen eher mit denen von der normalen Sorte rum. Wenn man es so nahm, waren wir sogar eigentlich ziemlich brave Jungs. Eigentlich. Also stiegen wir in den Bus und ich schaute mich gleich, nachdem ich den vielen kleinen und kreischenden Kindern ausgewichen war, nach einem freien Platz um. Und wie immer war keiner so wirklich frei. Aber zufällig schaute ich gerade nach hinten rechts, wo ein kleiner Junge schließlich doch aufstand und noch schnell hinter den anderen Kindern hersprintete, um rechtzeitig aus dem Bus zu kommen. Natürlich lief ich sofort und ohne auf die anderen zu achten nach hinten, wo ich dann feststellte, dass doch noch ein Platz in der letzten Reihe frei war. Aber ich würde den Teufel tun und mich dort hinsetzen, denn in dem Zweier und Ruki neben mir hatte ich viel mehr Platz. Das Problem war, dass nicht Ruki sich neben mich setzte. Der saß nämlich nun auf dem freien Platz in der letzten Reihe und Aoi blieb einfach an der Stange vor ihm stehen, hielt sich daran fest, so, wie alle anderen armseligen Seelen, die keinen Platz mehr bekommen hatten, auch. Ich schielte neben mich und setzte einen möglichst mürrischen Blick auf, als ich in Reitas grinsendes Profil schaute. Dieser Kerl machte mich von Minute zu Minute aggressiver und ich musste auch einen Würgreiz unterdrücken, weil er so sehr nach Zigaretten und Bier roch. War dieser Typ eigentlich heute in der Schule gewesen oder hatte er die ganze Zeit nur gesoffen? Denn auf dem Schulhof konnte er das Zeug wohl schlecht konsumiert haben, ohne mit einem sofortigen Schulverweis oder zumindest der dreifachen Hausordnung zu rechnen. „Der war doch noch frei, oder?“, fragte er dann scheinheilig und lehnte sich voller Selbstüberzeugung und zufrieden in seinen Sitz zurück, woraufhin ich einen etwas Hilfe suchenden Blick zu Ruki hinter mir warf, der jedoch nicht einmal in meine Richtung schaute. Nur Aoi sah mich mit einem komischen Ausdruck in den Augen an. Irgendwie hatte ich ein blödes Gefühl bei der Sache. Dachten sie etwa was Falsches? Sowas wie ‚Uruha hat was Besseres und Cooleres gefunden als uns’? Nein, bitte nicht! Ich hatte doch gar nichts mit diesem Ding neben mir zu tun! Und überhaupt wollte ich das nicht mal, schließlich geriet man durch solche Leute an immer mehr falsche Leute und das war so gar nicht gut für mein Image. Nebenbei: welches Image? „Wie heißt du eigentlich? Sonst muss ich dich wohl weiter Schönheit nennen“, meinte dieses Ding neben mir dann plötzlich und mein Kopf wirbelte wieder herum, ich schaute ihn mit gereiztem Blick an. Und ich meinte gereizt! „Ich kenne dich nicht, du kennst mich nicht, okay? Du gehst mir auf die Nerven!“ „Woah, is okay, man“, er hob abwehrend die Hände und grinste blöd, „war doch nur ne Frage! Ich hab mich doch auch vorgestellt. Komm, so scheiße kann dein Name doch gar nicht sein!“ „Uruha.“ Und das war mir wirklich nur rausgerutscht. Ich hatte eigentlich nie vorgehabt, diesem Typen meinen Namen zu nennen. Nachher rannte ich ihm zufälligerweise irgendwo auf der Straße über den Weg und er schrie meinen Namen hinter mir her und vielleicht noch irgendeine Beleidigung, einen dummen Kommentar oder sonst was. Mit dem konnte ich mich doch nicht sehen lassen…! „Ist doch n netter Name, was zierste dich so?“, gab er belustigt zurück und schob sich ein Kaugummi in den Mund. „Auch eins?“, fragte er dann freundlicherweise und hielt mir die Packung hin, die ich jedoch zuerst nur etwas unsicher anschaute. Wieder eine solcher Situationen, wo ich nie wusste, wie ich mich nun verhalten sollte. Annehmen oder ablehnen? Immerhin musste ich auch an die Reaktionen meiner Freunde denken, denn ich kannte Reita schließlich kaum und nun unterhielt ich mich sogar schon mit ihm? Das war für mich vollkommen unnormal. Dennoch nahm ich mir nach kurzem Zögern einen Kaugummi, schaute jedoch bewusst nicht hinter mich, um Aois oder Rukis Blicke zu beobachten. Insgesamt war das hier sowieso eine komische Situation, weil ich überhaupt keine Ahnung hatte, wie ich Reita nun einschätzen sollte! Verarschte er mich eigentlich nur oder war er ausnahmsweise wirklich von der netten Sorte? „Hast du ICQ?“, fragte er dann plötzlich und ich hatte mich beinahe an dem Kaugummi verschluckt, wenn ich mich nicht im letzten Moment noch beherrscht hätte. Wir kannten uns nun schon sage und schreibe ein paar Stunden – und man konnte es bis jetzt nicht einmal als ‚kennen’ bezeichnen, denn immerhin wusste jeder lediglich den Namen des anderen. Und meine ICQ-Nummer war mir schließlich heilig! „Ja“, entwich es mir dann jedoch trotzdem, doch mit einem „Warum?“ versuchte ich mich noch zu retten. Plötzlich kramte er einen Stift aus seiner Westentasche und nahm dann einfach meine Hand, um ein paar Zahlen darauf zu schreiben. Ich war viel zu perplex, um etwas dagegen zu sagen und starrte meine Hand, als er fertig war, einfach nur doof an. Also ließ er mir die Wahl, ihn zu adden? „Kannst ja entscheiden, ob du mich adden willst. Ich steig heut ma' hier aus, man sieht sich, ne?“, grinste er wieder so blöd und stand dann auf, um nur drei Haltestellen weiter wieder auszusteigen und einen verwirrten und etwas überrumpelten Uruha wie mich zurückzulassen! Die restliche Fahrt hatte ich allein dort gesessen, Aoi hatte sich nicht zu mir gesetzt. Aber ich hatte auch nicht mehr hinter mich geschaut, wusste demnach auch nicht, ob nicht doch noch ein Platz neben Ruki frei geworden war und hatte es deshalb einfach dabei belassen. Dennoch hatte ich irgendwie ein komisches Gefühl bei der Sache. Warum hatte Ruki mich nicht angesehen? Und warum hatte Aoi mich so seltsam angeschaut, als ich den Kaugummi angenommen hatte? Immerhin war es doch nur ein Kaugummi gewesen, also nichts Besonderes, oder? Manchmal verstand ich die beiden irgendwie nicht. Ich hielt Aoi eigentlich für ziemlich erwachsen, aber wenn er jetzt wegen so einer Kleinigkeit einen Aufstand machte, würde ich das ganz sicherlich nicht nachvollziehen können. Er war doch kein Kind mehr, das gleich eifersüchtig wurde, wenn sein Freund mal neben jemand anderem im Bus saß. Und ich hatte mich ja auch schon extra in den Zweier gesetzt, damit sich jemand von den beiden neben mich setzen konnte. Pech nur eben, dass es gerade Reita war. Das machte mich irgendwie unglaublich sauer. Als wir dann endlich an Aois und meiner Haltestelle angekommen waren, stiegen wir beide gemeinsam aus und ich winkte Ruki noch kurz zu, rief ein „bis morgen“ und stieg dann aus, zog die Kapuze meiner Jacke über den Kopf, weil es leicht zu nieseln begonnen hatte. Ich hasste Regen… „Ist irgendwas?“, fragte ich Aoi dann, als wir eine Weile einfach nur schweigend nebeneinander hergelaufen waren und er irgendwie die ganze Zeit in die andere Richtung geschaut hatte. Ich verstand sein Verhalten absolut nicht. War es denn wirklich wegen mir? „Was soll denn sein?“, fragte er zurück. „Na ja, du bist so komisch drauf. Wegen Reita?“ „Hai“, gab er gereizt zurück, „ich kann diese Type einfach nicht ausstehen. Er kotzt mich an! Allein seine Art schon! Ich mochte Punks sowieso noch nie so wirklich.“ Aber mit dieser Erklärung war ich nicht wirklich zufrieden. Was hatte ich denn dann damit zu tun? Normalerweise war Aoi nicht der Typ von Mensch, der seine schlechte Laune über andere an seinen Freunden ausließ. „Ach so“, antwortete ich jedoch trotzdem nur. Ich wollte jetzt keinen Streit und auch nicht weiter über das Thema diskutieren, denn das brachte sowieso nur Probleme mit sich. Das war gar nicht gut für mich… Dennoch gefiel mir dieses Schweigen nicht. Es machte mich irgendwie wütend, denn ich wusste schließlich nicht, was Aoi denn nun für ein Problem hatte! Ich hatte doch gar nichts mit diesem Punk zu tun! Und selbst wenn, warum störte es ihn denn so sehr? Immerhin war es doch meine Sache, mit wem ich rum hing. „Bis morgen dann“, verabschiedete er sich und umarmte mich nicht einmal mehr, ehe er in seine Straße einbog und hinter der Hecke verschwand, wie immer. Zunehmend wurde ich wütender und wütender. Warum stellte er sich denn so an? War es, weil ich nicht über meine Probleme reden wollte oder wirklich wegen Reita? Es war meine Sache, über was ich redete und über was nicht, da hatte sich keiner einzumischen. Auch nicht Aoi, obwohl er mein bester Freund war. Aber bei diesem Problem konnte er mir nicht helfen, wieso sollte ich es ihm also erzählen? Schnellen Schrittes und mit heruntergezogener Kapuze, damit mein Pony nicht nass wurde, lief ich nach Hause – gezwungenermaßen. Eigentlich wollte ich nicht nach Hause, weil ich wusste, was mich dort erwarten würde. Eine depressive Mutter und ein Haufen von leeren Alkoholflaschen. Meine Mutter hatte früher, bevor ich zur Welt gekommen war, viel getrunken. Eigentlich hatte ich es meinem Vater zu verdanken gehabt, dass sie mit dem Trinken aufgehört hatte, immerhin hatte er sie vom Alkohol weggeholt, doch ich konnte mir gut vorstellen, dass sie jetzt wieder damit anfangen würde, denn nun gab es niemanden mehr, der sie noch davon abhalten konnte. Ich war bei weitem zu schwach, mich gegen sie durchzusetzen, denn sie hatte einen starken Willen und griff auch schon mal zu irgendwelchen Gegenständen, um sie mir um die Ohren zu hauen. Bislang waren es nur Sachen wie Kissen oder Holzlöffel gewesen und war auch eigentlich nur dazu gedacht, mir eine kleine Lehre zu erteilen, wenn ich Mist gebaut hatte. Es war auch nie wirklich feste gewesen, gerade so, dass es ein paar Minuten lang schmerzte. Und ich wollte nicht wissen, wie sie drauf war, wenn sie getrunken hatte. Bisher hatte ich es noch nicht erleben müssen. Möglichst leise versuchte ich, die Tür aufzuschließen und schloss sie auch wieder in derselben Lautstärke, ehe ich schnell meine Schuhe auszog und meine Jacke über das Treppengeländer hängte. Meine Mutter saß wahrscheinlich im Wohnzimmer, ich hörte den Fernseher laufen und roch den Zigarettengestank, der schon bis durch die Tür drang. Und wie erwartet roch ich auch den Alkohol. Ich wollte einfach nur schleunigst nach oben in mein Zimmer, also schnappte ich mir aus der Küche noch ein trockenes Brötchen von Sonntagmorgen und machte mich dann auf den Weg nach oben, ebenfalls möglichst leise. Sie hatte mich wohl nicht gehört, was mich schon ziemlich erleichterte. Eigentlich hatte ich nie wirklich Angst vor meiner Mutter gehabt, obwohl sie schon oft sehr streng werden konnte. Aber jetzt war es irgendwie anders. Ich wusste selbst nicht genau, wieso eigentlich, aber ich wollte ihr nur noch so wenig wie möglich über den Weg laufen. Vielleicht wollte ich ihr aber auch einfach nur keine weiteren Probleme machen, weil sie eh schon genug davon hatte und blieb deshalb etwas fern von ihr. Meine Zimmertür schloss ich hinter mir ab, ich zog mir noch schnell eine andere Hose an, weil meine Jeans vom Regen etwas nass geworden war. Diese hängte ich dann über die Heizung und packte mich dann schwungvoll auf mein Bett, nahm den Laptop auf meinen Schoß und schaltete ihn ein. Bis ich dann endlich eingeloggt war und mein ICQ-Fenster sich öffnete, waren einige Minuten vergangen. Aber anschreiben wollte ich gerade niemanden so recht. Dann fiel mein Blick auf die Nummer auf meiner Hand. Sollte ich oder nicht? Ich zögerte, ehe ich dann doch auf die Schaltfläche ‚Kontakte finden und hinzufügen’ klickte und die neun Ziffern eingab. Ich wartete einen Moment, bis der PC mir anzeigte, dass er jemanden namens ‚SexPistol’ gefunden hatte. Aber er war nicht online. Also würde ich warten. © Kapitel 4: Zuhören ------------------ -4- Zuhören Es war schon recht spät am Abend und meine Mutter hatte bis jetzt noch immer nichts von sich hören lassen. Eigentlich war ich recht froh darüber, doch irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl bei der Sache. Und gerade, weil es schon so spät war, würde sie sicher nur noch wütender sein, wenn ich mich noch später erst blicken lassen würde. Wahrscheinlich wusste sie bis jetzt nicht mal, dass ich überhaupt hier war, immerhin war ich so leise gewesen, wie möglich. Plötzlich hörte ich ein mir vertrautes Geräusch von meinem ICQ, das mir anzeigte, dass mir jemand eine Nachricht geschrieben hatte. Ich öffnete das Fenster und entdeckte den Nickname der Person, die ich heute Mittag einfach nur aus Langeweile geaddet hatte. SexPistol (09:56 PM): So! SexPistol (09:58 PM): Jetzt hab ich dich! L'objet Dégoûtant (09:58 PM): Nein, ich hab dich! Und ich weiß noch immer nicht, wieso du mir deine Nummer gegeben hast… SexPistol (09:59 PM): Warum ich dir meine Nummer gegeben habe? Weiß ich nicht. Aber du wirktest so, als würdest du die brauchen ;) L'objet Dégoûtant (10:00 PM): Sehr witzig :P L'objet Dégoûtant (10:00 PM): Wieso? SexPistol (10:01 PM): Na, du hast dich so... neben der Spur befunden! Wie sonst zwar auch, aber diesmal etwas weiter als sonst und nicht so nahe dran... verstehst du? L'objet Dégoûtant (10:01 PM): Hey, du hast mich beobachtet…! L'objet Dégoûtant (10:01 PM): Na ja, mir ging’s heut scheiße… SexPistol (10:02 PM): Ich beobachte immer die Menschen um mich herum, auch, wenn ich nicht so aussehe. SexPistol (10:02 PM): Warum denn? L'objet Dégoûtant (10:03 PM): Mh, ist nicht so wichtig... zumindest nicht für dich… L'objet Dégoûtant (10:03 PM): Ich kenn dich doch gar nicht… SexPistol (10:04 PM): Du weißt wie ich heiße... reicht doch um zu reden? L'objet Dégoûtant (10:05 PM): Na ja, für mich braucht es eigentlich mehr, um anderen meine Probleme zu erzählen… L'objet Dégoûtant (10:05 PM): Selbst die, die ich besser kenne, wollen sie oft nicht hören. Eigentlich falsch, denn sie hatten ja gefragt... SexPistol (10:05 PM): Hm... Scheiß Einstellung... SexPistol (10:06 PM): Manchmal ist es einfacher, Menschen, die man nicht kennt seine Probleme anzuvertrauen, weil sie nicht unbedingt die Hintergründe kennen und das objektiv sehen. L'objet Dégoûtant (10:06 PM): Wow, hätte nicht gedacht, dass sowas wie du auch so ernste Worte ausspuckt… L'objet Dégoûtant (10:06 PM): Eigentlich kamst du mir immer vor, als würdest du dich nur über andere lächerlich machen… SexPistol (10:08 PM): Tu ich auch! Aber ist halt einfacher mit anderen über deren Probleme zu reden, damit man die eigenen übersehen kann! L'objet Dégoûtant (10:09 PM): Aber so einer wie du hat doch gar keine Probleme, oder? Ich meine, du hast viele Freunde, kennst jeden und unternimmst viel mit ihnen… L'objet Dégoûtant (10:10 PM): Und außerdem bist du doch bestimmt voll beliebt! Ich hatte immer irgendwie das Gefühl gehabt, dass ich etwas falsch machte. Deshalb ging ich auch nirgendwo mehr hin, weil ich dauernd nur das Gefühl hatte, dass ich unerwünscht war oder nicht geeignet für eine Party. Niemand befasste sich wirklich mit mir und ich saß dann immer nur daneben und trank und trank und hörte nicht mehr auf. Zumindest war das bis jetzt einmal so gewesen. Und nachher hatte ich dann erfahren, dass ich ziemlich peinliche Sachen gemacht haben musste. Wunderbar… SexPistol (10:12 PM): So einer wie ich? Ja, vielleicht kenne ich viele... aber von den meisten kenne ich nicht mal den Namen mehr. Das einzige, was ich mit denen unternehme, ist saufen, und das war’s auch. Wenn das Freundschaft ist, dann hab ich Freunde... L'objet Dégoûtant (10:13 PM): Aber wenigstens kennst du viele Leute und gibst dir auch mal den Tritt in den Arsch, raus zu gehen… Ich häng dauernd nur zuhause und meine einzigen Freunde nervt es. SexPistol (10:14 PM): Raus zu gehen... dazu treten mir nicht meine 'Freunde' in den Hintern... L'objet Dégoûtant (10:15 PM): Du säufst freiwillig? SexPistol (10:15 PM): Klar! SexPistol (10:15 PM): Ich saufe, weil’s wie gesagt einfacher ist. Weil es einfacher war? Das verstand ich nicht so recht. Wenn man trank, dann halste man sich doch nur noch mehr Probleme auf, oder nicht? Und man machte peinliche Sachen und machte sich lächerlich und … dachte nicht einen Moment lang über seine eigentlichen Probleme nach. L'objet Dégoûtant (10:16 PM): Mit anderen Worten, du versuchst, deine Probleme in Alkohol zu ertränken... L'objet Dégoûtant (10:16 PM): Aber davon wird doch nichts besser, oder? SexPistol (10:16 PM): Ich dachte, du glaubst nicht, dass jemand wie ich Probleme hat? SexPistol (10:16 PM): Aber du hast Recht… SexPistol (10:16 PM): Es wird nicht besser, jedenfalls nicht immer! Na also. Es wurde ja doch nicht besser. Man vergaß eben nur. Aber man vergaß und das war die Hauptsache… was war denn nun dran an der Sache? L'objet Dégoûtant (10:18 PM): Und warum trinkst du dann? L'objet Dégoûtant (10:19 PM): Deine Probleme gehen ja doch nicht weg… L'objet Dégoûtant (10:19 PM): Ich frage mich nur, was einer wie du für Probleme hat, dass er schon trinkt, damit es scheinbar einfacher ist… SexPistol (10:20 PM): Eigentlich könnte man das mit deiner Situation vergleichen. Ich trinke... und du verkriechst dich, damit du dich damit nicht beschäftigen musst. SexPistol (10:21 PM): Mir fällt nur immer auf, was für Probleme ich hab, wenn ich zuhause bin... L'objet Dégoûtant (10:21 PM): Zuhause? SexPistol (10:24 PM): Oder wie nennst du den Ort, an den du gekettet bist? SexPistol (10:24 PM): Und das nur, weil so Leute dich in die Welt gesetzt haben? L'objet Dégoûtant (10:25 PM): Das heißt, du magst dein Zuhause nicht? SexPistol (10:26 PM): Ich weiß nicht mal mehr, wie das geschrieben wird :P L'objet Dégoûtant (10:26 PM): Na ja, ich will nicht aufdringlich werden, wenn ich dich frage, was denn so schlimm an deinem Zuhause ist… L'objet Dégoûtant (10:26 PM): Du musst also nicht antworten! SexPistol (10:27 PM): Wenn ich es dir sage, sagst du mir, warum du heute so depri warst? Dann hatte man es also doch so sehr gemerkt? Ich hatte nicht wirklich realisiert, dass ich scheinbar mit einem deprimierten Gesicht durch die Gegend gelaufen war. Eigentlich hatte ich versucht, neutral zu schauen und mir nicht allzu viel anmerken lassen. Und vor allem hatte ich nicht darüber reden wollen… L'objet Dégoûtant (10:27 PM): Ich dachte, man würde es nicht merken... L'objet Dégoûtant (10:27 PM): Okay, ich sag es dir, aber vertrauen tu ich dir trotzdem nicht… L'objet Dégoûtant (10:27 PM): Nachher lachst du! SexPistol (10:28 PM): Ich bin weder blind, noch blöd, nur, weil ich blond bin.... SexPistol (10:28 PM): Und lachen werde ich nicht... höchstens, wenn du mir sagst, dass du kein Wachs mehr für deine Beine hattest und deshalb so pissig warst :D L'objet Dégoûtant (10:29 PM): Hey, ich wachse meine Beine nicht, ich rasiere sie! L'objet Dégoûtant (10:29 PM): Meinetwegen… L'objet Dégoûtant (10:29 PM): Erst du! SexPistol (10:30 PM): Ich mag mein Zuhause nicht… SexPistol (10:30 PM): Weil: SexPistol (10:31 PM): Ich hab eigentlich nur Streit mit meinen Eltern... Sie will viel von mir, erwartet, dass ich der Beste bin... und das kotzt mich an, weil sie früher nie so war. SexPistol (10:31 PM): Wir streiten viel… SexPistol (10:31 PM): Und deswegen bin ich auch selten zuhause. L'objet Dégoûtant (10:31 PM): Und dein Vater? SexPistol (10:31 PM): Ist vor einem Jahr abgehauen… dann sind wir hierher gezogen, war billiger! L'objet Dégoûtant (10:32 PM): Hm... L'objet Dégoûtant (10:32 PM): Und... wie gehst du damit um? SexPistol (10:32 PM): Ich saufe? L'objet Dégoûtant (10:32 PM): Hast du denn Kontakt zu ihm? SexPistol (10:32 PM): Ich wollte welchen. SexPistol (10:32 PM): Aber er hat ihn abgebrochen… L'objet Dégoûtant (10:32 PM): Sehr motivierend... SexPistol (10:33 PM): Er wollte keinen Sohn… SexPistol (10:33 PM): …von dieser Frau. SexPistol (10:33 PM): Also hat er mir gesagt, dass ich wegbleiben kann... weil sonst hätte er ja auch zuhause bleiben können... klingt auch logisch! Ich hatte nicht an sowas gedacht … aber eigentlich erschien es mir jetzt, nachdem ich es wusste, eigentlich für ganz natürlich. Irgendwie schon normal. Ich wusste selbst nicht, wieso, aber ich konnte mir schon recht gut vorstellen, wie es bei Reita zuhause ablief. Aber vorstellen wollte ich es mir dann doch besser nicht, denn das machte mich nur unsicherer. L'objet Dégoûtant (10:34 PM): Ich hoffe nur, dass ich sowas von meinem Vater nicht zu hören kriege… L'objet Dégoûtant (10:34 PM): Den hat meine Mutter gestern nämlich rausgeschmissen… SexPistol (10:34 PM): Ist n beschissenes Gefühl, sowas von dem Vater gesagt zu bekommen… L'objet Dégoûtant (10:35 PM): Ich kann's mir denken… SexPistol (10:35 PM): Und deshalb warst du also heute so depri? L'objet Dégoûtant (10:35 PM): Na ja, wenn man 18 Jahre lang nichts anderes gekannt hat, als fröhlichen Familienalltag und der Vater dann plötzlich nicht mehr da ist, weil er mit irgendwelchen anderen Weibern im Bett war... L'objet Dégoûtant (10:36 PM): Ja, dann ist das wohl der Grund. SexPistol (10:36 PM): Hm... Dann hat es dich schlimmer erwischt, als mich… L'objet Dégoûtant (10:36 PM): Wenn ich ehrlich bin, fände ich es schlimmer, vom Vater ungewollt zu sein… SexPistol (10:37 PM): Aber mein Vater und meine Mutter haben mir nicht die fröhliche Familie vorgespielt. L'objet Dégoûtant (10:37 PM): Ich weiß nicht, wie es hinter meinem Rücken war, da hast du Recht. L'objet Dégoûtant (10:38 PM): Aber eigentlich war immer alles in Ordnung... L'objet Dégoûtant (10:38 PM): Ich verstehe nicht, wieso mein Vater das getan hat! L'objet Dégoûtant (10:38 PM): Und jetzt trinkt meine Mutter... L'objet Dégoûtant (10:38 PM): Schon wieder… SexPistol (10:39 PM): Weil Männer schwanzgesteuert sind... schon immer so gewesen…! SexPistol (10:39 PM): Und deine Mutter trinkt wieder? Macht wahrscheinlich nichts anderes als ich auch... Probleme in Alk ertränken! Trinken, um zu vergessen…? Half das denn? Würde ich dann meine Probleme für eine Zeit lang vergessen können? … Bestimmt, ich würde nicht zuhause sein, ich würde nicht bei meiner Mutter sein und ich würde auch keine schrecklichen Dinge von meinem Vater zu hören bekommen. Ich wollte mir nicht vorstellen, was alles passieren konnte… Ob mein Vater jetzt auch so wurde, wie Reitas? SexPistol (10:40 PM): Sag mal… L'objet Dégoûtant (10:40 PM): Hm? SexPistol (10:40 PM): Hast du am Samstag Zeit? Was sollte denn jetzt die Frage? Wollte er damit schon wieder auf die Scheunenfete zurückkommen? Ich hatte bereits abgesagt, ich konnte doch jetzt nicht einfach mit ihm hingehen! Und überhaupt: ich kannte diesen Kerl doch noch nicht einmal! Und wer wusste schon, mit was für Typen der noch rum hing. Diese Gestalten am Bahnhof Samstag hatten schon ziemlich seltsam ausgesehen und dass er dabei gestanden hatte, war mir schon aufgefallen. Nur hatte ich ja gedacht, ich hätte mich verguckt. L'objet Dégoûtant (10:41 PM): Damit du mich zu dieser Fete schleppen kannst? Da, wo alle hingehen? L'objet Dégoûtant (10:41 PM): Ich weiß nicht... SexPistol (10:42 PM): Erstens schleppe ich dich nicht... bin ja nicht aus der Steinzeit! Und zweitens, ja, ich will, dass du mitkommst! L'objet Dégoûtant (10:42 PM): Ich weiß aber nie, was ich auf solchen Feten soll... und außerdem habe ich Aoi und Ruki schon abgesagt, da kann ich doch nicht einfach mit dir auftauchen... SexPistol (10:43 PM): Dann sag doch einfach Aoi und Ruki... hehe... dass du doch kommst und dann gehst du mit denen hin und kommst später zu uns… L'objet Dégoûtant (10:45 PM): Und… was ist daran anders, wenn ich zu euch komme? Ich meine, ich kann genauso gut mit Aoi und Ruki saufen, als mit dir, ist doch dasselbe... SexPistol (10:46 PM): Sicher? Wir sind aber nicht Aoi und Ruki... Gott sei dank... und es geht nicht NUR ums Saufen... es geht auch darum, mit wem man säuft... das kann schon geil werden mit uns... also überleg's dir...! L'objet Dégoûtant (10:47 PM): Was hast du denn gegen Aoi und Ruki? Sie sind in Ordnung... SexPistol (10:48 PM): Sicher sind die in Ordnung... nur sind die etwas... wie soll ich sagen...? Lächerlich? L'objet Dégoûtant (10:48 PM): Lächerlich?... Na gut, Ruki ist vielleicht manchmal etwas kindisch... SexPistol (10:50 PM): Nein, nein... SexPistol (10:50 PM): So meinte ich das nicht! SexPistol (10:50 PM): Erinnerst du dich nicht an die Sache im Zug? Wie die sich angestellt haben? SexPistol (10:51 PM): Und haben noch nicht mal nen anständigen Spruch rausgehauen...! L'objet Dégoûtant (10:52 PM): Na ja, Aoi ist eben nicht der Typ für solche... spontanen Sachen... L'objet Dégoûtant (10:52 PM): Ich fand’s eher lustig. L'objet Dégoûtant (10:52 PM): Denke ich… L'objet Dégoûtant (10:52 PM): Und Ruki mag dich nicht, das seh ich ihm an. L'objet Dégoûtant (10:52 PM): Aoi hat mir auch heute Mittag gesagt, dass er Punks wie dich nicht ausstehen kann. SexPistol (10:53 PM): Ja, genau das meine ich mit lächerlich... SexPistol (10:53 PM): Findest du das nicht auch? SexPistol (10:53 PM): Mich verurteilen, nur, weil ich ein Punk bin? Ich bin doch ein lieber, netter, junger Mann... L'objet Dégoûtant (10:54 PM): So schlimm kommst du mir doch auch gar nicht vor... ich weiß nicht, was Aoi hatte... vielleicht, weil du im Bus plötzlich neben mir gesessen hattest. L'objet Dégoûtant (10:54 PM): Wieso hast du das eigentlich gemacht? L'objet Dégoûtant (10:54 PM): Du warst doch so „begeistert“ von mir im Zug am Samstag… und außerdem kanntest du mich gerade mal ein paar Minuten… ich bin sowas gar nicht gewohnt… SexPistol (10:55 PM): Weil ich gehört hab, dass ihr ein Ticket hattet, warum sonst? Und du bist nicht halb so schlimm wie die beiden... L'objet Dégoûtant (10:56 PM): Hey, ich bin nicht schlimm... ich versuch ja schon, mich im Hintergrund zu halten. SexPistol (10:56 PM): Du gehörst in den Vordergrund... Also was ist? Kommst du am Samstag oder kommst du jetzt? Ich wusste nun ehrlich nicht, was ich davon halten sollte. Er wollte mich in den Vordergrund zerren? Aber ich war doch gar nicht der Typ dafür, im Rampenlicht zu stehen. Ich war viel zu normal und langweilig und hatte sowieso nichts zu bieten… wieso also wollte er denn so unbedingt mit mir dort hingehen? Ich verstand die Welt nicht mehr… L'objet Dégoûtant (10:57 PM): Gut, ich komme hin... und sage den beiden nachher einfach, dass ich nach Hause geh... wo treffen wir uns? L'objet Dégoûtant (10:57 PM): Ich mein, ich kenn die Hütte nicht... L'objet Dégoûtant (10:57 PM): Ich weiß nicht mal, wo ich hin muss! SexPistol (10:58 PM): Ich würde sagen, wir treffen uns einfach... ähm... SexPistol (10:59 PM): Bei den Toiletten? Die wirst du doch finden, oder? L'objet Dégoûtant (10:59 PM): Wenn mir vorher jemand zeigt, wo die sind... sicher! SexPistol (11:00 PM): Da hängt so ein ganz großes Schild... und da sind einmal ein Weibchen und ein Männchen aufgemalt... kann man nicht mal verfehlen... wirst du schon finden! L'objet Dégoûtant (11:00 PM): Okay… und wann? L'objet Dégoûtant (11:00 PM): Ich würde sagen noch vor 12, nachher erwischen sie uns, weil wir noch nicht so lang raus dürfen… SexPistol (11:01 PM): Bin ich dir etwa peinlich, wenn die uns erwischen? SexPistol (11:01 PM): Das juckt mich nicht, wenn uns irgendwer ans Bein pisst! SexPistol (11:01 PM): Wir treffen uns dann um 12 Uhr bei den Toiletten? L'objet Dégoûtant (11:02 PM): Okay… aber wenn man uns erwischt, wanderst du zur Station und ich wandere unauffällig nach Hause... SexPistol (11:02 PM): Ich würde sagen, dass wir die einfach mal unauffällig zusammenschlagen und das war’s... L'objet Dégoûtant (11:03 PM): Sowas macht ihr? Bullen schlagen? SexPistol (11:04 PM): Nein... ich doch nicht... kam auch nur einmal... oder zweimal vor... oder so... wenn ich mich recht entsinne… L'objet Dégoûtant (11:04 PM): Oh… okay… SexPistol (11:04 PM): :D SexPistol (11:04 PM): Mach dir mal keinen Kopf! L'objet Dégoûtant (11:04 PM): Uhm... na ja, ich versuch’s… SexPistol (11:04 PM): Viele von uns machen das nicht mehr. SexPistol (11:04 PM): Weil die schon vorbestraft sind... L'objet Dégoûtant (11:04 PM): Na ja, hätte mich sonst auch gewundert, wenn sie noch nicht nach euch fahnden… SexPistol (11:05 PM) : Ach was... die machen nur zu viel Terz um nichts... wir sind friedlich, wenn man uns in Ruhe lässt! L'objet Dégoûtant (11:05 PM): Wer ist überhaupt „wir“? SexPistol (11:06 PM): Saga, Sakito, Dai... und so weiter... L'objet Dégoûtant (11:07 PM): Dai? L'objet Dégoûtant (11:07 PM): Ist das nicht der Nazi? L'objet Dégoûtant (11:07 PM): Von dem dauernd alle reden? SexPistol (11:07 PM): Ähm... kann sein... soll’s ja geben... L'objet Dégoûtant (11:07 PM): Aber er ist Nazi... L'objet Dégoûtant (11:08 PM): Und du bist Punk... L'objet Dégoûtant (11:08 PM): Das verträgt sich? SexPistol (11:08 PM): Sicher verträgt sich das... bin unpolitisch... und was er macht, ist mir im Endeffekt egal... solange er mich in Ruhe lässt. Und ich lasse ihn auch in Ruhe... wir saufen nur zusammen und reden oberflächlich. L'objet Dégoûtant (11:09 PM): Hm... Ich hab's nicht so mit Nazis... SexPistol (11:10 PM): Er ist eigentlich ganz in Ordnung... und Parolen und sowas labert er auch nicht... lässt nur manchmal n paar dumme Sprüche, aber hey...! L'objet Dégoûtant (11:11 PM): Aber er ist nicht so faschistisch, oder? Ich meine, dass man sich die Haare abschneidet oder Hakenkreuze trägt, oder...? SexPistol (11:12 PM): Also, der Kerl liebt seine Haare... der wird einen Teufel tun und die abschneiden... der wäscht die sogar zweimal am Tag… mit verschiedenen Shampoos…und ein Hakenkreuz hatte er nur einmal… ist aber schon etwas länger her... glaub ich! L'objet Dégoûtant (11:13 PM): Hm, das Gerücht kenn ich... L'objet Dégoûtant (11:13 PM): Na ja, solange er mich damit in Ruhe lässt... SexPistol (11:13 PM): Wird er schon! L'objet Dégoûtant (11:14 PM): Gut, dann... sag ich den anderen morgen, dass ich doch mitkomme... L'objet Dégoûtant (11:14 PM): Hoffentlich finden sie es nicht seltsam oder so… SexPistol (11:14 PM): Ach kack doch drauf! L'objet Dégoûtant (11:15 PM): Na ja... sie sind sowas wie meine einzigen Freunde… L'objet Dégoûtant (11:15 PM): Ich weiß nicht, ob ich das einfach so leichtfertig sehen soll. SexPistol (11:16 PM): Hm, deine besten Freunde? Tolle Sache...! Und wieso redest du nicht mit denen über deine Probleme? L'objet Dégoûtant (11:17 PM): Sie haben mich danach gefragt, aber ich hab nicht geantwortet, weil sie mir sowieso nicht helfen können... sie haben das perfekte Familienleben und kennen sowas wie Schmerz in dieser Hinsicht nicht. SexPistol (11:18 PM): Verständlich. Hättest es ihnen aber doch trotzdem sagen können, oder nicht? Reden hilft schließlich meistens...! L'objet Dégoûtant (11:19 PM): Mit den richtigen Leuten, aber ich wollte nicht mit ihnen reden, weil sie auch nie mit mir reden... ich komme mir komisch dabei vor, ihnen immer zu erzählen, was mich beschäftigt, aber was sie selber beschäftigt, sagen sie mir nie... L'objet Dégoûtant (11:19 PM): Ich glaube, ich nerve sie nur damit. SexPistol (11:19 PM): Hm... Reden die wirklich nie mit dir? Das ist ganz schön arm... L'objet Dégoûtant (11:21 PM): Warum? Manche wollen es halt nicht, so, wie ich... ich weiß irgendwie auch nicht, wieso ich eigentlich mit dir rede...wenn ich ehrlich bin... aber sicherlich gehe ich ihnen nur auf die Nerven und dir bestimmt auch. SexPistol (11:25 PM): Also... ich rede eigentlich auch nur mit einer Person... auch, wenn er vor drei Jahren weggezogen ist. Wir schreiben uns regelmäßig... dabei kommen Briefe mit ner Länge von 4 bis 5 Seiten raus... und einem richtigen Freund kann man eigentlich auch nicht auf die Nerven gehen. Also, bei mir ist es nicht so... da kann ich dich beruhigen! L'objet Dégoûtant (11:26 PM): Das heißt, ich nerve dich nicht? L'objet Dégoûtant (11:26 PM): Das lässt sich leicht sagen... Richtig, das sagte man mir so oft. Ich wusste aber, dass ich vielen Leuten damit auf die Nerven ging, indem ich ihnen erzählte, was mir so auf dem Herzen lag. Und es waren nicht einmal richtige Probleme – zumindest konnte man das nicht so nennen. Aber irgendwie hatte ich bei ihm schon ein anderes Gefühl… SexPistol (11:28 PM): Nö, tust du nicht, ganz einfach. SexPistol (11:28 PM): Ob du mir jetzt glaubst, oder nicht, ist natürlich was anderes. L'objet Dégoûtant (11:28 PM): Vielleicht denke ich auch einfach nur zu viel nach... SexPistol (11:28 PM): Kann sein... SexPistol (11:29 PM): Aber ich würde nicht sagen, dass du mehr nachdenkst, als ich… SexPistol (11:29 PM): Vielleicht gehe ich nur anders mit der Situation um. L'objet Dégoûtant (11:29 PM): Wie meinst du das? SexPistol (11:31 PM): Na ja... du versuchst gerade, dich abzuschotten... willst niemanden mit deinem Problem belasten... aber auch alles andere bleibt auf der Strecke, weil du darin keinen Sinn siehst... SexPistol (11:31 PM): Ich bin anders. SexPistol (11:31 PM): Ich versuche, mich so gut es geht abzulenken…! SexPistol (11:31 PM): Und alles zu tun, damit ich nicht daran denken muss… und nicht dauernd depri deshalb zu sein! SexPistol (11:31 PM): Was nun die bessere Methode ist, das sei dahingestellt... L'objet Dégoûtant (11:32 PM): Meine Methode klappt nicht… SexPistol (11:32 PM): Dann probier eine andere aus! „Uruha!“ Ich erschrak, als ich plötzlich die schrille Stimme meiner Mutter hörte und schluckte hart. Ich wusste, wenn ich jetzt antwortete, würde sie nach oben kommen und mir die Tür eintreten. Zumindest konnte ich mir das gut vorstellen … immerhin war ich jetzt seit knapp neun Stunden zuhause und sie wusste nicht einmal davon…! Aber ich versuchte einfach, es noch zu ignorieren. L'objet Dégoûtant (11:33 PM): Ich muss jetzt gehen... sonst rastet meine Mutter aus... SexPistol (11:33 PM): Schlag zurück! L'objet Dégoûtant (11:34 PM): Bist du bescheuert? Dann holt sie erst recht das Nudelholz... SexPistol (11:34 PM): Dann nimm’ die Brechstange? SexPistol (11:34 PM): Aber das ist doch nicht ernst gemeint, oder? L'objet Dégoûtant (11:34 PM): Uhm, doch… L'objet Dégoûtant (11:35 PM): Schon... SexPistol (11:35 PM): ... SexPistol (11:35 PM): Dann... schlägt sie dich? L'objet Dégoûtant (11:35 PM): Na ja… L'objet Dégoûtant (11:35 PM): Nur, wenn sie getrunken hat… SexPistol (11:35 PM): Wie lange schon? L'objet Dégoûtant (11:37 PM): Na ja... als mein Vater noch da war, hat sie immer nur mit der Hand zugeschlagen oder mit Kissen oder nem Holzlöffel... aber einmal, als mein Vater eine Woche nicht da war und sie sich betrunken hat, hat sie mir eine Flasche hinterher geschmissen… L'objet Dégoûtant (11:37 PM): Sie hat meinen Kopf nur knapp verfehlt… L'objet Dégoûtant (11:38 PM): Ich weiß nicht, warum ich mich nicht wehre… L'objet Dégoûtant (11:38 PM): Vielleicht, weil sie schon genug Probleme hat und ich nicht auch noch welche machen will. L'objet Dégoûtant (11:38 PM): Ich lass es dann einfach über mich ergehen... SexPistol (11:38 PM): Und das findest du okay so? SexPistol (11:39 PM): Wenn das so weiter geht, macht sie nicht nur ihr Leben, sondern auch das von dir kaputt... Wieder schrie meine Mutter nach mir, langsam bekam ich wirklich Angst. Dann hörte ich Schritte auf der Treppe, ich bekam es nun wirklich mit der Panik zu tun. Schnell schrieb ich noch einige Sätze, ehe ich meinen Laptop ausschaltete, ohne überhaupt alle anderen Programme zu schließen. L'objet Dégoûtant (11:39 PM): Hey, ich muss wirklich off, sie schreit nach mir… L'objet Dégoûtant (11:39 PM): Wir sehen uns morgen! L'objet Dégoûtant (11:39 PM): Bai! Und als hätte ich es geahnt, wurde heftig an meiner Türklinke gerüttelt, bis schon der Schlüssel aus dem Schloss fiel. Wenn ich aufmachte, würde sie mir wahrscheinlich ein paar ziemlich schmerzhafte, blaue Flecken verpassen. Wenn ich nicht aufmachte, würde ich diese spätestens am nächsten Morgen kriegen… So ging ich langsam zur Tür und steckte den Schlüssel wieder ins Schloss, zögerte jedoch noch, ihn umzudrehen. „Uruha, mach’ sofort deine verdammte Tür auf, oder ich trete sie ein!“ Mit einem Mal drehte ich den Schlüssel um und ging einige Schritte zurück, lehnte nun an der Wand. Dann kam sie auf mich zu, hielt eine leere Bierflasche in der Hand und ehe ich mich versah, traf sie mit einem ekelhaften Geräusch gegen meine Wange… © ~*~*~*~*~*~ Und an dieser Stelle ein dickes DANKE an meine Freundin ReiRei, die sich geopfert hat, in die Rolle des Reita beim ICQ - Gespräch zu schlüpfen^^ *KISS* Danke, mein Hase ^^ Baibai, das Uru-chan (cuTevOmiT) Kapitel 5: Von Angst und Verwirrung ----------------------------------- -5- Von Angst und Verwirrung Den ganzen Tag lang hatte ich nun schon auf meinem Zimmer gesessen und mir ein mittlerweile schon warm gewordenes Kühlkissen ans Auge gehalten. Ich hatte meiner Mutter nicht erzählt, was sie am Vorabend angestellt hatte. Eigentlich hatte ich auch niemandem sonst davon erzählt. Aoi und Ruki hatten versucht, mich auf meinem Handy anzurufen, denn zu Hause bei mir riefen sie wegen meinem Vater nie an. Er hatte es noch nie gemocht, wenn irgendwelche meiner Freunde bei uns zu Hause anriefen. Deshalb kannte jeder nur meine Handynummer – zumindest jeder, der sie kennen wollte. Ruki hatte ich noch zugesagt, am Nachmittag vorbei zu kommen, um für eine Chemieklausur zu lernen. Wunderbar, ich würde viel Schminke brauchen, um meine blauen Flecken überschminken zu können… Ich hatte noch immer nichts gegessen, seit ich gestern von der Schule gekommen war. Mein Magen knurrte unaufhörlich, aber ich hatte mich einfach nicht herunter gewagt, um mir etwas zu essen zu machen. Sie hatte mich am Morgen zuhause gelassen, weil ich ihr erzählt hatte, dass ich in der Schule eine Treppe herunter gefallen war. Warum sie das nicht schon am Nachmittag gesehen hatte, hatte sie nicht gefragt. Sie war zu betrunken gewesen. Und nun trank sie wahrscheinlich schon wieder. Nun saß ich schon seit geschlagenen elf Stunden vor meinem PC – ohne Essen, ohne Trinken und ohne, dass irgendwer online war. SexPistol (04:16 PM) : Bist du da? Wieso war er denn schon online? Hatte er so früh Schulschluss? Konnte gar nicht sein, immerhin hatte Aois Freundin ja erst um fünf Uhr aus… und die war schließlich in Reitas Klasse. Soweit ich wusste. L'objet Dégoûtant (04:16 PM): Körperlich schon, ja... SexPistol (04:17 PM): Reicht auch schon... weil das warst du im Bus heut nicht... L'objet Dégoûtant (04:17 PM): Nein, nicht wirklich und ich wäre lieber im Bus, als hier gewesen. Das entsprach sogar ausnahmsweise mal der Wahrheit. Wieso sagte ich ihm eigentlich immer die Wahrheit? Ich wunderte mich schon über mich selbst, denn immerhin hatte ich nicht einmal Aoi oder Ruki erzählt, dass ich gerade lieber wo anders sein wollte, als zuhause… SexPistol (04:18 PM): Warum warst du's dann nicht? L'objet Dégoûtant (04:18 PM): Weil ich so nicht rausgehen wollte... und außerdem tut mir sowieso alles weh… SexPistol (04:18 PM): Warum nicht? Und warum tut dir was weh...? Gott, der stellte Fragen … aber wieso wollte er das alles wissen? Er hatte doch gar nichts mit mir zu tun … und so ein großes Interesse an meiner minderwertigen Person konnte er doch gar nicht haben! L'objet Dégoûtant (04:19 PM): Na ja, alles... aber immerhin brauche ich jetzt keinen blauen Lidschatten mehr zu benutzen für die nächsten paar Tage. SexPistol (04:20 PM): Also, wenn ich richtig kombiniere, dann hast du ein blaues Auge? L'objet Dégoûtant (04:20 PM): Ja. L'objet Dégoûtant (04:20 PM): Nicht nur das Auge ist blau… SexPistol (04:20 PM): Und wo hast du das her? Was ist denn noch blau? L'objet Dégoûtant (04:21 PM): Rot und blau und grün... meine ganze Brust, meine Wange, mein Auge... irgendwie alles... L'objet Dégoûtant (04:21 PM): Na ja, geht schon wieder weg. L'objet Dégoûtant (04:21 PM): Halb so schlimm… SexPistol (04:21 PM): Und wo hast du die ganzen Blutergüsse her? Nein, das wollte ich ihm nicht auch noch erzählen… immerhin ging es ihn nichts an, was ich machte! Oder was meine Mutter machte… Und außerdem kannte ich ihn gerade mal einen Tag. Warum also hatte ich das Gefühl, dass ich ihm vertrauen konnte? Vielleicht, weil er ein Fremder war und mit dem Wissen über mich noch nicht so viel anfangen konnte, wie andere? Vielleicht, weil er nicht so viel wusste, wie andere? Er war ein Fremder und konnte daher die Situation wohl besser beurteilen, als beispielsweise Aoi, der Hintergrundwissen hatte und meine Eltern bereits kannte. Und anders kannte, als ich es tat, denn immerhin war er nicht ihr Sohn… L'objet Dégoûtant (04:22 PM): Uhm... von... also ich bin hingefallen… L'objet Dégoûtant (04:22 PM): Fiese Holztreppe! L'objet Dégoûtant (04:22 PM): Gerade gewischt… SexPistol (04:22 PM): Sag mal... ich bin nicht blind und auch nicht blöd, nur, weil ich blond bin... L'objet Dégoûtant (04:22 PM): Ist das dein Standartspruch? SexPistol (04:23 PM): Jep. SexPistol (04:23 PM): Rück raus jetzt. SexPistol (04:23 PM): Ich warte. L'objet Dégoûtant (04:23 PM): Da gibt's nicht viel zu sagen... außer, dass Bierflaschen fiese, blaue Flecke verursachen. SexPistol (04:24 PM): Ach... ne Bierflasche hat also das Laufen gelernt und hat dich angegriffen? L'objet Dégoûtant (04:24 PM): Ja! SexPistol (04:24 PM): Wie gesagt... ich bin nicht blöd... also nimm’s mir nicht übel, wenn ich es dir einfach mal nicht glaube… L'objet Dégoûtant (04:25 PM): Die Bierflasche heißt meine Mutter... SexPistol (04:25 PM): Deine Mutter geht mit ner Bierflasche auf dich los? SexPistol (04:25 PM): Und schlägt dich damit? Ich wusste, dass ihm das komisch vorkommen würde. Ich hatte schon so eine Ahnung gehabt, deshalb hatte ich nichts sagen wollen. Er würde es nicht verstehen, er würde nicht verstehen, warum ich mich nicht gewehrt hatte… L'objet Dégoûtant (04:26 PM): Tja, ihr war gestern wohl danach. L'objet Dégoûtant (04:26 PM): Wieso bist du eigentlich schon so früh online? SexPistol (04:27 PM): Weil ich Kopfschmerzen hatte und mich in der Schule fast übergeben hab... also bin ich nach Hause… SexPistol (04:27 PM): Und warum hast du dich nicht gewehrt? Diese Frage hatte kommen müssen. Und ich würde auch nicht weiter darauf eingehen, denn die Gründe würden für einen jeden, der mich nicht kannte – der meine Mutter nicht kannte – unverständlich sein. Ich konnte dieser Frau nicht wehtun, weil sie sowieso schon eine gebrochene Frau war. Früher, vor meinem Vater, hatte sie ein erbärmliches Leben gehabt, von dem sie mir nie wirklich viel hatte erzählen wollen. Aber ich hatte viel herausgefunden: dass sie Prostituierte gewesen sein sollte, dass sie angeblich geschlagen worden war… Und sie tat mir leid. Sie hatte getrunken, hatte Drogen genommen, um sich besser, stärker zu fühlen. Und ohne meinen Vater war sie eine schwache Frau, die nichts auf die Reihe bekam. Nun war mein Vater weg und wir beide allein, ich würde das Ventil sein, würde die Rolle meines Vaters übernehmen… auf eine andere Art und Weise. L'objet Dégoûtant (04:27 PM): Hm, ach so... hoffe, es geht dir bald besser. Wirst du denn krank? SexPistol (04:27 PM): Nein, ich hab nur zu viel gesoffen... und du hast mir nicht geantwortet. L'objet Dégoûtant (04:27 PM): Wann hast du denn gesoffen? SexPistol (04:28 PM): In der 20er und in der 25er Pause… L'objet Dégoûtant (04:29 PM): In der Schule? Bist du verrückt?! Die geben dir doch nen Verweis, wenn die dich erwischen... haben die den Alkohol nicht gerochen? SexPistol (04:30 PM): Wie gesagt, war in den Pausen und ich hatte eh nur Sport und Japanisch... der Lehrer checkt sowieso nix und einen Verweis würden sie mir nicht geben! L'objet Dégoûtant (04:30 PM): Hm... SexPistol (04:30 PM): Und du hast mir immer noch nicht geantwortet… Dann musste ich es ihm wohl erklären, er schien ja nicht locker zu lassen. Langsam wunderte ich mich wirklich über mich selbst. So viel hatte ich einem einzelnen Menschen noch nie auf einmal von mir erzählt. Und so viel hatte ein einzelner Mensch auch noch nie von mir wissen wollen… Seltsam. L'objet Dégoûtant (04:31 PM): Ich hab mich nicht gewehrt, weil ich ihr nicht wehtun will. L'objet Dégoûtant (04:31 PM): Sie hat genug Probleme. SexPistol (04:31 PM): Aber dir darf sie wehtun, oder wie? L'objet Dégoûtant (04:31 PM): Ich bin nur ihr Sohn, sie hat immer noch das Erziehungsrecht... L'objet Dégoûtant (04:31 PM): Und mein Vater kann sie ja jetzt auch nicht mehr beeinflussen. L'objet Dégoûtant (04:31 PM): Ich weiß nicht mal, wo der steckt… L'objet Dégoûtant (04:31 PM): ... L'objet Dégoûtant (04:31 PM): Meldet sich nicht… SexPistol (04:32 PM): Aber du hast auch ein Recht auf ne gewaltfreie Erziehung... und wenn dein Vater nicht hilft, dann musst du dir selber helfen! L'objet Dégoûtant (04:32 PM): Ich werde ihr nicht wehtun. L'objet Dégoûtant (04:32 PM): Dann schickt sie mich in eine Anstalt... SexPistol (04:33 PM): Warum sagst du's ihr nicht? Sag ihr, dass du es nicht leiden kannst, dass sie trinkt und so weiter... Und warum sollte sie dich in ne Anstalt stecken? Die braucht selber eine! L'objet Dégoûtant (04:34 PM): Ich glaube, ich werde sie in meinem Leben nicht mehr nüchtern erleben. Und notfalls würde sie mich auch auf die Straße setzen, wenn ich mich wehren würde... L'objet Dégoûtant (04:34 PM): Das hat sie mir gestern alles an den Kopf geworfen. SexPistol (04:35 PM): Dann solltest du gehen... weil, was würde es dir bringen, sich das weiter anzutun? L'objet Dégoûtant (04:36 PM): Ich weiß nicht, wo ich hin soll! Zu meinem Vater kann ich nicht, weil ich nicht mal weiß, wo er steckt und in ein Heim will ich nicht... und wenn ich eine eigene Wohnung wollte, wüsste ich nicht, wie ich sie bezahlen sollte. Ich kriege weder Taschengeld mehr, noch hab ich einen anständigen Job und in meinem Alter würde meine Mutter mir sowieso noch keine eigene Wohnung geben... SexPistol (04:37 PM): Und was ist mit diesem Aoi und mit Ruki? Würden sie dir nicht helfen? Sie sind doch deine Freunde, oder? L'objet Dégoûtant (04:38 PM): Sie wissen ja nicht mal, was hier abgeht... SexPistol (04:38 PM): Warum sagst du es ihnen nicht? L'objet Dégoûtant (04:39 PM): Weil es mir peinlich ist... Sie haben das perfekte Familienleben und sind auch von mir nichts anderes gewohnt… SexPistol (04:39 PM): Sind aber immernoch deine Freunde, oder? Was wären die für Freunde, wenn sie dir da nicht helfen würden? Er hatte Recht. Ich wusste, dass er Recht hatte, aber dennoch konnte ich mit ihnen nicht reden. Aus irgendeinem Grund wollte ich einfach nicht. Vielleicht, weil ich ihnen einfach zeigen wollte, dass es verletzend war, wenn man nichts mehr von seinen Freunden erfuhr? Dass man sich verarscht vorkam, wenn man dauernd nur aus seinem Leben erzählte und man einem dann nicht einmal zuhörte? Dass es unfair war, jemanden derart im Unwissen über die eigene Situation zu lassen? Ruki lächelte immer, aber dennoch trug er etwas auf dem Herzen, das konnte ich spüren. Ich wusste, dass etwas nicht mit ihm stimmte, aber er redete einfach nicht mit mir! Und das war verdammt noch mal verletzend… L'objet Dégoûtant (04:41 PM): Ich glaube nicht, dass sie das sonderlich interessieren würde und glauben würden sie mir auch nicht, sie kennen meine Mutter... SexPistol (04:41 PM): Ist aber traurig, dass sie einem Freund nicht glauben… L'objet Dégoûtant (04:42 PM): Sie glauben mir vieles nicht... sie denken, andere hätten schlimmere Probleme. L'objet Dégoûtant (04:42 PM): Zum Beispiel, dass mit mir keiner was zu tun haben wollte… L'objet Dégoûtant (04:42 PM): Sie meinten, sie als Freunde würden doch reichen, mich müsse ja nicht jeder mögen. L'objet Dégoûtant (04:43 PM): Und deshalb sage ich ihnen lieber nicht zu viel. L'objet Dégoûtant (04:43 PM): Sie sind die einzigen, die ich habe… Tja, das war ebenfalls nicht gelogen. Sie waren wirklich die einzigen, waren diejenigen, mit denen ich die gesamten 6 Jahre auf dieser Schule verbracht hatte. Ich hatte nie jemand anderen gehabt. Und nun kam so ein Punk daher, der sich auch noch als besserer Gesprächspartner als Aoi herausstellte und der sogar Verständnis für meine Probleme hatte? SexPistol (04:43 PM): Und sowas nennst du Freunde? L'objet Dégoûtant (04:43 PM): Immerhin befassen sie sich mit mir... SexPistol (04:44 PM): Und trotzdem geht’s dir scheiße… L'objet Dégoûtant (04:44 PM): Ich komm schon zurecht! L'objet Dégoûtant (04:44 PM): Ich will nur so wenig wie möglich zu Hause sein… L'objet Dégoûtant (04:44 PM): Aber sie will mich nicht rauslassen… L'objet Dégoûtant (04:45 PM): Ich hab ihr gesagt, ich wäre wirklich die Treppe runter geflogen und da wollte sie, dass ich zuhause bleibe… L'objet Dégoûtant (04:45 PM): Sie konnte sich nicht erinnern… L'objet Dégoûtant (04:45 PM): Besser so… SexPistol (04:45 PM): Dann komm am Wochenende mit mir feiern... dann kannst du von zuhause weg und wir feiern durch! Nun war es auch schon das ganze Wochenende… und ich wusste so gar nicht, ob ich Lust darauf hatte. Mir war es lieber, ich würde irgendwo bei meinen Freunden sitzen – also Aoi oder Ruki – und einfach nur bei ihnen sein. Oder bei ihm…? L'objet Dégoûtant (04:45 PM): Ich hab nichts zu feiern… L'objet Dégoûtant (04:45 PM): Ich will nur raus… L'objet Dégoûtant (04:46 PM): Zu Freunden oder so... SexPistol (04:46 PM): Feiern braucht doch keinen Anlass...! SexPistol (04:46 PM): Feiern ist ablenken! L'objet Dégoûtant (04:46 PM): Meinst du, das ist besser als das, was ich tue? Mich verstecken? SexPistol (04:47 PM): Natürlich, immerhin musst du dich zuhause verstecken. SexPistol (04:47 PM): Und von da willst du doch raus… SexPistol (04:47 PM): Ich kenne eine menge Clubs, wo man coole Leute trifft und wo man einfach mal abschalten kann... mach ich auch ständig! L'objet Dégoûtant (04:48 PM): Und was sage ich meiner Mutter? SexPistol (04:48 PM): Dass du bei einem Freund pennst? SexPistol (04:48 PM): Die muss doch nicht alles wissen… Also bot er sich doch an, dass ich bei ihm schlafen konnte? Nun war ich mir schon gar nicht mehr so sicher. Sollte ich wirklich bei jemandem schlafen, den ich nicht einmal richtig kannte? Dessen Freunde wohlmöglich alles Alkoholiker, Drogensüchtige und Nazis waren? Dennoch, das komische Gefühl schien sich gerade in Luft aufzulösen. Vielleicht war ich ja unter diesen Leuten etwas? Vielleicht waren sie ja anders als die, die mich schon kannten? Die wussten, wie langweilig ich war? Ich würde vielleicht noch einmal ganz von vorn anfangen können, würde zeigen können, dass in mir eine andere Seite steckte, die sich nur nicht an die Oberfläche traute – aus Angst, die anderen würden sich darüber lustig machen. Aber diese anderen kannten mich. Seine Freunde kannten mich nicht. ER kannte mich nicht. Sollte ich es also versuchen? Fragen kostete ja nichts… L'objet Dégoûtant (04:49 PM): Ich kann bei dir pennen? SexPistol (04:49 PM): Sicher... wenn meine Eltern nicht da sind. SexPistol (04:49 PM): Beziehungsweise meine Mutter mit ihrem neuen Lover… L'objet Dégoûtant (04:49 PM): Na ja, ich will keine Umstände machen… SexPistol (04:50 PM): Nein, du machst keine Umstände! SexPistol (04:50 PM): Selbst, wenn die doch da sind, dann machen wir einfach durch… SexPistol (04:50 PM): Wir brauchen keinen schlaf! L'objet Dégoûtant (04:50 PM): Ich schlafe auch so nicht mehr, weil ich Angst hab, dass sie nachts reinkommt… L'objet Dégoûtant (04:50 PM): Obwohl ich abschließe… SexPistol (04:51 PM): Wenn du schon so Angst hast, dann solltest du wirklich raus… SexPistol (04:51 PM): Wir machen das Wochenende was zusammen... beschlossene Sache. L'objet Dégoûtant (04:51 PM): Gott, wenn Aoi das rauskriegt, hasst er mich... Da war ich mir eigentlich ziemlich sicher. Er hatte nicht gerade danach ausgesehen, als würde er Reita mögen. Und ganz sicher würde er nicht begeistert sein, wenn er mich mit diesen Punks auf der Party sah. Ich hatte immerhin erst abgesagt und nun würde ich mich sogar schon mit zwei Cliquen treffen… SexPistol (04:52 PM): Ach Aoi... wenn der dich wegen sowas hasst, dann ist er echt n Kind... SexPistol (04:52 PM): Und außerdem lernst du neue Leute kennen! L'objet Dégoûtant (04:53 PM): Ich hab immer Angst, neue kennen zu lernen... weil ich immer sofort denke, dass sie mich genauso dumm finden wie meine Klassenkameraden... SexPistol (04:53 PM): Scheiß auf die Schule! SexPistol (04:53 PM): Da sind eh alle dumm! SexPistol (04:54 PM): Die Leute wirst du schon mögen, und die dich auch. SexPistol (04:54 PM): Da bin ich mir sicher! L'objet Dégoûtant (04:54 PM): Okay... treffen wir uns dann irgendwo? Abholen wäre schlecht, wenn meine Mutter dich sieht, sitze ich gleich auf der Straße... L'objet Dégoûtant (04:54 PM): Die konnte meine Freunde noch nie ausstehen. SexPistol (04:55 PM): Kann ich mir bei Ruki und Aoi vorstellen… SexPistol (04:55 PM): Sicher können wir uns treffen! SexPistol (04:55 PM): Wo? L'objet Dégoûtant (04:56 PM): Hm... Na ja, beim Bus? Nach der Schule? Ich hab früher aus als die anderen beiden, weil mein letzter Kurs entfällt… Und das war auch gut so. Normalerweise wartete ich dann immer, aber ich würde ihnen schon irgendwie erklären, dass ich noch etwas zu tun hatte oder so. Ich konnte also nur hoffen, dass sie mich trotzdem nicht mit Reita sahen… L'objet Dégoûtant (04:56 PM): Wann hast du denn aus? SexPistol (04:56 PM): Ich richte mich nach dir! L'objet Dégoûtant (04:57 PM): Hey, schwänz nicht wegen mir! SexPistol (04:57 PM): Ich schwänze nicht... das ist für einen guten Zweck! SexPistol (04:57 PM): Ist ein Unterschied! L'objet Dégoûtant (04:58 PM): Uhm... okay... L'objet Dégoûtant (04:58 PM): Ich hab nach der 4. aus. SexPistol (04:59 PM): Gut. SexPistol (04:59 PM): Dann treffen wir uns nach der 4. an der Bushaltestelle! L'objet Dégoûtant (04:59 PM): Okay... L'objet Dégoûtant (05:00 PM): Wie geht's dir eigentlich? Immer noch Kopfschmerzen? SexPistol (05:00 PM): Nö, mir geht’s bestens! Ich hab mir vier Tabletten reingepfiffen… L'objet Dégoûtant (05:00 PM): Das ist aber nicht gut... L'objet Dégoûtant (05:00 PM): Sagt deine Mutter eigentlich nichts dazu? L'objet Dégoûtant (05:01 PM): Sorry, wenn ich frage... SexPistol (05:01 PM): Was soll meine Mutter sagen? Ihr neuer Freund lässt sie ja nicht zu Wort kommen… L'objet Dégoûtant (05:02 PM): Oh... L'objet Dégoûtant (05:02 PM): Na ja, ich kann nie viel zu sowas sagen... L'objet Dégoûtant (05:02 PM): Aber ist sie denn nicht sauer? Oder ihr Freund? SexPistol (05:03 PM): Ihr Freund beschimpft mich... ist mir aber egal... und sie bittet andauernd im Stillen, dass ich aufhören soll... aber das juckt mich nicht... sie kümmert sich nicht um mich und nimmt mich auch nicht in Schutz... von daher… L'objet Dégoûtant (05:04 PM): Der Kerl nimmt sich raus, dich zu beschimpfen? L'objet Dégoûtant (05:04 PM): Was sagt der denn dann? SexPistol (05:04 PM): Also… Viel, wenn der Tag lang ist... von „Nichtsnutz“ bis hin zu „Kopie deines Vaters“ hat er alles gebracht. Der hat auch nur gesoffen. Ich wollte nicht einmal darüber nachdenken, wie es wohl bei uns werden könnte. Ich sah bereits kommen, dass meine Mutter genauso einen Säufer wie sie selbst anschleppte, der sie nicht aus diesem tiefen Loch herausholte, sondern sich wahrscheinlich noch mit seinem ganzen Gewicht hinter ihr her stürzen würde, sie immer weiter mit in die Tiefe reißen würde… Und mich ebenso… L'objet Dégoûtant (05:05 PM): Arschloch… L'objet Dégoûtant (05:06 PM): Hoffentlich schleppt meine Mutter nicht auch sowas an... SexPistol (05:06 PM): Das hoffe ich auch für dich. L'objet Dégoûtant (05:07 PM): Tut mir echt Leid... L'objet Dégoûtant (05:07 PM): Ich weiß nie, wie ich anderen helfen soll bei solchen Sachen… SexPistol (05:08 PM): Schon okay, mach dir mal keinen Kopf... ich geb mir nachher wieder die Kante und damit hat sich das! L'objet Dégoûtant (05:09 PM): Hey, mach das nicht... L'objet Dégoûtant (05:09 PM): Nachher wird der Freund deiner Mutter nur wieder sauer... SexPistol (05:10 PM): Soll er doch... ist ja nicht mein Blutdruck. L'objet Dégoûtant (05:11 PM) : Du bist schon irgendwie komisch... L'objet Dégoûtant (05:11 PM): Aber ich mag dich! Sowas hatte ich noch nie zu jemandem gesagt, den ich gerade mal einen Tag lang kannte. Nicht einmal zu Aoi hatte ich das jemals gesagt, weil ich Angst hatte, ihn damit zu sehr an mich zu binden. Je mehr ich anfing, Menschen zu mögen, desto schwieriger wurde es, wieder von ihnen los zu kommen. Und es war ja jetzt schon schwer, Aoi und Ruki am Samstag einfach so zu versetzen… L'objet Dégoûtant (05:11 PM): Ich weiß gar nicht, was Aoi hat... SexPistol (05:12 PM): Ich weiß es auch nicht... dabei bin ich doch so lieb! ...aber mir kommt der eh ziemlich oberflächlich vor. L'objet Dégoûtant (05:13 PM): Ich glaub, er weiß selbst nicht genau, wieso er so reagiert hat... SexPistol (05:14 PM): Tja... dann sollte er sich das mal überlegen... L'objet Dégoûtant (05:14 PM): Na ja, ich muss auf jeden Fall jetzt gleich gehen, Ruki hat gefragt, ob ich heute noch Zeit habe, um für Chemie zu lernen... L'objet Dégoûtant (05:14 PM): Ich werde viel Make-up brauchen… SexPistol (05:15 PM): Mach das... Aber ich denke trotzdem, dass du mit ihm reden solltest... L'objet Dégoûtant (05:15 PM): Ich versuch's... L'objet Dégoûtant (05:15 PM): Also bis morgen dann (hoffentlich)! SexPistol (05:16 PM): Das „hoffentlich“ streich mal... SexPistol (05:16 PM): Klar sehen wir uns morgen! L'objet Dégoûtant (05:16 PM): Wenn ich dann wieder richtig atmen kann, ohne dass es weh tut… L'objet Dégoûtant (05:16 PM): Sicher! SexPistol (05:16 PM): Das kommt schon! SexPistol (05:17 PM): Aber es kotzt mich immer noch an, dass sie das gemacht hat… L'objet Dégoûtant (05:17 PM): Sie kann ja selber nicht dafür, sie muss ihren Frust irgendwo auslassen… L'objet Dégoûtant (05:17 PM): Aber ich hab jetzt wirklich keine Zeit mehr, sorry! L'objet Dégoûtant (05:17 PM): Bis morgen! L'objet Dégoûtant (05:17 PM): Baibai!! SexPistol (05:17 PM): Schon klar... SexPistol (05:17 PM): Bis morgen dann! SexPistol (05:17 PM): Baibai! Ich schaltete mein ICQ aus, es folgte der Laptop selbst und schließlich stand ich von meinem Bett auf, um mir ein paar halbwegs annehmbare Klamotten rauszusuchen. Ich zog mir schließlich eine Jeans und ein einfaches, schwarzes Shirt mit engem Kragen an, ging dann zum Spiegel und packte das Make-up aus. Ich tat mir recht viel davon auf den Finger und rieb es über die blauen und roten Stellen in meinem Gesicht, jedoch mit äußerster Vorsicht, denn es tat noch immer ziemlich weh. Bis alles gleichmäßig verteilt war, hatte ich gerieben, doch mein Gesicht schien unter der dicken Schicht nur noch röter geworden zu sein. Ich griff nach dem Puder und mattierte meinen Teint, verteilte alles gut, sodass auch keine Ränder blieben. Schließlich sah man die meisten Stellen nur noch halb so deutlich bis gar nicht mehr. War eben doch eine gute Make-up-Marke. Nachdem ich mir noch schnell etwas Kajal draufgemacht hatte, zog ich meine Schuhe an und schnappte meinen Rucksack, in dem sich schon die fertig eingepackten Chemiesachen befanden, die ich brauchen würde. Ich zögerte erst, als ich den Schlüssel in der Tür berührte, drehte ihn dann schließlich doch um und öffnete leise meine Zimmertür. Ich vernahm kein Geräusch von unten, was mich irgendwie schon mal beunruhigte. So leise wie möglich schlich ich mich nach unten, schaute kurz um die Ecke, um festzustellen, dass meine Mutter eingeschlafen war und nun auf dem Sofa lag, vor dem zwei Bierflaschen standen und auf dem Tisch noch einmal ein Glas Schnaps neben den Zigaretten und dem vollen Aschenbecher. Ich rümpfte angeekelt die Nase, ehe ich mich wieder umdrehte und zur Haustür ging, aus deren Schloss ich den Schlüssel zog, um ihn mitzunehmen. Dann öffnete ich die Tür und verließ die schlichte Doppelhaushälfte, lief den kurzen, schmalen Weg durch den Vorgarten entlang und öffnete das kleine Gartentor, ließ es einfach offen stehen, da es sowieso nie abgeschlossen war. Ich würde die relativ weite Strecke ausnahmsweise laufen, obwohl ich ja eigentlich auch ein Fahrrad hatte. Aber da musste man sich zu sehr auf den Straßenverkehr und darauf konzentrieren, dass man nicht irgendwo gegen fuhr, wenn man lief, konnte man viel besser nachdenken. Mir fiel auf, dass ich das doch ziemlich oft tat in letzter Zeit. Wie würde ich Ruki nur alles beibringen? Immerhin schien er ja in letzter Zeit ein leichtes Problem damit zu haben, über sich selbst zu reden. Normalerweise sprach er immer darüber, wie sehr er sich auf bestimmte Dinge freute oder wie lustig es doch wieder bei der Jugendgruppe gewesen war, zu der er regelmäßig ging. Aoi war auch jeden Mittwoch dort. Nur ich, ich hatte mich damals nicht angemeldet. Hatte damals noch nicht sonderlich viel mit Aoi und Ruki zu tun gehabt, war die halbe Zeit allein gewesen, wenn ich mich nicht gerade auf irgendeiner dummen Familienfeier befand, weil ständig irgendwer Geburtstag hatte oder es Weihnachten wurde. Ohne großartig auf den Weg zu achten, lief ich die Hauptstraße entlang. Es war die Strecke, die auch der Bus fuhr, doch ich kannte sie bereits auswendig, war schon öfter nach der Schule mit zu Ruki gefahren. Ich kam an dem großen Friedhof vorbei, schaute mir im vorbeigehen die Grabsteine und die Pflanzen an, die man teilweise davor gepflanzt hatte. Aber eigentlich war es nicht sonderlich dekorativ, es war nur ein recht kleiner Friedhof inmitten vieler Häuserblöcke. Nur zwei Straßen weiter befand man sich scheinbar in einem völlig anderen Stadtteil, aber es war immer noch derselbe. Ich hatte schließlich nur den Alte-Leute-Teil des Viertels erwischt. Aber es hatte ja auch Vorteile, zum Beispiel kam man sich für sein Alter noch unglaublich jung vor, auch, wenn man schon über 50 war. Wenn ich so daran dachte, dass Reita vielleicht bald schon wissen würde, wo ich wohnte, wurde mir schlecht. Er würde mich sicher auch auslachen, weil meine Nachbarn bereits in Pension waren und wöchentlich eine Krankenpflegerin kommen musste, damit die alte Oma im Rollstuhl nicht abkratzte. Und über meine Mutter würde er sicher auch lachen, denn mittlerweile war sie auch für mich schon ein äußerst lächerlicher Anblick. Und trotzdem hatte ich Angst davor, dass sie wieder ausrasten könnte. Noch nie hatte sie so dermaßen zugeschlagen, dass es mir noch am nächsten Tag wehtat. Ich war es nicht gewohnt, konnte nicht damit umgehen und wusste auch gar nicht, wie ich mich wehren sollte. Körperlich würde ich ihr nur wehtun, hatte ich doch sicherlich die Kraft dazu, sie davon abzuhalten, mich schon wieder halbtot zu prügeln. Nur bringen würde es nichts, sie würde es immer wieder tun – demnach auch mit anderen Mitteln. Und ich wollte nicht wissen, was sie noch alles gebrauchen würde. Mittlerweile war ich nur noch ein paar Ecken von Rukis Haus entfernt, schaute mich ein wenig in der Gegend um und versuchte, jegliche Gedanken an dieses Thema zu verdrängen. Immerhin musste ich mich mental darauf vorbereiten, was ich Ruki denn nun sagen würde. Ich würde ihn wahrscheinlich darauf ansprechen, wieso er nur noch so wenig über sich selbst erzählte und wieso er mir immer fremder wurde. Ich kam mir schon langsam wie ein Idiot vor, weil ich dauernd erzählte, was ich machte, dann jedoch wiederum nichts zu sagen hatte, weil alles gesagt worden war. Und ich würde ihm wahrscheinlich auch schon sagen, dass ich am Wochenende doch mitkommen würde. Vielleicht würde es dann nicht ganz so seltsam klingen… Ich stand vor seinem Haus, drückte zweimal kurz auf die Klingel und wartete dann. Ich konnte seinen kleinen Köter schon innen kläffen hören, doch ich würde es wahrscheinlich wie immer machen und ihn einfach wegtreten, wenn er schon wieder versuchen würde, mich zu beißen – dieses Vieh hatte eindeutig etwas gegen mich! Sehr lange hatte ich nicht warten müssen, bis mir dann auch schon jemand aufmachte. „Uruha! Bist ja wirklich gekommen! Dachte schon, du hättest für dich persönlich schon wieder abgesagt…!“, freute sich Ruki scheinbar tot über meine Anwesenheit, was mich dazu veranlasste, einen großen Schmollmund zu ziehen. „Na hör mal“, konterte ich gespielt beleidigt, „so untreu bin ich euch dann ja auch wieder nicht! Und immerhin geht’s hier um Chemie. Lässt du mich denn erstmal rein, damit ich auch nicht mehr kurzfristig meine Meinung ändere und wieder nach Hause gehe?“ Er lachte kurz, hielt mir dann die Tür auf und schon rannte mir auch schon ein tollwütiger Kläffer entgegen, der sofort wieder begann, an meiner Hose zu zerren. Genervt stöhnte ich auf und trat ihn weg, Ruki kommentierte das – ebenfalls wie immer – nur mit einem „Ey!“, nahm den Flohfänger auf den Arm und murrte. „Tritt doch das arme Sabu-chan nicht immer. Er hat dir doch gar nichts getan!“ „Bist du verrückt? Das Ding hasst mich!“, sagte ich empört und zeigte mit dem nackten Finger auf den mit braun-weißem Fell angezogenen ‚Hund’ auf Rukis Armen. Seit ich dieses Ding zum ersten Mal gesehen hatte, mochte ich es nicht. Und es mochte mich nicht. Es war eine Hassbeziehung zwischen uns. Das funktionierte einfach nicht. „Wie auch immer“, riss mich Rukis Stimme zurück in die Realität, „lass uns mal nach oben gehen. Sabu-chan darf ja eh nicht nach oben, da bist du also sicher und er auch. Hast du Sachen bei?“ „Klar“, gab ich nur knapp zurück und ging Ruki schon mal voraus die Treppe herauf, um mich dann in seinem Zimmer breit zu machen. Irgendwie war er komisch, er hatte mich nicht einmal angeschaut, seit ich hier war. Nicht mal ansatzweise. Und zudem war er auch noch so seltsam gut gelaunt, was zu seiner Mimik und Gestik so gar nicht passte. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Schwungvoll platzierte ich mein zierliches Gesäß auf seinem Bett, wartete darauf, dass er auch endlich mal rauf kam. Währenddessen schaute ich mir sein Zimmer genauer an. Er hatte einige persönliche Gegenstände wie Bilder, Zeichnungen von ihm oder aber auch Pflanzen entfernt. Es wunderte mich ein wenig, schließlich hing er doch so sehr an seinen Zeichnungen. Wo also hatte er sie denn nun hingetan? „Dann wollen wir mal“, meinte Ruki gleich, als er ins Zimmer spaziert kam und schaute noch immer zu Boden. Er ging zu seinem Schreibtisch und begann, nach seinen Chemiesachen in dem heillosen Chaos zu kramen, ich beobachtete ihn dabei. Er wirkte etwas nervös. Hatte er irgendwas angestellt? War es meine Schuld? Machte ich ihn wegen irgendwas nervös? Weil ich mich mit Reita angefreundet hatte? – Nein, davon konnte er doch gar nichts wissen. „Ruki?“ „Hm?“, er drehte sich um, schaute mich jedoch wieder nicht an. Ich wunderte mich, schließlich war es doch sonst nicht so, dass er mir auswich. Wenn Aoi dabei war, war er immer total anhänglich und lieb, doch jetzt wirkte er unsicher und scheu. Scheu vor mir? „Ist irgendwas? Oder warum schaust du mich nicht an?“, fragte ich dann einfach gerade heraus, bereute es jedoch gleich wieder, als er sich nur noch mehr abwandte und sich auf sein kleines Sofa setzte, die Beine an den Körper zog. Was war denn nur los? Ich hasste es, dass er nicht mit mir redete. „Alles in Ordnung, was soll denn sein?“, fragte er scheinheilig und lächelte, blätterte dann in seinem Chemiebuch, „Welche Seite war das noch mal?“ „Ruki, ich…“, begann ich unsicher, legte meine Sachen beiseite und suchte nach den richtigen Worten, „…ich verstehe nicht, wieso niemand von euch beiden mir irgendwas erzählt. Ich meine, ich schütte euch dauernd mit meinen Problemen zu und bin froh, dass ich sie loswerde, obwohl ich nicht einmal Hilfe dafür bekomme. Warum redet ihr eigentlich nie mit mir?“ Er schien angestrengt nachzudenken, was er nun darauf erwidern sollte. Aber eigentlich konnte ich mir die Antwort ja schon denken. Ich nervte sie einfach mit meinen Problemen, deshalb halfen sie mir nicht, hörten mir immer weniger zu und erzählten auch nichts von sich. Wahrscheinlich aus Angst, sie würden genauso schlimm werden, wie ich, mir auf die Nerven gehen, mir zur Last fallen. „Tja, wie soll ich sagen? Ich… will es mal schonend formulieren. Das, was du uns dauernd erzählst, sind für mich keine wirklichen Probleme, weißt du? Dass du mit deiner Mutter Streit hattest, dass deine sinnlosen Geschichten plötzlich nicht mehr auf dem PC sind… das sind alles normale Dinge, verstehst du? Sei nicht immer so sensibel, wenn es um Streitereien geht. Selbst, wenn Aoi oder ich mal was Falsches sagen, bist du gleich eingeschnappt! Das geht einem eben ziemlich auf den Geist.“ Genau das hatte ich mir eben gedacht. Sie hatten ja keine Ahnung, wie sehr mich das traf, wenn ich mit meinen Eltern stritt. Sie waren neben meinen Freunden meine einzigen Bezugspersonen, an die ich mich wenden konnte, wenn ich Hilfe brauchte. Und meist entstand genau dann, wenn ich Hilfe brauchte, Streit. Zumindest war das bis jetzt so gewesen. Aber er wusste nicht, was passiert war und somit konnte ich nicht wirklich etwas darauf erwidern. Außer, ich würde ihm sagen, dass meine Eltern sich nun getrennt hatten. Aber würde er das auch als so schlimm ansehen? Würde er es verstehen? Immerhin lebte er in einer Familienidylle, seine Eltern waren glücklich miteinander und auch glücklich mit ihrem Sohn. Sollte ich also die Wahrheit sagen? „Meine… meine Eltern haben sich am Wochenende getrennt“, antwortete ich einfach matt und schaute abwesend auf mein Chemiebuch, tat gerade so, als wäre es das Interessanteste, was in diesem Zimmer im Moment existierte. Und von Ruki kam erst keine Antwort. Ich wunderte mich schon, doch ich schaute nicht zu ihm hin, da ich mir sowieso denken konnte, dass er gerade krampfhaft versuchte, einen Lachanfall zu unterdrücken. „Ehrlich?“, kam es stattdessen jedoch nur knapp zurück. „Natürlich, oder meinst du, ich würde über sowas Witze machen?“, antwortete ich nun schon etwas gereizt. Dachte er etwa, ich hatte das nur zum Spaß gesagt? Zur Belustigung? Über sowas machte man keine Witze! Aber was hatte ich denn auch erwartet? Er verstand eben nicht, dass mir das sehr nahe ging und ich ziemlich unter meiner Mutter litt. „Du brauchst ja nicht gleich zickig zu werden, es war nur eine Frage!“, fuhr er mich ebenfalls gereizt an und legte nun auch sein Buch beiseite, schaute mich zum ersten Mal an diesem Tag wirklich an. Sah er denn nicht, wie sehr ich darunter litt? Sah er nicht, was es für Spuren an mir hinterlassen hatte? Meine blauen Flecken konnte man doch gar nicht übersehen, meine leicht geschwollene Wange, oder? „Und du scheinst ja nicht mal ernst zu nehmen, was ich dir sage! Siehst du? Warum macht ihr das dauernd, hm? Aber was erwarte ich denn, du und deine Idylle hier zu Hause, du hast immerhin noch beide Elternteile und dir ist der Vater nicht abgehauen!“ „Gott, du tust ja gerade so, als würde jetzt die Welt untergehen! Ich meine, dein Vater lebt nicht mehr bei dir zuhause, na und? Du kannst ihn doch besuchen oder sowas! Was ist denn daran so tragisch? Du hast doch ein schönes Leben mit Doppelhaushälfte und Garten und deiner Mutter! Sie bietet dir doch was, oder nicht? Was willst du denn noch?“ „Ich will meinen Vater zurück!“, antwortete ich mit erhobener Stimme und Tränen in den Augen, die sich bei seinen Worten, die er mir eben an den Kopf geworfen hatte, gebildet hatten. Wusste er überhaupt, was er da für einen geistigen Mist von sich gab? Das war mein Leben, MEINES, und er wusste einen Dreck darüber, wie es mir gerade ging! Wie es in mir drin aussah! „Meine Güte, er ist doch nicht gestorben!“, gab er mit genervter Stimme zurück und verdrehte die Augen, schüttelte leicht den Kopf. Und das, genau das, brachte mich zum Ausrasten. „Du hast doch keine Ahnung, was gerade in mir vorgeht! Du in deinem perfekten Leben siehst in sowas keine Schwierigkeit, hab ich Recht? Und weißt du, wieso? Weil du dir nicht mal ansatzweise vorstellen kannst, wie es ist, wenn dein Erzeuger plötzlich von dieser Frau, die sich deine Mutter nennt, vor die Tür gesetzt wird!“, und somit stand ich auf, nahm meine Tasche und ging aus dem Zimmer, achtete nicht mehr darauf, was Ruki mir noch hinterher brüllte. Ich öffnete die Haustür und ließ sie mit einem lauten Knallen wieder zufallen. So sauer war ich in meinem ganzen Leben noch nie auf Ruki gewesen. Wieso nur versuchte er nicht einmal, mich zu verstehen? Ich hasste es, wenn er so drauf war, denn wenn er einen schlechten Tag hatte, dann hatte er grundsätzlich für nichts und gar nichts Verständnis. So war er eigentlich nie wirklich drauf, er hatte normalerweise so gut wie immer gute Laune. Aber heute war er eindeutig zu weit gegangen…! Mit finsterem Blick lief ich durch die Straßen zurück zu mir nach Hause. Und für Chemie hatte ich nun definitiv keine Nerven mehr, das stand fest, ich konnte mich ja nicht mal mehr anständig konzentrieren, was ich daran feststellte, dass ich beinahe bei Rot über die Ampel gegangen war und nur noch von dem Hupen eines an der Ampel wartenden LKW aufgehalten wurde, mich auf direktem Wege ins Hospital zu befördern. Wobei mir das eigentlich gar nicht so unlieb gewesen wäre, dann musste ich wenigstens nicht zurück nach Hause, wo sicherlich schon eine tollwütige Mutter auf mich wartete. Ich wollte mir nicht vorstellen, was das wieder für ein Geschrei geben würde, wenn ich wieder heim war. Es war ja ein kurzer Besuch bei meinem eigentlichen besten Freund gewesen. Wieder zuhause schloss ich die Tür auf und zog mir gleich, nachdem ich meine Tasche kurz abgestellt hatte, die Jacke aus. Ich hängte sie wie üblich übers Geländer und griff dann nach dem Gurt meiner Tasche, um nach oben zu gehen. Doch gerade, als ich die ersten drei Stufen genommen hatte, hörte ich eine mir vertraute Stimme und erschrak. „Kommst du mal bitte runter?“, sagte meine Mutter mit neutraler Stimme, stand im Türrahmen in der Küche und schaute mich ausdruckslos an. Sie hatte wieder getrunken, das sah ich ihr an. Ich schluckte schwer und stellte meine Tasche einfach kurzerhand auf der Treppe ab, ging dann langsam wieder nach unten und versuchte, so wenig Angst, wie nur möglich zu zeigen. Aber auch, als ich nun unmittelbar vor ihr stand, machte sie keine Anstalten, mich wieder anpfeifen zu wollen oder mich gar wieder zu schlagen. „Ja?“, sagte ich unsicher, schaute zu Boden. Ich wollte gar nicht wissen, was sie wieder von mir wollte. Und ich konnte mir wahrhaftig die verschiedensten Sachen vorstellen. Vielleicht wollte sie ja, dass ich mir selber weh tat? Oder dass ich auszog? War sie überhaupt betrunken? So sicher war ich mir da nicht, ich roch den Alkohol schon gar nicht mehr. „Komm, jetzt schau mich doch an…“, bat sie, nahm plötzlich mein Gesicht in ihre Hände und ich konnte sehen, dass sie Tränen in den Augen hatte. Und das machte mir Angst. Was hatte sie nur wieder alles getrunken? Und seit wann weinte sie vor mir? Ich traute mich nicht, noch weiter in ihre Augen zu sehen und senkte den Blick wieder. Plötzlich spürte ich ein Lippenpaar auf meinen, es schmeckte bitter, nach Zigaretten und Alkohol. Und es widerte mich an! Was tat sie da?! Ohne lang zu überlegen schubste ich sie von mir, starrte sie entsetzt an und wischte mir über die Lippen. Nun hatte sie angefangen zu weinen, kam wieder auf mich zu. „Warum bist du gegangen? Wo warst du?“, schluchzte sie wehleidig. Glaubte sie etwa, ich hatte Mitleid mit ihr? Unfähig – wahrscheinlich vor Entsetzen – mich zu bewegen, starrte ich sie einfach an und ließ es zu, dass sie mir um den Hals fiel und mich wieder küsste, diesmal jedoch anders, als eben. Und da verstand ich. Sie verwechselte mich, dachte, ich sei er. Sie dachte, ich sei mein Vater und wäre zu ihr zurückgekommen. Sie dachte allen ernstes, ich sei er, weil ich ihm so ähnlich sah. Eigentlich war ich ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, das einzige, was ich von ihr hatte, das waren ihre Lippen. Ihre Lippen, die wieder auf meinen lagen. Und erneut schubste ich sie voller Ekel von mir, diesmal jedoch fester, als zuvor, sodass sie gegen die Wand knallte und dabei gegen das schmale Regal stieß, das neben ihr stand. Sie keuchte auf vor Schmerz, blickte auf, als ich mir wieder über die Lippen wischte und unbewusst anfing, zu weinen. „Was soll die Scheiße? Hast du sie noch alle? Ich bin nicht er!“, schrie ich sie an, doch als ich sah, dass Wut in ihren Augen zu glitzern begann, entschloss ich mich, lieber das Weite zu suchen und mich gleich umzudrehen, um die Treppe heraufzuhechten. Dann eilte ich in mein Zimmer, schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel im Schloss gleich zweimal um, lauschte den Schritten, die auf der Treppe widerhallten. „MACH SOFORT DIE TÜR AUF! ICH REIß DIR DEN ARSCH AUF, WENN DU NICHT SOFORT DA RAUSKOMMST!“ Ich versuchte, das Schreien zu ignorieren und setzte mich in die hinterste Ecke meines Bettes, hielt mir die Ohren zu, mein Blick war starr auf die Tür gerichtet. Ich konnte in meinem Bauch fühlen, wie sie immer wieder gegen das Holz hämmerte, konnte ihr Geschrei und ihre Beleidigungen nur dumpf durch meine Hände wahrnehmen. Und ich wünschte mir, auf der Stelle zu sterben. Nein, ich konnte nicht länger in diesem Haushalt leben. Ich wollte weg hier, so schnell wie möglich. Aber wohin? Weder hatte ich Taschengeld, noch einen Arbeitsplatz, denn alles Geld, was ich hatte, das hatte ich mir zusammengespart von dem, was mir meine Großeltern früher einmal gegeben hatten oder aber auch gelegentlich meine Eltern. Ich wollte nur vergessen, was hier gerade vor sich ging. Doch weder konnte ich zu Ruki, noch zu Aoi, denn dieser hatte dienstags immer den ganzen Tag Nachhilfe und ging abends zum Sport. Sollte ich also…? © ~*~*~*~*~*~ An dieser Stelle: ENTSCHULDIGUNG! Es kam einfach so über mich... *auf den letzten Teil deut* ;_; Und wieder einmal: DANKESCHÖN *KISS* an meine Rei-chan für's Reita spielen ^^ *Liebhabz* Noch mal GOMEN, dass ich jetzt vorerst nichts mehr hochladen werde, aber der Urlaub lässt sich nicht vermeiden -.-" Bitte lasst mich leben ;_; Baibai, das Uru-chan (cuTevOmiT) Kapitel 6: Vorschlag -------------------- -6- Vorschlag …Sollte ich also wirklich abhauen? Aber wo konnte ich dann bleiben? Ich würde sicherlich nicht auf irgendeiner Parkbank übernachten, wo ich Gefahr lief, dass irgendein Penner mich beschuldigte, seinen Platz weggenommen zu haben. Also fiel das schon mal flach. Aber wo sollte ich dann hin, wenn ich weder zu Aoi, noch zu Ruki gehen konnte? Ich wusste es beim besten Willen nicht. Und da fiel mir etwas ein. Ich schaute auf den Boden, wo mein Laptop auf einem Din A 3-Block stand und eine leichte Staubschicht ihn bedeckte. Hatte ihn wohl lang nicht mehr abgestaubt, wie es aussah. Und dennoch benutzte ich ihn jeden Tag, benutzte seine Programme und Fähigkeiten als einen Ausweg aus der Realität. In die virtuelle Welt. Ich stellte den PC auf mein Bett und schloss ihn an die freie Steckdose neben meinem Bett, ehe ich ihn einschaltete und mich in wachsender Ungeduld vor dem Bildschirm wandte, um mich endlich einzuloggen und auf meinen Desktop zu warten. Mein Blick eilte über den Bildschirm, bis er endlich das kleine, grüne, blütenartige Symbol fand und ich öffnete das kleine Fenster, um mich anzumelden. Und während jedes einzelne der Blütenblätter kurz aufleuchtete, meine Augen es verfolgten, grölte meine Mutter weiter durch das Haus und hämmerte gegen die Tür, sodass ich Angst bekam, dass die Scharniere wirklich irgendwann nachgaben und ich eines ehrenhaften Todes durch die Bierflasche sterben würde. Allerdings nicht aufgrund von dessen Inhalt. Mir schien, als dauerte es eine Ewigkeit, bis ich endlich angemeldet war und ich begann, fürchterlich zu schwitzen, es schien um einige Grade heißer in meinem Zimmer. Und als ich dann endlich angemeldet war, suchte ich hektisch nach dem sonderbaren Namen in meiner Online-Liste, bis ich ihn auch endlich fand: SexPistol. Ich klickte den Namen zweimal an und begann, in das kleine Feld zu schreiben. L'objet Dégoûtant (08:35 PM): Reita? L'objet Dégoûtant (08:35 PM): Bist du da? SexPistol (08:36 PM): Ja, bin ich. SexPistol (08:36 PM): Was gibt’s denn? L'objet Dégoûtant (08:36 PM): Ärger. L'objet Dégoûtant (08:36 PM): Kannst du in den Park kommen? L'objet Dégoûtant (08:36 PM): Jetzt? SexPistol (08:36 PM): Was ist denn los? L'objet Dégoûtant (08:36 PM): Ja oder nein? SexPistol (08:37 PM): Jetzt sag mir wenigstens, was Sache ist! Gott, wieso antwortete er mir nicht einfach mit Ja oder Nein? Langsam wurde ich wahnsinnig! Verstand er denn nicht, dass ich schnellstens hier weg wollte? Wieso antwortete er mir nicht einfach? L'objet Dégoûtant (08:37 PM): Meine Mutter… SexPistol (08:37 PM): Ah ja... und… das war’s? L'objet Dégoûtant (08:37 PM): Wann bist du da? SexPistol (08:37 PM): Was war denn? L'objet Dégoûtant (08:37 PM): Sag einfach! SexPistol (08:37 PM): Wenn ich jetzt los gehe… in 5 Minuten… L'objet Dégoûtant (08:37 PM): Gut. L'objet Dégoûtant (08:37 PM): Bis gleich! Und ohne noch auf eine Antwort zu warten, schaltete ich das Chatprogramm aus und kurz darauf auch den PC, um dann inne zu halten und eine Boden zerstörende Erkenntnis zu machen: Wie kam ich hier raus? Eine tobende Mutter vor der Tür war nicht das einzige Problem. Hinzu kam noch, dass ich mich in der ersten Etage dieses Hauses befand und nur ein normales und ein Klappfenster als Fluchtmöglichkeit hatte. Wenn ich durch das Klappfenster übers Dach verschwand, würde ich im Garten mit einem zwei Meter hohen Drahtzaun landen, den ich wohl kaum bezwingen konnte und dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis meine Mutter mich erwischen und köpfen würde. Dabei hatte ich nicht einmal irgendwas angestellt. Wenn ich das andere Fenster nahm, würde ich mit meinem angenähten Hals auf einer knapp drei Meter hohen Garage stehen und mich mit besagtem Abgrund, sowie drei robusten Mülltonnen am Boden konfrontiert sehen – hinzu kam meine äußerst ausgeprägte Höhenangst. Ich war verloren, wenn ich diese Möglichkeit nicht nutzte. Ohne weiter darüber nachzudenken stand ich auf und lief zum Fenster, um alle Gegenstände, die nutzlos aber dekorativ auf meinem Fenstersims standen, herunterzuräumen und dabei aufzupassen, nicht allzu viel Lärm zu machen. Dann schob ich die Gardine beiseite und öffnete mein Fenster, indem ich es leise nach oben schob und durch den recht schmalen Spalt hinaus schlüpfte und schon gar nicht mehr daran dachte, bei dem eisigen Wetter eine Jacke anzuziehen. Zwar war es tagsüber immer verdammt warm, aber wenn die Sonne sich erst einmal verabschiedete, konnte man sicher sein, dass eine normale Sommerjacke bei weitem nicht ausreichte. Meine Füße landeten auf dem Teerboden des Garagendachs und ich lauschte noch einmal der noch immer nicht verstummten, schrillen Stimme meiner Mutter, ehe ich das Fenster von innen noch ein wenig nach unten schob, bis ich meine Hand gerade noch hervorziehen konnte und sie mir nicht einklemmte. Mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend drehte ich mich um und versuchte, mich nicht von der starken Windböe in meinem Rücken vom Dach fegen zu lassen. Mir wurde leicht schwindelig, als ich herunterschaute und gerade so erkennen konnte, wo der Boden war, da es doch ziemlich dunkel draußen war und die nächste Straßenlaterne hinter der Hauswand stand, sodass diese das Licht größtenteils verdeckte. Ich schluckte und überwand mich, mein wertes Hinterteil auf dem Rand des Dachs zu platzieren, sodass die Füße frei in der Luft baumelten und allein das war schon zu viel für mich. Übelkeit kam in mir auf, als ich daran dachte, dass die Chance, die Mülltonnen zu verfehlen, etwa bei 20% lag. Denn da unten standen immerhin 4 Stück, die nur darauf warteten, ihren Deckel unter meinen zierlichen 62 Kilo nachgeben und mich entweder in Restmüll, Papier, Kompost oder leeren Flaschen landen zu lassen. Was blieb mir schon für eine Wahl? Ich musste versuchen, daneben zu landen oder wenigstens die Papiertonne zu erwischen, um einer ernsteren Verletzung zu entgehen. Also nahm ich allen Mut zusammen, brachte mich in Position und sprang einfach, die Augen geschlossen und nicht wissend, wann ich endlich am Boden ankommen würde. Den Aufprall spürte ich erst, als ich mit meinem Kopf unsanft gegen eine der Tonnen stieß und dem lauten Geräusch, das danach ertönte, entnehmen konnte, dass ich die Glastonne erwischt hatte, die sich nun geräuschvoll auf dem Boden entleert hatte. Mein Blick fiel auf die vielen zersplitterten Gläser und Flaschen, die nun quer über die Auffahrt verstreut lagen und an manchen Stellen der restliche Inhalt auf die vereinzelt gelegten Fliesen ausgelaufen war. Das Geräusch des zersplitterten Glases hallte noch immer laut und hämmernd in meinem Kopf wieder, bis ich endlich realisierte, was ich da soeben angerichtet hatte. Ich hatte die Glastonne umgeworfen und es würden nun vielleicht noch ein paar Sekunden vergehen, bis meine Mutter unten sein und mich mit jeder einzelnen Scherbe dieser einst mühevoll hergestellten Flaschen aufspießen würde. Zumindest traute ich ihr das zu… Und deshalb stand ich auf, versuchte, den aufkommenden Würgereiz und den Schwindelanfall zu unterdrücken und rannte einfach los durch die dunklen, nebeligen Straßen, die nur vereinzelt von den Straßenlampen erhellt wurden. Nicht daran denkend, dass mich vielleicht jemand gehört oder gesehen hatte, dass jemand vielleicht die Polizei verständigt hatte oder dass meine Mutter mir gerade mit schnellen Schritten im Nacken lag. Das alles verdrängte ich, um mich besser auf einen aufrechten Gang und die Sicht, die sich mir nur begrenzt bot, zu konzentrieren und nicht noch gegen den nächst besten Pfeiler zu rennen. Nach einer Weile und drei Straßen weiter jedoch ging mir langsam die Puste aus, sodass ich langsamer laufen musste, um erst einmal die Luft zu bekommen, mich weiter zu bewegen. Mit jedem Atemzug schmerzte meine Lunge und es fühlte sich an, als würde sie jemand von innen zerreißen. Aber es war nicht mehr weit bis zum Park, nur noch zwei weitere Straßen und ich würde da sein. Also raffte ich mich auf und lief weiter, hatte meine Mutter immerhin hinter mir gelassen – sie hatte es wahrscheinlich aufgegeben, mir nachzulaufen, da sie eh keine Chance gegen mich hatte. Auf 100 Meter war ich der ungeschlagene Meister an unserer Schule, nur, dass das hier eben weitaus mehr als nur 100 Meter gewesen waren. Man zähle das Fünffache, dann passte es. In einem schnellen Gang und vereinzelt auch im Sprint – jedoch nur auf ein paar kurzen Metern – lief ich weiter bis zu meinem Ziel, versuchte, durch die dunkle Nachtluft etwas weiter sehen zu können, als nur fünf Meter, was mir jedoch nur selten gelingen wollte. Doch ich wusste den Weg auswendig, war hier früher oft mit Aoi und Ruki gewesen, um auf den großen Steinbänken im Park aus Ästen Bumerange zu bauen. Aber das war nur eine von vielen Erinnerungen, die in diesem Moment so wertlos erschienen, wie die Laubblätter im Herbst, die zu hunderten und tausenden von den Bäumen fielen. Auf ihnen trampelte man auch einfach herum, ohne Rücksicht. Ich trampelte währenddessen eifrig weiter richtung Park, dessen fahle Lichter ich bereits durch den dichten Nebel erkennen konnte. Ich lief an dem hohen Eisenzaun entlang, befand mich nun an der rechten Seite des Parks, vom Eingang aus gesehen. Doch ich würde es nicht mehr weit haben, ein paar Meter waren es nur noch bis zur Ecke, wo sich der Eingang befand und diese überwand ich mit schwerem Atem und einem deutlich zu hohen Puls, wie ich es am rauschen meines Blutes in den Ohren und dem Pochen in meinem Kopf erkennen konnte. Ich fühlte mich schlecht. Ich hielt mich an jeder einzelnen der Eisenstangen fest, als ich an der richtigen Seite des Zauns angelangt war und schon aus dieser Distanz erkennen konnte, dass dort jemand stand. Doch wer es war, konnte ich noch nicht sehen. Erst, als ich ein Schimmern an Schultern und Ärmeln erkennen konnte, war ich sicher, dass er es auch wirklich war. Mit sicheren Schritten ging ich auf die Person zu und konnte auf den letzten drei Metern nun auch ihr Gesicht erkennen. Doch welcher Ausdruck in diesem lag, das konnte ich nicht erkennen, denn zu geschwächt war mein Körper noch von diesem Sprint eben. Ich musste definitiv mit einem Ausdauertraining anfangen! „Uruha?“ Ich nahm die Stimme erst ein paar Sekunden später war, als ihre letzten Schallwellen verklungen waren, dann erst öffnete ich die Augen wieder und blieb stehen, um mit vom Wind tränenden Augen zu ihm aufzuschauen, mich noch immer am Eisengitterzaun abstützend. Ich zwang mich zu einem kurzen Lächeln der Begrüßung und versuchte, meinen Atem wenigstens ein bisschen zu beruhigen, doch es gelang mir noch nicht so recht. „Was ist n mit dir passiert? Siehst aus, als würdest du gleich zum Werwolf mutieren… Haben wir überhaupt Vollmond?“, fragte er halb scherzend und schaute gen Himmel, ehe er grinste und den Kopf schüttelte. „Sagst du mir jetzt endlich, warum ich hier bin und meinen geliebten Wodka zu Hause lassen musste?“ Ich zwang mich erneut zu einem Lächeln, doch dieses wurde schnell von den aufkommenden Bildern in meinem Kopf vertrieben. Zu ekelhaft waren sie, als dass meine Mundwinkel weiter in dieser Position bleiben wollten. Erneut überkam mich ein Würgereiz und ich konnte es nun nicht mehr aufhalten, übergab mich gegen einen der Eisenpfeiler, nachdem ich mich noch schnell hatte umdrehen können, um Reita das Fieseste an diesem Anblick zu ersparen. „Alles okay? Oder kippst du mir hier gleich noch um?“, fragte er nun schon etwas ernster und legte eine Hand auf meine Schulter, kramte in seiner Hosentasche und reichte mir kurz darauf eine Packung Taschentücher. Dankend nahm ich diese an und wich seinem Blick aus, denn ich war mir selbst schon unglaublich peinlich. Er musste sicherlich denken, dass ich eine ziemlich übertriebene Show abzog und mich nur aufspielen wollte, doch darüber wollte ich lieber nicht nachdenken, wollte mir das so unnatürlich schnell aufgebaute Vertrauen zu ihm nicht noch vertreiben. Ich spuckte einmal in das Taschentuch, was ich mir aus der Packung geholt hatte und wischte mir die Reste von den Mundwinkeln, ehe ich das Papier dann einfach in die nächstbeste Ecke warf. Sofort fiel mir ein, dass ich es doch immer gewesen war, der sich über die Leute beschwert hatte, die ihr Papier und ihr angefangenes Essen einfach so in die Gegend warfen und die Mülleimer um sie herum gekonnt ignorierten. So schnell konnte es gehen… „Geht schon wieder, danke“, antwortete ich leise und unterdrückte den nächsten Würganfall, ehe ich ihm die Packung mit den Taschentüchern zurückreichte, nachdem ich mir noch eines herausgezogen hatte, mit dem ich mir nun meine tränenden Augen trocknete. „Weinst du?“, fragte er und hob verwundert eine Augenbraue, schien wirklich für einen Moment erschrocken. Doch ich lächelte nur gestellt und schüttelte dann den Kopf. „Nein, ich hab nur Tränen in den Augen von der kalten Luft, weil ich so schnell gelaufen bin.“ Er brauchte anscheinend einen Moment, bis er verstand und nickte dann, ehe er sich die Jacke auszog und sie mir einfach um die Schultern legte. Nun hatte er nur einen langen, schwarzen Pullover mit Kapuze an, die er schon die ganze Zeit über dem Kopf getragen hatte. Ob er schwarz war, konnte ich noch nicht so recht erkennen wegen der Dunkelheit, aber seinem eigentlichen Kleidungsstil nach war es wohl das Wahrscheinlichste. „Selbst in meiner Jacke fang ich an zu frieren, wenn ich sehe, wie du rumrennst. Wir gehen jetzt erstmal zu Dai, okay?“, sagte er ruhig und zog mich dann einfach an der Schulter mit sich, ohne zu fragen, ob ich das überhaupt wollte. Aber was wollte ich eigentlich? Hatte ich wirklich erwarten können, dass ich zu ihm konnte? Sicherlich durfte er das nicht, da er eh schon so viel Stress mit seinen Eltern hatte und diese es wahrscheinlich nicht allzu gutheißen würden, wenn er einfach so jemanden mitbrachte. Ich wusste ja nicht, wie sie darauf wohl reagierten. Aber hier draußen in der Kälte herumstehen wollte ich genauso wenig, also entschied ich mich, einfach mitzugehen und vorerst nichts zu sagen. Wenn er mir zuhören wollte, würde er bestimmt fragen, oder? Schweigend liefen wir nun schon eine ganze Weile nebeneinander her und in mir machte sich immer mehr das Gefühl breit, dass er gar nicht hören wollte, was passiert war. Was, wenn ich ihm einfach nur auf die Nerven ging? Was, wenn er mich als störend empfand und eigentlich gar nichts mit mir zu tun haben wollte? Ich wollte mir nicht ausmachen, wie peinlich es für mich werden würde, wenn dies wirklich der Fall war. Nichts war mir peinlicher, als Dinge zu tun, die andere störten oder gar auf die Nerven gingen. Ohne es überhaupt zu merken, füllten sich meine Augen erneut mit Tränen und diesmal flossen sie um einiges zahlreicher über meine Wangen, sodass sie von meinem Kinn tropften und schließlich das Leder der schweren Jacke herabflossen. Wie dämlich es wohl aussehen mochte; ich in so einer Jacke, wo dieser Stil doch gar nicht zu mir passte. So leise und unauffällig, wie möglich, zog ich die Nase hoch und wischte mir flüchtig übers Gesicht, ehe ich einfach so tat, als würde ich mich an meinem Kopf kratzen. Doch Reita entging dieser kleine Täuschungsversuch nicht, woraufhin er dann an der Ampelkreuzung stehen blieb, auf den Knopf drückte, sodass es bald grün würde und mich an sich zog, mir einen Arm um die Schultern legte, sodass ich mein Gesicht an seiner Schulter vergrub – wenn auch nicht unbedingt mit Absicht. „Willst du mir überhaupt sagen, was passiert ist, oder wolltest du einfach nur weg?“, hörte ich ihn sprechen, doch ich konnte im Moment einfach nur mit den Schultern zucken, da ich schon etwas perplex war. Ich hatte nicht erwartet, dass ich von Reita, dem Rüpel, der sonst immer nur grob und arrogant rüber kam, ‚getröstet’ würde. Zwar hatte ich mir schon ein bisschen Trost erhofft, aber so…? „Also willst du nicht wieder nach Hause?“ „Heute nicht“, antwortete ich ihm dann doch, als es grün wurde und wir über die Straße gingen. Ich schaute mir die Lichter an, die an mir vorbeirauschten, denn hier war der Nebel nicht allzu dick, wie in unserem Viertel, wo nicht alles so dicht aneinander gebaut war. Das alles rauschte einfach an mir vorbei, die Geräusche der Stadt machten mich beinahe wahnsinnig. Ich musste endlich irgendwohin, wo es still war und wo ich in Ruhe schlafen konnte! „Wann sind wir da?“, fragte ich murmelnd, als wir nun schon die dritte Kreuzung überquerten und Reita mich jedes Mal an sich gezogen hatte, wohl aus Angst, ich würde umfallen, wenn ich mich nicht bewegte. Inzwischen ging es mir schon recht besser, ich konnte immerhin wieder ordentlich atmen. Und wärmer wurde mir allmählich auch wieder, bis eben hatte ich noch ziemlich gefroren, hatte es jedoch nicht wirklich realisiert. „Drei Häuser weiter, dann sind wir da.“ Warum überraschte es mich nicht? Ich fragte für gewöhnlich immer kurz vor dem Ziel, wann wir es endlich erreichen würden. Das war scheinbar angeboren… „In dem Kasten wohnt Dai?“, fragte ich verwundert und besah mir das große Haus zwischen den anderen beiden, die jedoch bedeutend kleiner waren, als das riesige, weiße Holzgebäude vor mir. Es war reichlich mit Blumen und Sträuchern verziert, einige von ihnen schlängelten sich an der Hauswand angebrachte Gitter hinauf. Alles in allem sah es verdammt teuer aus. „Sagen seine Eltern denn nichts dazu? Ich meine, die müssen doch ziemlich dumm kucken, wenn seine Freunde einfach so spät am Abend bei ihm auftauchen und…“, begann ich, doch ich wurde unterbrochen, indem Reita mich einfach weiter zog und die Treppen zur Tür herauf schritt und gleich klingelte. „Du musst wissen“, begann er, „dass er nur mit seinem Vater zusammen in dem Haus lebt. Sein Vater ist aber Arzt und ist den ganzen Tag arbeiten, er hat also nie Zeit für ihn und ist die halbe Nacht nicht da, weil er in einer anderen Stadt in so ner komischen Spezialklinik arbeitet. Weiß ich auch nicht genau. Aber die vertragen sich so gut wie Saga und ne Flasche Wodka…“ "Also gar nicht?" Zwar wusste ich nicht wirklich, wer denn nun Saga war, aber ich meinte, mich erinnern zu können, dass er diesen Namen mal im Chat erwähnt hatte. Doch im nächsten Moment konnte ich schon gar nicht mehr weiter nachdenken, als ich nur noch mit großen Augen in ein Paar fast schwarze Augen starrte, die von schwarzer Schminke umrandet wurden und die von einzelnen, roten Strähnen verdeckt wurden. Wenn es einen Teufel gab, dann stand er gerade definitiv vor mir. „Was willst n noch so spät hier? Mit Begleitung?“, fragte eine raue, leise Stimme und die etwas müde und geschafft aussehende Gestalt trat einen Schritt zur Seite, um uns hereinzulassen. Und als ich die Wohnung betrat, fielen mir beinahe die Augen aus dem Kopf. Der Flur war ungefähr doppelt so groß wie unserer und auch doppelt so hoch, oben hing ein modern aussehender Kronleuchter von der Decke und überall standen weiße Schränke, Pflanzen und es hingen viele Spiegel an den Wänden. Weiße Türen führten in verschiedene Zimmer, sie alle hatten vergoldete Türklinken und es sah meiner Meinung nach einfach nur aus wie in einem Palast. Ich war noch nie zuvor in solch einem Haus gewesen, daher erstaunte es mich einfach nur, dass man sowas heutzutage bewohnen durfte. Doch es war auch noch dieses traditionelle in der Einrichtung zu erkennen, zum Beispiel die Figur des Buddha auf dem Schrank am Ende des Flures oder die aus rotem Holz gefertigten Treppenstufen, die nach oben führten. Und der kleine Bonsaibaum, der auf dem Podest neben dem Treppengeländer stand. Dai führte uns ins Wohnzimmer, während er mit Reita redete, doch ich hörte den beiden nicht wirklich zu, da ich viel zu sehr damit beschäftigt war, nun die Einrichtung zu begutachten, die sich mir hier bot. Traditionell Japanisch, Sitzkissen auf dem Boden und niedriger Tisch, darauf eine einzelne Lotusblüte in einer kleinen, schmalen Vase. Ein Wandschrank mit Fernseher und Büchern, Heften und kleinen Figuren, das alles in einem Ausmaß, wie es jeder Beschreibung spottete. Ich fragte mich, wie man sich bei so viel Platz noch wohl fühlen konnte, denn auch, wenn ich ab und an Platzangst bekam, war es mir hier schon bedeutend zu groß. Dieses Haus schaffte es tatsächlich, mir die Sprache zu verschlagen (auch, wenn ich sowieso nicht wirklich viel redete)… „…Uruha, ein Freund von mir. Wollte fragen, ob wir heute Nacht hier pennen können, er hat Stress und mir gehen die Eltern aufn Sack…“ Reitas dunkle Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich bemerkte, dass ich noch immer im Türrahmen stand, wo Reita mich scheinbar erst losgelassen hatte und es sich nun auf einem der riesigen Sitzkissen auf dem Boden bequem machte, in seiner Tasche kramte und sich eine Zigarette ansteckte. Ich musste erst einmal wieder in die Realität und aus meiner Gedankenwelt herausfinden, ehe ich die Jacke, die er mir geliehen hatte, auszog und sie ordentlich auf eines der Kissen legte, ehe ich mich zu den beiden an den Tisch setzte und etwas betreten – wenn nicht schon peinlich berührt – zu Boden schaute. „Stress, ne? Kannst das Gästezimmer oben haben, die Couch ist schon Reitas Stammplatz. Is’ recht?“, fragte Dai wieder mit seiner fast schon bedrohlich leisen Stimme, ich schaute kurz auf und lächelte höflich, nickte einfach auf seinen Vorschlag hin. Irgendwie kam er mir komisch vor, sein Blick hatte etwas Furchterregendes und auch sein Charakter erschien mir äußerst suspekt. Irgendwas stimmte mit dem nicht. Sollte ich wirklich hier bleiben? Es war doch sonst nicht meine Art, einfach auf fremde Leute zuzugehen und mich bei ihnen breit zu machen. Immerhin war Reita ja nun auch noch sowas wie ein Fremder und ich wusste lediglich, dass er Stress mit seinen Eltern hatte und sich regelmäßig betrank. Schon mal gar nichts Positives. Würde ich das noch herausfinden oder war es doch ein Fehler, hierher zu kommen? „Dann mach ich dir das Bett fertig. Brauchst noch was? Oder reicht n Kissen und ne Decke auf ner Matratze?“ Wieder nickte ich nur, war schon etwas verunsichert und stand dann mit den beiden auf, folgte dem Rotschopf nach oben und sah nur aus den Augenwinkeln, dass Reita mit seiner Zigarette in der Hand ebenfalls folgte. Das alles kam mir gerade wie ein schlechter Traum vor, nur, dass es die totale Realität war, was ich daran festmachte, dass ich den Schmerz vom Aufprall bei der Garage noch immer in den Gelenken spürte. Oben sah es nicht minder protzig aus, als unten, doch mittlerweile würde mich in diesem Haus wohl gar nichts mehr überraschen. Wahrscheinlich hatte hier jedes Zimmer einen anderen Stil, denn das Gästezimmer hatte ein Himmelbett und Schränke aus Eichenholz, wie ich feststellte, und es sah verdammt teuer aus. Hatte was Französisches… „Dann mach’s dir gemütlich und fühl dich wie zu Hause. Wenn du noch Decken willst, musste in der Schublade unterm Bett kucken. Da sind noch welche drin. Ich bin schon mal nebenan, ne?“, hörte ich Daisuke noch sagen, ehe er auch schon durch die Tür verschwand und Reita und mich allein ließ. Der ging zielstrebig zu einem kleinen Tisch neben dem Schrank und drückte seine halb aufgerauchte Zigarette dort in einem Aschenbecher aus, ehe er das Fenster öffnete. „Ich mag es nicht, wenn es in meinem Zimmer nach Zigaretten riecht. Hoffe, das stört dich jetzt nicht, oder so…“, meinte er und ließ sich in dem Sessel neben dem kleinen Tisch nieder, während ich mich bereits auf dem (für meinen Geschmack viel zu große) Bett niedergelassen hatte. Aus prüfenden Augen schaute er mich an und ich konnte seinem Blick nicht sehr lange standhalten, schaute wieder weg. „Nein, ist schon okay. Ich mag es zwar auch nicht, aber na ja. Aber…“, wunderte ich mich, „wieso rauchst du denn dann überhaupt?“ Reita lachte einmal kurz auf, zuckte dann jedoch mit den Schultern und ließ sich tiefer in den Sessel rutschen, musterte mich weiter mit seinem stechenden Blick. Irgendwie unangenehm, wenn er einen so anschaute. „Tja, weiß ich auch nicht. Weil’s alle machen.“ Eine Weile sagte niemand von uns etwas, bis ich mir schließlich meine Schuhe auszog, sie neben das Bett stellte und dann die Bettdecke zurechtrückte, um mir ein bisschen mehr Platz auf der Matratze zu machen. Noch immer ruhte sein Blick auf mir, das konnte ich merken, aber ich ignorierte es einfach. Ich zog mir meine dünne Weste aus, worunter ich nur ein weißes Shirt trug und lehnte mich dann gegen die Wand hinter mir, legte mir die Decke über beide Beine und seufzte kaum vernehmlich. Irgendwas wollte er sagen, das hatte ich im Gefühl. Doch scheinbar traute er sich nicht recht, zu fragen. „Willst du noch reden?“, kam es dann nach ein paar weiteren Minuten, in denen er mich einfach nur angestarrt hatte. Gab ich denn ein so jämmerliches oder gar lächerliches Bild ab, wie ich hier im Bett lag? Ich konnte nicht ausmachen, was dieser Ausdruck in seinen Augen zu bedeuten hatte, zumal ich ihn auch nicht wirklich gut erkennen konnte – er saß ein bisschen zu weit weg. Ja, wollte ich denn reden? Ich wusste nicht genau, ob ich heute wirklich noch die vielen Dinge und Gedanken erklären wollte, die ich heute erlebt und empfunden hatte. Das hatte doch sicherlich noch morgen Zeit, wo ich eigentlich in der Schule sitzen sollte. Doch die vergaß ich nun einfach mal für diesen Tag – ein paar Fehlstunden konnte ich mir immerhin noch erlauben, da ich sonst sowieso nie krank war. „Morgen, okay? Ich bin ziemlich müde…“ „In Ordnung“, kam es sofort von ihm zurück und ich war ihm irgendwie dankbar. Anscheinend wollte er mich weder drängen, noch aufgeben, zu erfahren, was denn nun passiert war. Und wenn ich so darüber nachdachte, war das weder bei Aoi, noch bei Ruki jemals der Fall gewesen. Bei den beiden war es genauestens aufgeteilt: Ruki war einfach zu penetrant und wollte stets erfahren, was Sache war, um nachher nur einen trockenen, meist ziemlich Aussagelosen Kommentar dazu abzugeben, während Aoi sich nach ein, zwei Versuchen meist geschlagen gab und so tat, als würde ihn das alles gar nicht mehr interessieren. Meist hatte er mit damit am meisten verletzt… „Dann schlaf mal gut. Ich bin mit Dai nebenan, wenn du noch was brauchst, ne?“ Mit diesen Worten stand er auf und verließ das Zimmer, ohne mich noch einmal anzusehen. Die Tür lehnte er nur an, als er das Licht ausmachte, sodass noch ein wenig Licht vom Flur ins Zimmer fiel. Gute Idee, dachte ich, ich mochte keine gänzlich dunklen Zimmer… Also hatte ich wohl keine andere Wahl, als mich hinzulegen und einfach ein paar Versuche zu starten, endlich einzuschlafen und halbwegs ruhig diese ziemlich seltsame Nacht zu überstehen. Ich schloss die Augen, lehnte mich zurück und zog mir die Decke bis über die Schultern und wickelte mich darin ein, wie ich es immer tat. Mir fehlten die Geräusche im Hintergrund, es war zu still, wie ich fand. Das machte mich immer verrückt, wenn ich abends allein im Bett lag. Normalerweise hatten meine Eltern immer noch fern geschaut oder ich hatte meinen Fernseher angelassen und den Timer eingestellt, doch hier gab es weder fernsehende Eltern, noch einen Fernseher… Und dann wurde ich aufmerksam auf die Stimmen, die aus dem Nebenzimmer zu mir drangen. Dai und Reita unterhielten sich wohl gerade. Angestrengt versuchte ich, leise zu atmen und zu verstehen, über was sie da redeten. Ich hielt die Augen geschlossen und konzentrierte mich ganz auf das Gespräch der beiden. „Wo hast du den denn aufgetrieben?“ Daisukes raue und leise Stimme, die trotz ihrer geringen Lautstärke noch recht gut zu verstehen war. „Ist bei mir im Bus. Und ich hab ihn letztens im Zug getroffen mit seinen Spasten von Freunden. Kennst du nicht Aoi? Den schwarzen Mann der Nachbarschule?“ Reitas Antwort. „Doch, kenn ich. Mit dem ist der befreundet?“ „Jo.“ „Und wie bist du an den gekommen? Ich mein, ist ja sonst auch nicht deine Art, stumme und verschüchterte Menschlein wie den an deine Jacke zu lassen…“ Ja, da hatte er wohl Recht, ich war ziemlich verschüchtert, wenn er es so nennen wollte. Eigentlich war ich jedoch einfach nur unsicher. Ich wusste ja nicht, wie er sich fühlen würde, wenn er einfach von jemandem, den er gerade mal drei Tage kannte, zu dessen Freunden mitgenommen wurde, um dort zu übernachten. War wohl normal in ihren Kreisen und ganz nebenbei gesagt auch noch meine eigene Schuld… „Weiß ich auch nich'. Ich mag ihn, er hat außerdem n ähnliches Problem wie ich. Sein Vater hat die Familie hängen lassen und jetzt flippt seine Mutter total aus und sowas. Ist ihm wohl n bisschen auf die Nerven gegangen…“ Irgendwie gefiel es mir so gar nicht, dass er erzählte, was bei mir zu Hause ablief. Andererseits jedoch hatte er ja irgendeine Antwort geben müssen und wenigstens hatte er nicht die ganze Wahrheit erzählt. Eigentlich sollte ich ihm dankbar sein, wie ich im Nachhinein dann doch noch befand… „Und was soll ich jetzt mit dem? Ich kann mit dem Haufen da nichts anfangen, der spricht ja nicht mal mit mir…“, meinte Dai. Ein Lachen seitens Reita, wie ich meinte. „Ich nehm ihn Samstag mit auf die Scheunenfete, dann…“, und in dem Moment schloss einer der beiden wohl die Tür und ich konnte nicht mehr verstehen, was sie sagten. Obwohl es mich schon interessierte, was Reita wohl vorhatte. Neugierde packte mich und ich dachte schon gar nicht mehr daran, was mich wohl für ein Donnerwetter zu Hause erwarten würde, wenn ich wieder zurückkam oder wenn ich verkündete, wo ich Samstag hingehen würde. Am besten, ich würde gar nicht erst irgendwas sagen, sondern einfach gehen – vorausgesetzt, meine Mutter versperrte nicht wieder meine Zimmertür, sodass ich den doch schon recht unsanften Weg übers Garagendach nehmen musste. Dennoch, ich war neugierig geworden, was mich am Samstag wohl erwartete und ehe ich meine Gedanken weiterführen konnte, verließen mich meine Kräfte und ich fiel in einen – Gott sei Dank – recht ruhigen und traumlosen Schlaf. Nicht ahnend, was die anderen beiden nebenan gerade besprachen und was man noch so alles mit mir vorhatte… © ~*~*~*~*~*~ Nach wie vor: Vielen Dank an meine ReiRei, die sich (hoffentlich auch weiterhin) für die Rolle des Reita opfert ^^ Kapitel 7: Von Spaß und Ernst ----------------------------- -7- Von Spaß und Ernst Dass die Sonne auch immer gerade so stehen musste, dass sie durch den kleinen Schlitz zwischen den beiden Gardinen hindurch scheinen musste! Das passierte mir so gut wie jeden Morgen, da meine Gardinen zu Hause auch nicht gerade besonders schützend vor der Sonne waren. Und ich hasste es. Nur widerwillig öffnete ich die Augen und musste erst einmal ordnen, wo ich überhaupt war. Ich brauchte einen Moment, ehe ich erkannte, dass ich in einem fremden Zimmer lag und war erstmal verdammt durcheinander. Doch kurz darauf fiel mir auch schon ein, wo genau ich war. Ich erinnerte mich an den vorigen Abend und seufzte leise, denn irgendwie war mir diese Situation dann doch schon etwas peinlich. Ich hatte ja nicht einmal gefragt, ob ich überhaupt erwünscht war und hatte nichts dazu gesagt, um mich zu bedanken. Gott, was war ich doch für ein unhöflicher Mensch… Plötzlich vernahm ich ein Geräusch vom Flur aus. Scheinbar war jemand die Treppe hochgekommen und nun auf dem Weg in eines der Zimmer oben. Ich konnte mir nur denken, dass es entweder Reita oder Daisuke war, denn jemand anderen hatte ich bisher im Haus nicht gesehen. Nur auf Daisuke konnte ich gerade irgendwie ganz gut verzichten, denn über Nacht hatte sich meine Einstellung zu ihm nicht wirklich sonderlich geändert. Er war mir noch immer etwas suspekt, besonders, weil er so leise sprach und dauernd aussah, als wenn er gerade auf Drogen war. Dann ging die Tür auf, ich hob meinen Blick und sah Reita ins Zimmer schlendern, lässig und nur mit einer Hose bekleidet. Im Gegensatz zu mir war ihm scheinbar keinesfalls kalt, denn ich fror, trotz dass die Sonne warm ins Zimmer schien. Aber das tat ich so gut wie jeden Morgen. Ich tat verschlafen, obwohl ich eigentlich hellwach war, damit er schnell wieder herausging, denn ich war im Moment nicht gerade erpicht auf irgendwelche Gesellschaft. Selbst vor Reita war es mir peinlich…! „Morgen, Schönheit. Gut geschlafen?“, war seine Frage, ehe er sich wieder in dem Sessel neben dem Schrank niederließ und die Beine auf den Hocker davor legte. Mit abwartendem Blick schaute er mich an und es schien, als wollte er irgendwas ganz unbedingt loswerden. „War okay. Wolltest du mich wecken oder warum bist du schon so früh hier?“, stellte ich dann eine Gegenfrage und schaute nebenbei auf die Uhr, die an der Wand hing. Es war gerade mal neun Uhr und bei jemandem wie Reita konnte ich mir irgendwie nur schlecht vorstellen, dass er weniger als zehn Stunden schlief, wenn er frei hatte. Daisuke und er hatten bestimmt noch lange geredet. Und dass ich eigentlich jetzt bei der Mathestunde sitzen musste, interessierte mich herzlich wenig. Komischerweise… „Ja, wir müssen nämlich jetzt gleich gehen. Um halb zehn kommt Daisukes Vater nach Hause und wenn er uns sieht, kriegen wir Ärger. Also Beeilung!“, grinste er und kramte dann sein Handy aus der Hosentasche, um darauf etwas herumzutippen. Ich schaute einen Moment lang nur verwundert, ehe ich dann aber nach meiner Weste griff und sie mir überzog, dann in meine Schuhe schlüpfte und mich im Zimmer umschaute. Hatten die hier nicht sowas wie eine Kommode mit Spiegel, Bürste und so weiter? „Wo ist denn das Bad?“ Schon erntete ich ein leicht genervtes Seufzen und sah, wie er sein Handy wieder wegpackte und aufstand, auf mich zukam und mir einmal durch die Haare wuschelte. Großartig, die würde ich doch nie wieder auseinander kriegen! Was dachte der sich denn? Doch dann hörte er auf, zu wuscheln und zupfte vorsichtig an den Strähnen herum, und das eine ganze Weile lang. Erst schaute ich mir das ganze schweigend an, dann aber schaute ich zu ihm auf und hob fragend eine Augenbraue. „Nein, mach den Kopf wieder runter. Das war besser“, meinte er nur und drückte meinen Kopf wieder nach unten, ehe er weiter in meinen Haaren rumfuchtelte. Ich fragte mich ernsthaft, was das sollte. Wollte er mir damit demonstrieren, dass ich nach dem Aufstehen sogar noch schlimmer aussehen konnte, als sonst? „Fertig“, hörte ich ihn dann nach einer weiteren kurzen Zeit sagen, ich schaute verwirrt auf und blinzelte, ehe ich meinen Kopf unauffällig nach rechts drehte und mich im Spiegel betrachtete. Und was ich sah, ließ mich beinahe ohnmächtig werden. „Was hast du mit mir gemacht? Das krieg ich ja nie wieder auseinander…“, jammerte ich und stand auf, ging zu dem Spiegel hin, um mir fassungslos in den Strähnen herumzuzupfen und mich selbst zu bemitleiden. Der hatte mir doch tatsächlich die Haare oben auftoupiert! Der Pony, sowie die unteren Haare fielen glatt über mein Gesicht und meine Schultern, doch den Rest hatte er in alle Richtungen stehen lassen und meiner Meinung nach sah es… gar nicht mal so schlecht aus? Was war denn jetzt los? Eigentlich hatten mir meine Haare immer ganz gut gefallen, so, wie sie sonst immer lagen. Glatt und nach unten hin länger gestuft, mit ein bisschen Volumenhaarspray in Form gebracht. Aber so eine schräge Frisur hatte ich wirklich noch nie ausprobiert. Ob ich das mal beibehalten sollte? Vielleicht hatte ich ja doch immer nur zu wenig aus mir gemacht? „Nur noch ein bisschen Haarspray und das hält den ganzen Tag lang. Ich find’s cool“, meinte Reita und stellte sich hinter mich, klopfte mir kurz auf die Schulter und drehte sich dann um, um zur Tür zu gehen. „Bad ist am Ende vom Flur, aber mach nicht zu lang. Dann komm nach unten, hai?“ Ich nickte nur und wusste dabei nicht einmal, ob er es überhaupt sehen konnte. Aber er schien es wahrgenommen zu haben und verließ das Zimmer, ich hörte, wie er die Holztreppe nach unten lief und kurz darauf eine zweite, jedoch nur leise Stimme, die ich zweifellos Daisuke zuordnen konnte. Und ich reagierte heute wirklich sehr langsam, wie ich feststellen musste. Fast eine ganze Minute hatte ich noch auf der Stelle gestanden, seit Reita gegangen war und erst jetzt regte ich mich, um mich auf den Weg ins Bad am Ende des Flures zu machen. Dort öffnete ich die Tür und blieb erst einmal einen Moment lang stehen. In diesem Bad konnte man allen Ernstes Verstecken spielen. Das war etwa dreimal so groß wie unser Bad zu Hause. Ich wunderte mich, wie man hier noch seine Sachen in dem großen Regal neben dem Waschbecken finden konnte! Langsam trat ich ein paar Schritte näher und öffnete leise eine der Schranktüren, hatte wohl einen Volltreffer gelandet. Ich fand eine kleine Schminktasche, Haarspray und ein paar Bürsten, die ich benutzen konnte, um die bereits wieder ineinander gefallenen Strähnen neu aufzutoupieren und mit Haarspray zu fixieren. Während ich das tat, schaute ich immer mal wieder zur Seite, um mir das Bad genauer anzusehen. Die Badewanne war etwas größer als eine Durchschnittswanne, wahrscheinlich auch noch mit eingebautem Whirlpool und daneben eine riesige, begehbare Dusche mit großer Ablagefläche für Shampoo, Duschgel und sogar einer extra Fläche für Handtücher, wo sie nicht nass wurden. Immer mal wieder ein Bonsaibaum und dann eine riesige Wandheizung, an der seltsamerweise zweipaar Handschellen hingen. Wozu auch immer die gut waren. Aber das wollte ich eigentlich gar nicht wissen. Als ich mit meinen Haaren fertig war, schaute ich in der Schminktasche nach einem schwarzen Kajalstift, den ich auch schnell gefunden hatte, und zog mir meinen Lidstrich nach. Dann überzog ich ihn noch ein bisschen weiter nach unten, sodass er dicker aussah und zog auch am oberen Lid noch einen Strich, sodass meine Augen nun komplett schwarz umrandet waren. Die Wimperntusche ließ ich diesmal weg, dann packte ich die Sachen wieder zurück in den Schrank und beschaute mir mein Spiegelbild. Ich sah schon ziemlich schräg aus, wie ich fand. Mit auftoupierten Haaren und so dunkler Schminke um die Augen wirkte ich gleich ganz anders… Ich erinnerte mich wieder daran, was Reita vorhin zu mir gesagt hatte und ich machte mich also auf den Weg nach unten, musste mich erst wieder neu orientieren. Ich war solche großen Häuser einfach nicht gewohnt. Aber zum Glück stand die Tür zum Wohnzimmer offen, sodass ich die beiden schon sehen konnte. Ich hörte Musik aus der Anlage dröhnen, grölende Laute und harte Gitarrentöne, die ich nicht gewohnt war. Und meiner Meinung nach klang es einfach nur gewöhnungsbedürftig. Der Gesang zwischendrin klang ganz gut… Ich lächelte etwas unsicher, als ich mich zu den beiden auf den Boden setzte und Daisuke mir gleich ein Glas Wasser hinschob. „Morgen. Müsst gleich verschwinden, bevor mein Dad wiederkommt. Der bringt mich um, ne?“, grinste er nur und mir fiel auf, dass seine Stimme längst nicht so leise war, wie gestern Abend. Sie klang fester und auch seine Augenringe waren nicht mehr so tief, seine Augen nicht so rot unterlaufen. Er war anscheinend wieder ernüchtert von seinem Trip? „Danke“, sagte ich nur knapp und trank ein paar Schlücke, ehe Reita neben mir aufstand und sich die Jacke überzog, die noch immer auf einem der Sitzkissen lag, wo ich sie hingelegt hatte. Er ging zum Fenster und schaute kurz heraus, ehe er sich zu mir umdrehte und mich angrinste. „Na dann, Schönheit, soll ich dich nach Hause bringen? Oder kommst du allein klar? Ein Stück weit laufen wir ja zusammen.“ Ich mochte es nicht, wenn er mich so nannte. Irgendwie klang es nicht ernst gemeint. Und dass Daisuke darüber grinste, verminderte dieses unsichere Gefühl nicht gerade. Trotzdem nickte ich nur und verabschiedete mich kurz von Daisuke, ehe ich Reita zur Tür folgte und schon die Treppen vor der Haustür hinunterlief. Unten drehte ich mich noch einmal um und sah, wie Daisuke dem anderen irgendwas ins Ohr flüsterte, was mich stutzig machte. Reita nickte und verabschiedete sich mit einem kurzen Handschlag von dem Rotschopf, kam dann zu mir runter und zog mich schnell weg vom Haus, er schien es plötzlich eilig zu haben. „Jetzt erzähl mir, was gestern Abend war. Oder willst du doch nicht?“ Ich hatte wissen müssen, dass er noch einmal fragen würde. Konnte ich denn unter diesen Umständen reden? Ich war eigentlich nicht der Typ dafür, mit anderen einfach so frei über meine Probleme zu reden, die ich gerade mal ein paar Tage kannte. Zumindest nicht unter viel Augen, denn bei Aoi hatte ich es ja immer gekonnt. Er war immerhin mein bester Freund. Wir bogen die Straße richtung Park ein, wo wir gestern Abend bestimmt auch lang gegangen waren. Doch ich war da viel zu beschäftigt gewesen, als dass ich mich nun noch erinnern konnte. Ich schaute mich um und erkannte bekannte Gebäude wieder, es liefen ein paar Leute an uns vorbei und schauten uns mit undeutbaren Blicken an. Ich redete mir ein, dass es nur an Reita und seinem krassen Aussehen lag. Nicht an mir, nein…! „Na ja…“, begann ich, „ich hatte Stress mit meiner Mutter, weil…“ „So weit waren wir schon. Weil?“, hakte er nach, war diesmal jedoch nicht halb so rücksichtsvoll, wie am Abend zuvor, wie ich feststellte. Ich sagte mir einfach, dass er es nicht so meinte und wirklich wissen wollte, was los war. „Also, sie hat mich für meinen Vater gehalten. Sie war wieder verdammt betrunken und… dann hat sie mich geküsst…“, erklärte er zu Ende und schaute peinlich berührt und mit einem verdammt schlechten Gewissen zur Seite. Wieso hatte ich es ihm noch gleich erzählen wollen…? Reita schwieg einen Moment, die Worte brauchten wohl einen Moment, um bei ihm anzukommen, wie mir schien. Er blinzelte ein paar Mal und schaute mich dann ungläubig von der Seite an. „Sie hat dich geküsst? Deshalb bist du abgehauen? Oder hab ich was falsch verstanden?“ „Ja, sie... hat mich richtig geküsst. Nicht mütterlich…“, meinte ich nur matt und schaute zu Boden, lief stur weiter geradeaus und versuchte, so neutral wie möglich zu schauen. Er sollte nicht sehen, dass mich das ganze etwas betreten machte, aber es loszuwerden tat schon verdammt gut irgendwie… „Richtig?“, hakte er nach und lief plötzlich etwas langsamer, schien jetzt erst zu realisieren, was ich ihm da gerade gesagt hatte. „Ja, richtig.“ „Tja, was soll ich dazu sagen?“ War ja klar gewesen, dass so eine Antwort kommen musste. Natürlich hatte er keine Ahnung, was er nun dazu sagen sollte, immerhin hatte er bestimmt noch nie sowas derartiges von seinen Freunden oder Bekannten gehört. Geschweige denn, dass es ihm schon mal irgendwann selber passiert war, wie ich seiner folgenden Reaktion entnehmen konnte. „Wenn mir sowas passiert wäre, hätte ich zum nächst besten Messer gegriffen und wüst um mich geschlagen… Wieso hast du denn nichts gesagt?“ „Was soll ich denn auf sowas hin sagen? ‚Hey, Mama, so ein schlechter Küsser ist mir ja noch nie begegnet’?“ Nicht mal auf den Kommentar hin lachte er. Aber er hatte ja auch nicht lustig sein sollen. Er diente lediglich zur Veranschaulichung der Ernsthaftigkeit meines momentanen Problems… Gott, diese Worte am frühen Morgen…! „Ich hätte ihr mal was erzählt. Man, du bist einfach zu nett, das ist es! Wehr dich gegen sie, zeig ihr, dass es absolute Scheiße ist, was sie da abzieht und dass sie mit dir so nicht umgehen kann!“, sagte er mit etwas erhobener Stimme und blieb dann am Parkeingang stehen, wo wir nun angekommen waren. Auch ich blieb stehen und lehnte mich gegen den Zaun, zuckte mit den Schultern und seufzte. Ich wusste ja selbst nicht einmal, wieso ich mich nicht wehrte. Es war einfach die Angst, meiner Mutter weh zu tun und sie am Ende zu verlieren. Die Angst davor, dass sie mich rausschmiss und ich nicht wusste, wohin, weil mein Vater sich einfach nicht meldete. Die Ungewissheit, die herrschte, weil ich nicht wusste, wozu sie fähig sein würde. Konnte man das Respekt nennen? „Ich versuche ja schon, ihr so wenig Stress wie möglich zu machen und sie nicht zu reizen. Ihr einfach keinen Grund zu geben, das mit mir zu tun. Aber ich brauche einfach ein bisschen Zeit, um mit der Situation klarzukommen, genau, wie sie, denke ich mal“, war meine Antwort, doch Reita schien sie nicht zufrieden zu stellen. „Hör mal, so kann das nicht angehen, oder? Ich meine, die Frau wird auf Dauer echt gefährlich für dich. Wenn du dich nicht wehrst, kriegt sie auch keinen Respekt vor dir und weiß, dass sie alles mit dir machen kann. Ist einfach so. Sag mal, kennst du den Typen da hinten nicht?“ Überrascht, dass er so schnell das Thema wechselte, schaute ich in die von ihm gezeigte Richtung und erblickte jemanden, der mir im wahrsten Sinne des Wortes gerade noch gefehlt hatte. Wieso musste Aoi auch ausgerechnet jetzt hier auftauchen? „Ja, tu ich. Hey, Aoi…“, grüßte ich und lächelte gestellt, doch Aoi lächelte nicht zurück. Er grüßte auch nicht. „Wo kommst du denn her?“, fragte er stattdessen und klang seltsamerweise auch noch ziemlich interesselos. Wunderbar, ich merkte schon, dass es ihm nicht passte, dass ich mit Reita unterwegs war. Zwar verstand ich nicht, wieso er wegen Reita so einen Aufstand machte, aber sollte er nur… Ich würde mich nicht mehr unterkriegen lassen. War doch meine Sache, mit wem ich abhing, oder nicht…? „Von nem Bekannten. Und du?“, fragte ich zurück, ehe Aoi noch weitere Fragen stellen konnte, wer denn wohl dieser Bekannte sein mochte. Und das alles zu erklären war mir nun reichlich zu anstrengend. Reita stand nur desinteressiert daneben und hatte sich eine Zigarette angesteckt, setzte sich nun auf den Boden und rauchte schweigend vor sich hin. Wahrscheinlich brütete er gerade schon wieder aus, was er Aoi denn für zynische Sprüche an den Kopf werfen konnte. Die beiden schienen sich ja wirklich gefunden zu haben… „Von der Schule, woher sonst? Ich hab nur Ruki nach Hause gebracht, weil er krank wird. Muss auf den nächsten Bus warten und geh noch kurz nach Hause. Wieso warst du denn nicht in der Schule? Hattest du was Besseres vor?“, fragte er mit einem gehässigen Unterton in der Stimme und warf einen leicht verächtlichen Blick herab zu Reita, der ihn nur unbeeindruckt musterte und zu grinsen begann. „Ist ja egal. Sag mal, ihr geht doch noch auf die Scheunenfete Samstag, oder?“, wechselte ich lieber das Thema, um die Atmosphäre ein bisschen aufzulockern, doch diese gewisse… nun ja, ‚Spannung’ zwischen Aoi und Reita blieb leider weiterhin bestehen. „Sicher, wieso?“, fragte er skeptisch und sein Blick wanderte wieder zurück zu mir, diesmal musternd. Anscheinend fand er meine ‚Frisur’ etwas sonderbar, wie ich seinem Blick entnehmen konnte. „Weil ich…“ „Weil er auch da sein wird. Mit mir. Nur, dass ihr euch nicht wundert, wenn ihr euch zufällig über den Weg lauft…“ Ich fiel aus allen Wolken. Eigentlich hatte ich mir ja denken können, dass Reita früher oder später irgendeinen Spruch lassen würde, der so gar nicht günstig für mich war. Aber ausgerechnet jetzt…?! Aoi starrte mich nur einen Moment lang an, ehe sein Blick wieder auf den blonden am Boden fiel und er nur einmal kurz nickte, um sein Verständnis zu beteuern, was so wenig vorhanden war, wie der schiefe Turm von Pisa gerade war. Nun hatte mich Reita allerdings ziemlich tief in die Scheiße geritten. Soeben hatte er mich bei einem meiner einzigen verbliebenen Freunde schlecht gemacht und das nur wegen einer gottverdammten Scheunenparty! Ich hätte in die Luft gehen können! „Ach, so ist das. Gut, dann wünsche ich euch mal recht viel Spaß, nicht? Wir sehen uns in der Schule…“, und mit diesen Worten verabschiedete er sich und lief an mir vorbei, ohne mich auch nur noch eines Blickes zu würdigen. Ich hätte schreien können. Eine Weile starrte ich ihm einfach nur hinterher, ehe ich mich zu Reita wandte, der sich gerade wieder aufrappelte und seine aufgerauchte Zigarette wegwarf. „Hast du sie noch alle? Jetzt ist er sauer auf mich, genau, wie Ruki! Der hat mich bestimmt auch schon bei Aoi schlecht gemacht! Wunderbar, die reden doch beide nie wieder mit mir! Scheiße, verdammte…!“, fluchte ich und ließ mich wieder gegen das Eisengitter hinter mir fallen, legte den Kopf in den Nacken und unterdrückte das dringende Bedürfnis, einfach loszubrüllen und jeden einzelnen Pfosten des Zaunes hinter mir auszureißen. Ich wollte irgendwen umbringen… „Reg dich ab“, kam es nur gelangweilt von Reita, „der kriegt sich schon wieder ein. Und wenn schon, du hast doch deine Begleitung für Samstag. Da sind auch noch andere Leute, mit denen du feiern kannst, oder willst du dich ein Leben lang nur an die beiden da binden?“ Da war zwar was dran, aber er verstand einfach nicht, dass ich nun die restlichen Schultage allein die Pausen verbringen musste und wieder wie der letzte Vollidiot und MOF (Mensch ohne Freunde) da stehen würde… Verdammt! „Jetzt stell dich nicht so an und vergiss die beiden doch einfach mal, ja? Was machst du jetzt?“ Ich seufzte resignierend und rieb mir die Schläfen, stieß mich dann vom Zaun ab und schaute in die Richtung, in die ich nun nach Hause gehen würde. Aoi war nicht mehr in Sichtweite, dann würde ich ihm auch nicht mehr über den Weg laufen, denn darauf konnte ich nun auch ziemlich gut verzichten. Ich wollte nicht noch mehr erklären. Ich wollte einfach nur nach Hause und heulen gehen. „Nach Hause gehen, was sonst? Wir sehen uns morgen im Bus, denke ich…“, meinte ich und machte mich daran, die Straße herunter richtung meines Viertels zu gehen. „Jetzt sei nicht sauer, okay? War nur gut gemeint!“, kam es noch von hinter mir, als ich schon ein paar Schritte gegangen war und ich drehte mich noch einmal um, grinste ihm zu und schüttelte den Kopf. „Bin nicht sauer. Bis dann!“ Und somit ging ich weiter, bereitete mich innerlich schon mal auf das Donnerwetter meiner Mutter vor. Ich wollte nicht wirklich nach Hause, denn ich musste mit zwei möglichen Begrüßungen rechnen: Entweder bekam ich direkt wieder eine Bierflasche über den Kopf gezogen, oder sie würde mich mit Küssen überhäufen, froh sein, dass ich wieder zuhause war und fragen, wo ich denn gewesen sei. Mit beiden Varianten war ich nicht so ganz einverstanden. Wenn man bedachte, wie groß die Chance war, dass ich ihr nicht über den Weg lief, weil sie mit einem dicken Kater im Bett lag und sich nicht bewegen konnte, oder dass sie gerade zufällig nicht im Haus war, konnte einem schon ziemlich schlecht werden. Außerdem hatte ich ja nicht mal einen Schlüssel mitgenommen und war somit darauf angewiesen, dass meine Mutter zuhause war. Ich würde also die Nachbarn bitten müssen, mir den Ersatzschlüssel zu geben und dann würde ich reingehen und nur darauf warten, dass meine Mutter zurück nach Hause kam, was die beiden eben genannten ‚Begrüßungsvarianten’ natürlich auch nicht ausschloss. Leider. Angekommen an meiner Straße, schaute ich geradeaus auf das letzte Haus am Straßenrand und sah, dass der Glashaufen vorm Haus noch immer nicht beseitigt war. Was mich allerdings nicht sonderlich wunderte, denn in solchen Sachen war meine Mutter noch nie die ordentlichste gewesen und mein Vater hatte sich meist um den Müll ums Haus herum gekümmert, also Kompost, die Mülltonnen, den Garten… Das einzige, was mich beunruhigte, war, dass mein Fenster nicht mehr offen war. Also war sie wohl doch in mein Zimmer gekommen? Ich wollte nicht darüber nachdenken, denn dann hatte ich gar keine Möglichkeit mehr, mich einzusperren und einigermaßen vor ihr sicher zu sein. Ich würde also doch die Methode von Reita anwenden müssen. Sollte ich mich denn wirklich wehren? Ich wusste nicht genau, was das für Konsequenzen haben konnte, deshalb traute ich mich ja auch nicht. Nachher setzte sie mich auch einfach so vor die Tür, wie meinen Vater, und ich würde schauen können, wo ich bleiben konnte. Tolle Aussichten. Nun stand ich unschlüssig vor meiner Haustür und hielt den Finger über der Klingel, drückte nach kurzem Zögern auf den kleinen, runden Knopf und wartete mit einem flauen Gefühl im Magen. Dieser Moment war wohl das schlimmste, was mir seit der Trennung meiner Eltern passiert war. Darauf zu warten, dass einfach nur etwas passierte, wovon man nicht genau sagen konnte, was es sein würde. Aber man wusste, dass es einem nichts Gutes bringen würde… Plötzlich ging die Tür auf und meine Mutter stand mit verklebten Augen und müdem Gesicht in der Tür, schaute mich einen Moment lang einfach nur ausdruckslos an und drehte sich dann einfach auf dem Absatz um und ging wieder nach oben die Treppe herauf. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit sowas. Weder eine Bierflasche, die auf mich zugeflogen kam, noch irgendwelche unangenehmen Fragen oder Kommentare, keine Strafe, weil ich die Nacht über abgehauen und nicht in der Schule gewesen war. Nichts? Ich konnte es kaum glauben. Vielleicht sollte der Tag ja dann doch nicht allzu schlecht beginnen, wie ich zu Anfang gedacht hatte. Die Sache mit Aoi hatte mir nämlich definitiv schon gereicht. Noch immer etwas perplex schaute ich ihr nach, ehe ich die Wohnung dann betrat und mir Schuhe und Weste auszog. Dann ging ich selbst nach oben und schaute auf meine Zimmertür, die ordentlich geschlossen war und nur an einigen Stellen tiefe Kratzspuren aufwies. Ich konnte nur erahnen, dass sie von ihren vielen Ringen an den Fingern stammten, die gegen die Tür geprallt waren. Aber über diese kleinen Macken konnte ich getrost hinwegsehen, solange die Tür noch ordentlich funktionierte und ihren Zweck erfüllte, sich in einem weiteren kritischen Moment gekonnt als Schutzschild zwischen meine Mutter und mich zu stellen. Umso erleichterter war ich, als sie sich ganz normal öffnen und schließen ließ, ohne gleich aus den Scharnieren zu fallen und in zwei Teile zu zerbrechen. Ich schaute kurz zu der Schlafzimmertür meiner Mutter, die einen Spalt weit geöffnet war, sodass ich sehen konnte, dass sie wohl mehr oder weniger friedlich schlafend in ihrem Doppelbett lag und hoffentlich auch nicht so schnell aufwachen würde. Und ich würde ausnahmsweise in diesem Falle ihrem Beispiel folgen, denn ich schloss meine geliebte Zimmertür nun hinter mir und drehte den Schlüssel zweimal um, ehe ich mich aus meinen Klamotten schälte und auf mein Bett zuschlenderte, worauf ich mich fallen ließ. Da die Jalousien meiner Fenster noch immer weitestgehend geschlossen waren, war es dunkel genug und es fiel auch gleichzeitig noch genug Licht in mein Zimmer, sodass ich alles sehen und beruhigt schlafen konnte. Nun lag ich also in meinem eigenen Bett und dachte noch einmal über die gestrige Nacht nach. Dieser Daisuke war schon ein seltsamer Typ, er war mir nicht ganz geheuer, aber wenn Reita etwas mit ihm zu tun hatte, würde er wohl nicht ganz so schlimm sein. Reita war ja schließlich auch nicht schlimm. Ich redete mir einfach ein, dass all seine Freunde ganz bestimmt total nett waren und dass sie mich mögen würden, denn absagen würde ich den kommenden Samstag garantiert nicht. Ich war viel zu neugierig, als dass ich ihn verpassen wollte, denn ich wollte erfahren, was Reita mit mir vorhatte. Leider hatte ich es ja bei Daisuke zuhause nicht mehr hören können… Und ehe ich noch weiter denken konnte, fielen meine Lider zu und ich driftete in eine Traumwelt ab, aus der mich so schnell erstmal nichts mehr reißen würde. © Kapitel 8: Scheunenparty ------------------------ -8- Scheunenfete Besser hatte es ja gar nicht mehr kommen können. Meine Mutter hatte bisher noch kein einziges Wort mit mir gesprochen und hatte auch nicht nachgefragt, wo ich denn wohl diese eine Nacht über gewesen war. Sie war mir größtenteils aus dem Weg gegangen, genau, wie ich ihr, und getrunken hatte sie auch nicht großartig viel. Zumindest nicht so viel, als dass sie mich wieder hatte verprügeln wollen. Die meiste Zeit hatte ich mich nach der Schule einfach in mein Zimmer verbarrikadiert und war auch nicht raus gekommen, außer, um mir etwas zu Essen zu holen oder dieses und das Getrunkene wieder wegzubringen. Ich hatte mich sozusagen für den Rest der Woche isoliert. So auch in der Schule. Es hatte schon im Bus angefangen, dass Aoi sich nicht neben mich, sondern neben Ruki gesetzt hatte. Hatte mich auch nicht sonderlich gewundert, wenn ich ehrlich war. Ich wäre auch sauer gewesen, wenn mein Freund erst absagte und dann mit jemand anderem zur Scheunenfete ging. Aber nicht mal gesprochen hatte er mit mir! Lediglich einen guten Morgen hatte er mir gewünscht, obwohl ich mir sicher war, dass er es sicherlich gegenteilig gemeint hatte. Aber das hatte er sich eigentlich auch sparen können, denn ich hatte schon vorher gewusst, dass die nächsten Tage der absolute Horror wurden. Und so war es auch gewesen. Kein Schwein hatte mich angesprochen, weil sie scheinbar schon alle erfahren hatten mit wem Uruha neuerdings unterwegs war. Dabei stimmte das nicht einmal, denn ich ging lediglich mit Reita auf diese verdammte Scheunenfete und unterhielt mich nach der Schule im Bus mit ihm… Natürlich hatten wir uns in dieser Woche jeden Tag verpasst, da bei uns drei Lehrer ausgefallen waren und wir hatten somit früher nach Hause gehen dürfen. Er hatte entweder länger Schule gehabt oder war, wie er es scheinbar öfter tat, gar nicht erst hingegangen. Ich hatte mich des Öfteren gefragt, ob seine Eltern denn wohl nichts dazu sagten, wenn sie es denn erfuhren. Aber nach mehreren gescheiterten Versuchen, auf irgendeine logische Antwort zu kommen, hatte ich es aufgegeben. Demnach hatte ich die Pausen alleine in der Bibliothek verbracht, hatte im Bus allein gesessen und war auch auf der anderen Straßenseite nach Hause gelaufen, wenn Aoi auf der einen gelaufen war. Und langsam aber sicher fühlte ich mich von allen verlassen. Kein Schwein schien zu sehen, dass auch einer wie ich Freunde brauchte, aber ich wurde ja nun nicht nur von meiner Mutter ignoriert, sondern auch von Aoi und Ruki, der immer noch sauer schien. Wahrscheinlich hatte Aoi mich nun auch bei ihm schlecht gemacht, ihm erzählt, mit wem er mich zufällig gesehen hatte und dass ich Samstag auch auf der Feier sein würde. Zwar hatte ich bislang immer gedacht, dass Aoi wenigstens ein bisschen erwachsen war, doch ich hatte mich wohl kräftig in ihm getäuscht. Ich war doch schließlich auch nicht sauer, wenn die beiden einmal etwas mit ihren anderen Freunden unternahmen und mit ihnen weggingen und mich nicht fragten – wahrscheinlich, weil sie meine Antwort schon immer im Voraus gekannt hatten. Reita war abends nur selten online gewesen, denn seine Eltern schienen ihm wohl ziemliche Probleme zu machen, wie er einmal kurz angedeutet hatte. Zumindest konnte ich mir das bei seinem momentanen männlichen Mitbewohner denken, über den er schon so herzlich berichtet hatte. Sie schienen sich wirklich nicht allzu gut zu verstehen und er hatte mir auch erzählt, dass dieser Mann ‚versucht hatte, ihm Hausarrest zu geben’. Natürlich hatte es Reita keinen Deut interessiert, da dieser Kerl ihm seiner Meinung nach gar nichts zu sagen hatte. Was ich jedoch durchaus nachvollziehen konnte, ich hätte mir von so einem auch nicht wirklich etwas sagen lassen. Glaubte ich zumindest. So kam es, dass es Samstag wurde und ich nun schon seit einer Dreiviertelstunde unschlüssig vor meinem Kleiderschrank stand, da ich keine Ahnung hatte, was man zu einer Scheunenfete anzog. Ich hatte meines Erachtens nicht wirklich Klamotten, die nach sowas wie rausgehen aussahen, da ich sowas für gewöhnlich ja auch gar nicht tat. Aber da ich ja einen bleibenden Eindruck bei seinen anderen Freunden hinterlassen wollte, die ich heute kennen lernen würde, um nicht immer ganz so allein da zu stehen, brauchte ich etwas, was wenigstens einigermaßen nach etwas aussah und auch ein bisschen auffälliger war. Da kam mir die rettende Idee. Meine Mutter hatte sich vor kurzem mal ein paar schwarze Blusen gekauft, die ihr allerdings ein bisschen zu groß gewesen waren. Doch da ich keine Ahnung hatte, wo sie die wohl verstaut hatte, stand nun das Problem des Fragens vor mir. Ich hatte heute Morgen gesehen, dass sie sich ein paar neue Kästen Bier besorgt hatte. Und ich konnte mir an drei Fingern abzählen, wie schnell die leer sein würden. Also musste ich entweder jetzt oder gar nicht fragen, da sie dann wahrscheinlich schon viel zu blau sein würde, um mich überhaupt noch zu erkennen. An Wochenenden war es sowieso immer am schlimmsten mit ihr, wie ich festgestellt hatte. Nachdem ich das alles noch einmal überdacht hatte, entschloss ich mich doch zu fragen und machte mich auf den Weg nach unten, wo sie im Wohnzimmer saß und rauchte, während der Fernseher vor sich hinflimmerte und sie nicht einmal hinsah. Ich blieb vorsichtshalber im Türrahmen stehen und schluckte kurz, ehe ich sie ansprach. Scheinbar hatte sie mich noch nicht bemerkt. „Mom? Kann ich was fragen?“, sagte ich zögerlich und machte mich schon mal drauf gefasst, dass gleich irgendwas geflogen kam, doch sie drehte nur den Kopf zu mir und gab einen genervten Laut von sich, um mir zu deuten, dass ich ihre Aufmerksamkeit hatte. Scheinbar wollte sie, dass ich schnell wieder verschwand und tat mir damit einen riesigen Gefallen, denn ich wollte nichts anderes. „Du hast dir doch diese schwarzen Hemden gekauft, die dir zu groß waren. Kann ich eins davon haben?“, stellte ich dann meine Frage, stellte jedoch mit Entsetzen fest, dass ich nicht gefragt hatte, wo ich nach ihnen suchen musste…! „Von mir aus. Such mal im Keller…“, meinte sie nur matt und drehte sich wieder weg, lehnte sich zurück ins Sofa und rauchte weiter, nahm zwischendurch einen Schluck Bier und ich war zum ersten Mal sowas wie dankbar, dass sie mir diese Antwort gegeben hatte. Ich hatte was zum Anziehen! „Danke, Mom…!“, murmelte ich erfreut und erntete nur einen weiteren genervten Laut, woraufhin sie eine abwertende Handbewegung machte, die mir wohl deuten sollte, dass ich nun zu verschwinden hatte. Und nichts anderes hatte ich vor gehabt. Ich ging die Kellertreppe voller Elan herab und versuchte, nicht auf den ungewaschenen Handtüchern auf dem Boden auszurutschen, die sie einfach achtlos von ganz oben heruntergeworfen hatte, nachdem sie sie benutzt hatte. Ich würde wohl einiges an Haushalt übernehmen müssen, dachte ich mir, denn so konnte das ganze wirklich nicht weitergehen. Nachher ertranken wir noch in unserem eigenen Dreck! Sie staubsaugte ja nicht einmal mehr, machte die Wäsche nicht, kochte nur für sich etwas aus der Dose, ging nur einkaufen, wenn der Kühlschrank selbst fast verhungerte und ließ dann die benutzten Teller stehen, bis ich mich dann jedes Mal erbarmte sie wegzuräumen. Ich öffnete die Tür zum Abstellraum im Keller und schaute mich nach den Kleidersäcken um, die wir immer füllten, wenn irgendwas nicht mehr passte oder kaputt war, um sie nachher an irgendwelche Stiftungen abzugeben oder sowas. Eigentlich hatte ich nie genau gewusst, wo sie sie hinbrachten, aber jetzt würden sie wahrscheinlich, wie alles andere in diesem Haus auch, vor sich hin verfaulen. Ich öffnete einen der Säcke, in dem sich viele schwarze Sachen befanden und wühlte eine Weile darin herum, bis ich tatsächlich fündig wurde. Zwei schwarze Hemden, nagelneu und unbeschmutzt, alles noch dran und sie sahen einfach nur perfekt aus. Obwohl es ja eigentlich Frauenblusen waren. Aber sie würden mir schon passen, denn sie waren meiner Mutter immerhin zwei Nummern zu groß gewesen und sie war schon ein Stück kleiner als ich. Das Grinsen nicht aus dem Gesicht bekommend ging ich wieder die Treppe herauf nach oben und rief noch ein kurzes und leises „Hab sie gefunden“, woraufhin mir meine Mutter nur hinterher schrie, wie stolz sie doch auf mich sei (selten so gelacht…). Oben in meinem Zimmer legte ich sie dann erst aufs Bett und suchte mir die schönere von beiden aus, ehe ich mein Shirt über den Kopf zog und in die ausgesuchte, mit schmalen, weißen, vertikalen Streifen geschmückte Bluse hineinschlüpfte. Und was mich auch nicht sonderlich überraschte: Sie passte! Ich drehte mich um zu meinem Wandspiegel und beschaute mich darin von oben bis unten. Natürlich passte die blaue Schlafanzughose, die ich den ganzen Tag noch nicht ausgezogen hatte (und dabei waren es schon halb sechs), so gar nicht dazu, aber eine ideal passende, schwarze Hose hatte ich schon rausgelegt. Es war meine Lieblingshose, die mein Vater mir mal irgendwann aus dem Ausland mitgebracht hatte – woher auch immer, ich hatte es vergessen. Spaßeshalber zog ich die andere Bluse auch noch an, um festzustellen, dass auch diese passte, als hätte man sie für mich und nicht für meine Mutter gekauft. Wieder einmal musste ich feststellen, dass ich für meine Verhältnisse einen ziemlich gut gebauten Körper hatte, obwohl ich nicht einmal viel dazutat. Schon seltsam, in einer Damenbluse zu stecken, dachte ich mir im Stillen, doch wenn sie passte, konnte ich sie ja auch ohne weiteres anziehen. Würde schon keiner merken, oder? Dennoch entschied ich mich für die erste von beiden und ich zog sie noch mal aus, um mich an meine Kommode zu stellen, die oberste Schublade zu öffnen und mir Make-up ins Gesicht zu machen, um die wenigen kleinen Pickel auf meiner Stirn abzudecken. Dann kramte ich in meinem Kajalstift heraus und umrandete mir die Augen so, wie ich es zuvor bei Daisuke zuhause getan hatte und entschied mich, diesmal noch ein bisschen dunklen Lidschatten zu verwenden. Er war zwar ganz schwarz, doch auf meinen Augenlidern wirkte er eher gräulich, was nicht allzu hell, aber auch nicht zu dunkel war. Eben genau richtig. Doch was mich schon immer gestört hatte, war, dass ich keine Lidfalte hatte. Ich sah immer aus, als würde ich meine Augenbrauen absichtlich in die Höhe ziehen, und das die ganze Zeit über. Mittlerweile hatte ich gelernt, damit zu leben, doch heute würde ich etwas anderes ausprobieren. So nahm ich noch einmal den Kajalstift und spitzte ihn nach, zog mir einen leicht geschwungenen Strich auf das Augenlid – nur, um zu schauen, wie es aussah. Und irgendwie sah das gar nicht mal so übel aus. War zwar gemalt, aber wenn man den Strich so betonte, dass er nicht allzu sehr auffiel und es doch so aussah, als hätte man seine (in meinem Fall nicht wirklich vorhandene) Lidfalte nur betonen wollen? Eigentlich unsinnig sowas zu tun, wenn man bedachte, dass manche Leute eine so tiefe Lidfalte hatten, dass das Lid schon auf die Wimpern fiel und sie verdeckte… Also schattierte ich den Strich noch mit ein wenig grauem Lidschatten – diesmal etwas heller, als den restlichen – und schaute mir mein Werk noch einmal genau an. Nachdem ich den Schluss gezogen hatte, dass es an beiden Augen wohl besser aussehen würde, als nur an einem, wiederholte ich das ganze noch einmal an meinem rechten Auge, versuchte, es möglichst gleichmäßig zu gestalten und es gelang mir sogar! Zufrieden und mit getuschten Wimpern packte ich meine Schminke wieder weg, zog mir noch die Hose aus und schlüpfte in die von mir bereitgelegten Sachen, knöpfte das Hemd bis zu den letzten drei Knöpfen oben zu und ließ diese offen, sodass ich einen leichten Ausschnitt hatte. Um diesen jedoch noch etwas auszufüllen, zog ich mir meine silberne Kreuzkette an und stellte fest, dass sie sogar ziemlich gut zum Rest passte. Zufrieden mit meinem Outfit drehte ich mich um, schaute noch einmal in den Spiegel, um festzustellen, dass meine Haare schon ziemlich… scheiße aussahen. Ich hatte sie mir seit heute Morgen nicht mal gekämmt und nun waren sie verknotet und strubbelig, hingen mir ungestylt und armselig über die Schultern. Und so konnte ich sie auf keinen Fall lassen, das stand fest! Also griff ich schnell nach meiner Bürste und kämmte sie mir durch, bis sie mir glatt und ohne Knoten über die Schultern fielen – zumindest die unteren, etwas längeren Haare. Und irgendwie war ich noch immer nicht zufrieden. Dann fiel mir ein, was Reita bei Daisuke mit meinen Haaren angestellt hatte und ich hielt im Kämmen inne. Sollte ich wirklich mal ausprobieren, mir die oberen Haare selber zu toupieren? Wahrscheinlich würde ich es nicht richtig auf die Reihe bekommen und es würde mies aussehen, wie es meist der Fall war, wenn ich versuchte, irgendwas mit meinen Haaren anzustellen. Doch einen Versuch war es ja wert, ich konnte es immer noch auskämmen. Also nahm ich mir einen Kamm und begann, die Strähnen so zu toupieren, dass sie ein wenig abstanden und nahm mir das Haarspray, was ich meiner Mutter mal geklaut hatte, um sie zu fixieren und etwas nach außen zu biegen, bis sie auch endlich hielten und ich meinen Kopf drehen und schütteln konnte, ohne, dass es gleich wieder großartig in sich zusammenfiel. Wow, ich hatte wirklich mal was auf die Reihe gebracht und es sah zudem auch noch annehmbar aus! Fertig gestylt beschaute ich mich ein letztes Mal im Spiegel, war dann auch endlich zufrieden mit dem Ergebnis. Dann fiel mein Blick auf die Uhr und ich erschrak, denn ich hatte nur noch etwa zehn Minuten, um zum Park zu kommen, wo ich mich mit Reita und einem seiner Freunde treffen würde. Ob es nun Daisuke oder ein anderer war, wusste ich nicht. Schnell suchte ich nach meiner Jacke im Zimmer und kramte in meiner Schultasche nach meinem Schlüssel, den ich zusammen mit etwas Geld in meine Jackentasche stopfte und deren Reißverschluss zumachte, damit nichts raus fiel. Nun musste ich nur noch an meiner Mutter vorbeikommen und irgendwie erklären, dass ich zu einem Freund oder sowas ging, um möglichen Ärger zu vermeiden. Nachher hieß es noch, ich dürfte nicht rausgehen oder sowas, obwohl es eigentlich gar keinen Grund dazu gab, es mir zu verbieten. Aber meiner Mutter konnte man ja mittlerweile alles zutrauen. Ich ging also nach unten und zog mir noch Schuhe an, ehe ich zur Tür ging und dort stehen blieb, lauschte, was meine Mutter machte. Sie schaute wohl immer noch fern, wie zuvor auch. „Ich geh zu einem Freund und übernachte da, hai? Bis morgen!“, rief ich nur schnell, hörte nur, wie sie ein verwundertes „Hä?“, zurückrief und schon war ich auch aus der Tür verschwunden, um mich auf den Weg zum Park zu machen. Und ich hoffte nur, dass ich niemandem über den Weg lief, der mir unangenehm werden konnte, wie zum Beispiel Aoi, der gerade auf dem Weg war, Ruki entgegen zu kommen oder sowas. Oder irgendwelchen Nachbarn, die mich kannten und verwundert waren, wie seltsam ich doch aussah im Gegensatz zu sonst. Deshalb bemühte ich mich, relativ zügig zu laufen, um niemandem unnötigerweise über den Weg zu laufen. Recht schnell hatte ich mein Viertel bis zur Hauptstraße verlassen und sah schon von weitem den Parkeingang, wo ein paar mehr Gestalten als nur zwei standen und ich wunderte mich etwas. Hatte Reita also doch noch ein paar mehr mitgebracht? Irgendwie machte mich das gerade etwas nervös. Immerhin kannte ich diese Leute alle nicht und dann gleich so viele auf einmal? Da konnte ich ja gar nicht mehr auseinander halten, von wem ich den Eindruck hatte, dass er mich leiden mochte und von wem nicht. Mit einem hätte ich mich nicht so schwer getan, dachte ich, doch gleich drei? Auf den letzten paar Metern war ich etwas langsamer geworden und mir stieg jetzt schon der Geruch von Alkohol in die Nase, weshalb ich mich auch fragte, wieso sie jetzt schon tranken, und nicht gleich erst in der Scheune. Aber das war bei ihnen wohl so und ich musste mich damit abfinden, nach Hause gehen konnte und wollte ich irgendwie jetzt auch gar nicht mehr. Reita kam mir schon grinsend entgegen und legte mir gleich freundschaftlich einen Arm um die Schultern. Er war scheinbar schon ziemlich angetrunken… „Uruha, du bist zu spät! Rüge, Strafe, Schande über dich! Und jetzt trink erstmal nen Schluck…“, faselte er und reichte mir auch schon eine Flasche Bier, die er schnell mit seinem Feuerzeug geöffnet hatte. „Uhm… hi und danke…“, gluckste ich und musste mir ein Lachen über seine Art an diesem Abend verkneifen, denn so hatte ich ihn noch nicht wirklich erlebt, außer vielleicht an diesem einen Samstag im Zug. Aber ich glaubte zu wissen, dass er da nur halb so voll gewesen war… „Zuwachs, Leute. Wir können!“, rief er zu den anderen Leuten rüber, die alle irgendwie etwas… nun ja, ‚schräg’ wirkten. Der eine hatte blonde, kurze Haare, die zu allen Seiten abstanden und er war geschminkt, trug ein enges Shirt und darüber eine Art Weste mit Pelz, alles war voll von Anhängern, Bändern, Nieten und ganz viel anderem Gedöns, was ich nicht wirklich erkennen konnte. Er klingelte von irgendwoher, hatte wohl irgendwelche Glöckchen an seinen Klamotten befestigt. Aber das krasseste war seine Hose, denn unterhalb der Hüfte und oberhalb der Knie war sie auseinander geschnitten, sodass es noch ein bisschen fransig war, und wurde durch zwei Bänder an jedem Bein zusammengehalten. Sah schon irgendwie makaber aus. Ein anderer von ihnen – ich glaubte, ihn schon einmal mit Reita an der Bushaltestelle gesehen zu haben – hatte ebenfalls auftoupiertes, braunes Haar und trug ein bauchfreies, schwarzrotes Shirt und darüber eine ausgefranste, schwarze Weste. Wirkte etwas kalt, aber er schien nicht zu frieren, auch nicht in dieser über und über mit Löchern versehenen Hose, über die viele Bänder fielen, die am Gürtel befestigt waren. Was mir auffiel, war, dass er ein Bauchnabelpiercing hatte. Und der dritte hatte blauschwarzes Haar und trug ein weißes Hemd, über dem er eine art schwarzes Spinnennetz trug. Er sah am normalsten von allen aus, wie ich fand, denn er hatte eine Hose an, die ein Ganzes bildete, denn auch Reita hatte wohl zur Schere gegriffen bei seiner Hose. Irgendwie kam ich mir blöd vor zwischen diesen verrückten Gestalten, denn ich sah neben ihnen wohl so ziemlich am normalsten aus und fiel deshalb wahrscheinlich auch total aus dem Rahmen. Aber viel mehr Zeit darüber nachzudenken hatte ich nicht mehr, da Reita mich auch gleich wieder weiter zog und ich nun den dreien gegenüber stand, sie mich allesamt musterten. „Uruha, ne?“, grinste der blonde und kam mir entgegen, hielt mir die Hand hin. „Ja“, antwortete ich und reichte ihm die Hand, lächelte freundlich. „Saga. Und das da sind Ni~ya und Sakito, kannst ihn Saki nennen. Die können grad nicht…“, meinte er nur matt und deutete nur matt hinter sich, ich folgte seinem Fingerzeig. Und war sprachlos. Ich blinzelte ein paar Mal, um mich davon zu überzeugen, dass das, was ich sah, auch keine Einbildung war. Ich wusste nicht, wieso die Tatsache, dass die beiden gerade eng umschlungen dastanden und sich leidenschaftlich küssten mich so umhaute, doch wegschauen konnte ich irgendwie auch nicht. „Aha…“, machte ich deshalb nur, da mir nicht gerade mehr dazu einfiel und riss mich dann doch von diesem Anblick los, um mich lieber auf den Weg zu konzentrieren, den wir nun allesamt entlangliefen. Dieser Haufen war wohl sehr viel mehr komischer als ich drauf! Da waren Punks, Drogensüchtige, Schwule und Transvestiten und anscheinend würde ich noch sehr, sehr lange brauchen müssen, um mich wenigstens ein bisschen anzupassen und mich daran zu gewöhnen. Wahrscheinlich würden alle lachen, wenn sie mich mit ihnen sahen, da sie einfach nicht gewohnt waren, dass ich mit solchen Typen etwas zu tun hatte. Ich sah ja auch schon übermäßig gestylt aus an diesem Abend, und das über meine Verhältnisse. Ich wollte gar nicht daran denken, was man demnächst über mich sagen würde und wie man mir begegnen würde in der Schule. Und vor allem hatte ich Bammel davor, wie Aoi und Ruki reagieren würden, wenn sie mich so und mit dieser Bande sahen. Aber vielleicht hatte Reita ja doch Recht und ich musste einfach mal loslassen, mich auf Neues einlassen… Während Ni~ya und Sakito sich unterhielten, lief Reita die ganze Zeit bei mir und neben ihm dieser Saga, der mir irgendwie schon ganz sympathisch war. „Warum wolltest n erst nich mitkommen? Wegen der falschen Begleitung?“, grinste mich Saga an und schien zu wissen, über welche Art von Begleitung er da sprach. Auch er schien Aoi und Ruki nicht ab zu können… und langsam begann ich, mir einzureden, dass die beiden wirklich nicht die richtige Begleitung für mich waren… „Weiß ich auch nicht. Ich geh eigentlich nicht gerne raus…“, antwortete ich und schaute in Sagas überraschtes Gesicht, woraufhin er zu lachen begann. Ich kam mir doof vor. „Armes. Hat er hier dich gezwungen?“, er deutete auf Reita und bekam von diesem nur ein Murren und einen Schlag mit dem Ellbogen zur Antwort. „Ich hab ihn nicht gezwungen, sondern nur nen Vorschlag gemacht, den er auch angenommen hat. Ne, Uru?“ „Ja, ja!“, sagte ich schnell, um weitere dumme Fragen zu vermeiden, denn Saga sollte ja nicht alles wissen. „Und warst du schon mal auf ner Scheunenfete?“, fragte dieser mich dann. Wieso stellten sie mir denn alle solche Fragen? Sicherlich konnten sie riechen, dass ich mir unsicher war, wie ich mich verhalten sollte. Und schließlich wusste ich ja nicht mal, was man auf Feten denn so alles machte. Ich ging ja nie auf welche! „Nein. Nur auf manchen Partys von meinen Freunden…“, antwortete ich ihm, senkte mit einem verlegenen Grinsen auf den Lippen den Blick, denn ich ahnte, dass sie sich gerade innerlich über mich totlachten. Ich wusste schon, dass man mit mir nichts anfangen konnte und dass ich bisher lieber zuhause gesessen und gelernt, geschrieben oder gechattet hatte. Aber war ja meine Sache, oder? „Na dann…“ Mein Blick fiel auf die noch unangerührte Bierflasche in meinen Händen und ich setzte sie an meine Lippen, trank einen großen Schluck und schmeckte bittere Flüssigkeit mit einem süßen Nachgeschmack. Oder war es anders herum? Ich wusste es nicht genau, aber irgendwie schmeckte es gar nicht schlecht…! Obwohl ich sonst eigentlich nie Alkohol trank. Aber Bier war ja nicht sonderlich prozentreich… Nach einer Weile, in der ich einfach nur schweigend ihren Gesprächen gelauscht hatte, in denen es um Freunde, Prügeleien und andere Vorfälle wie diese ging, kamen wir an der Scheune an, wo eine nicht allzu lange Schlange vor dem Eingang wartete. Zum Glück konnte ich unter den Leuten niemanden erkennen, der mir bekannt vorkam. Außer Daisuke. Diese roten Haare waren einfach nicht zu übersehen. Doch auch er war relativ normal gekleidet, er trug ein schwarzes Shirt und darüber eine mit Flicken und Nieten besetzte Jacke, dazu einfach nur eine dunkle Jeans. Gut, dann würde ich zumindest nicht als einziger aus dem Rahmen fallen. „Geld bei?“, fragte mich Reita von der Seite und warf gerade seine aufgerauchte Zigarette weg, trank aus seiner Flasche und brachte mich auch wieder auf die Idee, noch etwas zu trinken. Als Antwort nickte ich nur und trank meine Flasche, die ich den Weg über immer weiter geleert hatte, nun gänzlich aus. Da man die Flaschen jedoch mit großer Sicherheit nicht mit rein nehmen durfte, stellte ich sie einfach zu ein paar anderen Flaschen auf die Mauer neben uns und tat so, als hätte es diese Flasche nie gegeben. Auch Saga und Sakito stellten ihre Flaschen weg, sie zahlten gerade und ließen sich einen Stempel auf die Hand machen, sodass sie später, wenn sie mal kurz raus mussten, auch wieder rein kamen. Zumindest glaubte ich, dass man es deshalb machte. Dann war ich an der Reihe, ich zahlte und ließ mir ebenfalls einen Stempel geben, um Reita also zu folgen, der schon einen freien Tisch ansteuerte. Vorher hatte ich vorn noch meine Jacke abgegeben und das Geld und den Schlüssel herausgenommen, was noch übrig geblieben war, hatte es in meine Hosentasche gesteckt. Es war eine ziemlich große Scheune, wie ich fand. Sie machte mindestens das Doppelte unserer Schulaula aus und der Raum war schon ziemlich gefüllt, dafür, dass es erst halb acht war. Ganz vorne im Saal standen ein paar abgestellte Tresen, darauf hatten einige Leute ihre Hüte oder auch Jacken abgelegt. Ganz rechts war die Bar, vor der ein paar Stehtische standen. In der Mitte des Raumes war eine große, freie Fläche, die bestimmt ein ganzes Basketballfeld ausmachte. Links im Raum waren viele Bänke mit Tischen davor, zu denen wir nun hinliefen und von ganz hinten im Raum wurden wir von der Musik einer Band beschallt, hinter ihnen waren viele Boxen und anderer Elektronikkram aufgestellt, um den Sound auch durchs ganze Haus zu kriegen. Und der Sound klang meines Erachtens einfach nur scheiße! Ich mochte diese art von Musik nicht wirklich, die konnte man sicherlich nur betrunken ertragen! „Uru, was willste trinken?“, fragte mich Saga und setzte sich auf die Bank, deutete mir, mich neben ihn zu setzen. Ich überlegte kurz, während ich mich setzte und zuckte dann mit den Schultern. „Weiß ja nicht, was es gibt. Irgendwas!“, brüllte ich gegen die Musik an und fragte mich, ob ich das nun bezahlen musste. Wenn ja, hatte ich jedoch nicht mehr sehr viel Geld, was das anging… Ich bekam ja nie was! „Wie viel kriegst du?“, fragte ich deshalb Ni~ya, der zusammen mit Reita und Daisuke die Getränke für uns holen gehen würde. Doch dieser winkte nur ab und deutete auf den Rotschopf, der schon ein paar Geldscheine in der Hand hielt. Würde er etwa die ganzen Getränke selber bezahlen? Denn Bier und dergleichen war teuer, wie ich mir denken konnte, zumindest auf solchen Veranstaltungen. Ruki hatte mal irgendwann erwähnt, dass er fast 8000 Yen an einem Abend nur für Getränke und eine Kleinigkeit zu essen ausgegeben hatte. Scheinbar verfügte Dai über eine Menge Taschengeld, wenn er uns allen die Getränke bezahlen wollte. „Dai zahlt!“, hörte ich Saga neben mir sagen und ich nickte nur, wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Doch trotzdem interessierte es mich brennend, ob er wirklich so viel Geld hatte, wie Reita es einmal angedeutet hatte. Immerhin lebte Daisuke ja auch in einem Palast, wie ich fand, und schien etwas geboten zu bekommen von seinem Vater. Darunter bestimmt auch Geld, oder? „Hat Daisuke zu viel Geld oder so?“, fragte ich Saga deshalb und bekam ein Lachen zur Antwort, dann jedoch ein Nicken. Wie ich es erwartet hatte, dann konnte er doch ruhig mal ein bisschen davon abgeben, oder…? „Kriegt fast 25.000 Yen Taschengeld im Monat! Kannst also nichts anderes erwarten, er ist sehr spendabel und verdient sich nebenbei auch noch ne Menge!“, erklärte er mir und reckte sich etwas, um nachzuschauen, wo die drei mit den Getränken blieben. Und ich fragte mich, womit Daisuke sich nebenbei wohl Geld verdiente. Ich malte mir plötzlich die verrücktesten Sachen aus. Drogen verkaufen, seinem Vater assistieren, im Café arbeiten, in einer Gärtnerei arbeiten, Friedhofsgräber pflegen… Wie kam ich denn bitte darauf?! Aber irgendwie war es schon erdenklich, denn auf mich machte er so einen Eindruck, als wäre er Mitglied in irgendeiner Sekte und vor allem war er ja auch Nazi, wie ich schon oft gehört hatte. Schon seltsam, mit so jemandem zu feiern und von ihm ein Bier ausgegeben zu bekommen, da ich doch strikt gegen den Nationalsozialismus war. Ich hatte mich nie damit anfreunden können, dazu hatte es mich zu sehr schockiert, was ich so alles darüber gelesen und im Fernsehen gesehen hatte. Eine Weile später kamen die drei mit ein paar Flaschen beladen zurück und stellten sie vor uns auf den Tisch, Reita setzte sich dann neben mich und schob eine der Bierflaschen zu mir herüber, wartete, bis ich sie genommen hatte und stieß dann mit mir an. „Ist scheiße voll hier, war es letztes Jahr irgendwie nicht!“, meinte er und hatte sich zu mir gebeugt, damit ich ihn auch verstehen konnte. Irgendwie eine komische Situation, in der ich hier gerade steckte. Auf dieser Seite saßen wir an die Wand hinter uns gelehnt, auf der anderen Seite der Bank saßen Daisuke, Ni~ya und Sakito, letzterer auf dem Schoß des schwarzhaarigen und schien einen auf Platz sparend zu machen. Neben Daisuke saßen irgendwelche anderen, mit denen er sich unterhielt, die ich jedoch nicht kannte. Einer davon hatte gelbblondes Haar, das ihm zu allen Seiten vom Kopf abstand und war dunkel geschminkt, trug ein Nietenhalsband und irgendwas schwarzes, was ich nicht erkennen konnte. Wohl irgendein Hemd. Irgendwie erschreckte mich dieser Typ, er sah verdammt gefährlich aus, obwohl er viel kleiner war, als der Rotschopf neben ihm. Ein kleines Monster, wie ich fand. Daisuke redete lang mit ihm, er hatte sich zum Ohr des anderen gebeugt und grinste ab und an mal, wenn der blonde ihm antwortete, doch dieser verzog die ganze Zeit über keine Miene. Schon komisch, dachte ich, dabei schien das, was er sagte, doch so lustig zu sein – zumindest schien Daisuke es lustig zu finden. Ni~ya und Sakito waren währenddessen voll und ganz mit sich selbst beschäftigt, ich versuchte, möglichst wenig auffällig zu ihnen rüber zu starren, denn ein paar wenige Blicke konnte ich mir irgendwie nicht verkneifen. Ich hatte Aoi schon oft mit seiner Freundin küssen sehen, doch bei den beiden hier war es nicht dasselbe, wie ich fand. Die Tatsache, dass sie zwei Jungs waren, verwirrte mich, denn ich hatte sowas eigentlich noch nie gesehen. Aber ich musste mich ja daran gewöhnen, wenn ich bleiben wollte. Demnach schielte ich nur ab und zu und auch nur unauffällig hin, wenn ich glaubte, mir sah keiner zu. Saga versuchte derweil, sich aus seiner Weste zu befreien und sah schon ziemlich belustigend aus, doch ich verkniff mir das Lachen und half ihm schließlich, die Weste über seine Schultern zu ziehen, wofür er mir einen dankbaren Blick zuwarf. Dann wandte er sich wieder seinem Gesprächspartner zu, den er gerade gefunden hatte. Er war ein Stück größer als er und hatte schwarze Haare, ein markantes Gesicht und schien sich amüsiert mit dem blonden neben mir zu unterhalten. Reita hatte währenddessen noch auf seinem Handy getippt, steckte es nun jedoch weg und wandte sich mir zu. „Und? Magst meine Leute?“, fragte er wieder nah an meinem Ohr, musste also nicht so laut sprechen. Ich drehte den Kopf kurz zu den gemeinten Personen vor und neben mir, beugte mich dann wieder zu Reita und grinste dabei, konnte seinen Geruch wahrnehmen. Er roch zwar auch nach Bier und Zigaretten, aber letzteres schon gar nicht mehr so stark und es wurde übertönt von einem anderen Geruch, den ich irgendwie mochte. „Saga ist cool. Aber Daisuke find ich komisch. Wer ist der Typ, mit dem er da redet?“ Reita schaute mich kurz verwundert an, schielte rüber zu dem Rotschopf und nickte dann aber wissend. „Kyo, n kleiner Schläger. Die hat nur so komische Freunde, außer uns. Wir haben nichts mehr mit denen zu tun, die haben nur Ärger gemacht! Bin wegen denen schon fast mal verpfiffen worden!“, erklärte er mir. Wäre ja noch schöner gewesen, wenn ich auch noch in sowas wie eine Schlägerei geraten würde! Dabei hasste ich es, Gewalt anzuwenden, sowohl körperliche, als auch seelische. Mir lag sowas einfach nicht. Und ich war froh darüber, dass er mir sagte, dass sie nichts mehr mit Daisukes komischen Schlägerfreunden zu tun hatten. Hatte mir ja noch gefehlt! „Ich finde Sakito und Ni~ya süß!“, lachte ich und nahm noch ein paar Schluck von meinem Bier, das ich nun schon bis zur Hälfte geleert hatte. Das Zeug schmeckte mir sogar irgendwie, ich hatte nie gedacht, dass ich Alkohol mal gerne trinken würde. Die wenigen Male, an denen ich wirklich getrunken hatte, lagen weit zurück und ich hatte die meisten davon auch bereut, da mir Alkohol zu diesem Zeitpunkt einfach nicht geschmeckt hatte. Aber mich übergeben hatte ich von dem Zeug glücklicherweise noch nie. „Ja, die sind schon so n Fall für sich! Aber Ni~ya hat immer coole Ideen, wenn wir Bock haben Scheiße zu bauen!“, lachte er, trank nun selber sein Bier leer und ich wunderte mich, wie ein Mensch nur so schnell trinken konnte. Er hatte es doch gerade erst fünf Minuten…? „Was für Scheiße?“, wollte ich spaßeshalber wissen, denn es interessierte mich schon, was sie denn wohl machten, wenn sie sich nicht gerade gemeinsam bis zur Bewusstlosigkeit betranken. „So sprayen, Fenster einschlagen von Leuten, die wir nicht abkönnen, Autos aufbrechen…“, antwortete er und zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. Aber mir war das alles andere als egal! War schon komisch zu wissen, dass ich gerade mit lauter kleinen Kriminellen am Tisch saß. War eigentlich noch nie einer von ihnen irgendwie erwischt worden? „Machen wir aber nur manchmal! Wird auf Dauer n bisschen gefährlich!“, fügte er noch hinzu. Wie auch immer, dachte ich, solange ich nicht ernsthaft in sowas hineingezogen wurde, konnte es mir ja egal sein. Ich wollte mir nämlich gar nicht erst ausmalen, wie die Reaktion meiner Mutter aussehen würde, wenn irgendwann ganz zufällig ein Mahnzettel ins Haus flatterte… Einige Stunden und auch einige viele Bier später kam es dann, dass ich zum ersten Mal an diesem Abend dachte, ich würde sterben müssen. Nun saß ich hier zwischen Reita und Saga, kein Schwein von ihnen nahm mich ernst und dabei musste ich nun schon seit einer geschlagenen halben Stunde pinkeln! Da hatte ich mir ja genau die richtigen ausgesucht, wenn es um soziales Engagement ging! Erstens verhinderten sie damit ein Trockenbleiben meiner Hose und zweitens machten sie es auch nicht gerade besser damit, die ganze Zeit Witze über irgendwelche belanglosen Dinge zu reißen, die mich nur noch mehr zum Lachen brachten und ich meiner Blase damit keineswegs auf irgendeine Weise entgegenkam. „Bitte, bitte, bitte, bitte, Reita! Bitte, bitte! Ich halt das nich mehr aus! Bitte!“, flehte ich übertrieben und rüttelte an seinem Arm, damit er endlich aufstand und mich raus ließ, damit ich die hausinterne Scheißhausanlage aufsuchen und meiner Blase Erleichterung verschaffen konnte, doch alles, was Reita tat, um dazu beizutragen, war, ein gespielt nachdenkendes Gesicht aufzusetzen und mich anzugrinsen. „Reita!!!“, quengelte ich weiter, schien diesmal jedoch weitaus mehr erreicht zu haben und er gab schließlich nach. „Gut, aber nur, weil du Uru bist…“, grinste er und stand auf, um mich aus der Sitzecke zu lassen und ich nutzte die Chance auch gleich, schälte mich zwischen Bank und Tisch vorbei und stand nun endlich schwankend, aber dennoch stabil auf meinen Beinen. Ich dankte kurz mit einem Luftkuss und drehte mich dann um, schaute mich kurz um und entdeckte dann ein Schild mit zwei kleinen Männchen oberhalb der vielen Köpfe, die sich nun zu allen Seiten befanden. Ich schlängelte mich durch die Menschenmassen, versuchte, nicht irgendwem beim Laufen das Getränk aus der Hand zu schlagen und wich jeder Zigarette, die mir entgegenkam, gekonnt aus. Und irgendwann hatte ich diesen Urwald von Menschen auch durchquert, befand mich nun vor den Toiletten und nur noch zwei Türen trennten mich von meiner Erlösung. Ich betrat die Männertoilette und wunderte mich gar nicht erst über deren Sauberkeitsgrad, denn was wollte man bei so vielen Leuten in einer einzelnen Scheune auch erwarten? Dass jeder nach draußen aufs Feld nebenan ging, um sich zu entladen? Ich erledigte schnell mein Geschäft, nachdem ich eine freie Kabine entdeckt hatte, um mich gleich darauf wieder auf den Weg durch die schubsenden, drängelnden Menschenmassen zu machen und erneut zu versuchen, keinem auf die Füße zu treten. Als ich auch das geschafft hatte, war ich endlich wieder an unserem Tisch angelangt… …und stellte fest, dass kein Platz mehr auf der Bank frei war. Großartig, Saga war aufgerückt, um seinen beiden Freunden, mit denen er sich noch immer unterhielt, Platz zu machen. Und neben Sakito und Ni~ya, die sich gerade aufs wildeste am befummeln und gegenseitig am ersticken waren, wollte ich dann lieber doch nicht sitzen, denn ich bezweifelte, dass ich es genauso gekonnt ignorieren konnte, wie Daisuke, der sich nun der Gesellschaft des kleinen blonden Monsters und eines schlanken, blauhaarigen Mädchens (oder Mannes? Man konnte ja nie wissen…) zugewandt hatte. Wunderbar, dann musste ich eben freundlich ‚Bitte, bitte’ sagen oder mir irgendjemandes Bein leihen, um mich davor zu bewahren, irgendwann einfach in mich zusammen zu fallen, denn jetzt, wo ich mich bewegt hatte, machten sich die vielen Bier, die ich getrunken hatte (bei sieben hatte ich aufgehört zu zählen) und die Daisuke freundlicherweise allesamt bezahlt hatte, bemerkbar. „Reita?“, fragte ich deshalb lieb, als ich mich neben diesen an die Bank gestellt hatte, mich mit beiden Armen an Tisch und Wand abgestützt und mich runtergebeugt hatte, damit er meine heisere Stimme auch hören konnte. Er schaute mit hochgezogener Augenbraue zu mir auf und erwartete die folgende Frage: „Leihst du mir deinen Platz?“ Daraufhin lachte er nur kurz auf, zeigte mir den Mittelfinger und lehnte sich zurück, deutete auf seine Beine. „Die kann ich dir leihen!“ Und ich schaute ihn einen Moment lang einfach nur verwundert an. Reita, der große Reita, der mir vorher noch Schande über mein Haupt gewünscht hatte, weil ich zu spät gekommen war, der sowas von überzeugt von sich selbst war, der schon so viel Scheiße gebaut hatte und der vor allem ja sonst niemanden an seine Jacke ließ (und ich bezweifelte, dass er dafür lieber seine Hose hergab), ließ mich auf seinem Schoß sitzen? Komische Vorstellung… „Okay!“ Dennoch zögerte ich nicht lang, das Angebot anzunehmen, denn meine Beine wollten mein Gewicht anscheinend nicht mehr sonderlich lang tragen. Wieder konnte ich sehen, wie wenig ich doch vertrug, weil ich einfach nichts gewohnt war…! Also setzte ich mich auf seine beiden Beine, die er freundlicherweise eng nebeneinander gestellt hatte, lehnte mich aber mit dem Körper nach vorn, sodass ich meine Ellbogen auf den Tisch stützen konnte. Ich griff nach meiner angefangenen Flasche Bier und trank ein paar Schlücke, als Saga mich von der Seite ansprach. „Sorry, aber n paar Freunde haben noch nen Platz gesucht! Hoffe, das stört dich nicht!“, grinste er und schielte einmal kurz zu Reita, dessen Gesicht ich jedoch nicht sehen konnte, da er ja hinter mir saß. Ich hörte den anderen einfach nur zu, während sie redeten, denn ich hatte in den vergangenen Stunden schon über meine Verhältnisse gequatscht und gelacht, sodass ich langsam aber sicher etwas müde wurde. Mal wurde ich auf das Gespräch von Daisuke und diesem Kyo aufmerksam, konnte jedoch nicht allzu viel verstehen, da sie etwas zu weit weg saßen und man nun andere Musik aufgelegt hatte, die einem noch viel mehr ans Trommelfell ging. Aber die nun weitaus besser war als das, was sie vorher gespielt hatten. Eine Mischung aus Pop und Metal, wie ich glaubte, es einschätzen zu müssen. Doch irgendwann war mir einfach die Lust vergangen, irgendwem angestrengt zuzuhören und mein Blick fiel wieder auf Saki und Ni~ya, die wohl die anderen ganz vergessen hatten und sich nun eng umschlungen festhielten, jeder von beiden schien zu versuchen, den anderen mit seiner Zunge zuerst zu ersticken. Sah schon irgendwie nett aus, wie ich fand, obwohl es nicht wirklich Männlein und Weiblein waren. Aber kümmern tat es mich wenig. So kam es, dass ich nach fast einer halben Stunde, in der ich einfach nur da gesessen hatte, irgendwas brauchte, wo ich mich anlehnen konnte, weil ich langsam aber sicher nicht mehr so sitzen konnte. Und irgendwie hatte ich schon völlig verdrängt, dass es Reita und kein Stuhl war, auf dem ich saß, und lehnte mich einfach nach hinten, wo ich gegen etwas Weicheres als eine Wand traf. Ich stutzte, erinnerte mich dann aber wieder, dass ich auf Reitas Schoß saß und blieb nun einfach so sitzen, denn es sah schon ziemlich blöd aus, wenn ich jetzt einfach wieder von ihm wegrutschte, oder nicht? Doch Reita schien es gar nicht zu stören, denn er unternahm auch nichts dagegen, sondern hieß es eher Willkommen, dass ich nun so saß, indem er seine Arme um meinen Bauch schlang und sich weiter ausgelassen mit Saga und dessen Freunden unterhielt. Ich beteiligte mich jedoch nicht wirklich an ihrem Gespräch, denn über ihre Familien, über die sie sich gerade lustig machten, wusste ich schließlich nicht wirklich viel und über meine wollte ich lieber nichts preisgeben – sie war mir peinlich inzwischen. Müde lehnte ich meinen Kopf an Reitas, interessierte mich nicht für die verwunderten Blicke, die ich gerade von Daisuke erntete, den ich nur aus den Augenwinkeln wahrnehmen konnte. Was musste der denn auch immer so komisch kucken? Man konnte ja nie auseinander halten, ob er einen nur musterte oder schief anglotzte, weil man irgendwas in seinen Augen falsch gemacht hatte…! Plötzlich merkte ich wie Reitas Hände begannen meinen Bauch zu kraulen und nach und nach ein wenig tiefer zu rutschen, sich plötzlich unter mein Hemd schoben, woraufhin ich mir ein Zusammenzucken ernsthaft verkneifen musste. Seine Hände waren eiskalt! Kein Wunder, dass er sich da eine Wärmequelle suchen musste, denn das war schon nicht mehr normal...! Ob es am Alkohol lag? Ich versuchte mich an die Kälte auf meinem nackten Bauch zu gewöhnen und grinste ein wenig, schloss die Augen und lehnte mit dem Kopf weiter an seiner Schulter. Und dann fing er wieder an meinen Bauch zu kraulen. Irgendwie war ich irritiert. Sowas hatte noch nie jemand mit mir gemacht, schon gar nicht so spontan und unerwartet, wie in dem Moment! Kurz spannte ich meine Bauchmuskeln an, jedoch nur aus einem Reflex heraus, und versuchte mich an dieses seltsame Gefühl in (und auf) meinem Bauch zu gewöhnen. Es war eigentlich ganz schön, wie ich fand, also wehrte ich mich auch nicht weiter dagegen. Ich machte mir nicht einmal mehr Gedanken darüber, dass Aoi oder Ruki hier irgendwo sein und das alles sehen konnten. Der Alkohol hatte wohl dafür gesorgt, dass mir langsam aber sicher alles egal wurde, was man mit mir und um mich herum anstellte. Ich lag einfach nur da, auf seinem Schoß, hatte die Augen geschlossen und schnurrte ab und an leise, obwohl es schon irgendwo ein seltsames Gefühl war, was Reita da bei mir verursachte. Ich wehrte mich nicht, dieser Reaktion meines Körpers entnahm ich einfach mal, dass es völlig normal war, dass mich gerade ein Junge so streichelte. Und sein Streicheln war wirklich irgendwie entspannend. Seine rechte Hand wanderte meinen Oberschenkel herab, ließ mich meine Augen wieder öffnen und zu ihm heraufschauen, sodass ich sein Profil sehen konnte. Er hatte den Blick scheinbar die ganze Zeit auf meinen Bauch und auf die Stellen gerichtet, die er kraulte und schaute erst zu mir, als ich meinen rechten Arm hob und meine Hand mit den Haarsträhnen in seinem Nacken spielte. Ich stutzte, als ich den Ausdruck in seinen Augen sah. Er schaute mich mit einer Mischung aus Belustigung und purem Ernst an, sodass ich nicht genau wusste, was von beidem nun überwiegte und woran ich mich eher orientieren sollte. Doch eines stand fest: er tat das mit Absicht. Was er damit bezwecken wollte, wusste ich nicht, da mein Gehirn im Moment nicht imstande war, noch in irgendeiner Weise klar zu denken. Dazu hatte ich schon viel zu viel getrunken… Diesem Blick jedoch konnte ich nicht mehr allzu lang standhalten und so wandte ich mich ab, vergrub das Gesicht in seiner Halsbeuge und ließ ihn einfach weitermachen. Ich fühlte seine Hand an meiner Hüfte und wie sie weiter am Hosenbund entlang fuhr, an seiner anderen, die noch immer unter meinem Shirt verweilte und meinen Bauch kraulte, vorbei und weiter nach oben bis zu meinem Hals, den er nun ebenfalls zu kraulen begann. Und in meinem Nacken. Und hinter meinem Ohr. Und unter meinem Kinn... Und plötzlich hörte er auf. Ich öffnete die Augen und sah, dass Saga und Daisuke schon aufgestanden waren, Reita wohl im Begriff war, es ihnen gleich zu tun. Ich beugte mich rauf zu seinem Ohr und fragte einfach mal nach. „Gehen wir?“ Er nickte, ließ mich jedoch nicht los, sondern schob mich nur von seinem Schoß, sodass ich wieder auf meinen zwei Beinen stand. Die irgendwie nur noch wackliger geworden waren, als bis vor einer halben Stunde. Ich hielt mich aus Reflex an Reitas Schulter fest, der mich noch immer mit einem Arm um die Hüfte stützte und lief mit ihm ein paar Schritte von der Bank weg, wo Sakito und Ni~ya sich auch endlich mal voneinander losgerissen hatten und nun auch aufgestanden waren. Dann folgten wir Saga und Daisuke, Sakito und Ni~ya folgten uns und wir holten noch unsere Jacken, zogen sie über und verließen den stickigen Schuppen. Draußen war es eiskalt, wie ich feststellen musste, und auch um einiges sauerstoffreicher, als in dieser Scheune. Was auch dazu führte, dass mir nur noch schwindeliger wurde und ich mich automatisch an Reita neben mir festklammerte, um nicht hinzufallen. Doch der geriet dadurch nur ins stolpern und hätte er uns nicht noch mit einem geschickten Klammermanöver an Sagas Jacke festgehalten, wären wir beide wohl auf dem Boden gelandet. „Scheiße, mir is schlecht…“, lachte ich und auch Reita und die anderen stimmten in das Lachen mit ein. Es war ein heiteres Lachen, wie ich fand, und es war einzig und allein durch den Alkohol geprägt. Wir selber wussten nicht einmal, wieso wir überhaupt lachten, aber wir taten es schon das ganze Stück, das wir bis jetzt gelaufen waren und Reita und ich die ganze Zeit versucht hatten, uns nicht äußerst unelegant auf die Schnauze zu packen. Irgendwann stand Sakito am Straßenrand und kotzte einfach, ohne uns vorzuwarnen, was Ni~ya beinahe zum Verhängnis geworden war, denn er hatte Sakito gerade noch im Arm gehalten und das mit dem Gesicht zu seiner kostbaren Jacke hin. Saki brauchte eine ganze Weile, bis er sich das erste Mal ausgekotzt hatte und ich hatte bisher jeden einzelnen Brocken, den er wohl noch vom Abendessen im Magen gehabt hatte, gesehen und wie der Saft allmählich im Gras am Straßenrand verschwunden war. Ni~ya hielt ihn noch immer fest und strich ihm die Haare aus dem Gesicht, damit er diese nicht auch noch voll kotzte und lachte sich krümelig. Genau, wie alle anderen eigentlich auch. „Fertig? Oder is’ noch nich' besser?“, fragte er Sakito immer und immer wieder und als dieser auch noch immer und immer wieder den Kopf schüttelte, lachten wir nur noch mehr. Also half Ni~ya nach und steckte seinem Freund nun schon zum dritten Mal den Finger in den Hals, um es dem sterbenden Etwas ein wenig zu erleichtern. Währenddessen hatten Reita und ich einfach nur Mühe, uns nicht gegenseitig umzuwerfen, da unser beider Gleichgewichtssinn mit dem Alkohol langsam verschwunden war. Saga stand nur am Straßenrand und beschaute sich das ganze kritisch, lachte jedoch ab und an auch mit. Daisuke saß vergnügt neben dem kotzenden Sakito auf dem Boden und filmte die Szene mit seinem Handy, während er eine Zigarette rauchte und sich vor Lachen beinahe nicht mehr einkriegte. „Komm weiter, kannst auch beim Laufen kotzen…“, lallte Ni~ya irgendwann und zog den leichenblassen Sakito mit sich, der das ganze scheinbar nicht ganz so lustig fand, wie wir. Verständlich, dachte ich, doch irgendwie konnte ich einfach nicht aufhören zu lachen. Noch immer hielt ich mich an Reita fest, der jedes Mal zu lachen begann, wenn er über irgendeinen Stein auf der Straße stolperte oder ich es tat. Nach einer Zeit waren wir auch endlich am Park angekommen und Sakito hatte endlich aufgehört seinen Mageninhalt auf diese äußerst ungesunde Weise auszuleeren. Ich hatte mich an die Eisenpfosten des Tores gelehnt und Reita saß neben mir auf dem Boden, während Daisuke sich auf die Bank vor dem Park setzte und Ni~ya zuschaute, der bei Sakito vor dem Gullideckel hockte und diesen festhielt, ihm den Rücken streichelte und immer mal wieder leise kicherte. „Was machen wir hier eigentlich…?“, nuschelte Reita vor sich hin und wandte sich an Daisuke, der mehr auf der Bank hing, als saß. Doch der reagierte nicht mal sonderlich und zuckte nur mit den Schultern, lachte kurz auf und warf seine mitgenommene Flasche Bier weg. Er nuschelte noch irgendwas vor sich hin, was ich nicht wirklich verstehen konnte, da ich selbst schon so benebelt war, dass ich langsam in mich zusammensackte. Plötzlich stand Daisuke auf und hielt mir die Hand hin. „War cool heut Nacht. Bin weg. Bis dann, ne? Du: Freund. Baibai.“ Und ich verstand die Welt nicht mehr. Reita neben mir fing plötzlich laut an zu lachen und verschluckte sich an seiner eigenen Spucke, während ich nur irritiert auf Daisukes Hand starrte, diese schließlich doch nahm und sie schüttelte. Daisuke verbeugte sich schon fast übertrieben und ließ mich dann los, ging rüber zu Sakito und Ni~ya, der eben schon auf uns aufmerksam geworden war, als Reita angefangen hatte zu lachen. Dai gab ihm einen Kuss auf die Wange, genau wie Sakito, dem er noch den Kopf tätschelte, ehe er sich davon machte und schwankend in seine Straße lief, sich immer mal wieder an den Zäunen der Vorgärten festhaltend, bis ich ihn aus den Augen verlor. „Wir bringen die zwei noch bis oben an die Kreuzung, dann gehen wir zu mir, ne?“, hörte ich Reita mit noch immer belustigter Stimme sagen und sah, wie er aufstand und sich die Hose sauber klopfte, dabei versuchte nicht umzufallen. „Wo wohn’ die denn?“, fragte ich nun schon ziemlich müde und sah, wie Ni~ya Sakito half aufzustehen und ihn dann küsste. Reita deutete aufs Ende der Straße und ging schon mal ein paar Schritte, um sich davon zu überzeugen, dass er auch wirklich ordentlich laufen konnte. Und als er feststellte, dass es nicht wirklich ging, hielt er sich doch wieder an mir fest und zog mich mit. „Hinterm Park die Straße links rein…“ Ni~ya hatte Sakito mit Mühe und Not auf seinen Rücken befördert und trug ihn nun huckepack, während Reita und ich hinter den beiden hertrotteten und wir unter Lachen versuchten dem anderen nicht auf die Füße zu treten. Langsam aber sicher merkte ich, wie die Müdigkeit größer wurde als meine Fortbewegungsfähigkeit, und ich schleppte mich gegen Kreuzung nur noch mühsam vorwärts. „Bis die Tage dann…“, meinte Ni~ya, als er stehen geblieben war und Sakito runterließ, der sich sofort am Rücken seines Freundes festklammerte, um nicht hinzufallen. Reita umarmte Ni~ya zum Abschied und wuschelte Sakito kurz durch die Haare, ich trat ebenfalls zu ihnen und reichte Ni~ya die Hand zum Abschied, an der er mich jedoch zu sich zog und mich umarmte. Ich konnte gar nicht anders, als die Umarmung zu erwidern, selbst, wenn ich es nicht gewollt hätte – ich musste, da ich wieder drohte umzufallen wegen mangelnden Gleichgewichtssinns. Sakito lächelte mich noch einmal lieb an, ehe er mit Ni~ya in der Straße verschwand und mich mit Reita allein zurückließ. Ich hatte schon längst verdrängt, was wir am Tisch in der Scheune getan hatten. Nun liefen wir einfach nur schweigend nebeneinander her zu ihm nach Hause, auf das ich wirklich schon gespannt war. Seine Mutter und deren Freund waren ja angeblich nicht da und wir hatten somit sturmfrei, wie er erzählt hatte. Doch am meisten gespannt war ich auf sein Zimmer. Ich hatte noch nie ein Punkzimmer gesehen, daher interessierte es mich brennend, wie so eines wohl aussehen musste. „Hilf mir ma’, ich find meinen Schlüssel nich…“, meinte Reita dann plötzlich, als wir kurz vor der Haustür und schon auf dem Weg durch den Vorgarten waren, in dem nicht einmal Pflanzen standen, sondern nur Rasen und Erde den Boden ‚zierte’. Ich schaute den blonden etwas irritiert an, als der in seinen Hosentaschen kramte und dabei irgendwie ziemlich ungeschickt aussah. Doch ich machte mir nicht großartig etwas daraus, ihm bei seiner Suche zu helfen und schob meine Hand in seine linke vordere Hosentasche, wurde jedoch nicht wirklich fündig. „Hast den in deiner Jacke?“, fragte ich einfach mal und lehnte mich etwas an ihn, da mir langsam aber sicher immer komischer wurde. Ich machte eine seiner Westentaschen auf und suchte darin, wurde dann auch tatsächlich fündig. Neben einem Feuerzeug und einer Batterie hatte ich einen Schlüssel gefunden. Er zog die Hände wieder aus seinen hinteren beiden Hosentaschen und nahm den Schlüssel dann an sich. „Danke, besten Dank… Man, ich brauch ein Bett…“, murmelte er vor sich hin und versuchte dann, das Schlüsselloch zu treffen, was noch etwa zehn Minuten unserer Zeit beanspruchte. Und dabei waren es schon fast zwei Uhr… Endlich hatte er die Tür dann auch aufgeschlossen und er warf sie, nachdem ich rein gekommen war, auch gleich achtlos hinter sich zu, schmiss seine Schuhe, die er sich im Laufen schon von den Füßen geschoben hatte, einfach in irgendeine Ecke in den Flur. „Nimm alles mit nach oben, such dir n Plätzchen zum pennen und penn einfach…“, meinte er nur und ging auch gleich die Treppe herauf, ich folgte ihm. Was ich bisher vom Haus gesehen hatte, war eigentlich ganz ordentlich gewesen, doch als ich dann Reitas Zimmer betrat, dachte ich sofort an das chinesische Ying-Yang-Zeichen, denn dieses Zimmer war der genaue Gegensatz zum Rest des Hauses… Als Reita das Licht anschaltete, sah ich es: überall lagen Klamotten rum, Flaschen standen herum, irgendwelche Schachteln, leere Teller, Gläser, es lagen zwei Matratzen auf dem Boden und darauf das zerwühlte Bettzeug, auf dem ich wohl schlafen sollte. Aber eines tat es hier nicht, außer rumpelig aussehen und verwüstet sein: stinken. Im Gegenteil, es roch hier sogar verdammt gut. Irgendwie nach Lotus oder Kirschblüten. Woher der Duft kam, wusste ich nicht, doch ich mochte ihn. Dass Reita rauchte, merkte man diesem Zimmer überhaupt nicht an, wie ich fand. Ich zog mir nun also Schuhe und Jacke aus, stellte meine Schuhe neben den Schrank und hängte meine Jacke ordentlich über den Schreibtischstuhl, der vor dem Computertisch stand, neben dem allerlei Krimskrams lag. Bilder, Feuerzeuge, Stifte, ein Mp3-Player, es standen Gläser und Flaschen daneben, die jedoch alle abgedeckt waren mit irgendetwas. Meist mit einem Taschentuch oder einem Buch oder einem Heft, damit der unangenehme Geruch sich nicht verbreitete. „Wie oft räumst du hier auf?“, fragte ich einfach mal zum Spaß den sich ausziehenden Reita und hob skeptisch eine Augenbraue, als er sein Shirt einfach nach oben auf den Kleiderschrank warf, auf dem ein weißer Korb stand. Musste wohl sowas wie die Wäschetonne sein. „Ich hab nich aufgeräumt. Hab ich vergessen… und wenn, dann einmal in der Woche oder so…“, antwortete er und trat ein paar herumstehende Flaschen beiseite, die wohl schon so alt waren, dass die Flüssigkeit in ihnen schon eine Fellschicht bekommen hatte, da sie nicht einmal mehr herauslief – sofern denn überhaupt noch welche drin war. „Welches Bett willst du?“ Gerade war ich dabei gewesen, seine Pinnwand zu mustern, an der er viele verschiedene Sachen hängen hatte. Fotos, Schmierzettel, Arbeitsblätter, eine nackte Frau mit einem Hitlerbart und einem Nazizeichen am Arm (das Bild hatte es bestimmt von Daisuke bekommen), Federn (wozu auch immer), eine getrocknete Rose und viele Buttons mit verschiedenen Bands und ihren Logos darauf. Auch an den Wänden hatte er Poster von verschiedenen Bands, die ich jedoch alle nicht kannte. Die meisten Poster besaß er von den ‚Sex Pistols’, was wohl auch seinen Namen im ICQ erklärte. „Is’ mir egal… irgendeins…“, jammerte ich, da mir nun schon so ziemlich alles wehtat und mein Magen irgendwie anfing, Stress zu machen. Scheinbar wollte er den Inhalt, den ich ihm in den letzten paar Stunden so mühevoll verabreicht hatte, nicht einmal behalten. Wie unverschämt! „Wo ist das Klo?“, fragte ich lieber schon mal vorher und bekam nur einen Fingerzeig aus der Tür heraus, wo sich auf dem Flur gegenüber eine Tür befand, an deren trüber Fensterscheibe ein in der Mitte zerteilter Window-Colour-Pinguin hing. Tat mir irgendwie leid, der arme… Ich nickte nur und setzte mich dann endlich auch in Bewegung, nur, um gleich einem mir entgegen kommenden Shirt auszuweichen und die folgende Hose ganz zufällig aufzufangen. „Zum pennen. Hoffe, das passt dir, mir ist’s zu klein!“, grinste Reita mir nur kurz zu, ehe er sich daran machte, das eine mit Zeitschriften beladene ‚Bett’ freizumachen, damit einer von uns auch darin schlafen konnte. Wenn man diese Matratzen auf dem Boden überhaupt ein Bett nennen konnte. Sie lagen zwar nebeneinander und hatten eine Art Holzrahmen, damit sie nicht dauernd verrutschten (wie ich es mir jedoch nur denken konnte), doch das Gestell hatte man wohl vergessen oder man war gleich davon ausgegangen, dass es bei Reita nicht sehr lange überleben würde, wie auch der Fernsehschrank, dessen Türen und Schubladendeckel heraus gebrochen waren und zwischen deren ehemaligem Besitzer und der Wand standen… Nun begann auch ich endlich, mir das Hemd aufzuknöpfen und legte es noch zusammen, bevor ich es auf den halbwegs freien Boden neben der linken Matratze legte, die ich mir soeben zum Schlafen auserkoren hatte. Dann zog ich mir das frisch riechende Shirt von Reita über, was mir sogar halbwegs passte, obwohl Reita einen Tick kleiner war, als ich. Es folgte meine Hose und schnell zog ich mir Reitas über, da ich schon seit geraumer Zeit fror. Und während ich mich umzog, kramte Reita in einer seiner (noch ganzen) Schreibtischschubladen und wurde anscheinend fündig, da er ein erfreutes „Aha!“, von sich gab. Ich schaute ihm aufmerksam zu, während ich es knistern hörte und kurz darauf eine Flasche Wasser in die Hand gedrückt bekam. „Wenn du gekotzt hast, nimm die. Das hilft.“ Wieso war er sich denn auf einmal so sicher, dass ich kotzen musste? Noch ging es ja mit dem Übelkeitsgefühl, das sich so langsam aber sicher in mir breit machte. Aber für den Notfall wusste ich ja, wo sich die Toilette befand und ich musste nur früh genug losrennen, um es noch zu schaffen, die Kloschüssel zu treffen. Reita hatte sich inzwischen schon auf die andere Matratze geschmissen und es sich halbwegs gemütlich gemacht, während ich noch mit meinem Schmuck kämpfte. Er schaute mir währenddessen einfach nur belustigt zu, wie ich versuchte, mir meine Kette blind zu öffnen. „Soll ich helfen?“, fragte er dann und das wirklich zu meinem Glück, denn ich konnte ein bisschen Hilfe schon ganz gut brauchen. Irgendwie war es mit der Feinmotorik nicht mehr so, wie am Vormittag noch, als ich äußerst elegant meine Hand vor dem überkochenden Wasser gerettet hatte. Ich setzte mich also mit dem Rücken zu ihm hin und hielt mir die Haare nach oben, damit er besser an den Verschluss heran kam. Selbst, wenn ich die Kette nach vorn gemacht hätte, dann wäre das auch nicht besonders sinnvoll gewesen, da sie verdammt eng anlag. Er fummelte eine ganze Zeit lang an dem Verschluss herum, bis er ihn endlich geöffnet hatte und gab mir beide Enden nach vorn. Ich nahm die Kette dankend an und wollte mich gerade daran machen, sie zu den anderen Sachen in meine Jackentasche zu bringen, als mich plötzlich etwas davon abhielt, aufzustehen, was ich als ein paar Finger identifizierte, die mit den Haarsträhnen spielten, die ich mir bis eben noch aus dem Nacken gehalten hatte. Und plötzlich fiel mir wieder alles ein, was Reita auf der Scheunenfete mit mir gemacht hatte. Was sollte das werden? Ich verstand nicht, was er damit bezwecken wollte. War er nur betrunken oder steckte etwas dahinter? Wenn ja, was? Bestimmt war es normal bei ihm. Bestimmt tat er das auch mit anderen, es war von keinerlei Bedeutung und nur ein dummer Spaß, den er sich erlaubt hatte. War ja auch nichts Schlimmes. Nur blieb ich noch immer wie versteinert sitzen und spürte, wie er einen Finger meine Wirbelsäule entlang nach unten wandern ließ, langsam und nur ganz leicht, sodass ich es gerade durch das enge Shirt hindurch merken konnte. Dann piekste er zu. „Geh aufs Klo, wenn du kotzen musst!“ Auf einmal wurde mir kotzübel. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie die Übelkeit gekommen war, da ich viel zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt gewesen war. So schnell ich konnte, sprang ich auf und lief zur Tür, riss diese auf und stürzte dann gegenüber ins Bad, wo ich auch schon fast gegen die Kloschüssel lief. Schnell öffnete ich den Deckel und das noch gerade rechtzeitig, denn ich hatte schon zwischen Tür und Angel angefangen, zu würgen. Nun hing ich also hier über der Toilette und übergab mich geräuschvoll, während ich versuchte, mir so gut es ging die Haare aus dem Gesicht zu halten, damit diese nicht auch noch etwas abbekamen. Plötzlich merkte ich, wie jemand hinter mich trat und mir die Haare von der Stirn angefangen aus dem Gesicht strich, sodass ich meine Arme auf der Kloschüssel abstützen konnte, damit ich nicht umfiel. Reita schob mir die Strähnen so gut es ging hinter die Ohren, die restlichen, die immer wieder nach vorn fielen, hielt er mir zurück, sodass ich mir keine Sorgen machen musste, dass der Geruch länger als ein paar Stunden an mir (oder besser gesagt in meinem Mund, da ich ja nicht einmal eine Zahnbürste dabei hatte) hängen blieb. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich endlich ausgekotzt hatte, in der mir Reita immer wieder über die Schläfen gestreichelt und mir weiterhin die Haare aus dem Gesicht gehalten hatte und ich mich nun zurück auf den Boden fallen ließ, wo ich erst einmal wieder zu Atem kommen musste. „Alles okay?“, fragte er mich grinsend und ich konnte nicht mehr tun, als schwach zu nicken. „Musst du noch mal kotzen oder ist alles raus?“ Auch auf diese Frage hin nickte ich und ließ mir von ihm aufhelfen, lief jedoch allein und ohne eine Stütze wieder zurück in sein Zimmer, griff, als ich auf dem ‚Bett’ saß, zielstrebig nach der Tablette, die er mir gegeben hatte und nach der Flasche Wasser. Ich nahm die Tablette in den Mund und trank dann einen Schluck, spülte sie mir herunter und vernahm erst jetzt deutlich den bitteren Geschmack der Gallenflüssigkeit in meinem Mund. Und es war widerlich… „Leg dich hin, dann wird's besser“, sagte er ruhig und schaltete eine kleine Lampe neben seiner Matratze ein, ehe er aufstand und die große Deckenlampe ausschaltete, sodass nur noch das relativ kleine und fahle Licht das Zimmer ein wenig erhellte. Ich konnte gerade noch die Konturen des Schrankes erkennen. „Danke…“, murmelte ich nur und zog mir die Decke zurecht, um besser darunter schlüpfen zu können und ließ mich nach hinten aufs Kopfkissen fallen. Ich konnte meinen eigenen, rasselnden Atem hören und schloss für einen Moment die Augen, um den Schwindelanfall loszuwerden, der mich eben während des Laufens überkommen hatte. Als ich sie wieder öffnete und einen Seitenblick wagte, sah ich Reita aufrecht auf seiner Matratze sitzen und grinsen. „Was is’ so komisch?“, fragte ich nur grummelnd, denn ich konnte mir ja schon denken, dass er mich wegen meines momentanen Zustandes einfach nur auslachte. Und das gefiel mir gar nicht, wieso auch immer. „Ne, nichts. Schon gut…“, meinte er jedoch daraufhin nur und schüttelte leicht lachend den Kopf, ehe er sich ebenfalls hinlegte und nach dem kleinen Schalter von seiner Lampe griff. „Aber wenn du noch mal kotzen musst, sag vorher bescheid, ne?“ Ich gab nur einen zustimmenden Laut von mir, war zu müde, noch irgendetwas zu sagen und einfach nur dankbar, dass ich endlich in einem weichen Bett lag und nun eine wundervolle, hoffentlich schlafreiche Nacht vor mir hatte. Ich schloss also wieder die Augen und drehte mich leicht zur Seite, um meinen ohnehin schon gereizten Magen nicht noch mehr zu strapazieren. Noch einmal gingen mir diverse Bilder von diesem Abend durch den Kopf. Doch erst ab der Stelle, wo ich auf Reitas Schoß gesessen hatte, den Rest hatte ich schon wieder total vergessen. Das, was Reita da gemacht hatte. Das, worüber wir so gelacht hatten, als wir auf dem Weg in den Park gewesen waren. Und nun wusste ich, wieso Sakito nicht mitgelacht hatte. Ich fühlte mich gerade etwas scheiße und brauchte nun definitiv eine Mütze voll Schlaf. Und die würde ich mir nun endlich auch holen… © Kapitel 9: Von nachttrüber Übelkeit und Vorteilen ------------------------------------------------- -9- Von nachttrüber Übelkeit und Vorteilen Als ich an diesem Morgen aufwachte, glaubte ich, ich würde sterben müssen. So schlecht, wie an jenem Morgen, war mir im ganzen Leben noch nicht gewesen und ich hatte noch niemals solche Schmerzen in meinem linken Bein gehabt, weil es mir über Nacht eingeschlafen war. Dann fing der Tag ja schon mal wunderbar an! Ich tat mich schwer, die Augen zu öffnen, denn sie waren noch total verklebt und müde und meine Lider schwer, doch ich tat es trotzdem und befand mich ausnahmsweise mal in einem noch fast dunklen Zimmer. Das Licht schien gegen die Vorhänge, die nur minimal etwas davon durchließen und somit sah ich das komplette Zimmer nur in schwarzweißen Farben. Leicht richtete ich mich auf, um einen besseren Blick dafür zu bekommen, wie genau ich denn nun eigentlich hier gelegen hatte, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, nicht im richtigen Winkel aufgewacht zu sein. Ich schaute mich leicht irritiert um und stellte dann fest, dass ich mich ‚quergestellt’ hatte. Mit dem Oberkörper war ich immer weiter nach rechts gerutscht und meine Beine befanden sich über dem Rand des Holzrahmens, welche mir sämtliche Muskeln in meiner linken Kniebeuge abklemmte, da ich wohl in der Nacht wesentlich tiefer gerutscht war. Und plötzlich fiel mir wieder ein, dass ich ja gar nicht allein in diesem Bett lag. Etwas sehr perplex schaute ich herab zu einem schlafenden Reita, der auf dem Bauch lag und noch friedlich zu schlafen schien – natürlich mit Nasenbinde, die er die ganze Nacht über nicht abgenommen hatte. Und verrutscht war sie auch nicht –leider! Zu gern wollte ich ihn mal ohne dieses Teil sehen, doch ich traute mich einfach nicht, es zu versuchen. Mit Leichtigkeit konnte ich ihm nun das Teil von der Nase ziehen und das wohlmöglich noch ohne, dass er es merkte, doch es nachher wieder dran zu bekommen, war die größere Schwierigkeit. Na ja, vielleicht zeigte er sich ja irgendwann noch mal ohne dieses Ding. Ich ließ mich wieder zurück in meine Kissen fallen, nachdem ich mich wieder halbwegs geordnet hatte und ließ mir noch einmal alles vom vorigen Abend durch den Kopf gehen. Ich wusste nichts mehr vom Anfang, lediglich, dass ich weder Aoi, noch Ruki irgendwo gesehen hatte. Darüber wunderte ich mich jedoch nicht sonderlich, denn wenn sie überhaupt da gewesen waren, hatten sie sich sicherlich von uns fern gehalten. Was ich auch eigentlich gar nicht so schlecht fand, denn irgendwie hatte es für mich nicht Not getan, sie an dem Abend sehen zu müssen. Lediglich ab dem Zeitpunkt, ab dem ich auf Reitas Schoß gesessen hatte, konnte ich mich noch an alles erinnern, was vorgefallen war. Und daraufhin wurde ich unweigerlich knallrot. Reita hatte mich befummelt…? Ohne Zweifel, das hatte ich an dem Abend nur nicht als so schlimm empfunden – was wahrscheinlich am vielen Alkohol lag, den ich getrunken hatte, denn ab einer gewissen Anzahl an Bier hatte ich aufgehört, zu zählen. Doch es war schon mehr als nur ein bisschen kraulen gewesen, wie ich meinte, mich erinnern zu können. Hatte er nicht seine Hand unter meinem Shirt gehabt? Und nachher noch an meinem Oberschenkel? Und in meinem Nacken? Ich wusste schon gar nicht mehr, was er alles getan hatte, doch ich hoffte nur, dass es nicht weiter gekommen war, als ich es bisher in Erinnerung hatte… Plötzlich vernahm ich eine Regung neben mir und als ich den Kopf zur Seite drehte, schaute mich ein verschlafener Reita an. „Wieso schläfst du noch nich…?“, nuschelte er seine Frage mehr, als dass er sie sprach, und kratzte sich am Hinterkopf, gähnte herzhaft. Ich jedoch konnte über diesen Anblick nur schmunzeln. Er sah irgendwie noch verdammt betrunken aus und er schien einige Nachwirkungen davongetragen zu haben, wenn er schon nicht einmal mehr wusste, dass er bis eben geschlafen hatte. „Es ist elf Uhr, du Vollidiot…“, meinte ich einfach nur matt und deutete auf seinen Digitalwecker, der neben mir auf dem Boden stand. Um sich selbst davon zu überzeugen, rappelte er sich mühsam auf und lehnte sich über mich hinweg, schaute kurz auf die Anzeige seines Weckers und murrte, ehe er sich einfach wieder fallen ließ und genau auf meinem Bauch landete. „Scheiße…“, murmelte er in die Bettdecke hinein und ich konnte spüren, wie er atmete und schluckte. Ein komisches Gefühl, wie ich fand. Immerhin hatte noch nie jemand so auf mir drauf gelegen und bei Reita war es mir schon ein wenig… nun ja, unangenehm konnte man es nicht nennen, doch ich empfand es einfach nur als seltsam. „Dann schlaf doch weiter!“, schlug ich vor, doch ich würde nun nicht mehr weiterschlafen, denn langsam aber sicher musste ich dann schon aufstehen, um früh genug zuhause zu sein, damit meine Mutter kein Theater machte. „Nein, du musst doch irgendwann noch nach Hause. Dann kann ich doch nich einfach pennen…“, antwortete er mir, als hätte er eben meine Gedanken gelesen und erhob sich wieder stöhnend und ächzend, kam auf seiner Matratze zum Sitzen und griff nach der Wasserflasche neben sich. Dann trank er in einem Zug fast die halbe Flasche leer. Währenddessen hatte ich einfach die ganze Zeit nur dagelegen und versucht, den Sand aus meinen Augen zu reiben und ein bisschen wacher zu werden. Ich sah nur, wie Reita neben mir aufstand und sich erst einmal am Schrank neben sich festhalten musste, um nicht gleich wieder umzufallen. Er ging auf seinen Schreibtisch zu, wo er wieder die Tabletten von gestern herausnahm und nun selbst eine mit dem Wasser, das er sich eben genommen hatte, herunterspülte. Ich meinte, in dem fahlen Licht erkennen zu können, wie er leicht angewidert den Kopf schüttelte und dann zu seinen Vorhängen ging. Schützend zog ich mir sofort die Decke über den Kopf, als er sie mit einem Mal aufriss und die Sonne genau ins Zimmer knallte. Auch er gab einen murrenden Laut von sich und wandte sich sicherlich gerade vom Fenster ab, ehe ich spürte, wie die Matratze neben mir etwas absank. Scheinbar war er wieder ins Bett geplumpst und hatte sich nun auch die Decke über den Kopf gezogen, um sich vor der Helligkeit zu schützen. „Wann musst n gehen?“, murmelte er sehr leise, sodass ich Schwierigkeiten hatte, ihn überhaupt zu verstehen und wartete einen Moment, ehe ich antwortete, da ich ja selber eigentlich gar keine Ahnung hatte. „Weiß nicht“, nuschelte ich zurück und nahm die Decke etwas von meinem Gesicht, um mich langsam an das Licht zu gewöhnen, „aber ich denke mal, ich sollte bald gehen… weil ich sonst Ärger bekomme.“ Er gab einen zustimmenden Laut von sich und ich hörte die Decke rascheln. Als ich mir meine wieder vom Gesicht nahm, sah ich, dass er aus dem Zimmer ging und etwas zu holen schien. Die Zeit nutzte ich, mich wieder umzuziehen und stand also auf, um Hosen zu tauschen und mir danach das Shirt über den Kopf zu ziehen. Und genau in dem Moment kam er zurück, grinste mich kurz seltsam an und setzte sich dann mit einer noch ungeöffneten Flasche Bier auf seinen Schreibtischstuhl. Ich starrte ihn einfach nur fassungslos an. Wie konnte er jetzt am frühen Morgen um elf Uhr Bier trinken, wo er sich doch gestern Abend noch die Kante gegeben hatte? Mir war ja jetzt noch schlecht vom ganzen Alkohol, sodass ich schon wieder das Gefühl hatte, ich würde gleich kotzen müssen. Und da trank er mir schon wieder einen vor? „Was kuckst n so? Oder willste auch eins?“, grinste er, öffnete das Bier mit einem Feuerzeug und trank ein paar Schlücke, ehe er mir die Flasche rüberreichte. Ich schüttelte jedoch nur abdankend mit dem Kopf und zog mir dann mein Hemd über, das ich die ganze Zeit einfach nur in der Hand gehalten hatte. Ich knöpfte es mir schnell zu und fuchtelte mir dann in meinen Haaren rum, bis mir dann auf einmal etwas Schreckliches einfiel: Meine Schminke! Schnell schaute ich mich im Zimmer nach einem Spiegel um, fand jedoch keinen. Also musste eben das Bad her! Eilig stand ich auf, entschuldigte mich kurz und lief in den Raum gegenüber, um festzustellen, dass fast gar nichts von meiner Schminke übrig geblieben war. Fast alles hatte sich von selbst aufgelöst oder war unter den Augen verschmiert, ich wischte es schnell mit etwas Wasser weg und sah am Ende wenigstens halbwegs annehmbar aus. Zwar umrandete meine Augen jetzt nur eine unregelmäßige, schwarze Linie, doch es war immerhin besser als nichts. Als ich zufrieden war, ging ich zurück zu Reita ins Zimmer und suchte nach meinen Schuhen. „Gehst du jetzt schon?“, fragte er verwundert, woraufhin ich nur nickte. Irgendwie wollte ich nur schnell hier weg. Ich konnte nicht länger bleiben, da mir noch immer nicht aus dem Kopf gehen wollte, was er da gestern mit mir angestellt hatte. Vielleicht war es aber auch einfach nur eine übertriebene Reaktion von mir, da ich solche Sachen einfach nicht gewohnt war. Aber Reita war immerhin ein Junge, genau wie ich (obwohl ich meist überhaupt nicht danach aussah, wie mir viele sagten) und meiner Meinung nach war es mir nicht unbedingt egal, dass mich ein Junge so berührt hatte… Außerdem wusste ich ja nicht einmal, wie es gemeint gewesen war. Ob er es nur getan hatte, weil er so betrunken gewesen war? Steckte etwas dahinter? Wenn ja, wie sollte ich damit umgehen? Wenn nein, wie sollte ich dann damit umgehen? Ich war völlig durch den Wind, wie ich feststellte. Und schlecht wurde mir nun auch schon wieder. Waren ja tolle Aussichten… Es würde bestimmt ein langer, qualvoller Samstag werden… „Soll ich dich nach Hause bringen oder gehst du allein?“, hörte ich ihn fragen und ich drehte mich um, erschrak, als er plötzlich genau vor mir stand und mich abwartend anschaute. Einen Moment lang war ich viel zu perplex, um zu antworten, doch trotzdem tat ich es mit einem Nicken. Ich wollte nicht, dass meine Mutter am Ende noch sah, dass ich mit einem wie Reita unterwegs war. Zumindest sollte sie es jetzt noch nicht sehen. Wer wusste schon, wie sie wieder reagieren würde, wenn sie mich mit ihm sah? In seinem Aufzug? Und so ganz nebenbei stellte ich fest, dass Reita eigentlich genauso scheiße aussah, wie ich im Moment. Seine Haare fielen ihm glatt und ungekämmt über die Augen, an denen schwarze Schminke verschmiert herunter gelaufen war und die Spuren davon noch immer ein wenig zu sehen waren. Einzig und allein sein Nasenband verdeckte sein restliches Gesicht, sodass ich nicht richtig sehen konnte, ob seine Wangen noch immer gerötet von dem vielen Alkohol waren, oder nicht. Aber Reita war sicher schon einiges mehr gewohnt, als ich… Aber trotzdem sah er eigentlich gar nicht so schlecht aus, im Gegensatz zu mir, wie ich fand. „Hast du was?“ Mit dieser Frage hatte ich irgendwie gerechnet. Immerhin hatte ich bisher kaum ein Wort mit ihm gesprochen und benahm mich seiner Meinung nach auch sicherlich verdammt seltsam. Ob es noch immer am Alkohol lag? Oder an der Tatsache, dass die Übelkeit mit der Zeit stetig anzuwachsen schien und mir langsam aber sicher ein mulmiges Gefühl im Magen aufstieg? Sicherlich würde ich heute noch öfter auf dem Klo landen, da war ich mir sicher. Aber was meine Mutter dazu sagen würde? Ob sie ein Problem damit haben würde, dass ich die ganze Nacht nicht da gewesen war? Oder damit, dass ich etwas getrunken hatte? Na ja, ich musste es ihr ja nicht sagen, wie mir auffiel, denn ich konnte ja auch einfach eine Ausrede benutzen! Gar keine so schlechte Idee, wie ich fand… „Nein, alles okay!“, lächelte ich nur auf seine Frage hin, um ihn nicht allzu sehr zu verunsichern. So, wie er es bei mir getan hatte. Irgendwie hatte er mich ja schon verwirrt mit seinem Verhalten. Auch am Morgen, als wir ins Bett gegangen waren, als er mir die Kette abgezogen hatte. Und dass er immer mal wieder plötzlich vor mir aufgetaucht war, wenn ich mich umgedreht hatte. So, wie gerade eben. Ich hatte auch von ihm geträumt – nur was genau das für ein Traum gewesen war, hatte ich bereits vergessen. „Aber mit nach unten komm’ ich noch…“, beschloss er und stand auf, um mir die Tür aufzuhalten, die ich gerade angesteuert hatte. Lächelnd bedankte ich mich kurz und schwebte dann mehr durch die Tür und die Treppe herab, als dass ich lief. Ich war immer noch ziemlich benebelt vom ganzen Alkohol in meinem Blut. Aber das Gefühl gefiel mir irgendwie… Im Flur unten blieb er stehen, um mir die Tür erneut zu öffnen und mich dann ein wenig erwartungsvoll anzusehen. Was erwartete er denn von mir? Dass ich ihn umarmte zum Abschied? Dass ich mich bedankte für den gestrigen Abend? Es erschien mir als das logischste, also verbeugte ich mich kurz leicht und brachte ein „Danke, dass ich mit durfte“ hervor. Was ihn zum schmunzeln brachte. „Warum denn nicht? Bist doch immer willkommen bei uns!“ Dieser Satz überraschte mich ein wenig. Wir kannten uns gerade mal ein bisschen länger als eine Woche und da war ich bereits willkommen bei ihnen? Ich wusste ja nicht einmal mehr den Namen von seinen Freunden – zumindest von manchen von ihnen – und sie wussten auch nicht viel mehr, als meinen Namen über mich. Gut, sicherlich hatte ich ihnen viel über mich erzählt in meinem Rausch, doch ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern. Aber ich zweifelte auch stark daran, dass die Erinnerung irgendwann zu mir zurückkehren würde und somit würde es immer ein Geheimnis bleiben, was ich wem über mich verraten hatte. Obwohl es eigentlich gar nicht beabsichtigt gewesen war, dass jemand etwas über mich erfuhr, wovon ich nicht wollte, dass man es wusste. Und ich hatte ja dummerweise keinerlei Ahnung davon, was nun wer wusste. Warum beschäftigte es mich eigentlich so sehr, dass man etwas über mich wusste, fragte ich mich… „Wir sehen uns Montag, hoffe ich…“, lächelte er dann und irgendwie wirkte es ein wenig gekünstelt. Aber sicherlich lag es am Alkohol. Zumindest redete ich es mir ein. Auch ich musste ja gekünstelt wirken, wenn ich nicht einmal wirklich mit ihm redete… Und plötzlich beugte er sich vor und umarmte mich zum Abschied. Etwas überrascht legte ich dann ebenfalls die Arme um ihn und senkte den Blick, bis sich meine Lider schließlich gänzlich schlossen und wir einfach nur so dastanden. Sekundenlang, ohne eine Regung. Und seine Umarmung war nicht gerade locker – sie war intensiv, als wollte er mir damit sagen, mir bestätigen, dass ich wirklich willkommen bei ihnen war. Ich freute mich darüber. Noch nie hatte ich so schnell neue Freunde gefunden, wie durch Reita. Und es war ja auch nur ein dummer Zufall gewesen, dass wir uns näher kennen gelernt hatten. Ob es auch ein Zufall gewesen war, wie nah wir uns wirklich kennen gelernt hatten…? „Baibai“, sagte ich schließlich leise, als ich mich von ihm löste und drehte mich um, ohne ihn noch einmal anzusehen. Ich hörte, wie er die Haustür schloss und ich drehte mich noch einmal um, um mir den Vorgarten einmal im Hellen anzusehen. Es war wirklich nicht viel darin zu sehen. Eigentlich nur Rasen, ein bisschen Erde und zwei Sträucher darin gepflanzt, deren Bodenfläche vom Rasen mit ein paar weißen Kieselsteinen abgetrennt war. War zwar schlicht, sah aber dennoch nicht so kahl und lieblos aus, wie es in der Nacht gewirkt hatte. Waren die Sträucher da nicht noch kahl gewesen? Musste wohl Einbildung gewesen sein, denn Alkohol vernebelte ja bekanntlich die Sinne und führte in den wenigsten Fällen zu Wahnvorstellungen und Halluzinationen. So ging ich den Weg zurück zu mir nach Hause, wobei ich feststellte, dass meine Übelkeit mit jedem Schritt, den ich tat, nur noch größer wurde. Ob es daran lag, dass ich gerade an Rukis Haus vorbeiging? Ich fragte mich, wo Aoi und er am gestrigen Abend gewesen waren. Ob er immer noch krank war und deshalb nicht hatte kommen können? Ich hatte ihn auch die letzten beiden Schultage nicht wirklich gesehen – was wohl auch nicht zuletzt daran gelegen hatte, dass Aoi und er mir geschickt aus dem Weg gegangen waren. Warum auch immer. Aber diese Frage wusste ich ja, wie ich schon bereits festgestellt hatte, nicht zu beantworten. Ich ging nun über die Kreuzung, die Hauptstraße entlang, und dann am Park vorbei, wo ich mich noch an ein paar lustige Szenen vom Vorabend erinnern konnte. Oder eher vom Morgen. Sakito hatte den ganzen Weg über gekotzt und sein Freund hatte ihm dabei geholfen. Ich hatte seinen Namen schon wieder vergessen. Da fiel mir ein: wo war Saga eigentlich nachher hin verschwunden? Ich konnte mich nicht daran erinnern, ihn nach Hause gebracht zu haben mit den anderen. Zwar konnte ich mich an vieles nicht mehr erinnern, aber einen Filmriss innerhalb eines großen Zeitraumes, an den man sich erinnern konnte, zu haben, war doch schon ziemlich ungewöhnlich, oder? Es kam mir seltsam vor, dass er nachher einfach verschwunden war und ich hatte es nicht einmal gemerkt. Was war nur los mit ihm gewesen? Endlich war ich an meiner Straße angelangt, die ich nur noch entlanglaufen musste, ehe ich endlich in mein geliebtes Bett konnte. Ich würde mir einen Eimer daneben stellen, denn ich hatte schon wieder das Gefühl, als würde ich mich jeden Moment übergeben müssen. Ich würde auch noch eine Übelkeitstablette nehmen, damit es vorbeiging, doch ich war mir nicht so sicher, ob die auch wirklich da blieb, wo sie eigentlich hingehörte. Und tatsächlich, zwei Stunden und bereits drei Klogänge später hatte ich die eingenommene Tablette wieder ausgekotzt. Meine Mutter hatte nicht gefragt, was mit mir los war und wieso ich so blass aussah, doch eigentlich war ich schon recht froh darüber. Mir fiel auf, dass sie mich in letzter Zeit sowieso kaum beachtete und auch nichts von mir wissen wollte. Sie entschied lediglich darüber, ob ich es durfte, oder nicht. Wenn ich einmal fragte, ob ich nur kurz zum Supermarkt gehen und mir dort eine Zeitschrift kaufen durfte, sagte sie entweder ja oder nein – je nachdem, wie sie gerade gelaunt war. Schon ziemlich seltsam, wie ich fand. Dabei hatte sie doch früher immer alles wissen wollen. Wo ich hinging, wann ich zurückkam, ob und bei welchen Freund ich schlief… Dabei hatte ich bis vor geraumer Zeit doch nur zwei gehabt. Oder zumindest geglaubt, dass ich sie gehabt hatte… Ich kam gerade zum vierten Mal von der Toilette zurück und setzte mich auf mein Bett, fuhr mir mit den Händen übers Gesicht und seufzte schwer. Wieso musste es mich eigentlich immer am schlimmsten treffen? Ich hatte ja schon oft mitbekommen, dass sich meine Mutter vom Alkohol hatte übergeben müssen, doch so schlimm, wie ich es nun schon seit über zwei Stunden tat, war es bei ihr noch nie gewesen. Gerade, als ich dachte, es wäre ein bisschen besser geworden, kam ein neuer Würgreiz und ich konnte diesmal leider nicht mehr so lange bis zum Klo aufhalten. Also kotzte ich einfach kurzerhand in den Eimer, den ich mir vorsichtshalber neben meinem Bett bereitgestellt hatte, fühlte mich auch nach diesem Mal noch schlechter, als zuvor. Ich fragte mich, wie lange es wohl diesmal dauerte, bis der nächste Kotzreiz kommen würde… Ich rappelte mich auf und hustete noch ein paar Mal, hatte den bitteren Geschmack nur noch deutlicher im Mund und konnte mir ein angeekeltes „Igitt“ nicht verkneifen. Um mich ein wenig abzulenken, schaltete ich einfach den Fernseher ein und zappte ein wenig durch die Programme, um nach etwas zu suchen, was mir momentan zusagte. Lieber wollte ich jetzt nichts Unappetitliches oder Gruseliges oder gar Ekel erregendes sehen, doch es war gerade mal Nachmittag und es würde schon etwas Geeignetes laufen. So gab ich mich mit ein paar dummen Talkshows zufrieden und lachte innerlich die Leute für ihre Dummheit aus, während ich versuchte, nicht daran zu denken, wie viel Alkohol ich am vorigen Abend wirklich getrunken hatte. Eigentlich versuchte ich, überhaupt gar nicht erst daran zu denken, was so alles passiert war. Und wenn man es so nahm, durfte ich überhaupt nicht denken, denn alles, woran ich dachte, trieb es mir schon wieder die Gallenflüssigkeit in den Rachen. Verdammte Scheiße! Und so war dieses Spielchen den ganzen Nachmittag lang gelaufen, an dem ich einfach nur im Bett gelegen (oder eher gesessen) und einfach versucht hatte, ein bisschen zu schlafen, damit die Übelkeit schneller verging. Doch leider hatte ich mich geirrt. Mit jeder Minute, die ich länger gelegen hatte, desto schlimmer war es geworden. Und schließlich und endlich hatte ich mich dazu entschlossen, einfach nur dazuliegen und fernzusehen… Irgendwann wurde es dann auch Abend und ich entschloss mich, endlich meinen PC einzuschalten, um mich weiterhin ein bisschen von meiner Übelkeit abzulenken, denn im Fernsehen fing es langsam aber sicher an, Krimis und Mordfilme zu hageln, in denen es nur so von Blut wimmelte. Da loggte ich mich dann doch lieber in meinem Account ein und startete mein ICQ, um zu schauen, wer denn so alles online war. Und sofort fiel mir ein Name auf, dessen Sinn ich nun auch endlich verstanden hatte. SexPistol (09:01 PM): Uruha? Ich musste lächeln, als ich sah, dass er mich direkt anschrieb. Eigentlich hatte ich gerade auf den Namen geklickt und hatte etwas schreiben wollen, das ich nun jedoch wieder löschte und etwas neues eingab. L'objet Dégoûtant (09:01 PM): Ja? SexPistol (09:01 PM): Wie geht’s dir? L'objet Dégoûtant (09:02 PM): Mir ist immer noch schlecht von gestern... aber sonst ganz gut! L'objet Dégoûtant (09:02 PM): Und dir? SexPistol (09:02 PM): Hab wie immer Kopfschmerzen… SexPistol (09:02 PM): Aber ansonsten… L'objet Dégoûtant (09:02 PM): Dann trink nicht so viel! L'objet Dégoûtant (09:02 PM): Du hattest echt nen Absturz glaub ich… Und damit glaubte ich, gar nicht mal so falsch zu liegen. Ich wusste nicht, ob Reita sich an das erinnern konnte, was er so alles getan hatte. Und ob er sich auch daran erinnern konnte, wie ich reagiert hatte. Denn ich konnte es und irgendwie war es mir nun doch ein wenig peinlich… SexPistol (09:02 PM): Warum? SexPistol (09:03 PM): Ich kann mich an alles erinnern… L'objet Dégoûtant (09:03 PM): Echt? SexPistol (09:03 PM): Sicher, bei nem Absturz kann man das nicht! L'objet Dégoûtant (09:03 PM): Uhm... an alles? SexPistol (09:03 PM): Ja, an alles ! L'objet Dégoûtant (09:04 PM): Oh... Dann wunderte es mich nur, wieso er denn nichts mehr dazu gesagt hatte. Wenn er doch alles noch genau wusste… Oder traute er sich nicht? War es ihm am Ende auch noch peinlich? Weil ich am Morgen so seltsam auf ihn reagiert hatte? Wahrscheinlich war es wie immer die falsche Reaktion von mir gewesen. Eine Überreaktion! Das musste es sein! Ich war es nun mal nicht gewohnt, wenn man etwas dergleichen mit mir machte und hatte einfach überreagiert… L'objet Dégoûtant (09:04 PM): Ich dachte, du warst zu betrunken… L'objet Dégoûtant (09:04 PM): Und wusstest nicht mehr, was du da machst… SexPistol (09:04 PM): Ich weiß immer, was ich mache... soviel Alk gibt’s nicht, dass ich mich nicht mehr erinnere! L'objet Dégoûtant (09:05 PM): Okay... SexPistol (09:05 PM); Warum fragst du? L'objet Dégoûtant (09:05 PM): Sagen wir, du hast mich ganz schön… verwirrt… Und das war nicht einmal gelogen. Er hatte mich wirklich damit verwirrt, denn ich wusste ja nicht, was er in dem Moment gedacht hatte und ich konnte mich noch genau an seinen Blick erinnern, der so viel aussagte, wie es für mich die Hieroglyphen in den Steinwänden der Cheopspyramide taten… Er hatte ernst geschaut. Aber auch etwas belustigt. Vielleicht noch ein wenig spöttisch? Ich hatte seinen Blick dort schon nicht richtig deuten können und konnte es jetzt, etliche Stunden später, nur noch weniger. SexPistol (09:05 PM): Hab ich das? L'objet Dégoûtant (09:06 PM): Ja… SexPistol (09:06 PM): War es dir denn so unangenehm? L'objet Dégoûtant (09:06 PM): Na ja... nein... L'objet Dégoûtant (09:07 PM): Aber ich bin sowas nicht gewohnt... L'objet Dégoûtant (09:07 PM): Ich weiß auch nicht! SexPistol (09:07 PM): Was? L'objet Dégoûtant (09:07 PM): Bisher hat mich noch keiner so... angefasst? SexPistol (09:08 PM): Gut, dann muss ich auch niemanden verprügeln.... Diese Antwort verwirrte mich jetzt! Wie meinte er denn das? Wollte er mit dem Spruch etwa etwas andeuten? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er ihn ernst gemeint hatte, denn wer würde schon jemanden für mich verprügeln, wenn er nicht gerade Reita hieß und sich meiner Meinung nach alle Nase lang über mich lustig machte…? L'objet Dégoûtant (09:08 PM): Gott, irgendwie ist mir das grad saupeinlich... SexPistol (09:08 PM): Warum peinlich? SexPistol (09:08 PM): So schlimm seh ich nun auch wieder nicht aus… L'objet Dégoûtant (09:08 PM): Nein, das nicht! So meinte ich das auch nicht... SexPistol (09:08 PM): Wie denn dann? L'objet Dégoûtant (09:10 PM): Na ja... ich stell mich sicher wieder zu sehr an... das macht man doch nicht, oder? Ich meine... sowas ist doch normal, oder? SexPistol (09:11 PM): Dass du auf meinem Schoß sitzt und ich dich streichele? Mach ich sonst nie... also für mich ist's nicht normal, nein...! Nun war ich erst recht verwirrt. Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich von seinem Verhalten und seinen Antworten auf meine Fragen halten sollte. Sie kamen mir alle so dahergesagt und überflüssig vor, als würde er sie nur benutzen, um mich damit auf den Arm zu nehmen. Sollte ich das denn alles ernst nehmen? Immerhin konnte er doch jede haben und dann nahm er ausgerechnet mich, einen Typen, den er vor knapp einer Woche kennen gelernt hatte und der ihm erzählt hatte, wie viele schreckliche Probleme er doch mit seiner Mutter und seinen Freunden hatte und wie erbärmlich er sich fühlte und wie gern er doch auf Partys ging und sich die Birne zukippte, um zu vergessen? Weil er mir vorgeschlagen hatte, es zu tun… und ja, verdammt, es hatte geholfen und es war ein verdammt gutes Gefühl gewesen, so von ihm berührt zu werden und durch den Alkohol sämtliche Hemmungen zu verlieren! Niemals hätte ich mich an ihn gelehnt, wenn ich nüchtern gewesen wäre, dachte ich mir… L'objet Dégoûtant (09:12 PM): Uhm... ich muss mal kurz nach unten... SexPistol (09:12 PM): Nein... bleib lieber... L'objet Dégoûtant (09:12 PM): Nein, geht grad nicht, Moment... SexPistol (09:13 PM): Uruha... Darauf brauchte ich jetzt erst einmal etwas zu Trinken. Ich stand von meinem Bett auf und verließ mein Zimmer, um mich auf den Weg nach unten zu machen und mir aus dem Kühlschrank eine Flasche Wasser zu holen. Währenddessen dachte ich darüber nach, wieso er mich wohl hatte aufhalten wollen. Hatte er gedacht, meine Mutter hätte wieder gerufen? Oder hatte er einfach nur gewollt, dass ich da bleibe, damit er mich weiter verarschen konnte? Oder mit mir spielen konnte? Oder sich weiter an mich ranmachen konnte? Wenn man es denn überhaupt so nennen mochte. Ich wusste ja nicht einmal, ob er es alles überhaupt bewusst getan hatte. Genauso wenig wusste ich, wieso ich mir eigentlich so viele Gedanken darüber machte. Vielleicht, weil Reita als einziger Mensch in Aussicht war, mir zuzuhören und eventuell mal ein bisschen Wärme zu schenken, Halt zu schenken? Darüber grübelnd lief ich leise die Treppe wieder hinauf, damit meine Mutter, die im Wohnzimmer saß, mich nicht hörte und schloss meine Zimmertür wieder hinter mir ab, als ich rein gegangen war. Dann ließ ich mich wieder auf dem Bett nieder und nahm den Laptop auf meine Beine, trank einen großen Schluck Wasser und atmete noch einmal tief ein und aus, um die wieder aufkommende Übelkeit von der Bewegung zu unterdrücken, schrieb dann zurück. L'objet Dégoûtant (09:16 PM): Bin wieder da… SexPistol (09:16 PM): War unten etwas? L'objet Dégoûtant (09:17 PM): Nein, ich wollte nur was zu Trinken holen... L'objet Dégoûtant (09:17 PM): Meine Mutter ist nicht da. L'objet Dégoûtant (09:17 PM): Wo auch immer die steckt... Natürlich log ich, doch ich wollte jetzt nicht riskieren, dass er weitere Fragen stellte oder sowas. Mittlerweile war mir meine Mutter so peinlich und unangenehm geworden, dass ich lieber gar nicht mehr über sie sprach und einfach so tat, als würde alles in bester Ordnung sein… SexPistol (09:18 PM): Gut... dachte schon... L'objet Dégoûtant (09:18 PM): Machst du das echt sonst nie? Du könntest doch jede kriegen... L'objet Dégoûtant (09:18 PM): Wieso dann ich? Ich bin nicht mal eine Sie... SexPistol (09:19 PM): Is mir eigentlich egal, ob du ne Sie bist oder ein Es... ich mag dich eben... als Person! L'objet Dégoûtant (09:20 PM): Aber da war doch ein Haufen anderer Weiber... SexPistol (09:21 PM): Die allesamt später auf dem Klo hingen und sich die Seele aus dem Leib gekotzt haben und schließlich über ihr verlaufenes Make-up geheult haben... Noch immer verstand ich nicht, worauf er hinaus wollte. Mochte er es nicht, wenn andere für ihn schön waren? Wenn man sich darüber aufregte, wenn die Schönheit mit der Schminke verloren ging? Oder wenn man sich übergab, wenn man getrunken hatte? Ich hatte nicht dafür gekonnt, da ich einfach keinen Alkohol vertrug oder nicht an ihn gewöhnt war, doch auch ich hatte mich bei ihm übergeben. Und plötzlich war es mir irgendwie peinlich… L'objet Dégoûtant (09:21 PM): Ich hab auch gekotzt bei dir...! SexPistol (09:22 PM): Ja, aber du hast dich nicht über deine verlaufene Schminke beklagt! Weiber nerven eigentlich nur... Doch, und wie ich das hatte. Aber erst, nachdem ich ins Bad gegangen und sie mir wieder halbwegs gerichtet hatte. Schließlich hatte ich ja nicht so rumlaufen wollen, wenn ich aussah, wie eine Wasserleiche auf zu viel Droge? Gut, war vielleicht ein bisschen übertrieben, doch schöner, als an diesem Morgen, war ich definitiv schon einmal gewesen… auch, wenn es mir schwer fiel, das zu glauben…! L'objet Dégoûtant (09:22 PM): Sah ich schlimm aus? L'objet Dégoûtant (09:22 PM): Scherz… SexPistol (09:22 PM): Nein, sahst du nicht... eher knuffig! SexPistol (09:22 PM): Beschissenes Wort… L'objet Dégoûtant (09:23 PM): Sag mal... L'objet Dégoûtant (09:23 PM): Wissen die anderen das denn? SexPistol (09:24 PM): Was genau? SexPistol (09:24 PM): Dass du gekotzt hast? L'objet Dégoûtant (09:24 PM): Nein...! Das wäre mir ja egal... SexPistol (09:24 PM): Was denn dann? L'objet Dégoûtant (09:24 PM): Ich meinte... haben die uns gesehen? Wundern die sich nicht? L'objet Dégoûtant (09:24 PM): Wenn du das doch sonst nie machst... Ich erinnerte mich an den verwunderten Blick von Daisuke, als er gesehen hatte, wie Reita mich auf seinen Schoß genommen hatte, weil Saga ja meinen Platz hatte wegnehmen müssen. Und ich fragte mich, ob die anderen es wohl auch gesehen hatten. Ob sie darüber geredet hatten, und vor allem, ob sie es nicht auch seltsam fanden… SexPistol (09:25 PM): Die haben uns gesehen und die haben sich gewundert... aber dann auch wieder nicht... L'objet Dégoûtant (09:25 PM): Wie meinst du das? SexPistol (09:25 PM): Ich hab angefangen damit! L'objet Dégoûtant (09:25 PM): Hm... Gomen, aber...ich versteh es noch immer nicht so ganz... SexPistol (09:26 PM): Bin halt n Aufreißer... meinen die zumindest. Eigentlich mach ich mich an niemanden ran... das machen nur andere. L'objet Dégoûtant (09:28 PM): Na ja, ihr seid schon ein paar schräge Typen und ich wundere mich wahrscheinlich über nichts mehr... zumindest, nachdem ich Sakito gesehen habe... L'objet Dégoûtant (09:28 PM): Ist das seine Freundin oder sein Freund? SexPistol (09:28 PM): Ni~ya is ein Kerl, wenn du den meinst! Nun erinnerte ich mich wieder, nachdem er den Namen dieses Kerls genannt hatte. Ni~ya. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie sich die beiden vor meinen Augen die Zunge in den Rachen geschoben hatten und das Komische an der Sache war: ich hatte es auch noch interessant gefunden, ihnen zuzuschauen! L'objet Dégoûtant (09:28 PM): Hieß der so? Ich hab seinen Namen vergessen... SexPistol (09:29 PM): Eigentlich hat er einen anderen Namen, aber den kenn ich nicht... alle nennen ihn Ni~ya! SexPistol (09:29 PM): Sind aber schon recht lange zusammen! L'objet Dégoûtant (09:29 PM): Sah auch so aus... L'objet Dégoûtant (09:29 PM): Machen die das öfter? Also sich halb aufzufressen? L'objet Dégoûtant (09:29 PM): Wenn alle zukucken? SexPistol (09:31 PM): Das war noch die Light-Show... Wenn Ni~ya auch betrunken ist, dann kam es schon vor, dass wir sie auseinander ziehen mussten, denn sonst hätten die auf dem Tisch gevögelt... war zwar ganz lustig, aber ich war nicht so scharf darauf... Mir hat es gereicht, im Nebenzimmer zu schlafen und mir das Gestöhne anzuhören... ich war leicht pissig nachher! L'objet Dégoûtant (09:32 PM): Uhm... ich glaube, ich muss mich wirklich über nichts wundern... SexPistol (09:34 PM): Ne, das kann gut sein... hast doch auch Saga gesehen! L'objet Dégoûtant (09:34 PM): Nein, hab ich ja nachher nicht mehr, das war es eben. L'objet Dégoûtant (09:34 PM): Aber ich mag ihn. L'objet Dégoûtant (09:35 PM): War er nur so drauf, weil er betrunken war? L'objet Dégoûtant (09:35 PM): Oder ist er immer so? Damit spielte ich eigentlich darauf an, dass er plötzlich weg gewesen war und ich mich beim besten Willen nicht daran erinnern konnte, wann er dies bitte hatte tun sollen. Wir waren die ganze Zeit beieinander gewesen und ich hatte jeden von ihnen noch umarmt oder ihm die Hand gegeben. Seltsam, dass mir da nicht aufgefallen war, dass Saga gefehlt hatte dabei… SexPistol (09:35 PM): Hm... Eigentlich ist Saga immer so... man gewöhnt sich dran! SexPistol (09:35 PM): Aber Ni~ya gegenüber hat er wenig Sympathie… L'objet Dégoûtant (09:36 PM): Wieso? SexPistol (09:36 PM): Keine Ahnung… SexPistol (09:37 PM): Denke mal, dass er immernoch was von Sakito will... L'objet Dégoûtant (09:37 PM): Dieses ganze Liebesgetue... SexPistol (09:38 PM): Hast du was dagegen? Eigentlich hatte ich schon was dagegen. Ich wollte einfach nicht so recht, dass mir jemand näher kam, da ich mich irgendwann zwangsläufig an ihn binden wollte, weil mir die Nähe sonst einfach fehlte. Und das wollte ich Reita nicht antun. Ich wollte nicht damit unsere neu aufgebaute Freundschaft zerstören, indem ich ihm die ganze Zeit nur auf der Pelle hockte oder sowas. Aber gegen dieses Liebesgetue hatte ich schon etwas. Zumindest, wenn ich mir Aoi ansah. Immer küsste er seine Freundin vor meinen Augen oder erzählte manchmal von ihr, schrieb ihr in den Pausen SMS. Zumindest hatte er das mal getan, als ich noch gewusst hatte, was er in den Pausen so anstellte. Doch jetzt war es ja anders. Vielleicht war ich auch einfach nur neidisch? Weil er jemanden hatte, der ihm Nähe gab? Oder war ich unsicher? Es erschien mir als logischer, da ich einfach nicht gewohnt war, diese Nähe mit fast unbekannten und für mich noch neuen Menschen zu teilen. Und außerdem hatte ich noch nie glauben können, wenn man mir sagte, dass man mich hübsch fand oder sympathisch oder sowas. Immer hatten alle nur gesagt, ich würde hässlich und mädchenhaft und schwul und dumm sein, doch irgendwann hatte ich gelernt, damit umzugehen und es zu ignorieren. Obwohl es doch schon sehr schmerzte… L'objet Dégoûtant (09:38 PM): Ich selber nicht, aber immer zu hören, dass der was von dem wollte und so weiter... ich weiß auch nicht! Ist schwer zu erklären. Ich glaube, ich bin einfach nur unsicher... SexPistol (09:39 PM): Vor was denn? L'objet Dégoûtant (09:40 PM): Weiß nicht... ich kann nie glauben, dass man mich mag... oder toll findet... oder hübsch oder sowas... ich musste mir immer das Gegenteil anhören... SexPistol (09:41 PM): Hast du nicht nötig. Gibt die, die dich nicht mögen und die, die dich mögen. Und ich zum Beispiel mag dich! L'objet Dégoûtant (09:41 PM): Na ja... dass so einer wie du mich mag... du bist cool. Ich war's nie... L'objet Dégoûtant (09:42 PM): Nicht, dass ich dich nicht mögen würde! L'objet Dégoûtant (09:42 PM): Also, ich mag dich... L'objet Dégoûtant (09:42 PM): Ach, egal... SexPistol (09:42 PM): Na also... dann haben wir ja schon ne Basis, und es ist nicht egal! SexPistol (09:42 PM): Und wer sagt, dass du nicht cool bist? SexPistol (09:42 PM): Vor allem... wer sagt, dass ich das bin? L'objet Dégoûtant (09:42 PM): Ich finde es... L'objet Dégoûtant (09:43 PM): Fand ich schon immer... L'objet Dégoûtant (09:43 PM): Wenn ich ehrlich bin... SexPistol (09:43 PM): Geil... Und ich finde, dass du verdammt hübsch bist… Es ließ mich schlucken, diesen Satz zu lesen. Und ich spürte, wie mir langsam dezente Röte ins Gesicht trat, als ich den Satz immer und immer wieder las, bis ich endlich verstanden hatte, was er überhaupt aussagte. Er fand mich hübsch? Noch dazu ‚verdammt’ hübsch? Nun war ich verlegen. Nicht nur, dass mir noch nie jemand gesagt hatte, dass ich hübsch war. Ich hatte es selbst nie glauben können. Meinte er das denn nun ernst, oder nicht…? L'objet Dégoûtant (09:45 PM): Uhm... na ja, ich versuch eben, das Beste aus mir zu machen... weiß halt nur nie, ob mir das auch gelingt... SexPistol (09:45 PM): Das gelingt dir auf jeden... ganz bestimmt, sonst wärst du mir nicht aufgefallen, als ich dich im Bus zum ersten Mal gesehen hab! L'objet Dégoûtant (09:45 PM): Ich dachte immer, ich bin zu normal, um aufzufallen... SexPistol (09:45 PM): Man braucht dir nur in die Augen sehen... L'objet Dégoûtant (09:45 PM): Uhm... war das jetzt... ein Kompliment? SexPistol (09:46 PM): Jep! L'objet Dégoûtant (09:46 PM): Danke... Vielleicht sollte ich auch einfach nur lernen, Komplimente als solche anzusehen und auch anzunehmen, damit ich anderen mit meiner Abstreiterei nicht noch auf die Nerven ging… SexPistol (09:46 PM): Und ich mag deine Lippen... L'objet Dégoûtant (09:47 PM): Von denen alle sagen, dass sie aufgespritzt aussehen? Die sind das einzige, worauf ich an mir stolz sein kann... L'objet Dégoûtant (09:47 PM): Die sind echt, ohne Scheiß! L'objet Dégoûtant (09:47 PM): Glaubt mir nur nie jemand… SexPistol (09:48 PM): Ich glaube dir! L'objet Dégoûtant (09:48 PM): Ach? SexPistol (09:48 PM): Wenn du mir weiter widersprichst, komm ich vorbei und überzeuge mich selber…! Und wieder ließ es mich schlucken. Urplötzlich fielen mir die verschiedensten Kussszenen ein, die ich in meinem Leben schon gesehen hatte. In Filmen, bei Aoi und seiner Freundin, bei Sakito und Ni~ya… Nur bei mir konnte ich es mir nicht recht vorstellen. Wenn ich ehrlich war, hatte ich sogar ein bisschen Angst davor, den ersten Kuss zu wagen. Und dann auch noch mit Reita…? Nein, das konnte ich nicht tun! L'objet Dégoûtant (09:49 PM): Uhm... war das jetzt... ernst gemeint? SexPistol (09:50 PM): Alles, was ich sage, ist ernst... okay... nicht alles... aber dir gegenüber schon! L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Oh... na ja, ich weiß nicht... ob ich dir glauben soll… L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Glauben ist immer so eine Sache… SexPistol (09:51 PM): Ich glaub auch nicht alles... SexPistol (09:51 PM): Das brauchste mir wirklich nicht erzählen! SexPistol (09:51 PM): Aber ich würde schon gerne mal versuchen, dich dazu zu bringen, mir zu glauben… L'objet Dégoûtant (09:52 PM): Irgendwie machst du mich verlegen... SexPistol (09:52 PM): Warum denn? Ich bin nur ehrlich! L'objet Dégoûtant (09:52 PM): Mich hat noch nie jemand geküsst... SexPistol (09:53 PM): Die haben was verpasst, was ich nicht verpassen möchte… Er machte mir Mut. Ich konnte nicht leugnen, dass er mir Mut und mich sogar auch ein bisschen neugierig machte. Ich hatte oft darüber nachgedacht, jemanden zu küssen. Egal, wen, nur einfach, um zu sehen, wie es war und wie ich es machen musste. Ich wollte wissen, wie es war, wenn jeder sagte, dass es ein so tolles Gefühl war, einen Menschen, der einem wichtig war zu küssen. Zwar wusste ich noch nicht genau, wie wichtig mir Reita war und ob es richtig sein würde, gerade ihn zu küssen, doch das kümmerte mich wenig. Ich wollte es schon gern ausprobieren… L'objet Dégoûtant (09:54 PM): Dann... mach's doch... SexPistol (09:54 PM): Ich steh gleich auf und komm zu deinem Haus. Und doch wollte ich es lieber nicht heute Abend, wenn meine Mutter hier war! L'objet Dégoûtant (09:54 PM): Nein! L'objet Dégoûtant (09:54 PM): Nicht heute... L'objet Dégoûtant (09:54 PM): Ich meine... SexPistol (09:54 PM): Ne, war ja klar, was du meinst… Und jetzt hatte ich ihn doch verärgert...! L'objet Dégoûtant (09:54 PM): Gomen, ich kann sowas nicht... SexPistol (09:55 PM): Schon okay! L'objet Dégoûtant (09:56 PM): Ich glaub, ich bleib morgen zu Hause... L'objet Dégoûtant (09:56 PM): Mir ist immer noch schlecht... SexPistol (09:56 PM): Nimm Tabletten und leg dich hin... das vergeht wieder! L'objet Dégoûtant (09:57 PM): Ich hab die eine heute Morgen auch schon wieder ausgekotzt, die ich zuhause genommen habe… L'objet Dégoûtant (09:57 PM): Wenn ich liege, ist es doppelt so schlimm... SexPistol (09:57 PM): Dann musst du vielleicht mal rausgehen! SexPistol (09:58 PM): Frische Luft schnappen! L'objet Dégoûtant (09:58 PM): Na ja, vergeht schon wieder… L'objet Dégoûtant (09:58 PM): Ich hab mein Fenster offen… L'objet Dégoûtant (09:58 PM): Muss reichen... SexPistol (09:58 PM): Aber gehen hilft manchmal mehr. L'objet Dégoûtant (09:59 PM): Sollte ich vielleicht... aber ich will nicht allein nach draußen… L'objet Dégoûtant (09:59 PM): Außerdem hab ich keinen Schlüssel und komm nicht mehr rein! SexPistol (10:01 PM): Ich kann dich abholen... dann gehen wir zum Park und ich breche später die Tür ein und du kannst dann ins Haus? L'objet Dégoûtant (10:01 PM): Glaubst du nicht, dass das wer merkt...? L'objet Dégoûtant (10:01 PM): Na ja, ich weiß nicht... SexPistol (10:02 PM): Dass ich dir die Tür aufbreche? SexPistol (10:02 PM): Und wenn schon! SexPistol (10:02 PM): Aber wenn du das nicht willst, dann zu mir? SexPistol (10:02 PM): Meine Mutter ist mit ihrem Lover weg! SexPistol (10:02 PM): Also komm schon…! SexPistol (10:02 PM): Wenn du raus kommst, wird dir sicher auch besser! Wenn er nicht sofort aufhörte, mich zu überreden, dann… dann…! L'objet Dégoûtant (10:03 PM): Uhm... also... na gut… Verdammt! L'objet Dégoûtant (10:03 PM): Holst du mich ab? SexPistol (10:03 PM): Kann ich machen! L'objet Dégoûtant (10:04 PM): Gut... L'objet Dégoûtant (10:04 PM): Gomen, aber ich hasse diese Gegend bei Nacht... L'objet Dégoûtant (10:05 PM): Obwohl mir hier von allen Vierteln wahrscheinlich am wenigsten passieren würde... SexPistol (10:05 PM): Na ja… eigentlich kann dir überall was passieren... also wenn es danach geht... L'objet Dégoûtant (10:05 PM): Oh, gut, dann bin ich ja beruhigt... SexPistol (10:07 PM): T’schuldigung…! SexPistol (10:07 PM): Aber mit mir kann dir nichts passieren! L'objet Dégoûtant (10:07 PM): Meinst du? SexPistol (10:07 PM): Klar, was denkst du denn? L'objet Dégoûtant (10:08 PM): Ich denke, du bist echt schräg... L'objet Dégoûtant (10:08 PM): Sowas hätte ich früher nie gemacht... Denn da hätte ich nur noch mehr Ärger bekommen, als nun, wo meine Mutter scheinbar langsam anfing, sich nicht mehr so richtig für mich zu interessieren… SexPistol (10:09 PM): Die Zeiten ändern sich eben! SexPistol (10:09 PM): Und ich bin nicht schräg... ich bin nur anders... aber das bist du auch! L'objet Dégoûtant (10:09 PM): Inwiefern denn? SexPistol (10:10 PM): Ich finde dich eben... wie soll ich sagen? SexPistol (10:10 PM): Ich hab so jemanden wie dich noch nie getroffen… SexPistol (10:11 PM): Du bist so unsicher, obwohl du es eigentlich nicht sein brauchst... Da hat man dir echt Scheiße eingeredet, von wegen du bist hässlich und so... L'objet Dégoûtant (10:11 PM): Liegt wohl daran, dass ich noch nie sowas wie... dich getroffen hab? L'objet Dégoûtant (10:12 PM): Du hast mich verändert, glaub ich... SexPistol (10:12 PM): Kann sein... aber ich hoffe, dass ich dich nicht zu sehr umkremple… L'objet Dégoûtant (10:12 PM): Nein, du... sagen wir, du zeigst mir, dass es noch was anderes gibt, außer Lernen und versuchen, unauffällig zu sein und sich im Hintergrund zu halten… L'objet Dégoûtant (10:13 PM): Ich wusste nicht, dass man anders Spaß haben kann, als Shoppen zu gehen oder mit Freunden Gitarre zu spielen... L'objet Dégoûtant (10:13 PM): Wobei ich das nicht mal wirklich kann... SexPistol (10:13 PM): Weil du es eben nicht kanntest... aber hey... dann zeig ich's dir eben! L'objet Dégoûtant (10:14 PM): Okay...! SexPistol (10:14 PM): Na also… SexPistol (10:14 PM): Wir werden noch ne menge Spaß haben… L'objet Dégoûtant (10:14 PM): Ich würde zu gern mal wissen, was du so unter "Spaß" alles verstehst... SexPistol (10:14 PM): Viel… SexPistol (10:15 PM): Sehr viel… SexPistol (10:15 PM): Aber dir wird’s auch gefallen… SexPistol (10:15 PM): Da bin ich mir verdammt sicher... Ich wusste nicht, wie ich das nun auffassen sollte. Machte er gerade eine dreckige Anspielung oder scherzte er einfach nur wieder? Trotzdem machte er mich verlegen und mein Herz fing seltsamerweise an, schneller zu schlagen. Was war das? L'objet Dégoûtant (10:15 PM): An Selbstvertrauen mangelt es dir ja nicht... ich seh schon... L'objet Dégoûtant (10:15 PM): Tja, dann gib’ dir mal Mühe! SexPistol (10:16 PM): Ne, das ist der Alk... aber egal... werd mir schon Mühe geben, immerhin läuft einem sowas wie du nicht jeden Tag über den Weg! L'objet Dégoûtant (10:16 PM): Du hast doch wieder getrunken... L'objet Dégoûtant (10:16 PM): Oder? So, wie heute Morgen, dachte ich mir… SexPistol (10:16 PM): Nur n bisschen... vier... fünf... neun Bier... L'objet Dégoûtant (10:17 PM): Willst du nicht doch besser zu Hause bleiben? Du musst mich nicht abholen... SexPistol (10:17 PM): Mir geht’s gut! Ich hol dich gerne ab und dann kommst auch endlich mal vor die Tür! L'objet Dégoûtant (10:18 PM): Solange du noch gerade laufen kannst... L'objet Dégoûtant (10:18 PM): Gestern konntest du das nicht! SexPistol (10:18 PM): Hey... konnte ich wohl... der Weg war nur schief... und du konntest es auch nicht! L'objet Dégoûtant (10:19 PM): Nein, deshalb musstest du mich ja auch unbedingt stützen, was es auch nicht gerade besser gemacht hat... L'objet Dégoûtant (10:19 PM): Ich glaub, ich bin dir öfter mal auf den Fuß getreten… SexPistol (10:19 PM): Ja, kann sein... meine Chucks sind scheiße dreckig... aber was soll’s! L'objet Dégoûtant (10:20 PM): Nicht nur komisch, die sind total kaputt... L'objet Dégoûtant (10:20 PM): Hast du keine anderen? SexPistol (10:20 PM): Nö! SexPistol (10:20 PM): Aber die gehen noch! L'objet Dégoûtant (10:20 PM): Solange sie dir nicht auf halber Strecke verloren gehen... SexPistol (10:20 PM): Na, so weit wird’s nicht kommen... die haben schon einiges mitgemacht... wenn ich mir so überlege, wer da schon alles drauf getreten ist… L'objet Dégoûtant (10:20 PM): Aua… L'objet Dégoûtant (10:21 PM): Ich werd mich bemühen, gleich nicht drauf zu treten... L'objet Dégoûtant (10:21 PM): Weißt du überhaupt, wo ich wohne? SexPistol (10:22 PM): Ähm... mehr oder weniger weiß ich das… L'objet Dégoûtant (10:22 PM): Hinterm Park einfach die drei Straßen weiter... ist ne ziemlich schräge Gegend, wo nur alte Leute wohnen... SexPistol (10:22 PM): Alles klar! SexPistol (10:22 PM): Find ich schon irgendwie! L'objet Dégoûtant (10:23 PM): Klar! L'objet Dégoûtant (10:23 PM): Ich warte draußen… L'objet Dégoûtant (10:23 PM): Uhm... also... bis gleich dann? SexPistol (10:23 PM): Okay... bin dann in so 10 Minuten da! SexPistol (10:23 PM): Wenn ich mich verlaufe, in 11! L'objet Dégoûtant (10:25 PM): Okay, dann bin ich beruhigt... L'objet Dégoûtant (10:25 PM): Bis später! SexPistol (10:26 PM): Ja, bis dann! Nur einen Haken hatte ich bei der Sache nicht bedacht. Ich würde meine Mutter fragen müssen, ob ich noch raus durfte, damit sie nicht nachher doch Theater machte, wenn ich einfach so ging. Man konnte ja schließlich nie wissen, ob sie nun ausrastete oder einfach wieder gar nichts sagte, wie sie es oft tat. Sie änderte ja sowieso dauernd ihre Meinung über verschiedene Dinge… Ich schaltete mein ICQ aus und schloss alle Fenster, die ich noch geöffnet hatte, drückte dann auf die Startfläche und auf den Knopf zum Ausschalten. Mein PC schaltete sich aus und ich klappte den Laptop zu, zog den Stecker heraus und stellte ihn dann wieder auf den Zeichenblock auf meinem Boden. Mir fiel ein, dass ich schon ewig nichts mehr gezeichnet hatte. Nachher würde ich es noch verlernen, also mussten langsam mal wieder neue Ideen her für neue Bilder. Na ja, vielleicht inspirierten Reita und seine Freunde mich ja… Irgendwie eine blöde Vorstellung! Mit zunehmender Nervösität ging ich die Treppe herunter zur Wohnzimmertür, wo ich nun unschlüssig stehen blieb und überlegte, ob ich denn überhaupt fragen sollte. Was, wenn sie am Abend gar nicht mehr nach mir fragen würde? Dann würde es sinnlos gewesen sein, sie gefragt zu haben! Doch das Risiko, bei beidem Ärger zu kriegen, war gleichgroß und ich konnte mir eigentlich nur noch aussuchen, welchen Ärger ich von beidem eher kriegen wollte. Reita ging es nicht so gut und wenn er ohnehin schon Kopfschmerzen hatte, würde es sicherlich gar nicht so schlecht sein, wenn er einfach zuhause und im Bett blieb. Doch ich konnte ihn ja auch nicht einfach da stehen lassen und nicht rauskommen, sodass er sich fragte, ob ich ihn eigentlich nur verarschte. Also musste ich fragen… Zögerlich öffnete ich die Tür ins Wohnzimmer und sah meine Mutter fast schon apathisch wirkend auf dem Sofa sitzen, mit einer Weinflasche in der Hand und drei anderen auf dem Tisch stehend. Der Fernseher neben ihr warf erschreckende Bilder von toten Menschen in einem Horrorfilm, zu dem ich besser nicht hinschaute, wenn ich nicht wollte, dass mir wieder schlecht wurde. „Mom?“, fragte ich etwas unsicher, als ich näher an das Sofa herangetreten war und sie mich nun mit einem äußerst aggressiven Gesichtsausdruck ansah. Scheinbar wartete sie nur darauf, dass ich endlich weiter sprach. „Kann ich noch ne Weile raus? Mir ist schlecht und ich brauch frische Luft…“ Ich kam mir vor, als wenn ich mich in der Schule entschuldigen musste. Als wäre meine Mutter die strenge Lehrerin, die mir für jeden Fehler, den ich machte, einen Peitschschlag verpasste. Und ich kam mir vor, wie der feige Schüler, der sich nicht traute, seine Hausaufgaben vorzulesen, weil ein Grammatikfehler darin enthalten war. Nur, dass der Fehler wohl gerade die Frage gewesen war. „Spinnst du? Kuck mal auf die Uhr, mein Freund! Verzieh’ dich wieder nach oben, aber schleunigst!“ „Damit ich dir das ganze Haus voll kotze, weil ich nicht raus darf?“, fauchte ich sie plötzlich an, ohne, dass ich es überhaupt gewollt hatte. Unweigerlich kam in mir ein ziemlich ungutes Gefühl auf, da sie schon wieder begann, sich aufzuplustern und versuchte, gefährlich auszusehen. „Wenn du noch einmal so mit mir sprichst, sperr ich dich so lange in dein Zimmer, bis du schwarz wirst! Und jetzt raus! Raus, hab ich gesagt!“, schrie sie mich an und war schwankend aufgestanden, hatte die Weinflasche über sich erhoben, sodass alles auf den weißen Teppichboden lief und rote Flecken hinterließ, die so schnell wohl nicht mehr herausgehen würden, wie ich mir dachte. Aber sie hatte ‚raus’ gesagt! Ich hatte danach gefragt und sie hatte es mir ja scheinbar erlaubt! So funktionierte das also, ich musste sie einfach nur austricksen! So konnte sie nachher wenigstens nicht sagen, sie hätte es mir nicht erlaubt. Ich hatte ja ihre ausdrückliche Anweisung dazu bekommen, ‚raus’ zu gehen. Ich schloss die Wohnzimmertür hinter mir wieder und machte mich daran, mir Schuhe anzuziehen und vergaß dabei schon wieder, meine Jacke anzuziehen. Ich wollte einfach nur nach draußen, um mich abzuregen und damit es mir vielleicht doch etwas besser ging, als im Moment. Ich öffnete die Haustür und schon kam mir die kühle und angenehme Nachtluft entgegen, die ich erst einmal tief einatmete und spürte, wie langsam wieder ein bisschen Leben in mein Gehirn zurückkehrte, das mir irgendwie schon die ganze Zeit so tot vorgekommen war. Ich hatte nicht einmal die einfachsten Fragen bei der täglichen Abendquizshow beantworten können, obwohl mir die Antwort auf der Zunge gelegen hatte… Doch zu still und zu dunkel war es mir trotzdem definitiv. Ja, ich hasste es, wenn nirgendwo jemand in der Dunkelheit zu sehen war, den ich kannte oder wenn man mich in ihr allein ließ. Ich brauchte immer irgendein Geräusch oder ein kleines Licht in der Dunkelheit, damit ich nicht völlig verrückt wurde. War zwar seltsam, dass ich in meinem Alter noch Angst im Dunkeln hatte, doch ich konnte nun mal nichts mehr daran ändern. Wenn ich abends ins Bett ging, ließ ich grundsätzlich immer meinen Fernseher an, und als ich bei Daisuke geschlafen hatte, da hatte ich auch lang gebraucht, bis ich mich daran gewöhnt hatte, dass es so dunkel gewesen war. Immerhin hatte ein bisschen Mondlicht durch die Vorhänge geschienen. Und bei Reita? Da war ich zu betrunken gewesen… Apropos Reita, wo blieb er denn? Ich schaute auf die Uhr und es waren bereits zehn Minuten vergangen seit dem Zeitpunkt, an dem wir uns im Chat verabschiedet hatten. Vielleicht durfte er ja auch nicht mehr? Oder er hatte sich wieder mit seinen Eltern gestritten, sodass auch sie ihn nicht rauslassen wollten? Was, wenn er nicht kam? Ich konnte jetzt doch nicht einfach schon wieder an der Tür klingeln, nachdem ich das Haus erst ein paar Minuten verlassen hatte? Dann würde meine Mutter erst recht sauer werden… Doch plötzlich wurde ich von einem Hundebellen auf das Ende der Straße aufmerksam. Ich war mir sicher, dass es der Hund vom ersten haus dieser Straße gewesen war, denn der hatte es noch nie leiden können, wenn jemand ihn abends bei seinem Streifgang durch den Garten ablenkte. Sicherlich stand er schon wieder am Zaun und bellte denjenigen an, der gerade an diesem vorbeilief. Ich hasste dieses Tier… Von weitem sah ich ihn dann auch schon die Straße entlang kommen, ich beschloss, ihm entgegen zu laufen und stand auf, um den Vorgarten durch das kleine Eisentor zu verlassen. Schließlich sollte meine Mutter lieber nicht sehen, mit wem ich rum hing und wenn sie gerade zufällig durchs Küchenfester schaute und ihn sah, würde das sicherlich nicht gut ausgehen. Es war ja schon schwer genug gewesen, sie zu überreden, dass ich um diese Zeit noch rausgehen durfte… Unbewusst fing ich an zu grinsen, als ich sein Gesicht schon erkennen konnte und gleichzeitig zu zittern, denn mir war schon verdammt kalt… „Na du…“, kam er mir lächelnd entgegen und umarmte mich kurz zur Begrüßung, ich erwiderte die Geste jedoch nur etwas zögernd und lächelte dann ebenfalls, „Wie geht’s dir? Immer noch nicht besser?“, fragte er und legte eine Hand auf meine Schulter, um mich mit sich zu führen und schaute etwas besorgt. Doch da konnte ich ihn immerhin beruhigen, da es mir mittlerweile schon etwas besser ging und ich nicht gerade das Gefühl hatte, tagelang nichts mehr gegessen zu haben, wie es bis vor ein paar Stunden noch der Fall gewesen war. „Doch, ein bisschen“, antwortete ich deshalb nur und lächelte ihn lieb an, wobei es jedoch nicht lang andauerte, da ich mir schon ziemlich den Arsch abfror. Ich hatte wohl doch eine zu dünne Jacke angezogen…! Eine Weile liefen wir schweigend nebeneinander her, bis ich begann, mir über die Arme zu reiben – eine Geste, die zeigte, dass ich fror. Und von Reita blieb sie nicht unbemerkt. „Ist dir kalt?“, fragte er deshalb einfach nach und machte sich schon daran, seine Jacke auszuziehen und sie mir dann zu reichen. Lieb von ihm, dachte ich mir nur und nahm sie dankend an, zog sie über und spürte die Wärme, die noch von Reitas Körper an ihr haftete. Mittlerweile war es mir egal, wie man mich rumlaufen sah, Hauptsache, es sah irgendwie auffälliger aus, als es das sonst tat. Ich wollte nicht mehr länger im Hintergrund stehen und unauffällig bleiben. Und das hatte mir alles Reita in den Kopf gesetzt… Aber wieso wollte ich das? Wollte ich ihm gefallen? Wollte ich genauso sein, wie er und seine Freunde? Damit ich nicht allzu sehr aus dem Rahmen fiel? Ich wusste keine Antwort, also dachte ich auch nicht weiter darüber nach. „Du bist so ruhig… ist was passiert?“, fragte er nach einer weiteren Weile, in der keiner von uns etwas gesagt hatte. „Nein“, antwortete ich jedoch gleich, „nur hat meine Mutter wieder Aufstand gemacht, dass ich um die Zeit noch raus wollte… dabei darf ich gesetzlich bis zwölf Uhr nach draußen!“, protestierte ich leise zu mir selbst und vernahm von Reita nur ein leises Lachen. Etwas irritiert schaute ich ihn an und sah sein Kopfschütteln. „Uns interessiert es nicht, wie lange wir raus dürfen. Wir bleiben so lange, wie wir es wollen. Egal, ob Wochenende oder wochentags über… wir machen, was wir wollen! Und uns macht niemand Vorschriften…“ Das waren irgendwie verlockende Vorsätze. Ich überlegte ernsthaft einen Moment, ob ich ausprobieren sollte, mich meiner Mutter einfach mal zu widersetzen, so, wie ich es vorhin getan hatte… doch würde das gut gehen? „Woran denkst du gerade?“, fragte er mich plötzlich und schaute mir genau in die Augen, als würde er wissen, woran ich gerade gedacht hatte. Er hatte so ein wissendes Lächeln im Gesicht… „Daran, so zu sein, wie ihr. Ihr scheint euch ja alle gegen eure Eltern durchsetzen zu können… und ihr scheint nicht halb so beschissene Eltern zu haben, wie ich. Welche, die euch mal was erlauben…“ „Wieso wehrst du dich nicht gegen deine Mutter? Ich sehe doch, was sie dir antut und dass es dir dadurch scheiße geht. Schlag doch einfach zurück! Muss ja nicht mit einer Bierflasche sein, aber mit Worten vielleicht. Oder anderen Sachen!“ Ich senkte den Blick wieder betreten und lehnte mich an den Zaun des Parks, an dem wir nun angekommen waren. Es machte mich wütend, dass er mir andauernd sagte, ich sollte mich doch wehren. Ich konnte es nun mal nicht! Es war nicht so einfach, sich gegen die einzige Person zu wehren, die das eigene Leben noch in den Händen hatte und darüber bestimmen konnte, wie und wo man es verbrachte. Sie würde mich jederzeit in ein Heim stecken oder einfach vor die Tür setzen können. Das Jugendamt würde sich sicherlich auch nur einen Scheißdreck darum kümmern, denn das taten sie hier sowieso nie. Es war eine Großstadt, in der wir lebten, da gab es einfach zu viele von uns! Ich wollte nicht mehr länger darüber reden, wie es mir im Moment seelisch ging und dass ich manchmal wirklich den Wunsch hatte, einfach zu sterben. Ich wollte nicht länger darüber nachdenken, dass meine Mutter gerade völlig ausflippte, Dinge tat, die sie sonst nie machte und dass mein Vater sich nun seit einer ganzen Woche nicht einmal gemeldet hatte. Und das bei seinem einzigen Sohn! Langsam fing ich wirklich an, ernsthaft darüber nachzudenken, ihn zu suchen, ihm alles an den Kopf zu werfen, was ich ihm zu sagen hatte und dann einfach bei ihm einzuziehen und ihm auf die Nerven zu gehen – genau, wie ich es bei meiner Mutter gerade tat. „Sorry“, hörte ich Reita dann plötzlich sagen und schaute wieder auf zu ihm, sah, dass er sich an den Zaun gelehnt und den Blick gesenkt hatte, „aber ich bin immer so scheiße neugierig. Immer will ich wissen, wie andere mit den Situationen zuhause umgehen und will ihnen dann sagen, wie sie es besser zu machen haben, obwohl ich eigentlich gar keine Ahnung und auch nicht das Recht dazu habe… aber da du ja selbst nicht weißt, was du machen sollst, habe ich auch nicht das Recht, dich danach zu fragen..." War er denn noch immer betrunken? Ich konnte mir nicht erklären, wie er auf einmal so ausgewechselt sein konnte. Es musste an dem Alkohol liegen, den er zuvor getrunken hatte, denn eigentlich hatte er mir mal erzählt, dass er mit anderen persönlich nie so reden konnte, wie er es zum Beispiel mit mir im ICQ tat… Ich lächelte deshalb nur und schüttelte dann den Kopf, wobei ich etwas näher an ihn heran trat und kurzerhand einen Arm um seinen Nacken legte, den anderen locker hängen ließ, sodass es nicht allzu aufdringlich wirkte. „Ist schon okay…“ Irgendwie brauchte ich diese Art von Nähe nun einfach, konnte sie sonst bei niemandem finden und merkte, so, wie ich hier nun stand, dass sie mir schon jahrelang gefehlt hatte. Nie hatte mich meine Mutter mal in den Arm genommen, nie hatte mein Vater mich mal gelobt und mir die Hand geschüttelt, mir auf die Schulter geklopft und mir damit kein bisschen Nähe geschenkt. Sie begann wirklich, mir zu fehlen. Aber war es das richtige, sie mir bei Reita zu suchen? Was, wenn er es nicht einmal wollte? Wenn ich zu aufdringlich war? Wenn das auf der Scheunenfete wirklich nur gespielt und im Spaß gemeint gewesen war? Zwar hatte er mich nun schon zweimal umarmt, doch eher von sich aus, als dass ich etwas dazu getan hatte, mich in eine Umarmung zu ziehen… Und wirklich, er löste sich ein Stück von mir und sah mir nicht in die Augen, als ich seine suchte. Plötzlich war mir das, was ich soeben getan hatte, unglaublich peinlich und unangenehm und so versuchte ich, mich gänzlich von ihm zu lösen. Doch seltsamerweise ließ er es nicht zu, indem er einen Arm um meine Hüfte legte und mich wieder zu sich zurückzog. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie er den anderen schon vorher um meine Hüfte gelegt hatte, mich somit fest in seinem Arm hielt und mich dennoch nicht ansah. Warum bekam ich plötzlich so ein komisches Gefühl im Bauch? Es war nicht unangenehm – zumindest nicht so unangenehm, wie das Gefühl von eben, als ich gedacht hatte, er wollte diese Nähe nicht – aber auch nicht vertraut. Nicht bekannt. Ein unbekanntes Gefühl in meiner Magengegend. Eher wie ein Kribbeln, das sich stetig auszubreiten schien. Was sollte das? Was machte er da mit mir…? „Sag mal…“, fing er dann leise zu sprechen an, wobei ich seinen warmen Atem durch die kalte Nachtluft an meiner Haut spüren konnte, „darf ich mich denn nun eigentlich davon überzeugen, dass die echt sind…?“ Und plötzlich wusste ich, wo er die ganze Zeit hinschaute, wenn er nicht in meine Augen blickte. Ich musste schlucken und bekam plötzlich unglaubliches Herzrasen, wusste nicht, was ich auf diese Frage nun antworten sollte. Wollte er etwa…? Ich hatte noch nie jemanden geküsst! Und ich wusste ja nicht einmal, wie man es machte…! Sollte ich es also wirklich wagen, meinen ersten Kuss Reita zu schenken? Bei dem es mir peinlicher sein würde, als bei jedem anderen, wenn er feststellen musste, dass ich vielleicht gar nicht küssen konnte…? „Uhm… wenn du möchtest…“, rutschte es mir dann einfach heraus, ohne, dass ich es überhaupt hatte sagen wollen. Und nun gab es ja kein Vorbei mehr, wie ich feststellen musste. Ehe ich mich versah, war er mir noch ein Stück näher gekommen und ich hatte aus einem Reflex heraus schon meine Augen ein Stück geschlossen, sah nur noch, wie seine Lippen näher kamen, spürte seinen warmen Atem auf den meinen, als ich sie gänzlich schloss. Einen Moment lang schien er selbst noch zu zögern, da ich nichts weiter spürte, als nur seine Nähe. Und dann legten sich seine Lippen vorsichtig auf meine. Es war wie ein Feuerwerk, das plötzlich in mir explodierte und ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Zu eingenommen war ich von dem Gefühl, das er in mir auslöste. Dieses Gefühl, das weder unangenehm, noch vertraut war. Das mir langsam aber sicher die Kraft raubte, mich auf den Beinen zu halten. Und doch schaffte ich es, nur, um dieses atemberaubende Gefühl nicht zu verlieren. Nur ganz leicht und sanft berührten sich unsere Lippen, dann begann Reita, seine eigenen leicht gegen meine zu bewegen und mich zu etwas mehr Initiative anzutreiben. Zwar tat ich es nur mit einem unguten Gefühl, da ich ja noch nie geküsst hatte und ich nicht so recht wusste, wie ich es am besten machte, doch ich tat eben mein bestes. Und ohne wirklich zu wissen, was genau ich da tat, begann auch ich, meine Lippen gegen seine zu bewegen und langsam aber sicher ein kleines bisschen zutraulicher zu werden. Ich wollte wissen, wie weit ich gehen konnte. Und ich wollte wissen, ob ich es richtig machte. Wenn schon, denn schon, dachte ich mir, und öffnete meine Lippen einen Spalt, um dann mit meiner Zunge ganz kurz und zögerlich über seine Unterlippe zu streifen, hoffte, dass er meine stumme Bitte irgendwie verstand. Schließlich wusste ich ja nicht, wie ich es sonst anstellen musste…! Doch er hatte verstanden und öffnete nun auch seine Lippen einen Spalt, um mir mit seiner eigenen Zunge entgegen zu kommen und meine leicht anzustupsen. Ich spürte, wie seine Hand sich in meinen Nacken legte und wieder mit den Haaren zu spielen begann, wurde dann von ihm zu einem kleinen Spiel herausgefordert. Immer weiter dränge er meine Zunge mit seiner zurück, bis ich schließlich nachgab und ihm die Chance ließ, meine Mundhöhle zu erkunden. Es fühlte sich unglaublich gut an, besser, als ich es mir je vorgestellt hatte. Und wenn man bedachte, dass Reita ein Junge war, konnte ich mir vorstellen, dass er besser küsste, als jedes andere Mädchen… Zärtlich und mit ein bisschen Vorsicht erkundete er meine Mundhöhle, stupste nach einer kurzen Zeit wieder meine Zunge an und forderte sie zu einem zweiten kleinen Spiel auf, auf das ich auch einging. Unsere Zungen umspielten sich wieder sanft und ab und zu auch ein bisschen neckisch, wenn er mich austrickste und sich einfach in seinen Mund zurückzog. Doch scheinbar wollte er mich nur locken und er verstand sein Spiel anscheinend sehr genau. Ich begann nun selbst, seine Mundhöhle zu erkunden und bemühte mich, nichts anderes zu machen, als das, was er eben auch getan hatte. Schließlich wollte ich ihn ja nicht ersticken oder sowas… Langsam aber sicher ging mir dann die Luft aus und ich zog meine Zunge wieder zurück, spielte noch etwas mit seinen Lippen und ließ den Kuss schließlich mit ein paar letzten, flüchtigen Berührungen unserer Lippen enden. Unsicher öffnete ich meine Augen und hob den Blick etwas, traf auf den seinen, der mich fast schon zärtlich ansah. Lächelnd strich Reita mir über die Wange und kurz mit dem Daumen über die Lippen, ehe er seinen Arm wieder um meine Hüfte legte, genau, wie den anderen. „Doch, jetzt bin ich sicher… die sind echt…!“, grinste er und so schnell, wie es gekommen war, verschwand es auch wieder. „Komm, ich bring dich nach Hause, sonst kriegst du noch Ärger…“ © ~*~*~*~*~*~ DANKE an ReiRei, dass sie mein Reita sein will *g* *knutsch* *liebhabz* Und freut euch auf demnächst, denn wir werden lustige Sachen bei ICQ schreiben *g* *nichts verraten wird* Kapitel 10: Raus ---------------- -10- Raus … „Komm, ich bring dich nach Hause, sonst kriegst du noch Ärger…“ Ich konnte nicht mehr tun, als einfach nur nicken, da ich immer noch viel zu eingenommen von diesem Gefühl war, das sich unerlaubterweise in mir breit gemacht hatte. Was war das nur auf einmal? Reita hatte eine seltsame Wirkung auf mich. Als wäre er schizophren, als hätte er zwei Persönlichkeiten, deren bessere Hälfte er scheinbar nur mir gegenüber zeigte. Wenn ich mir besah, wie er sich seinen Freunden gegenüber verhielt, konnte man wirklich schon sagen, ich machte eine Ausnahme. Aber was wollte er damit bezwecken? Er ließ meine Hüfte nicht los, hatte noch immer den linken Arm um sie gelegt, als wir schließlich wieder zurück zu mir nach Hause gingen. Wir bogen die Straßen schweigend ein, liefen sie schweigend entlang und doch war es kein unangenehmes Schweigen, wie ich fand. Eine angenehme Stille, die herrschte und ich traute mich auch nicht, sie zu durchbrechen. Den ganzen Weg über ging es so, selbst der Hund an der Ecke hatte nicht gebellt, als wir in meine Straße eingebogen waren. Und nun standen wir also ein paar Meter weg von meinem Haus, bis ich stehen blieb. Reita wunderte sich zwar, doch nach wie vor wollte ich nicht, dass meine Mutter ihn sah. Dass sie denjenigen sah, den ich gerade eben geküsst hatte. Dass sie jemanden sah, der mir wichtiger geworden war, als sie selbst, meine eigene Mutter. „Warum bleibst du stehen?“, fragte er wie erwartet und schaute mich verwundert an. „Meine Mutter sollte mich nicht mit Freunden sehen. Dann wird sie nur wieder sauer“, erklärte ich dann einfach, doch ich erwiderte seinen Blick nicht. Aus Unsicherheit. Aus Zweifel, dass er es mit dem Kuss nicht ernst gemeint hatte. „Sicher, dass ich nicht doch noch mitkommen soll, wenn sie schon wegen sowas sauer wird? Ich kann auch hier warten oder so…“, schlug er vor. Und ich wusste nicht, ob er sich nun wirklich Sorgen oder sich einfach nur über mich lustig machte. Er wollte also schauen, dass ich heil zu Hause ankam, bis mein Licht oben im Zimmer anging und ich trotzdem möglicherweise irgendwelche Platzwunden am Kopf hatte, weil meine Mutter wieder übertrieben hatte? „Meinetwegen…“, lächelte ich dann leicht und schaute ihm nun doch in die Augen, woraufhin er sich zu freuen schien und mich gleich noch einmal in seine Arme zog. Ich wehrte mich auch nicht dagegen. Denn ich mochte es, wenn er mich in den Arm nahm oder einfach nur berührte, so, wie er es auf der Scheunenfete getan hatte. Niemand anders hatte mich bisher so berühren dürfen, niemanden hatte ich an mich heran gelassen, denn ich hatte immer Angst davor gehabt, verletzt zu werden. Zwar wusste ich bei Reita noch immer nicht, wie er all die Dinge meinte, die er mit mir machte, doch ich ließ es zu, hatte einfach Vertrauen in ihn und somit schlang auch ich die Arme um seinen Rücken, schloss für diesen ruhigen Moment die Augen. Ich spürte, wie er wieder leicht meinen Nacken zu kraulen begann und mich dann näher an sich drückte, sodass ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge vergraben musste, um es irgendwo unterzubringen. Plötzlich hörte ich Schritte und ich wusste, wieso er mich näher zu sich zog. Er wusste, dass ich erst einmal nicht wollte, dass man mich in diesem Viertel mit ihm sah, denn meine Mutter kannte hier jeden… und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie es zu hören bekommen würde, wenn es auch nur von irgendeinem Nachbarn war, der uns zufällig gesehen hatte. Es war zum Glück unwahrscheinlich, dass uns an der Scheunenfete jemand aus diesem Viertel gesehen hatte, denn Aoi und ich waren die einzigen jungen Leute in unseren Familien, sonst lebte hier nur ein Haufen Rentner und Pensionsbedürftige… „Uruha! Du kommst da jetzt auf der Stelle weg, hast du das verstanden?! Uruha!“ Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich glaubte, ich würde jede Sekunde das Zeitliche segnen müssen. Sofort stieß ich Reita leicht von mir, sodass dieser nur einen Schritt zurücktaumelte und verwirrt zu der Person schaute, die mich soeben als ihren Sohn in den Armen eines Punks entdeckt hatte. Schande, Schande über mich! Ich war ein böser Junge und musste bestraft werden! Wo war die leere Weinflasche? „Ich hab mit keinem Wort erwähnt, dass du raus durftest, oder? HAB ICH DAS, MEIN FREUND?!“, schrie sie und riss mich nun gänzlich von Reita weg, ihr ekelhafter Geruch von Alkohol und Zigaretten kam mir wieder entgegen und ließ mich ängstlich werden. Ich fragte mich ernsthaft, wie sie mich hier draußen gesehen hatte. War sie mir etwa gefolgt? Hatte sie schon darauf gewartet, dass ich zurückkam? Wahrscheinlich hatte sie wie ein Geier auf ihre Beute gewartet, dass sie mich vor Reitas Augen blamieren konnte. Vor Reitas Augen! „So, mein Freund, das hat Folgen! Du kannst zusehen, wo du heute Nacht bleibst! Aber in dein Bett kommst du garantiert nicht, verstanden?!“, fauchte sie mich an und ich wich erschrocken ein Stück zurück, ehe sie mich losließ, sodass ich beinahe auf den Boden gefallen wäre, wenn Reita mich nicht freundlicherweise aufgefangen hätte. Dafür fing ich an, zu weinen. „Mom…“, bettelte ich, doch sie schrie mich nur wieder an. „Die nächste Woche brauchst du mir gar nicht wieder zu kommen, mein Freundchen! Hast du verstanden?! Verpiss dich, geh mir aus den Augen!“, kreischte sie schon fast hysterisch, sodass ich nebenbei wahrnehmen konnte, dass einige Nachbarn schon das Licht angemacht hatten und nun sicherlich durchs Fenster schauten. „Komm, wir gehen… Uru, komm!“, drängte mich Reita, der mich noch immer festhielt und langsam wegzerrte von dieser Furie vor mir. Sie begann wieder, hysterisch auf mich einzureden, doch Reita zog mich nur weiter mit sich, während ich mir schützend eine Hand vors Gesicht hielt, damit sie mich nicht wieder schlagen konnte. Ich hörte, dass sie uns noch bis zum Ende der Straße folgte, doch dann verschwand ihr Gebrüll und es wurde wieder ruhiger, nur den Hund hörte man noch bellen. Das schallende Geräusch kam mir doppelt so laut vor in meinen Ohren, wie es eigentlich war. Dann versuchte ich krampfhaft meine Tränen zurückzuhalten, doch es gelang mir kaum und ich drückte mich näher an Reita, um endlich etwas Trost zu bekommen. Den ich sonst nie bekam, wenn sie mal so ausrastete… „Das war deine Mutter?“, hörte ich ihn entsetzt fragen und ich nickte nur. „Bei der hätte ich auch nicht mehr lang überlebt. Meine ist ja ein zahmes Lamm dagegen… Wir gehen jetzt zu mir und dann bleibst du auch bei mir, okay? Meinetwegen auch die nächsten Tage…“ Ich war gerührt. Dass er sich die ganze nächste Woche mit mir rumschlagen wollte. Und ich hatte gerade ein ziemlich anderes Bild von meiner Mutter bekommen. Sie hatte mich rausgeschmissen und was sie sagte, würde für mich wohl das Gesetz bedeuten. Ich hatte einen Fehler gemacht und nun erhielt ich sogar eine Strafe dafür, die mir besser gefiel, als jede Sekunde, die ich bei mir zuhause verbrachte… „Im Ernst? Darf ich das denn?“, fragte ich dennoch unsicher, hoffte aber innerlich, dass ich es durfte. Wenigstens bis zum morgigen Tag. Und ich würde wirklich lernen müssen, wie ich mich zumindest etwas gegen sie wehren konnte. Ob Reita mir da helfen würde? „Ist mir scheißegal, ob du das von meiner Mutter und von ihrem Freund aus darfst, es ist mein Zimmer und darüber haben die nicht zu bestimmen, oder?“, grinste er und blieb an der Kreuzung stehen, um dann über die Straße zu gehen und mich dabei noch immer nicht loslassend. Und ich fühlte mich zum ersten Mal seit langem wieder irgendwo erwünscht und sicher… „Aber ich will dich nicht zu lange nerven… ich denke, ich werde morgen erstmal wieder nach Hause gehen und dann schauen, ob sie ihre Meinung wieder geändert hat.“ „Du schreibst mir dann aber im ICQ, hai? Oder du rufst mich auf dem Handy an. Bei der lass ich dich nicht alleine, wenn die noch immer so drauf ist…“, meinte er nur matt, doch glauben konnte ich ihm nicht so recht. Er meinte es sicherlich nicht ernst, dass er mich nicht bei ihr allein lassen wollte. Warum auch? Ich war eine Klette und zu nichts zu gebrauchen, merkte er das nicht? Ich ließ mich von meiner Mutter, die doch körperlich eigentlich viel schwächer war, als ich, unterkriegen und war unsicher, ein Feigling, schüchtern und dumm wie Brot. Weil ich nicht einmal auf die Idee kam, mich zu wehren… „Von mir aus…“, murmelte ich. Wieder schwiegen wir uns an, wir liefen das restliche Stück gerade an der Hauptstraße entlang, als uns dann jemand entgegenkam. Um diese Uhrzeit, fragte ich mich. Doch ich kannte diesen Jemand. Er hatte eine Bierflasche in der Hand. Und eine Weste, die mir bekannt vorkam. Blonde Haare, die zu allen Seiten abstanden. Saga? „Was macht ihr denn hier?“, lallte er und blieb genau vor uns stehen, woraufhin er mich anschaute und dann einfach nur anfing zu lachen. „Du bis’ ja ganz verschmiert! Has’ du geweint?“ „Nein, du hast getrunken, Saga“, antwortete Reita nur matt, „und hör auf, dich ständig wegen dem zu betrinken. Bringt dir sowieso nichts!“ Ich verstand nicht wirklich, von wem sie redeten, doch eigentlich war es mir auch ganz egal. Ich wollte einfach nur irgendwohin, mich dann in ein Bett legen und wissen, dass ich wenigstens diese eine Nacht mal nicht allein war. Nicht nur in einem Zimmer zusammen mit einem Fernseher…! „Geh nach Hause, Saga…“, sagte Reita ruhig und lächelte diesen lieb an, ehe er dann einfach mit mir weiterging und das Gewinsel von dem blonden einfach ignorierte. Er ignorierte Saga einfach! „Du ignorierst das?“, fragte ich verwundert. „Man muss ihn ignorieren, wenn er das macht. Er betrinkt sich dauernd wegen Saki. Aber deshalb muss man nicht gleich Mitleid mit ihm haben...“, erklärte er mir und zog mich mit in seine Straße, wo auch Ruki wohnte und dessen Vorgarten das erste war, was mir ins Auge fiel. Noch immer war ich dicht an ihn geschmiegt, er hatte mich bis jetzt auch nicht losgelassen und nahm seinen Arm erst von meiner Hüfte, als wir vor der Haustür standen und er in seinen Hosentaschen nach seinem Schlüssel kramte. Und währenddessen wartete ich geduldig. Als er aufgeschlossen hatte, ließ er mich zuerst reingehen, deutete mir aber, dass ich still sein sollte. Scheinbar waren seine Mutter und ihr Freund im Haus und sollten mich nicht unbedingt hören, also blieb ich so leise, wie ich sein konnte und zog mir auch erst oben in seinem Zimmer Schuhe und Jacke aus. „Willst du noch was essen, bevor wir schlafen gehen?“, fragte er mich dann, als er die Tür geschlossen hatte und hing seine Jacke an seine Tür, schmiss seine Schuhe diesmal in irgendeine Ecke seines Zimmers, statt des Flures. Doch etwas essen konnte ich jetzt nicht mehr, dann würde mir erst recht wieder schlecht werden, dachte ich. „Was trinken, wenn’s geht…“, antwortete ich daher nur und ließ mich auf seinem ‚Bett’ auf dem Boden nieder, nahm mir eine der Zeitschriften und blätterte ein wenig darin herum, während ich darauf wartete, dass er von unten wieder mit einer neuen Flasche Wasser zurückkehrte. Mir fiel auf, dass er diesmal aufgeräumt hatte. Es standen nicht so viele Flaschen herum, wie beim ersten Mal, als ich hier gewesen war und es roch sogar noch viel besser. Außerdem war die Bettwäsche gewaschen und die Zeitschriften zur Abwechslung mal halbwegs ordentlich auf einen Stapel gelegt. Und in dieser einen, in der ich gerade blätterte, befanden sich die schrägsten Figuren überhaupt. Männer in langen, schwarzen Mänteln, und von oben bis unten mit Nieten besetzt, ihre Gesichter weiß und mit viel schwarzer Schminke um die Augen. Sie machten mir ein bisschen Angst, deshalb blätterte ich einfach weiter. Auf den nächsten Seiten kamen mir ähnliche Gestalten entgegen, doch zum Ende hin wurde es ein wenig interessanter, wie ich fand. Ausgeflippte Klamotten und krasse Schminke zierten das Gesicht eines jungen Mannes, wie ich glaubte, dass er es war. Er trug Strapsen und hohe Kniestiefel, sah damit meiner Meinung einfach nur einzigartig aus. So, wie eben kein anderer aussah. Er gehörte zu einer Band, von der ich noch nie etwas gehört hatte, aber Reita kannte sie bestimmt. Vielleicht würde ich ihn ja noch danach fragen. Irgendwann war Reita dann wiedergekommen, ich hatte ihn erst gar nicht bemerkt. Erst, als er mir eine Flasche Wasser vor die Nase hielt, schaute ich auf und lächelte leicht, bedankte mich artig. „Bist du müde?“ Ich nickte auf seine Frage hin, konnte im Moment eigentlich wirklich ein Bett am meisten gebrauchen. Ein Bett und vielleicht jemanden, der mir mal das Gefühl gab, nicht jede Nacht allein zu sein. Der dafür sorgte, dass ich über das fehlende Licht in diesem dunklen Zimmer hinwegsehen konnte, wenn es ausging. Und das Trinken hatte ich längst vergessen… Er deutete auf seine Zimmertür. „Drüben ist das Bad. Kannst dich abschminken und so. Brauchst du sonst noch was?“, fragte er, während er sich schon mal umzog und seine Klamotten, wie alles andere wohl auch, einfach ins Zimmer schmiss. „Schlafsachen…“, murmelte ich und ehe ich mich versah, hielt er mir schon die Sachen vom letzten Mal hin. „Hier, die riechen sogar noch nach dir…“, grinste er und drehte sich dann um, um sich auf sein Bett zu legen und den kleinen Fernseher einzuschalten. Ich drehte mich um, verkniff mir ein Seufzen und betrat dann das kleine Bad seinem Zimmer gegenüber. Ich schloss die Tür hinter mir ab, wandte mich dann zum Spiegel um und erschrak. Meine gesamte Schminke war unter meinen Augen verlaufen, die Tränenspuren waren noch zu sehen und alles in allem sah ich einfach nur aus wie ein Wrack. Fand ich zumindest. Und damit Reita diesen hässlichen Anblick nicht länger ertragen musste, griff ich gleich nach der Seife und tat mir etwas davon auf die Hände, um mein Gesicht gründlich zu waschen, bis auch wirklich nichts mehr von dem schwarzen Kajal und dem Lidschatten zu sehen war. Dann kämmte ich mir noch die Haare durch und spülte meinen Mund einmal gründlich mit Wasser aus, da ich ja dummerweise keine Zahnbürste hatte. Und um alles wollte ich Reita nun auch nicht anbetteln. Schnell zog ich mir die Schlafsachen an, die er mir eben in die Hand gedrückt hatte und stellte fest, dass sie tatsächlich noch nach meinem Parfüm rochen, das ich mir an dem Abend drauf getan hatte. Es ließ mich leicht lächeln und auch, als ich wieder rüber ging, verschwand dieses nicht aus meinem Gesicht. Ich öffnete leise die Tür zu Reitas Zimmer, schloss sie dann wieder hinter mir und fand den blonden auf seinem Bett sitzend und gegen die Wand lehnend wieder. Er hatte irgendeine Sendung im Fernsehen eingeschaltet, die ich wieder nicht kannte und sah selbst schon etwas müde aus. „Alles okay?“, fragte er mich mit einem etwas verwunderten Gesichtsausdruck, was mich stutzig machte. Hatte ich nicht bis eben ein Lächeln im Gesicht gehabt? Vielleicht war es ja auch ein bitteres Lächeln gewesen. Schließlich konnte ich mich ja nicht selbst lächeln sehen und ich wusste nicht, dass es scheinbar falsch auf ihn gewirkt hatte. „Hai, wieso?“ „Du schaust so…“, sagte er und schaltete den Fernseher dann mit der Fernbedienung aus, ließ sie achtlos neben seine Matratze fallen und rückte ein Stück. Und ohne, dass er etwas hatte sagen müssen, verstand ich und ging zu ihm hin, wurde gleich in seine Arme gezogen und schloss für einen Moment die Augen. Ich saß nun neben ihm, den Kopf auf seine Schulter gebettet und beide Hände in seinem Shirt verkrallt, hatte Angst, dass er einfach wieder aufstand und wegging. Ich hasste es, abends allein zu sein. Viel schöner war es, jemanden an meiner Seite zu wissen. Und wenn es nur der Fernseher war, der im Hintergrund redete und mir zeigte, dass er anwesend war. Dass ich Menschenstimmen hören konnte. Die Stille fand ich unerträglich bei Nacht. Seine Arme legten sich um mich, kraulten sanft meinen Rücken und bereiteten mir allein mit dieser simplen Berührung eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper. Und ich genoss es unwahrscheinlich, dieses Gefühl, dass er sich um mich kümmern wollte und mich nicht allein ließ. Ich konnte sein Lächeln förmlich spüren und indem ich aufschaute, überzeugte mich gleich davon, dass er es wirklich tat und vergaß all mein Handeln. Ich beugte mich vor, so weit, bis ich nicht mehr sehen konnte, dass er sich nicht dagegen wehrte und berührte seine Lippen mit meinen, schloss dann meine Augen. Ich wollte nicht sehen müssen, dass er es nicht wollte, dass er sich wehrte und dieser eine Kuss am Park einfach nur eine Laune gewesen war. Seine Laune… Doch es kam kein Widerstand, sondern Erwiderung, indem er meinen Lippen entgegenkam und mich an der Hüfte näher zu sich zog. Die andere Hand legte er wieder in meinen Nacken und kraulte diesen, scheinbar, weil er gemerkt hatte, wie sehr es mir gefiel, wenn er das tat. Ich schnurrte leise und kaum hörbar auf, als ich mich näher an ihn schmiegte und dieses sich in mir ausbreitende Kribbeln im Bauch unglaublich genoss. Kurz darauf spürte ich, wie seine Zunge zaghaft um Einlass bettelte, wobei ich längst nicht mehr zögerte und ihm diesen gewährte. Er begann ein kleines Spiel, niemand wollte es recht gewinnen oder aber verlieren, denn der Reiz war zu groß, es enden zu lassen und die Neugierde auf den anderen überwog deutlich. Dafür, dass es erst mein zweiter Kuss in meinem ganzen Leben war, hätte ich mich zu dem Zeitpunkt schon daran gewöhnen können. Ich wollte dieses Gefühl schon gar nicht mehr missen, genau, wie seine Nähe nicht. Und das Schlimmste daran war, dass ich nicht einmal wusste, warum ich überhaupt so fühlte. Ganz plötzlich! Es war einfach so da gewesen, dass er mich auf die Matratze gedrückt und sich über mich gebeugt hatte, mich noch immer leidenschaftlich küsste und dabei meinen Nacken weiter kraulte. Jedoch ging er nicht weiter, als bis hierher, wofür ich ihm auch verdammt dankbar war. Auch, wenn ich nicht wollte, dass er mich jetzt losließ, wollte ich nicht, dass er mich anders berührte, als er es am Samstag getan hatte und auch heute Nacht tat. Schließlich endete der Kuss, unsere Lippen berührten sich ein letztes Mal und etwas schwerer atmend löste er sich von mir. Scheinbar hatte ihm der Kuss genauso den Atem geraubt, wie mir. Er legte sich neben mich und lächelte mich lieb an, strich mir über die Wange und übers Kinn. „Schlaf gut…“, flüsterte er, ehe er das Licht ausmachte und die Decke über uns zog, sodass die Kälte auf meinem Körper langsam nachließ. Dass die Kälte in mir langsam nachließ, als ich mich an ihn schmiegte und ein Bein zwischen seine schob, um ihn am liebsten nie wieder loszulassen. Er legte seinen Arm locker um meine Hüfte, während ich mich nahezu schutzsuchend an ihm festhielt und die Augen fest zusammenpresste, um die Dunkelheit nicht sehen zu müssen. Sein Atem streifte meine Wange, er schien zu merken, dass ich Angst hatte und hielt mich fester in seinem Arm, gab mir Wärme. Mir war nicht mehr kalt. Langsam entkrampften sich meine Finger wieder, bis sie sein Shirt fast gänzlich wieder freigaben und schließlich hatte ich die Hände nur noch leicht auf seine Brust gelegt, kraulte diese leicht. Ich wollte ihm zeigen, dass ich dankbar war für das, was er für mich tat. Denn ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich nur ausnutzte, dass er mich anlog oder sich in irgendeiner Weise vor mir ekelte. Dummer Gedanke, das wusste ich ja selbst, aber mittlerweile traute ich allen zu, dass sie etwas gegen mich hatten, bei allen war ich misstrauisch und glaubte ihnen nicht. Aber Reita, ihm glaubte ich. Zumindest hoffte ich, dass ich das tun konnte. Und wirklich, mit einem Lächeln auf den Lippen schlief ich ein, seine Wärme neben mir noch immer spürend und mit der Hoffnung, dass mich diese Nacht keine Alpträume heimsuchten, in denen mich meine Mutter schlug und meine Freunde mich dafür auslachten. Wobei ich ja nun andere Freunde hatte, mich anders behandelnd, als wäre ich nicht nur einfach anwesend. Als wäre ich Uruha… Es war ruhig im Zimmer, als ich aufwachte und auch im Haus konnte ich keinerlei Geräusche vernehmen. Es war alles totenstill, wie ausgestorben und trotzdem angenehm, obwohl ich die Stille nicht mochte. Leicht öffnete ich meine Augen und schaute auf einen Stapel Zeitschriften, musste jedoch erst ein paar Mal blinzeln, ehe ich überhaupt richtig etwas erkennen konnte. Doch um zu wissen, dass Reita hinter mir lag und die Arme um meinen Bauch geschlungen hatte, musste ich nichts erkennen können. Schon so früh am Morgen stahl sich mir ein Lächeln auf die Lippen, als ich mich enger an ihn schmiegte und eine Hand auf seine legte, die etwas unterhalb meiner Brust verweilte. Und schloss die Augen gleich wieder, um nicht allzu wach zu werden, denn ich hatte definitiv keine Lust, jetzt aufzustehen. Um ihn nicht zu wecken, drehte ich mich ganz vorsichtig in seiner Umarmung um, damit ich ihn sehen konnte. Er sollte der erste sein, den ich am Morgen zu Gesicht bekam, nicht etwa mein Fernseher oder mein Wecker, der mir anzeigte, dass es bald wieder Zeit war, um aufzustehen und zur Schule zu gehen. Und wo ich so darüber nachdachte, schaute ich kurz auf den Wecker auf seinem Schreibtisch, um festzustellen, dass ich genau eineinhalb Stunden bevor ich eigentlich immer aufstehen musste, aufgewacht war. Doch es interessierte mich nicht sonderlich, dass ich heute nicht zur Schule gehen würde. Es interessierte mich auch nicht, dass die Schulleitung wohl bei uns zu Hause anrufen würde, um nach mir zu fragen. Ich wollte gar nicht in die Schule – zumindest nicht heute. Als ich dann zu ihm aufschaute, sah ich, dass er die Augen noch geschlossen hatte und gleichmäßig atmete, noch immer tief und fest zu schlafen schien. Ich hatte ihn also nicht geweckt, als ich mich umgedreht hatte. Verträumt streichelte meine Hand seinen Arm auf und ab, meine müden Augen weilten die ganze Zeit über auf seinen geschlossenen und ich wartete nur darauf, dass er sie aufschlug und mich als erster an diesem Morgen anschauen würde. Und würde er auch lächeln, wenn er mich sah? So, wie er es auf der Scheunenfete auch getan hatte, schob ich meine eiskalte Hand unter sein Shirt, um eine Reaktion von ihm abzuwarten. Eigentlich hatte ich ihn nicht wecken wollen, doch vielleicht wollte er ja zur Schule gehen, musste vielleicht, um keinen Ärger zu bekommen. Leicht kraulte ich seine Haut, wartete, dass er sich rührte. „Du hast kalte Hände…“, murmelte er, als er die Augen verschlafen aufschlug und sie gleich daraufhin wieder schloss, wie ich es im fahlen Licht sehen konnte. Er festigte den Griff um meinen Rücken und lehnte seine Stirn an meine. „Ich wollte nicht, dass du verschläfst“, murmelte ich leise und bemühte mich, mich so wenig wie möglich zu bewegen, da ich Angst hatte, dass er mich andernfalls wieder losließ. „Man kann nicht verschlafen, wenn man gar nicht zur Schule geht. Ich lass dich doch hier nicht allein… immerhin hast du ja gar keine Schulsachen bei und so…“, sagte er verschlafen und rieb sich das eine Auge, ehe er dieses öffnete und mich anschaute. Und ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Seine tiefbraunen Augen ließen mich nicht mehr los, sie reflektierten das bisschen Licht, das nun von der Sonne durch die Vorhänge schien und schienen es mir schenken zu wollen. Ich spürte, wie mir wärmer wurde und auch dieses seltsame Kribbeln im Bauch hatte wieder begonnen. Dann schloss ich meine Augen wieder, als seine Finger mir sanft ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht strichen und spürte, dass seine Lippen erneut nach meinen suchten. Und länger warten wollte ich nicht… Plötzlich, gerade, als wir uns nur ganz federleicht und sanft küssten, flog die Tür auf und ich schrak zurück, als ein mir fremder Mann das Zimmer betrat und die Vorhänge mit einem Ruck aufriss, sodass das grelle Licht genau ins Zimmer schien. Ich versteckte das Gesicht in Reitas Halsbeuge, um meine Augen zu schützen, lauschte dann den Geräuschen, die der Mann machte, während ich blind und wie hilflos an Reita geschmiegt dalag. „Du kleine Schwuchtel wirst jetzt deinen Arsch da raus bewegen! Hier wird nicht jeden Tag die Schule geschwänzt, verstanden?! Steh gefälligst auf, deine Mutter wartet unten!“, schrie der Mann, riss uns die Bettdecke weg und ich hörte nur, wie er anfing, die Flaschen, die noch vor Reitas Bett standen, gewaltsam wegzuräumen. „Hast du sie noch alle?! Verpiss dich aus meinem Zimmer, du hast hier nichts verloren, Arschloch!“, schrie Reita dann plötzlich zurück und festigte den Griff um mich wieder etwas, als wollte er mich vor dem Kerl schützen. War er der Freund seiner Mutter, von dem er mir schon so oft erzählt hatte und nun verstand ich auch, warum sich die beiden nicht verstanden. Der Kerl mit den drei Piercings im Gesicht zeigte Reita nur den Mittelfinger, ehe er sich zur Tür wandte, wo eine in ein weißes Nachthemd gekleidete Frau stand und etwas scheu zu uns rüberschaute. Zumindest kam sie mir etwas erschrocken vor, da ihr Freund so herumschrie. „Du hast den Jungen echt beschissen erzogen! Willst du den jetzt etwa wieder zuhause lassen mit seinem Schwuchtelfreund?!“, empörte er sich und zeigte dabei verächtlich auf mich, woraufhin ich etwas beschämt meinen Blick abwandte. Es war mir unangenehm, dass sie mich so bei ihm sahen, dass seine Mutter wahrscheinlich nicht einmal von ihrem Sohn gewohnt war, dass er mit anderen Jungs so im Bett lag. „Schatz, du musst los, sonst kriegst du deinen Zug nicht mehr…“, sagte die Frau kleinlaut und deutete auf die Tür, wo der Mann dann auch gleich wutentbrannt hindurch verschwand und einen ebenso wütenden Reita, sowie seine verschreckte Mutter zurückließ. „Entschuldigung“, sagte diese dann auch gleich zu mir, verbeugte sich ein Stück, „aber er muss ab heute für ein paar Wochen auf Geschäftsreise. Deshalb ist er im Moment ein bisschen gereizt, weil er so lang nicht zuhause sein wird…“, murmelte sie nur und verbeugte sich noch einmal, ehe sie ihrem Freund hinterher lief und die Zimmertür wieder leise schloss. Reita saß währenddessen einfach nur kerzengerade in seinem Bett und starrte fassungslos die Tür an, ehe er einfach nur laut seufzte und das Gesicht in seiner Hand vergrub. „Gomen, das ist mir grad mal scheiße peinlich…! Ich wollte nicht, dass du die beiden unter den Umständen kennen lernst… Eigentlich solltest du sie gar nicht kennen lernen...!“, seufzte er, rieb sich dann die Augen und stand auf. Er lief zu seinem Schreibtisch und schlug einmal auf den Wecker, der daraufhin die Anzeige verschwinden ließ und zog dann die Vorhänge wieder ein Stück zu. „Ich geh heut nicht zur Schule. Der kann mich mal!“ Ein bisschen belustigt setzte ich mich aufrecht und schaute ihm zu, wie er in seinem Rucksack wühlte und ein paar Schulbücher herauspackte, um daraufhin andere Dinge wie zwei ungeöffnete Bierflaschen und eine Packung Zigaretten hineinzustecken. „Willst du heute nach Hause?“ Als ich endlich zu Ende gegähnt und mich gestreckt hatte, dachte ich einen Moment lang nach. Wollte ich denn wirklich nach Hause, wenn meine Mutter mich wahrscheinlich eh nicht in den nächsten drei Tagen zurück erwartete? Es sei denn, sie erinnerte sich nicht wirklich daran, dass sie mich rausgeworfen hatte. Was natürlich der Fall sein konnte, wie ich mir dachte, da ihr Alkoholkonsum an dem Abend wahrscheinlich wieder den einer ganzen Kneipensippschaft überstiegen hatte… „Ich muss. Will duschen und brauch neue Sachen, weil meine da vorn ziehe ich nicht noch mal an…“, antwortete ich nur matt und deutete auf meine schwarze Hose und dieses uralte Shirt, das ich mir irgendwo aus meinem Schrank rausgekramt hatte. Im Dunkeln hatte man es ja nicht gesehen, aber am Tag lief ich sicher nicht mit dem Ding durch die Gegend… „Soll ich mitkommen?“, fragte er dann und trank aus seiner mitgebrachten Wasserflasche, die er mir dann reichte und ich auch endlich einen Schluck daraus trank, was ich ja am Vorabend total vergessen hatte. Ich bedankte mich kurz und stellte sie dann beiseite. „Nein, besser nicht. Nachher ist sie wieder besoffen und geht noch auf dich los. Schlimm genug, dass die Nachbarn das alles gesehen haben! Und wenn sie dich sieht, kriegt sie bestimmt eh wieder nen Ausraster. Aber danke trotzdem!“ Ich stand nun also auf und lief zu meinen Sachen, von denen ich das Shirt ziemlich angewidert aufhob und es beschaute. Dann zog ich mir Reitas Shirt über den Kopf, hängte es ordentlich über den Stuhl vom Schreibtisch und wollte mir dann eigentlich gerade mein Shirt anziehen, als er plötzlich meinen Arm festhielt und mir dann den Fetzen abnahm. Etwas verunsichert, dass er nun so nah bei mir stand, ohne, dass ich oben rum etwas anhatte, schaute ich ihn an, als er mir ein Oberteil von sich in die Hand drückte. „Steht dir sicher besser als mir“, meinte er und deutete auf das Stück Stoff in meiner Hand. Ich faltete es auseinander und schaute es mir an. Es war eine art schwarze Weste aus angenehmem Stoff, an dem vereinzelt kleine Anhänger befestigt waren. Ich konnte kleine Kreuze und andere Symbole erkennen, die hin und her baumelten und leise klirrten. „Das ist ja krass…“, murmelte ich vor mich hin, „danke! Ich geb’s dir beim nächsten Mal wieder!“, lächelte ich und machte mich daran, es anzuziehen. Von Reita vernahm ich jedoch nur ein Lachen. „Das Ding steht mir doch gar nicht! Zu dir passt es viel besser. Kannst es behalten...“ Erst schaute ich ihn verdutzt an, bis ich dann aber verstand, was er da eben gesagt hatte. Ich durfte das behalten? Ich durfte ein Oberteil von Reita behalten? Und dazu auch noch eins, das so richtig verrückt aussah, wie dieses hier? Nein, eigentlich verrückt war ja, dass es mir so auch noch gefiel! „Danke…“, brachte ich nur hervor und blinzelte, ehe ich mir auch noch meine schwarze Hose dazu anzog und fand, dass mir das ganze gar nicht mal so schlecht stand. Zumindest passte mir die Weste ja, da Reita und ich in etwa die gleiche Größe hatten und ihm die etwas zerfetzten und ausgefallenen Sachen sowieso viel besser standen, wie ich fand. Ich umarmte ihn dann einfach, wollte ihm ja irgendwie meinen Dank zeigen. Aber ob ich nicht wieder zu aufdringlich wurde, wusste ich nicht. Doch es interessierte mich im Augenblick nicht sonderlich, denn es war ja auch einfach nur ein Zeichen des Danks. Kurz darauf ließ ich ihn auch wieder los und schaute dann zu meinem Shirt. „Eigentlich kannst du das wegschmeißen…“, sagte ich bloß matt, woraufhin Reita wieder lachte. Er nahm also mein Shirt und steckte es in seinen Mülleimer unter dem Schreibtisch, schloss den Deckel und sicherlich würde ich es nicht mehr so schnell wieder sehen. „Zufrieden?“ Ich lachte und nickte dann, schüttelte innerlich den Kopf über seine Art. Er amüsierte mich, war lustig und gab mir auch noch die Zuneigung, die ich mögen gelernt hatte. Eigentlich wollte ich sie gar nicht mehr missen, oder? Ich war mir nicht sicher, ob er mir auch das geben konnte, was ich mir wünschte. Von ihm. Was wünschte ich mir denn von ihm…? „Uruha?“ Erst jetzt bemerkte ich, dass ich schon seit ein paar Sekunden einfach auf den Boden vor mir starrte und nichts gesagt hatte. Hatte er was gesagt? Ich war vollkommen durcheinander. Verwirrt von meinen eigenen Gedanken. Ich wollte nicht wahr haben, dass ich sowas dachte. Hatte ich gerade wirklich über…? „Sorry, ich muss dann jetzt gehen. Danke, dass ich bleiben durfte und… dass du für mich da warst…“, lächelte ich etwas verlegen und öffnete dann seine Zimmertür, wartete, bis er mir folgte. Ohne, dass ich mich irgendwie gestylt oder mir die Haare gekämmt hatte, lief ich also nun nach unten und bis zur Haustür, bis wohin er mir folgte. Und es war mir eigentlich auch egal, wie schlampig und verdreckt und strubbelig ich aussah. Ich würde gleich duschen gehen und dann hatte sich die Sache. An der Tür drehte ich mich dann wieder zu ihm und lächelte ihn lieb an und mit einer großen Portion Dankbarkeit darin. „Schreiben wir heute Abend noch im ICQ?“, fragte ich und legte den Kopf leicht schief. Doch erhielt leider ein Nein als Antwort. „Geht nicht, ich bin heute Abend bei Die und wird wohl erst spät wieder da sein. Muss helfen für Freitag, weißt?“, entschuldigte er sich und öffnete mir dann freundlicherweise die Tür. „Kannst du mir Sagas Nummer vielleicht kurz schreiben?“, fragte ich dann hoffnungsvoll, woraufhin er nickte. Wenn ich ihn schon mal kennen gelernt hatte, wollte ich diesen Kontakt schließlich auch beibehalten! Er ware nun immerhin einer meiner einzigen 'Freunde'… Er holte schnell einen Stift und einen Zettel, schrieb die Nummer darauf und steckte ihn mir dann in die Hosentasche. Die kalte Morgenluft kam mir entgegen, als ich die Tür öffnete und ich würde sicherlich ziemlich frieren, wenn ich nach Hause ging. Immerhin hatte ich nur dieses Oberteil von Reita an und auch mein altes Shirt wäre nicht viel besser gewesen. Aber das würde ich wohl ertragen müssen. „Soll ich dich echt nich bringen?“, fragte er noch einmal nach, doch ich schüttelte wiederum den Kopf. Ich wollte nicht, dass ihm und mir noch einmal sowas peinliches passierte, wie am Abend zuvor und würde den Ärger wohl auf mich allein nehmen, denn es war ja auch schließlich meine Schuld gewesen. Ich war ja ‚abgehauen’… „Dann bis morgen im Bus?“, fragte ich. Er nickte und zog mich dann wieder in seine Arme. Doch diesmal kam es mir irgendwie so vor, als würde er mich wirklich nur ungern gehen lassen. Seine Umarmung war etwas fester als sonst und er wirkte unzufrieden. Ob ich mir das nur einbildete oder ob es real war? Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, doch ich erwiderte die Umarmung natürlich, schloss für einen Moment die Augen und genoss noch einmal seine Wärme. „Bis morgen…“, meinte er noch leise, ehe er sich wieder von mir löste und mich dann mit einem Lächeln verabschiedete, als ich aus der Tür ging. Und das Oberteil würde einen Ehrenplatz in meinem Schrank bekommen. © Kapitel 11: Von Reden und Überreden ----------------------------------- -11- Von Reden und Überreden Wie ich es mir schon gedacht hatte, war es eiskalt draußen. Leicht zitternd hielt ich mir die Arme und versuchte, mich durch Reibung ein bisschen zu wärmen, denn das erzeugte ja bekanntlich Hitze. Doch das schien ebenso wenig zu helfen, wie der Gedanke daran, dass ich jederzeit zu Reita zurückgehen konnte, wenn meine Mutter mich nicht rein ließ. Womit ich auch schon beim Thema war, denn eigentlich dachte ich die ganze Zeit an nichts anderes, als daran, wie ich ihr wohl am besten begegnen musste, damit sie mich wieder rein ließ. Ich musste immerhin duschen und mich umziehen und dann bei der Schule anrufen, damit ich mich für den heutigen Tag krank melden konnte. Es funktionierte nur alles schlecht, wenn meine Mutter mich nicht rein ließ, somit brauchte ich also einen Plan, damit ich schleimen konnte und ich musste natürlich hoch und heilig versprechen, dass ich sowas nie wieder tun würde. Doch ob sie mir das abkaufte, war die andere Seite vom Blatt, die noch unbeschriebene, das Ungewisse an der Sache und das machte mir die größten Sorgen. Wenn ich erstmal wusste, was denn nun auf das Blatt geschrieben würde, dann machte ich mir sicherlich weniger Sorgen. Doch es konnte ja immerhin noch beschlossene Sache werden, dass sie mir gar nicht erst wieder die Tür öffnete, bis sie wieder bessere Laune hatte… Die letzten paar Häuser trennten mich noch von meinem, ich sah jemanden in der Küche rumwuseln und schluckte. Wenn sie schon freiwillig in der Küche arbeitete, dann hatte sie sicherlich wieder schlechte Laune. Dann fing sie nämlich immer an, entweder irgendwas wegzuräumen und es dadurch nur noch schlimmer zu machen oder nur noch mehr Chaos zu veranstalten. Schließlich stand ich vor meiner Haustür und hielt den Finger schon vor die Klingel, als sich dann plötzlich die Tür öffnete und meine Mutter mit wütendem Gesicht vor mir stand. „Küche aufräumen. Und danach erklärst du mir, wieso du nicht in der Schule bist!“, fauchte sie, ich schaute sie nur irritiert an. Dann konnte sie sich also wirklich nicht mehr erinnern. Darüber konnte ich natürlich nur froh sein, denn dann würde ich wohl so schnell nicht mehr rausgeworfen werden, konnte mich umziehen und mich endlich duschen. Ohne Widerworte ging ich rein und zog mir die Schuhe aus, ging dann in die Küche und blieb entsetzt stehen. Diesen Saustall hatte ich in den letzten Tagen gar nicht richtig wahrgenommen. Reitas Zimmer war wohl zu ordentlich gewesen, sodass ich glatt vergessen hatte, was richtige Unordnung wirklich bedeutete. Es standen nicht gespülte Sachen herum und die Spülmaschine war nicht ausgeräumt, obwohl ich sie ja eingestellt hatte. Scheinbar hatte sie auch noch versucht, die dreckigen Sachen in der möglichen Menge hereinzuräumen, was die sauberen wiederum dreckig gemacht hatte. Dann lagen haufenweise Küchenhandtücher herum und der Boden war nicht gewischt, Töpfe mit irgendwelchen Resten von Fertigterrinen und Tütensuppen standen auf dem total verdreckten Herd. Wieder einmal wurde mir bewusst, dass dieses arme Haus jemanden verdient hatte, der es saubermachte. Dann würde ich wohl dran glauben müssen, wenn ich nicht wieder rausgeschmissen werden wollte. Wenigstens hatte sie noch nicht allzu viel getrunken, denn sie roch noch nicht so schlimm… Ohne noch weiter auf sie zu achten, machte ich mich daran, erstmal die dreckigen Sachen an die Seite zu räumen. Ich stellte Tassen, Teller und Töpfe neben den Kühlschrank auf die Ablage und die leeren Flaschen in die leeren Kästen unterm Küchentisch. Als das erledigt war, machte ich mich daran, die Spülmaschine auszuräumen. Zuerst stellte ich die sauberen Sachen beiseite, spülte dann die dreckigen noch einmal mit heiße Spülwasser und stellte sie zu den sauberen dazu, um diese dann nacheinander in die Schränke zu räumen. Als die Spülmaschine dann leer war, räumte ich so viele von den dreckigen Sachen ein, wie sie hineinpassten und den Rest spülte ich noch von Hand. Und irgendwann hatte ich wenigstens die Ablage frei geräumt, sodass ich sie wischen konnte. Überall Flecken von Essensresten und Bier, das klebte und sich schon ins Holz zu fressen schien. Also machte ich einen Schwamm mit etwas Spülmittel nass und wischte über die Ablage, trocknete sie danach mit einem sauberen Handtuch. Ich warf die dreckigen Sachen dann in die Wäschetonne im Abstellraum nebenan, um mich dem Fußboden zu widmen. Dort suchte ich dann nach dem Wischer, um den Boden wenigstens ein bisschen sauber zu machen, denn ich fand es unhygienisch, wenn die Küche so dreckig war. Als auch das erledigt war, öffnete ich noch ein Fenster, damit es schneller trocknete und machte mich dann mit den gerufenen Worten „Ich bin fertig!“ auf den Weg nach oben, um endlich duschen zu gehen. Ich ging in mein Zimmer und suchte mir ein paar Hausklamotten raus, die gemütlich waren, da ich heute sowieso nicht mehr rausgehen würde. Mit diesen machte ich mich dann auf den Weg ins Bad, wo ich wiederum feststellen musste, dass auch dieses irgendwie ziemlich widerlich aussah. Die Dusche war nicht sauber, ebenso wenig, wie das Klo und das Waschbecken. Also musste ich wohl oder übel auch diese Sachen säubern, da ich mich garantiert nicht auf diese Toilette setzen würde. Ich griff nach dem Kloreiniger aus dem Schrank und schüttete etwas davon in die Kloschüssel, spülte dann ab und wischte mit feuchtem Klopapier über die Brille, bis sie sauber war. Dann spülte ich auch das Klopapier noch runter, bis ich der Meinung war, dass man sich auch wieder auf diese Toilette draufsetzen konnte. Als ich den Reiniger weggepackt hatte, putzte ich mir erstmal ordentlich die Zähne und machte mich dann daran, das Waschbecken sauberzumachen. Der Hahn war völlig verkalkt und im Waschbecken lauter Flecken von Schminke, Zahnpasta und Cremes von meiner Mutter, die sie nicht weggemacht hatte. Nicht zu vergessen waren die Haare, die ihr beim Kämmen verloren gegangen waren… Endlich konnte ich dann auch duschen gehen, also zog ich mich aus und stellte mich in die völlig verdreckte und verkalkte Dusche, stellte das Wasser an und ließ es auf mich herabprasseln. Und es tat verdammt gut, nach der Kälte draußen das warme Wasser auf der Haut zu spüren. Ich griff nach dem fast leeren Duschgel und dem Shampoo, wusch mich dann sauber und blieb noch eine Weile unter dem angenehm warmen Wasser stehen. Es erinnerte mich an die Wärme, die Reita mir schenkte, wenn er bei mir war. Und eigentlich wollte ich nur noch wieder zu ihm, nicht hier rum sitzen und nichts tun. Darauf warten, dass es Nacht wurde und ich schlafen konnte, um am nächsten Morgen in die Schule zu gehen und auf den Gong zu hoffen, um ihn endlich im Bus wieder zu sehen. Ich stellte das Wasser ab und verließ die Dusche, nahm mir ein halbwegs sauberes Handtuch und trocknete mich ab. Dann schlüpfte ich in die raus gelegten Sachen und stellte fest, dass es immer noch zu kalt war. So machte ich noch schnell die Dusche etwas sauber und ging dann in mein Zimmer, wo ich mir einen Pullover rausholte, den ich mir noch über das Shirt zog. „Scheiße…“, meinte ich dann leise, als mir einfiel, dass ich noch immer die Schule anrufen musste, um mich abzumelden. Doch eine Ausrede musste her, weil ich ja nicht in der Schule gewesen war und meine Mutter wahrscheinlich erst spät aufgestanden war, sodass sie nicht mehr mitbekommen hätte, wenn ich aufgestanden wäre. Wäre ich denn da gewesen…! Plötzlich lief mein Gehirn auf Hochtouren an und dachte darüber nach, wie ich ihr wohl am besten erklären konnte, warum ich nicht in der Schule war. Nur war die einzige Lösung, zu der ich kam, zu sagen, dass ich mich krank fühlte und deshalb nach Hause gekommen war. Ich musste mich nur glaubwürdig präsentieren und im Schauspielern war ich eigentlich gar nicht so schlecht – zumindest hatte ich mir das antrainiert. Deshalb ging ich auch gleich runter und stellte mich innerlich darauf ein, dass ich nun krank war. Ich hatte Bauchschmerzen und mir war schwindelig, das redete ich mir so lange ein, bis ich es glaubte, wirklich zu spüren und als ich unten angekommen war, drehte sich tatsächlich alles ein bisschen. Ich ging ins Wohnzimmer, wo sie wieder vorm Fernseher saß und diesmal sogar hinschaute, nämlich die Nachrichten und den Wetterbericht für die Woche. „Fertig mit Küche?“, fragte sie zickig. Ich trat aus Reflex einen Schritt zurück und lehnte am Türrahmen, nickte und strich mir die nassen Haare aus dem Gesicht. „Dann erklärst du mir jetzt mal, wieso du nicht in der Schule bist!“ Demonstrativ hatte ich mich schon am Türrahmen festgehalten und zuckte nun mit den Schultern, versuchte ein möglichst krankes Gesicht aufzusetzen und begann, leise zu sprechen. „Ich hab Bauchschmerzen und wäre heute Morgen fast umgekippt, weil mir so schwindelig war. Deshalb hab ich mich abgemeldet…“, antwortete ich und für mich selbst hätte ich jetzt bestimmt ziemlich überzeugend geklungen! Doch meine Mutter schaute mich nur einen Moment lang etwas skeptisch an, zündete sich dann jedoch eine Zigarette an und winkte ab. „Dann geh ins Bett, bevor du mir hier wirklich noch umkippst. Ich hab keine Lust, dich jetzt noch zum Arzt zu schleppen. Ruf die Schule an und meld dich für heute ab. Und raus jetzt, ab nach oben, aber zackig!“ Wieder nickte ich nur leicht und schlenderte dann zum Telefon, nahm es von der Station und ging damit nach oben, um mich dann in mein Zimmer einzuschließen und die Nummer meiner Schule rauszusuchen. Es war noch genug Zeit, denn ich hatte gerade mal eine Viertelsunde Verspätung und bis zu einer halben Stunde nach Unterrichtsbeginn durfte man sich ja selbst von zuhause noch abmelden, da das Sekretariat erst da besetzt war. Ich wählte die Nummer und wartete, dass jemand von den Sekretärinnen abnahm. Als das dann der Fall war, erklärte ich mein angebliches Problem und wurde sogleich als abgemeldet eingetragen für den Montag. Erleichtert legte ich auf und stand auf, um das Telefon auf die zweite Station oben im Flur zu stellen, damit meine Mutter keinen Ausraster bekam, wenn sie es mal wieder in meinem Zimmer suchen musste. Seufzend schloss ich wieder die Tür und schloss ab, ehe ich mich dann auf mein Bett fallen ließ und für einen Moment die Augen schloss. War irgendwie alles ziemlich scheiße gelaufen. Ich hatte noch nie so etwas getan, wie ich es an diesem Wochenende getan hatte. Ich war noch nie mit zu solch einer Scheunenfete gegangen, hatte auch noch nie auf einen Schultag hin bei jemandem übernachtet. Aber seltsamerweise hatte es mir nicht einmal etwas ausgemacht, heute die Schule zu schwänzen, obwohl ich doch sonst so pflichtbewusst war… Da es noch so früh war, beschloss ich, mich noch ein bisschen hinzulegen, damit ich auch endlich mal ausschlafen konnte. Ich war die ganzen letzten Tage erst spät im Bett gewesen und war schon so früh wieder aufgestanden, dass ich nun erstmal ein bisschen Schlaf nachholen musste. Meine Mutter würde eh nachher arbeiten fahren in ihrem Halbtagsjob, den sie nur zweimal in der Woche hatte. Und ich fragte mich allen Ernstes, wie wir uns noch ernähren sollten, wo mein Vater doch jetzt weg war. Ich konnte nur hoffen, dass er uns Geld überwies, uns nicht ganz hängen ließ – zumindest mich nicht. Und somit zog ich die Jalousie von meinem Klappfenster runter, damit es wenigstens ein bisschen dunkler in meinem Zimmer wurde – die andere Jalousie vom normalen Fenster war ja eh immer unten, damit mir die Nachbarn nicht ins Zimmer schielen konnten. Dann legte ich mich zurück in mein Bett und zog mir die Decke über den Kopf, kuschelte mich in ihr ein und versuchte, die aufkommende Kälte zu vertreiben. Ich griff noch nach der Fernbedienung, um den Fernseher für die Geräuschkulisse einzuschalten und legte sie wieder weg, schloss dann die Augen und versuchte, an irgendwas schönes zu denken. Immerhin war es ja Tag, nicht Nacht, und es fiel Tageslicht in mein Zimmer. Also war ja alles in Ordnung, oder nicht? Außerdem hatte ich meinen Fernseher, es waren Leute zu hören, die sprachen, ich konnte meine Hände und mein Bett und die Umrisse in meinem Zimmer noch sehen. Also alles in Ordnung…! Als ich aufwachte, war mein Bett klitschnass und ebenso wie ich. Wie meistens konnte ich mich nicht an meinen Traum erinnern, doch ich wollte es in diesem Fall auch gar nicht. Wahrscheinlich war es wieder von irgendwelchen verlassenen Gegenden gewesen, in denen man mich allein gelassen hatte und in denen es nur so von Gefahren wimmelte. Ja, das war wohl meine größte Angst: das Alleinsein. Ich rappelte mich langsam auf, damit es nicht allzu sehr an meinem nassen Shirt zog, welches ich mir dann kurzerhand über den Kopf streifte und es auf den Boden warf. Irgendwann würde ich auch sicherlich die Wäsche waschen, wenn meine Mutter es nicht tat. Doch jetzt war es erstmal an der Zeit, meinen PC einzuschalten, um Saga in meine Liste zu adden. Schließlich wollte ich ja wissen, wo er nach der Fete hingegangen war…! So stellte ich den Laptop auf mein Bett und klappte ihn auf, steckte ihn an die Steckdose und schaltete ihn dann ein, um zu warten. Mein Fernseher lief noch immer, doch es lief seltsamerweise schon ein Spielfilm. Und als ich auf die Uhr schaute, war es halb neun. Also hatte ich wohl den gesamten Vor- und Nachmittag verschlafen. Großartig, heute Nacht würde ich sicher hellwach sein und morgen in der Schule todmüde. Endlich hatte sich mein PC hochgefahren, ich loggte mich ein und ließ das Teil laden, ehe sich auch schon mein ICQ-Fenster öffnete und ich gleich auf die Schaltfläche ‚Kontakte finden und hinzufügen’ klickte. Ich klickte auf das kleine Symbol, das einen Brief darstellte, an und öffnete somit ein Nachrichtenfenster von Reita, der zurzeit offline war. Leider. »Die Nummer von Saga. Hoffe, du liest das überhaupt und bist rein gekommen bei dir zu Hause. Bis Montag und träum süß, meine Schönheit«, hatte er noch hinter die Nummer geschrieben und das ließ mich auch schmunzeln. Von Anfang an hatte er mich Schönheit genannt, obwohl ich das meiner Meinung nach eigentlich gar nich war. Aber mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt, dass er mich so nannte und hatte ihn deshalb auch sozusagen privilegiert. Mich sollte es nicht stören. Ich kopierte Sagas Nummer in das Feld für ‚suchen’, wartete einen Augenblick und hatte ihn schließlich unter dem Namen ‚PuppetOnAString’ gefunden. Seltsamer Name, wie ich fand. Es klang irgendwie so, als wäre er ziemlich depressiv, wenn er sich selbst schon so nannte, doch eigentlich hatte er ziemlich fröhlich gewirkt auf mich. Er hatte nicht unbedingt den Eindruck gemacht, dass diese Sache mit Sakito ihm so sehr am Herzen lag und auch so sehr an die Nieren ging… Schnell schickte ich eine Erlaubnisanfrage, dass ich ihn in meine Kontaktliste nehmen durfte und eine Anfrage, ob er auch mich annehmen wollte. Ich hatte noch ein »Uruha desu« als Kommentar beigefügt, ehe ich es abgeschickt hatte, damit er auch wusste, wer ich denn war. Schließlich hatte Reita das auch nicht sofort gewusst, obwohl er mir doch seine Nummer gegeben hatte. Ob Saga sich denn eigentlich noch an mich erinnern konnte? Freudig betrachtete ich die kleine, grüne Blume am Rand seines Nicknames und klickte diesen dann doppelt an, woraufhin sich das Chatfenster öffnete und ich etwas eingab. L'objet Dégoûtant (07:20 PM): Saga, altes Haus! L'objet Dégoûtant (07:20 PM): Hab dich gefunden! PuppetOnAString (07:20 PM): Ähm... und wer hat gesucht? L'objet Dégoûtant (07:20 PM): Uruha! PuppetOnAString (07:21 PM): Hey Uruha... wie hast du mich denn gefunden? L'objet Dégoûtant (07:21 PM): Reita hat mir deine Nummer gegeben... PuppetOnAString (07:21 PM): Ach so…! L'objet Dégoûtant (07:21 PM): Also kack ihn an, wenn das ein Problem für dich ist! PuppetOnAString (07:22 PM): Nein, nein... schon okay! L'objet Dégoûtant (07:22 PM): Wie geht's dir? PuppetOnAString (07:22 PM): Gut... Und schon hatte er etwas geschrieben, was ich mal wieder nicht glauben konnte. Sicherlich ging es ihm nicht gut, das hatte ich doch am Vorabend noch gesehen. Und wenn ich mich recht erinnerte, war er auch noch sturzbetrunken gewesen. Ohne irgendeinen Grund? Nein, das musste einen Grund haben und den würde ich nun herausfinden. L'objet Dégoûtant (07:22 PM): Ach, echt? PuppetOnAString (07:22 PM): Wieso fragst du? L'objet Dégoûtant (07:22 PM): Wegen letztens... L'objet Dégoûtant (07:22 PM): Als du Reita und mir entgegen kamst... L'objet Dégoûtant (07:23 PM): Du hast da ziemlich viel getrunken, oder? PuppetOnAString (07:23 PM): Keine Ahnung... kann mich nicht mehr erinnern… L'objet Dégoûtant (07:23 PM): Dann war es eindeutig zu viel... PuppetOnAString (07:24 PM): Weiß nicht… L'objet Dégoûtant (07:24 PM): Und den Grund? Weißt du den noch? Immerhin war es ein Sonntag und du warst ganz allein...! PuppetOnAString (07:24 PM): Na und? L'objet Dégoûtant (07:25 PM): Grund? L'objet Dégoûtant (07:25 PM): Oder willst du nicht reden? PuppetOnAString (07:25 PM): Den hat Reita dir doch bestimmt schon auf die Nase gebunden… Ich meinte, mich erinnern zu können, dass Reita irgendwas von Sakito geredet hatte. Aber wenn dem so war, dann konnte ich wirklich nicht verstehen, warum Saga sich deshalb so fertigmachte. Für mich kam Sakito eher wie ein billiges, kleines Etwas rüber, das mit einem Macho wie Ni~ya zusammen war. Nichts Besonderes dran oder so… L'objet Dégoûtant (07:25 PM): War es wegen Sakito? PuppetOnAString (07:26 PM): Scheint ja wirklich jeder zu wissen…! L'objet Dégoûtant (07:26 PM): Wenn du es auch so offensichtlich machst...? L'objet Dégoûtant (07:26 PM): Samstag warst du ja auch so plötzlich weg, als Ni~ya Sakito geholfen hat, sich zu entleeren! PuppetOnAString (07:27 PM): Warum sollte ich mir das auch antun? Und es hat auch keiner gemerkt, dass ich weg war… L'objet Dégoûtant (07:27 PM): Doch, ich... L'objet Dégoûtant (07:27 PM): Wo bist du denn hingegangen? PuppetOnAString (07:28 PM): Spazieren… Na, das konnte er einem Vollidioten erzählen, aber nicht mir. Obwohl zwischen mir und besagtem Vollidioten eigentlich kein sonderlich großer Unterschied lag, wie ich fand… L'objet Dégoûtant (07:28 PM): Mitten in der Nacht... PuppetOnAString (07:28 PM): Warum nicht? L'objet Dégoûtant (07:28 PM): Scheinst ja wirklich an ihm zu hängen... L'objet Dégoûtant (07:28 PM): Wie lang willst du denn jetzt schon was von ihm? PuppetOnAString (07:28 PM): Zu lange... PuppetOnAString (07:29 PM): Zwei... drei Jahre? L'objet Dégoûtant (07:29 PM): Aber so lang ist er doch noch gar nicht mit Ni~ya zusammen... L'objet Dégoûtant (07:29 PM): Oder? PuppetOnAString (07:29 PM): Nein… L'objet Dégoûtant (07:30 PM): Warum hast du dann nicht mit ihm geredet? Ich kannte das Problem nur zu gut. Ich redete auch nie mit jemandem über Gefühle und das hatte mich die ganze Zeit lang einfach nur fertig gemacht und runter gezogen. Ich wusste, dass ich das ändern musste. Aber ich hatte einfach nicht die Bezugsperson für sowas… PuppetOnAString (07:31 PM): Wie denn? L'objet Dégoûtant (07:32 PM): Ganz einfach, indem du zu ihm hingehst und ihm sagst, was Sache ist. PuppetOnAString (07:32 PM): Und was soll mir das bringen? L'objet Dégoûtant (07:32 PM): Vielleicht hätte es etwas gebracht, wenn du es früher gemacht hättest? PuppetOnAString (07:32 PM): Das denke ich nicht... L'objet Dégoûtant (07:32 PM): Warum nicht? PuppetOnAString (07:33 PM): Weil er mir schon früh genug gesagt hat, was Sache ist... ganz einfach! L'objet Dégoûtant (07:33 PM): Na, das ist was anderes... L'objet Dégoûtant (07:33 PM): Was hat er denn gesagt? PuppetOnAString (07:34 PM): Dass es eben nichts bringt… Warum gab ich ihm eigentlich Ratschläge? Warum sagte ich ihm meine Meinung darüber? Es brachte erstens eh nichts und zweitens hatte ich gar nicht das Recht dazu, weil ich es nie anders gemacht hatte, als er. Ich hatte auch nie über Gefühle gesprochen, wobei diese dann doch meist immer freundschaftlich waren, nichts mit Liebe oder dergleichen. In einer gewissen Weise Liebe, jedoch nur zu meinen Eltern und über die hatte ich ja nun nicht mehr sehr viel zu erzählen… L'objet Dégoûtant (07:34 PM): Ich finde, zu dir würde er viel besser passen, als zu Ni~ya... PuppetOnAString (07:34 PM): Danke... L'objet Dégoûtant (07:34 PM): Gomen, ich wollte jetzt nicht irgendwie danebenhauen... PuppetOnAString (07:35 PM): Schon okay... L'objet Dégoûtant (07:35 PM): Hm... Also weiß er, dass du was von ihm willst? PuppetOnAString (07:36 PM): Nein. L'objet Dégoûtant (07:37 PM): Dann ist er aber ganz schön blind! PuppetOnAString (07:37 PM): Vor Liebe... ja… L'objet Dégoûtant (07:38 PM): Irgendwie kam es mir nur so vor, als würde Sakito Show machen... L'objet Dégoûtant (07:38 PM): Mit Ni~ya mein ich. PuppetOnAString (07:38 PM): Das glaub ich nicht... die lieben sich... L'objet Dégoûtant (07:39 PM): Meinst du? PuppetOnAString (07:39 PM): Ich weiß es! L'objet Dégoûtant (07:39 PM): Warum bist du dir denn da so sicher? L'objet Dégoûtant (07:39 PM): Ich kenne viele, die diese 'Liebe' nur vortäuschen... Na ja, eigentlich nicht, aber er musste ja nicht wissen, dass diese angeblichen Bekanntschaften nur aus dem Fernsehen stammten...! PuppetOnAString (07:40 PM): Und ich kenne Sakito... er hat Ni~ya erst nach drei Monaten rangelassen... Wie konnten sich Menschen nur so lange binden? Seit ich mich mit Aoi und Ruki zerstritten hatte, hatte ich Angst davor, mich an irgendjemanden zu binden. Ich konnte einfach nicht und doch wollte ich es so gern. Aber vier Monate beeindruckten mich schon sehr, immerhin waren sie doch auch nur ein Paar von vielen… L'objet Dégoûtant (07:40 PM): So lange sind sie schon zusammen? L'objet Dégoûtant (07:40 PM): Ich empfinde zwei Wochen schon als lang... PuppetOnAString (07:41 PM): Tja... Saki normalerweise auch... aber zusammen sind sie schon seit... 6 oder 7 Monaten. L'objet Dégoûtant (07:42 PM): Und dann turteln sie immer noch wie frisch verliebte rum? PuppetOnAString (07:42 PM): Würde ich auch machen... L'objet Dégoûtant (07:42 PM): Sicher würdest du das, wenn du Sakito wirklich liebst... L'objet Dégoûtant (07:42 PM): Aber ich kann gar nicht an sowas wie 'Liebe' glauben... Nein, das konnte ich nicht mehr. Schon seit meine Mutter mich einmal mit der Bierflasche geschlagen hatte, als mein Vater noch da gewesen war, hatte ich den Glauben an ihre Liebe zu mir auf eine gewisse Weise verloren. Nie hatte man mich geschlagen und doch hatte sie es getan. Heute schlug man mich mit einfachen Worten und Blicken. Sowas tat man doch nicht, wenn man liebte, oder…? PuppetOnAString (07:42 PM): Du auch nicht? L'objet Dégoûtant (07:43 PM): Ich weiß nicht so genau... PuppetOnAString (07:43 PM): Sicher? Bei mir ist es schon... etwas anders… L'objet Dégoûtant (07:43 PM): Wie, 'anders'? PuppetOnAString (07:43 PM): Abhängigkeit? Was meinte er denn mit Abhängigkeit? Etwa, dass er so stark an Sakito gebunden war, dass er nicht mehr loslassen konnte? Nicht mehr wollte? Er war anscheinend so viel mehr als ein Freund für ihn und obwohl Sakito ihn so sehr verletzte, waren sie Freunde. Einfach, weil Saga ihn nicht verlieren wollte – als Freund und nicht viel mehr. L'objet Dégoûtant (07:44 PM): Ich glaube, das werde ich auch gerade... L'objet Dégoûtant (07:45 PM): Aber reden wir nicht darüber! PuppetOnAString (07:45 PM): Warum nicht? Wenn es nicht krankhaft wird...? L'objet Dégoûtant (07:45 PM): Ist es bei dir denn krankhaft? L'objet Dégoûtant (07:45 PM): Hoffentlich nicht... PuppetOnAString (07:45 PM): Wird dir nicht passieren. L'objet Dégoûtant (07:46 PM): Meinst du? PuppetOnAString (07:46 PM): Joa… L'objet Dégoûtant (07:46 PM): Ist es dir denn passiert? PuppetOnAString (07:48 PM): Hast du doch am Sonntag selbst gesehen! L'objet Dégoûtant (07:48 PM): Oh... PuppetOnAString (07:48 PM): ... Warum schrieb er denn nun diese Punkte? Nervte ich ihn nun doch zu sehr mit meinen Fragen und versuchten Hilfestellungen? Hoffentlich nicht, dachte ich, denn sonst würde ich nur wieder frühzeitig einem neu gewonnenen Freund ein schlechtes Bild von mir verpassen… L'objet Dégoûtant (07:49 PM): Ich hoffe, ich geh dir nicht allzu sehr auf die Nerven? PuppetOnAString (07:50 PM): Nein, schon okay... bist wenigstens mal einer... der mit mir redet... L'objet Dégoûtant (07:50 PM): Sonst denn niemand? PuppetOnAString (07:51 PM): Wen interessiert das schon? L'objet Dégoûtant (07:52 PM): Ich find's scheiße, wenn's dir scheiße geht... PuppetOnAString (07:52 PM): Bist du der erste! L'objet Dégoûtant (07:52 PM): Glaub ich nicht! L'objet Dégoûtant (07:52 PM): Ich meine, Sakito muss doch was merken! PuppetOnAString (07:52 PM): Tut er nicht… L'objet Dégoûtant (07:54 PM): Hm... Dass Saga wirklich niemand zuhörte, machte mich schon ziemlich stutzig. Aber ich hatte es ja am Sonntag bei Reita gesehen, der hatte einfach ignoriert, dass es Saga schlecht gegangen war… L'objet Dégoûtant (07:54 PM): Gomen, ich war noch nie in so einer Situation... PuppetOnAString (07:54 PM): Wer will da schon rein? L'objet Dégoûtant (07:54 PM): Hey, lass dich nicht so hängen... L'objet Dégoûtant (07:54 PM): Es wird wen anderes geben, Sakito ist das eigentlich gar nicht wert...! PuppetOnAString (07:55 PM): Tja... man kann eben nicht alles haben... L'objet Dégoûtant (07:55 PM): Nein... PuppetOnAString (07:55 PM): Eben. Und somit schien das Thema wohl beendet zu sein. Ich wollte nun auch nicht noch näher darauf eingehen, denn sonst ging ich ihm wohl wirklich damit auf die Nerven und ich wollte ihn auch nicht noch weiter verletzen, denn Sakito schien bei ihm ja ein recht heikles Thema zu sein. Er tat mir wirklich Leid, dass er sein Glück nicht einfach finden konnte. Und dabei wirkte er doch eigentlich wie ein recht fröhlicher Mensch, unbeschwert und der gern Spaß hatte. Doch so viel Spaß schien er ja gar nicht zu haben. Ich wollte nicht noch mehr Fragen stellen, die mit ihm zu tun hatten. Vielmehr brauchte ich andere Antworten… L'objet Dégoûtant (07:56 PM): Sag mal... L'objet Dégoûtant (07:56 PM): Macht Reita das eigentlich öfter? PuppetOnAString (07:56 PM): Was? L'objet Dégoûtant (07:56 PM): Jungs küssen... L'objet Dégoûtant (07:56 PM): Einfach so... PuppetOnAString (07:57 PM): Wo? Wen? Wann hat er einen Kerl geküsst? L'objet Dégoûtant (07:57 PM): Uhm, am Sonntag... PuppetOnAString (07:57 PM): Echt??? L'objet Dégoûtant (07:57 PM): Hai... PuppetOnAString (07:58 PM): Morgen geht die Welt unter... Wenn Reita schon Kerle küsst... Was sollte denn das nun heißen? Warum sagte er mir sowas? Also verarschte Reita mich doch? Wollte er mich nur ärgern? Oder steckte da vielleicht doch etwas anderes hinter? Wenn er doch sonst keine Jungs küsste… wieso dann mich? Ich verstand nicht recht. L'objet Dégoûtant (07:58 PM): Das heißt, er macht das sonst nicht? PuppetOnAString (07:58 PM) : Reita schlägt eigentlich so ziemlich jeden Kerl zusammen, der ihm zu nahe kommt... dachte ich zumindest… außer so n paar Ausnahmen jetzt... L'objet Dégoûtant (07:59 PM): Komisch... PuppetOnAString (07:59 PM): Scheint dich eben zu mögen, der Gute! Aber ich hatte mich doch mit keinem einzigen Wort erwähnt! Wieso vermutete er denn sofort, dass ich es war, den Reita geküsst hatte? War es denn so offensichtlich, wie ich schrieb? Dabei hatte ich doch extra weggelassen, wen genau er geküsst hatte! L'objet Dégoûtant (07:59 PM): Wie kommst du denn auf mich...? PuppetOnAString (08:00 PM): Weil du bei der Scheunenfete auf seinem Schoß gesessen hast... weil er anscheinend dich am Sonntag bei sich hatte... keine Ahnung, wie ich drauf komme... aber ich hab da vielleicht auch nen Sinn für... L'objet Dégoûtant (08:01 PM): Na ja... L'objet Dégoûtant (08:01 PM): Vielleicht verarscht er mich auch nur? PuppetOnAString (08:01 PM): Denke ich bei Reita nicht...! L'objet Dégoûtant (08:02 PM): Warum denn nicht? Er ist verdammt süß und könnte eigentlich jede(n) haben... und er hat gesagt, er sei ein Aufreißer... Das stimmte, ich fand Reita wirklich sowas wie ‚süß’. Aber war ich denn noch normal? Ich hatte noch nie jemanden süß gefunden und da war es dann ausgerechnet ein Junge wie Reita…? PuppetOnAString (08:03 PM): Eigentlich macht er das selten. Er ist kein Aufreißer, er lässt sich nur zu schnell zum Ficken überreden... L'objet Dégoûtant (08:05 PM): Soll ich ernst nehmen, dass er mich bei sich zuhause noch mal geküsst hat und mich die ganze Nacht nicht losgelassen hat? Und dass er mir eines seiner Shirts geschenkt hat? PuppetOnAString (08:06 PM): Du hast bei ihm gepennt? Er hat dich geküsst...? Zum zweiten Mal? Welches Shirt hat er dir geschenkt? L'objet Dégoûtant (08:07 PM): Ja, ich hab zweimal bei ihm gepennt... und ja, er hat mich auch zum zweiten Mal geküsst... Und er hat mir ein schwarzes Oberteil mit so Kreuzanhängern geschenkt... weil er meinte, es stünde mir viel besser... PuppetOnAString (08:07 PM): Er hat dir das Oberteil mit den Kreuzen geschenkt... PuppetOnAString (08:07 PM): Alles klar... das muss ich erst mal verdauen... Was hatte er denn? Wieso schrieb er auf einmal so seltsame Dinge? Hatte ich irgendwas falsch gemacht…? L'objet Dégoûtant (08:07 PM): Warum? Wieso? Ist das schlimm??? PuppetOnAString (08:08 PM): Ähm... sagen wir mal so... Reita hat nie jemanden bei sich schlafen lassen...! PuppetOnAString (08:09 PM): Zudem kommt noch, dass er jeden, der an seine Sachen und vor allem seinen Schmuck gegangen ist, so ziemlich zur Sau gemacht hat... und die Anhänger an dem Oberteil trägt er normalerweise als Schmuck, weil man die abmachen kann! L'objet Dégoûtant (08:09 PM): Ernsthaft? PuppetOnAString (08:10 PM): Ja...! L'objet Dégoûtant (08:10 PM): Es hat noch nie jemand bei ihm gepennt? L'objet Dégoûtant (08:10 PM): Außer mir? PuppetOnAString (08:10 PM): Nicht, dass ich wüsste... nach durchgesoffenen Nächten sind wir eigentlich immer zu Dai oder er hat uns nach Hause gebracht... aber… nein... nicht, dass ich was davon wüsste, dass mal jemand bei ihm gepennt hat! L'objet Dégoûtant (08:11 PM): Gut, dann... bin ich verwirrt... Das war ich wirklich! Warum ließ Reita mich – ausgerechnet mich – bei ihm schlafen? War ich denn besonderer als seine anderen Freunde? Wollte er mir damit Angst machen? Mich verwirren? Irgendwas erreichen, was gut für ihn und schlecht für mich war? PuppetOnAString (08:12 PM): Warum? L'objet Dégoûtant (08:12 PM): Wieso lässt er mich dann all die Dinge machen und wieso küsst er mich? MICH? PuppetOnAString (08:12 PM): Weil er dich mag... ganz einfach! L'objet Dégoûtant (08:13 PM): Hm... L'objet Dégoûtant (08:13 PM): Okay... L'objet Dégoûtant (08:17 PM): Meinst du, Reita macht das mit Absicht? PuppetOnAString (08:17 PM): Was soll er mit Absicht machen? L'objet Dégoûtant (08:18 PM): Na ja, mich so zu verunsichern... L'objet Dégoûtant (08:18 PM): Ich meine... L'objet Dégoûtant (08:18 PM): Ich hatte meinen ersten Kuss mit ihm... PuppetOnAString (08:18 PM): Wirklich? PuppetOnAString (08:18 PM): Wow! Glückwunsch...! L'objet Dégoûtant (08:19 PM): Und ich weiß nicht, ob er das alles ernst meint und so... Und wenn er das nicht ernst meinte, dann würde er mir damit wehtun? Ich war mir nicht ganz sicher, dazu würde er mich wohl verletzen müssen. Dann würde ich sagen können, ob es mehr wehtat, als wenn Freunde es machten. Aber war ich denn wirklich verliebt? PuppetOnAString (08:19 PM): Denke nicht, dass er dich dadurch verunsichern will... L'objet Dégoûtant (08:20 PM): Na ja, ich... uhm... hab eigentlich keine Ahnung, was Sache ist... PuppetOnAString (08:20 PM): Fragst du ihn nie danach? L'objet Dégoûtant (08:20 PM): Nein! Ich trau mich nicht... Nachher lacht er mich aus oder sowas... Wie alle anderen es ja auch taten, wenn ich über meine Gefühle sprach. Wenn ich mich recht erinnerte, dann hatte Ruki ja gesagt, dass es keine Probleme waren, wenn meine Eltern sich trennten. Und das hatte doch auch mit Gefühlen zu tun, oder nicht? PuppetOnAString (08:21 PM): Er würde nicht lachen! L'objet Dégoûtant (08:21 PM): Und da bist du dir so sicher? L'objet Dégoûtant (08:21 PM): Er verarscht doch gern Leute... PuppetOnAString (08:21 PM): Ja, aber das hat er noch bei keinem gemacht... Er befummelt niemanden von sich aus ohne, dass was dahinter steckt...! PuppetOnAString (08:21 PM): Er weiß, wo die Grenze zwischen Spaß und Ernst ist. L'objet Dégoûtant (08:22 PM): Und du meinst, dass... das ernst ist? PuppetOnAString (08:22 PM): Ich denke schon... so wie ich ihn kenne… L'objet Dégoûtant (08:23 PM): Weil... ich glaube, dass es von meiner Seite aus ernst ist... Ja, ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich es als etwas Ernstes empfand. Ich wollte nicht, dass Reita sich im Nachhinein nur über mich lustig machte, denn ich wusste, dass er mir damit sehr wehtun würde. Er war der erste Mensch, der mich geküsst und mir dieses besondere Gefühl von Geborgenheit gegeben hatte und das wollte ich nicht mehr länger vermissen. L'objet Dégoûtant (08:23 PM): Aber sag ihm das bloß nicht oder so! L'objet Dégoûtant (08:23 PM): Keinem! PuppetOnAString (08:23 PM): Beruhig dich... ich sag’s schon niemandem... PuppetOnAString (08:23 PM): Glückwunsch! L'objet Dégoûtant (08:24 PM): Wofür? PuppetOnAString (08:25 PM): Dafür, dass deine Schwarm dich beachtet… Und schon wieder hatte ich das falsche Thema angeschnitten. Konnte ich eigentlich gar nichts richtig machen? Nun dachte Saga sicherlich wieder über Sakito nach und dass dieser ihn kaum beachtete, zumindest nicht, was Sagas Gefühle für ihn angingen. L'objet Dégoûtant (08:27 PM): Sorry... L'objet Dégoûtant (08:27 PM): Ich sollte nicht über sowas reden... L'objet Dégoûtant (08:27 PM): Aber weißt du, in der Sache hat mir einfach der Bezugspartner gefehlt... Reita konnte ich schlecht nehmen... L'objet Dégoûtant (08:27 PM): Aber ich kann dich auch damit in Ruhe lassen...! L'objet Dégoûtant (08:28 PM): Wenn dir das lieber ist, mein ich... PuppetOnAString (08:28 PM): Schon okay... ich freu mich, dass du mit mir redest! L'objet Dégoûtant (08:29 PM): Na ja, ich... kann dir nur nicht wirklich helfen, weißt du? Ich kann nicht machen, dass Sakito dich auch liebt... PuppetOnAString (08:30 PM): Ich weiß… PuppetOnAString (08:30 PM): Da kann halt niemand was machen... PuppetOnAString (08:30 PM): Muss damit klar kommen... L'objet Dégoûtant (08:31 PM): Aber vielleicht kann ich dich ja n bisschen aufheitern, wenn's dir scheiße geht... PuppetOnAString (08:31 PM): Klar… danke… Das kam nun schon wieder so rüber, als würde er das gar nicht richtig ernst nehmen. Es wunderte mich, dass er überhaupt noch mit mir schrieb, wo ich ihm doch so sehr auf die Nerven zu gehen schien. Oder kam es mir dann doch einfach nur so vor? Ich wusste es nicht genau, aber wenn er keine Lust mehr auf mich hatte, dann würde er das ja schon irgendwie zeigen. L'objet Dégoûtant (08:32 PM): Wie gesagt, ich kann's versuchen... Und nun wollte ich endlich einen richtigen Themenwechsel, denn irgendwie waren wir ja schon wieder auf Sakito zurückgekommen. Und nun wollte ich einfach mal auf etwas anderes ansprechen, damit ich nicht ihn und auch nicht mich runter zog. L'objet Dégoûtant (08:33 PM): Sag mal, wer war eigentlich der Typ, mit dem du dich Samstag unterhalten hast? L'objet Dégoûtant (08:33 PM): Der schien ja sehr nett gewesen zu sein... PuppetOnAString (08:34 PM): Der, der deinen Platz in Beschlag genommen hat? L'objet Dégoûtant (08:36 PM): Hai! L'objet Dégoûtant (08:36 PM): Ich sollte mich bei ihm bedanken... L'objet Dégoûtant (08:36 PM): Wer war er denn? PuppetOnAString (08:36 PM): Das war Tora! PuppetOnAString (08:36 PM): Ich wusste eigentlich nicht, dass er auch kommen wollte… PuppetOnAString (08:36 PM): Ich dachte, er hätte keine Zeit… L'objet Dégoûtant (08:37 PM): Woher kennt ihr euch denn? PuppetOnAString (08:38 PM): Von Dai! PuppetOnAString (08:38 PM): Er war mal bei ner Party... glaube, er hat seine Freunde begleitet... und da hab ich ihn kennen gelernt! L'objet Dégoûtant (08:38 PM): Und kennt ihr euch schon lang? PuppetOnAString (08:39 PM): Uhm... wenn ich so darüber nachdenke... so... knapp ein halbes Jahr... wenn’s hochkommt! L'objet Dégoûtant (08:39 PM): Na ja, ich hab nicht sehr viel mitbekommen, aber was ich mitbekommen habe, fand ich sehr sympathisch. PuppetOnAString (08:40 PM): Ja. Ist schon cool und so... L'objet Dégoûtant (08:40 PM): Passt viel besser zu dir ;-) PuppetOnAString (08:40 PM): Soweit ich weiß hat er ne Freundin! L'objet Dégoûtant (08:42 PM): Ach so, verständlich, er sieht ja auch gut aus! PuppetOnAString (08:42 PM): Ja, das tut er! PuppetOnAString (08:42 PM): Wenigstens groß! L'objet Dégoûtant (08:42 PM): Größer, als du, oder? PuppetOnAString (08:43 PM): Ja, er ist knapp über die 1.80m! L'objet Dégoûtant (08:43 PM): Wow, recht groß geraten... Wie gut, dass ich ihn so schnell von dem Thema wegbekommen hatte. Langsam schien er wieder etwas bessere Laune zu bekommen, Tora schien auch jemand zu sein, der ihm bessere Laune bereiten konnte. Soweit ich mich erinnerte, hatte er den ganzen Samstagabend gute Laune gehabt und soweit auch die ganze Zeit über gelacht. Doch als wir dann alleine gewesen waren und unter uns, da hatte er sich plötzlich ein bisschen abgekapselt, das hatte ich schon irgendwie noch registriert. Nur fiel es mir erst jetzt wieder ein. Dann würde ich mal weiter bohren und versuchen, ihn abzulenken. L'objet Dégoûtant (08:43 PM): Aber find ich gut. L'objet Dégoûtant (08:43 PM): Sag mal... L'objet Dégoûtant (08:43 PM): Hast du die Woche irgendwas großartig vor? PuppetOnAString (08:44 PM): Hm, nicht, dass ich wüsste… L'objet Dégoûtant (08:44 PM): Wir könnten doch Sakito fragen, ob er was mit uns machen will... Zwar war ich jetzt schon wieder bei diesem Thema, doch vielleicht war es ja gar nicht so schlecht, wenn wir mal was unternahmen? Immerhin wollte ich meine neuen ‚Freunde’ auch mal besser kennen lernen und von Sakito wusste ich noch nicht allzu viel. Obwohl ich ja schon eine Voreingenommenheit hatte. L'objet Dégoûtant (08:45 PM): Hast du ne Idee? PuppetOnAString (08:46 PM): Hm, wenn du Sakito von Ni~ya losbekommen willst, musst du ihn fragen, ob er shoppen gehen will... Ni~ya hasst shoppen und Saki liebt es. L'objet Dégoûtant (08:46 PM): Dann komm doch mit! L'objet Dégoûtant (08:46 PM): Ich könnte neue Sachen gebrauchen... PuppetOnAString (08:46 PM): Hm... Ich weiß nicht... L'objet Dégoûtant (08:47 PM): Außerdem mag ich deinen Style und du könntest mich beraten... PuppetOnAString (08:47 PM): Da ist nichts Besonderes dran... aber wenn du willst... klar... warum nicht...! L'objet Dégoûtant (08:47 PM): Fein, und wann? L'objet Dégoûtant (08:47 PM): Hast du Mittwoch Zeit? PuppetOnAString (08:47 PM): Ich hab immer Zeit! L'objet Dégoûtant (08:48 PM): Gut, dann Mittwoch. PuppetOnAString (08:48 PM): Ja, okay. Dann hatte ich das ja geschafft! Nun konnte ich nur noch hoffen, dass er nicht vorher noch mal absagte, so, wie ich es früher bei Aoi und Ruki immer getan hatte. Allmählich begann ich zu verstehen, wieso diese sich dauernd darüber aufgeregt hatten, denn ich freute mich darauf, am Mittwoch mit Saga und vielleicht auch Sakito shoppen zu gehen. Ich wollte sie kennen lernen, wollte wissen, wie sie in ihrer Freizeit drauf waren und was sie für Interessen hatten. Das machte man doch so, wenn man Freunde kennen lernte, oder? L'objet Dégoûtant (08:48 PM): Warst du heute in der Schule? PuppetOnAString (08:48 PM): Ja, war ich. L'objet Dégoûtant (08:49 PM): In deinem Zustand von gestern? PuppetOnAString (08:49 PM): Was ist schon dabei? PuppetOnAString (08:50 PM): Ich war in den Pausen auf Klo und im Unterricht achtet niemand auf mich, ob ich jetzt blau oder grün im Gesicht bin… L'objet Dégoûtant (08:50 PM): Bist du nicht bei Reita in der Klasse? PuppetOnAString (08:51 PM): Ich hab nur Kunst mit ihm... PuppetOnAString (08:51 PM): Ansonsten bin ich in der Parallel. L'objet Dégoûtant (08:51 PM): Ach so... L'objet Dégoûtant (08:51 PM): Na ja, Reita war heute eh nicht in der Schule... L'objet Dégoûtant (08:52 PM): Ich auch nicht... PuppetOnAString (08:52 PM): Warum? Verschrieben! Ich hatte mich nicht verplappert, sondern verschrieben! Eine Ausrede musste her…! L'objet Dégoûtant (08:52 PM): Keine Lust... PuppetOnAString (08:52 PM): Ach was… Und was noch? L'objet Dégoûtant (08:53 PM): Wieso fragst du? Hatte eben keine Lust... PuppetOnAString (08:53 PM): Warum pennst du eigentlich von Sonntag auf Montag bei Reita? Ich meine... ne... L'objet Dégoûtant (08:54 PM): Uhm... keine Ahnung, ich wollte nicht zuhause bleiben...? PuppetOnAString (08:54 PM): Uruha... sag schon...! Wunderbar, eigentlich hatte ich niemandem erzählen wollen, was vorgefallen war. Dass ich es Reita erzählt hatte, das hatte ja schon gereicht, doch nun wusste Saga es auch noch und das war meines Erachtens eigentlich ziemlich scheiße. Nachher wusste es noch mein ganzer ‚Freundeskreis’ und man lachte mich aus…! L'objet Dégoûtant (08:55 PM): Weil meine Mutter mich rausgeschmissen hat! L'objet Dégoûtant (08:55 PM): Deshalb! L'objet Dégoûtant (08:55 PM): ... L'objet Dégoûtant (08:55 PM): Und das vor Reitas Augen, das war so peinlich... PuppetOnAString (08:56 PM): Dann sei mal froh, dass Reita da war! Wieso sollte ich denn froh sein? Er hatte gesehen, wie meine Mutter mich vor den Augen der ganzen Nachbarschaft blamiert und wie sie sich selbst auch zum Affen gemacht hatte. Nun wusste sicher die ganze Nachbarschaft, was für ein seltsames Pack von Familienrest in diesem schäbigen Häuschen lebte und niemand wollte mehr was mit so einer Frau wie ihr zutun haben. Und sicherlich wollte auch niemand mit deren Sohn zutun haben, der von ihr geschlagen wurde und nicht mal imstande war, sich irgendwie zur Wehr zu setzen! L'objet Dégoûtant (08:56 PM): Nein, war ja nachher nicht nur Reita da... L'objet Dégoûtant (08:56 PM): Auch die Nachbarn, der Nachbarshund... PuppetOnAString (08:58 PM): Na und? Deine Mutter hat sich doch blamiert! PuppetOnAString (08:58 PM): Und nicht du! PuppetOnAString (08:58 PM): Da kannst du doch nichts für! L'objet Dégoûtant (08:58 PM): Es war einfach peinlich, sonst nichts! PuppetOnAString (08:58 PM): Das kann ich ja auch nachvollziehen… L'objet Dégoûtant (08:59 PM): Na ja, egal... L'objet Dégoûtant (08:59 PM): Jetzt weiß er ja, wie sie drauf ist und du auch... L'objet Dégoûtant (08:59 PM): Wundert euch also nicht, wenn ich in naher Zukunft mal bei euch vor der Tür stehe oder so... Wieso ich das nun schrieb, wusste ich eigentlich selbst nicht so genau, aber da Saga und Reita es ja jetzt beide wussten, konnte ich eh nichts mehr vor ihnen über meine Mutter geheim halten. Dann brauchte ich einfach jemanden zum Reden und wenn sie eingeweiht waren, wussten sie ja auch, um was es ging. Aber ob ich ihnen das alles auch erzählen konnte, ohne, dass sie sich genervt von mir fühlten? PuppetOnAString (08:59 PM): Du kannst immer zu mir kommen. PuppetOnAString (08:59 PM): Bei mir ist immer n Bett für dich frei! Gut, über diese Antwort konnte man nun streiten. Aber immerhin hatte er nicht gesagt, dass er das alles nicht hören wollte. Und überhaupt musste ich ja nicht immer reden, wenn ich einfach nur von zuhause weg wollte oder mal wieder rausgeschmissen wurde. Also konnte ich ja auch einfach nur zu ihm und dort übernachten? PuppetOnAString (09:00 PM): Hat Saki auch öfter mal gemacht… L'objet Dégoûtant (09:00 PM): Echt?! PuppetOnAString (09:00 PM): Ja… L'objet Dégoûtant (09:00 PM): Na, dann scheint er ja großes Vertrauen in dich zu haben… PuppetOnAString (09:01 PM): Wie meinst du das? L'objet Dégoûtant (09:01 PM): Wenn er bei dir geschlafen hat, mein ich... L'objet Dégoûtant (09:01 PM): Also, ich meine bei und nicht mit dir… PuppetOnAString (09:01 PM): Meinst du, ich würde mit ihm schlafen, wenn er doch vergeben ist? L'objet Dégoûtant (09:02 PM): Nein, eigentlich nicht, das wäre unfair ihm gegenüber. PuppetOnAString (09:03 PM): Richtig. PuppetOnAString (09:04 PM): Er hat die Nähe eines Freundes gesucht und keinen Sex. L'objet Dégoûtant (09:04 PM): Er kommt mir nur so vor... L'objet Dégoûtant (09:04 PM): Ich kann mich auch täuschen! PuppetOnAString (09:06 PM): Kann sein... aber eigentlich... sucht er nur jemanden, der ihn so akzeptiert, wie er ist… PuppetOnAString (09:07 PM): Und Ni~ya liebt ihn auch... immerhin... L'objet Dégoûtant (09:08 PM): Mh, daran zweifle ich auch gar nicht... PuppetOnAString (09:08 PM): Nein... ich auch nicht mehr... L'objet Dégoûtant (09:09 PM): Bei Ni~ya ist wohl nichts mehr zu machen... aber bei Saki vielleicht? PuppetOnAString (09:09 PM): Was soll da gemacht werden? L'objet Dégoûtant (09:09 PM): Er kommt mir nich gerade so rüber, als wäre es ihm wichtig, wer mit ihm ins Bett hüpft... L'objet Dégoûtant (09:09 PM): Aber na ja... Ich wollte lernen, endlich mal meine Meinung zu sagen und bisher hatte sich diese bei Sakito noch nicht sonderlich geändert, wie ich feststellte. Aber das lag dann wohl daran, dass ich ihn noch nicht richtig kannte und wahrscheinlich nur ein so schlechtes Bild von ihm hatte, weil er mit Ni~ya auf der Fete so eine Show abgezogen hatte… L'objet Dégoûtant (09:10 PM): Aber wenn er deine Nähe als Freund sucht, ist das doch gar nicht so schlecht, oder? PuppetOnAString (09:11 PM): Hm... Es war ihm eigentlich auch nie wichtig... er hat jede und jeden betrogen... bis auf Ni~ya. L'objet Dégoûtant (09:12 PM): Sicher? PuppetOnAString (09:13 PM): Uruha... er hat mir das doch alles erzählt… L'objet Dégoûtant (09:15 PM): Na, dann ist ja in Ordnung. PuppetOnAString (09:15 PM): Er ist zwar komisch, aber nicht mehr so sehr, wie früher… L'objet Dégoûtant (09:16 PM): Er ist komisch, ja! Ich find ihn zumindest noch immer komisch... L'objet Dégoûtant (09:17 PM): So n bisschen falsch... PuppetOnAString (09:17 PM): Er ist ne Schlampe gewesen! Was meinte er denn damit? Etwa, dass Sakito mal mit Sex sein Geld verdient hatte? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen. Danach sah er dann nun auch wieder nicht aus. Einfach nur jemand, der seine Partner gern mal verarschte und hinterging, der mit jedem ins Bett ging, der ihm schöne Augen machte und der einfach nur verlogen war. Ein Miststück eben. Aber ich hatte oft falsche Eindrücke, wieso dann nicht auch diesmal? L'objet Dégoûtant (09:17 PM): Nani? PuppetOnAString (09:17 PM): Sakito war früher ne Schlampe! PuppetOnAString (09:17 PM): Ihm war es egal, wer mit ihm schläft. Ich war der einzige, mit dem er nicht schlafen wollte, weil er seinen besten Freund nicht verlieren wollte... L'objet Dégoûtant (09:18 PM): Ich sag jetzt mal nichts dazu... L'objet Dégoûtant (09:18 PM): Dann war meine Vermutung ja doch richtig! PuppetOnAString (09:18 PM): Ja... PuppetOnAString (09:18 PM): Aber… PuppetOnAString (09:18 PM): Er hat sich eben verändert… L'objet Dégoûtant (09:18 PM): Glaub ich ihm nicht... Ich konnte nicht so recht glauben, dass Menschen sich veränderten, wenn sich eine Eigenschaft über eine so lange Zeit erstreckt hatte. Oder wenn sie etwas getan hatten, was für sie Folgen hatte. Zum Beispiel das Rauchen. Oder eben das, was Sakito da getan hatte. Sicherlich hatte er noch immer Spaß daran, zu flirten, denn er hatte ja auch das Aussehen und den Charme dazu, sicherlich auch die ganzen erforderlichen Kenntnisse und… Und… so weiter! PuppetOnAString (09:19 PM): Leider doch... sonst hätte ich ihn schon längst flachgelegt… L'objet Dégoûtant (09:19 PM): Mh, dann... L'objet Dégoûtant (09:19 PM): Dann hast du sowas aber eigentlich nicht verdient. L'objet Dégoûtant (09:19 PM): Ich meine... L'objet Dégoûtant (09:20 PM): Wenn es ihm egal war, mit wem er ins Bett gesprungen ist, dann hättest du es ja auch versuchen können und dadurch hätte er dich nur noch mehr verletzt... L'objet Dégoûtant (09:20 PM): Das find ich etwas scheiße und ich finde, sowas hast du erst recht nicht verdient! L'objet Dégoûtant (09:21 PM): Solche Menschen ändern sich nicht... L'objet Dégoûtant (09:21 PM): Egal, um was es geht! PuppetOnAString (09:21 PM): Sehen wir’s mal von der anderen Seite... PuppetOnAString (09:22 PM): Er ist ein Mensch, der einsam und alleine ist. PuppetOnAString (09:22 PM): Da liegt es nahe, dass er Nähe sucht… PuppetOnAString (09:22 PM): Nur ist die Suche bei ihm falsch gelaufen… PuppetOnAString (09:22 PM): Menschen verändern sich schon dadurch, dass sie Halt haben. PuppetOnAString (09:22 PM): Sakito hat Ni~ya. PuppetOnAString (09:22 PM): Ich weiß nicht, was sein wird, wenn Ni~ya und er mal auseinander sind… vielleicht geht er dann wieder rumhuren... PuppetOnAString (09:23 PM): Aber Sakito ist glücklich im Moment... PuppetOnAString (09:23 PM): Das sehe ich ihm schon an… PuppetOnAString (09:23 PM): Verdient es, geliebt zu werden... Man konnte ja mit Saga richtig gut reden! Wenigstens gab er nicht einfach nur solche abgehackten Antworten wie Aoi es immer getan hatte. Er ging auch mal auf meine Themen ein und reagierte auf sie. Vielleicht konnte ich ja doch ab und an mal mit ihm reden? Also über die Dinge, über die ich mit Reita nicht reden konnte, weil es dabei schlicht und einfach um Reita ging…? L'objet Dégoûtant (09:24 PM): Ich... also, du hast schon irgendwie Recht... aber trotzdem hat er nicht das Recht, andere durch sein Verhalten zu verletzen. Ich meine so, wie er es früher gemacht hat! L'objet Dégoûtant (09:24 PM): Du hast ihn nicht flachgelegt, oder? L'objet Dégoûtant (09:24 PM): Wo er Ni~ya noch nicht hatte... PuppetOnAString (09:25 PM): Nein, das hab ich nicht gemacht. PuppetOnAString (09:26 PM): Wenn ich es getan hätte, dann wäre die einzige Person, die er als Freund bezeichnet hat, daran verreckt und er hätte mich verloren, das wusste er... das konnte ich ihm nicht antun. L'objet Dégoûtant (09:26 PM): Wie lange seid ihr denn jetzt befreundet? PuppetOnAString (09:26 PM): Fast 8 Jahre. L'objet Dégoûtant (09:27 PM): Das ist lang... L'objet Dégoûtant (09:27 PM): Aber du meinst, du hast keine Chancen mehr? PuppetOnAString (09:28 PM): Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich diese Chance will... ich meine... er ist so glücklich mit Ni~ya... und... um mein Glück zu finden, muss ich seins zerstören… das will ich nicht. Da war ganz klar was dran und ich konnte mir wirklich nur zu gut vorstellen, was für eine beschissene Situation das für Saga sein musste. Er liebte jemanden, der glücklich war und um sein eigenes zu finden, musste er das Glück desjenigen zerstören. Wenn er nicht bald von Sakito loskam, würde es sicherlich schwierig werden… L'objet Dégoûtant (09:28 PM): Dann ist das ein Teufelskreis... L'objet Dégoûtant (09:28 PM): Und du glaubst nicht, dass du dein Glück auch woanders finden könntest? PuppetOnAString (09:30 PM): Wenn ich suche... vielleicht... L'objet Dégoûtant (09:30 PM): Weil ich finde, dass du sowas auch nicht verdient hast. L'objet Dégoûtant (09:31 PM): Du hast mir Leid getan gestern... L'objet Dégoûtant (09:31 PM): Und ich fand's scheiße dass Reita das einfach so ignoriert hat... PuppetOnAString (09:33 PM): Reita macht es wie alle anderen auch... warum sollte man sich um jemanden kümmern, der eigentlich immer nur im Selbstmitleid badet? L'objet Dégoûtant (09:34 PM): Das find ich aber traurig, denn eigentlich sollte man genau den Leuten helfen... PuppetOnAString (09:35 PM): Tja... scheint aber niemanden zu interessieren... L'objet Dégoûtant (09:36 PM): Mich! PuppetOnAString (09:36 PM): Danke... L'objet Dégoûtant (09:36 PM): Ernsthaft! Er schien wieder nicht wirklich überzeugt von meiner Antwort, doch es stimmte eben. Ich interessierte mich dafür, wie es ihm ging, denn schließlich hatte ich ihn als einen neuen Freund gewonnen und Freundschaften musste man nun mal pflegen. Da wollte ich ihm so gut es eben ging helfen. Ich wollte es nicht so machen wie Ruki, der mir nicht hatte zuhören wollen. Der nicht mit mir hatte reden wollen. Ich wollte es anders machen und nicht noch in ihre Fußstapfen treten. Denn Freunde machten sowas nicht… PuppetOnAString (09:36 PM): Ich weiß, und ich bin froh darüber... L'objet Dégoûtant (09:37 PM): Hör mal, wenn du reden willst oder so, kannst du zu mir kommen, okay? PuppetOnAString (09:37 PM): Ja, danke... wirklich... PuppetOnAString (09:37 PM): Dasselbe gilt für dich! PuppetOnAString (09:37 PM): Merk halt, dass dich die ein oder anderen Sachen beschäftigen. L'objet Dégoûtant (09:38 PM): Ach? Was denn...? PuppetOnAString (09:38 PM): Reita. PuppetOnAString (09:38 PM): Deine Mutter. PuppetOnAString (09:38 PM): Deine Freunde. PuppetOnAString (09:38 PM): Wir. PuppetOnAString (09:38 PM): Alles Dinge, um die du dir mal Gedanken machst. Da hatte er Recht, ich dachte eigentlich jeden Tag über all diese Menschen nach. Und besonders über Reita. Es war bisher nicht ein einziger Tag vergangen, an den ich nicht an ihn gedacht hatte. Oder zumindest unbewusst. Das machte mich irgendwie stutzig. Ich wusste nicht, ob man das, was ich gerade durchmachte, schon als verliebt sein bezeichnen konnte, doch es fühlte sich irgendwie schön an. Dass man jemanden in seinem Umkreis hatte, der einen in den Arm nahm, weil er merkte, dass es einem nicht gut ging. Oder auch, dass ich meinen ersten Kuss mit ihm gehabt hatte, würde ich wohl so schnell nicht mehr vergessen. Deshalb war er einfach etwas Besonderes. L'objet Dégoûtant (09:38 PM): Um Reita eigentlich dauernd... L'objet Dégoûtant (09:38 PM): Weiß auch nicht... L'objet Dégoûtant (09:39 PM): Ist irgendwie anders mit ihm... PuppetOnAString (09:39 PM): Ja... das dachte ich mir. PuppetOnAString (09:39 PM): Du bist verknallt? Er sprach tatsächlich aus, was ich die ganze Zeit schon befürchtet hatte! Doch sicher sein konnte ich mir dabei nicht so recht, denn ich wusste ja immerhin nicht, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein… Und dann auch noch in einen Jungen? L'objet Dégoûtant (09:39 PM): Aber... Reita ist n Junge! L'objet Dégoûtant (09:39 PM): Wenn meine Mutter das rauskriegt... PuppetOnAString (09:39 PM): Na und? Deine Mutter hat da herzlich wenig zu sagen... L'objet Dégoûtant (09:39 PM): Oh, du kennst meine Mutter nicht... PuppetOnAString (09:40 PM): Scheißegal. PuppetOnAString (09:40 PM): Warum solltest du dir Gefühle von deiner Mutter verbieten lassen? L'objet Dégoûtant (09:40 PM): Weil sie über mich bestimmen kann! L'objet Dégoûtant (09:40 PM): Sie hat mich rausgeschmissen! PuppetOnAString (09:41 PM): Gerade deshalb ja...! L'objet Dégoûtant (09:41 PM): Ich weiß nicht... L'objet Dégoûtant (09:41 PM): Meinst du echt, ich bin verknallt? L'objet Dégoûtant (09:41 PM): Ich war noch nie verknallt... PuppetOnAString (09:42 PM): Na ja, du denkst immer an ihn... lässt dich von ihm küssen… Dann war es also doch so? Nur, weil ich mich von ihm küssen ließ? Redete ich dauernd von ihm? Ich dachte oft an ihn, aber reden tat ich eigentlich nur hier mit Saga über ihn, sonst mit niemandem. Sonst hatte ich ja auch nicht wirklich jemanden, mit dem ich das tun konnte. Aoi und Ruki würden mich wohl auslachen, wenn sie das hörten. Aber das brauchte mich ja jetzt nicht mehr zu interessieren. L'objet Dégoûtant (09:42 PM): Hm... L'objet Dégoûtant (09:42 PM): Und er? L'objet Dégoûtant (09:42 PM): Ich weiß nicht, wie er darüber denkt... L'objet Dégoûtant (09:42 PM): Und mit ihm zu reden trau ich mich irgendwie nicht... PuppetOnAString (09:43 PM): Hm, da kann ich dir leider auch nicht helfen... über Gefühle redet er mit mir nie... L'objet Dégoûtant (09:43 PM): Reita? L'objet Dégoûtant (09:43 PM): Mh, hab ich auch nie von ihm erwartet... PuppetOnAString (09:44 PM): Reita ist sehr still... in sich gekehrt... aber ein ehrlicher Mensch, wenn man ihn braucht. PuppetOnAString (09:44 PM): Oder wenn er jemanden mag. L'objet Dégoûtant (09:45 PM): Sonst nicht? PuppetOnAString (09:46 PM): Hm, wie soll man sagen...? Freunde sind ihm wichtig... aber er greift erst ein, wenn es fast zu spät ist... Dann hatte Reita also aus diesem Grund nichts getan, als er Saga am Vorabend so betrunken gesehen hatte? Vielleicht hatte er einfach nur gewusst, dass es schlimmer hätte kommen können und hatte Saga deshalb einfach weitergehen lassen. Er hatte gewusst, dass Saga nichts passieren würde. Und er hatte auch gewusst, dass Saga sich wegen Sakito betrunken hatte und daher wahrscheinlich nichts unternommen – dann hatte Saga sich also schon öfter wegen Sakito betrunken! L'objet Dégoûtant (09:47 PM): Tja, vielleicht will er sich lieber vor Konflikten schützen... L'objet Dégoûtant (09:47 PM): So, wie ich... L'objet Dégoûtant (09:47 PM): Ich mache immer jedem alles recht... L'objet Dégoûtant (09:47 PM): Zumindest hab ich das immer getan... PuppetOnAString (09:48 PM): Reita nicht... er hält sich aus allem raus... wenn man ihn um Hilfe bittet, dann gibt er sie auch meistens... aber sonst… Ich weiß nicht genau, ich kenn ihn nicht, wenn er verknallt ist! Seit ich ihn kenne hatte er keine richtige Beziehung, er hat sich nur immer fürs Ficken überreden lassen und wurde von irgendwelchen Weibern angeschwärmt... L'objet Dégoûtant (09:48 PM): Dann meint er es ernst? PuppetOnAString (09:48 PM): So, wie ich ihn einschätzen würde... ja. Irgendwie machte mich das gerade froh. Sehr froh sogar. Ein Mensch, der mich mal nicht verarschte, der ehrlich zu mir war und der auch mit mir redete, mich beachtete und mir den Halt gab, der mir gefehlt hatte. Sowas hatte ich eigentlich gar nicht verdient. Dass Aoi mir schon oft mit seinen kurzen Ratschlägen geholfen hatte, wollte ich ja auch gar nicht abstreiten, doch wenn ich mal mit ihm über ein bestimmtes Thema reden wollte, blockte er immer ab und ließ mich damit allein. Sowohl mit Aoi, als auch mit Ruki konnte man nicht vernünftig reden, hatte ich das Gefühl. Und dass Reita so anders war, erschien mir zunächst auch ungewohnt. Ich würde mich erst daran gewöhnen müssen, dass jemand für mich da sein würde, wenn ich ihn brauchte. Zumindest hoffte ich doch, dass es von nun an so war. Aber Saga schien ja recht zuversichtlich zu sein und auch er hatte mir schließlich angeboten, dass ich immer zu ihm kommen dürfte, wenn ich ein Problem hatte oder einfach nur weg wollte. L'objet Dégoûtant (09:50 PM): Sorry, aber ich muss dann langsam off... L'objet Dégoûtant (09:50 PM): Sonst komm ich morgen nicht raus. PuppetOnAString (09:50 PM): Tu das... L'objet Dégoûtant (09:50 PM): Bin heut morgen früh wach gewesen... L'objet Dégoûtant (09:50 PM): Man sieht sich dann Mittwoch! PuppetOnAString (09:50 PM): Jo, du kannst mir dann ja sagen, wo und wann. L'objet Dégoûtant (09:50 PM): Treffen wir uns nach der Schule am Park? PuppetOnAString (09:51 PM): Oder so! PuppetOnAString (09:51 PM): Ich werd da sein! L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Dann wirst du Sakito aber fragen. L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Ich seh ihn nicht bis dahin, glaub ich! PuppetOnAString (09:51 PM): Mh, ich ruf ihn gleich an. L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Sehr gut! PuppetOnAString (09:51 PM): Okay... PuppetOnAString (09:51 PM): Dann gute Nacht! L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Dir auch... PuppetOnAString (09:51 PM): Träum schön... von Reita, hehe! L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Ha, ha! PuppetOnAyString (09:51 PM): T'schuldige... hat gepasst! L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Schon okay... PuppetOnAString (09:51 PM): Baibai! L'objet Dégoûtant (09:52 PM): Baibai! Somit färbte sich die kleine Blume neben Sagas Namen rot und er war nun offline. Auch ich würde wohl langsam offline müssen, wenn ich morgen wieder zur Schule gehen wollte. Es war schon verdammt spät und müde war ich leider kein Stück, weil ich den ganzen Nachmittag verpennt hatte. Warum hatte ich auch unbedingt auf einen Wecker verzichten müssen? Wahrscheinlich würde ich morgen in den ersten beiden Stunden erstmal weiterschlafen und würde mich auch danach nicht richtig konzentrieren können. Na wunderbar! So stand ich also auf und ging ins Bad, wo ich mir dann meine Zahnbürste schnappte und mir ordentlich die Zähne putzte, während ich lauschte, ob meine Mutter schon im Bett oder noch wach war. Da ich keinen Fernseher hören konnte, schlussfolgerte ich, dass sie schon schlafen gegangen war und ich bemühte mich um eine möglichst geringe Lautstärke beim Waschen, da ihr Zimmer direkt neben dem Bad lag und sie somit alles doppelt so laut hören konnte, weil die Rohre genau durch die Wand verliefen, die die beiden Zimmer voneinander trennten. Ich stellte meine Zahnbürste wieder an die Seite und machte mich dann zurück in mein Zimmer, wobei ich noch schnell das Licht im oberen Flur ausmachte und dann die Tür hinter mir abschloss, damit niemand in der Nacht mein Zimmer betrat. Auch, wenn eigentlich niemand anders da war, außer meine Mutter. Aber die war schon Grund genug. Gemütlich schmiss ich mich dann wieder auf mein Bett, woraufhin ich mich daran machte, den Laptop auszuschalten, als ich ein kleines, blinkendes Briefzeichen im unteren Bildrand erkennen konnte. Ich öffnete es etwas verwundert und las dann die Nachricht des Absenders, der jedoch schon längst wieder offline gegangen war. SexPistol (10:08 PM): Wünsch dir schöne Träume, kleine Schönheit! Unweigerlich musste ich lächeln und klickte das Fenster dann weg, woraufhin ich mein Chatprogramm schloss und den PC ausschaltete. Und das Lächeln wich mir schon gar nicht mehr aus den Mundwinkeln, allein, weil Reita es gewesen war, der mir das geschrieben hatte. Irgendwie freute es mich ungemein, doch andererseits machte es mir auch ein schlechtes Gewissen, das ich genau dann, als er geschrieben hatte, im Bad gewesen war. Vielleicht hätte ich ihn ja noch erwischt, ging es mir durch den Kopf. Konnte man wohl nicht ändern. So stellte ich den PC nach unten auf den Boden und legte mich hin, stellte den Timer meines Fernsehers schon mal auf zwei Stunden, da ich ja den ganzen Nachmittag schon geschlafen hatte. Und außerdem gingen mir gerade eh zu viele Gedanken durch den Kopf. Alle hatten sie mit Saga und Sakito zu tun, vor allem aber mit Reita und dieser verdammten Nachricht, auf die ich nicht geantwortet hatte! Warum machte mir das nur so ein schlechtes Gewissen? Plötzlich kamen mir wieder diese Bilder in den Kopf, wo er mich geküsst hatte. Als ich an dem Zaun bei ihm gestanden hatte am Park, in seinem Bett und dieser eine Morgen, wo ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht allein in einem Bett aufgewacht war. Sicher, ich hatte auch schon bei Aoi und Ruki geschlafen, doch jedes Mal hatte ich entweder auf dem Boden oder auf einer extra Matratze geschlafen, allein und niemand neben mir. Doch seit Reita neben mir und so dicht an mich geschmiegt geschlafen hatte, wollte ich das nicht länger missen. Ich konnte nur noch hoffen, dass er genauso fühlte, wie ich. Zumindest nach dem, was wir getan hatten. Ich fragte mich, wieso er überhaupt am PC gewesen war. Vielleicht hatte Daisuke ja auch ICQ und Reita hatte an dessen PC gedurft. Konnte ja sein. Aber ich wollte mich auf nichts festlegen und nun einfach versuchen, zu schlafen. Doch bis ich es geschafft haben würde, einzuschlafen, würde sicherlich noch eine lange Zeit vergehen… Eine sehr lange, ohne jemanden neben mir… © ~*~*~*~*~*~ Nach wie vor danke an mein ReiRei, die nun in die Rolle des Saga geschlüpft ist ^^ *kisu* Hab dich ganz doll lüüüp! Kapitel 12: Shopping -------------------- -12- Shopping Sowohl der Dienstag, als auch der heutige Schultag waren eigentlich so ziemlich das langweiligste gewesen, was mir in meinem Leben je passiert war. Die gesamte Zeit über hatte ich nichts anderes getan, als die Stunden abzusitzen und ins Leere zu starren, während ich so tat, als würde ich mir sämtliche Wege zur Berechnung von stochastischen Aufgaben abschreiben. Dabei hatte ich eigentlich nur irgendwelche unsinnigen Bilder gekritzelt. Die Lehrer hatten mich zweimal erwischt, Aoi und Ruki hatten mich jedes Mal seltsam angeschaut und mittlerweile schienen auch alle zu wissen, mit wem ich neuerdings meine Wochenenden verbrachte. Ich fragte mich, was eigentlich daran so besonders oder so furchtbar war, dass ich mit Reita und den anderen abhing? Hatten sie deshalb etwas gegen mich? Gingen sie mir deshalb aus dem Weg? Eigentlich sollte ich mich nicht beschweren, denn Reita war sicherlich hundertmal besser als Aoi und Ruki. Wenigstens interessierte er sich für mich und meine Probleme… Nun war ich endlich auf dem Weg nach Hause und freute mich bereits seit dem Aufstehen auf das bevorstehende Shoppen mit Saga und Sakito. Obwohl ich noch nicht wusste, ob ich mich mit Sakito auch so gut verstand, wie es alle anderen taten, doch das würde sich sicherlich noch ändern. Ob zum positiven oder negativen würde sich dann ja zeigen. Also zog ich mich noch schnell um, kramte dann in meiner Schultasche nach meinem Portemonnaie und schaute gleich nach, ob ich meine Bankkarte auch darin hatte. Dann konnte es ja losgehen! Irgendwie freute ich mich wirklich sehr auf den Nachmittag, da konnte ich wenigstens mal wieder ein bisschen abschalten und ich hatte die Gelegenheit, Saga und auch Sakito ein bisschen besser kennen zu lernen – wenn sie nicht gerade betrunken waren, natürlich. Ich würde sehen, wie sie so in ihrem Alltag drauf waren und ich war auch neugierig, wie sich Saga wohl in Sakitos Nähe verhalten würde. Ob er da anders war, als mit all den anderen zusammen? Als mit Ni~ya zusammen? Irgendwann hatte ich dann auch alle Sachen beisammen und ich machte mich auf den Weg nach unten. Zum Glück war ich noch allein zu Haus, denn meine Mutter hatte sich anscheinend mal wieder aus dem Staub gemacht – wo auch immer sie schon wieder steckte. Ich lief zur Tür heraus, nachdem ich mir noch Schuhe angezogen und meinen Schlüssel eingepackt hatte. Dann lief ich die paar Straßen entlang bis zur Hauptstraße, wo ich rechts schon den Parkeingang sehen konnte. Ich lief ein bisschen schneller, da es ja doch schon recht lang gedauert hatte, bis ich endlich umgezogen gewesen war, erreichte auch kurz darauf den Eingang und fand auch gleich meine zwei Begleiter vor, die mich belustigt musterten. „Von dir herbestellt und gerade du kommst zu spät!“, lachte Saga und zog an seiner aufgerauchten Kippe, ehe er sie achtlos in eine Pfütze warf und aufstand. „T'schuldigung“, keuchte ich, da ich mich doch schon ziemlich beeilt hatte, um nicht noch später zu kommen, „aber irgendwie klang das gerade so, als würdet ihr unglaublich große Lust dazu haben!“, grinste ich über Sagas Wortwahl, woraufhin Sakito jedoch direkt Einspruch erhob. „Willst du mich verarschen? Weißt du, wie lang ich schon nicht mehr shoppen war? Das ist das einzige, wozu man Ni~ya nicht gebrauchen kann und der Rest hat entweder nie Zeit oder keine Lust!“ Nebenbei machten wir uns schon mal auf den Weg richtung Innenstadt, die nur zwei Straßen weiter lag und es gar nicht so lange dauern würde, bis die ersten Geschäfte auftauchten. „Dann trifft sich das ja gut“, stimmte ich Sakito freundlich zu, „meine Mutter würde mich auslachen, wenn ich sie fragen würde, ob wir shoppen gehen…“ „Mir geht’s genauso“, stimmte Saga mir zu, „meine Eltern mögen meinen Style nicht und kommen nicht damit klar...“ Als er das sagte, schaute ich ihn aus einem Reflex heraus an und stellte fest, dass er heute gar nicht so verrückt aussah, wie er es am Samstag getan hatte. Genau wie Sakito trug er eine einfache Jeans mit Buttons und Flicken darauf, ein schwarzes, bedrucktes Shirt und die Haare fielen ihm ungestylt über die Augen. Sakito sah nicht viel anders aus, nur, dass seine Hose an einigen Stellen noch zerrissen war und das Rüschenhemd eine seltsame Kombination dazu war. „Meine auch nicht“, ergänzte der brünette neben mir, „sie meinten auch schon des Öfteren, mich in ein Bordell stecken zu wollen, weil’s da nicht auffallen würde, wenn ich wie ne Hure rumlaufe!“ Nun begann er zu lachen. Doch ich lächelte nur gezwungenermaßen mit, denn wenn Eltern sowas sagten, war das meist nicht halb so lustig, als wie Sakito es gerade wiedergab. Ich war mir sicher, dass er innerlich alles andere tat, als darüber zu lachen. Ich wusste, wie es sein konnte, wenn man ausgelacht wurde. Und es war wirklich nicht gerade berauschend, denn ich war mein Leben lang nur ausgelacht worden. Wenn man da noch von seinen Eltern beleidigt wurde, machte es die Sache nicht unbedingt besser. Uns weiterhin über die verschiedensten Moderichtungen unterhaltend schlenderten wir die Hauptstraße entlang richtung Einkaufspassage/Innenstadt. Und ich hasste unsere Innenstadt, deshalb war ich auch so gut wie nie dort und mied diesen Ort auch weitestgehend. Es liefen einfach viel zu suspekte Menschen herum und die Lautstärke auf den Fußgängerzonen war an Wochenenden generell viel zu laut. Ich war froh, dass es mitten in der Woche war und man da nicht gerade zu Tode getrampelt wurde. Außerdem mochte ich allein die Atmosphäre schon nicht – triste Gassen ohne eine einzige Pflanze, Bänke aus Gitterdraht und überfüllte Mülleimer. Genau das richtige für Gesindel, das sich an Wochenenden gern mal draußen herumtrieb, um den Leuten ihr letztes Geld wortwörtlich aus den Taschen zu ziehen. „Uruha, da gehen wir jetzt rein!“ hörte ich Saga auf einmal rufen und ich drehte mich in die Richtung, aus der die markante Stimme zu mir vorgedrungen war und musste mich bemühen, nicht den Asphalt zu küssen. DA wollte er mich reinschleppen?! Der Laden sah ja aus wie ein Sexshop! Da hingen knappe Oberteile und Strapsen und Lacklederkleidung und… „Saga, bist du dir sicher, dass das ein Laden für Männer ist?“ Diese Frage hatte ich nun einfach stellen müssen. Es sah doch irgendwie reichlich komisch aus, wenn so ein Gesindel wie wir einen Erotikladen wie den da betrat. Immerhin gab es da Reizwäsche für Frauen und allerlei andere… seltsame Dinge. „Das ist ein Bulletshop, natürlich ist das was für uns! Lass dich doch nicht immer von den Schaufenstern beirren, mein Guter“, lachte Sakito und nahm meine Hand unerlaubterweise, um mich mitzuziehen. Wollte ich da rein? Ich war mir nicht sicher. Bestimmt gab es da eine Menge sexy aussehende Klamotten, aber ob ausgerechnet ich da reinpasste, das war wieder eine andere Frage. Gut, ich hatte die beiden gebeten, mir neue Kleider auszusuchen, doch wenn sie schon in solch einen Laden mit mir gingen, dann konnte ja nur irgendwas Aufreizendes dabei rauskommen. Und sicherlich war der Laden auch sauteuer, ich hatte nicht gerade viel Geld dabei…! „Siehst du“, meinte Saga matt, als wir den Laden betreten hatten, zog mich dann auch gleich in die etwas angenehmer aussehende Ecke des Ladens. Überall hingen schwarze, lilane, rote und andersfarbige Oberteile mit aufwendigen Verzierungen dran. Federn und Schnallen, Bänder und allerlei Krimskrams und es gefiel mir! Ich hatte schon immer mal sowas kaufen wollen und zu meinem Erstaunen war das gar nicht mal so teuer…! „Das ist alles Second Hand“, wies mich Sakito hin und hielt mir gleich ein schwarzviolettes Oberteil vor die Nase, „und es ist billig und meistens gut verarbeitet. Wenn was kaputt geht, bringst du es einfach zu mir, meine Schwester näht dir das schon.“ Wie reizend, dachte ich mir. Aber eigentlich fand ich die Klamotten, die ich hier gerade vor mir hatte, gar nicht so schlimm. Eher das Gegenteil. Ich fand sie wirklich cool! Und ob die anderen das jetzt auch fanden, das stand eben in den Sternen. Ich hatte sowieso schon für mich festgemacht, dass ich alles, was ich hier kaufte, auch nur auf Partys und wenn ich sonst wo hinging, anziehen würde. Strapsen, wie sie Saga gerade in passender Größe für mich in den Händen hielt, kamen für die Schule eben nicht in Frage. Dann doch lieber ein paar ausgefallene, aber trotzdem tragbare Klamotten, denn billig genug war es ja. „Zieh die mal an“, meinte Saga und hielt mir die Hotpants mit den Strapsen hin, Sakito schien gerade nach einem passenden Oberteil zu wühlen und ich hatte deutlich Zweifel, ob ich mich hier in diesem Laden vor allen Leuten in dem Fummel zeigen sollte. Das Oberteil war auch nicht gerade ohne. Es war aus schwarzem und violettem Stoff, es hatte Ketten und Anhänger, Federn und Schnallen und was eben alles dazugehörte. Und das Schlimmste daran: es gefiel mir auch noch! Skeptisch nahm ich die Hotpants am Kleiderhaken in die Hände, besah sie mir genauer. Mir fiel auf, dass es ziemlich fester Stoff war, der wohl nicht zu eng und auch nicht zu weit sitzen würde. Und erst jetzt fielen mir die Hosenbeine auf, die zusammengefaltet über der Stange des Kleiderhakens unter der Hotpants hingen. Gut, dachte ich mir, dann war das Ding ja doch nicht ganz so freizügig – klar, an Strapsen war zwangsläufig immer noch irgendwas befestigt. Dass es jedoch Hosenbeine aus richtigem Leder waren, beruhigte mich. Dann musste ich ja wenigstens keinen Minirock darüber tragen… „Das soll ich anziehen? Ich bleib aber in der Kabine, so komm ich nicht hier raus…“, stellte ich gleich klar, als ich auch Sakitos Oberteil in die Hand nahm, um gleich damit richtung Kabinen zu laufen. Und dort angekommen fand ich mich erstmal zwischen dutzenden Postern von irgendwelchen Indiebands wieder, die ich gar nicht kannte. Woher auch? Mit Indiebands hatte ich so viel zu tun wie Reita mit diesen Strapsen… Obwohl… bald hatte er sicherlich damit zu tun… So machte ich mich also daran, dieses Ding, was man hier anscheinend Hose nannte, anzuziehen. Und das stellte sich als gar nicht so leicht dar. Erstmal verfehlte ich grundsätzlich jedes Hosenbein beim ersten Versuch und da dieses Teil gleich zwei Öffnungen an jedem Hosenbein hatte, war es gleich doppelt so kompliziert. Dennoch traf ich nach geraumer Zeit auch irgendwann das richtige Hosenbein und schlüpfte auch gleich in das andere hinein, hatte das Stück Stoff nun vollständig angezogen. Schnell knöpfte ich mir noch den Verschluss zu, um mich dann erstmals zum Spiegel umzudrehen… …und beinahe tot umzufallen. „SAGA!“ Dass der ganze Laden plötzlich still wurde, interessierte mich keinen Hacken. Was hatte er angerichtet? Was hatte er aus mir gemacht?! „Was ist denn? Ist es dir etwa zu kl…“ Im Spiegel hinter mir konnte ich Sagas erstarrtes Gesicht sehen, sein Blick genau auf die Mitte meines Körpers fixiert und herabwandernd. So, wie ich es eben getan hatte, musterte er mich nun auch, scheinbar noch viel faszinierter als ich… „Uruha, wenn du nicht vergeben wärest, würde ich dich hier und jetzt an die Wand nageln…“, das war alles, was Saga herausbrachte. Und hätte ich mich nicht an der Stange für die Klamotten über mir festgehalten, wäre ich wahrscheinlich umgefallen wie ein Sack Mehl. Wie kam er denn auf einmal auf ‚vergeben’?! „Zieh mal das Oberteil dazu an! Los, mach!“, drängte er und kam zu mir in die Kabine, ich hörte Sakito vor dem Vorhang zustimmen und schluckte trocken. Sollte ich das Teil wirklich zu dieser Hose anziehen…? Ich griff also nach dem Kleiderhaken, an dem das Oberteil hing und nahm es herunter, legte es über den kleinen Hocker und zog mir mein Shirt aus. Dass Saga das alles sehen konnte, störte mich gerade herzlich wenig, schließlich hatte ich nichts, was er nicht auch hatte. Schämen tat ich mich nicht sonderlich… komischerweise. Dann suchte ich den Eingang zu dem neuen Oberteil, fand ihn auch schnell und zog es mir über den Kopf, schlüpfte in die ‚Ärmel’ und richtete mir die Haare wieder, ehe ich begann, die offenen Schnallen kurz zuzuschnüren und drehte mich erneut um. „Saga? Bist du dir sicher, dass das ein Oberteil für Herren ist?“, fragte ich skeptisch, blinzelte und zupfte mir an den Bändern über meiner Schulter herum, die bedrohlich lose wirkten. Ob das Teil auch wirklich oben bleiben würde? „Natürlich nicht“, kam dann die befürchtete Antwort, „wir ziehen kaum Sachen für Männer an. Außer natürlich Reita, der ist ja auch so männlich wie Sakito eine Schlampe ist!“ „Das hab ich gehört!“, hallte es von draußen laut durch den Laden, woraufhin Saga anfangen musste zu lachen. Ich erinnerte mich an das Gespräch zurück, das ich mit Saga per ICQ geführt hatte. Hatte er da nicht auch etwas von ‚Schlampe’ im Zusammenhang mit Sakito erwähnt? Warum spaßte er jetzt darüber? Und wieso konnte Sakito auch noch mitlachen? Ich verstand die Welt nicht mehr. Aber lachen tat ich dann halt auch einfach mal. Wenig später fand ich mich mit zwei bepackten Tüten mitten auf der Fußgängerzone wieder, denn Saga hatte noch einen Haufen Klamotten gefunden, der mir gepasst und seltsamerweise auch noch gar nicht so schlecht gefallen hatte. Und beinahe alles war mit diesen lustigen Strapsbändern bestückt, an welche ich mich allerdings noch ziemlich gewöhnen musste. War schließlich eine komplett neue Erfahrung, in sowas wie Frauenkleidern herumzulaufen. Ob es Reita gefallen würde…? Ob es den anderen gefallen würde, die dort sein würden? Ni~ya? Dai? Mir wurde doch anders, wenn ich daran dachte, dass sie mich dafür vielleicht auslachen würden, sich darüber lustig machen oder einfach nur total dumm glotzen würden… vor allem Reita. Ich wollte ihm gefallen, ich wollte, dass er mich attraktiv fand. Und auch wenn ich mich selbst recht attraktiv in dieser Kleidung fand, musste das ja nicht gleich heißen, dass er das auch tat… „Uru, was los?“, fragte mich Saga nach einer Weile, in der ich nichts mehr gesagt hatte. Ich war eben zu beschäftigt mit meinen Gedanken gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, wie sie in einen Laden abbiegen wollten. © ~*~*~*~*~*~ ES TUT MIR LEID! Ich weiß, ich habe lang gebraucht, um diesen Mist hier hochzuladen... aber leider stecke ich wieder mal in so einer Phase... und aus denen kommt man nicht so leicht wieder raus, wie manche von Euch vielleicht doch wissen... Das nächste wird besser, VERSPROCHEN! Baibai, -Shio- ごめん!!! Kapitel 13: Von Vor- und bitterem Nachgeschmack ----------------------------------------------- -13- Von Vor- und bitterem Nachgeschmack Irgendwie seltsam, mal wieder zur Schule zu gehen. Ich war schon gar nicht mehr gewohnt, so früh aufzustehen und mich anzuziehen für die Schule. Als ich meinen Schrank geöffnet hatte, waren mir sofort meine neuen Klamotten in die Augen gesprungen und sofort hatte ich an den bevorstehenden Freitag bei Daisuke denken müssen. Warum war ich eigentlich so nervös? Was hatte ich zu befürchten, außer vielleicht dass ich mich nur noch mehr zuschüttete, als beim letzten Mal schon und ich vollkommen die Kontrolle über das verlor, was ich tat? So schlimm konnte es ja kaum werden… Und nun saß ich ordentlich und gesittet angezogen an der Bushaltestelle, wartete nur darauf, dass mein alter Kumpel Aoi um die Ecke kam und mich schief anschaute. Es konnte ja gar nicht anders nach der Scheunenfete und nachdem er mich so oft mit Reita gesehen hatte. Ich wusste, dass er eifersüchtig war. Gut, Eifersucht war vielleicht nicht das richtige Wort. Aber er hatte sich alles bestimmt ganz anders vorgestellt. Er hatte geglaubt, dass ich mit solchen Typen nichts am Hut haben wollte und lieber ihm hinterherlaufen würde. Aber da hatte er sich wohl geschnitten. Mittlerweile hatte ich schon beinahe verdrängt, dass er mir noch immer sehr wichtig war. Eigentlich. Aber warum dachte ich eigentlich so viel darüber nach? Ich hatte jetzt immerhin andere Freunde, als nur die beiden. Ich hatte vor allem Reita. Und das war doch schon mal etwas, oder? Sicherlich kannte Reita mehr Leute als Aoi und Ruki zusammen, ich würde noch mehr kennen lernen und neue Freunde finden. Waren Aoi und Ruki vielleicht doch die falschen Leute gewesen…? Nein, über so etwas durfte und wollte ich in diesem Moment nicht nachdenken, denn es war sicherlich der falsche Zeitpunkt. Ich würde Zeit brauchen, Reita und seine Freunde noch näher kennen zu lernen. Ich hatte mich kaum mit ihnen getroffen und wusste auch nicht allzu viel über sie. Mittwoch hatte ich zwar einiges erfahren über sie und ihr Verhalten im Alltag und nicht nur auf Feiern, doch das reichte sicherlich nicht aus, um mir gleich ein Bild von ihnen zu machen. Das brauchte eben Zeit. Und als hätte Aoi erhört, dass ich soeben über ihn nachgedacht hatte, kam er gemütlich um die Ecke geschlendert und hörte so laut Musik, dass ich sie schon hören konnte, als er noch gute zehn Meter von mir entfernt war. Ich konnte zwar nicht genau ausmachen, was es war, aber irgendwie passten die schiefen Gitarrentöne, die durch die kleinen Lautsprecher nur sehr schwach zu hören waren, gar nicht zu ihm. Und seltsamerweise schien ihn meine Anwesenheit gar nicht zu stören – er ignorierte mich ja regelrecht! „Ohayo“, startete ich einen Versuch, doch er schien mich nicht gehört zu haben. „Aoi?“ Nun hatte er wohl gesehen, dass meine Lippen seinen Namen geformt hatten und er nahm einen seiner Ohrstöpsel heraus, als er sich neben mich setzte und schaute kurz in meine Richtung. „Was gibt’s denn?“, fragte er jedoch statt einem freundlichen ‚Guten Morgen’ und klang genervt. Ich hingegen bemühte mich, einen halbwegs freundlichen Tonfall und Gesichtsausdruck zu behalten, denn noch mehr Stress mit ihm oder Ruki konnte ich gerade echt nicht gebrauchen. Und ich verstand einfach nicht, was die beiden sich eigentlich einbildeten! Die waren doch nicht irgendwas Besseres als Reita und seine Freunde…! „Nichts, ich hab dir nur-“ „Warum sprichst du mich dann an, wenn’s nichts ist?“, fragte er zurück, ehe ich hatte ausreden können. Ganz ruhig, Uru, der will dich nur reizen, dachte ich mir einfach im Stillen. Und weiter ging ich auch nicht mehr darauf ein, denn das wurde mir nun doch weit zu blöd. Warum konnte er sich nicht einfach normal mit mir unterhalten und musste stattdessen jetzt dermaßen sein Böckchen rauskehren? Mit einem kurzen Grinsen stand ich auf, da der Bus auch endlich zu sehen war und kramte nach meiner Karte, schulterte meinen Rucksack und wartete. Aoi neben mir schaute mich kurz an mit einem Blick gemischt aus Ablehnung und Gleichgültigkeit mir gegenüber. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ende der zweiten Schulstunde und bevorstehend war die große Pause. Mal wieder würde ich sie allein verbringen, wie schon so oft in den letzten Tagen. Wie schnell es doch alles gehen konnte. Da hing man in seiner Freizeit einmal mit anderen Leuten als seinen eigentlichen Freunden ab und schon hatte man genau diese mit nichts tun gegen sich ausgespielt. Warum auch immer, aber Aois und Rukis Aufstand, den sie da abzogen, war für mich nicht nachvollziehbar. Sie hatten doch auch andere Freunde, als nur mich und machten etwas mit ihnen! Und ich klagte die deshalb auch nicht einfach so an! Ich packte noch schnell meine restlichen Bücher in die Tasche, machte mich dann auf den Weg nach draußen auf den Schulhof. Mittlerweile störte ich mich auch schon gar nicht mehr an den seltsamen Blicken, die mir von anderen zugeworfen wurden, nur, weil ich, der unscheinbare Takashima Uruha, mir neuerdings die Haare etwas mehr auftoupierte und meine Kajalstriche dicker zog. Natürlich verstieß das gegen die Vorschrift, sich in der Schule nicht zu schminken, doch wen störte es schon, außer vielleicht die paar Leute, die mich bisher immer für einen Versager und Feigling gehalten hatten und nun bemerkten, dass ich mich einiges traute? Kein Hahn hatte bisher danach gekräht, zumindest nicht von den Lehrern. Standardmäßig ging ich auf die Steine zu, auf denen Aoi, Ruki und ich oft gesessen hatten und legte mich auf einen von diesen in die Sonne, schloss die Augen und versuchte einfach noch ein bisschen zu dösen, bis ich wieder in den Unterricht musste. Hatte ja schließlich nun eine halbe Stunde Zeit. Und ein bisschen Ruhe würde mir nach dem ganzen Stress zu Hause und mit meinen ehemals besten und auch einzigen Freunden soweit sicherlich gut tun, denn jeder musste ja mal abschalten. Und wo anders hatte ich wohl Zeit dazu, als allein in meinem Zimmer oder in der von mir stets geliebten Schulpause? Nun ja, jetzt hasste ich sie irgendwie. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich nicht einfach vom Schulhof verschwinden und zur Nachbarschule schleichen sollte, um Reita zu besuchen, doch erstens wäre das sowieso aufgefallen und zweitens hörte ich genau in diesem Moment meinen Namen im Zusammenhang mit dem Wort ‚Drogen’. Was war denn jetzt kaputt?! Sofort schnellte ich hoch und sah direkt zwei Steine vor mir Aoi und Ruki mit dem Rücken zu mir sitzen, die sich gerade scheinbar amüsiert darüber unterhielten, wovon sie glaubten, dass ich es in meiner Freizeit tat. Saufen, Drogen nehmen und rumschlampen? Ehe ich mich versah, fand ich mich auf meinen Beinen wieder und lief die paar Schritte vor zu den beiden, begann jedoch lauter zu sprechen, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte. „Habt ihr nichts Besseres zu tun, als Gerüchte über mich in die Welt zu setzen?!“, fauchte ich, woraufhin die beiden sich erschrocken zu mir umwandten und mich anstarrten. Einen Moment lang schwiegen sie beide, doch dann stand Aoi auf und baute sich vor mir auf, versuchte wohl irgendwie Furcht einflößend zu wirken. Und das auf mich, der doch ein kleines Stück größer war, als er… Plötzlich merkte ich, wie mich seine ganze Art und sein Auftreten furchtbar aggressiv machten. Ich wurde wütend, hätte ihm am liebsten sofort den Hals umgedreht, wenn ich nicht dafür eine Mahnung kassiert hätte. Unweigerlich musste ich an Reita denken und ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie viele von den kleinen, gelben Wischen dieser wohl schon reingedrückt bekommen hatte… „Wie nennst du denn das, was du abziehst? Hast du dich auf der Scheunenfete mal gesehen? Du hättest dich echt vor dir selber geekelt!“, kam es nur von ihm, ebenfalls mit erhobener Stimme und einem überlegenen Gesichtsausdruck. Der jedoch noch lange nicht reichte, um mich in irgendeiner Weise zu beeindrucken. Was bildete dieser Spinner sich eigentlich ein? Nur, weil ich ausnahmsweise mal so betrunken gewesen war, wie noch nie zuvor? Zwar hatte ich ihn und Ruki auf der Fete nicht gesehen, doch die waren sicherlich auch nicht viel nüchterner gewesen, als ich! Ich hatte Aoi schon weitaus schlimmer erlebt…! „Warum geekelt? Weil ich voll war? Ganz ausnahmsweise? Weil ich Spaß hatte?!“ „Nein“, konterte er direkt und ging demonstrativ einen Schritt zurück, „weil du dich von diesem Widerling hast befummeln lassen! Checkst du das nicht? Das ist ein Punk und dazu auch noch ein Kerl! Das ist das letzte Gesocks, mit dem du da-“ „JETZT REICHTS!“, brüllte ich plötzlich und war im ersten Moment etwas erschrocken über mich selbst und meinen Tonfall, doch ehe ich mich versah, schrie ich ihn einfach weiter an. „Du hast doch keine Ahnung von ihm und den anderen! Auch, wenn sie schräg aussehen, sind sie allemal besser dazu geeignet, um Spaß zu haben, als ihr! Und dass du mich hier als Schwuchtel oder Schlampe hinstellst, ist das Letzte, verstanden?! Gott, ich weiß gar nicht, wieso ich euch die ganze Zeit hinterher gerannt bin, ihr seid sowas von intolerant!“ Ruki, der noch immer neben Aoi auf dem Stein saß, hatte zu meiner Verwunderung angefangen zu weinen – wieso auch immer – und Aoi schien sich einen Dreck darum zu kümmern, was ich ihm da gerade alles an den Kopf warf. Das machte mich nur noch wütender! Warum ging er eigentlich nicht mal darauf ein? Und warum grinste er so!? „Brauchst dir gar keinen abgrinsen, du Arschloch“, maulte ich, „ich hab sowas von die Schnauze voll von dir! Und du hör auf zu heulen“, schrie ich plötzlich gegen meinen Willen Ruki an, der daraufhin zusammenzuckte und wegschaute. „Halt ihn gefälligst da raus, verstanden?!“, kam auf einmal doch noch eine Reaktion von Aoi. Aber was scherte er sich darum, ob ich Ruki anschrie oder nicht? Immerhin hatte dieser den größeren Mist von beiden verzapft, er hatte mich hängen lassen und den ganzen Streit ja erst provoziert! „Schrei meinetwegen mich an, aber lass Ruki in Ruhe, der hat den ganzen Stress am wenigsten verdient!“ Und auf diese Worte hin platzte mir der Kragen. „WENN HIER EINER DAS ALLES AM WENIGSTEN VERDIENT HAT, DANN BIN ICH DAS!“ Mit diesen letzten Worten spuckte ich ihm vor die Füße und drehte mich auf dem Absatz um, steuerte das Schultor an und verschwand vom Schulhof. Jetzt reichte es mir! Wie konnte diese Promenadenmischung es wagen, diese kleine blonde Ratte als das arme, unschuldige Opfer in der ganzen Sache hinzustellen? Ich fühlte mich gerade sowas von im Recht! Und diese beiden Vollspaten erdreisteten es sich, sich selber das Recht zuzuschreiben?! Als ich endlich an der Bushaltestelle für die Linie angekommen war, die an der Hauptstraße bei uns entlang fuhr, sah ich, wie eben dieser Bus soeben um die Ecke gefahren war. Und mit etwas schnellerem Schritt hatte ich den Bus auch schon erreicht, stieg ein und war einfach nur froh, dass ich ein so gutes Timing gehabt hatte. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich Aoi wohl noch stundenlang angeschrieen, doch mein Verstand hatte mir eindeutig eine Grenze gesetzt, sodass ich nicht noch auf die Idee gekommen wäre, eine Prügelei mitten auf dem Schulhof zu veranstalten… „Uruha?“ Völlig perplex schreckte ich aus meinen Gedanken, in denen ich bis eben noch versunken gewesen war, als ich mich nach hinten in den Bus durchgekämpft hatte, um einen Platz zu ergattern. Dabei hatte ich gar nicht gemerkt, dass ich an jemandem vorbeigegangen war, der mir schon seit ich aufgestanden war dauernd im Kopf rumschwirrte. Doch irgendwie war mir gerade so gar nicht nach unterhalten, auch nicht mit Reita, der mich noch immer verwundert anschaute und sich sicherlich fragte, was wohl passiert sein musste, dass ich so eine scheiß Laune hatte. „Sprichst du nicht mehr mit mir?“, fragte er mich verwundert, als ich mich einen Platz hinter ihn setzte und einfach nur böse vor mich hinstarrte. Und was sollte ich jetzt darauf antworten, ohne, dass es gleich irgendwie gereizt rüber kam? „Doch“, sagte ich dann einfach ganz matt, „ich bin nur sauer. Warum bist du nicht in der Schule?“ Und das alles sagte ich völlig tonlos und mit keinerlei Emotion in der Stimme, als würde es mich alles so gar nicht interessieren. „Weil ich keine Lust hab“, antwortete er, sah mich aber noch immer fragend an, „und wieso bist du sauer?“ „Später…“, grummelte ich nun doch etwas gereizt, woraufhin er abwehrend die Hände hob und den Blick abwandte. Jedoch nicht, bevor er mir noch einmal zuckersüß zugelächelt und gezwinkert hatte. Was meine Laune wenigstens ein bisschen verbesserte. Gott, wie ich es liebte, wenn er mich so anlächelte… Jetzt fing ich auch noch regelrecht an von ihm zu schwärmen…! Nun gut, ich hatte ja bereits die Erkenntnis getroffen, dass ich auf ihn stand… sehr sogar… aber SO sehr…? Die ganze Fahrt über hatten sowohl er, als auch ich geschwiegen. Scheinbar wusste er, dass er mich nun besser nicht ansprechen sollte, denn meine Laune trieb nun so schnell nichts mehr nach oben. Ich würde mich nachher einfach in mein Bett legen und schlafen, das hatte ich mir überlegt und da ich ja nun schon auf dem Fußweg nach Hause war und mich nicht einmal mehr von Reita verabschiedet hatte, konnte ich das wirklich gut gebrauchen, um abzuschalten und war ja auch nicht mehr weit von meinem weichen Bett entfernt. Meine Mutter würde wohl noch auf der Arbeit sein und wenn nicht, dann auch egal, ich würde ihr einfach sagen, dass die letzten Stunden ausgefallen waren. Mit leicht erhöhtem Puls stand ich also nun vor der Haustür und versuchte aufzuschließen, doch meine Hände zitterten noch immer etwas vor Wut, sodass ich es nicht auf Anhieb schaffte. Und nach zig Flüchen und drei neuen Anläufen hatte ich es endlich geschafft. Scheinbar war meine Mutter wirklich nicht zuhause, sodass ich also ungehindert nach oben gehen und mich ins Bett legen konnte. Diesen Schlaf brauchte ich jetzt einfach, um mich abzureagieren. Und meine Mutter würde mich auch ganz sicherlich nicht wecken, wenn sie heim kam, denn sie war mich lieber los, als dass sie mich sehen musste, wie ich in letzter Zeit immer häufiger feststellte… Schnurstrax ging ich in mein Zimmer, ließ meine Tasche fallen und zog mich bis auf die Shorts aus, zog die Jalousien an meinen Fenstern runter und plumpste dann auf mein Bett, schloss die Augen. Noch einmal ließ ich mir die Ereignisse dieses bisher recht kurzen Tages durch den Kopf gehen. Dass ich Aoi so sehr angeschrieen und Ruki fertig gemacht hatte, das verdrängte ich lieber in die hinterste Ecke meines Gedächtnisses. Ich wollte gar nicht wissen, was die Folgen sein würden… Wahrscheinlich würden sie jedem erzählen, mit wem ich rum hing und was ich ihrer Meinung nach so alles anstellte… Aber traute ich ihnen solche Gemeinheiten wirklich zu? Würden sie sowas wirklich tun? Langsam wusste ich gar nicht mehr, was ich von den Leuten halten sollte, besonders nicht von den beiden. Da hatte ich mal ein paar Tage nicht sonderlich etwas mit ihnen zu tun und schon verfiel ich derart in Misstrauen… Jedoch hatte ich keine Chance, diese Gedanken großartig weiterzuführen, denn die Müdigkeit hatte Überhand genommen… SexPistol (08:15 PM): Uruha? Ich hatte ziemlich lang geschlafen, hatte Gott sei Dank auch nicht sonderlich viel geträumt und das auch nicht schlecht oder ähnliches. Nicht einmal meine Mutter hatte sonderlich Krach gemacht, als ich aufgewacht war und da bis jetzt noch niemand nach mir gefragt hatte, so hatte ich einfach mal den PC angeschlossen und eingeschaltet, mein ICQ geöffnet und gewartet, bis man mich angemeldet hatte. Und kaum eine Minute später hatte mich Reita auch schon angeschrieben, was mich allerdings auch nicht sonderlich wunderte. Sicherlich wollte er wissen, warum ich mich im Bus so seltsam aufgeführt hatte… Und dennoch, ich freute mich, dass er mich anschrieb, denn so wurde mir wenigstens nicht langweilig und ich hatte endlich jemanden, mit dem ich über die ganze Sache reden konnte – denn jetzt hatte ich ja zum Glück wieder bessere Laune. L'objet Dégoûtant (08:15 PM): Hai? SexPistol (08:15 PM): Was los? L'objet Dégoûtant (08:15 PM): Du meinst wegen der Geschichte im Bus? L'objet Dégoûtant (08:15 PM): Frag nicht... L'objet Dégoûtant (08:15 PM): Aoi ist voll ausgetickt in der Pause... L'objet Dégoûtant (08:15 PM): Hat mich Drogenkind genannt... L'objet Dégoûtant (08:15 PM): Pisser! L'objet Dégoûtant (08:15 PM): Ich bin sauer, verdammt! SexPistol (08:16 PM): Ich merk das schon.... L'objet Dégoûtant (08:16 PM): Gomen, wenn ich dich damit genervt hab… L'objet Dégoûtant (08:16 PM): Aber ich bin öfter so... L'objet Dégoûtant (08:16 PM): Nur lass ich es nie raus... SexPistol (08:16 PM): Und warum hat er das gemacht? L'objet Dégoûtant (08:16 PM): Wegen dir! L'objet Dégoûtant (08:16 PM): Wegen euch allen! L'objet Dégoûtant (08:16 PM): Der hat doch keinen Plan, verdammt! SexPistol (08:17 PM): Hm... Und was hast du gemacht? L'objet Dégoûtant (08:17 PM): Ihn angeschrieen... L'objet Dégoûtant (08:17 PM): Was sonst? SexPistol (08:17 PM): Sehr gut! SexPistol (08:17 PM): Du lernst dich zu wehren! SexPistol (08:17 PM): Das ist schon mal was! SexPistol (08:18 PM): Aber du kannst es dir auch nicht mehr gefallen lassen, wie der Kleine mit dir umgeht… SexPistol (08:18 PM): Er kann sich immerhin auch nicht alles erlauben. Wie Recht er doch hatte. Ich war genau seiner Meinung. Und genau das hatte ich auch in dem Moment gedacht, als ich ihn so angeschrieen hatte – wenn auch widerwillig. Aber es war mir einfach alles so rausgerutscht. Nur was er da gesagt hatte, war wirklich unter der Gürtellinie… meiner Meinung nach… L'objet Dégoûtant (08:19 PM): Er denkt es... SexPistol (08:19 PM): Also lass dich nicht ärgern und kack auf ihn. SexPistol (08:19 PM): Du bist nicht von ihm abhängig! L'objet Dégoûtant (08:19 PM): Nein, nur hab ich das früher ständig gemacht... ich bin den beiden immer hinterher... L'objet Dégoûtant (08:20 PM): Himmel, das war echt beschissen und dumm von mir! Und wenigstens hatte ich das jetzt endlich eingesehen! Ich brauchte die beiden nicht, um mich gut zu fühlen und Spaß zu haben. Um mich sicher zu fühlen schon gar nicht, denn Reita gab mir dieses Gefühl ebenfalls… aus irgendeinem Grund… L'objet Dégoûtant (08:20 PM): Und dann auch noch Aoi! SexPistol (08:20 PM): Da kann ich dir leider nur Recht geben… L'objet Dégoûtant (08:20 PM): Ruki hat nachher angefangen zu heulen... L'objet Dégoûtant (08:20 PM): Wieso auch immer... SexPistol (08:20 PM): Tja... warum auch immer... ich meine... wenn er etwas getan hätte, dann wäre es wohl auch nicht so weit gekommen! L'objet Dégoûtant (08:21 PM): Ich glaube, Ruki hat einfach keine Ahnung, was er machen soll. Wahrscheinlich ist er eh nur eifersüchtig... L'objet Dégoûtant (08:21 PM): Und sauer, weil ich mich nicht entschuldige! SexPistol (08:21 PM): Auf wen denn sauer? L'objet Dégoûtant (08:21 PM): Auf dich? L'objet Dégoûtant (08:21 PM): Weiß ich nicht... SexPistol (08:22 PM): Warum sollte er auf mich eifersüchtig sein? Weil ich dir zuhöre und mit dir rede, wenn’s dir beschissen geht? SexPistol (08:22 PM): Das hätte er auch gekonnt… L'objet Dégoûtant (08:22 PM): Nein, deshalb nicht... L'objet Dégoûtant (08:22 PM): Ich glaube, es ist wegen was anderem... SexPistol (08:22 PM): Und was genau? L'objet Dégoûtant (08:23 PM): Weil ich mich nicht entschuldige. Er will einfach, dass es wieder so wird, wie früher. Er will, dass ich wieder ihm hinterher laufe und nicht bei wem anders bin... Meine Güte, worüber ich hier so philosophierte, daraus konnte man ja schon fast eine Fernsehsoap machen! Was ich meinen Freunden heute so alles zutraute, hätte ich vor ein paar Wochen nicht mal im Traum gedacht. Ob Ruki denn wirklich so dachte? Ob Ruki wirklich wollte, dass ich ihm hinterherlief? SexPistol (08:24 PM): Hm, er will viel, wenn der Tag lang ist... und langsam frage ich mich, ob die dich nicht vielleicht immer als eine Art Schoßhund gehalten haben... der immer angedackelt kommt...Wahrscheinlich hast du ihrem Ego gut getan! L'objet Dégoûtant (08:25 PM): Bestimmt! Mann, wenn ich daran denke, dass sie mich dann trotzdem immer gefragt haben, ob ich zu irgendwelchen Feiern mitkommen wollte... und wenn ich mal mitgekommen bin, hat mich auch kein Schwein beachtet... L'objet Dégoûtant (08:25 PM): Bei dir war's ja anders... L'objet Dégoûtant (08:25 PM): Ein bisschen... SexPistol (08:26 PM): Hey... ich hab dich beachtet... die gesamte Zeit über… L'objet Dégoûtant (08:26 PM): Ja, das hab ich gemerkt... SexPistol (08:27 PM): Hätte ich dich mehr beachten sollen? Was war denn das für eine Frage? Irgendwie war sie mir ein bisschen unangenehm, denn ich konnte mir schon vorstellen, was Reita unter ‚mehr beachten’ verstand. Aber danach konnte ich doch nicht einfach so fragen – was, wenn er es doch nicht so meinte? Also einfach auf dumm stellen, dachte ich mir und schrieb langsam weiter. L'objet Dégoûtant (08:27 PM): Hm... Was würdest du denn unter "noch mehr beachten" verstehen? SexPistol (08:28 PM): Vielleicht wäre es ja doch etwas gewesen, was du nicht gewollt hättest… Wurde er nun doch unsicher? Hatte er meine Unsicherheit etwa bemerkt? Nun, dem zufolge was ich da geschrieben hatte, sah es wohl nicht nach so viel ‚Unsicherheit’ aus, doch er konnte ja schlecht durch den Bildschirm schauen! Was nun? L'objet Dégoûtant (08:29 PM): Kann gut sein, Alkohol macht ja bekanntlich willenlos… manchmal… aber auf deinem Schoß hätte ich nüchtern wahrscheinlich nicht gesessen… SexPistol (08:29 PM): Aber hey, du hast auf meinem Schoß gesessen… und es schien dir gefallen zu haben… denn mir hat es gefallen…! L'objet Dégoûtant (08:30 PM): Hey, daran habe ich keinen Augenblick gezweifelt... SexPistol (08:30 PM): Na siehst du… L'objet Dégoûtant (08:31 PM): Und... hättest du mich da auch schon geküsst? SexPistol (08:32 PM): Wenn du es mir erlaubt hättest, bestimmt… L'objet Dégoûtant (08:32 PM): Warum? SexPistol (08:32 PM): Weil ich die ganze Zeit über schon daran gedacht hatte… Er machte mich ja ganz verlegen! Ich wusste gar nicht, was ich schreiben sollte, um diesem Gespräch nicht einen äußerst peinlichen Touch zu verleihen. Zumindest hoffte ich, dass ich nicht allzu unerfahren und verschüchtert rüber kam, denn das wollte ich ja eigentlich vermeiden. Wie sah es denn aus, wenn ein Typ in meinem Alter noch so unerfahren war? Reita hatte bestimmt schon die ein oder anderen Mädchen über den Tisch gevögelt und vielleicht sogar auch den ein oder anderen Typen…? Schon peinlich, wenn man bedachte, dass ich in Sachen Männern noch Jungfrau war… und dann so einen abbekam… Obwohl, noch hatte ich ihn ja nicht… Und das mit dem Küssen fand ich einfach nur zu niedlich. Er schmeichelte mir, denn ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass… L'objet Dégoûtant (08:33 PM): Daran, ausgerechnet mich zu küssen? Bestimmt kann ich es nicht mal... weil ich vorher noch nie wen geküsst hab... SexPistol (08:33 PM): Es war wirklich dein erster Kuss? L'objet Dégoûtant (08:33 PM): Ja... SexPistol (08:33 PM): Dafür kannst du das aber verdammt gut... das hätte ich jetzt nicht erwartet... ehrlich gesagt... L'objet Dégoûtant (08:34 PM): Konnte ich das... L'objet Dégoûtant (08:34 PM): Na ja, ich werd dir wohl glauben müssen... SexPistol (08:35 PM): Was soll das denn nun wieder heißen? Deine Lippen haben mich schon überzeugt... ich bin wirklich neugierig, was sie wohl alles machen könnten… Ich stutzte. Noch einmal las ich, was er da eben geschrieben hatte und traute meinen Augen nicht. War das eine Anspielung…? Ich schluckte trocken, denn plötzlich schossen hunderte Bilder durch meinen Kopf mit Dingen, die er mit diesen Worten wohl meinen könnte. Mein Hals wurde mehr als nur trocken, denn diese Bilder waren alles andere als unerotisch… und alle hatten sie mit Reita zu tun… Gut, zu lange wollte ich ihn nicht warten lassen mit einer Antwort, denn nachher dachte er wohl noch, dass ich wegen dieser Anspielung total irritiert war… gut, war ja doch was dran… L'objet Dégoûtant (08:37 PM): Und was hast du dir da so vorgestellt...? SexPistol (08:37 PM): Viel... aber stellst du dir sowas nicht vor? Welche Gedanken gehen dir denn durch den Kopf, wenn du mich küsst? L'objet Dégoûtant (08:38 PM): Na ja, an… ich muss gerade daran denken, was du mit deinen Lippen schon alles gemacht haben könntest… SexPistol (08:38 PM): Hast du dir gewünscht, dass ich es auch bei dir mache? L'objet Dégoûtant (08:39 PM): Na ja, es... wäre ne ziemlich neue Erfahrung für mich... aber... ich bin schon neugierig... SexPistol (08:40 PM): Und du würdest es gerne wissen? Was ich damit alles machen kann? Vor allem wo? Er hatte Recht. Ja, ich wollte wirklich wissen, was er damit so alles machen konnte… aus irgendeinem Grund war ich furchtbar neugierig darauf…! Vielleicht, weil es eine neue Erfahrung sein würde, wenn er Dinge an mir ausprobierte, die ich nicht einmal selber an mir ausprobiert hatte…? Ich wusste ja nicht einmal, wie man sich richtig einen runterholte…! Gut, sicherlich war es einfach, schnell herauszufinden, was einem gefiel, doch wirklich ausprobiert hatte ich es noch nie. Umso besser, wenn er es tun würde oder nicht? Andererseits… wusste ich wirklich noch gar nichts über dieses Thema… und das in meinem Alter…! Also war es sicherlich schon etwas peinlich, wenn ich ihm – wenn er es denn nun ausprobierte – nicht einmal sagen konnte, ob mir das, was er da so tat, überhaupt gefiel… Und was, wenn er wollte, dass ich ihm auch diesen Gefallen tat…? Nein, darüber sprachen wir ja noch gar nicht! Also nicht nachdenken, dachte ich mir…! L'objet Dégoûtant (08:41 PM): Uhm...vielleicht... L'objet Dégoûtant (08:41 PM): Wie ist es? L'objet Dégoûtant (08:41 PM): Wenn man sowas macht...? L'objet Dégoûtant (08:42 PM): Hast du es schon mal gemacht...? SexPistol (08:44 PM): Willst du es wirklich wissen? Ob ich es schon mal mit jemandem gemacht habe? Ob ich schon mal mit nem Kerl im Bett war? Doch, er traf den Nagel auf den Kopf…! L'objet Dégoûtant (08:44 PM): Hai... SexPistol (08:44 PM): Ich war mit Sakito im Bett. DAS haute mich um. Nein, auf die Idee, dass er mit Sakito geschlafen hatte wäre ich nie gekommen. Und dann auch noch so eine Schlampe wie Saki? Wieder erinnerte ich mich an Sagas Worte und langsam aber sicher nahmen sie wahre Züge für mich an. Zwar kannte ich Sakito nun schon etwas besser und nicht gerade als Schlampe aufgestylt, dennoch irritierte es mich, dass er mit Reita geschlafen hatte…! Warum wurde ich gerade eifersüchtig…? L'objet Dégoûtant (08:46 PM): Okay... warst du... betrunken? Ich meine... gomen, ich sollte nicht so neugierig sein… aber... ich würde schon gern wissen, wie es ist... SexPistol (08:46 PM): Ich war angetrunken und Sakito betrunken... nur hat er sich nicht mehr erinnert, wohingegen ich noch alles wusste… SexPistol (08:46 PM): War mehr oder weniger ein Unfall. L'objet Dégoûtant (08:47 PM): Ein Unfall? L'objet Dégoûtant (08:47 PM): Hast du es nicht mit Absicht gemacht? SexPistol (08:48 PM): Eigentlich nicht... ich wollte ihn nur nach Hause bringen und an der Tür haben wir angefangen uns zu küssen... ich hab den Schlüssel in seiner Hosentasche gesucht und er ist daraufhin geil geworden... da hab ich halt Abhilfe verschafft… L'objet Dégoûtant (08:49 PM): Wenn ich daran denke, dass ich deinen Schlüssel auch gesucht habe... SexPistol (08:49 PM): Nur, dass ich nicht betrunken war, und nicht so leicht zu erregen bin wie der kleine Sakito! Ach was. Das klang ja ganz nach einer Herausforderung. Nun gut, dachte ich mir, dennoch hatte ich ein leichtes Problem damit, dass er sich ausgerechnet von Sakito hatte verführen lassen. Sicherlich hätte Sakito das auch ganz gut allein geschafft…! Und nun zu meiner Frage. L'objet Dégoûtant (08:50 PM): Was muss man denn machen, um dich zu erregen...? SexPistol (08:51 PM): Eine Person sein, mit der ich schlafen will... die ich haben will… L'objet Dégoûtant (08:51 PM): Und... bin ich das? L'objet Dégoûtant (08:52 PM): Wohl eher nicht... Nein, wieso hätte er mich haben wollen? Wir kannten uns erst seit kurzem, so erotisch wie Sakito war ich nun auch wieder nicht und meine neuen Klamotten hatte er immerhin noch nicht gesehen… SexPistol (08:52 PM): Glaubst du das? SexPistol (08:53 PM): Wenn ich dir sagen würde, dass ich fast ne Latte bekommen hab, als du dich an mich gekuschelt hast, und ich deshalb nicht schlafen konnte... würdest du mir das glauben? L'objet Dégoûtant (08:53 PM): Meinst du... das jetzt ernst? L'objet Dégoûtant (08:53 PM): Also ehrlich? Er schockierte mich immer wieder! Hatte er vielleicht deshalb Bier getrunken am Morgen? Um seine Müdigkeit in Alk zu ertränken? Irgendwie musste ich gerade anfangen zu grinsen. Warum sollte ich mich nicht eigentlich ein bisschen mehr trauen? Ihm imponieren? Ihn locken? Schließlich wollte ich auch meine Erfahrungen machen und da musste man eben auch ein bisschen Initiative ergreifen. Zwar fiel es mir etwas schwer, diese auch zu zeigen, da ich noch so unerfahren wie sonst keiner war, doch es gab ja bekanntlich für alles das erste Mal… SexPistol (08:53 PM): Ich hab dir schon mal gesagt, dass ich dir gegenüber immer ehrlich bin… L'objet Dégoûtant (08:54 PM): Uhm...so eine Wirkung hab ich also auf dich...? SexPistol (08:54 PM): Ja, hast du... L'objet Dégoûtant (08:55 PM): Ich hab es nicht bemerkt... obwohl du so nah bei mir gelegen hast... SexPistol (08:56 PM): Weil ich mich halbwegs beherrschen kann... mehr oder weniger und in diesem Moment hattest du wahrscheinlich eh andere Gedanken als sowas... L'objet Dégoûtant (08:56 PM): Woran hast du denn gedacht? SexPistol (08:57 PM): Ich habe daran gedacht, wie du wohl reagieren würdest, wenn ich anfangen würde dich zu streicheln… L'objet Dégoûtant (08:57 PM): So, wie in der Scheune...? SexPistol (08:57 PM): Nein, anders... L'objet Dégoûtant (08:57 PM): Und...wie? SexPistol (08:58 PM): Sagen wir mal so... ich hab dich in der Scheune gestreichelt, damit es dir besser geht und ich etwas von deiner Haut spüre... in meinem Bett hätte ich dich so gestreichelt, dass du nach mehr verlangt hättest… L'objet Dégoûtant (08:59 PM): Mehr? L'objet Dégoûtant (08:59 PM): Wie viel mehr...? Oh, wie neugierig er mich machte…! Warum schrieb er das alles? Wollte er mich rattig machen? Was wollte er damit erreichen? Verarschte er mich gerade? …nein, dazu hatte Reita sicherlich nicht den Charakter. Er verarschte zwar gern Leute, doch er hatte mir schon des Öfteren gesagt, dass er mir gegenüber ehrlich war… Und ich wollte nun alles wissen! SexPistol (08:59 PM): Sehr viel mehr… L'objet Dégoûtant (09:00 PM): So weit, wie du mit Sakito auch gegangen bist? SexPistol (09:01 PM): Ja, vielleicht... aber es wäre anders gewesen. L'objet Dégoûtant (09:01 PM): Warum anders? Sakito wäre sicher viel besser, als ich... L'objet Dégoûtant (09:01 PM): Ich hab sowas noch nie gemacht... SexPistol (09:02 PM): Das hat damit nicht viel zu tun... es geht mehr darum... dass man auch Spaß dabei hat... den hatte ich bei Sakito nur zu einem gewissen Grad. L'objet Dégoûtant (09:02 PM): Glaubst du, du hättest mehr Spaß mit mir? SexPistol (09:03 PM): Ich glaube es nicht nur… ich weiß es. Er machte mich nicht nur verlegen, sondern auch noch rattig! Zumindest glaubte ich das zu spüren… Denn meine Hose wurde irgendwie ziemlich unbequem… Doch trotz allem musste ich mich endlich mehr trauen! Scheinbar gefiel es ihm, wenn ich Fragen stellte. Und auf die wollte ich Antworten… L'objet Dégoûtant (09:04 PM): Willst du mir jetzt sagen, was du unter 'Spaß' so alles verstehst? Ich hab dich schon mal danach gefragt, aber du hast nicht geantwortet... L'objet Dégoûtant (09:04 PM): Und ich bin neugierig... SexPistol (09:05 PM): Was ich unter Spaß verstehe? SexPistol (09:05 PM): Das ist ne gute Frage... SexPistol (09:05 PM): Vielleicht ein richtiges Vorspiel? L'objet Dégoûtant (09:06 PM): Und wie sähe das aus? SexPistol (09:06 PM): Ich würde dich verwöhnen... dich um den Verstand küssen und dabei immer leidenschaftlicher werden, dass du nichts anderes mehr könntest, als zu erwidern… Und wieder formten sich Bilder vor meinem geistigen Auge, wie ich unter ihm lag und er all das mit mir tat, was er soeben beschrieben hatte. Wie er mich küsste, wie er mich mit einem Blick anschaute, getränkt von Lust und Leidenschaft… L'objet Dégoûtant (09:07 PM): Und weiter...? SexPistol (09:08 PM): Ich würde dich langsam ausziehen... mehr von deiner Haut freilegen und sie küssen, dich schmecken und überall meine Zeichen hinterlassen… SexPistol (09:08 PM): Und es würde dir gefallen... Ich schloss für einen Moment die Augen, um die Bilder vor meinen Augen deutlicher zu sehen. Ich stellte mir vor, wie er mir mein Hemd von den Schultern schob und seine Lippen auf meinen Hals legte, sich daran festsaugte und ich stöhnte innerlich auf vor Lust und Verlangen. So fühlte es sich also an, wenn man berührt wurde… Und ehe ich es bemerkte, hatte sich meine Hand zwischen meine Beine verirrt, strich über die Hose und ich schluckte, zog sie etwas irritiert dort weg und schaute wieder auf den Bildschirm, schrieb meine Antwort. Was machte ich eigentlich hier?! L'objet Dégoûtant (09:09 PM): Auch das, was du dann tun würdest? SexPistol (09:11 PM): Ich würde es so tun, dass es dir gefallen würde... ich würde es so machen, dass du den Schmerz vergisst und dich mir vollkommen hingeben würdest… L'objet Dégoûtant (09:13 PM): Du machst mich so verdammt neugierig... ich glaube, ich würde es wollen... wenn es wirklich so schön ist, wie du es beschreibst... SexPistol (09:14 PM): Schön ist es eben nur, wenn dein Partner weiß, was er machen muss... aber mache ich dich damit wirklich so neugierig? L'objet Dégoûtant (09:15 PM): Ja... L'objet Dégoûtant (09:15 PM): Sehr sogar... SexPistol (09:17 PM): Soll ich es dir zeigen? Ich schluckte. Sicherlich war es viel schöner, wenn er selbst es war, der das, was meine Hand soeben getan hatte, machte. Und wollte ich das überhaupt…? Erst einmal brauchte ich Erfahrungen für mich selbst. Ich brauchte Anregungen, ich brauchte einen Anlass, um Erfahrungen zu machen. Er sollte nur weitermachen… denn einen Anfang hatte er ja schon mal gemacht… L'objet Dégoûtant (09:17 PM): Wenn... du es mir zeigen willst... SexPistol (09:18 PM): Oh ja, will ich... L'objet Dégoûtant (09:18 PM): Ich glaube, ich sollte kalt duschen gehen... L'objet Dégoûtant (09:18 PM): Mir ist verdammt heiß... SexPistol (09:19 PM): Kannst ja mit mir zusammen duschen... ich hab gerade ein nicht minder kleines Problem... scheiß bildliches Vorstellungsvermögen... wobei... eigentlich gar nicht mal so schlecht... L'objet Dégoûtant (09:21 PM): Du willst mich also wirklich? SexPistol (09:21 PM): Ich ja... aber hier geht’s darum was du willst… und der Tisch ist zu niedrig, merke ich gerade... L'objet Dégoûtant (09:22 PM): Ich könnte gerade auch ein wenig Hilfe gebrauchen... L'objet Dégoûtant (09:23 PM): Aber ich sitze auf meinem Bett... L'objet Dégoûtant (09:23 PM): Nicht vor einem Tisch... L'objet Dégoûtant (09:23 PM): Glücklicherweise... SexPistol (09:24 PM): Ja, nur dass mein PC etwas zu groß is für mein Bett... und auf deinem Bett fehle eindeutig ich! L'objet Dégoûtant (09:24 PM): Tust du auch... SexPistol (09:25 PM): Und wie wär’s wenn du dir vorstellen würdest ich würde da sein? L'objet Dégoûtant (09:25 PM): Wenn ich das jetzt tue, habe ich erst recht ein Problem... Himmel, ich konnte ja richtig direkt sein! Aber irgendwie gefiel mir dieses unschuldige, trotzdem jedoch verruchte Auftreten meinerseits. Ich mochte gern so sein… und so schrieb ich einfach weiter, denn ihm schien es ja doch zu gefallen… L'objet Dégoûtant (09:26 PM): Aber beim nächsten Mal kannst du mir gern Abhilfe verschaffen, wenn du so willst... L'objet Dégoûtant (09:26 PM): ; ) SexPistol (09:27 PM): Mou~ SexPistol (09:27 PM): Ich hab das Problem schon... L'objet Dégoûtant (09:27 PM): Ich versuche, krampfhaft an etwas anderes zu denken... L'objet Dégoûtant (09:27 PM): Aber es hat dauernd mit dir zu tun... SexPistol (09:28 PM): Dann scheine ich die Wirkung auch auf dich zu haben... komischerweise hatte ich eben an ne alte Oma im Strapsen gedacht... aber dann bist du auf einmal in den Dingern da gewesen... frag mich nicht wo du hergekommen bist… Ich musste schmunzeln. Und nicht nur, weil er sich solch seltsame Dinge vorstellte! Nein, diese Strapse hatte er auch noch mit mir in Verbindung gebracht. Dabei wusste er ja nicht einmal, dass ich mir welche gekauft hatte… und das war schon irgendwie lustig! Ich freute mich auch schon darauf, ihm endlich zeigen zu können, was die anderen mir ausgesucht hatten, denn wenn ich ehrlich war, fand ich es eigentlich doch ziemlich… sexy…? L'objet Dégoûtant (09:29 PM): Ich... war mit Saga und Sakito shoppen... L'objet Dégoûtant (09:29 PM): Und sie haben mir welche gekauft... L'objet Dégoûtant (09:29 PM): Wollte sie am Freitagabend bei Dai anziehen... SexPistol (09:30 PM): Oh, gut… Ablenkung kann ich jetzt knicken... L'objet Dégoûtant (09:30 PM): Gomen! L'objet Dégoûtant (09:30 PM): Tja, vielleicht würde ich dir ja sogar helfen, wenn ich jetzt da wäre... Auch, wenn ich das selber irgendwie bezweifelte. Schließlich hatte ICH ja keinen Plan… L'objet Dégoûtant (09:30 PM): Aber ich komm schlecht hier weg, sonst bin ich tot... L'objet Dégoûtant (09:30 PM): Ich hasse meine Mutter... SexPistol (09:31 PM): Schon okay... ich hab ja gemerkt, dass du wieder Schwierigkeiten zuhause hast... aber vielleicht solltest du einfach mal abhauen... und mir helfen... langsam tut’s weh…! Wieder bildete sich ein Grinsen auf meinen Zügen. Ich musste mir erneut vorstellen, wie er dort saß und ein nicht minder kleines Problem hatte, als ich. Wie er wohl dieselben Gedanken hatte, wie ich und wie er sich all das bildlich vorstellte, was ich mir eben bildlich vorgestellt hatte… und diese Vorstellung war einfach nur zu heiß… L'objet Dégoûtant (09:32 PM): Ich kann nicht... ich würde ja, aber ich kann nicht... L'objet Dégoûtant (09:32 PM): Sonst darf ich Freitag nicht zu dir... SexPistol (09:33 PM): Hm… SexPistol (09:33 PM): Dann muss ich mir eben selber helfen... geht wohl nicht anders... L'objet Dégoûtant (09:33 PM): Hm, wie gern ich dir jetzt dabei zusehen würde... L'objet Dégoûtant (09:33 PM): Ich muss schon die ganze Zeit grinsen... SexPistol (09:34 PM): Grinsen? Das kannst du mir nicht mal mehr aus dem Gesicht wischen... aber ich würde auch gerne mal sehen, wie du’s machst… L'objet Dégoûtant (09:34 PM): Ich bin drauf und dran, es zu tun... SexPistol (09:35 PM): Im Ernst? L'objet Dégoûtant (09:35 PM): Nein, im Detlev... und ich würde nur an dich denken… L'objet Dégoûtant (09:35 PM): Sonst würd ich es niemand anderen tun lassen... Das war ja so wahr. Jetzt wollte ich mich sogar von ihm anfassen lassen…! Er hatte mich einfach zu neugierig gemacht, hatte mich zu sehr in seinen Bann gezogen, denn allein seine Art und was er sagte, lockte mich. Und allmählich verlor ich so ziemlich alle Hemmungen… SexPistol (09:36 PM): Ja, ich bitte drum... ich stell mir auch gerade vor, wie du in den Strapsen auf mir hockst... nette Vorstellung! L'objet Dégoûtant (09:36 PM): Vielleicht tu ich das ja Freitag... L'objet Dégoûtant (09:36 PM): Wenn du lieb 'bitte bitte' sagst... SexPistol (09:37 PM): Ich frage mich gerade wie du betteln kannst, wenn ich dich erlösen soll, es aber nicht mache… L'objet Dégoûtant (09:37 PM): Das wäre verdammt gemein... L'objet Dégoûtant (09:38 PM): Ich würde es dir heimzahlen... SexPistol (09:38 PM): Und wie das? L'objet Dégoûtant (09:39 PM): Ich denke, ich würde dich wehrlos machen und dir einfach nicht das geben, wonach du verlangen würdest... SexPistol (09:39 PM): Das klingt süß... sehr süß... L'objet Dégoûtant (09:40 PM): Hm, tut es das...? Soll ich es mal ausprobieren? Langsam aber sicher wurde ich lockerer, wie ich selber feststellte. Und es gefiel mir, so zu reden und mich so zu benehmen. Es gab mir ein gewisses Gefühl der Freiheit, jedoch auch noch etwas anderes. So etwas wie Befriedigung, denn endlich brauchte und wollte ich mich nicht mehr verstecken, wollte keine Ängste mehr haben. Und Reita half mir dabei… SexPistol (09:41 PM): Und wie... hat sich bei mir noch keine Tussi getraut. L'objet Dégoûtant (09:41 PM): Und ich dürfte es? SexPistol (09:41 PM): Wenn du es willst, gerne… L'objet Dégoûtant (09:42 PM): Bring mich nicht auf falsche Gedanken... L'objet Dégoûtant (09:43 PM): Gut, die hab ich eh schon... L'objet Dégoûtant (09:43 PM): Ich hab noch nie an solche Dinge gedacht vorher... Wieder musste ich an diese Bilder zurück denken, diesmal jedoch dachte ich ein Stück weiter. Ich stellte mir vor, wie Reitas Hände über meinen Schritt strichen, so, wie meine eigene es immer wieder tat, während ich schrieb. Nein, es fühlte sich einfach zu gut an, als dass ich jetzt damit aufhören wollte. Ich wollte mir vorstellen, wie Reita mich berührte und küsste, mich beinahe um den Verstand brachte. So fiel es mir immer schwerer, logische Sätze zu schreiben, denn wie mir auffiel, wurde es immer weniger… SexPistol (09:43 PM): Es kommt für alles ein erstes Mal! SexPistol (09:44 PM): Und es macht doch Spaß... den Schmerz in meinen Leisten mal beiseite... L'objet Dégoûtant (09:45 PM): Schmerz? SexPistol (09:45 PM): Kennst du das nicht? Wenn man eine Latte hat, sich aber keine Sau darum kümmert... dann tut’s weh… L'objet Dégoûtant (09:46 PM): Das merke ich noch nicht... L'objet Dégoûtant (09:46 PM): Aber wenn du jetzt weitermachst, dann vielleicht schon... SexPistol (09:47 PM): Ich... weiß nicht... ich meine... es ist nicht so angenehm... aber andererseits will ich gar nicht aufhören... es macht Spaß... L'objet Dégoûtant (09:48 PM): Mir auch... L'objet Dégoûtant (09:48 PM): Aber es würde mehr Spaß machen, wenn du es wärst, statt meine Hand da unten, oder...? SexPistol (09:48 PM): Ich denke nicht, dass meine Hand da wäre... L'objet Dégoûtant (09:49 PM): Na ja, so verbiegen kann ich mich nicht... aber die Vorstellung reicht schon... Und wie die reichte, denn diese bewegten Bilder vor meinem inneren Auge konnte ich schon gar nicht mehr vermeiden. Die Vorstellung, wie er über mir hockte und sich langsam nach unten küsste, wie er mir die Hose auszog und sich um das kleine Problem, das sich noch immer in meiner Hose befand, kümmerte, war einfach zu verlockend. Und ehe ich mich versah, hatte sich meine eigene Hand unter meine Hose verirrt. Wieder etwas erschrocken zog ich sie hervor, schrieb dann hektisch eine Antwort auf die seine, die er soeben abgeschickt hatte. SexPistol (09:50 PM): Das würde ich schon machen… L'objet Dégoûtant (09:50 PM): Ich brauche wirklich eine kalte Dusche... L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Oder dich... SexPistol (09:51 PM): Nimm mich... das ist einfacher... und schöner! L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Würde ich sofort... wenn meine scheiß verdammte Mutter nicht wäre... L'objet Dégoûtant (09:51 PM): Dann muss ich es wohl selber machen... Ohne weiter darüber nachzudenken, was ich da im Begriff zu tun war, schob sich meine Hand wieder unter den Bund meiner Hose, zog diese ein Stück tiefer und strich über die wachsende Erregung, die sich bereits gebildet hatte. Und es war einfach nur ein atemberaubendes Gefühl – besonders in der Kombination mit der Vorstellung, dass es Reitas Hand war… SexPistol (09:52 PM): Tu das... Und stell dir vor ich wäre da... L'objet Dégoûtant (09:53 PM): Mit deinen Lippen? Da, wo meine Finger gerade sind? SexPistol (09:54 PM): Mit meinen Lippen da, wo deine Finger sind, mit meiner Zunge da, wo es sich am schönsten anfühlt und mit meinen Zähnen, die dich necken würden… Meine Finger strichen fester über mein Glied, ich schloss die Augen erneut und stellte mir vor, wie er all das mit mir tat, dass es sich genauso anfühlte, wie mit meiner Hand dort unten. Ich umfasste meine Erregung, begann sie zunächst nur leicht zu massieren und die Spitze zu necken. Schnell hatte ich herausgefunden, was sich am schönsten anfühlte und ich wiederholte es ein paar Mal. Bis ich schließlich mehr brauchte. Ich wurde fester und schneller in meinen Bewegungen, öffnete kurz die Augen, um nachzusehen, was er wohl noch geschrieben hatte… SexPistol (09:54 PM): Ich würde nur zu gerne wissen, wie du wohl schmeckst... und wie deine Stimme klingt, wenn du so erregt bist, wie gerade, wenn du unter mir nahezu vergehst vor Lust… und wie dein Körper auf all das reagiert, was ich tue, bis du es nicht mehr aushältst… Jetzt hatte er es geschafft. Wieder wurde ich härter mit meinen massierenden Bewegungen, ließ den Kopf in den Nacken fallen und massierte mich in dem Takt, in dem ich mir vorstellte, wie sein Kopf immer wieder in meinen Schoß sank. Gott, diese Vorstellung machte mich wahnsinnig! So verrückt! Und sogar so verrückt, dass ich leise begann zu keuchen, ihm imaginär zeigte, was er soeben beschrieben hatte. Mit einer letzten ruckartigen Bewegung, die meine Hand auf mein Glied ausübte, kam ich in meiner eigenen Hand und gab ein leises Stöhnen von mir. Ich genoss es, wie diese Wellen abklangen, wohl die letzten meines ersten Höhepunktes. Und plötzlich realisierte ich, was ich soeben getan hatte, starrte auf meine Hand und wischte sie mir erschrocken an meiner Wolldecke neben mir ab. Das Ding musste sowieso mal gewaschen werden… Hatte ich gerade wirklich gestöhnt…? Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich solche Laute von mir geben konnte…! Hoffentlich… L'objet Dégoûtant (09:57 PM): …hoffentlich hat meine Mutter das eben nicht gehört... L'objet Dégoûtant (09:57 PM): Sie liegt nebenan im Bett... SexPistol (09:58 PM): Was soll sie denn gehört haben? Irgendwie war es mir ja schon peinlich, es ihm zu schreiben, doch sicherlich gefiel es ihm, genau, wie der Rest vorher auch… und ich durfte nicht verklemmt wirken! Ich durfte nicht! L'objet Dégoûtant (09:58 PM): Sagen wir, den kleinen Laut des Wohlgefallens, als ich gerade an dich gedacht hab... und jetzt müsste ich mir mal die Hände waschen... SexPistol (09:59 PM): Tu das... Das nächste Mal brauchst du es nicht machen… L'objet Dégoûtant (10:00 PM): Brauche ich nicht...? SexPistol (10:00 PM): Sicher nicht! L'objet Dégoûtant (10:00 PM): Hm, die Vorfreude ist groß... L'objet Dégoûtant (10:01 PM): Das war das erste Mal, dass ich sowas gemacht hab... L'objet Dégoûtant (10:01 PM): Das eben... SexPistol (10:01 PM): Echt? L'objet Dégoûtant (10:01 PM): Ja... SexPistol (10:01 PM): Seit ich dich kenne... ist es bei mir zur Gewohnheit geworden… Mit großen Augen starrte ich den PC an und schluckte. Dann war mir das ganze ja umsonst peinlich gewesen! Ich hatte das hier eben zum ersten Mal gemacht und er…? Er machte das regelmäßig, während er an mich dachte…? Irgendwie wollte ich das nicht so recht glauben! Also fragte ich nach… L'objet Dégoûtant (10:01 PM): Meinst du... du denkst an mich, wenn du's dir machst? L'objet Dégoûtant (10:01 PM): Jetzt im Ernst? SexPistol (10:02 PM): Seh ich so aus als würde ich dich verarschen? SexPistol (10:02 PM): Ach, Mist… SexPistol (10:02 PM): Du kannst mich ja gar nicht sehen… SexPistol (10:02 PM): Nein, ich mache keine Scherze. L'objet Dégoûtant (10:02 PM): Und du machst mich verlegen... L'objet Dégoûtant (10:03 PM): Das hat noch nie jemand zu mir gesagt... SexPistol (10:03 PM): Warum sollte ich dich verlegen machen? Ist doch okay... ich freu mich, dass du beim Kommen an mich gedacht hast… L'objet Dégoûtant (10:04 PM): Ich weiß auch nicht... ich hab sowas noch nie gemacht... und hab auch noch nie daran gedacht, mal mit einem Jungen zu schlafen... L'objet Dégoûtant (10:04 PM): Aber bei dir hab ich es getan... SexPistol (10:05 PM): Hast du schon mal daran gedacht mit einem Mädchen zu schlafen? L'objet Dégoûtant (10:05 PM): Ich habe nur mal daran gedacht, wie es wohl bei Aoi und seiner Freundin ist... aber mich habe ich noch nie an seiner Stelle gesehen... SexPistol (10:07 PM): Hm... ach so... SexPistol (10:07 PM): Okay... dann schein ich dich ja etwas verändert zu haben, was diese Ansicht angeht… L'objet Dégoûtant (10:08 PM): Tja, ich sehe mich bei dir wohl eher an der Stelle von Aois Freundin... L'objet Dégoûtant (10:08 PM): Ich bin zu schüchtern für sowas, glaub ich... L'objet Dégoûtant (10:08 PM): Zumindest in der Realität... Sicherlich war das auch ganz die Wahrheit. Ich wollte ihm ja keine falschen Hoffnungen oder Eindrücke von mir geben, die ich nachher gar nicht bewahrheiten konnte. Nicht, dass er nachher von mir Dinge erwartete, die ich nicht tun wollte oder konnte, weil ich einfach zu verklemmt dazu war…? Natürlich, ich wollte nicht verklemmt rüber kommen, doch das hieß ja nicht gleich, dass ich mich auch bei Dingen wie… wie Sex so geben musste…? SexPistol (10:09 PM): Du würdest mich ranlassen? Auf diese Frage dachte ich irgendwie gar nicht über eine Antwort nach… L'objet Dégoûtant (10:09 PM): Ja... SexPistol (10:09 PM): Das sehe ich als Kompliment an. L'objet Dégoûtant (10:10 PM): Ist es auch! Ich würde eigentlich niemanden an mich ran lassen... aber als du mich geküsst hast, wollte ich mich nicht mehr wehren... Wohl Gewohnheitssache. Irgendwie war es noch ein recht seltsames Gefühl, von jemandem begehrt zu werden. Deshalb wollte ich auch niemanden an mich heranlassen außer Reita, denn bei diesem war ich mir nun sicher, dass er nicht einfach so mit mir spielte… SexPistol (10:11 PM): Wenn du dich gewehrt hättest, hätte ich auch sofort aufgehört… L'objet Dégoûtant (10:11 PM): Du würdest jederzeit aufhören? Wenn ich etwas nicht will? SexPistol (10:11 PM): Ja. L'objet Dégoûtant (10:12 PM): Davor hatte ich immer Angst... L'objet Dégoûtant (10:12 PM): Dass jemand weitermacht, obwohl ich nicht will… Und es erleichterte mich, dass er nicht so war. Dann brauchte ich mir auch keine Sorgen zu machen, was den Sex anging? Würde er dort auch nichts von mir verlangen, was ich nicht tu wollte oder konnte? Weil ich es nie vorher getan hatte…? Jetzt fragte ich mich erst recht, wie Sex mit Reita wohl aussehen würde… SexPistol (10:12 PM): Solche Leute gibt es auch... L'objet Dégoûtant (10:12 PM): Deshalb hab ich auch nie jemanden an mich heran gelassen... SexPistol (10:13 PM): Also aus Angst, dass man dir wehtut... das kann ich nachvollziehen. L'objet Dégoûtant (10:13 PM): Aber du tust mir nicht weh, oder? L'objet Dégoûtant (10:13 PM): Versprich es... SexPistol (10:15 PM): Wie soll ich sagen? Ich würde dir niemals absichtlich wehtun... das kann ich dir versprechen... aber unbeabsichtigt... ist es was anderes... Ich wollte nur sicher gehen, dass er mir nicht mit Absicht wehtat, ganz gleich, worum es ging. Sex, Wutausbrüche von ihm, Gefühle… was auch immer. Wobei ich das mit den Wutausbrüchen ja doch noch für am unwahrscheinlichsten hielt… L'objet Dégoûtant (10:15 PM): Wenn es keine Absicht ist, dann kann ich es verzeihen... L'objet Dégoûtant (10:16 PM): Aoi und Ruki haben mir absichtlich wehgetan, das kann ich nicht verzeihen! SexPistol (10:17 PM): Dann verspreche ich dir, dass ich dir nicht wehtun werde. L'objet Dégoûtant (10:17 PM): Das ist schön… SexPistol (10:18 PM): Schön ist, dass du dich mir anvertraust… L'objet Dégoûtant (10:18 PM): Wieso sollte ich nicht? Bei dir ist es was anderes... SexPistol (10:18 PM): Es gibt genug, die es nicht machen... aber umso mehr freue ich mich, dass du es machst. L'objet Dégoûtant (10:19 PM): Echt? SexPistol (10:19 PM): Ja! L'objet Dégoûtant (10:20 PM): Ich habe das Gefühl, dass ich es bei dir machen kann... SexPistol (10:20 PM): Dann tu es… L'objet Dégoûtant (10:20 PM): Ich weiß auch nicht! L'objet Dégoûtant (10:20 PM): Es ist ein bisschen seltsam... Ich wusste selbst nicht, wie ich es beschreiben sollte, doch seltsam war es allemal, da Reita Gefühle und Empfindungen in mir weckte, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass sowas existierte bei mir. Noch nie im Leben hatte ich mich verliebt oder ähnliches, hatte mir wegen jemandem so viele Gedanken gemacht, wie zum Beispiel über die Tätigkeiten beim Sex und ob es mir peinlich sein würde… Vielleicht sollte ich vorher Alkohol trinken, dachte ich mir, dann würde ich das wohl auch alles hemmungslos durchziehen! Es reichte ja schon ein kleines bisschen, wie ich auf der Scheunenfete festgestellt hatte… SexPistol (10:20 PM): Seltsam? L'objet Dégoûtant (10:20 PM): Na ja, bei dir ist es wirklich... uhm, anders... L'objet Dégoûtant (10:20 PM): Ich kann's nicht erklären... L'objet Dégoûtant (10:21 PM): Ist ja egal...! SexPistol (10:21 PM): Stimmt... solange es da ist, ist es okay… L'objet Dégoûtant (10:21 PM): Und ich will auch nicht, dass es anders wird... L'objet Dégoûtant (10:21 PM): Na ja, ich muss dann gehen... L'objet Dégoûtant (10:22 PM): Sehen wir uns morgen im Bus? SexPistol (10:22 PM): Klar sehen wir uns! L'objet Dégoûtant (10:22 PM): Okay! L'objet Dégoûtant (10:22 PM): Morgen ist schon Donnerstag... SexPistol (10:22 PM): Ja ist doch toll! L'objet Dégoûtant (10:22 PM): Find ich auch! L'objet Dégoûtant (10:23 PM): Hat Dai eigentlich Geburtstag oder ist es einfach nur eine Feier? L'objet Dégoûtant (10:23 PM): Ohne Anlass? SexPistol (10:23 PM): Es ist einfach so ne Feier… L'objet Dégoûtant (10:24 PM): Tja, er kann's ja machen... L'objet Dégoûtant (10:24 PM): Groß genug ist die Hütte ja... SexPistol (10:24 PM): Klar! SexPistol (10:24 PM): Und er schmeißt gerne mal ne Party… SexPistol (10:24 PM): Wir treffen uns öfter bei ihm! L'objet Dégoûtant (10:25 PM): Cool... könnte ich nie machen... dabei hab ich bald Geburtstag und ich kann nicht mal feiern... L'objet Dégoûtant (10:25 PM): Ich darf nicht... SexPistol (10:25 PM): Wann hast du denn Geburtstag? L'objet Dégoûtant (10:26 PM): Im Juni... SexPistol (10:26 PM): Datum, bitte! L'objet Dégoûtant (10:26 PM): Am 9. … SexPistol (10:26 PM): Okay. L'objet Dégoûtant (10:27 PM): Was ‚okay’? SexPistol (10:27 PM): Dann bekommst du ein Geschenk! Was sollte das denn nun? Was meinte er mit ‚Geschenk’…? Ich wollte kein Geschenk! Was auch immer es war, ich wollte Reita nichts schuldig sein und auch in nichts nachstehen. Ich hatte schließlich kein Geld, um ihm auch etwas zu schenken… wann auch immer er Geburtstag hatte… L'objet Dégoûtant (10:28 PM): Geschenk? Ich will kein Geschenk... L'objet Dégoûtant (10:28 PM): Ich hab auch sonst nie mehr als einen Kuchen bekommen... SexPistol (10:28 PM): Dann bekommst du dieses Jahr eben Geschenke... wie gesagt, es gibt für alles ein erstes Mal… L'objet Dégoûtant (10:29 PM): Ihr braucht mir nichts zu schenken... SexPistol (10:30 PM): Wir machen eine Feier. SexPistol (10:30 PM): Für dich. L'objet Dégoûtant (10:31 PM): Ernsthaft jetzt? L'objet Dégoûtant (10:31 PM): Und wo dann? L'objet Dégoûtant (10:31 PM): Sicher nicht hier bei mir... SexPistol (10:31 PM): Nein… SexPistol (10:31 PM): Das nicht… SexPistol (10:31 PM): Wir machen das bei Die! L'objet Dégoûtant (10:31 PM): Das dürfen wir? SexPistol (10:32 PM): Was heißt hier ‚dürfen’? Die wird uns das eh anbieten… Meine Augen, so glaubte ich zu spüren, brannten leicht. Warum das, das wusste ich selbst nicht so genau. Scheinbar weil ich mich freute…? Noch nie hatte ich meinen Geburtstag feiern dürfen, weil meine Eltern zu geizig gewesen waren oder das Haus einfach nur zu klein – irgendeine Ausrede hatten sie immer gefunden, um einer Feier für mich zu entgehen. Und nach ein paar Mal fragen hatte ich aufgegeben… L'objet Dégoûtant (10:32 PM): Uhm... okay... dann soll's mir recht sein... L'objet Dégoûtant (10:32 PM): Aber das ist dann schon Geschenk genug! L'objet Dégoûtant (10:32 PM): Mehr will ich nicht! SexPistol (10:32 PM): Das lass mal mich entscheiden. L'objet Dégoûtant (10:33 PM): Mach dir wegen mir keine Umstände... L'objet Dégoûtant (10:33 PM): Ich hab noch nie was bekommen und will, dass es auch so bleibt... L'objet Dégoûtant (10:34 PM): Es ist schon ein tolles Geschenk, dass ihr mir überhaupt eine Feier organisieren wollt... L'objet Dégoûtant (10:34 PM): Das hab ich gar nicht verdient, wenn du mich fragst... SexPistol (10:35 PM): Aber in der Hinsicht fragt dich niemand... eigentlich hättest du mehr verdient und ich will keine Widerrede hören... ich tu dir gerne was Gutes, musst du wissen… L'objet Dégoûtant (10:36 PM): Na meinetwegen... L'objet Dégoûtant (10:36 PM): Wenn du unbedingt willst... SexPistol (10:36 PM): Ja! SexPistol (10:36 PM): Und wehe du freust dich dann nicht! L'objet Dégoûtant (10:37 PM): Du weißt nicht, wie ich mich darüber gerade freue! Nein, er hatte wirklich keine Ahnung, denn ich hatte die Tränen in den Augen. Jedoch war mein Stolz zu groß, diese jetzt raus zu lassen… immerhin war der Bildschirm ja schon ganz verschwommen… L'objet Dégoûtant (10:37 PM): Sowas hat noch nie jemand für mich gemacht... L'objet Dégoûtant (10:37 PM): Meine Eltern waren immer zu geizig... L'objet Dégoûtant (10:37 PM): Und unser Haus zu klein! SexPistol (10:38 PM): Tja, Daisukes Haus ist groß genug! L'objet Dégoûtant (10:38 PM): Na gut... L'objet Dégoûtant (10:38 PM): Aber ich muss nun wirklich gehen... L'objet Dégoûtant (10:38 PM): Sonst komm ich morgen nicht aus dem Bett... SexPistol (10:38 PM): Ja, okay, Kleiner! L'objet Dégoûtant (10:39 PM): Hey, nenn mich nicht so... L'objet Dégoûtant (10:39 PM): Du weißt gar nicht, ob ich kleiner bin...! SexPistol (10:40 PM): Ich werde es aber bald wissen, von daher… L'objet Dégoûtant (10:40 PM): Meinst du...? L'objet Dégoûtant (10:40 PM): Na, mal sehen! SexPistol (10:40 PM): Kann schon sein... Wieder musste ich grinsen auf diese Anspielung hin, denn irgendwie hatte ich Gefallen an dieser Art von Spaß gefunden. Es war wohl eben einfach Reitas Humor und ich mochte ihn, um ehrlich zu sein… Plötzlich vernahm ich von nebenan ein Poltern, was mich dazu veranlasste, zuerst auf die Uhr und dann wieder auf meinen PC zu schauen. Meine Mutter würde mich umbringen, wenn ich jetzt noch irgendwelchen Krach machte…! L'objet Dégoûtant (10:40 PM): Uhm... wir... sehen uns dann morgen! L'objet Dégoûtant (10:41 PM): Bis dann also...! SexPistol (10:41 PM): Ja, wir sehn uns… SexPistol (10:41 PM): Und schlaf gut! L'objet Dégoûtant (10:41 PM): Du auch... SexPistol (10:41 PM): Träum was Schönes! L'objet Dégoûtant (10:41 PM): Hai, du auch! SexPistol (10:41 PM): Bis Morgen! L'objet Dégoûtant (10:41 PM): Baibai! So schaltete ich den PC so schnell ich konnte aus, nahm meine Wolldecke und schlich mich damit leise ins Bad, damit meine Mutter auch ja nicht wach wurde. Wenn sie das nicht ohnehin schon war. Im Bad dann hielt ich die Decke mit meinen ‚Spuren’ unter das fließende Wasser, denn diese Flecken waren nicht gerade klein und sicherlich würde meine Mutter erkennen, was es war… zumindest konnte ich mir das denken und auf ihre dummen Anspielungen oder noch einer Flasche, die sie mir über den Schädel zog wegen dieser Kleinigkeit, konnte ich wirklich verzichten. Als ich die gröbsten Spuren beseitigt hatte, stopfte ich die Decke in die Wäschetonne und schloss diese wieder, ehe ich mich zum Waschbecken umdrehte und einen Waschlappen feucht machte. Dann zog ich mir die Hose aus und wischte mich sauber, denn auch an meinem Unterleib waren Spuren übrig geblieben. Zwar hatte es sich wundervoll angefühlt, aber es war nun doch eine riesige Sauerei, wie ich feststellen musste… und mit Reita statt meiner Hand war es sicherlich um einiges sauberer, wie ich mir denken konnte… Gut, diesen Gedanken packte ich auch schnell wieder weg! Als ich nun auch den Waschlappen in der Wäsche entsorgt hatte, putzte ich mir noch die Zähne und schminkte mich ab, ehe ich mich zurück auf den Weg in mein Zimmer machte. Und während ich so im Bett neben meinem ausgeschalteten PC lag, dachte ich mal wieder an dieses Gespräch zurück. Es ließ mich noch immer breit grinsen, wenn ich daran dachte, dass Reita wohl nichts anderes getan haben musste als ich, denn irgendwann hatte er das Thema einfach unter den Tisch fallen lassen. Schon seltsam, denn dass ihn das kalt gelassen hatte, konnte ich mir eben überhaupt nicht vorstellen. Oder er war wirklich ein guter Märchenerfinder… Dies war auch mein letzter Gedanke, mit dem ich mich ins Land der Träume begab. © ~*~*~*~*~*~ An dieser Stelle wieder ein großes DANKESCHÖN an ReiRei, dass sie meinen Reita gespielt hat^^! *grins* War ne witzige Erfahrung, sowas zu schreiben xD~ *knuddel* Lieb dich mein Hase^^! Bis zum nächsten Kapitel^^! またね! Kapitel 14: Initiative ---------------------- -14- Initiative Hektisch packte ich meine Schminksachen weg und schlüpfte dann in meine neuen Klamotten, die ich mir zum Glück schon vor dem Mittagsschlaf rausgelegt hatte. Und natürlich hatte ich diesen viel zu lang genossen! Schon zum fünften Mal in zehn Minuten schaute ich auf die Uhr, stellte fest, dass es immer später wurde und ich verfluchte mich dafür, dass ich meinen Wecker dummerweise vergessen hatte anzustellen! Ich war ja so ein Idiot! Sicherlich würde man sich fragen, wo ich denn blieb, wenn ich nun noch langsamer war und den ganzen Weg zu Daisuke rennen musste, mein Make-up, das ich standardmäßig aufgetragen hatte (eben mit Lidfalte und Gloss) mir bis zum Kinn herunter gelaufen war und meine Gliedmaßen schmerzten, weil ich hatte rennen müssen. Das wollte ich mir dann doch lieber ersparen und so plante ich es gar nicht erst mehr ein, mein Zimmer noch etwas aufzuräumen oder den PC auszuschalten, sondern zog gleich den Stecker und schmiss ihn achtlos beiseite. Als ich alles soweit angezogen und den letzten Reißverschluss zugezogen hatte, schnappte ich mir meine Umhängetasche und packte das Nötigste ein wie Schlüssel, ein bisschen Restgeld und Spiegel, Sachen zum nachschminken und eine Flasche Haarspray, denn meine Haare hatte ich mir heute einfach zu mühevoll gestylt. Bestimmt hatte ich über die Hälfte der Flasche sinnlos in der Gegend versprüht, da das zielen wohl doch noch nicht so recht klappen wollte… und ein Glück, dass mein Rauchmelder im Zimmer nicht richtig funktionierte! Ich zog mir noch schnell meine Schuhe an, ging dann mit meiner Tasche nach unten und suchte meine Jacke im Schrank. Dabei dachte ich schon gar nicht mehr daran, dass meine Mutter auch noch zuhause war und bemerkte diese auch erst, als sie hinter mir stand. „Sag mal, wo geht’s denn hin, mein Freund?“, lallte sie, scheinbar schon wieder ziemlich betrunken und schaute mich im Spiegel, vor dem ich gerade stand, um meinen Mantel richtig anzuziehen, skeptisch an. Ich sah ihren musternden Blick, der an meiner Strapse hängen blieb und ich schluckte. „Weg…?“, murmelte ich kleinlaut, doch schon brach, wie erwartet, das Donnerwetter über mir ein… „Hast du sie noch alle?! In dem Aufzug rennst du mir nicht durch die Straßen, mein Freund! Du siehst ja aus wie eine männliche Hure! Sofort wieder nach oben in dein Zimmer oder ich trete dir in den Arsch!“, brüllte und keifte sie, schwenkte ihre Bierflasche in der Hand und deutete zur Treppe, zu der mein Blick kurz wanderte. Wunderbar, jetzt musste ich mich auch noch von meiner besoffenen Mutter aufhalten lassen! Besser hatte es ja gar nicht laufen können, denn nun konnte ich mit weiteren 10 Minuten Verspätung rechnen. „Mama, das sieht doch sowieso keiner unter dem-“ „Ist mir egal, verzieh dich jetzt nach oben, aber sofort!“, unterbrach sie mich einfach und langsam wurde ich sauer. Was brachte denn diese Diskussion? Ich würde trotzdem gehen, das stand fest, und umziehen würde ich mich erst recht nicht! Schließlich hatte ich so einigen Leuten versprochen, so aufzukreuzen! Und da ließ ich mich doch nicht einfach so von meiner Mutter abhalten…! „Du kannst mich mal, ich bin eingeladen! Meinst du, ich bleib jetzt den ganzen Abend hier hocken?!“, fauchte ich dann, zog mir demonstrativ den Reißverschluss meines Mantels zu und schnappte mir meine Tasche, rauschte an ihr vorbei zur Tür und es war mir ja mal sowas von scheißegal, was sie dazu sagte! Ich hörte ihr Fluchen und ihr Keifen, als ich die Tür aufriss und sie einfach hinter mir zuschlug, ehe sie einen Moment später wieder aufgerissen wurde. Doch es kümmerte mich einen Scheißdreck, auch nicht, dass sie mir diverse Drohungen hinterher brüllte. Sollte sie doch machen, was sie wollte, denn ICH tat das ganz sicher und heute Abend war nun mal Spaß haben angesagt! Und da ich eh schon viel zu spät war, lief ich gleich noch einen Schritt schneller, nicht zuletzt um endlich aus meinem erbärmlichen Wohnblock raus zu kommen. Irgendwie befürchtete ich dann doch, dass man mich sehen könnte in diesem Aufzug und ganz geheuer war es mir doch noch nicht, so rum zu laufen. Obwohl ich mich selber doch schon ziemlich… sexy fand! Endlich war ich an der großen Kreuzung angelangt und überquerte die Hauptstraße, lief dann die paar Meter zu der Straße, die rechts einbog und zu Daisukes Haus führte. Schon von weitem hörte man hier Musik und Leute reden, denn Daisukes Haus war ja doch nicht ganz so weit von der Straße entfernt. Und ich freute mich zunehmend auf das bevorstehende. Sicherlich waren auch einige Leute von der Scheunenfete da und auf solchen Partys wie diesen lernte man sich bestimmt auch besser kennen. Umso besser, dachte ich mir, denn ich wollte ja schließlich auch neue Leute kennen lernen! Als ich das Haus endlich erreicht hatte, kamen mir gleich ein paar neugierige Menschen entgegen und begrüßten mich einfach so, was ich irgendwie recht amüsant fand. Dabei kannten sie mich ja noch nicht einmal! Doch scheinbar hatten sie gleich an meiner Aufmachung erkannt, dass ich wohl zu ihnen gehörte… Witzig! Die Tür des Hauses stand sperrangelweit offen, sodass die Musik nur noch deutlicher zu hören war und die Leute schienen hier ein- und auszugehen. Was mich ja nicht weiter zu stören brauchte, deshalb blieb mir ja auch das Klingeln erspart. Und gerade, als ich die ersten Stufen zur Wohnung betrat, kam mir ein Rotschopf entgegen, der eine riesige Flasche mit einem blauen Getränk darin in der Hand hielt und in der anderen eine Zigarette. Er grinste breit, als er mich sah und kam auf mich zu, legte einen Arm um meine Schulter und sang weiter zur Musik mit. „Uru-chan, Uru-chan, Uru-chan, willkommen in meiner Prachtvilla! Es warten schon einige auf dich“, grinste er, deutete dann hinter sich und klopfte mir dann freundschaftlich auf die Schulter. Lustige Begrüßung… „Ach was“, antwortete ich ebenfalls leicht grinsend, „hätte ich gar nicht erwartet. Wo findet man denn meinen Fanclub?“, fragte ich einfach mal aus Spaß, woraufhin er begann zu lachen. „Im Wohnzimmer bei der Sitzecke am Kamin, kannst du gar nicht verfehlen!“, flötete er, woraufhin er mit seinem blauen Getränk wieder verschwand. In diesem Moment fiel mir auf, wie sehr sich diese bläuliche Farbe doch mit seinen Haaren biss… Doch das konnte mir ja jetzt auch egal sein. So machte ich mich auf den Weg in die Wohnung, sah mich im Flur um und fand auch gleich schon ein paar leere Bierflaschen vor, die sinnlos aber dekorativ in der Gegend rum standen. Wie ich bereits schon einmal festgestellt hatte, war das alles ziemlich groß hier, auch, wenn das Haus von außen recht unscheinbar wirkte. Doch es beeindruckte mich immer wieder aufs Neue. Es kamen mir einige schon recht angetrunkene Menschen entgegen, die mich interessiert musterten und ab und an auch lächelten, mir zunickten und einer umarmte mich sogar zur Begrüßung. Ich glaubte mich erinnern zu können, dass es der blauhaarige war von der Scheunenfete, mit dem sich die anderen unterhalten hatten. Seltsamer Kerl, denn jetzt erkannte ich ihn auch als einen solchen – er hatte schon ein recht feminines Gesicht, wie ich fand. Aber aufgrund des doch sehr engen und gewagten Oberteils konnte ich keinerlei Oberweite erkennen… Schon seltsam, wo ich so überall hinstarrte… Ich ging nun also zur Garderobe, von wo aus man einen wunderbaren Blick ins Wohnzimmer hatte. Und dort starrte ich auch gleich mal voller Neugierde rein. Jeglichen Gedanken an meine Mutter oder sonstige Dinge hatte ich vergessen, denn jetzt suchte ich nach der Person, an die ich eigentlich die ganze Zeit über dachte und gerade schon wieder denken musste. Er saß mit Saga und ein paar anderen in der Sitzecke am Kamin, unterhielt sich und lachte, sah meiner Meinung nach einfach nur zu göttlich aus. Er hatte seine Haare wieder zu einem Iro gestylt und noch krassere Kleidung als sonst an. Er trug oben rum ein verdammt figurbetontes, schwarzes, ärmelloses Shirt, darüber eine Weste, die jeder Beschreibung spottete. Zerrissen war noch untertrieben. Sie war aus Jeans und mit vielen Flicken darauf und Buttons, wie ich zu erkennen meinte. Seine Hose war ebenfalls schwarz und eher weit geschnitten, zerrissen und mit weißen, dicken Nähten wurde sie zusammen gehalten. Niedlich… Und dann fiel sein Blick zu mir rüber, ich sah das Grinsen auf seinen Zügen und es schien gleich auf mich über zu gehen. Irgendwie musste ich gerade an das Gespräch im ICQ vom Vortag denken und es machte mich leicht verlegen, woraufhin ich mich schnell abwandte. Ich wusste nun zwar nicht mehr, ob sein Blick noch auf mir lag, doch meine Jacke musste ich ja trotzdem loswerden. Also legte ich meine Tasche beiseite in das Regal, wo noch zig andere Taschen lagen und zog den Reißverschluss meines Mantels auf. Genau in diesem Moment sprang mich etwas von hinten an, was mich beinahe umfallen ließ und ich hörte nur noch ein lang gezogenes „Uruha!“, ehe ich wusste, wer mich da soeben fast umgehauen hatte. Sakito… „N’Abend Saki…“, brachte ich dann gerade noch hervor, ehe er mich auch wieder losließ und mich freundschaftlich umarmte. Natürlich erwiderte ich das auch gleich. „Hast du es an? Hast du es an?“, fragte er neugierig, war anscheinend schon ordentlich betrunken, denn so gesprächig und aufgedreht war er doch sonst nicht! Und als ich nickte, grinste er nur noch breiter, zupfte an meiner Jacke. „Ausziehen!“ Ich lachte kurz, ehe ich mir dann den Mantel von den Schultern zog und er mir sogleich von Sakito aus der Hand gerissen wurde. Einen Moment lang schaute ich nur etwas verdutzt, sah aber dann, wie dieser ihn aufhängte und mich musterte. „Mann, aufgestylt siehst du damit sogar noch besser aus, Baby! Hätte ich gar nicht erwartet!“ Wie nett, dachte ich mir, grinste aber trotzdem und besah mir Sakitos Outfit. Und etwas knapperes hatte er wohl nicht mehr im Schrank gehabt. Seine Hotpants zeigten mehr Haut, als dass sie sie bedeckten und die Stiefel die ihm bis über die Knie reichten und aus Lackleder waren hatten einen bombastischen Absatz. Das Oberteil war bauchfrei, der Armschmuck über alle Maßen verziert und so weiter und so fort… Sakito eben! „Warum bist du eigentlich so spät?“, fragte er mich, legte einen Arm um meine Hüfte und führte mich langsam mit ins Wohnzimmer, schaute mich neugierig an und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. Und ich wollte eigentlich nur ungern antworten, doch Sakito war schon derart betrunken, dass er die Antwort sicherlich nach fünf Minuten schon wieder vergessen haben würde. „Na ja“, meinte ich schmunzelnd, „meine Mutter hatte ein kleines Problem mit meinen Sachen heute Abend, deshalb hab ich etwas länger gebraucht!“ Und scheinbar gab er sich mit dieser Antwort auch zufrieden, da er mich nun losließ und mir noch einmal lieb zulächelte, ehe er sich wieder auf den Weg zu Ni~ya und ein paar anderen hinten am Tisch machte, sich auf dessen Schoß setzte. Und sogleich wurde ich auch schon von dem nächsten begrüßt. Nämlich Saga. Und auch dieser hatte ein wissendes Grinsen im Gesicht, stand auf, kam mir entgegen und fiel mir lediglich um den Hals. „Schön, dich zu sehen! Bist ja ein richtiger Blickfang heute Abend“, säuselte er, schaute mich von oben bis unten an und zwinkerte kurz – wieso auch immer. Aber eigentlich konnte ich es mir ja doch denken. Er hatte schließlich schon herausgefunden, dass ich mich über alle Maßen in Reita verknallt hatte… und auch deshalb grinste er wahrscheinlich so! Aber gut, er hatte diese Klamotten mit mir ausgesucht und er schien wohl gewusst zu haben, dass Reita sowas gefiel… Und davon würde ich mich auch gleich überzeugen, denn Reita war wohl der nächste, der auf der Liste zum begrüßen stand. Ich grinste zu ihm rüber, er schaute mich noch immer mit demselben Blick an, wie zuvor und ich bekam allein davon schon eine Gänsehaut. Auch, wenn sich dieses Kribbeln im Bauch mit etwas Nervösität vermischte, so mochte ich das Gefühl… Nun stand auch er auf, stellte seine Flasche auf den Kaminsims und lächelte mich wieder zuckersüß an, was mit seinem Nasenband nur noch niedlicher aussah, wie ich fand. Mann, wie konnte man nur so gut aussehen…?! „Na, meine Schönheit“, grinste er, zog mich in seine Arme und ich schmiegte mich unbewusst an ihn. Er roch verdammt gut, hatte an diesem Abend wohl noch nicht geraucht. Und sein Parfum war ein Traum… Gott, schon irgendwie kindlich, so von ihm zu schwärmen… „Warum bist du denn so spät?“, fragte er, als er sich leicht von mir gelöst hatte, mich aber trotzdem noch im Arm hielt. Na wunderbar, jetzt durfte ich die ganze Geschichte noch einmal erklären, doch Reita war nicht annähernd betrunken, wie es aussah und so würde er es wohl behalten. Aber gut, ich hatte ihm ja schon ganz andere Dinge erzählt, als so etwas. Und es war ja wirklich nicht die Welt gewesen… „Ach, meine Mutter hat mich aufgehalten“, begann ich, doch ehe ich weiter erklären konnte, stutzte ich, denn Reitas Gesichtsausdruck hatte sich um einiges verfinstert. „Ich hoffe, die hat dich nicht angefasst oder schlimmeres…“, knurrte er auf einmal sehr ernst, was mich allerdings zum lächeln brachte. Machte er sich etwa Sorgen um mich? Bloß, weil ich meine Mutter im Zusammenhang mit meinem Verspätungsproblem erwähnt hatte…? „Keine Sorge“, winkte ich ab und setzte einen unschuldigen Blick auf, „die wollte mich nur nicht so rauslassen, wie ich jetzt angezogen bin…“ Und daraufhin wanderte Reitas Blick um einiges tiefer, er stellte sich ein Stück weit von mir weg und grinste mich dann an. Ich wusste, was er mir damit sagen wollte, doch ich traute mich irgendwie nicht, ihm noch weiter in die Augen zu sehen und senkte etwas schüchtern lächelnd meinen Blick. Denn seiner hatte schon alles verraten… „Du siehst aber auch verboten heiß aus… wundert mich, dass dich auf der Straße noch keiner überfallen hat“, scherzte er, woraufhin er mich dann einfach zurück zur Sitzecke zog und den anderen deutete, etwas Platz zu machen, damit wir uns zu ihnen auf den Boden gesellen konnten. Ich wusste bloß nichts auf Reitas überdeutliches Kompliment zu erwidern. Sicherlich hatte er Recht mit dem, was er sagte, doch glücklicherweise hatte die Strapse dank des langen, schwarzen Mantels niemand sehen können auf dem Weg hierher. Also erwiderte ich einfach mal gar nichts mehr darauf, außer ein leises Dankeschön. Gleich, als ich mich neben Reita niedergelassen hatte, reichte er mir eine volle Flasche Bier und ich nahm sie grinsend an, den Blick noch immer nicht von Reita abwendend. Ich schaute ihm dabei zu, wie er mich nochmals musterte und sich scheinbar unbewusst über die Lippen leckte. Woraufhin ich leise lachen musste. Er schaute mich an, legte den Kopf leicht schief und trank dann einen Schluck von seinem Bier, schien zu wissen, wieso ich gelacht hatte. „Brauchst nicht lachen, du solltest eigentlich wissen, was für eine Wirkung du mit den Sachen auf andere hast…“, raunte er, woraufhin ich plötzlich ein paar Finger an meinen halbnackten Oberschenkeln spürte, die mit einem der Strapsbänder spielten. Ich schluckte trocken, grinste dennoch und schaute kurz zu besagter Hand, musste mich aus irgendeinem Grund an die Scheunenfete erinnern, wo seine Hand sich in ähnlichen Sphären bewegt hatte… „Doch, das weiß ich“, antwortete ich ihm und nahm nun selber einen Schluck meines Biers, „und ich finde diese Vorstellung gar nicht so schlecht, wenn ich ehrlich bin.“ Scheinbar überraschten ihn diese Worte, doch das Grinsen war genauso schnell wieder zurückgekehrt, wie es verschwunden war. Er schien gemerkt zu haben, dass ich allmählich etwas selbstbewusster wurde und eigentlich gefiel ich mir selber so ganz gut… besser als vorher, wenn ich ehrlich zu mir war. „Ich bin ganz deiner Meinung“, stimmte er mir dann zu und wandte sich einen Moment lang ab, da er scheinbar angesprochen wurde. Doch selbst während er sich unterhielt schien ich seine volle Aufmerksamkeit zu haben, denn er legte nun einen Arm um mich, zog mich mit sich nach hinten und in eine bequemere Position. Den Arm behielt er dort, wo er ihn platziert hatte und schien mich auch nicht so schnell mehr loslassen zu wollen. Was mich allerdings nicht sonderlich störte… Während er sich noch unterhielt, schaute ich mich etwas im Raum um. Ich sah rüber zu Sakito und Ni~ya, die beide eng umschlungen auf der Bank saßen und ab und an auch Kommentare zu den momentan geführten Gesprächen einwarfen, die längste Zeit jedoch scheinbar miteinander beschäftigt waren. Und ansonsten waren an diesem Tisch nur Typen zu sehen, die meiner Meinung nach mehr als nur schräg aussahen. Manche bunt gekleidet und mit Plastikhaarteilen auf dem Kopf, andere mit verrückten Frisuren und düsteren Klamotten und wieder andere, die einfach nur wirr aussahen mit den vielen Streifen und Mustern an den Klamotten… Insgesamt sahen die Leute, die sich hier aufhielten, jedoch recht sympathisch aus und man schien viel Spaß haben zu können. Wie ich es auch erwartet hatte. Als ich zur Tür des Wohnzimmers schaute, sah ich Daisuke mit ein paar anderen reinkommen und er schaute zu uns in die Ecke rüber, woraufhin er dann den kleinen blonden neben sich anstieß und dieser Daisukes Blick folgte. Er sagte irgendetwas zu dem Rotschopf, doch an seinen Lippen konnte ich leide nicht ablesen, was es war – und irgendwie war es mir urpeinlich, dass sie mich so anstarrten und über mich zu reden schienen. Daher versuchte ich auch halbwegs zu verbergen, dass ich sie dabei beobachtete, wie sie mich beobachteten. Was redeten sie über mich…? „Was ist?“, fragte Reita neben mir dann plötzlich und schaute mich fragend an, ich konnte spüren, wie er mich näher zu sich zog und ich musste unweigerlich wieder grinsen. „Nichts“, antwortete ich ihm, „ich schaue mir nur die Leute an!“ Einen Moment überlegte ich, ob ich nun fragen sollte, oder nicht, denn meine Frage ging doch schon über das Niveau an Courage aus, das ich besaß, doch wie hatte ich mir immer zugeredet…? Initiative! „Krieg ich jetzt endlich wieder ein bisschen Beachtung von dir…?“, stellte ich dann also meine Frage und grinste süffisant, meinte es natürlich ganz anders, als ich es ausgesprochen hatte. Und er schien es verstanden zu haben. „Du fühlst dich vernachlässigt…?“, fragte er zurück, drehte sich etwas mehr zu mir und grinste ebenso wissend, wie er es so oft tat, während sein Blick von meinen Augen etwas niedriger wanderte. Ich wusste, wo er gerade hinsah… „Hm, und wie“, knurrte ich und vergrub meine Finger in seiner Weste, setzte meinen Dackelblick auf und spielte ein bisschen Schlampe, indem ich die Beine übereinander schlug und den Kopf etwas in den Nacken lege, mich leicht räkelte. Und dieser Anblick schien ihm durchaus zu gefallen, da er seinen Blick erneut über meinen Körper wandern ließ und eine Hand auf mein oberes linkes Bein legte, das Strapsband etwas hochhob und es dann abrupt wieder losließ, sodass es leicht ziepte. Was mir jedoch nicht sonderlich viel ausmachte, da ich gerade anderweitig beschäftigt war, etwa damit, seinen eben begonnenen Kuss zu erwidern. Ich hatte dieses Gefühl zugegebenermaßen wirklich vermisst. Zwar war es noch nicht allzu lang her, dass wir uns das letzte Mal geküsst hatten, doch ich hatte es jetzt schon vermisst… seltsam! So ein derartiges Verlangen nach seiner Nähe hatte ich noch bei keinem anderen Menschen gefühlt. Ich genoss jede Sekunde, in der er mir seine Nähe schenkte, in der er bei mir war und besonders, wenn er mich so berührte, wie jetzt. Ich musste mir wohl oder übel eingestehen, dass ich hoffnungslos verliebt war… Seine Finger konnte ich nun in meinem Nacken spüren, sie strichen meine Haare beiseite und berührten meine Haut dort nur ganz leicht, kaum spürbar. Dann folgte er dem Kettenband nach vorn, legte seine Hand an meinen Hals und löste sich von meinen Lippen, was mich schlucken ließ. Zwar konnte ich mir denken, was er vorhatte, doch immerhin hatte es ja vorher noch nie jemand bei mir getan und so kostete es mich etwas Überwindung, ihn nicht von mir zu drücken. Doch ich ließ es zu, als er seine Lippen leicht über meine Haut zog und legte den Kopf in den Nacken. Wie von selbst legte sich eine meiner Hände in seinen Nacken, den anderen Arm schlang ich um seine Hüfte, um ihn etwas näher zu ziehen. Und er folgte sogar! Gott, es machte mich einfach nur wahnsinnig, was er da tat. Noch nie hatte mich jemand so zuvor berührt, nie hatte mir jemand ein so seltsames Gefühl im Bauch gegeben, was weder unangenehm, noch bekannt war, doch es gefiel mir mit jeder Minute besser. Es gefiel mir, zu wissen, dass ich von jemandem begehrt wurde und irgendwie war alles so zwangfrei, ich hatte keine Angst, Reita mit nur einem falschen Wort zu verlieren. Und Reita war ganz sicher niemand, der nicht einmal versuchte, mich zu verstehen. Ich hatte in kürzester Zeit so viel Vertrauen gewonnen…? Doch weiter konnte ich meine Gedanken darüber nicht fortführen, da mich ein leichter Schmerz durchzog, als er mir einfach so in den Hals biss und dann wieder entschuldigend über die Stelle küsste. Ich konnte mir ein leises Seufzen nicht verkneifen, schloss meine Augen und festigte meinen Griff in seinem Nacken. Schließlich brauchte ich ja irgendwo Halt, doch den würde er mir hoffentlich schon geben. Und er wehrte sich ja auch nicht, als ich meine Nägel leicht über seinen Hals zog, dann aber wieder sanft darüber streichelte. „Genug Beachtung…?“, raunte er plötzlich nah bei meinem Ohr, sehr leise jedoch, sodass nur ich es trotz der lauten Musik verstehen konnte. Und es ließ mich leicht lächeln, als er seinen Worten Nachdruck verlieh und mir spielerisch ins Ohrläppchen biss. Doch ich wollte nicht aufdringlich wirken, also lächelte ich nur viel sagend, zog ihn noch einmal zu mir und küsste ihn kurz, ehe ich ihn zuckersüß anschaute. „Gefällt mir schon besser“, sagte ich, was ja weder hieß, dass er aufhören, noch, dass er weitermachen sollte, demnach also die perfekte Antwort. Und dann beugte ich mich wieder vor und nahm einen großen Schluck von meinem Bier. „Seid ihr jetzt mal fertig da?“, hörte ich plötzlich jemanden neben uns sagen, den ich einwandfrei als Saga identifizierte. Mein Mund verzog sich zu einem leichten Grinsen um den Flaschenkopf, dann setzte ich sie ab und stellte sie zurück auf den schon gut überfüllten Tisch und schaute zu dem Blondschopf rüber. „Neidisch?“, neckte ich ihn, hörte Reita neben mir leise lachen und merkte dann, wie sich das große Kissen etwas absenkte, als er sich aufrecht neben mich setzte. Saga antwortete noch irgendwas, doch diesen beachtete ich irgendwie schon gar nicht mehr, da ich Reitas Blick getroffen hatte, der mich irgendwie… undefinierbar anschaute. „Du bleibst doch über Nacht, oder?“, fragte er, seine Lider senkten sich kurz, woraus ich schließen konnte, dass er mal wieder an mir herabschaute, und ein kleines, kaum sichtbares Grinsen hatte sich auf seinen Lippen gebildet. Natürlich war das eine Anspielung, doch unangenehm war es mir für einen klitzekleinen Moment irgendwie doch noch. Nervösität… „Meinst du, ich gehe mitten in der Nacht allein und in den Klamotten noch irgendwo hin?“, stellte ich die Gegenfrage, ohne irgendwo anders hinzuschauen, als in seine Augen, die mich endlich auch wieder anblickten und sich eine der fein gezupften Augenbrauen hob. Er zupfte sich die Augenbrauen…? „Allein schon mal gar nicht, wenn, bin ich sowieso dabei“, grinste er, „Muss ja einer aufpassen, dass du nicht einfach so vom Bordstein gezogen wirst…“ „Sehr lustig“, konterte ich gleich, senkte den Blick kurz und strich mir dann provokant und breit grinsend eine Strähne aus dem Gesicht. „Willst du mir damit sagen, dass ich aussehe wie ne Nutte?“ Warum hatte ich diese Frage auch stellen müssen. Ich wollte die Antwort gar nicht hören, schließlich hatte sie mir meine Mutter zuvor auch schon genannt… und Sakito lief meist auch nicht besser rum und was hatte Saga gesagt? ‚Er war eine Schlampe’… Scheinbar musste ich wirklich lernen, in dieser Gesellschaft nicht den Mund zu weit aufzureißen. Warum war ich auch so angezogen hier erschienen…? Ich durfte mir nur nichts anmerken lassen…! „Nein“, war jedoch wider Erwarten die Antwort, „du siehst eigentlich nur verdammt heiß aus. Hast mir nicht zu viel versprochen gestern, find ich…“ Einen Moment lang wusste ich wirklich nichts darauf zu erwidern. Süßes… wirklich süßes Kompliment… „Danke…“, nuschelte ich in meinen glücklicherweise nicht vorhandenen Bart und senkte den Blick wieder, griff nach meinem Bier und trank wieder einen Schluck. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich immer ziemlich viel auf einmal getrunken hatte, jedes Mal, wenn ich nach der Flasche gegriffen hatte, doch nun stellte ich fest, dass die Flasche nur noch halb voll war – und das nach drei mal trinken…? Eine Weile lang schaute ich mir wieder die Menschen in diesem Palast an, allesamt mit einer Flasche oder einer Zigarette bewaffnet und irgendwie kam mir gerade die Frage in den Sinn, wieso Reita eigentlich nicht rauchte. Zumindest hatte er das noch nicht getan, seit ich gekommen war. Und danach gerochen hatte er auch nicht. Ich schaute zu ihm, sah, dass er gerade einem etwas zu schlanken, schwarzhaarigen Jungen die Bierflasche mit seinem Feuerzeug öffnete, sie diesem dann reichte und auf dessen Dank hin nur mit dem Kopf nickte. Also nutzte ich die Gelegenheit, einfach mal zu fragen. „Wieso rauchst du eigentlich nicht heute Abend?“ Er drehte den Kopf zu mir, lächelte dann und beugte sich leicht zu mir vor, damit er nicht so schreien musste. „Soll ich denn?“ „Nein, nur…“, begann ich, doch weiter kam ich auch schon gar nicht, da er mir mal wieder ins Wort fiel. „Du bist Nichtraucher, oder?“ Ich schaute ihn etwas irritiert an, nickte dann aber und hatte gerade ein ‚wieso’ fragen wollen, als er schon wieder weiter sprach. „Ich weiß, dass es ekelhaft ist, als Nichtraucher nen Raucher zu küssen oder sich anfassen zu lassen. Also bemühe ich mich, in deiner Gegenwart darauf zu verzichten. Ich rauch sowieso nicht so viel“, grinste er, griff dann nach einer Flasche purem Wodka auf dem Tisch und nach einem Plastikbecher, in dem er die klare Flüssigkeit dann mit stinknormalem Blutorangensaft zu mischen begann. Er reichte mir diesen Becher dann, ging auch schon gar nicht mehr auf das vorige Thema ein – schien auch keine Lust drauf zu haben. Und ich konnte gar nicht anders, als zu grinsen. War ja irgendwie niedlich von ihm, dass er Rücksicht nahm. Denn ich stellte es mir auch nicht sonderlich appetitlich vor, jemanden zu küssen, der nach etwas schmeckte, was meiner Meinung nach ausschließlich dazu beitrug, dem Menschen als leidenschaftlichen Konsumenten von allen möglichen Dingen, die ihm schmeckten und dabei auch noch harmlos aussahen, zu schaden und ihn zur Krönung auch noch abhängig davon machte… Ich nahm den Becher also, schaute das Zeug kurz skeptisch an und ließ meinen Blick wieder zu Reita schweifen, der sich gerade selbst einen Becher von diesem Zeug mischte. Gut, dachte ich mir, wenn er es gern trank, dann würde es mir wohl auch schmecken. Also runter damit, sprach ich mir gut zu und nahm einen Schluck – diesmal jedoch zu Anfang einen kleinen. Und stellte fest, dass es wirklich nicht übel schmeckte. Hatte zwar einen leicht bitteren Nachgeschmack, doch das süßliche zu Beginn überzeugte mich davon, zu sagen, dass es wirklich gut war. Also nahm ich gleich noch einen Schluck, stellte den Becher wieder auf den Tisch und fuhr mir kurz durch die Haare, da es doch recht warm in der Wohnung war und mein Nacken schon leicht klebte. „Ist dir heiß?“, hörte ich dann die Frage von Reita, was mich aufschauen ließ, grinsend. Er hatte wohl gesehen, dass ich mir kurz Luft zugefächelt hatte mit meiner Handfläche. „Ein bisschen vielleicht“, gab ich zurück mit einem Schmunzeln, lehnte mich wieder in die Kissenwand hinter mir zurück und beobachtete ihn. Er trank seinen Becher mit einem Zug leer, schluckte es runter und drehte sich dann zu mir, beugte sich leicht über mich und stützte sich mit dem linken Arm neben mir ab. „Liegt doch hoffentlich nicht an mir, oder?“, scherzte er, was mich auflachen ließ. „Und ich dachte ich wäre eingebildet…“ Nun wiederum musste er lachen, senkte den Kopf, sodass ich nicht sehen konnte, ob er nun lachte oder irgendwas anderes, schüttelte dann leicht den Kopf. Dann stützte er auch den rechten Arm auf, knickte diesen jedoch leicht ein, sodass sein Unterarm flach auf dem Kissenboden lag und wir nun auf gleicher Augenhöhe waren, er genau vor meinem Gesicht. „Willst du mich ärgern, kleine Schönheit?“, grinste er dann, woran ich erkennen konnte, dass er es mal wieder sowas von nicht ernst meinte und zuckte dann mit den Schultern, als würde ich nicht wissen, was er nun von mir hören wollte. „Pass auf, sonst gibt’s die Rache noch heute Nacht…“ Und was er mit Rache meinte, danach brauchte ich gar nicht fragen, das wusste ich auch so. Nervösität… „Muss ich jetzt Angst haben…?“, fragte ich dennoch, legte den Kopf leicht schief und schaute ihn mit einem Blick an, den man einfach nicht für voll nehmen konnte – zumindest glaubte ich das selbst von mir. Wieder beugte er sich noch ein Stück nach vorn, berührte meine Lippen kurz mit seinen und blieb nah bei mir, als er mich wieder anschaute. „Keine Sorge, ich tu nichts, was du nicht willst…“ Etwa zehn Bier und sieben Becher selbst gemischter Alkohol später hatte man die Musik doppelt so laut gedreht und sämtliche Pärchen und sich suchende Pärchen standen um mich herum verteilt, tanzten und räkelten sich und tranken ab und an bei all diesen Aktivitäten aus ihrer Bierflasche, die sie in der Hand hielten. Und genau dasselbe tat ich auch, die Leute, die unmittelbar bei mir standen kannte ich größtenteils gar nicht, doch trotzdem unterhielt ich mich mit ihnen, während ich tanzte und lachte, hatte mittlerweile so gut wie all meine Hemmungen verloren. Man hatte mich irgendwie restlos abgefüllt, weil jeder dauernd irgendwas Neues gemischt und es mir in die Hand gedrückt hatte. Doch ich mochte das Gefühl, empfand es als eher befreiend von all den Ängsten und Befürchtungen, die ich gehabt hatte, wenn ich irgendetwas tun wollte, was ich sonst eigentlich nie tat – tanzen zum Beispiel. Aber jetzt tat ich es und es machte mir sogar Spaß, so ganz ohne Scham… Wo Reita hin verschwunden war, das hatte ich irgendwie gar nicht mitbekommen, jedenfalls hatte ich ihn vor gut einer viertel Stunde verloren und so war ich einfach mit ein paar anderen, mit denen ich mich vorher etwas unterhalten hatte, tanzen gegangen. Die Leute waren leicht verschwitzt, die Hitze im Raum schien immer weiter anzusteigen und selbst die geöffneten Fenster machten es nicht wirklich besser. Man stand eng beieinander, denn im Laufe des Abends waren wohl noch ein paar mehr Gäste gekommen und waren wohl alle gleichzeitig auf die Idee gekommen, zu tanzen. Und so stieg die Wärme im Raum unaufhaltsam an, sodass es öfter mal einer kleinen Abkühlung bedurfte. Auch ich nahm ab und an einen Schluck von meinem Bier, bewegte mich im Rhythmus zu der Musik, die gespielt wurde – eine Art Rock-Pop-Mischung, die mir allerdings sehr gefiel. Aber irgendwie war mir auch ziemlich egal, was lief, Hauptsache ich konnte tanzen. Und das hatte ich ja bis eben auch noch allein getan, doch kaum hatte ich die Flasche von meinem Mund abgesetzt, spürte ich, wie sich zwei Arme um meinen Bauch schlangen und sich ein warmer Körper an meinen Rücken schmiegte. Und ich kannte diesen Geruch, ich kannte diese Hände, die über mein Oberteil strichen und nur ganz langsam tiefer wanderten, um sich auf mein Becken zu legen und mich an den Körper hinter mir zu drücken. Er bewegte sich mit mir zur Musik, ich konnte seinen warmen Atem auf meiner ohnehin schon erhitzten Haut am Hals spüren und senkte die Lider etwas, um das Kribbeln, das sich wieder in mir breit machte, zu genießen, denn diesmal fühlte es sich einfach nur gut an, nichts anderes. Keine Ängste, keine Befürchtungen, keine Hemmungen… keine Nervösität! Er küsste sanft meinen Hals, saugte sich dann plötzlich an einer Stelle fest, sodass ich die Augen gänzlich schloss und einen Arm hob, in seinen Nacken fasste und mich in die etwas längeren Haare verkrallte, um ihm zu zeigen, dass es mir mehr als nur gefiel, was er da tat. Ich konnte seine Hände noch immer auf meinem Körper spüren, wie eine davon unter mein Oberteil schlüpfte und die andere sich auf meine linke Seite legte, mich weiter zur Musik führte, mich weiterhin zum tanzen zwang – denn das fiel mir irgendwie immer schwerer mittlerweile. Schließlich lenkte er mich ja auch damit ab, dass er sich immer weiter herabküsste, sich noch einmal in meiner Halsbeuge festbiss und meine halb freigelegte Schulter mit sanften Küssen benetzte. Ich wusste nicht mehr, wo ich mich halten sollte, also drehte ich mich einfach um, öffnete die Augen lediglich, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und kurz in seine Augen zu schauen, ehe ich meine Lippen schon fast gierig auf seine presste. Nicht sonderlich überrascht davon erwiderte er mein eben begonnenes Spiel, drang ohne zu fragen mit seiner Zunge in meinen Mund und suchte die meine, während seine Hände jedoch einen ganz anderen Weg suchten. Während seine linke noch immer auf meiner Seite lag und mich führte, war seine rechte schon meinen Rücken herab gewandert zum Saum meiner Hose, zog den Bund der Stretchhose mit nur wenigen Fingern leicht vor und schlüpfte mit eben diesen darunter, fuhr über meine nackte Haut und presste mich wiederum näher an sich. Meine Atmung begann schneller zu gehen, ich seufzte leise und vertiefte den Kuss von meiner Seite aus noch etwas, als ich auf einmal spürte, wie seine Finger die Stelle, an der die Wirbelsäule endete, etwas intensiver neckten. Automatisch drückte ich meinen Unterleib dem seinen entgegen, hatte es nicht wirklich verhindern können, da es irgendwie ein Reflex gewesen war. Meine Hände suchten Halt an seiner Weste, an der ich ihn so nah an mich zog, wie es eben möglich war und ehe ich mich versah, war eines seiner Beine auch schon zwischen den meinen, sodass nicht mal ein Finger mehr zwischen unsere Körper gepasst hätte… Ich hatte mich bisher beherrschen können und mich weiter zur Musik bewegt, doch nun stand ich einfach nur so da und ließ den Kuss enden, schaute ihn an. Auch er stand still zwischen all den sich bewegenden Körpern, die Zeit schien still zu stehen um uns beide herum, als ich einfach nur in seinen Augen versank und seinen Herzschlag an meiner Brust spüren konnte. Scheinbar kümmerte es niemanden, dass wir einfach nur so, mitten in der tanzenden Menge, rum standen, doch ehe ich mich versah, wanderte seine Hand zu meiner und er löste sich von mir, zog mich mit sich. „Was machst du de…“, begann ich, jedoch viel zu leise, sodass es wahrscheinlich nicht mal das tanzende Pärchen neben mir gehört hatte, doch wehren tat ich mich auch nicht und ließ mich mitziehen. Wahrscheinlich wäre ich in diesem Moment überall mit ihm hingegangen, Hauptsache, er würde bei mir sein. Und jetzt erst merkte ich, was er vorhatte. Als er mich an zahlreichen Leuten vorbeizog, unter anderem auch Daisuke, der uns viel sagend anschaute und dann breit zu grinsen begann. Natürlich, nun war ich mir sicher. Doch ein wirkliches Problem hatte ich damit irgendwie nicht, denn immerhin hatte unser kleiner Tanz ganz schön was ausgelöst bei mir, und das nicht nur Glücksgefühle. Nein, es hatte sich tatsächlich was geregt bei mir… Warum auch immer, ich fürchtete mich nicht. Ich hatte ja keine Ahnung, was er vorhatte, doch Neugierde war eben mein zweiter Vorname und so folgte ich ihm einfach nach oben in das Zimmer, wo ich schon einmal übernachtet hatte, schloss die Tür hinter uns und sah ihn nur noch auf mich zukommen, mich an die Tür pressen und hörte, wie er den Schlüssel umdrehte, ehe er mich wieder in einen heißen Kuss verwickelte. Und Himmel, ich war überwältigt. Ich konnte gar nicht anders, als den Kuss erwidern und ließ mich gegen das Holz hinter mir sinken, genoss die Wärme, die von ihm ausging und spürte, wie mir langsam unter seinen Händen, die wieder den Weg unter mein Oberteil gefunden hatten, heißer wurde. Er streichelte über meine Seiten, schob das Oberteil etwas höher und kratzte mich leicht mit seinen Nägeln, ehe er tiefer ging und über meinen Hintern strich, was mich leise seufzen ließ. Er beendete den Kuss, ließ seine Lippen über mein Kinn tiefer wandern, woraufhin ich den Kopf in den Nacken legte, damit er einen leichteren Weg hatte. Ich konnte seine Zunge fühlen, wie sie kaum spürbar und doch enttarnt durch die leichte Nässe über meinen Hals strich, wie sich ab und an seine Zähne in meine Haut bohrten und daran zogen, doch gerade so, dass es mir nicht wehtat, aber doch deutlich spürbar. Er drückte mich an meinem Po näher an sich, sodass ich eingeengt zwischen ihm und der Tür war und sowohl ich, als auch wahrscheinlich er nun überdeutlich spüren konnte, dass ich verdammt rattig war. Und als wollte er das ausnutzen, um mich zu ärgern, bewegte er sein Becken leicht, woraufhin ich mir ein Keuchen nicht mehr verkneifen konnte. Ich senkte meine Lider etwas, um das Gefühl besser auskosten zu können, denn dieses neuartige war mir gar nicht so zuwider, wie ich erwartet hatte. Reita wusste anscheinend wunderbar, was er da tat… Eine Hand löste sich von meinem Hintern, wanderte nach vorn über meinen halbnackten Oberschenkel, streichelte über diesen und bereitete mir somit eine Gänsehaut. Mittlerweile konnte ich schon kaum mehr stehen, ließ immer mal wieder ein Keuchen von mir hören, denn seine Zunge war rastlos und hatte sich den Weg hoch zu meinem Ohr gesucht, an welchem er nun sanft knabberte und ich sein leises Lachen vernehmen konnte. „Wenn du was nich’ willst, sag’s einfach…“, hauchte er leise und im nächsten Moment war seine Hand auch schon zwischen meine Beine gewandert, was mir schon eine Art Stöhnen entlockte – zumindest glaubte ich das. Denn Gefallen an dieser Sache hatte ich schon vorher gefunden, wundern tat es mich irgendwie auch nicht, dass ich noch keine Einwände hatte gegen das, was er gerade tat. Immerhin konnte er mir ja mit diesen ganzen Liebkosungen und Berührungen und Küssen und so weiter nicht wirklich bei meinem Problem in meiner Hose weiterhelfen. Da musste schon mehr her, als nur das. Und ich war bereit, ihn das alles tun zu lassen. Solange es ja nicht wehtat – und das tat es bislang ganz sicher nicht – würde er ruhig weitermachen dürfen. Ohne Worte schaute er mich an, als er sich fast ganz von mir gelöst und nur seine eine Hand dort gelassen hatte, wo er sie zuletzt gehabt hatte. Ein leichtes Lächeln bildete sich in seinen Mundwinkeln, als er meine Hand mit der anderen Hand nahm und mich mit sich zog, bis er vor dem großen Bett Halt machte und mich dann wieder küsste. Nicht einmal bis jetzt hatte er geraucht, das konnte ich zumindest weder riechen, noch schmecken. Irgendwie süß von ihm, dass er in meiner Gegenwart nicht rauchte, weil er wusste, dass ich Zigaretten über alles hasste. Es ließ mich leicht schmunzeln, woraufhin er mich anschaute und mir eine Strähne aus dem Gesicht strich, mich dann aufs Bett drückte, sodass ich flach auf dem Rücken lag und er sich über mich beugen konnte. Er streichelte mir sanft über die Wange, küsste mich noch einmal kurz und zögerte nicht lang, setzte seinen Weg fort und zog mein Oberteil ein Stück weit herunter, legte ein bisschen mehr von meiner Brust frei, die er dann zu kosen begann. An manchen Stellen etwas fester und gröber, doch es war ganz sicherlich auszuhalten – nein, mehr als das, denn es erregte mich nur noch mehr. Ich schloss die Augen nun gänzlich, drehte meinen Kopf zur Seite und beugte mich ihm leicht entgegen, als seine Hände mein Oberteil nun hochschoben und meinen Bauch freilegten, seine Fingerspitzen darüber wanderten. Ich zuckte etwas unter der Berührung, doch ließ ihn weitermachen. Immer wieder seufzte ich genüsslich, war allerdings in diesem Moment froh, dass nur das Straßenlicht von draußen das Zimmer erhellte und die Musik von unten laut genug war, damit uns keiner hören konnte, denn ich wollte endlich allein mit Reita sein, ihm nahe sein und endlich das ausprobieren, wovon er mir versprochen hatte, dass es sich gut anfühlt. Und bis jetzt hatte er mir ja auch nicht zu viel versprochen. Ich genoss, was er tat, auch, als er noch tiefer rutschte, seine Lippen auf meinen Bauch senkte und mich leicht kitzelte. Ich hob die Faust zu meinem Mund, biss mir auf die Knöchel, um nicht zu lachen, doch er hörte bereits auf, biss mir dann in die empfindliche Haut an meinem Bauchnabel, sodass ich schon etwas lauter stöhnen musste. Wurde ja diesmal auch von meiner Hand vorm Mund gedämpft, aber ehe ich mich versah, hatte er sich wieder heraufgebeugt und nahm diese weg. „Du musst schon stöhnen, damit ich weiß, was dir gefällt“, grinste er, küsste mich verlangend und strich mit einer Hand an meinem Körper herab zu meiner Hose, wo er den Gürtel öffnete. Noch immer stellte sich bei mir kein Gefühl der Abwehr ein, was mich irgendwie nun doch zu wundern begann, denn immerhin hatte das noch nie jemand zuvor bei mir gemacht. Doch darüber nachdenken wollte ich nun auch nicht mehr, ich wollte mich lieber auf das Gefühl konzentrieren, das er mir schenkte. Ich nickte also leicht als Antwort, grinste kurz, als er sich von mir gelöst hatte und nun auch meine Hose an der Reihe war, die er blind und ebenfalls nur mit einer Hand öffnete, während er sanft an meiner Unterlippe knabberte. Ich stöhnte auf, konnte seine Hand in meiner Hose spüren, wie sie über den nur sehr dünnen Stoff meiner Hotpants fuhr und meine stetig wachsende Erregung noch mehr reizte, als er sich wieder runterbeugte und meine Hose tiefer zog. Dann senkte er seine Lippen auf meinen Hüftknochen, saugte sich scheinbar dort fest, was mich dazu brachte, mich ihm leicht entgegen zu strecken, denn es fühlte sich einfach wahnsinnig gut an. Die Angst blieb noch immer aus, ich hatte nicht einmal ansatzweise Furcht oder irgendwelche Bedenken, dass ich irgendwas falsch machte, denn ich machte ja im Prinzip gar nichts – das überließ ich ihm und er schien auch kein Problem damit zu haben, dass ich so passiv war. Ich wollte einfach nicht daran denken, was alles passieren konnte, ‚wenn ich’ oder ‚wenn er’, denn all das würde ich dem Schicksal überlassen – er wusste schließlich, was er da tat. Ich wollte nur genießen. Und das tat ich, hob auch mein Becken an, als er Anstalten machte, mir die Hose auszuziehen. Ohne Widerworte ließ ich ihn machen, zog mir wie nebenbei noch meine Schuhe ungeöffnet von den Füßen, sodass meine Hose das Weite auf den Boden suchen konnte, ließ ihn meine Beine spreizen und die Innenseiten meiner Oberschenkel küssen und merkte, wie mein Keuchen lauter wurde. Konnte nicht leugnen, wie sehr es mir gefiel und wie sehr ich mittlerweile wollte, dass er nicht aufhörte und ja weitermachte, mir mehr davon gab und nicht nur an den Stellen, wo er bisher gewesen war. „Reita…“ Ich konnte spüren, wie sich seine Lippen an meiner Haut zu einem Lächeln verzogen, ehe plötzlich ein Ruck durch seinen Körper zu gehen schien und er meine Hotpants einfach so von den Hüften riss. Doch selbst jetzt überkam mich keine Angst, lediglich etwas Nervösität, wie ich sie ja schon öfter gespürt hatte in Reitas Gegenwart. Doch ich war sicher, dass es nicht an den Umständen lag, denn dazu war das Gefühl einfach zu richtig, zu echt… Ich traute mich irgendwie nicht, nach unten und an mir herab zu schauen, legte lieber wieder den Kopf in den Nacken und hielt mich am Bettgeländer über meinem Kopf fest, sodass ich wenigstens irgendwo Halt hatte. Denn das, was er gerade begonnen hatte, war beinahe schon zu viel auf einmal. Ich konnte spüren, wie er eine leicht feuchte Spur über mein Glied zog, auf die kühle Luft traf, was mich scharf die Luft einsaugen ließ und ich mit einem genießerischen Stöhnen wieder ausatmete. Nein, jetzt war ich mir sicher, ich wollte nicht, dass er noch aufhörte, dass er doch noch irgendwie kniff, weil er das Gefühl hatte, dass ich noch nicht bereit dazu war – doch er hatte etwas begonnen, wovon ich mir nur erhoffte, dass er es auch wirklich zu Ende brachte… Wieder zog er seine Spuren mit der Zunge und tat noch so viele andere Dinge, von denen ich nicht mal wusste, wie genau er das nun anstellte, doch es fühlte sich einfach nur wahnsinnig gut an. Seine Hände schienen überall zu sein, mal an meinen Beinen, mal an meinem Bauch, an meinen Seiten… und er gab mir ein atemberaubendes Gefühl. Auf einmal schien alles um mich herum ein Stück herunterzufallen, ich hielt mich aus Reflex noch fester am Geländer, verkrampfte meine Beine und Füße, denn die Hitze um meine Erregung war fast schon zu viel des Guten. Ich reckte mein Becken fast schon von selbst nach oben, doch Reita hielt es mit beiden Händen fest, sodass ich bewegungsunfähig war und es ließ mich fast schon frustriert aufkeuchen. Ich wollte mehr davon, wollte ihn intensiver spüren, wollte, dass er etwas machte…! „Oh Gott…“, stöhnte ich dann, als sich etwas gegen mein Glied presste, wovon ich nur annehmen konnte, dass es seine Zunge war. Und was er dann noch alles zu tun begann, das konnte ich schon gar nicht mehr auseinander halten. Er schien genau zu wissen, womit er mich reizen musste, benutzte dabei anscheinend auch jedes Mittel, das ihm halt irgendwie von sich selbst zur Verfügung stand – Zähne, Zunge, Gaumen, Hände… Noch immer hatte ich die Augen nicht geöffnet, traute mich irgendwie nicht, doch eher aus dem Grund, dieses Gefühl auch wirklich ganz auszukosten. Sicherlich würde es nicht so angenehm sein, so glaubte ich, wenn ich Reita dabei zusah, was er tat. So behielt ich meine Augen einfach geschlossen, ließ mich weiter streicheln und verwöhnen, ließ Reita spielen und hatte nicht annähernd ein Problem damit. Auch nicht, als seine scharfen Nägel über meine empfindliche Haut an meinen Oberschenkeln kratzten, er sicherlich seine Spuren hinterließ, was mich allerdings nicht sonderlich störte. Solange es dazu beitrug, dass ich endlich kam, jedoch nicht so, wie ich es bisher allerdings nur einmal und das auch noch durch eigene Hand getan hatte, sondern besser. Diesmal war es schließlich Reita – der Grund, noch einmal Sterne zu sehen. Und kaum hatte ich das gedacht, kehrte mein Verstand für den Bruchteil einer Sekunde zurück, ich vernahm mein eigenes, lustvolles Stöhnen und fand mich im nächsten Moment in einem völligen Durcheinander aus Empfindungen wieder. Alles in mir zog sich zusammen, dieses angenehme Gefühl breitete sich in meinem Unterleib aus, jedoch diesmal noch angenehmer, als ich es schon einmal gespürt hatte. Mit einem letzten, lauten Stöhnen kam ich in seinem Mund, mein Atem ging völlig unkontrolliert, doch ich fühlte mich angenehm befreit und als hätte ich soeben den Jackpot geholt. Ein Glücksgefühl eben… Ich spürte die Kälte um mich herum, als er mich aus seinem Mund entließ und öffnete die Augen, atmete noch immer sehr schnell und schaute dann in seine Richtung, sah sein Grinsen und etwas weißes an seinem Mundwinkel, was er sich allerdings schnell mit der Zungenspitze entfernte. Er lachte leise. „Du schmeckst süß“, hauchte er, beugte sich zu mir herunter und verwickelte mich erneut in einen heißen Kuss, wobei ich mich selbst schmecken konnte. Schon ein seltsames Gefühl, mich selbst zu schmecken, dachte ich mir, doch ignorierte den vorerst wirklich recht süßlichen, dann jedoch bitteren Nachgeschmack, als ich etwas von meinem Speichel herunterschluckte. Er löste sich von mir, schaute mich eine ganze Weile einfach nur an und streichelte durch meine Haare, doch den Ausdruck in seinen Augen konnte ich irgendwie nicht definieren. Sodass ich nach ein paar Augenblicken schon wegschauen musste. „Was is’?“, fragte er dann mit einem scheinbar etwas besorgtem Unterton. Ich schaute ihn dann wieder an und lächelte, schüttelte leicht den Kopf. „Wo is’ n meine Hotpants…?“, fragte ich, woraufhin er nur grinste und sich kurz von mir erhob, um sie vom Boden zu fischen und mir mit einem Finger vor die Nase zu halten. „Du willst die schon wieder anziehen?“, fragte er, legte den Kopf schief, doch lächelte dann und zeigte mir, dass er es nur als Scherz gemeint hatte. War auch eigentlich gut so, denn langsam wurde mir irgendwie ziemlich kalt. Also nahm ich sie, zog sie mir wieder an und schaute wieder zu Reita, der sich in der Zwischenzeit auf die Seite gelegt und mir wohl bis eben zugeschaut hatte. Und plötzlich fühlte ich mich einfach nur noch befreit und glücklich. Diesmal gab es nichts, was mich daran hindern konnte, mich wohl zu fühlen und hier gab es nichts, wovor ich Angst haben musste. Wie zum Beispiel vor meiner Mutter, die ja bei mir zu Hause eigentlich so gut wie jeden Moment an meine Tür hämmern und mich entweder anschreien oder verprügeln konnte. Nein, hier gab es niemanden, nur Reita und mich, die Leute unten würden uns schon in Ruhe lassen und wahrscheinlich war sowieso niemandem, außer natürlich Die, aufgefallen, dass wir verschwunden waren. Es war mir auch so ziemlich egal. Ich kroch noch ein Stück höher zu Reita, legte mich dann einfach neben ihn und rutschte näher, sodass ich bequem lag und ihm einfach nahe war. Ich spürte, wie er einen Arm um mich legte und sanft im Nacken zu kraulen begann, als würde er mich und meinen noch immer etwas beschleunigten Atem beruhigen wollen. Schien ja zu funktionieren. Und dann fiel mir da was ein. „Ano… Reita…“ Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass ich gar nicht so falsch lag, schaute ich ihn etwas fragend an und schmunzelte, als mein Blick seinen traf und er mich abwartend anschaute. Und was ich dann tat, kostete mich nicht den Hauch von Überwindung, seltsamerweise, denn immerhin hatte ich es schon selbst bei mir getan und ich wusste, dass es sich gut anfühlte, wenn man… „Was ist eigentlich mit dir…?“, fragte ich, als ich meine Hand in seinen Schritt schob und leicht darüber kratzte, woraufhin ihm ein überraschter und zugleich noch beherrschter Seufzer über die Lippen kam. Einen Moment musste er wohl die Augen schließen, sich zusammennehmen, doch dann schaute er mich grinsend an und löste die Hand aus meinem Nacken. „Das geht vorbei“, antwortete er mir, stützte seinen Kopf auf seinem Unterarm ab und strich mir wieder eine verwirrte Strähne aus den Augen. Doch ich war mir da nicht so sicher, also lachte ich nur leise auf und bewegte meine Hand erneut in seinem Schoß, was ihn wieder keuchen ließ. „Bist du sicher…?“ „Hör zu, du… du musst das nich’ machen…“, meinte er sehr beherrscht zu mir, legte seine Hand auf meine und wollte sie schon wegziehen, doch ich behielt sie dort. „Ich muss gar nichts, ne…“ Und ich fühlte mich in keinsterweise zu etwas gezwungen. Nein, immerhin hatte ich angefangen und wollte mich sowieso revanchieren, wollte ihm etwas zurückgeben für das, was er mir gegeben hatte. Ich wollte ihm dasselbe Gefühl wie bei mir geben, dass er dasselbe fühlte und auch, um zu zeigen, dass ich nicht feige war. Dass ich mich nicht davor fürchtete. Darauf war ich stolz, zumindest in diesem Moment… Ich festigte den Druck zwischen seinen Beinen etwas, beugte mich leicht zu ihm herauf und streifte seine Lippen mit meinen. „Uruha…“, hörte ich ihn sagen, einen eindeutigen Unterton in der Stimme und ich wusste, was dieser zu bedeuten hatte. Ich hatte denselben in der Stimme gehabt. Warum ich plötzlich so selbstbewusst wirken wollte und mich auch so benahm, wusste ich selbst nicht. Vielleicht, weil ich Reita gefallen wollte? Weil ich nicht wollte, dass er mich für einen Feigling hielt? Für jemanden, der null Ahnung hatte, wie es ja ursprünglich bei mir der Fall war…? Sicherlich einer dieser Gründe oder auch alle zusammen, es war mir egal, denn darüber nachdenken wollte ich gerade sowieso nicht. Ich zog die Druckknöpfe seiner Hose auf, sodass es ein leises Geräusch machte, dann zog ich den Reißverschluss langsam herunter, während ich ihm dabei die ganze Zeit in die Augen schaute. Und bis ich meinen Finger dann über den dünnen Stoff seiner Shorts gleiten ließ, hatte er den Blick erwidert, nun jedoch flatterten seine Lider zu und ein dunkles Stöhnen war seiner Kehle entkommen. Ich sah, wie sich seine Finger in seine Haare krallten und er den Kopf leicht sinken ließ, seine Hand noch immer auf meiner liegen hatte und ihren Druck auf meine festigte, was mir wohl sagen sollte, dass ich nun zu Ende bringen sollte, was ich angefangen hatte. Und es ließ mich leicht lächeln, woraufhin ich mich auf meinem anderen freien Arm ebenfalls abstützte und somit halbwegs auf gleicher Höhe war, wie er. Meine Lippen legte ich nun an seinen Hals, versuchte mich einfach mal daran, ihn eben so zu bearbeiten, wie er es mit meinem getan hatte. So, wie ich meinte, dass es sich gut anfühlte. Meine Hand ließ ich nun in seine Shorts schlüpfen, berührte die heiße Haut seines Glieds und erschauderte innerlich. Noch nie hatte ich jemand anderen angefasst, außer mich selbst, doch es fühlte sich irgendwie auch nicht fremd an. Nicht unangenehm, nicht widerlich, eben gar nicht negativ… Wieder keuchte er auf, hatte seine Hand schon längst von meiner genommen und hatte sie nun in meinen Nacken gelegt, krallte sich leicht fest, womit er mir wohl zeigte, dass es ihm offensichtlich gefiel. Worüber ich auch ziemlich froh war, deshalb auch gleich weitermachte und leicht in seinen Hals biss, als ich seine Erregung umfasste und sanften Druck darauf ausübte. Diesmal stöhnte er lauter, zog leicht an meinen hinteren, langen Haaren, sodass es mich dazu anspornte, weiterzumachen und begann mit noch langsamen Bewegungen mit meiner Hand, um ihn weiter zu reizen. Meine Zähne ließ ich an seiner Haut ziehen, leckte dann darüber und setzte meinen Weg fort, suchte mir andere Stellen, die ich malträtieren wollte. Mit dem Daumen rieb ich sanft über die Spitze seines Glieds, wurde schneller in meinem Tun und hoffte einfach, dass ihm gefiel, was ich tat. Schließlich war es nur das, was ich bei mir selbst auch getan hatte. Doch seinem Stöhnen und Keuchen und schnellen, unkontrollierten Atemzügen zufolge, die sich gleichzeitig mit meinen Bewegungen steigerten, hatte er durchaus Gefallen daran. Und ich auch… Er schob mir sein Becken immer wieder leicht entgegen, hielt sich mittlerweile nur noch auf dem Arm abgestützt und hatte den Kopf haltlos in der Luft hängen, sodass ich noch mehr Platz an seinem Hals hatte, den ich auch gleich nutzte. In seiner Halsbeuge saugte ich mich schließlich fest, gleichzeitig festigte ich den Druck meiner Hand noch mehr und genoss sein lauter werdendes Stöhnen sehr. Ich küsste mich wieder herauf, bis ich schließlich an seiner Wange angelangt war und er mir gleich entgegenkam, als hätte er meine Gedanken gelesen, und mich verlangend küsste. Ich schien ihn immer weiter zu treiben, schien seine Lust immer weiter zu steigern und ihn bis an die Spitze zu treiben. Und schließlich zum kommen gebracht zu haben. Im selben Moment, als ich das mit meinem Daumen noch etwas gröber wiederholt und mich in seinem Nacken festgebissen hatte, stöhnte er noch einmal laut und atmete dann stoßweise, presste sein Becken meiner Hand entgegen und krallte sich in meine Schulter. Ich konnte heiße Flüssigkeit zwischen meinen Fingern spüren, zog meine Hand jedoch erst nach ein paar Sekunden aus seiner Hose und schaute ihn an. Sein Atem ging rasselnd und er beruhigte sich nur langsam, lockerte seinen Griff an meiner Schulter wieder. Er hob den Blick, zog mich an meinen Haaren zu sich und presste seine Lippen auf meine. Doch so schnell, wie er den Kuss begonnen hatte, ließ er ihn auch wieder enden und schaute mich an. Ich konnte sehen, wie seine Zunge kurz über seine Unterlippe leckte und er dann grinste. „Jetzt muss ich den restlichen Abend ohne Shorts rumlaufen…“, scherzte er, schaute dann herab auf meine Hand, die ich noch immer in der Luft hielt, um nichts unnötig dreckig zu machen. „Putz’ doch irgendwo ab…“, meinte er lässig, deutete dann auf die Decke, die über die Kopfkissen gelegt war. „Und womit deck ich mich heut’ Nacht zu?“, fragte ich und setzte wieder einen Dackelblick auf, woraufhin er nur grinsen konnte und sich aufsetzte, seine Weste auszog. „Putz’ daran ab“, meinte er lässig, doch scheinbar schien er keine Widersprüche zu dulden und ich schaute die Weste zunächst skeptisch an, nahm sie dann aber doch und putzte meine Hand daran ab, warf sie auf den Boden. Währenddessen hatte er sich die Shorts ausgezogen, sie mit zu seiner Weste geworfen und zog sich gerade die Hose wieder über die Beine, als ich wieder hinschaute, leicht schmunzelnd. Ich traf seinen Blick, bemerkte jedoch jetzt erst das leichte Schwindelgefühl, das sich in mir breit machte und legte mich vorsichtshalber auf den Rücken hin, schloss kurz die Augen. „Alles okay?“, hörte ich ihn fragen, spürte, wie er sich neben mich legte und mir leicht über den Arm strich. Ich nickte nur, öffnete dann die Augen und sah, dass er sich wieder auf dem Arm abgestützt neben mich gelegt hatte, mich sanft anlächelte und dann einladend einen Arm hob. Und diese Einladung nahm ich nur zu gern an, rückte zu ihm und lehnte meinen Kopf an seine Brust, schlang einen Arm um seinen Oberkörper und drängte ein Bein zwischen seine, so, wie ich schon einmal bei ihm gelegen hatte. Ich erinnerte mich daran und musste grinsen, auch auf die Dinge hin, die er mir einen Tag später geschrieben hatte. Und irgendwie kam gerade ein seltsames Gefühl in mir hoch. „Müde?“, fragte er, begann wieder meinen Nacken zu kraulen. Und da ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte, musste ich wohl nachfragen. „Wie spät ist es denn…?“ „Kurz vor fünf“, antwortete er, ich konnte das Grinsen aus seiner Stimme heraushören, denn scheinbar merkte man es mir an, dass ich noch nie so lang gefeiert hatte… und so viel getrunken… und so viele Dinge getan, die ich sonst nie tat… „Willst du wieder runter…?“, fragte ich, schien recht müde zu klingen, woraufhin er dann die Decke vom Kopfkissen nahm und sie mit nur einer Hand, die er noch frei hatte, über uns ausbreitete. Er rückte sie mit seinen Füßen zurecht, wollte seine Beine schon wieder aufeinander legen, als ich mit einem Murren protestierte und er leise lachte, sein oberes wieder hob und mich meins dazwischen legen ließ, so, wie vorher eben. „Nein“, kam seine Antwort, „hab kein’ Bock mehr auf die Spasten… und will grad lieber allein mit dir sein…“ Diese Worte ließen mich etwas erröten, auch, wenn ich eigentlich gar keinen Grund dazu hatte – ich wollte schließlich nichts anderes. Und so hob ich den Blick leicht, traf auf seinen und konnte nicht anders, als ihn noch einmal zu küssen. Was er natürlich erwiderte. Und jetzt, wo ich wieder bei ihm war, wollte ich nicht mehr gehen, wollte nicht wieder allein einschlafen. Ich hatte mich wohl schon viel zu sehr daran gewöhnt… © ~*~*~*~*~*~*~ ごめんねえ~!!!!! Tut mir Leid, dass es wieder gedauert hat! Aber das is alles die böse böse Telekom schuld! Und ich habe ZEUGEN xD~ *ReiRei umknuddel* Die mir mal wieder zu tolligen Ideen verholfen und mich immer wieder in den Arsch getreten hat, wenn ich zu langsam war xD~ *Euch alle mal knuffz und verbeugz* Danke für eure lieben Kommentare! Und an dieser Stelle: *ReiRei knutsch* Für den 100. Kommi ^___^ Bis zum nächsten Kapitel (hoff ich xP) Baibai, das -Shio- Kapitel 15: Von Hinwegen und Rückwegen -------------------------------------- -15- Von Hinwegen und Rückwegen Schon als ich die Augen aufschlug, wusste ich – und ich hatte mich bisher immer darauf verlassen können – heute würde ein sehr, sehr beschissener Tag werden. Warum ich mal wieder so ein Gefühl hatte, konnte ich nicht recht sagen, aber es war einfach da und es beunruhigte mich. Jedes Mal, wenn ich bisher dieses Gefühl gehabt hatte, war irgendwas passiert, was keinesfalls irgendwelche Vorteile mit sich gebracht hatte. So GAR keine. Wunderbar… Ich kniff die Augen wieder zusammen, denn das Licht blendete mich, es traf gegen den Spiegel an der Wand, gegen die ich gerade starrte. Ich musste wohl seitlich in einem Bett liegen. Nur in welchem? Und was machte dieser Arm da um meinem Bauch? Stutzend öffnete ich die Augen wieder und blickte auf diesen Arm herab, konnte die Nietenarmbänder erkennen und einen Ring. Das alles kam mir dazu auch noch unheimlich bekannt vor. Dann lag also… Dann lag Reita hinter mir? Aber warum und wieso so nah bei mir? Warum hatte ich nur noch Hotpants an? Warum fühlte ich mich irgendwie… schmutzig? Noch nie hatte ich derart das Bedürfnis verspürt zu duschen. Und warum zur Hölle hatte ich solche Kopfschmerzen?! Mit einem gequälten, aber leisen Stöhnen drehte ich mich auf den Rücken und hielt mir eine Hand vor die Augen, um das Licht etwas abzuhalten. Half zwar nicht wirklich, aber immerhin etwas. Und ich versuchte mich an den vorigen Abend zurück zu erinnern. Ich war zu Daisuke gegangen, demnach musste ich wohl auch in dessen Bett liegen, denn es war weder meins, noch Reitas. Und diese Bezüge kamen mir sowieso irgendwie bekannt vor. Ich hatte getrunken. Ich hatte sogar sehr, sehr viel getrunken. Und irgendwann hatte ich getanzt mit Menschen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte – zumindest glaubte ich das. Und dann hatte ich mit Reita getanzt. Und dann… Dann hatte ich einen leichten Filmriss. Ich versuchte es noch einmal von vorn, begann da, wo ich die Wohnung betreten und wo man mir die erste Flasche angeboten hatte. Und dann noch einmal wo ich mich unterhalten hatte, wo ich mich umgesehen hatte. Wo ich mit Reita getanzt hatte. Dann hatte er mich aus dem Raum gezogen. Moment… er hatte mich aus dem Raum gezogen. Dann nach oben, allem Anschein nach in dieses Zimmer und dann wurde mir schlagartig klar, warum ich keine Hose mehr anhatte. Ich schluckte trocken, besinnte mich auf die Nervenzellen in meinem Unterleib, doch keine einzige davon machte sich irgendwie schmerzhaft bemerkbar. Gut. Aber was genau hatten wir denn getan, wenn wir nicht…? Plötzlich spürte ich eine Regung neben mir. Reita schien aufgewacht zu sein, denn er hustete und fluchte dann leise. Ich musste leicht grinsen, nahm die Hand von meinen Augen und legte mich auf die andere Seite, um ihn anzuschauen. Ich traf natürlich seinen Blick, denn er hatte ja die ganze Zeit mit dem Gesicht zu mir gelegen und den Arm um meinen Bauch gelegt. Er hatte ganz verschmiertes Make-up um die Augen, seine Haare waren zerzaust und er war etwas blass. Insgesamt ein recht beschissener Anblick, ich war mir sicher, dass er sich auch nicht anders fühlte. Doch sein Blick sagte wie immer etwas anderes. Er hob eine Hand, legte sich den Zeigefinger auf die Lippen und wollte mir so wohl deuten, dass ich still sein sollte. Natürlich folgte ich dieser stummen Bitte, denn ich wollte meinen Kopf nicht noch durch unnötige Geräuschkulisse belasten. Dann legte er seinen Arm wieder um mich, zog mich zu sich. Ich rückte näher an ihn heran, vergrub mein Gesicht dann an seinem Shirt und entging so dem hellen Licht etwas mehr, denn das Fenster war auf Reitas Bettseite. So bekam ich wenig davon ab. Ich lächelte leicht und krallte meine Finger in sein Oberteil, um ihm zu zeigen, dass ich diese Nähe genoss und er schien verstanden zu haben. Er festigte seine Umarmung kurz etwas und kraulte meinen Nacken. „Geht’s dir gut?“, flüsterte er, sodass es mir nicht allzu sehr im Kopf hämmerte, wofür ich ihm auch recht dankbar war. „Na ja“, antwortete ich ebenfalls sehr leise, „abgesehen davon, dass ich Kopfschmerzen habe und mich an die Hälfte nicht erinnern kann, geht’s mir gut, ja…“ Diese Antwort schien ihn neugierig gemacht zu haben. Er ließ seine Finger durch meine Haare streifen und zog mich dann leicht zurück, sodass ich ihn ansehen musste. Fragend schaute er mich an. „Was weißt du denn noch alles?“ Ich überlegte einen Moment und senkte dazu den Blick, konnte ihn irgendwie nicht so lang anschauen. Was sollte ich also antworten? „Dass ich hergekommen bin, viel getrunken habe, mich mit Leuten unterhalten hab, die ich nicht mal kannte und dann hab ich getanzt… mit dir… und dann sind wir nach hier oben und dann… weiß ich’s nicht mehr richtig…“ Sein Blick wurde plötzlich anders, irgendwie nervös, etwas ratlos und sogar ein bisschen besorgt. „Du weißt es nicht mehr?“, fragte er noch einmal nach, hörte auf mit meinen Haaren zu spielen und sah irgendwie ernster aus. Na toll, ich hatte anscheinend etwas verdammt Wichtiges vergessen. Warum musste das auch immer mir passieren?! Ich schluckte, dachte nach, wie ich am besten fragen konnte, damit es nicht gleich zu direkt wurde und es aber auch informativ war. „Uhm… na ja…“, begann ich sehr intelligent, „hat es was damit zu tun, dass ich keine Hose mehr trage…?“ Und ich wollte mich einfach nur noch schlagen für diese Frage. Was war das denn bitte für eine Frage?! Was, wenn es gar nichts damit zu tun hatte…? „Willst du ne direkte Antwort oder eine auf Umwegen?“ Na, die Frage war irgendwie noch besser als meine. Nun hatte ich wohl die Wahl. Ich überlegte. Wenn ich eine direkte Antwort bekam, dann war sie sicherlich auch direkt, das war schließlich Reita. Wenn ich sie auf Umwegen bekam, dann würde ich wohlmöglich noch immer nicht alles wissen, würde mir den Hauptteil denken müssen. „Die direkte…“ „Sicher?“ „Ja...“ „Ich hab dir nen Blow Job verpasst und du hast mir einen runtergeholt. Und wenn du jetzt denkst ich hätte dich gezwungen, liegst du falsch“, grinste er, festigte den Griff um mich wieder. Und er schien gewusst zu haben, dass es nötig war, damit ich nicht hochkant aus dem Bett sprang und mich ins nächstbeste Zimmer verdrückte, um ihn nicht ansehen zu müssen. Gott, war das peinlich! Ich hatte es freiwillig getan, gut, dann konnte ich schlecht etwas dagegen sagen – von wegen ich hätte es nicht gewollt – und scheinbar hatte es ihm gefallen, so, wie er grinste. Auch gut. Blieb nur noch eine Frage offen: Warum? „Du… aber dabei is’ es doch auch geblieben, oder?“, fragte ich unsicher, blickte in seine tiefbraunen Augen und musste nebenbei feststellen, dass er wohl keine Kontaktlinsen getragen hatte am Vorabend… Er lachte kurz, wuschelte mir dann durch den Pony, was mich schützend den Kopf einziehen ließ. „Sicher, ich hab dich abgefüllt, damit ich dich nageln kann…“, sagte er ironisch, strich mir die strubbeligen Strähnen dann wieder aus dem Gesicht und beugte sich vor, um mich zu küssen. Ich erwiderte den kleinen Kuss, realisierte auch erst danach, was er soeben gesagt hatte und es erleichterte mich, denn die Ironie war mir nicht entgangen. „Außerdem glaube ich, dass du es sehr wohl bemerkt hättest heut Morgen…“, fügte er noch hinzu, lächelte dann und ließ seine Hand über meinen Rücken zu meinem Hintern wandern, drückte leicht zu, „das hinterlässt schon so seine Spuren…“ Unweigerlich musste ich daran denken, wie es sein würde, wenn wir denn dann miteinander schliefen. Wer konnte schon sagen, ob es nicht doch mal vorkam…? Und wenn ja, würde es wehtun? Warum sagte er mir das? Wollte er mir Angst machen? Oder mich nur vorwarnen? Mein Unterleib zuckte automatisch vor, um seiner Hand zu entwischen und er ließ auch gleich grinsend wieder los. „Ich will jetzt noch nicht aufstehen“, meinte er plötzlich, drehte sich von mir weg und schwang die Beine über die Bettkante, setzte sich dann auf und beugte sich weit vor, um sich an der Gardine hochzuziehen. Dann taumelte er etwas zum Fenster und zog die Gardinen zu, sodass es ziemlich dunkel wurde und man nicht gerade viel erkennen konnte. Ich sah ihn nicht, sondern konnte es nur spüren, wie er zurück aufs Bett krabbelte. „Is’ grad mal halb acht“, bemerkte er, „und es is’ Sonntag…“ „Das heißt wir schlafen weiter“, beschloss ich einfach, rückte wieder zu ihm, ohne wirklich darüber nachzudenken und schmiegte mich an ihn. Auch er legte sofort wieder einen Arm um mich und zog mich zu sich, ich konnte ihn ruhig atmen hören und vernahm seinen Herzschlag, als ich meinen Kopf wieder an seine Brust bettete. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie machte mich diese ganze Szene gerade sentimental. Seufzend schloss ich die Augen, zupfte dann an seinem Shirt und murrte leise. Ich hörte ihn lachen, dann ließ er mich los und legte sich auf die Seite, machte es sowohl mir, als auch sich selbst bequemer. „Besser?“ „Hm…“, machte ich nur auf seine Frage hin und schloss wieder die Augen. „Was’ los?“, fragte er leise, schlang seinen Arm wieder um mich und spielte mit meinen langen Haaren hinten. „Mh, weiß nicht…“, meinte ich nur ebenso leise, „ich will am liebsten gar nicht mehr aufstehen…“ Wieder hörte ich ihn leise lachen, spürte, wie er meine Stirn kurz küsste. „Du bist süß…“ Ich biss mir auf die Unterlippe, verkniff es mir, ihm dasselbe zu antworten und lächelte stumm, schmiegte mich noch enger an ihn, um ihm so zu zeigen, dass ich es zur Kenntnis genommen hatte und nichts dagegen hatte, dass er es behauptete. Diesmal wohlig seufzend ließ ich meine Müdigkeit wieder Überhand nehmen und nahm mir nicht einmal mehr Zeit, mir noch mal alles vom Vorabend durch den Kopf gehen zu lassen. Gähnend lief ich durch die Straßen durch den Regen, zog meinen Mantel enger um mich. Zwar hatte Reita gefragt, ob er mich nach Hause bringen sollte, doch ich hatte dankend abgelehnt. Diesen Regen hatte ich ihm nicht zumuten wollen. Hatte ja ohnehin einen viel weiteren Heimweg, als er, doch der war ja auch nicht die Welt. Nur die Kälte machte mir etwas zu schaffen. Es war bereits Nachmittag, bis dahin hatte ich geschlafen und dann hatte ich mitgeteilt bekommen, dass wir den heutigen Samstag wieder feiern gehen würden. Natürlich hatte ich nicht abgelehnt. Schließlich war Reita dabei. Doch langsam wurden mir diese Klamotten zu unbequem und ich hatte beschlossen, mich noch vorher umzuziehen. Nun war es halb fünf Mittags. Ich zog meinen Mantel enger um mich, zitterte schon etwas und meine Haare hingen mir strähnig ins Gesicht. Musste wohl ein grauenvoller Anblick sein, da ich mich nicht einmal mehr abgeschminkt hatte und der Regen nun wahrscheinlich alles verwischt hatte. Das einzig gute daran war, dass meine Frisur wieder perfekt saß – nach unten hängend eben, obwohl man dieses Gestrüpp auf meinem Kopf nicht mehr Frisur nennen konnte. Insgesamt fühlte ich mich ziemlich erbärmlich. Mein Kopf schmerzte, was wohl noch immer die Nachwirkungen des Alkohols waren und auch mein Nacken, wofür ich allerdings keine Erklärung hatte. Zwar bemühte ich mich, schnell zu gehen, um dem Regen möglichst bald zu entkommen, doch eigentlich sagte etwas in meinem Kopf, dass mich nichts Gutes erwarten würde, wenn ich zuhause ankam. Wohl schon ein schlechtes Omen, dass es in Strömen regnete, im Vorgarten der Nachbarn war schon eine riesige Pfütze, in der man Goldfische hätte halten können. Gut, dass wir so viel bepflanzt hatten, dass das Unkraut mittlerweile ersoffen sein durfte. Weniger Arbeit für meine Mutter. Ja, meine Mutter würde wieder das Problem sein, das ahnte ich schon. Doch ehe sie etwas sagen können würde, hätte ich mich schon längst in mein Zimmer gesperrt und abgeschlossen. Dann kam sie wenigstens nicht rein und ich notfalls noch durch mein Fenster heraus. Einerseits hatte ich große Hoffnung, dass sie einfach nicht zuhause war, doch es war Samstag und sie würde unter Garantie dort sein. Andererseits brauchte ich ihre Anwesenheit, um überhaupt das Haus betreten zu können. Ob nun mit oder ohne Geschrei würde sich ja zeigen. Unsicher stand ich vor der Tür und klingelte, wartete einige Sekunden. Immer schon hatte ich diese Sekunden gehasst, vor unserer Tür zu warten. Zumindest seit mein Vater weg war und meine Mutter derart durchdrehte. Die Tür öffnete sich, meine Mutter schaute mich nicht einmal an und ging dann schnurstrax wieder zurück ins Haus und in die Küche, was mich verwundert schauen ließ. Da war irgendwas faul. Ich ging also herein, schloss die Tür hinter mir und zog mir den Mantel von den Schultern. Bis ich aus der Küche ein paar Flaschen klirren hörte. Ich erschrak, wich instinktiv einen Schritt zurück. Und schon kam sie wie ein Berserker aus der Küche, hielt eine leere Flasche in der Hand und im Mundwinkel hatte sie eine Zigarette, die sie in ihrem rosa Nachthemd widerlich und abschreckend wirken ließ. Nicht mal Hausschuhe trug sie. Angst stieg in mir hoch. Ich wollte mich umdrehen, die Treppe hoch laufen, doch sie hatte mich bereits erwischt an meinem Knie, sodass ich unsanft auf die Stufen prallte. „Du kleiner Bastard!“, schrie sie und schlug nochmals auf mich ein, „ich schmeiß dich raus! Kuck doch, wo du bleibst!“ Dann zog sie mich an den Füßen die Treppen herunter, ich prallte mit Schienbein, Ellbogen und dem Kinn auf, sodass mein Kiefer widerlich knackte. Mein Kopf war wie leer gefegt und mir wurde so schlecht. Wieder ein Schlag mit der Bierflasche, diesmal war es eine volle, die ich ihr irgendwie aus der Hand schlagen konnte. Gleich darauf traf ihre meine Wange und zog an meinen Haaren. Sie riss an ihnen, sodass ich meine Arme erhob, um ihre Hand loszumachen und kratzte sie. Sie schrie auf, schlug nochmals hart gegen meine Wange und das so fest, dass ich mich auf der Treppe drehte und auf dem Rücken lag, der gegen die Stufe scheuerte. Dann hob sie den Fuß und trat auf meinen Bauch ein, immer und immer wieder, sodass ich mich krümmte und versuchte zur Seite auszuweichen. „Mom, hör auf“, krächzte ich. Wieder ein Schlag gegen die Wange. Dann zerrte sie mich hoch, schleppte mich zur Tür und ich versuchte mich loszureißen. Doch es gelang mir nicht, da mein Bauch zu wehtat und ich Krämpfe hatte. Sie ließ mich kurz los, woraufhin ich erneut wegkrabbeln wollte. Ich wollte in mein Zimmer, wollte mich einschließen und nicht mehr herauskommen, dort vor mich hin vegetieren und nie wieder ein Wort an diese unfaire Welt verlieren. Nie wieder dieser Frau in die Augen blicken müssen. Ich wollte nur noch hoch in mein Zimmer, damit niemand meinen mehr als erbärmlichen Anblick sah. Sie schleifte mich an meinem Oberteil heraus, welches daraufhin aufriss und meine Schulter freilegte und warf mich unsanft auf den Asphalt, knallte die Tür hinter mir zu, ließ mich dort liegen, ließ mich zurück. Wie ein Straßenköter. Ich war noch immer triefend nass, der Regen prasselte unaufhörlich auf mich ein, tränkte meine Kleidung erneut und machte mir nur noch mehr Kopfschmerzen. Ich war mit dem Kopf auf den Steinen aufgekommen, alles zog sich in mir immer wieder schmerzhaft zusammen und alles oberhalb meines Halses pochte stark. Ich öffnete die Augen und sah Dreck zwischen den einzelnen Pflastersteinen, auf denen ich lag und fühlte mich nicht sonderlich anders. Man brauchte in diesem Moment keine andere Bezeichnung mehr für mich als Dreck. Ich sah aus wie Dreck, ich fühlte mich wie Dreck und man durfte mich auch behandeln wie Dreck. Meine Mutter hatte mich behandelt wie Dreck. Wer sollte das nicht tun? Ich war doch Dreck, oder nicht? Ich wusste, dass ich eine Menge Schmutz an mir und in meinen Haaren hatte. Dass mein Oberteil an der Schulter aufgerissen war und auch, dass ich an der Lippe blutete, woran meine Mutter schuld war. Meine Mutter war es schuld. Aber ich an dem Rest und ich war selbst dafür verantwortlich, oder nicht? Mühsam und unter starken Schmerzen im Rücken, in den Beinen und vor allem im Bauch richtete ich mich auf, fiel noch einmal zurück auf mein linkes Knie und versuchte dann zu gehen. Doch ich riss mich zusammen, musste schließlich weg aus der Nachbarschaft, bevor man mich sah. Man sollte nicht schlecht von mir denken. Zumindest nicht, solange ich schwach aussah, so, wie jetzt. Ich lief schnell, drohte nach vorn über zu fallen, doch ich zwang mich dazu, das Gleichgewicht zu halten. Es war fünf Uhr. Die Straßen schienen unendlich lang, bis ich den Park endlich erreicht hatte, wo ich dem Regen unter den Bäumen wenigstens ein bisschen entgehen konnte und wo ich mich zwischen den Sträuchern hinten auf den Bänken verkriechen konnte. Ich hatte knapp eine halbe Stunde bis zum Park gebraucht, weil ich mich alle paar Meter abgestützt hatte, mir den Kopf oder den Bauch gehalten hatte. Mir tat alles so unbeschreiblich weh. Mir tat es in der Seele weh. Niemand sollte mich so erbärmlich sehen. Eine Passantin, eine sehr alte Frau mit Regenschirm ging langsam an mir vorbei, starrte mich mit großen Augen an und machte den Mund auf. Sie krächzte etwas, hielt sich fester an ihrer Gehhilfe fest, ihr Blick schien abwesend und schockiert. „Nein, danke“, antwortete ich auf das, was immer sie gesagt hatte und ich ging einfach weiter in den Park hinein. Ich suchte nach einer Bank hinten, schaute nochmals auf die Uhr. Es war kurz vor halb sechs. In einer Stunde würde ich bei Daisuke zuhause sein müssen, um die anderen zu treffen und vor zu saufen. Der Park um mich herum war sehr dicht und dunkel, da der Himmel so schwarz war. Noch immer regnete es in Strömen, mein Körper zitterte unaufhörlich und ich ging weiter, konnte Schmerzenstränen nicht mehr vom Regen unterscheiden. Mir war so kalt, dass der Regen schon fast wieder warm wirkte. Doch er war trotzdem unangenehm. Aber windig war es gar nicht. „Uruha!“ Meine Füße hatten mich so weit getragen, dass ich bestimmt schon irgendwo am anderen Ende des Parks sein musste. Dort war der Wald am dichtesten und der Regen kam kaum mehr durch. Es war allerdings dunkler, sodass ich mich wunderte, wer mich so wohl erkannt hatte. Ich schaute mich um, entdeckte jemanden an den bereits eingeschalteten Laternen, der auf mich zukam. Musste mich kennen, der Typ, hatte meinen Namen gerufen. „Was ist denn mit dir passiert? Bist du verrückt so raus zu gehen?“ Man legte mir ein Stück Stoff um die Schultern – wahrscheinlich eine Jacke – und zog mich mit, sodass ich einknickte und wegklappte wie ein Sack Kartoffeln. Die Stimme konnte ich sogar zuordnen. „Sag, was ist passiert?“, fragte Saga wieder, hievte mich hoch und trug mich vorwärts richtung Ausgang. Von dem waren wir noch weit entfernt. „Mom…“, brachte ich nur hervor und brach wieder in Tränen aus. Ich wollte kein so erbärmliches Bild abgeben, drückte mich davor, ihm mein Gesicht zu zeigen, ließ meine Haare verklebt davor hängen. „Du kommst mit zu mir“, sagte er, „keine Widerworte. Gehst nirgendwohin heute Abend. Und ich auch nicht. Und dann ruhst du dich aus.“ Erwidern konnte ich sowieso nichts mehr, war nun schon zu schwach zum Gehen und ließ mich gegen ihn fallen, um ihm das zu zeigen. Er verstand und hob mich auf seine Arme. © Kapitel 16: Ignorieren ---------------------- -16- Ignorieren Die Kopfschmerzen wollten und wollten einfach nicht verschwinden. Irgendwann hatte ich sogar schon aufgehört darüber nachzudenken, wie viele Tabletten Saga mir nun schon gegeben hatte, weil es zu sehr schmerzte. Ich wälzte mich unruhig auf dem großen Schlafsofa und ignorierte dabei die Schmerzen, die meinen mehr als demolierten Körper dabei durchzogen – die waren nichts gegen dieses Schädelbrummen. „Wenn du dich weiter so rumwälzt wird es garantiert nicht besser“, sagte Saga mahnend, kam gerade mit einem Eisbeutel aus der Küche zurück, „dann renkst du dir nachher wirklich noch was aus.“ „Nicht so laut reden“, meinte ich nur, hielt mir den Kopf und legte eine Hand über meine Augen, damit das Licht nicht so blendete. Vielleicht brauchte ich auch einfach nur ein bisschen Schlaf, danach würde sicher alles besser sein. Doch einschlafen konnte ich jetzt garantiert nicht. Ohne Worte nahm ich den Eisbeutel an, hielt ihn mir an den Kopf und stöhnte gequält auf, denn die Kälte stach unangenehm an meiner Haut. Sofort fühlte ich, wie die Stelle zu brennen begann vor Kälte und ein kleiner Tropfen Eiswasser lief meine Stirn entlang. Wie ich mich schämte in so einer Situation zu sein. „Willst du mir jetzt mal erzählen, was genau war?“, fragte Saga weiter und setzte sich zu mir aufs Sofa ans Fußende, schaute mich fragend an. Und was wollte er jetzt hören? Das Nötigste hatte ich schon erwähnt: Mom. Das fand ich durchaus ausreichend. Aber Saga gab sich wie erwartet nicht damit zufrieden. Ich schaute auf die Uhr, es waren jetzt halb neun und hätte ich bis dato einen normalen Tagesablauf gehabt, hätte ich zu Daisuke gehen können, hätte Reita sehen können, hätte mit ihm feiern können… und so weiter…! Aber etwas hatte ja passieren müssen. Und dann ausgerechnet sowas. Mir stiegen die Tränen in die Augen, doch ich schluckte sie schnell herunter, wollte nicht schon wieder vor Saga weinen. Ich hatte meiner Meinung nach genug geweint. Lieber ersetzte ich die Tränen durch Aggressionen, ich holte Wut in mir hervor. Ich wollte wütend sein, wollte nicht mehr länger so weitermachen. Ich wollte Respekt! Saga hielt mich bestimmt auch schon für ein Weichei und meine Mutter schlug mich auch nur, weil ich mich nicht wehrte! Und wenn sie mich raus warf, konnte es mir doch egal sein, dann schlief ich eben unter einer Brücke. Oder ich übernachtete ein paar Wochen bei Saga, dann wieder bei Daisuke, wo auch immer. Irgendwo würde ich sicherlich unterkommen. Und wenn sie nicht zuhause war, würde ich eben dorthin gehen. Wie auch immer. Doch leben wollte ich dort nicht mehr. Nur schlich sich immer wieder eine Frage in meinen Kopf: warum ich? Warum nicht jemand anders, dem ich es viel mehr gönnte, als mir selber? Warum nicht Ruki? Oder Aoi? Jemand ganz anderes? Was hatte ich überhaupt verbrochen…? „Mom war scheiße drauf“, erklärte ich also schlicht, hatte auch nicht vor, noch mehr zu sagen. „Das ist alles?“ „Ja, alles!“, fauchte ich, was Sagas Gesichtszüge skeptisch werden ließ. Scheinbar wollte er sich nicht zufrieden damit geben, was ich als Erklärung abgeliefert hatte. Aber was sollte ich bitte noch erklären? Schlimm genug, dass er überhaupt ahnen konnte, wer das getan hatte…! „Soll ich dir aufzählen, wie oft sie mir eine gescheuert hat? Oder mir in den Bauch getreten hat? Was willst du hören, man?!“ Das schien gewirkt zu haben. Abwehrend hob er die Hände und stand auf, ging kurz aus dem Raum. Nur, um etwa zehn Sekunden später mit einer Flasche und zwei kleinen Gläsern zurückzukommen. Was hatte er da wohl…? „Jim Beam?“, fragte ich erstaunt, konnte mir gar nicht vorstellen, dass amerikanischer Whisky hier in Japan verkauft wurde. Wo also hatte Saga ihn her? Ein Geschenk vielleicht. Und das wollte er mit mir trinken? „Aus Amerika, ist n Geschenk von nem Freund von mir da“, erzählte er und goss die beiden Gläser bis oben hin voll, „aber ich hab keinen Kontakt mehr zu dem. War ohnehin n Idiot.“ Wie nett er doch sein konnte. Das fiel mir ja jetzt erst auf. „Warum denn nicht?“, fragte ich nach, nahm das kleine Glas und stieß mit ihm an. Ehe ich es dann auf Ex herunterkippte. „Wie gesagt, weil er ein Idiot war!“ Freundlich so über seine Freunde zu reden. Natürlich tat ich mit Aoi und Ruki nichts anderes, sie waren wirklich Idioten, denn sie hatten nicht mal einen einzigen vernünftigen Grund so zu mir zu sein. Aber wahrscheinlich kannte ich nur irgendwelche Hintergründe im Fall Saga und sein mysteriöser Amerikamenschenfreund. „Ich krieg heute wohl gar nichts aus dir raus, oder?“, fragte er nach einer Weile, in der es still gewesen war. Man, warum konnte er denn nicht einfach locker lassen? Irgendwie ging er mir auf die Nerven. Klar, ich war ihm dankbar und alles, aber ich brauchte nun mal Zeit, diesen ganzen Scheiß zu verdauen! Sollte er sich mal vorstellen, gerade übelst von seiner Mutter verhauen worden zu sein, da würde er den Mund garantiert auch nicht aufmachen. „Halt’s Maul, Saga“, seufzte ich nur theatralisch, lehnte mich vor und goss mir noch einen Whisky ein. Und Saga staunte wohl nicht schlecht, so, wie er mich anschaute. Tja, so eine Antwort hatte er wohl nicht von jemandem wie mir erwartet. Aber ich hatte eben Aggressionen und die brauchten mehr Platz, als ich in mir drin zur Verfügung hatte. Also musste ich wohl Platz schaffen… „Ist ja gut, Junge… trink lieber noch einen“, animierte er mich und hielt mir direkt die ganze Flasche hin, als er sah, dass ich nun auch mein letztes Glas restlos geleert hatte. Und spürte bereits eine Wirkung. Mir wurde zwar leicht schwindelig, doch die Schmerzen ließen etwas nach – sowohl die körperlichen, als auch die seelischen. Ich begann zu vergessen und zu verdrängen, das war es, was mir gerade am wohlsten tat. Es schlichen sich andere Gedanken in meinen Kopf. Ich dachte an die Schule, an die ganzen Leute, die mit mir in eine Stufe gingen und mich bald wohl für richtig erschreckend halten mussten. Radikalveränderung. Und was die so alles ausmachen konnte! Ich fühlte mich verdammt wohl so! Niemand konnte mir da mehr reinreden. Ich wollte mir nicht mehr reinreden lassen. Weder von Aoi oder Ruki, noch von meiner Mutter – die war die letzte, die da noch irgendwas wieder rückgängig machen konnte, weil sie letztendlich dafür gesorgt hatte – oder irgendwem anders. Eigentlich musste ich dieser Frau ja dankbar sein, dass sie mir mit ihren ständigen Prügeleien und Beleidigungen die Augen geöffnet hatte. Endlich konnte ich mal leben und nicht nur für die Gesellschaft und um einen guten Eindruck zu machen. Nein, ich konnte für mich selbst leben und das wollte ich auskosten, solange es eben noch ging! Ich trank gleich einen großen Schluck aus der Flasche, blickte Saga aus den Augenwinkeln an und sah, wie er grinste. War mir egal, solange es mir gut ging. Und Gott, es ging mir von Minute zu Minute besser! „Tut gut, ne?“, fragte er, lehnte sich tiefer ins Sofa zurück und hatte sich eine angebrochene Flasche Wodka vom Tisch geschnappt, nuckelte friedlich an dieser herum. Oh, wie Recht er doch hatte. Es tat verdammt gut! Jetzt verstand ich, warum er die einzige Möglichkeit ein bisschen über Sakito hinweg zu kommen im Alkohol sah. Ich kam sehr wohl über den Vorfall vom Nachmittag hinweg. Und das innerhalb von ein paar Minuten, nicht mal einer halben Stunde! Lächelnd legte ich den Kopf in den Nacken und nickte kurz, lauschte der Musik, die noch immer leise im Hintergrund lief und aus dem Fernseher kam. Ich wusste nicht mal, was da gespielt wurde, aber es klang lustig. Auszuhalten eben. „Trink aber nich’ so schnell, is’ nich’ gut für meinen Teppich“, riet er mir, doch ich nickte wieder nur. Ich war gerade mit mir selbst beschäftigt, sah der das denn nicht? Ich musste die herrliche Leere in meinem Kopf genießen, musste verhindern, dass durch äußere Einflüsse irgendwas in meinen wie leer gefegten Kopf gelangte. Nur noch ein paar Minuten…! Bis plötzlich irgendwas zu klingeln begann. Wer zur Hölle…?! „Was is’?!“, motzte Saga ins Telefon, doch wurde auf einmal vom einen auf den anderen Moment ruhig und irgendwie auch etwas blasser. „Sorry, hab deine Nummer nich’ erkannt!“ Wieder dauerte es einen Augenblick, bis er eine Reaktion zeigte und hastig den Kopf schüttelte. „Nein, hab nich’ getrunken… hä? Ja, warum?... Ich weiß, verdammt, aber es ging dem gar nich’ gut! Kam aus dem Park… Und außerdem hatte ich eh keinen Bock!“ Was zum Geier faselte der da?! Redete der etwa über mich? Wer war da am Telefon? „Wen? Warum?... Jetz’? Aber ihr habt doch schon bezahlt und alles…“ Also wollte jemand vorbeikommen? Aber wer? Ich schaute auf die Uhr und seufzte. Eigentlich wurde ich langsam müde und hatte nicht wirklich Lust auf Besuch. Ich setzte die Flasche wie automatisch an meine Lippen und spülte die bittere Flüssigkeit meinen Rachen hinunter. Langsam brannte es bei jedem Schluck etwas, doch das ignorierte ich. Auch das leichte Gefühl, dass ich aufstoßen musste, verdrängte ich. „Macht doch was ihr wollt!“, seufzte Saga dann und legte einfach auf. Hieß das die würden doch vorbeikommen? Wer auch immer das jetzt war? „Wer war das?“ Saga zuckte nur mit den Schultern, setzte dann seinerseits die Flasche an seine Lippen und trank einen Schluck. „Reita und so…“, antwortete er nur knapp und lehnte sich wieder zurück, seine Augen schlossen sich. Wieder ein großer Schluck aus seiner Flasche. So kam es, dass beide plötzlich leer waren. „Hast noch eine?“, fragte ich schon ziemlich schwummrig, denn so fühlte ich mich auch. Aber ich wollte noch mehr davon, denn so ganz wollten die Gedanken dann nun doch nicht weg. Immer wieder schlich sich Reita dazwischen, seine Hand sich zwischen meine Beine und dass ich hier rattig wurde konnte ich gerade am wenigsten gebrauchen! Überhaupt konnte ich Reita grad so gar nicht gebrauchen! Der würde Fragen stellen, der würde alles wissen wollen! Das war irgendwie ein Nachteil an ihm… Saga stand auf und verschwand wieder in der Küche, brachte mir diesmal irgendeine Flasche mit – war mir egal, Hauptsache da standen Prozente drauf. Und wie sie da draufstanden. Gleich 34% auf einmal. „Was is’ das?“, wollte ich wissen, doch Saga lachte nur, zuckte mit den Schultern und stellte den Fernseher lauter. Meine Kopfschmerzen waren irgendwie wie weggepustet und auch die sonstigen Schmerzen machten mir nicht mehr so viel aus wie vorher. Sicherlich war das alles nur Einbildung gewesen, ich hatte also gar keine Prellungen oder ernsthaftere Verletzungen oder sonst was! „Geht’s dir wieder gut, Uru-chan?“, ließ mein Sitznachbar verlauten und stieß mich mit dem Ellbogen an, woraufhin ich meinen Arm genervt wegzog. Der sollte mich jetzt nicht anfassen, ich war gerade auf Eigenmodus geschaltet! „Hm!“ Und schweigend saßen wir nebeneinander, tranken unseren Alkohol, schauten friedlich zum Fernseher und taten einfach gar nichts. Saga rauchte ab und an eine, was ich aber ignorierte und ließ mich einfach in Ruhe. Was auch gut so war. Ich war gerade in mich selbst versunken, in meiner eigenen kleinen Welt, wo überall viele kleine bunte Flaschen waren, die Gesichter bekamen und die ich dann allesamt einfach austrank. Und dann wurden aus ihnen winzige kleine Käferchen, die davon krabbeln wollten – doch ich trat auf sie drauf, bevor sie das Weite suchen konnten. Wessen Gesichter das gewesen waren, hatte ich bis dahin schon längst wieder vergessen. Meine Augen starrten zwar zum Fernseher, aber eigentlich nahm ich so gut wie gar nichts mehr wahr und schielte einfach so vor mich hin, hob nur immer mal wieder den Arm, um die Flasche an meine Lippen zu führen. Welche Flasche klingelte denn da an der Tür?! Fast war ich vom Sofa gefallen, doch Saga war schneller aufgesprungen und hatte sich äußerst elegant an mir vorbeigeschlängelt, um laut fluchend die Tür zu öffnen. „Scheiße, Reita, ich hab doch gesagt ich hab kein’ Bock heut Abend!“, hörte ich ihn rufen, doch scheinbar hatte es ihm auch nicht wirklich viel gebracht. „Verpiss’ dich da und lass mich rein, ja?!“ Ich kannte diese Stimme. Nein! Nein, nicht Reita! Der würde Fragen stellen! Ich wollte keine Fragen! Ich hatte doch gerade so schön abgeschaltet! Warum tat er mir das an?! „Uru…!“ Ich würde gar nicht erst zur Tür schauen. Ich hatte sie ja eh schon aus dem Augenwinkel im Blick. Und ich konnte doch sehen, wie er mich fassungslos anstarrte wegen meinem Gesicht und den blauen Flecken an meinem Arm! Er sollte weggehen…! Ich wollte ihn nicht sehen! Er sollte mich nicht sehen, das war noch viel wichtiger! Ich… war hingefallen. Genau, hingefallen! „War das deine Mom?“, fragte er, ich konnte aber im Hintergrund auch noch zwei andere Stimmen hören. Scheinbar war er nicht allein gekommen. Saga redete mit jemand anderem. Daisuke vielleicht? „Kannst du mir mal antworten?“ Nein, konnte ich nicht! Trotzig stellte ich die Flasche auf den Tisch und rappelte mich auf, wobei allerdings mein Rücken ziemlich schmerzte und ich mich erstmal am Sofa festhalten musste. Fluchend ging ich dann ein paar Schritte vorwärts und richtung den Raum, bei dem ich es für am wahrscheinlichsten hielt, dass da ein Klo drin war. „Was soll die Scheiße, Uruha?! Kannst du mal bitte mit mir reden?“, sagte er nun schon etwas lauter und kam auf mich zu, griff nach meinem Arm und entlockte mir dabei einen ungewollten Aufschrei. „Sag mal spinnst du?! Lass mich pissen gehen, verdammt!“, motzte ich, riss mich los, was zwar nur noch mehr schmerzte aber eigentlich scheißegal war, solange ich endlich aufs Klo kam. Eigentlich musste ich gar nicht wirklich. Aber so konnte ich Reita länger aus dem Weg gehen. „Tickst du noch ganz richtig? Was soll n der Scheiß hier?!“, rief Reita mir hinterher, doch schon war ich in dem kleinen, schmalen Raum verschwunden, schaltete das Licht an und schloss hinter mir ab. Dann setzte ich mich erstmal auf die geschlossene Kloschüssel und seufzte genervt. Warum musste der auch ausgerechnet jetzt hier auftauchen?! Scheinbar hatte er auch nicht mehr bis zum nächsten Morgen warten können, wenn ich mal ne Nacht drüber geschlafen hatte. Warum ließ mir eigentlich nie jemand Zeit für all das? Wie sollte ich ihm das denn erklären, zum Teufel? ‚Hey, meine Mutter hatte Langeweile und mich deshalb einfach mal halb zu Brei geschlagen’? Ich hörte seine aufgebrachte Stimme im Wohnzimmer, wie er Saga fragte, was mit mir los sei, doch der nur das antwortete, was Reita selber schon vermutet hatte. Gut, dass dieser Idiot ihm jetzt auch nicht erklären konnte, was los war. Vielleicht verschwand er dann schneller wieder. Aber wirklich daran glauben tat ich auch nicht. Also verrichtete ich halt eben mein Geschäft, auch, wenn mein Rücken ziemlich darunter litt, dass ich mich zum Klopapier vorbeugen musste, doch das versuchte ich zu verdrängen. Ich spülte ab, wusch mir nicht mal mehr die Hände und verließ dann den kleinen Raum wieder, um mich einfach nur aufs Sofa zu packen und weiter zu trinken. Und Reita würde mich jetzt auch nicht davon abhalten! Im Wohnzimmer fand ich wie erwartet Saga und Daisuke vor, die beide auf dem Sofa saßen und einen noch immer angepisst aussehenden Reita, der gegen den Schrank lehnte und mich anschaute. Genau wie die anderen beiden auch. Warum starrten die so?! Hatte ich was im Gesicht? Okay… außer meiner geschwollenen Wange, meinem blauen Auge und meiner aufgeplatzten Lippe? „Ich frag noch mal. Was ist passiert?“, sprach Reita beherrscht ruhig, „War das deine Mom?“ „Man, warum starrt ihr mich jetz’ alle so an?! Ich seh alles andere als umwerfend aus! Verpisst euch doch, verdammt! Ich will mit niemandem reden, klar?!“ Und diesen Anfall hatte ich leider nicht unterdrücken können. Wackelig hielt ich mich auf den Beinen und abgestützt am Türrahmen des Wohnzimmers, der zum hinteren Teil der Wohnung führte. Und ich wollte nur, dass die beiden endlich den vorderen Teil und die Haustür aufsuchten…! „Okay…“, sagte Reita mit neutraler Stimme, „wie du meinst. Is’ okay. Bin wieder weg.“ Verwunderte mich zwar, dass er so leicht nachgab und gleich wieder mit Daisuke, dem ich jetzt erst wirklich Beachtung schenkte und mir gleich sein dämliches Grinsen auffiel, durch eben genannten vorderen Wohnungsteil und durch die Haustür verschwand. Ohne Umwege, ohne einen letzten Blick und ohne Widerworte. Saga saß noch immer auf dem Sofa, schaute den beiden nach und vergrub sein Gesicht in der Handfläche, seufzte. Was hatte ich denn jetzt wieder falsch gemacht?! „Kannst hier bleiben für n paar Wochen. Hab ich nichts gegen, okay? Kannst auch in meinem Bett pennen, is’ mir egal. Ich bleib eh hier liegen…“ Und somit legte er einfach die Beine hoch, schloss die Augen und schaltete noch blind den Fernseher mit der Fernbedienung aus, regte sich dann nicht mehr. Und ließ mich einfach so hier stehen. Na gut, wenigstens hatte ich was, wo ich knacken konnte, aber wirklich zufrieden war ich mit der momentanen Situation irgendwie nicht wirklich. Reita war einfach so ohne ein Wort der Verweigerung abgedampft. Daisuke war ihm mit einem ziemlich komischen Grinsen gefolgt. Und Saga legte sich irgendwie abgenervt aussehend aufs Sofa und pennte einfach ein? Da war doch was oberfaul! Und klar, ich war wohl wieder der Idiot bei der ganzen Sache. Natürlich, wer auch sonst? Musste ja einer da sein, dem man die Rolle ‚Vollpfosten’ zuschreiben konnte. Und freiwillig machte den ja keiner… „Schon klar…“, meinte ich matt und schaltete einfach das Licht aus, drehte mich um und betrat den einzigen Raum, der nun noch übrig war. Das Schlafzimmer. Dessen Einrichtung mich nicht mal sonderlich interessierte, als ich den Raum betrat. Ich wollte nur noch eines: schlafen. Träge und mit schmerzerfülltem Stöhnen zog ich mich bis auf die Hotpants aus, ließ mich dann auf dem weichen Bett nieder, doch versuchte es so, dass mir nicht alle Knochen einzeln wehtaten. Warum waren die Schmerzen auf einmal wieder da? Warum waren da wieder Gedanken…? Da war Reita, der mit wütendem Gesicht vor mir stand und nach einer Erklärung für mein Verhalten verlangte. Der sich nicht abwimmeln ließ, der mich immer weiter bedrängte, bis ich zu weinen begann unter all dem Druck. Aber den hatte er mir diesmal gar nicht gemacht. Eigentlich hatte er mir noch nie Druck gemacht, wenn ich so darüber nachdachte. Nie. Auch diesmal nicht. Und trotzdem verwunderte es mich, dass er so schnell wieder abgehauen war. Konnte mir ja egal sein eigentlich, ich wollte vor Saga und Daisuke nicht über den ganzen Scheiß sprechen – das ging sie nun mal nichts an. Zumindest war ich dieser Meinung und fand sie auch durchaus berechtigt – ich kannte ihre Eltern und ihr Verhältnis zu ihnen ja auch nicht! Gut, Reita hatte mir ein bisschen über Daisukes Vater erzählt, aber wirklich viel war das auch nicht gewesen… Reita, Reita, Reita! Warum tauchte er immer wieder in meinen Gedanken auf? Ich wollte nicht mehr über ihn nachdenken! Ich hatte es satt, nachzudenken, davon kamen meine Kopfschmerzen zurück! Nicht, dass Reita kein schöner Gedanke war, aber er war nun mal halt gerade… nicht gut für mich. Gar nichts war gerade gut für mich! Ich seufzte und hielt mir den Kopf, als ich mich auf die halbwegs heile Seite drehte und die Decke über mich zog, meine geschwollenen Augen schloss und einfach versuchte an nichts zu denken. Einen Moment lang hatte es sogar geklappt, doch erneut überkamen mich diese verdammten Gedanken und Erinnerungen an passierte Dinge. Warum waren plötzlich Aoi und Ruki in meinem Kopf? Wie sie mich anschauten mit einem breiten Grinsen im Gesicht. War es, weil ich so aussah, wie ich eben gerade aussah? So zugerichtet? Wahrscheinlich gönnten sie es mir auch noch! Wahrscheinlich gönnten sie mir, dass man mich so zurichtete, weil ich nicht mehr so leben wollte, wie sie! Krampfhaft prügelte ich sie mir weg von meinem inneren Auge, merkte kaum, dass mir Wuttränen in die Augen traten und ich das Kopfkissen unter mir benässte. Aber ich ignorierte es, denn auch das machte mir Kopfschmerzen. Es tat meinen Augen weh und das tat wiederum meinem Kopf weh. Schlafen war angebracht, also versuchte ich mich daran, so gut es eben ging. Schlafen würde gut für mich sein, redete ich mir ein, ich murmelte es sogar leise vor mich hin, ehe ich die Augen wieder gänzlich schloss und all meine Gedanken vertrieb, um etwas Nachtruhe zu finden. Sicherlich war diese Zeit im Vergleich zu der der Vorabende sehr früh, zu der ich schlafen ging. © Kapitel 17: Von Reden und Schweigen ----------------------------------- -17- Von Reden und Schweigen Mit einem widerlichen Geschmack im Mund war ich am Morgen aufgewacht und hatte mich erstmal etwa zwei Stunden lang auf dem Klo vergnügt. Gott, so mies hatte ich mich selten im Leben gefühlt. Aber gut, damit hatte ich wohl leben müssen, hatte es mir selbst zuzuschreiben. Doch ich bereute nichts davon, was ich am Vorabend getan hatte. Ich hatte mich wenigstens für ein paar Stunden gut gefühlt… Doch leider wusste ich auch nicht mehr alles vom Abend. Ich wusste, dass Reita da gewesen war, doch wie er gekommen und wieder gegangen war, hatte ich vergessen. War wohl auch nicht so wichtig. Sicherlich hatte er Verständnis für mich aufgebracht, schließlich hatte er Vertrauen in mich und ich hatte sicherlich nichts getan, was ihn hätte wütend machen können. Und trotzdem war da irgendwas in meinem Hinterkopf, was mich irgendwie störte. Etwas hatte ich übersehen, was wichtig war. Etwas war da noch, was mir Kopfschmerzen bereitete und mich nicht losließ. Saga war bereits seit dem Morgen weg, ich hatte nur einen Zettel vor der Tür gefunden. Ich war um halb zwölf erst aufgestanden und da war er auch schon weg gewesen. Sicherlich zu irgendwelchen Freunden – zur Schule wohl kaum, schließlich war es Sonntag. Sonntags konnte ich nicht nachvollziehen, warum man schon vor zwei Uhr Nachmittags aus dem Haus ging. Aber Saga hatte wohl seine Gründe. Er hatte mir auf den Zettel geschrieben, dass ich den PC gern verwenden konnte, dass ich mir etwas zu Essen machen konnte und tun und lassen konnte, was ich wollte – ich solle mich wie zuhause fühlen. Besser nicht war mein erster Gedanke gewesen. Sagas Zuhause konnte man nicht mal ansatzweise mit meinem vergleichen. Nun saß ich schon seit Stunden im Wohnzimmer vorm Fernseher, hatte mir eine Tiefkühlpizza gemacht und ein Bier genommen, starrte geistesabwesend auf den Bildschirm und versuchte krampfhaft darauf zu kommen, was mir vom vorigen Abend aus dem Gedächtnis entfleucht war. Es war wichtig, doch ich kam einfach nicht darauf! Ich wusste nur, dass es etwas mit Reita zu tun hatte. Nur was…? Und die Beschäftigung des Fernsehens war wirklich nicht das Gelbe vom Ei. Langsam aber sicher langweilten mich diese ganzen Werbesendungen und Spielshows. Nichts Interessantes im Fernsehen. Früher hatte ich ganz gern Nachrichten und Wissenssendungen geschaut, aber irgendwie interessierten die mich so gar nicht mehr. Eigentlich interessierte mich Fernsehen an sich nicht mehr. Was sollte ich damit? Lief ja doch nichts Anständiges und die halbwegs guten Filme kamen sowieso erst nach acht Uhr. Wo ich gerade darüber nachdachte, schaute ich auf die Uhr und stellte fest, dass es schon sechs Uhr durch war. Wo war Saga nur so lang? Hatte er mich schon vergessen? Vielleicht war er ja bei Reita…? Oder Daisuke? Oder Sakito? War wohl alles möglich, doch er würde schon wiederkommen. Schließlich ließ man Besuch doch nicht den ganzen Tag allein. Ich entschloss mich duschen zu gehen. Das hatte ich wirklich mehr als dringend nötig. Ich machte mich also auf den Weg ins Bad, schaute mich erst einmal um. Klein war es schon, aber er hatte alles da, was man so brauchte und ich beschloss einfach duschen zu gehen, schloss jedoch trotzdem die Tür hinter mir ab, falls Saga überraschend zurückkam. Und so kam es, dass es schon kurz vor zehn war und Saga noch immer nicht zuhause war. Weder hatte er mir ja irgendeinen Anhaltspunkt gegeben, noch mal irgendwie sein Passwort für den PC irgendwo aufgeschrieben. Wobei ich mich sowieso fragte, wozu er ein Passwort brauchte, wenn es doch sein eigener PC war. Also musste ich mich wohl als Gast anmelden und erst einmal schauen, wie das ganze System überhaupt funktionierte. Ein ganz anderer PC als meiner, viel älter und überhaupt hatte ich ja ein Notebook und konnte mich nicht mal mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal einen normalen PC verwendet hatte. Ich schaute mich auf dem Desktop um und entdeckte auch schnell das Logo für ICQ, entschied mich, mich einfach mal einzuloggen und zu sehen, wer online war. Saga natürlich nicht, war ja auch nicht zuhause. Aoi und Ruki waren online, doch beide hatte ich auf ignorieren gestellt. Ansonsten nicht wirklich jemand, der mir zusagte – zumal ich eh wenige Freunde im ICQ hatte. Warum war Reita eigentlich nicht online? Komisch, sonst war er doch immer abends da? Warum also nicht heute? War Saga vielleicht bei ihm? Ich beschloss, ihn trotzdem anzuschreiben. L'objet Dégoûtant (10:04 PM): Reita? Bist du da...? SexPistol (10:04 PM) : Ja, bin ich. Also war er doch da! Nur wieso sah ich ihn nicht? Warum war er denn unsichtbar? Und wieso schrieb er mich nicht an? Ich wunderte mich zunehmend. Irgendwas hatte er doch…? L'objet Dégoûtant (10:05 PM): Gut... L'objet Dégoûtant (10:05 PM): Wie geht's dir? SexPistol (10:05 PM): Den Umständen entsprechend ziemlich beschissen… Hatte ich es doch geahnt. Es ging ihm scheiße. Und natürlich musste ich etwas damit zu tun haben, etwas angestellt haben. Warum sollte er sonst so eine Antwort geben? Irgendwie machte es mich unruhig, dass er so antwortete, sicherlich war es nichts Erfreuliches… L'objet Dégoûtant (10:06 PM): Oh... und... das liegt bestimmt an mir, richtig? SexPistol (10:06 PM): Schlaues Kerlchen! L'objet Dégoûtant (10:06 PM): Tja... SexPistol (10:07 PM): Immerhin! Warum war er denn plötzlich so? Er schien sauer zu sein. Aber warum? Hatte ich irgendwas falsch gemacht? Irgendwas angestellt? Ich konnte mich doch nicht erinnern, wieso sagte er mir nicht einfach, was los war? L'objet Dégoûtant (10:07 PM): Was 'immerhin'? SexPistol (10:07 PM): Immerhin etwas, dass dir das auffällt… L'objet Dégoûtant (10:07 PM): Bist du sauer oder was? SexPistol (10:08 PM): Sauer? Nein, warum sollte ich denn sauer sein? Er war doch sauer! Und es machte mich irgendwie wütend, dass er sich anscheinend auch noch einen Spaß daraus machte, mich damit zu verarschen. Sollte er doch den Grund sagen und damit aufhören, in Rätseln zu reden. Sollte er doch Klartext sprechen…! L'objet Dégoûtant (10:08 PM): Machst du dich über mich lustig? SexPistol (10:09 PM): Mir ist grad nicht nach Lachen zumute… L'objet Dégoûtant (10:09 PM): Du bist sauer wegen gestern! Was auch immer da gewesen war. Krampfhaft versuchte ich noch einmal, mich daran zu erinnern, doch ich kam auf keine wirkliche Erklärung für seinen Gemütszustand. Ich wusste einfach nicht, was seine Wut zu bedeuten hatte. SexPistol (10:09 PM): Nein, wie kommst du denn darauf? L'objet Dégoûtant (10:10 PM): Ach, vergiss es... SexPistol (10:10 PM): Sonst noch was? L'objet Dégoûtant (10:10 PM): Reita! L'objet Dégoûtant (10:11 PM): Jetzt hör auf damit man... SexPistol (10:11 PM): Womit? Was mach ich? L'objet Dégoûtant (10:11 PM): Du willst scheinbar nicht mit mir reden... SexPistol (10:11 PM): Das wolltest du spürbar gestern auch nicht mit mir! Und langsam dämmerte es mir. Er war sauer, weil ich ihm keine einzige Frage beantwortet hatte bezüglich meines Aussehens und meines Zustandes. Aber gut, dafür musste er doch Verständnis haben! Ich hatte mir sowas von die Birne zugekippt, dass ich nicht wirklich Lust und auch nicht die Kraft dazu gehabt hatte, irgendwelche Fragen zu beantworten. Mir hatte nun mal der Schädel gebrummt und alles wehgetan, warum sollte ich also Lust haben, ihm irgendwelche unangenehmen Fragen zu beantworten? Und schon gar nicht, wenn Daisuke dabei war – Saga okay, der wusste ja eh schon einiges, aber Daisuke…? Dem vertraute ich da nicht so richtig. L'objet Dégoûtant (10:12 PM): Bist du deshalb sauer? SexPistol (10:12 PM): Was wäre wenn es so wäre? L'objet Dégoûtant (10:13 PM): Dann würde ich dich fragen wieso! SexPistol (10:13 PM): Dann frag mal. L'objet Dégoûtant (10:14 PM): ... L'objet Dégoûtant (10:14 PM): Du verstehst auch gar nichts, oder? SexPistol (10:14 PM): Erklär mir. L'objet Dégoûtant (10:15 PM): Ich wollte nicht, dass du irgendwelche Fragen stellst! Saga hat sich total bescheuert verplappert, weil er selber dicht war... L'objet Dégoûtant (10:15 PM): Eigentlich wollte ich niemanden sehen gestern... SexPistol (10:16 PM): Und wieso hast du mir nicht einfach mal EINE Frage beantwortet und dann wäre gut gewesen? L'objet Dégoûtant (10:17 PM): Ich wollte nicht! Ich war fertig genug...! Außerdem kannst du dir doch denken, wer das war... SexPistol (10:18 PM): Weißt du, es geht mir nicht mal wirklich darum, wer es war… SexPistol (10:18 PM): Es geht mir verdammt noch mal darum, wie du dich aufgeführt hast...! Echt eh... Wie bitte hätte ich mich sonst verhalten sollen, schoss es mir in diesem Moment durch den Kopf. Vielleicht hätte ich zusätzlich zu meinem erbärmlichen Aussehen auch noch heulen sollen! Dann wäre ja alles perfekt gewesen! Was erwartete er eigentlich von mir? Dass ich mich wie das letzte Weichei vor ihn stellte und losheulte, bloß, weil meiner Mutter mal wieder alle Pferde durchgegangen waren…? L'objet Dégoûtant (10:19 PM): Warum regst du dich darüber so auf? Ich konnte mich nicht beherrschen, Saga hat mir auch dumme Fragen gestellt... L'objet Dégoûtant (10:19 PM): Ich wollte das nicht mehr hören! SexPistol (10:20 PM): Warum ich mich so anstelle? Das würde ich auch gerne wissen! Vielleicht, weil ich einfach mal wissen wollte, was überhaupt los war?! SexPistol (10:20 PM): Und was machst du? SexPistol (10:21 PM): Schreist mich auch noch an, dass ich verschwinden soll… SexPistol (10:21 PM): Na besten Dank! Wie versteinert saß ich an meinem Platz und starrte auf den Bildschirm. Konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern sowas gesagt zu haben. Aber warum? Warum warf er mir das alles vor? Ich hatte doch nur in meiner Verzweiflung das gesagt, was mir durch den Kopf gegangen war. Konnte er das denn nicht verstehen? Aber dass ich so etwas gesagt hatte… L'objet Dégoûtant (10:22 PM): Ich sagte nicht, dass du verschwinden sollst, oder...? Hab ich das ehrlich gesagt...? SexPistol (10:22 PM): Na, so besoffen wie du warst wundert es mich nicht, dass du das nicht mehr weißt… L'objet Dégoûtant (10:24 PM): Okay, das wollte ich nicht... L'objet Dégoûtant (10:24 PM): Aber dass ich nicht reden wollte ist ja wohl verständlich, oder nicht...? L'objet Dégoûtant (10:24 PM): Ich wollte allein sein, weil ich keine Lust darauf hatte, dass man mich so sieht! SexPistol (10:24 PM): Natürlich ist das verständlich… SexPistol (10:25 PM): Aber du hättest wenigstens sowas sagen können wie 'Es geht darum und das ist mir passiert, aber bitte lass mich in Ruhe. Ich will nicht reden und allein sein.' Was war so schwer daran, so einen Satz, einen einzigen beschissenen Satz zu formulieren?! L'objet Dégoûtant (10:25 PM): Gott, verdammt! Hast du nicht gesehen, wie ich aussehe? Ich kann doch so nicht vor die Tür gehen! Die meinen doch alle ich würde zum Schläger oder sowas mutieren! Wer kommt denn auf die Idee, dass meine eigene Mutter mich so zugerichtet hat?! Natürlich waren das die völlig falschen Worte zur Rechenschaft gewesen. Total tolle Rechtfertigung! Das war doch alles Bullshit was ich hier schrieb… Ich wusste nicht, was ich noch tun sollte, doch ich sah langsam aber sicher ein, dass ich mich wie der letzte Vollidiot verhalten hatte. Warum hatte ich ihn auch rausgeworfen…? Und in diesem Moment fielen mir lauter Dinge ein, die ich meiner Meinung nach hätte sagen sollen an jenem Abend. Zum Beispiel ‚Tut mir Leid, aber ich kann noch nicht darüber reden’ oder ‚Würdest du mich in meinem jämmerlichen Zustand bitte allein lassen, damit du nicht allein von meiner Fahne an einer Alkoholvergiftung stirbst?’ L'objet Dégoûtant (10:28 PM): Sag was...! SexPistol (10:29 PM): Mir ist verdammt noch mal durch Mark und Bein gegangen, wie du ausgesehen hast! Und es hat mich rasend gemacht, dass Saga mir erklärt hat, was passiert ist… L'objet Dégoûtant (10:29 PM): Er hat dir das erklärt?! L'objet Dégoûtant (10:30 PM): Wann? Als ich auf Klo war? SexPistol (10:30 PM): Ja. War schon scheiße, alles so mitzukriegen… L'objet Dégoûtant (10:31 PM): Klasse... dann weiß Dai ja jetzt auch wunderbar Bescheid! Warum hast du denn später überhaupt noch nachgefragt?! Wolltest du noch mal weiter auf mir rumhacken oder was...?! Und das störte mich gewaltig! Ich wusste schließlich noch immer nicht recht, ob ich diesem Vogel auch wirklich trauen konnte. Was, wenn er irgendwas ausplauderte? Oder anstellte deshalb? Oder mich deshalb dann alle aufzogen? Und wenn das Jugendamt davon erfuhr? Dann würde man mich in ein Heim stecken, wegen Schutz vor Kindesmisshandlung oder was? SexPistol (10:32 PM): Ist mit doch scheißegal, ob der das weiß. Dai kann und wird dichthalten... Und hör verdammt noch mal auf mich anzukacken, ich wollte nur aus deinem eigenen Mund hören, dass Saga keinen Scheiß erzählt hat...! SexPistol (10:32 PM): Wenn das deine einzige Sorgen sind, dann kann ich dich beruhigen. Wenn er mir das wenigstens versprach… L'objet Dégoûtant (10:33 PM): Nein, das sind nicht meine einzigen Sorgen... SexPistol (10:33 PM): Nicht? L'objet Dégoûtant (10:35 PM): Hör zu, es war nicht besonders von mir, dass ich dich rausgeworfen hab aus einer Wohnung, in der ich nicht mal lebe... und es tut mir wirklich Leid, weißt du? Ich mag nicht, wenn du sauer auf mich bist... SexPistol (10:36 PM): Ich wurd schon öfter rausgeworfen, meinst du da macht mir das was aus? Gut, vielleicht die Tatsache, dass ausgerechnet DU das warst, aber sonst... Das wurde ja immer besser. Und ich bekam zunehmend ein schlechtes Gewissen. Dieser Kerl verstand es wirklich andere so lange zu bequatschen, bis sie nachgaben. Mittlerweile fühlte ich mich nicht einmal mehr im Recht! Und das Verlangen mich endlich richtig bei ihm entschuldige wurde größer und größer. L'objet Dégoûtant (10:37 PM): Tut mir ja auch Leid... ich wollte halt nur nicht, dass mich noch mehr Leute so sehen, wie ich jetzt aussehe... SexPistol (10:38 PM): Ich hab dich aber gesehen. Hat dich doch auch nicht davon abgehalten. L'objet Dégoûtant (10:39 PM): Es tut mir Leid! Was willst du denn noch hören...? SexPistol (10:39 PM): Schon okay. Gar nichts will ich mehr hören... vergiss die Sache einfach. L'objet Dégoûtant (10:40 PM): Das sagst du so einfach... L'objet Dégoûtant (10:40 PM): Du bist sauer und ich bin schuld dran... SexPistol (10:41 PM): Ich bin nicht mal direkt sauer, verstehst du? SexPistol (10:41 PM): Ich fühl mich als hättest du mir mitten in die Fresse geschlagen… SexPistol (10:41 PM): Kein angenehmes Gefühl. L'objet Dégoûtant (10:42 PM): Oh, dann weißt du ja zu gut, wie sich das anfühlt, wenn es jemand in der Realität macht, nicht? ... SexPistol (10:42 PM): Ja, weiß ich. L'objet Dégoûtant (10:42 PM): Es tut mir Leid, wirklich... L'objet Dégoûtant (10:42 PM): Ich wollte dich nicht enttäuschen... SexPistol (10:42 PM): Ich hab’s oft genug erlebt. Bin's gewohnt. Auch ich wusste mittlerweile zu gut, wie es war, wenn man enttäuscht wurde. Immerhin hatten mich meine ehemals zwei besten Freunde mehr als nur enttäuscht. Und ich wollte ihm auf keinen Fall ein solches Gefühl geben, weil ich nun mal wusste, dass es verdammt wehtat. Reita war der letzte, den ich enttäuschen wollte. Reita hatte das ebenso wenig verdient wie ich… L'objet Dégoûtant (10:43 PM): Ich wollte das wirklich nicht... das ist das Letzte, was ich will! SexPistol (10:43 PM): Gestern hattest du wohl ne Stimmungsschwankung...? Aber gut, sei’s drum. L'objet Dégoûtant (10:44 PM): Bitte sei nicht mehr sauer... L'objet Dégoûtant (10:44 PM): Kannst du nicht herkommen...? L'objet Dégoûtant (10:44 PM): Ich will das wiedergutmachen... SexPistol (10:48 PM): Mit was? Willst du mir wieder ins Gesicht sagen, dass mich das alles nen Scheiß angeht, wie's dir geht? Lässt du mich wieder in meiner Sorge einfach im Dunkeln tappen? Weißt DU eigentlich, was ich mir für Sorgen gemacht hab? Was das für ein beschissener Schock für mich war, dich in DEM Zustand zu finden? L'objet Dégoûtant (10:48 PM): ... Warum war er auf einmal so? Ich wusste doch nun, was er von der ganzen Aktion hielt! Er musste ja nicht noch weiter auf mir rumhacken…! Ich ertrug das nicht, ich spürte sogar, wie die Tränen in mir aufstiegen und sich langsam aus den Augen lösten, meine Wange entlangliefen. Es tat weh, dass er mich so anmachte. Ich musste ihn nur endlich dazu kriegen herzukommen, damit ich mich endlich entschuldigen konnte… Und scheißegal, wenn Saga noch gar nicht hier war! SexPistol (10:48 PM): Nein, natürlich nicht. SexPistol (10:48 PM): Wie sollte man das auch in dem Zustand? L'objet Dégoûtant (10:49 PM): Kannst du bitte herkommen...? L'objet Dégoûtant (10:50 PM): Bitte...! SexPistol (10:50 PM): Ich hoffe für dich, dass du mich diesmal zumindest begrüßt… L'objet Dégoûtant (10:50 PM): Natürlich tu ich das, wieso sollte ich dich sonst sehen wollen...? L'objet Dégoûtant (10:50 PM): Ich will nicht, dass du sauer auf mich bist... SexPistol (10:51 PM): Ist ja gut… SexPistol (10:51 PM): Bin gleich da... Riesige Erleichterung machte sich in mir breit. Ich hasste es, dass er jetzt sauer auf mich war und ich wollte das nur so schnell wie möglich wieder rückgängig machen. Er sollte nicht sauer auf mich sein… Ich wischte mir schnell die Tränen weg und schrieb gleich meine Antwort. L'objet Dégoûtant (10:51 PM): Okay... L'objet Dégoûtant (10:51 PM): Beeil dich, ja? SexPistol (10:51 PM): Mach ich... L'objet Dégoûtant (10:51 PM): Danke... SexPistol (10:51 PM): Hm… L'objet Dégoûtant (10:52 PM): Uhm... bis gleich dann... Er wurde nun wieder als offline angezeigt. Immerhin ein Zeichen für mich, dass er bald bei mir sein würde. Ich schloss das ICQ-Fenster und lehnte mich in den Sandsack zurück, schob die Tastatur beiseite und seufzte. Ich hatte Saga ja nicht einmal gefragt, ob es in Ordnung war, dass Reita so spät noch vorbeikam, doch das interessierte mich im Moment eher weniger. Der war ja sowieso gar nicht zuhause. Denn ich konnte es einfach nicht ertragen, dass er enttäuscht von mir war. Natürlich, ich hatte meinen Fehler eingesehen, doch irgendwie konnte ich auch Reita verstehen. Sicherlich hatte er sich große Sorgen um mich gemacht, weil ich nichts gesagt und einfach nur wie ein totes Etwas und stockbesoffen neben der Spur gehangen hatte… und nicht ein vernünftiges Wort hatte rausbringen können. Es tat mir auf einmal so unendlich Leid… Ich verfluchte mich dafür, dass ich es so weit mit Reita hatte kommen lassen. Nun hatte ich Aoi und Ruki schon verloren, was mir jedoch mittlerweile kaum mehr Leid tat, jetzt fing ich auch noch an mit Reita zu streiten. Und das wollte ich auf keinen Fall, er war der letzte, den ich noch hatte, dem ich wirklich hundertprozentig vertraute und den ich… „Uru? Bist du fertig am PC?“, fragte mich Saga, der plötzlich hinter mir stand und mir einen Dosenkaffee hinhielt. Wo zum Geier kam er denn nun so plötzlich her? Ich hatte ihn gar nicht gehört… „Ja, bin ich“, antwortete ich, „willst du hier jetzt dran?“, fragte ich und nahm die Dose an, öffnete sie. Hatte jedoch nicht wirklich Lust dazu ihn jetzt zu fragen, wo er gesteckt hatte, das konnte er mir auch später erklären… Saga nickte, trank einen Schluck aus seiner eigenen Dose und ich machte ihm Platz, damit er sich setzen konnte. Er loggte sich unter seinem Namen im ICQ ein, wurde auch gleich von einigen Leuten angeschrieben, was mich allerdings nicht wunderte. So voll, wie seine Liste war… „Dann hast du ja jetzt Beschäftigung“, meinte ich, woraufhin er sich etwas fragend zu mir umdrehte, „weil ich Reita gefragt habe, ob er herkommen kann…“ Saga nickte zu meinem Erstaunen jedoch nur, drehte sich dann um und seufzte. „Ihr solltet euch wirklich mal aussprechen. Er schien gestern ziemlich sauer…“, stellte er fest und antwortete den Leuten im ICQ, ohne aufzuschauen. Und ich verstand, lächelte kurz und begab mich dann wieder zurück zum Sofa, wo ich meinen Kaffee auf den Tisch stellte und wartete, bis sich dieser ein wenig abgekühlt hatte. So war er mir einfach noch zu heiß. Nun hieß es also noch zwanzig Minuten warten, bis Reita endlich kam. Und bis dahin hatte ich schlichtweg keine Ahnung, was ich mit mir anfangen sollte. Ich hielt es ja so kaum aus, dass er nicht hier war und ich noch immer den Gedanken mit mir trug, dass er enttäuscht von mir war… Es war grausam! Aber wieso genau es sich so schrecklich anfühlte, das konnte ich noch immer nicht sagen… So schaltete ich den Fernseher ein, zappte ein wenig in den Programmen herum und schaute mir die Nachrichten an, wo sie mal wieder nur Berichte über irgendwelche uninteressanten Politiker zeigten und über die Umwelt. Eigentlich ziemlich dämlich, dass ich mich mal für all diese Dinge so sehr interessiert hatte – nun stellte ich fest, dass es nichts Langweiligeres gab, als die Politik. Besonders, weil die Politiker sowieso niemand verstand und sie sowieso alle das machten, was sie selber für richtig hielten, ohne überhaupt auf die Meinung der Bürger einzugehen. Da brachten Wahlergebnisse ja doch herzlich wenig, wenn es um irgendwelche Kampagnen ging… Warum ich gerade schon wieder über die Politik nachdachte, das stand selbst für mich in den Sternen. Vielleicht, weil ich dieses Thema eigentlich schon immer gehasst hatte? Weil ich es nie verstanden hatte? Und vielleicht sollte ich einfach aufgeben, es verstehen zu wollen, dachte ich mir… Mittlerweile waren ganze zehn Minuten vergangen, in denen ich ungeduldig gewartet hatte und noch weitere zehn hatte ich ganz offensichtlich noch vor mir. Was ich in dieser Zeit anstellen sollte, wusste ich nicht. Also stand ich einfach auf, schaute kurz aus dem Fenster und ging dann einfach in die Küche und zum Kühlschrank, um vielleicht irgendwo etwas Essbares zu finden. Saga, so hatte er mir ja erzählt, lebte eigentlich nur von Tiefkühlpizza oder einfach nur Obst, da er scheinbar recht kochfaul war. Also würde ich das jetzt wohl übernehmen und einfach eine Kleinigkeit machen. Doch als ich mich im Kühlschrank umschaute, sprangen mich lediglich eine Tube Tomatensoße, Margarine, Toastbrot, Sellerie, Äpfel, Erdbeeren und ein paar Eier an. Mehr hatte er scheinbar nicht für nötig befunden. Und krampfhaft überlegte ich, was ich nun daraus machen sollte und besonders, was überhaupt schnell ging. Bis mir einfiel, was mir meine Mutter irgendwann mal beigebracht hatte. So nahm ich mir das Toastbrot und die Eier, die Margarine und die Erdbeeren und stellte alles heraus. In der Schublade kramte ich nach einer Pfanne und schnitt dann mit einem Brotmesser die Toastscheiben kleiner, tat etwas Margarine in die Pfanne und stellte sie auf den Herd, den ich einschaltete. Die Eier schlug ich in einen etwas tieferen Teller und verrührte sie mit ein paar Stäbchen, bis es nur noch eine einzige, gelbe Masse war und legte dann die Brotstückchen herein, bis sie sich mit dem Ei voll gesogen hatten. Als die Margarine geschmolzen war, legte ich die Scheiben in die Pfanne und ließ sie braten, während ich die Erdbeeren wusch und sie in dünne Scheiben schnitt. Diese legte ich dann auf die noch ungebratene Seite der Stücke, die sich in der Pfanne befanden und drehte diese dann geschickt um, sodass die Erdbeerscheiben haften blieben. Nun befand sich auf jedem dieser Stücke jeweils eine Erdbeerscheibe, die fröhlich vor sich hin brieten und nach einer Weile einer Wende bedurften. So drehte ich die Scheiben um, bis sie von beiden Seiten mittelbraun waren und holte einen Teller raus, wo ich sie drauflegte. Sah eigentlich ganz gut aus für meinen ersten Versuch, wie ich fand. Ich schaltete den Herd aus, stellte die Pfanne in die Spüle zu dem anderen dreckigen Geschirr, das bestimmt schon seit Wochen hier rum stand und seufzte vernehmlich, ehe ich mich mit dem Teller auf den Weg zu Saga machte und ihm besagtes Teil vor die Nase stellte. „Mal was anderes“, grinste ich, als ich Sagas verwundertes Gesicht sah und dieser einfach nur vom Teller zu mir starrte – immer hin und her. Das machte mich irgendwie ganz kirre! „Hast du das gemacht?“ „Nein“, lachte ich, „das ist mir fix und fertig aus dem Kühlschrank entgegen gesprungen! Natürlich hab ich das selber gemacht, du Hans… Hast doch bestimmt nicht viel in den Magen bekommen, weil du den ganzen Tag weg warst.“ Saga lachte matt, nahm sich dann eines der Stücke von dem Teller und schaute es skeptisch an. „Was ist das eigentlich?“, fragte er, roch daran und sah wieder zu mir auf, „Ist da Ei dran?“ Was mir ein genervtes Seufzen entlockte. „Saga, iss es doch einfach, es schme…“ Meine Worte waren von der Klingel unterbrochen worden und plötzlich begann mein Herz unglaublich schnell zu rasen. Ich wusste ja immerhin, wer da vor der Tür stand… Und dieses mulmige Gefühl kehrte zurück. Diesmal war es nicht nur das Kribbeln im Bauch, was ich jedes Mal spürte, wenn ich Reita sah, diesmal war es mit Angst vermischt. Weil ich mit ihm reden würde über etwas, worüber wir gestritten hatten. Aber warum hatte ich eigentlich so eine Angst? Ich wusste es nicht… Und nun? „Geh schon, ich esse auch brav auf“, lächelte Saga aufmunternd und nickte mit dem Kopf in richtung Tür. Scheinbar war er ja vollends davon überzeugt, dass das alles gut ausgehen würde… Ich hatte zwar keine Zweifel, doch trotzdem hatte ich ein wenig Angst davor, ihm jetzt unter die Augen treten zu müssen. Schließlich war er noch immer sauer… oder eher enttäuscht… Doch wo ich so zur Tür lief merkte ich, dass ich, wenn ich sie nun öffnen würde, nicht mehr an mich halten können würde, ihm sowieso wieder um den Hals fiel. Ich konnte mittlerweile einfach nicht mehr ohne ihn und je mehr ich daran dachte, dass ich ihn am Vorabend nicht einmal sonderlich beachtet hatte, ging es mir nur noch mieser… Als ich die Tür erreicht hatte und sie nun öffnete, ihn mit einem neutralen Gesichtsausdruck vor mir stehen sah, stiegen mir aus irgendeinem Grund die Tränen in die Augen. Doch ich schluckte sie gleich schnell runter, ging einen Schritt zur Seite, um ihn einzulassen. Etwas verlegen lächelte ich, als er an mir vorbeiging und seine Jacke auszog, sie über den Sessel im kleinen Flur warf, so, wie alle anderen es hier wohl auch immer taten – zumindest Saga. Und er sah wie immer einfach nur atemberaubend aus… nur das Nasenband hatte er noch immer mal nicht vergessen… Ohne Worte ging er kurz ins Wohnzimmer, um Saga mit einem matten „Hi“ zu begrüßen, schaute kurz skeptisch auf die Toastscheiben mit Ei und Erdbeere, ehe er sich kopfschüttelnd abwandte. „Mein Schlafzimmer ist grad frei“, scherzte Saga, deutete dann an Reita vorbei auf die geschlossene, schwarz gestrichene Tür und grinste breit. Woraufhin Reita jedoch nur ein mattes Lächeln hervorbrachte und mich dann bittend ansah. Sicherlich hatte Saga auch nichts anderes gemeint, als dass wir uns dort aussprechen sollten. Und das hatte Reita wohl auch so vorgehabt, denn wie selbstverständlich ging er vor und erwartet wahrscheinlich von mir, dass ich ihm folgte. Und nichts anderes tat ich, denn ich wollte sicherlich noch mehr Ärger vermeiden und auch Saga sollte ja nicht alles mitbekommen… Einen Schritt vor den anderen setzend folgte ich ihm ins Schlafzimmer, während mir tausend Gedanken durch den Kopf rasten. Was er wohl gerade dachte, ob er noch immer sauer war, ob ich ihm irgendwie Leid tat oder ob er einfach nur genervt von mir war… alles Mögliche eben. Und ich hatte einfach keine Ahnung, welchem dieser Gedanken ich nun Glauben schenken sollte. Oder ob ich ihnen überhaupt Glauben schenken sollte? Am besten ich stellte einfach meinen Kopf ab… Ich schloss die Tür hinter mir, schaute ihm zu, wie er sich aufs Bett fallen ließ und ein paar Sachen auf den Boden schob, die ich auf das Laken geworfen hatte. Sie landeten achtlos auf dem Teppich, schafften Platz auf dem weißen Oberbett. Für mich? Auffordernd schaute er mich an, ich ging auf ihn zu und schaute dabei noch immer auf den Boden, wie ich es die ganze Zeit getan hatte, wenn er mich bisher angesehen hatte und hatte das Gefühl, als würde der Weg zum Bett eine Ewigkeit dauern. Warum auch immer. Doch als ich mich gerade setzen wollte, spürte ich, wie er nach meinem Arm griff. Einen Moment lang schossen tausende Gedanken durch meinen Kopf. Ob auch er mich nun schlagen würde, weil ich so ein Idiot gewesen war, ob er mich nun anschrie oder ob er mich einfach nur wieder wegschubste? Dieser Moment, in dem er mich einfach nur am Arm festhielt, kam mir so unglaublich lang vor, sodass ich trocken schluckte und die Augen kurz schloss. Doch als ich sie wieder öffnete, fand ich mich in seinem Arm wieder und spürte seinen Herzschlag an meiner Brust. Er hatte mich halb aufs Bett, halb auf sich gezogen, sodass mein Bein auf seinem Schoß lag und der Rest auf dem Bett, er mich fest in den Armen haltend. Und ich konnte gar nicht anders, als auch meine Arme um ihn zu schlingen und in an mich zu drücken, mich in sein Shirt zu krallen. Es machte mich unglaublich glücklich, in seinen Armen zu sein, denn so hatte ich wenigstens nicht mehr das Gefühl, dass er in irgendeiner Weise sauer war oder enttäuscht… zumindest nicht für diesen Moment. Ich musste erneut die Tränen unterdrücken, schluckte sie herunter und konzentrierte mich einfach wieder auf das Gefühl, in seinem Arm zu sein und von ihm gehalten zu werden, wie ich es eigentlich die ganze Zeit gebraucht hatte. Noch immer wollte ich mich am liebsten schlagen dafür, dass ich gestern Abend so ein Arschloch gewesen war… und ihn nicht einmal beachtet hatte… „Uruha…“, begann er dann auf einmal, drückte mich sanft, aber bestimmend von sich und schaute mir sanft in die Augen, „du solltest mit mir reden, wenn dir was passiert ist… ich hab mir verdammte Sorgen gemacht gestern.“ Und das alles erklärte er mir mit ruhiger Stimme, die nicht einmal annähernd wütend oder enttäuscht klang. Was mich auch sehr beruhigte, denn Streit hätte ich in dieser Situation wohl am wenigsten gebrauchen können… „Ich weiß“, antwortete ich dann leise und mit etwas heiserer Stimme, „aber ich wusste mir einfach selber nicht mehr zu helfen und war so daneben… ich…“ „Das ist nur eine von vielen Ausreden. Rede das nächste Mal mit mir, bevor du dich besäufst… danach kannst du meinetwegen tun, was du nicht lassen kannst, um deinen Frust abzulassen… aber du kannst sicher sein, dass ich ein Auge drauf haben werde“, lächelte er, strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und lehnte sich an die Wand, zog mich mit sich, sodass ich zwischen seinen Beinen lag und den Kopf auf seine Brust bettete. „Ich werd’s mir merken…“, murmelte ich und schloss die Augen für einen Moment, lauschte seinem Herzschlag – auch, wenn mein Auge und meine Wange noch ziemlich wehtaten… „Sagst du mir jetzt noch mal ganz genau, was passiert ist…?“, fragte er nach einer Weile, in der keiner von uns etwas gesagt hatte und ich öffnete die Augen wieder, so gut es eben ging. Ich seufzte und wischte mir kurz übers Gesicht, ehe ich dann zu erklären begann. „Nach der Feier wollte ich mich halt noch mal umziehen am Morgen… und als ich dann nach Hause bin, dachte ich, meine Mutter würde arbeiten. Aber sie war zuhause und sie hat mich am Vortag schon nicht gehen lassen wollen… und da sie wohl wieder betrunken war, ist sie halt ausgerastet, als sie mich in den Klamotten gesehen hat. Ich hab noch versucht wegzukommen und wieder zurück zu euch, aber sie war schneller und hat mir eine Flasche in die Kniekehle geschlagen. Und immer weiter und getreten, als ich auf dem Boden lag und beschimpft und alles…“ Während ich erklärte, wurde meine Stimme brüchiger, da mir schon wieder Tränen kamen. Gott, war ich ein Sensibelchen… peinlich! „Jedenfalls tut mir jetzt alles weh und ich hab überall blaue Flecke und ein blaues Auge und… und Blutergüsse und ich hab mir beim Wegrennen den Fuß umgeknickt und… so weiter eben…“ Reita hatte sich das ganze schweigend angehört und sagte eine ganze Weile lang nichts, ehe er sanft begann meine Wange zu streicheln und seufzte dann. „Wir holen dich da weg“, meinte er, „und ich finde schon irgendwas, wo du hin kannst. Vielleicht lässt Saga dich ja noch ein paar Monate hier wohnen, bis… ach, scheiße“, fluchte er plötzlich, ließ mich los und als ich den Kopf hob, sah ich nur, wie er sich die Schläfen rieb. „Das ist alles so beschissen und aussichtslos… weil keiner von uns beiden alt genug ist und das Geld hat auszuziehen und hier in der Gegend sowieso alles viel zu teuer ist…!“ Wie Recht er doch hatte… und ich verfluchte mich dafür, dass ich nicht drei Jahre älter war, meinen Abschluss hatte und endlich auch einen Ausbildungsplatz, der gut bezahlt wurde… „Ich krieg das schon hin“, sagte ich halbwegs aufmunternd, schaute ihn an und stützte mich links und rechts neben ihm ab, sodass ich mich in eine bequemere Position legen konnte. Und die sah so aus, dass ich mich neben ihn legte und mein Gesicht an seiner Halsbeuge vergrub, seinen Duft so noch intensiver wahrnahm, als sonst. Und er roch wundervoll… Ich legte einen Arm um seinen Nacken, spürte, dass er dasselbe bei meinem Rücken tat und mich an sich zog, mich sanft zu kraulen begann. Eine beruhigende Geste, wie ich fand. Und ich genoss es. Und so schwiegen wir uns einfach an, genossen wohl beide die Ruhe und den Moment der Nähe, die der jeweils andere uns gab. Niemand von uns beiden wollte sie anscheinend so recht unterbrechen – ich schon gar nicht, denn ich mochte lieber so lang wie möglich so liegen bleiben. Noch immer kraulte er mich, ließ mich ab und an etwas deutlicher atmen, womit ich ihm zeigte, dass es mir gefiel. Dann schoss mir plötzlich dieser eine Satz in den Kopf. Ich war mir mittlerweile so sicher, dass ich die Wahrheit sagte, würde ich ihn aussprechen. Doch wie würde er darauf reagieren…? Was würde er antworten? Würde er mich auslachen? Ich traute mich nicht recht mich zu bewegen, brannten mir doch diese drei Worte so sehr auf der Zunge. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was es bedeuten würde, wenn ich sie nun aussprach. Ich beugte mich leicht zu ihm herauf, küsste die Haut unter seinem Ohr und knabberte kurz an seinem Ohrläppchen, was ihn schnurren ließ. Dachte in dem Moment gar nicht daran, dass ich sowas eigentlich aus Scham nie wirklich getan hatte, doch das war mir gerade sowas von egal. Es gab wichtigeres. „Reita…? Ich… ich muss dir was sagen…“, begann ich, verfluchte mich innerlich selbst dafür, dass ich überhaupt davon angefangen hatte. Warum hatte ich eigentlich damit angefangen?! Er schaute mich an, strich mir über die Wange und lächelte leicht. Wenn der wüsste, dachte ich nur, schluckte dann leicht. Schüchtern drückte ich meine Lippen auf seine, gab mir dann einen Ruck und löste mich wieder von ihm, beugte mich erneut zu seinem Ohr. Wenn ich es jetzt nicht tat, würde ich nicht wissen, was ich ihm sonst sagen sollte. Ich hatte immerhin jetzt damit angefangen, also musste ich es wohl oder übel auch zu Ende bringen… Und so schloss ich einfach meine Augen, hörte mein Herz laut gegen meine Brust schlagen und holte etwas Luft, ehe ich es einfach sagte. „Ich liebe dich…“ © ~*~*~*~*~*~ Danke an dieser Stelle mal wieder an Rei, die 1. wieder den Reita gemacht hat und mir 2. in den Arsch getreten hat, dass ich endlich zu Potte komme *lach* *kisu* *liebhabz* Bis zu Kapi 18! Shio Kapitel 18: Männersachen ------------------------ -18- Männersachen Stille. Unerträgliche Stille machte sich über uns breit, als ich die Worte zu Ende gesprochen hatte. Mein Herz konnte ich schlagen hören, in einem fast schon unmöglichen Tempo hämmerte es gegen meine Brust. Es tat schon beinahe weh. Doch das tat es auch, weil er einfach nichts sagte. Ich schluckte, wollte mich schon von ihm wegdrücken, doch er hielt meine Oberarme fest und lächelte plötzlich sanft, als ich ihn anschaute. „Ich bin nicht der Typ, der sowas einfach so daher sagt, weißt…“, sprach er leise, was mich den Kopf senken ließ. Also hieß das er liebte mich nicht…? Er hatte nur aus Spaß all die Dinge mit mir getan, die mir von Daisukes Abend in Erinnerung geblieben waren…? „Und da sowas heute in der Gesellschaft sowieso keine Bedeutung mehr hat hab ich mir eigentlich abgewöhnt es zu sagen. Immerhin ist das genauso bedeutungsvoll wie wenn du sagst, dass du heute noch nichts gegessen hast.“ „Woher weißt du das…?“, murmelte ich mit leicht belustigtem Unterton, doch der war mehr als nur gespielt. Mir war gerade gar nicht zum Lachen zumute. Warum sagte er mir das alles? Er musste sich ja gar nicht rechtfertigen, warum er mich nicht liebte… „Hab halt n Auge dafür“, sagte er, streichelte mir zart über den flachen Bauch und schlüpfte unter mein Oberteil, berührte meine nackte Haut. Ich hatte wirklich noch nichts gegessen und er schien es zu fühlen, strich beinahe vorsichtig über meine Haut. Doch diesmal wich das angenehme Kribbeln einem unangenehmen Kratzen, wie ein Scheuern auf der Haut. Eine ekelhafte Leere hatte sich in mir breitgemacht und ich war mir sicher, dass ich noch nie eine größere Enttäuschung im Leben erfahren hatte, als diese. Nicht einmal die Trennung meiner Eltern konnte da mithalten. Er hatte also nur mit mir gespielt. Er erwiderte nichts auf meine Gefühle, das hatte ich mir ja denken müssen. Warum sollte auch jemand wie Reita sich in sowas wie mich… „Ich liebe dich, Uruha…“ Mein Herz setzte aus. Ich starrte auf seine Beine, die gespreizt waren und zwischen denen ich saß, ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss und schluckte trocken. Hatte er das wirklich gesagt? Er setzte sich auf, schlang beide Arme um mich und zog mich plötzlich in einen sanften Kuss, den ich einfach nur erwidern konnte. Ein unglaubliches Glücksgefühl machte sich auf einmal in mir breit und ich glaubte zu platzen. Ich konnte die Gefühle und Empfindungen in diesem Moment gar nicht richtig beschreiben, so sehr übermannten sie mich. Ich löste mich als erster aus dem Kuss, schaute ihm in die nur halb geöffneten Augen und wartete, bis er wenigstens irgendwas sagte. Er musste nur irgendwas sagen, damit ich auch wirklich sicher sein konnte, dass ich mich in der Realität befand. Und er grinste. Reita war nicht nach Hause gegangen. Wir hatten die ganze Nacht geredet, hatten rumgealbert und Saga geärgert, der eigentlich nur versucht hatte zu schlafen. Aber dafür hatte ich ihm ja auch etwas zu Essen gemacht – um vier Uhr morgens… Ans zur Schule gehen dachte ich nicht mal im Traum. Zwar war es mal wieder Montag und die wichtigsten Stunden, die mich auf meinen bevorstehenden Abschluss vorbereiten sollten standen an, doch waren mir andere Dinge im Moment einfach wichtiger. Ich konnte mich sowieso nicht auf den Unterricht konzentrieren, besonders nicht, wenn ich eh die ganze Zeit an andere Dinge dachte und zwei solcher Schwachköpfe wie Aoi und Ruki vor und neben mir saßen. Wie sollte man sich auch auf die einfachste Matheaufgabe konzentrieren, wenn man immer das Gefühl hatte, dass sie über einen tuschelten und die eigenen Freunde schlechter als schlecht redeten? Im Endeffekt hatte ich die ganze Nacht nicht ein Auge zugetan und so kam es, dass ich mit Augenringen bis zu den Ellbögen und müden Beinen die Straßen auf dem Weg nach Hause entlang lief. Ich brauchte mich mittlerweile nicht einmal mehr umsehen, da ich mittlerweile in diesem Viertel schon so viel rumgekommen war, sodass ich bereits jeden Winkel kannte. Was mich allerdings auch nicht weiter verwunderte, wenn man solche Freunde hatte wie Reita und Saga und den ganzen Rest. Mit denen kam man halt viel herum, man feierte mehr als dass man für irgendwelche Klausuren lernte… Gerade ging ich die Straße zu unserem Wohnblock herein, als ich einige der Nachbarn aus dem Haus gehen und in richtung unserer Straßenabzweigung gehen sah. Einige standen in kleinen Gruppen auf der Hauptstraße des Blocks zusammen und tuschelten, unterhielten sich. Was war denn hier los? Hatte ich irgendwas Interessantes verpasst? War irgendwas Wichtiges passiert während meiner Abwesenheit? Einige Meter weiter konnte ich Aois Eltern erkennen, deren Sohn gerade auf dem Weg nach draußen war, im Morgenmantel und ziemlich blass im Gesicht. Er schien krank zu sein. Wirklich bedauerlich… Aber wirklich viel bedauerlicher war es, dass er mich jetzt auch noch anschaute und dumm zu grinsen begann. Und als ich nach dem Grund suchte, fand ich ihn in den mich anstarrenden Gesichtern der anderen Nachbarn, die allesamt vor ihren Häusern standen und in meine Richtung schauten. Sollte die ganze Aufregung hier etwa auch noch was mit mir zu tun haben? Wenn ja, ich hatte nichts angestellt…! Also was gab es denn bitte zu gaffen? „Wieder nicht in der Schule? Tja, da würde ich mich an deiner Stelle jetzt auch nicht mehr hintrauen…“, sagte Aoi plötzlich, als ich gerade im Begriff war an ihm vorbeizugehen. Ich schaute allerdings nur gelangweilt in seine Richtung, blieb nicht einmal stehen und bekam noch mit, wie seine Mutter ihn wegen seinem Kommentar zurechtwies. Was hatten denn alle auf einmal? Warum wurde ich so seltsam angestarrt? Ich bog in die Abzweigung ein, in der sich unser Haus befand und sogleich fiel mir eine ziemlich bedenkliche Szene vor mir ins Auge. Warum standen da Polizeiautos vor meinem Haus? Es musste also etwas Schlimmeres passiert sein… Und langsam krochen Bedenken in mir auf. Das war gar nicht gut… Als ich einige Meter weiter ging, erkannte ich allerdings einen möglichen Grund, warum man die Polizei zu unserem Haus geordert hatte. Seit wann hatte man denn bei uns die Fenster rausnehmen lassen…? Ich schluckte trocken, konnte mir schon denken, was genau passiert war. Irgendjemand hatte sich wohl einen Spaß daraus gemacht, uns die Fenster einzuschmeißen – mit was auch immer. Aber es sah nicht wirklich gesund aus, es waren riesige Löcher in den Glasscheiben, teilweise war schon gar kein Glas mehr zu erkennen. Da hatte meine Mutter ja eine kühle Nacht gehabt… Kurz bevor ich das Haus erreicht hatte, erkannte ich meine Mutter, die vor der Haustür stand und sich mit einem der Polizisten unterhielt. Ihr Blick folgte dann dem des Wachmeisters, der auf mich gefallen war und ihr Gesicht blieb ausdruckslos. Das hatte bei ihr noch nie etwas Gutes bedeutet. Jedenfalls nicht soweit ich mich erinnere. Und es tat mir gar nicht gut, dass mir in diesem Moment jeder einzelne Tropfen Blut zu Eis gefror. Warum musste eigentlich jedes Mal, wenn ich mich umziehen und ein paar Klamotten mehr holen wollte etwas derartiges passieren, obwohl ich doch im Glauben war, dass meine Mutter arbeitete um diese Uhrzeit…? Ich war doch schon extra spät losgegangen…! Reita hatte mich noch gefragt, ob er mitkommen sollte, doch ich hatte natürlich in meinem jugendlichen Leichtsinn abgedankt… „Uruha-san?“, sprach mich einer der Polizisten an, woraufhin ich nickte und vor ihnen stehen blieb. Eigentlich lagen mir viel zu viele Fragen auf der Zunge, als dass ich sie so einfach ignorieren konnte, doch ich brachte einfach kein Wort heraus. „Ihre Mutter hat uns heute Morgen um vier Uhr verständigt, weil wohl einige ziemlich gelangweilte Jugendliche auf die Idee gekommen waren, die Fenster Ihres Hauses mit Steinen einzuwerfen. Ihre Mutter hatte zu dem Zeitpunkt ahnungslos im Bett gelegen und kann jetzt von Glück reden, dass sie keinen der Steine abbekommen hat. Ich möchte Ihnen nichts unterstellen, Uruha-san, aber haben Sie vielleicht etwas mit dem Vorfall zu tun?“ Das war doch nicht dessen Ernst! Wie konnte diese alte Schnepfe von meiner Mutter es wagen ihren Verdacht auf mich zu äußern? Ich war mir sicher, sie hatte etwas gesagt! Sie musste etwas gesagt haben! „Nein, ich hab bei einem Freund übernachtet, den können Sie gerne fragen! Ich schmeiß’ doch nicht die Fenster meines eigenen Hauses ein!“, war meine noch ziemlich beherrschte Antwort auf diese Frage und ich konnte diesmal selber von Glück reden, dass ich dieser Schlampe nicht gleich ihre Haare einzeln aus dem Kopf riss…! „Hören Sie doch nich’ auf den!“, hörte ich meine Mutter schreien, „Der is’ mir doch am Samstag schon abgehauen, weil er stinkig auf mich war und hat sich dann eben schnell rächen wollen! Der war das doch hundertprozentig!“ Dass mich meine eigene Mutter deshalb beschuldigte konnte ich so gar nicht vertragen. Aber gut, sie hatte wohl einen Grund dazu, das zu vermuten, immerhin war sie es doch gewesen, die mich zu Brei geschlagen und angeschrieen hatte, dass ich ein wertloses Stück sei. Und in dem Moment hatte es mir wirklich nahe gelegen, irgendwas zu tun, was diesem Vorfall hätte ähnlich sein können, um mir die Genugtuung zu geben, dass sie so richtig viel Scheiße am Arsch hatte. Und dennoch, ich war ja nicht mal ansatzweise auf die Idee gekommen, hatte viel zu viel Angst gehabt und war einfach verschwunden, damit sie mir endlich meine Ruhe ließ. Es war ja egal, was ich machte, ich war immer der Gearschte…! „Ich kann gern den Freund hierher holen, bei dem ich übernachtet habe“, sprach ich weiter, bevor mir auch noch irgendein Polizist wieder ins Wort fallen konnte und schaute den, der vor mir stand, todernst an, meine Mutter, die weiter irgendwelche Sachen brüllte, die ich gar nicht richtig verstand, ignorierend. „Dann können Sie den gerne fragen, ich habe sogar zwei Zeugen, wenn Ihnen das sicherer ist.“ Der Polizist schien einen Moment zu überlegen, wandte sich an einen Kollegen und stimmte mir nach einer kurzen Diskussion zu. Also war ich allem Anschein nach gerettet, immerhin musste ich ja jetzt nur Saga und Reita dazuholen, die würden mir hoffentlich aus der Scheiße wieder heraushelfen… „Dann rufen Sie ihre Freunde mal an“, sagte einer von ihnen, allerdings fiel mir dann etwas sehr, sehr dummes ein. Ich hatte gar nicht ihre Nummer… „Ich müsste sie holen“, sagte ich schnell, „ich habe ihre Nummer leider nicht…!“ Skepsis lag in dem Blick des Polizisten vor mir, doch er drehte sich gleich wieder um zu seinem Kollegen, schaute diesen fragend an. „Bringen wir ihn halt zu seinen Freunden“, sagte der eine von ihnen, „dann können wir sie vor Ort befragen und haben gleich die Bestätigung, dass sie es nicht waren. Vielleicht bekommen wir Hinweise auf die eigentlichen Täter.“ „Gut“, sagte der vor mir wieder, was mich so ziemlich erleichterte, dann wies er mich an ihm zu folgen und in einen der Streifenwägen zu steigen. Mit mulmigem Gefühl im Magen folgte ich dem etwas dickeren Mann, setzte mich in das Fahrzeug und schnallte mich an. Schon seltsam, dass ich gerade in einem Polizeiwagen saß, der mich auf dem direkten Wege zu Sagas Wohnung beförderte, als würde man auf der Suche nach einem Schwerverbrecher sein… Wir fuhren durch die noch immer menschengefüllten Wege des Wohnblocks und kamen nur langsam voran, da erst einmal Platz geschaffen werden musste in den engen Straßen. Einige Leute, die mich durch die Scheiben erkennen konnten, sahen mich mehr als verwundert an und so auch Aoi, der noch immer bei seinen Eltern auf der Straße stand und mich mit einem Blick aus grobem Interesse und fieser Genugtuung ansah, das ganze untermalt von einem mehr als zufriedenen Grinsen. Scheinbar erfreute er sich daran, mich als das Arschloch zu sehen, als denjenigen, den man bislang noch für den Schuldigen hielt und ich wusste, dass es am morgigen Tag die ganze Schule wissen würde. „Wir haben gehört, dass Sie die letzten Tage oft und unentschuldigt in der Schule gefehlt haben“, sprach mich dann einer der Offiziere an, schaute mich durch den Rückspiegel an und ich spürte, wie die Angst ein weiteres Mal in mir aufkam. „Woran liegt das denn?“ „Krank“, sagte ich einfach matt, „und ich vergesse immer anzurufen…“ „Dann wundert es mich aber, dass Sie im Krankheitszustand noch bei Freunden übernachten können…“ Na wunderbar, eine bessere Ausrede hatte ich leider auch nicht gefunden. Doch ich war dankbar, dass der Polizist nur doof grinste und mich nach der nächsten Weganweisung fragte, die ich ihm auch gleich mitteilte. Wir standen mittlerweile vor dem Hochhaus, in dem Saga seine Wohnung hatte und stiegen aus, um uns auf den Weg in den entsprechenden Stock zu machen. Den ganzen Weg über hatte ich die große Sorge, dass die beiden vielleicht gar nicht mehr da waren und wir vor einer geschlossenen Tür stehen würden. Dann wäre das wohl mein Tod… Mit zittriger Hand klingelte ich und wartete fast schon ungeduldig, dass jemand öffnete. Jede Sekunde kam mir dabei vor wie eine Ewigkeit. Beinahe verzweifelt versuchte ich ein Geräusch aus der Wohnung aufzuschnappen… …und war erleichtert, als wirklich eine Tür knallte und sich schon bald die Haustür öffnete, ein verwirrter Saga mit verstrubbelten Haaren etwas erschrocken auf die beiden Polizisten und dann auf mich starrte. „Was is’ passiert?“, fragte er, als er mein nervöses Gesicht sah und blinzelte ein paar Mal. Hinter ihm konnte ich sehen, wie Reita mit ein paar anderen im Wohnzimmer saß und sich über etwas zu streiten schien. Nun konnte ich auch erkennen, wer es war. Daisuke und dieser kleine Blonde, ich glaube sein Name war Kyo… Die anderen kannte ich allerdings nicht. „Ich lass lieber die Herren hier erklären“, murmelte ich und ging einen Schritt zur Seite, ließ den Polizisten den Vortritt. Im Hintergrund konnte ich sehen, wie Reita zur Tür kam, gefolgt von diesem blauhaarigen Jungen, den ich schon einmal bei der Scheunenfete gesehen hatte und wie sie mich beide sehr seltsam anschauten, als der Polizist zu erklären begann. Dabei wurden Reitas Augen immer größer und er warf scheinbar etwas nervös einen Blick auf den blauhaarigen neben sich. Hatte er was damit zu tun? Das konnte doch nicht sein, immerhin hatte ich die ganze Nacht mit ihm verbracht… „Und was haben wir da jetzt mit zu tun?“, hörte ich Saga fragen, als der Polizist scheinbar fertig war mit Erklären und ich meldete mich mal wieder zu Wort. „Da wir sowieso die ganze Nacht hier bei dir verbracht haben, gar nichts…“ „Stimmt“, erwiderte Reita plötzlich, „wir waren alle die ganze Nacht über hier. Wir haben um vier Uhr morgens Essen gemacht, deshalb können wir gar nicht da gewesen sein…!“ Die beiden Polizisten schienen kurz zu überlegen, schauten uns dann skeptisch an. „Haben Sie Nachbarn, die das bestätigen könnten?“, fragten sie, woraufhin Saga nur nickte. „Ich glaube wir waren laut genug, ja…“ Die beiden Männer nickten, klingelten dann bei der Tür nebenan und ich drehte mich um zu den anderen, die noch immer recht verwirrt und teilweise nervös ausschauend im Türrahmen standen, mich fragend anschauten. „Was is’ n hier los? Was soll die Scheiße? Warum schleppst du uns hier die Bullen an?“, zischte Saga mir zu, doch ich winkte ab, lauschte dem, was die Nachbarn, die soeben aufgemacht hatten, den Polizisten antworteten. Und was sie antworteten, erleichterte mich ungemein: sie hatten uns gehört…! „Dann wäre die Sache wohl hier erledigt“, sagte einer von ihnen dann, sie bedankten sich, fragten mich noch, ob ich wieder mit wollte, doch ich schüttelte nur den Kopf und dankte ab. „Wir richten Ihrer Mutter das dann aus.“ Und sie verschwanden. Sogleich wurde ich von Reita in die Wohnung gezogen und die Tür wurde zugeknallt. „Scheiße!“, fluchte er, fuhr sich durch die Haare und lehnte sich gegen die Tür. Ich war mehr als verwirrt. Warum regte er sich denn auf, wenn wir doch gar nichts damit zu tun hatten? Was war sein Problem? Lag das vielleicht aber an Kyo und diesem blauhaarigen Etwas neben ihm…? „Klärt mich doch mal bitte auf…!“, forderte ich. Saga und der blauhaarige waren wieder auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer, wo gleich lautstark weiter gestritten wurde, während Reita mich zu sich zog und seufzte. „Die drei da waren das“, meinte er leise, „und jetzt stecken wir wahrscheinlich mit in der Scheiße, wenn sie das rauskriegen! Die waren jetzt hier in der Wohnung und wir auch und dann glauben sie wahrscheinlich, dass wir sie angeschmiert haben…“ Und ich verstand zu gut, worauf er hinauswollte. Wieder wurde ich nervös, ich kratzte mich am Hinterkopf und schlug mir mit der flachen Handfläche gegen die Stirn. „Idioten!“, fluchte ich, „Warum machen die sowas denn ausgerechnet bei meinem Haus?!“ Woraufhin Reita allerdings auflachte. Was war denn daran so lustig bitte? Ich für meinen Teil fand es weniger witzig, dass am frühen Morgen, wenn ich ahnungslos auf dem Weg zu meinem Haus war ein paar Streifenwagen die Auffahrt versperrten und er lachte auch noch darüber? „Dai hat doch Wind davon gekriegt, was deine Mama mit dir angestellt hat“, erklärte er mir, so langsam dämmerte es mir dann auch, „und fand es dann ganz lustig der Alten eins auszuwischen. Kommt’s langsam?“ Na wunderbar! „Haben die noch alle Nadeln an der Tanne?!“ „Nicht aufregen“, sagte er ruhig, „die machen dich auch nur fertig, wenn du jetzt dein Maul aufmachst. Die haben da weniger Skrupel als ich zum Beispiel…“ Seufzend ließ ich mich gegen die Tür sinken, musste mich beherrschen meine Tränen und meine Wut nicht einfach raus zu lassen. Die Pisse stand mir allerdings schon bis ganz oben, also fiel mir das den Umständen entsprechend ziemlich schwer, nicht einfach auszurasten… „Die kriegen das wieder“, hauchte er plötzlich leise und zog mich in seine Arme, „und du kannst auch erstmal ne Weile hier bleiben, wenn du willst…“ Das kam mir allerdings sehr gelegen. Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass meine Mutter gerade so gut auf mich zu sprechen war. Sicherlich würde sie mich glatt zu Tode schlagen, wenn ich wieder nach Hause ging. „Kannst du nicht mitkommen heute Nachmittag…? Vielleicht ist sie dann arbeiten, ich brauche Sachen…“ Sofort nickte Reita, ich lächelte ihn dankbar an und beugte mich vor, küsste ihn zärtlich. Doch sogleich wurden wir wieder von einer ziemlich aggressiv klingenden Stimme auseinander gerissen. „Du verdammter Wichser!“, schrie der kleine blonde, der gerade auf uns zugestürmt kam und zum Schlag ausholte, mich anscheinend damit erwischen wollte. Aus Reflex heraus hielt ich mir den Arm schützend vors Gesicht, doch es kam kein Schlag und ich hörte nur einen dumpfen Aufschrei. Als ich die Augen wieder öffnete, rappelte sich Kyo gerade wieder auf und hielt sich die Nase und den Mund. Anscheinend hatte Reita ihm wohl eine verpasst, da er plötzlich vor und nicht mehr neben mir stand, die Hand zu einer Faust geballt. War ja wie in einem schlechten Actionfilm… „Was soll der ganze Bullshit?! Warum taucht die Schwuchtel da mit den Bullen hier auf?!“, motzte er gleich weiter, stellte sich wieder auf eigene Beine, schaute erst Reita und dann mich feindselig an. Wohl ein ziemlich wütender kleiner Giftzwerg, dachte ich mir und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Und grins nicht so dumm, Bitch!“ „Hör auf ihn zu beleidigen und reg dich ab, du weißt doch gar nicht mehr was du da überhaupt faselst!“, fuhr Reita ihn plötzlich an und deutete auf die Tür. „Verpiss dich lieber und geh dich ausnüchtern, dann kannst du wiederkommen!“ Aus dem Wohnzimmer kamen nun auch Dai und dieser blauhaarige Junge, sie schauten mich kurz ausdruckslos an und Kyo wurde von dem großen aufgeholfen, ehe sie mich und Reita grob zur Seite schubsten und die Wohnung verließen. Und ich starrte den dreien einfach nur total irritiert nach. Was war das eben für eine Aktion gewesen? Sicher, jetzt waren sie wohl auch noch pissig auf mich deshalb! Dabei hatte ich nicht mal was angestellt. Meine Mutter hatte die Bullen gerufen und die hatten mich nun mal gezwungen, zu beweisen, dass ich nicht wirklich bei der Sache dabei gewesen war… Sowas nannte man Selbstschutz! Und verpfiffen hatte ich schließlich auch niemanden…! „Alles okay?“, fragte mich Reita neben mir, doch ich zuckte nur mit den Schultern und lehnte mich an ihn, als er einen Arm um mich legte und mit ins Wohnzimmer zog. „Warum bin ich eigentlich immer das Arschloch?“, fragte ich mich selber, als ich mich auf das Sofa fallen ließ und die Beine hochlegte, die Augen schloss und mich kurz wieder aufsetzte, als Reita sich hinter mich platzierte und mich auf seinen Schoß zog. „Bist du doch gar nicht“, meinte er und nahm sich eine Flasche vom Tisch, die wohl ihm gehörte, „die drei Idioten da sind Schuld und das werden wir die auch noch spüren lassen…“ „Ich dachte du willst keinen Stress mehr wegen denen“, grinste ich zu ihm herauf und er kniff mir verspielt in die Nase, seine Hände rochen Nach Bier. Er hatte wohl etwas aus seiner Flasche auf die Hände bekommen. „Ich hab ja auch keinen Stress wegen denen“, gab er zurück, trank einen Schluck, ehe er die Flasche wieder wegstellte, „ich hab Stress mit ihnen!“ Urkomisch, dachte ich mir, doch trotzdem lachte ich auf und schüttelte innerlich den Kopf über ihn. Er war halt zu niedlich. „Kommst du nachher dann mit zu mir?“, fragte ich abermals, richtete mich wieder auf und rutschte gänzlich auf seinen Schoß, ignorierte es, dass Saga im Hintergrund rumwuselte und seine Wohnung versuchte wenigstens wieder ein bisschen in Stand zu setzen. „Ich will nicht allein durch meine beschissene Nachbarschaft… Ich bin heute Aoi über den Weg gelaufen und der hat so dämlich gegrinst… Der glaubt allen Ernstes ich war das!“ „Soll der das doch meinen“, grummelte er, zog mich näher zu sich, „der hat weder Plan noch Ahnung in seinem kranken Kopf.“ „Du hast Recht, der ist wirklich krank. Ist heute wohl auch zuhause geblieben…“ Geschah ihm meiner Meinung nach auch ganz recht. Er hatte viel Scheiße gebaut und dass das jetzt alles auf seine Gesundheit zurückfiel gab mir mehr als Genugtuung. „Weiber…“ Ich musste lachen. Wie kam er denn jetzt auf so ein Wort? „Ist doch wahr!“, empörte er sich, schielte Saga an, „die bleiben wegen jeder Kleinigkeit zuhause! Der hat bestimmt nur Schnupfen oder seine Tage oder so…“ „Die hat er dann aber schon ziemlich lang…" Am Nachmittag machten wir uns beide gemeinsam auf den Weg zu mir nach Hause und mehr als erleichtert stellte ich fest, dass meine Mutter wirklich noch zur Arbeit gefahren war. Ich konnte zumindest kein Auto auf der Auffahrt sehen. Die Fenster hatte sie mit Pappe zugeklebt, ein paar Glasreste waren noch in den Rahmen zu sehen und auf dem Boden lagen die ganzen Splitter verteilt. Gute Arbeit… „Sieht böse aus“, meinte Reita neben mir, der noch immer einen Arm um mich gelegt hatte und mich scheinbar gar nicht mehr loslassen wollte, „die haben ja gleich drei Stück eingeschmissen…“ „Ist ja nicht mein Problem“, gab ich allerdings nur trocken wieder und schloss die Haustür auf, betrat die Wohnung, die allerdings recht dunkel aussah wegen den… nun ja, jetzt nicht mehr so wirklich vorhandenen Fenstern. Ich schaltete das Licht an, erhellte somit Flur und Küche und zog mir nicht einmal mehr die Schuhe aus, als ich mich über die Treppe nach oben aufmachte. Ich wollte nur noch ein paar Sachen und wieder raus hier. „Du wohnst eigentlich hübsch“, hörte ich Reita sagen, der noch immer unten stand und sich im Wohnzimmer umschaute. Plötzlich hörte ich einen erstaunten und zugleich beeindruckt klingenden Laut von ihm. „Respekt!“, rief er hoch und ich ließ kurz ab von meinem Schrank, in dem ich nach ein paar Tüten suchte, in denen ich meine Sachen verstauen konnte, „Wenn ich das alles hier saufen würde läge ich jetzt bestimmt schon in der Entzugsklinik! Ausnüchterungsstation! Oder man könnte mich gleich einsargen! Ich mein ich vertrag ja viel, aber SO viel…?“ „Das ist alles von den letzten zwei Wochen“, rief ich herunter, „das hat sie nicht alles an einem Tag getrunken!“ „Ach so…“ Er folgte mir die Treppen herauf, wie ich hörte, doch ich widmete mich weiter meinen Klamotten, die ich einfach wahllos in irgendwelche Tüten packte. Auch meinen Laptop packte ich ein, samt Akku und samt Ersatztastatur, damit ich nicht ständig an Sagas PC hängen musste – immerhin hatte dieser ja eine Flatrate und Wireless Lan und ich würde wohl über sein Netzwerk ins Internet dürfen. „Dein Zimmer ist ja winzig…“, meinte Reita, als er es betrat und schaute sich um, spielte gleich mit irgendwelchem Dekokram herum. Sicher war mein Zimmer klein, es gehörte ja auch mir. „Ich weiß…“ Ich packte noch schnell Unterwäsche und Schminke in eine letzte Tüte – ich hatte nun vier Stück zusammen – und ging dann ins Bad, holte mir Shampoo, Duschgel und Zahnbürste, warf sie zur Schminke und dem Rest. „Ich bin fertig“, sagte ich, ging zu ihm, hatte in Rekordzeit vier Tüten gepackt und ließ sie kurz achtlos in der Ecke liegen, um mich kurz an ihn zu lehnen und zu verschnaufen. „Warum beeilst du dich denn so?“, fragte er verwundert, legte beide Arme um mich und kraulte die nackte Haut an meinem Rücken mit der Hand, die er unter mein Shirt geschoben hatte und legte den Kopf schief. Ja, warum beeilte ich mich? Weil in mir immer noch die Angst da war, dass sie jeden Moment zurückkommen könnte, dass sie wieder ausrasten würde, wenn sie mich mit Reita hier in ihrem geliebten Haus sah? In ihrem geliebten Haus, voll mit leeren und vollen Spirituosenflaschen und Fertignudelsuppe? „Ich will nur noch hier weg.“ „Für eine Weile geht das doch jetzt erstmal…“ Und da fiel mir etwas ein. Vielleicht fuhr sie ja bald mal wieder zu ihrer Mutter, um sie zu besuchen? Meist blieb sie dann ja für ein paar Tage weg! „Komm mit nach unten“, bat ich, nahm die Tüten und ließ mir etwas widerwillig zwei abnehmen, ehe ich in die Küche lief und auf den Kalender schaute, ihn durchblätterte. Und da entdeckte ich vier grün eingekreiste Kalenderdaten. Genau am bevorstehenden Wochenende. Von Freitagabend bis Montagmorgen. Dann erst würde sie wiederkommen. Und ich würde meine Ruhe haben…! Das ganze Wochenende…! „Sag mal du kommst doch sicher nächstes Wochenende mit hierher, oder?“ Kurz schien er überlegen zu müssen, ehe es ihm langsam dämmerte und er breit grinste. „Deine Mutter ist da nicht zuhause?“ „Richtig!“ Und er grinste sogar noch ein Stück breiter, unter seiner Nasenbinde zeichneten sich seine Wangenknochen ab und er nickte. „N ruhiges könnte ich auch mal wieder gebrauchen…“ Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer und ich musste mir einen erfreuten Aufschrei verkneifen. Ein ganzes Wochenende allein mit Reita…! Gott, es würde niemand da sein, der uns störte! Kein Dai, kein Saga, kein niemand! Nur er und ich und mein Zimmer und… „Same here“, sprach ich mit seltsamem Akzent – mein Englisch war wirklich nicht das Beste. „Dann mal wieder zurück zu Saga, würd ich sagen“, meinte er, „ist denn wirklich sicher, dass deine Mutter das Wochenende weg ist?“ „Sie fährt nur ein paar Mal im Jahr zu ihrer Mutter“, sagte ich, als ich ihn hinter mir herzog und die stinkende Wohnung wieder verließ, „und da liegt es nahe, dass sie auch wirklich fährt. Sie wohnt immerhin ziemlich weit weg.“ „Sehr gut.“ Das war es allerdings. Ich würde wirklich ein ganzes Wochenende mit Reita allein haben. Allein. Was da wohl so alles passieren würde… Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, da stieg mir bereits das Blut in den Kopf und ich wurde rot. Doch das versuchte ich zu unterdrücken. Warum dachte ich denn eigentlich in so einem ungünstigen Moment an sowas? Jeder andere würde in meiner Position nicht mal annähernd an Sex oder ähnliches denken… Er nahm mit seiner freien Hand die meine, drückte sie leicht und das Grinsen wich seltsamerweise nicht einen Moment lang aus seinem Gesicht. Und in diesem Moment fiel mir etwas auf, was mir die ganze Zeit über noch gar nicht richtig aufgefallen war. Ich war wirklich mit ihm zusammen. Wir hatten beide gesagt, was wir füreinander empfanden, wir liefen gerade mitten auf der Straße durch meinen Wohnblock und das auch noch Hand in Hand und er würde das nächste Wochenende ganz allein mit mir verbringen… Ich hatte wirklich einen Freund. Einen festen Freund… © ~*~*~*~*~*~ Dieses Kapitel ist Lyciel gewidmet, da sie sich gewünscht hatte, dass Kyo vielleicht noch eine größere Rolle bekommt! Aber das wird nicht das letzte Kapitel sein, in dem er ein bisschen Aufstand macht ^.~ Baibai, シオ Kapitel 19: Von alten und neuen Problemen ----------------------------------------- -19- Von alten und neuen Problemen Zwei Tage hatte ich nun schon bei Saga verbracht, ohne dass sich irgendwer gemeldet hatte. Noch hatte ich keine wirklich große Lust gehabt in die Schule zu gehen, es würde ja sowieso jeder nur dumme Fragen stellen, das konnte ich mir gut denken. Nach dem Vorfall mit der Polizei und den Fenstern hatte Reita wahrscheinlich auch noch Stress mit Kyo und diesem einen Typen bekommen, von dem ich seit neuestem die Erkenntnis gemacht hatte, dass er wirklich männlich war und Toshiya hieß. Tolle Sache, hatte ich mir gedacht, dieser Halbstarke hatte allerdings wenig zu melden, wie Reita mir gesagt hatte. Er schien nur da zu sein, um neben Kyo schön auszusehen und ihm den Arsch nachzutragen. Kyo dagegen schien noch andere Kumpels zu haben, die gern mal Krawall machten und die Fenster anderer Leute nicht nur einschlugen, sondern sie auch noch als zweite Vordertür benutzten, da sie ja schlecht an einen Schlüssel rankamen. Wie oft die schon vorbestraft worden waren, wusste ich nicht, aber ich war mir sicher, dass sie bislang nicht nur mit einer Jugendstrafe und ein paar Sozialstunden davongekommen waren. Was mussten die für ein Elternhaus haben… Heute würde ich die Schule mal wieder zur Abwechslung besuchen gehen und schauen, was sich in dieser einen Woche und den paar gequetschten Tagen so alles verändert hatte. Wahrscheinlich würde ich erst einmal von tausenden Schülern und hinterher im Unterricht von den Lehrern gefragt, was ich denn während meiner Abwesenheit so alles getrieben hatte und was denn der Grund dafür war. Also hieß es Ausreden ausdenken, schließlich konnte ich ja nicht für jeden Tag sagen, dass ich vergessen hatte anzurufen und mich abzumelden… Mal wieder saß ich an der Bushaltestelle, wartete auf meinen Bus. Wie gewohnt hatte ich mich natürlich vorher aufgestylt, nun jedoch anders als früher. Die Haare hinten auftoupiert, fransig, vorne glatt und Saga hatte mir vor kurzem auch noch Strähnchen nachgefärbt. Die Schminke wieder tiefschwarz und mit aufgemalter Lidfalte. Aber die Klamotten, die Saga mir geliehen hatte und sich dagegen meine Strapsenhosen und ein Oberteil ausgeliehen hatte, pornte am meisten, wie ich fand. Enge, schwarze Hose mit vielen Reißverschlüssen, Bondagestyle. Das Oberteil gehörte eigentlich zu der Hose, die ich bei Daisukes Fete angehabt hatte, aber sie passte auch zu dieser Hose. Ich würde wohl ziemlich auffallen, alle würden sich wundern, aber das war mir so ziemlich egal. Sollten sie doch. Ich fand den Style geil, also lebte ich ihn auch aus. Und vielleicht war eine Radikalveränderung ja auch mal gar nicht so schlecht, vielleicht wurde ich dann ja für etwas voller genommen. Da ich eine Haltestelle weiter einstieg, als sonst immer (es war halt kürzer von Saga aus) sah ich Reita von weitem aus seiner Straße biegen, diese überqueren. Er lächelte bereits, das konnte ich sehen, und auch auf meine Züge schlich sich eines. „Morgen, Schönheit“, begrüßte er mich, als er seine Tasche neben mich auf die Bank warf und sich zu mir beugte, mir einen kurzen Kuss gab. „Na, auch mal wieder zur Schule?“ „Aber selber“, gab ich nur grinsend zurück, schaute auf ihn herunter, da er sich genau vor mich gesetzt hatte und sich eine Zigarette ansteckte. „Stört dich das?“ Ich lachte, schüttelte dann den Kopf. Ich konnte ihm ja nicht endgültig verbieten zu rauchen, das war stillos. Sollte er rauchen, küssen tat ich ihn ja in der Schule nicht – musste nicht jeder wissen, dass wir zusammen waren. „Hast du gute Laune heute?“, fragte er dann, schaute mich abwartend an, als er an seiner Zigarette zog. Was sollte die Frage? Sah er nicht, dass meine Laune dank ihm gerade auf ihrem Höchstpunkt war? „Ja, warum?“ „Gut“, kam es nur, woraufhin er hinter sich deutete. Ich folgte seinem Blick, dann erst wusste ich, warum er diese Frage gestellt hatte. Da kam gerade noch ein Blondschopf über die Straße, allerdings ein Stück kleiner und er sah ziemlich nervös aus. Seine Tasche hielt er fest umklammert und den Blick hatte er starr auf den Boden gerichtet. „Oh…“ Er hatte meinen Laut der Begeisterung wohl gehört, schaute kurz auf, als er die Bushaltestelle erreicht hatte und versuchte sich an einem Lächeln, das jedoch kläglich scheiterte und ziemlich jämmerlich aussah. „Morgen“, nuschelte er, lehnte sich an den Zaun hinter ihm und sein Blick huschte kurz von mir zu Reita und wieder zurück. Ich hob nur eine Augenbraue, als ich auch schon ein kurzes Auflachen von Reita vernahm und zu diesem schaute, grinsend. Ruki musste sich gerade so richtig schön verarscht vorkommen. Das war auch gut so, wie ich fand, so war ich mir die ganzen letzten Tage mit ihm und auch die ohne ihn vorgekommen. Wenn ihm etwas an der Freundschaft gelegen hätte, dann hätte er es ja wohl weiter versucht, immerhin hatte er den Streit zwischen uns provoziert und nicht ich. Es war also an ihm, sich zu entschuldigen. „Willst du die Woche noch mal nach Hause?“, fragte er irgendwann, warf seine aufgerauchte Zigarette weg und schaute mich an, schob sich ein Kaugummi in den Mund. „Muss ich“, meinte ich matt, lehnte mich zurück und fuhr mir durch die vorderen Haare, „muss checken, ob meine Mom wirklich abhaut am Wochenende. Und ich brauch noch n paar Sachen…“ War mir doch egal, dass Ruki das alles hören konnte, der würde sein Maul sowieso halten. Und Aoi hatte sicherlich auch schon Wind davon bekommen, dass ich gar nicht zuhause war, dabei wäre er wohl der einzige, dem er das erzählen würde – vielleicht. Aber Kommunikation war bei den beiden ja sowieso immer schon ein Fremdwort gewesen, zumindest wenn es um ihre eigenen Probleme ging. Beim Lästern allerdings wurden sie immer viel gesprächiger. Und wen sonst sollte es interessieren, dass ich weg war? Bei meiner Mutter würde es ja doch nicht ankommen, selbst wenn es die ganze Schule wusste. Die interessierte sich eh nicht dafür. Und wenn, dann wusste sie halt, dass ich bei Freunden war die halbe Zeit. Also würde auch keiner mehr dumme Fragen danach stellen. „Dann komm ich mit“, sagte er zu meiner Erleichterung, stand auf und stellte sich zwischen meine Beine, stützte sich an der Wand hinter mir ab und grinste, „damit du mir keinen Ärger machst!“ Geschickt drum rum geredet… „Ich doch nie!“ Er küsste mich wieder, diesmal einen Tick länger und ich konnte lediglich Pfefferminz herausschmecken, keinen Zigarettengeschmack oder sonst was. Gut so, davon musste ich nur kotzen… Ich fragte mich in diesem Moment allerdings, was Ruki wohl dachte davon. Ob es ihn wunderte? Ob es ihn aufregte? Ob er sich darüber kaputtlachte? Alles egal, ich hatte Reita und da konnte es mir am Allerwertesten vorbeigehen, wer über uns schlecht dachte. „Hoch mit dir, der Bus kommt“, grinste er, als er sich von mir löste und schielte kurz zu Ruki rüber, stieß sich dann von der Wand ab und schulterte seine Tasche. Auch ich erhob mich und wagte einen Blick zu Ruki rüber, der allerdings weiter zu Boden starrte und seine Busfahrkarte aus der Tasche kramte, mich keines weiteren Blickes würdigte. Trotzdem, irgendwie sah er geknickter aus als vorher. Aber warum? War er eifersüchtig? Gut, er konnte Reita nicht leiden, aber warum schaute er ihn denn dann geradezu an, als würde er ihn umbringen wollen? Doch ich ignorierte es einfach erstmal, folgte Reita zu einem Vierer und ließ mich ihm gegenüber fallen. Erst jetzt fiel mir auf, dass er heute eigentlich gar nicht so krass aussah wie sonst immer. Normale schwarze Hose mit einem Riss am Knie und ein weinrotes Oberteil, das mit Sicherheitsnadeln zusammengehalten wurde. Und die Nasenbinde, ohne die ich ihn bisher immer noch nicht gesehen hatte. Ruki setzte sich weiter vorn hin, ich konnte ihn sehen, da ich in Fahrtrichtung saß und bemerkte, dass er den Blick mittlerweile auf mich gerichtet hatte. Ich allerdings schaute lieber nicht hin, nachher dachte er noch ich würde mit ihm reden oder mich mit ihm abgeben wollen! Oder Reita würde skeptisch, glaubte, dass ich ihn vermisste oder sowas. Eigentlich weniger… Eine Haltestelle später stieg auch schon das nächste ‚Problem’ ein, das mir eigentlich noch viel mehr auf den Sack ging als das, was vorn im Vierer saß. Aoi. Und Reita hatte diesen wissenden Blick, als er den schwarzhaarigen durch die Fensterscheibe an der Haltestelle sitzen sah. Er schielte zu mir, lächelte mir aufmunternd zu. Was glaubte er? Dass ich gleich aufsprang und Aoi anfiel wie ein rachsüchtiges Raubtier? An dem machte ich mir die Finger sicher nicht schmutzig, auch, wenn ich wirklich einen Moment darüber nachgedacht hatte, ihm nicht einfach mein Philosophiebuch um die Ohren zu schmeißen. „Er kuckt mich nicht mal an“, interessiert hob ich die Augenbrauen, als er sich zu Ruki setzte und das mit dem Rücken zu mir. So ein Feigling! „Und? Stört dich das?“ „Nö…“ Nach einer Weile allerdings, in der sie beide zu reden schienen drehte sich Aoi so richtig unauffällig zu mir um, schaute Ruki noch einmal an und dann wieder zu mir, verzog sein Gesicht etwas. Und da beschloss ich ihn einfach mal ein bisschen zu verarschen. Ich lächelte freundlich, sogar schon ein bisschen überfreundlich und hob die Hand, winkte ihm zu. Sofort drehte er sich wieder um und schien mit Ruki weiterzureden, doch der kleine Blondschopf hatte den Kopf nur wieder beschämt gesenkt und antwortete gar nicht mehr auf Aois Gelaber. „Was war das denn grad?“, fragte Reita mich belustigt, grinste breit und kaute weiter auf seinem Kaugummi herum. Ich lachte kurz auf und zuckte mit den Schultern. „Wollt ihn mal grüßen, der hat so geschaut als würde er das erwarten…“ „Is’ klar…“ Er lachte wieder und stand dann auf, da wir die Haltestelle vor der Schule erreicht hatten. Wir standen beide auf, stiegen aus und Aoi und Ruki nutzten scheinbar demonstrativ die andere Tür. Was mich allerdings nur grinsen ließ. Wie konnte man nur so dumm sein? Ich lief also neben Reita her, bis wir bei den Schulgebäuden angekommen waren. Seine Schule lag kurz vor meiner, also brauchte ich nur ein paar Meter weiter als er. „Kommst du noch mit zu den anderen?“, fragte er, schaute mich bittend an. Ich hatte gar nicht gewusst, dass irgendwer außer Sakito auf der Schule war, den ich kannte – scheinbar schon, wenn er in der Mehrzahl sprach. Ich wunderte mich nicht, dass er zig Leute grüßte, die an uns vorbeiliefen, bis wir dann endlich am Schulhof angekommen waren, wo Sakito mit Ni~ya am Zaun standen, aneinander gekuschelt, daneben ein paar andere, die ich nicht kannte. Obwohl ich einen von ihnen schon mal auf der Scheunenfete gesehen hatte, wenn ich mich recht erinnerte hatte er sich mit Saga unterhalten. Er hatte schwarze Haare und ein sehr markantes Gesicht, aber recht hübsch. „Morgen“, grüßte Reita die anderen, stellte sich zu ihnen und grinste breit. „War Dai heute schon hier?“ Warum fragte er denn jetzt nach Daisuke? Ich erwiderte den Morgengruß, stellte mich gleich zu Reita und schmiegte mich ebenfalls an diesen, da mir nun doch etwas kalt wurde. Er legte einen Arm um mich, unterhielt sich weiter mit Saki und Ni~ya. Sie redeten kurz über den Vorfall mit meinen Fenstern, wechselten aber zu meiner Erleichterung recht schnell das Thema. Aber das war irgendwie auch nicht viel besser… „Seid ihr jetzt eigentlich zusammen oder nicht?“, fragte Saki mich, schaute sehr neugierig und interessiert. Ich wollte ja gar nicht wissen, was der sich in dem Moment so alles ausmalte! Dachte der ich würde gleich mit Reita ins Bett springen? Das konnte ich zumindest seinem perversen Blick entnehmen, dass er das dachte. „Ja, warum?“, antwortete mir Reita dann aber zuvor, sodass ich gar nicht mehr zum sprechen kam. „Und habt ihr schon gepimpert?“, wollte er dann gleich als nächstes wissen, woraufhin Reita allerdings zu lachen anfing und ich knallrot wurde, nach etwas viel Interessanterem auf dem Boden suchte. „Hast du direkt in den ersten paar Tagen mit Ni~ya gepimpert?“, fragte ich zickig zurück, schielte ihn an und murrte. „Klar hab ich das!“ Er log, das wusste ich, Saga hatte mir gesagt, dass die drei Monate gewartet hatten. Warum also log er mich jetzt an? Wollte er sein Image als Schlampe behalten? Und warum sagte Ni~ya eigentlich so gar nichts dazu? Fand ich zwar komisch, aber auch gut. Sollte er machen. Reita dagegen schüttelte nur den Kopf und zog mich näher zu sich, legte beide Arme um mich und ich lehnte mich an ihn und bettete den Kopf auf seiner Schulter. „Wie niedlich!“, kam es noch von Saki, ehe es auch schon schellte und ich mich wohl oder übel auf den Weg in die Schule machen musste. Erste Stunde Bio… „Bis später dann“, sagte ich noch zu Reita, gab ihm einen Kuss und winkte den anderen beiden noch zu, ehe ich schnellen Schrittes auf dem Weg zu meinem Schulhof war und richtung Gebäude A lief. „Warte mal!“ Wer sprach mich denn jetzt da an? Die Stimme kannte ich nicht, doch als ich mich umdrehte, erkannte ich den schwarzhaarigen Jungen, der bei Sakito und Ni~ya gestanden hatte. Den ich auch bei der Scheunenfete gesehen hatte. Aber warum lief er mir hinterher? Wollte er irgendwas Wichtiges von mir? „Was denn?“, fragte ich leicht genervt. „Du bist auf meiner Schule“, antwortete er mir allerdings überraschenderweise. Es gab noch jemanden auf dieser Streberschule, der mit Reita und den anderen befreundet war? Das hatte ich nie wirklich registriert… „Wirklich…“, sagte ich allerdings nur knapp, klang ein wenig abweisend, wenn ich mich nicht irrte. „Ja“, kam es, „Saga hat mir von dir erzählt und du bist mir eh schon mal aufgefallen. Wegen Aoi, diesem Möchtegern-Goth, mit dem hatte ich ganz früher mal zu tun. Ich bin Tora.“ Weiter lief er neben mir her, grinste mich an und schaute dann abwartend. Also sollte ich mich vorstellen? Sollte ich irgendwas sagen? Er wusste doch scheinbar schon, wer ich war, immerhin hatte Saga von mir erzählt. „Kennst mich ja dann sicher schon. Bist du die Stufe über oder unter mir?“ „Unter dir, aber ich bin zweimal sitzen geblieben“, erklärte er mir und folgte mir sogar durch die Tür zum Gebäude A, wo ich jetzt Unterricht hatte. „Ach so…“ Und so trennten sich unsere Wege, ich machte mich auf den Weg zu Bio und er schien Physik zu haben, da er ein Stockwerk unter mir in den ersten Gang einbog. Sollte mir recht sein, ich mochte ihn nicht besonders. Warum auch immer. Vielleicht lag es an seiner Ausstrahlung oder seiner Art, ich wusste es irgendwie nicht. Aber das kam ja in den besten Familien vor, dass man nicht immer sagen konnte, was einem nicht passte. Kannte ich ja zu gut, bei uns hatte auch nie einer das Maul aufgemacht. Ich lief den Biogang entlang und sah von weitem schon, wie unser Lehrer mit der Klasse hinter der Tür verschwand. Blöd war nur, dass man sie von Außen schlecht öffnen konnte. Also lief ich etwas schneller, damit ich sie vielleicht noch rechtzeitig erreichte, doch es war bereits zu spät. Also klopfte ich, hoffte nur, dass mir der Lehrer nicht gleich zu Beginn eine Standpauke verpasste, weil ich zu spät war – obwohl es ja doch erst eine Minute war. Ein Mitschüler öffnete sie für den Lehrer (klar, dass der sich die Beine nicht mehr für sowas vertreten wollte, wenn er einmal auf seinem Chefstuhl hinterm Pult saß… fauler Sack) und ließ mich reinkommen, woraufhin auch gleich alle mit großen Augen zur Tür starrten. Wie nicht anders erwartet war man wohl schockiert über das, was ich aus mir gemacht hatte. Aber sollte mir nur recht sein, Reita sah ja auch nicht viel anders aus heute. Oder Saki… oder Ni~ya… „Guten Morgen, Takashima-san. Haben Sie gut geschlafen? Vielleicht noch einen Kaffee, damit Sie auch wach sind?“, fing mein Lehrer auch gleich an, woraufhin ich nur lächelnd den Kopf schüttelte und mich zu meinem Platz begab. Totenstille. Alles starrte mich an, sogar der Lehrer war fassungslos, dass ich mich nicht mal entschuldigt hatte für meine Verspätung. „Gut, Schwamm drüber“, sagte er irgendwann, „wir hatten letzte Stunde über die Bestandteile von Desoxyribonukleinsäure gesprochen. Was ist das Kürzel dazu? Shiroyama-san?“ Natürlich wusste Aoi das wieder, Aoi wusste alles, Aoi war wie ein wandelndes Lexikon! „DNA“, kam es gleich, ich schaute kurz hinter mich und grinste, als ich sah, dass er wie immer kerzengerade auf seinem Platz saß und sich kein Stück rührte. Ruki neben mir allerdings auch nicht, aber das schien wohl irgendwie an mir selbst zu liegen… „Gut“, fuhr der Lehrer fort, sein Bart wackelte auf und ab, als er redete und sein Fett quoll bestimmt schon wieder über den Stuhlrand. Hatte er zugenommen in der Woche, in der ich nicht da gewesen war? „Die Bestandteile?“ Stille. Wenn Stille war, suchte er sich dauernd jemanden, von dem er sich sicher war, dass er die Antwort nicht wusste. Und wer würde das diese Stunde sein…? Na…? „Takashima-san.“ Wunderbar! Hatte ich eine Ahnung? Ich war doch die ganzen letzten Stunden nicht hier gewesen, wie sollte ich dann bitte wissen, woraus das Zeug bestand, was ich in meinem Körper mit mir rum trug und was vorbestimmte, was ich in Zukunft mal für eine Schönheit sein würde? „Das hab ich mir gedacht“, sagte dieser Idiot schlicht, stand auf und stellte sich genau vor mich, „Sie haben nicht mal annähernd nachgelernt oder sich informiert, was wir besprochen haben. Warum sind Sie denn überhaupt so lange zuhause geblieben?“ Ich hob meine Augenbrauen, als er zu Ende gesprochen hatte und grinste wieder. „Ich war todsterbenskrank!“, sagte ich sofort, „Und ich konnte niemanden anrufen für die Hausaufgaben!“ „Doch, hätte er“, kam es dann aber plötzlich von hinter mir und ich drehte mich um, schaute Aoi mit einem vernichtenden Blick an. Was fiel dem Hosenscheißer eigentlich ein…? „Warum haben Sie denn nicht Shiroyama-san angerufen?“ „Weil er ein Arschloch ist“, rutschte es mir dann aber plötzlich heraus, doch ich machte keine Anstalten, dass ich meine Worte zurücknehmen würde. Und mein Lehrer starrte mich ungläubig an, was mich wieder grinsen ließ. „Raus!“ Eine halbe Stunde später war die erste Stunde beendet und der Lehrer hatte mich zu einem ernsthaften Gespräch zu sich herein geordert. Natürlich hatte ich mich brav entschuldigt und ihm gebeichtet, dass ich mir nicht wirklich die Mühe gemacht hatte, irgendwen anzurufen und er hatte es auch geschluckt. Nur das mit den Entschuldigungen für die ganzen Fehlstunden würde etwas schwierig… Ich verließ also das Klassenzimmer, um die nächste Doppelstunde Englisch aufzusuchen. Doch weit kam ich allerdings nicht, da mich irgendwelche Leute ständig aufhielten, mich ansprachen und entweder mit Komplimenten überhäuften, die sowieso nicht ernst gemeint gewesen waren oder sie machten sich über mich lustig, allerdings hinter meinem Rücken. Natürlich bemerkte ich das, ich war ja nicht ganz so dumm. Und dann war da auch noch Ruki, der gerade aus dem Klo kam und mich aufhielt. Der hatte mir ja auch noch gefehlt… „Kann ich mal kurz mit dir reden?“, fragte er, ich schaute mich jedoch kurz um, stellte allerdings fest, dass Aoi nirgends zu sehen war. „Was willst du?“ Er zuckte zusammen bei meinem eiskalten Tonfall, doch es juckte mich nicht wirklich. Dann bat er mich mit ins Klo zu kommen, sodass es nicht jeder hörte und ich seufzte, folgte ihm dann aber doch. Nur damit er mich endlich in Ruhe ließ… „Warum bist du jetzt auf einmal so?“, fragte er mich, als er sich an die Wand mir gegenüber lehnte. Was sollte denn die Frage? Warum ich so war? Weil ich anders geworden war, ganz einfach! „Hast du n Problem damit?“ „Ja!“ Na, das war ja eine schnelle Antwort. Und ich war wirklich so schrecklich? In seinen Augen vielleicht, aber in meinen gefiel ich mir eigentlich ziemlich gut so. Ich hatte wenigstens ein paar mehr Freunde und Bekannte als früher, hatte mehr Zeit für mich und für Reita und war überhaupt mit ihm zusammen. Was sollte besser sein als das? „Du stellst Aoi vor der ganzen Klasse bloß. Wenn das früher jemand mit dir gemacht hat, hat er dich immer verteidigt! Das ist nicht fair, finde ich!“ „Und warum hast du ihn nicht einfach verteidigt? Das ist auch feige!“, grinste ich fies, schaute mich im Spiegel an und richtete mir etwas die Haare, die ein wenig in sich zusammen gefallen waren. Was redete Ruki eigentlich für einen Dünnschiss? Wenn er das unfair fand, hätte er auch etwas sagen können meiner Meinung nach. Er hätte Aoi verteidigen können! Aber er war schon immer feige gewesen, wenn es nicht gerade darum ging irgendwen fertig zu machen. Aber wenn er jemanden verteidigen sollte, hatte er sich immer im Hintergrund gehalten. Und jetzt ließ er Aoi hängen. „Ich meine was kannst du eigentlich? Du kriegst dein Maul auch nicht auf, oder? Warum sagst du nichts gegen mich, wenn ich sowas mache? Meinst du ich hab da n Problem mit? Meinst du ich stell mich dann genauso dumm an wie du dich gerade?“ „Hör auf damit…!“ „Womit denn?“, lachte ich, „Damit die Wahrheit zu sagen? Du hast doch nie dein Maul aufgekriegt! Du warst schon immer ne Heulsuse, wenn es darum ging, dass man auf dir rumhackte…“ Er bekam schon wieder ganz glasige Augen, was mir zeigte, dass wohl wieder ein paar Tränen in ihm hoch gekrochen kamen. Und so sehr ich früher ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, es interessierte mich kein Stück. Aber nein, im Gegenteil, es tat gut, das einfach alles einmal raus zu lassen. Vor allem stellte ich gerade jetzt, wo ich mit Aoi und ihm verstritten war, fest, was sie eigentlich für Fehler an sich hatten und wie dumm sie in Wahrheit waren. Scheinbar kamen dumme Menschen aber genauso gut an wie beispielsweise ein Hopper oder sowas… die waren ja immer cool! Und ich hatte Recht gehabt, jetzt liefen ihm kleine Tränchen über die Wange und er schaute mich verletzt an. „Du checkst auch gar nichts“, sagte er plötzlich mit sehr fester Stimme und sein Blick wurde irgendwie wütend, „du machst doch auch nichts anderes! Du hast dich auch nie für uns eingesetzt, du hast dir auch immer helfen lassen und dich hinter uns versteckt! Du hast nie was gesagt, wenn irgendwer uns fertig gemacht hat!“ „Und weißt du warum?“, zischte ich, stellte mich genau vor ihn und schaute ihn aus ebenso wütenden Augen an, „Weil ihr das nie nötig gehabt habt, weil ihr euch selber wehren konntet! Und jetzt kannst du’s nicht packen, dass ich langsam dahinter komme, wie man’s macht…“ Und somit verließ ich die Toilette, begab mich zum Englischunterricht und würdigte sowohl Aoi, als auch Ruki die gesamte Zeit über keines Blickes mehr. Die Pause stand an und ich war wirklich erleichtert, dass ich endlich diese stickigen Klassenräume verlassen und zu Reita und den anderen gehen durfte. Gut, dürfen war vielleicht das falsche Wort, ich tat es halt einfach. Man durfte das Gelände ja eigentlich gar nicht verlassen. Aber wen störte es schon, wenn einer von eintausend Schülern fehlte? So hatte ich mich bisher erfolgreich vom Schulhof geflüchtet, als mich plötzlich wieder dieser Tora ansprach, der an einer Ecke neben dem Forum lehnte und rauchte. „Gehst du zu den anderen?“, fragte er mich, grinste wieder so komisch. Ich mochte ihn immer noch nicht, irgendwie… „Ja“, antwortete ich, „kommst du mit?“ „Schlechte Laune?“ „Woher weißt du das?“, fragte ich matt und ging ihm voraus, auf den Hauptschulhof zu. Ich hatte wirklich wenig Bock mit ihm darüber zu reden. Von weitem sah ich schon, wie Reita mit den anderen raus kam und sich auf die Stangen am Fahrradständer setzte. Ich fuhr mir kurz wieder durchs Haar, da mir nun doch etwas wärmer war – lag wahrscheinlich daran, dass ich mich eben aufgeregt hatte. Scheinbar hatte er bereits bemerkt, dass ich mal wieder scheiß Laune hatte und sah mich gleich neugierig an. „Frag gar nicht erst“, begann ich kurz bevor ich sie erreicht hatte, „ich hatte gerade mal drei Stunden und ich hab jetzt schon keinen Bock mehr!“ „Was war denn?“, fragte Reita grinsend, hielt einladend den Arm hoch und ich folgte seiner Einladung einfach mal, ließ mich gegen ihn sinken. „Ach…“, murrte ich, „Ruki hat ein Machtwort gesprochen!“ Und er lachte. Wie erwartet fand er das ganze mal wieder urkomisch, als ich es ihm erzählte. Aber mir ging es gewaltig auf die Eier! Echt, was bildete sich der kleine Zwerg ein auf seine Größe? „Stell dich wegen dem nich’ so an“, meinte Reita lässig, „das hast du gar nicht nötig. Wenn der meint er müsste dich damit fertig machen wollen dann lass den doch, da steckt sowieso nich’ viel hinter, wenn du mich fragst…“ „Der geht mir trotzdem auf n Sack…“ Und um mich zum Schweigen zu bringen beugte er sich einfach vor und küsste mich gleich fordernd. Ohne dass ich etwas dazu tun musste hatte er seine Zunge in meinen Mund geschoben und suchte nach meiner eigenen, die er auch bald gefunden hatte. Ich ging auf den Kuss ein, ließ mich gegen ihn sinken und augenblicklich war meine Wut wie weggefegt. Ich seufzte leise, legte einen Arm um seinen Nacken und suchte Halt an seiner Schulter. Neben mir hörte ich Sakito lachen, der hatte ja scheinbar Spaß daran, dass Reita und ich uns gefunden hatten. Ich hörte irgendwas von ‚ersticken’, aber das tat Reita gerade eigentlich weniger. Eher war er ziemlich sanft, auch, wenn es vielleicht nicht so aussah. Er knabberte auf meiner Unterlippe rum, bis er dann irgendwann wieder von mir abließ und ich ihn grinsend anschaute. „Irgendeiner muss dich ja mal anständig erziehen“, kam es scherzhaft von ihm, was mich lachen ließ. Aber das Lachen verging mir irgendwie, als ich mich wieder umdrehte. Warum tauchte Aoi eigentlich immer dann auf, wenn ich ihn gerade am allerwenigsten da haben wollte? Er kam mit wütender Miene auf uns zu, blieb direkt vor mir stehen, woraufhin ich spüren konnte, wie Reita mir beide Arme um die Brust legte, um mich zurück zu halten. Ich würde ihm wirklich an die Kehle springen, wenn er nicht sofort wieder abzog… „Warum tauchst du eigentlich immer da auf, wo ich dich nicht gebrauchen kann?!“, fauchte ich, setzte einen feindseligen Blick an. „Ich möchte dir mal eine Frage stellen“, begann Aoi, was ja schon mal ein beschissener Anfang war, wie ich fand. Ich hatte schon gar keinen Bock mehr ihm weiter zuzuhören… „Fühlst du dich wirklich nicht n bisschen lächerlich bei dem was du hier machst?“ „Was mach ich denn?“, grinste ich, spürte, wie Reita mir beruhigend mit dem Daumen über den Oberkörper streichelte. Das war wirklich bitter nötig, denn mein Aggressionspegel stieg kontinuierlich an… Sakito und Ni~ya, sowie Tora standen einfach nur daneben, versuchten wohl durchzublicken, was die ganze Szene hier eigentlich sollte. Dabei wusste ich das selber nicht mal. Der einzige der sich hier lächerlich machte war sowieso Aoi! Wie der sich mitten in unsere Runde stellte und drauf losfragte, ob ich eigentlich die Einschläge noch merkte. Und er? „Das weißt du ganz genau. Es ist widerlich sich jedes Wochenende zu besaufen, es ist asozial die eigene Mutter im Haushalt allein zu lassen und lieber bei Freunden zu pennen, es ist idiotisch die Fenster des eigenen Hauses einzuschlagen und vor allem unhöflich sich in der Öffentlichkeit von seinem Lover befummeln zu lassen!“ Ich spürte eine Regung hinter mir, etwa wie Reita sich vorbeugte und seinen Kopf auf meine Schulter legte. „Pass auf, Kurzer“, meinte er gefährlich, „wenn du neidisch bist, such dir ne Perle und geh meinetwegen zum Knutschen in den Keller, aber halt dich doch aus den Beziehungen anderer raus, ja?“ Aoi lachte auf, schaute Reita an. „Du bist doch gerade dafür verantwortlich, dass er den ganzen Mist hier abzieht!“ „Pass lieber auf. Entweder du redest mit Uru oder mit mir, aber ich schwöre dir, dass du da nicht nur harte Worte abbekommst…“ „Von sowas wie dir sollte er sich lieber fernhalten und nicht auch noch in aller Öffentlichkeit rummachen…“ Sakito und die anderen lachten plötzlich los und ich konnte mir so gut vorstellen, dass Aoi sich gerade wirklich selbst idiotisch vorkam. Aber scheinbar reichte ihm das ja immer noch nicht, sonst würde er längst nicht mehr hier stehen… „Mach n Kopp zu, Junge!“, lachte ich auf, „Und komm erstmal auf dein eigenes Leben klar, wenn du doch weißt, was gut für mich ist, weißt du das doch bestimmt auch für dich selber! Also hau rein, mach was draus!“ Aoi allerdings ließ sich davon wenig beeindrucken. „Wenn du so weitermachst wird aus dir genauso wenig wie aus allen anderen, die hier rum stehen! Bald kannst du auch nichts anderes mehr als dich durch die Gegend ficken und zu saufen, das nenn ich Zukunft!“ Gerade wollte ich zum Sprung ansetzen, um ihm gehörig die Fresse zu polieren, als Reita mich wieder zurückzog und seine Lippen auf meinen Hals drückte, mir leise ins Ohr raunte, dass ich ruhig bleiben sollte. Sakito und Ni~ya allerdings hatten langsam wohl auch genug von Aoi, denn sie rieten ihm mittlerweile auch schon sich langsam mal zu verpissen. Und sie hatten vollkommen Recht wie ich fand, sollte er mich leben lassen, wenn er sich früher doch auch schon nicht für mein Leben interessiert hatte! Was sollte das denn? Früher aufgefordert mit saufen zu gehen und jetzt riet er davon ab! Der wusste ja nicht mal was er wollte! Vollpfosten… Mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen stolzierte er davon, ignorierte es, dass Sakito und Ni~ya in einen Lachkrampf wegen ihm ausgebrochen waren und er verschwand mit einem anderen Typen, den ich nicht kannte und seiner Freundin, die ihn gleich auszufragen schien, um die Ecke richtung Innenstadt. „Der hat den Knall auch noch nicht gehört“, kam es matt von Ni~ya, der auf einer der Stangen lehnte, die wir besetzten und schaute Aoi aufmerksam hinterher. Wirklich, der hatte die Einschläge echt nicht mehr gemerkt… Warum auch immer er hier gerade so eine Show abgezogen hatte, damit hatte er wirklich für Unterhaltung gesorgt. Mittlerweile lachte ich sogar selbst darüber, fand es einfach nur idiotisch von ihm. An seiner Stelle wäre es mir so peinlich gewesen wie sonst was, mich einfach vor die Mehrheit zu stellen und über den ehemals besten Freund zu urteilen und groß zu verkünden, wie seine Zukunft nach seinen Idealvorstellungen aussehen würde… „Ärger dich nicht über den“, meinte Reita zu mir und knabberte kurz an meinem Ohr herum, „der sucht irgendwie gern Streit, oder?“ „Das sowieso…“, gab ich nur zurück, drehte mich in seinem Arm um und grinste ihn an. „Aber als wenn mich das juckt, ich habe nur das Bedürfnis verspürt ihm die letzte Doofheit aus dem Kopf zu prügeln und sein hässliches Gesicht zu verschönern, sonst nichts…“ Reita lachte, strich mir ein paar Strähnen im Pony zurecht. Wirklich, Aoi machte mich rasend, wenn er vor mir stand und solche Sprüche abließ. Nicht dass es mich störte, dass er mich kritisierte, aber er stellte wirklich alles, was in unserer Freundschaft vielleicht gefehlt hatte oder schlecht gewesen war ausnahmslos gegen mich. Ziemlich arschig, wie ich fand… „Der ist neidisch, da hast du’s, der will auch sowas geiles wie mich als Freund“, grinste Reita mich dann an, woraufhin ich einfach nur lachen konnte und küsste ihn kurz. Tja, sein Selbstbewusstsein war ja scheinbar auch nicht anzukratzen… © Kapitel 20: Wochenende ---------------------- -20- Wochenende „Dann ist meine Wohnung ja leer dieses Wochenende!“, hörte ich Saga aus dem Bad rufen, wo er nun schon seit einer geschlagenen Stunde drinstand, sich schminkend und die Haare frisierend und den ganzen Rest, den man halt so machte, wenn man gut aussehen wollte für ein ‚Date’. Heute Abend wollte er sich mit Tora treffen, den ich ja bereits an der Schule jeden Tag am Hals gehabt hatte. Bisher hatte ich mich sogar halbwegs mit ihm anfreunden können, ich fand ihn weniger unsympathisch und er fragte mittlerweile auch keine lästigen Fragen mehr über Reita und mich oder über meine Familie. Insgesamt irgendwie eine recht neutrale Beziehung, denn außerhalb der Schule hatten wir uns noch nicht getroffen, lediglich zufällig auf dem Weg zu Reita, um dort ein paar Flaschen Alkohol auf Vorrat zu Saga zu bringen. Aber obwohl Saga abstritt, dass er Tora ziemlich gut fand, kaufte ich es ihm so gar nicht ab. Er hatte ihn durch Reita kennen gelernt, sie hatten sich auf der Scheunenfete unterhalten und als sie sich auf dem Weg zu Reita zufällig gesehen hatten, hatte ich schon den Eindruck, dass sie sich beide irgendwie gut fanden. „Du bist heute Abend doch eh gar nicht da und wie ich die Sache einschätze bleibst du eh länger bei Tora als nur bis Mitternacht“, grinste ich, doch obwohl er es nicht sehen konnte, da ich mich noch immer voller Vorfreude auf den Abend auf dem Sofa räkelte, wusste ich, dass er die Belustigung in meiner Stimme deutlich heraushören konnte. Saga war ja kein reizbarer Mensch, aber anscheinend hatte er es wirklich satt, dass ich seit dem vorigen Abend nur noch darauf rumhackte, wie Tora und er sich angesehen hatten… „Jetzt lass den Scheiß doch mal, du weißt genau, dass ich mich für jemand anderen interessiere!“ „Den du nicht haben kannst“, murmelte ich vor mich hin, war mir sicher, dass er das nicht gehört haben konnte. „Was?“ Ich antwortete nicht mehr, da es auch schon an seiner Tür klopfte und ich stand gemächlich auf, um sie zu öffnen. Es gab also zwei Möglichkeiten. Entweder es war Tora, der perfekt aufgestylt und mit einem Strauß Rosen vor der Tür stand, um sein Date für heute Abend abzuholen, oder es war mein Date, nämlich die Thunfischpizza mit viel Sojasoße, die ich mir bestellt hatte, weil Sagas Kühlschrank mal wieder unglaubliche Tiefen zeigte, sobald man ihn aufmachte. „Scheiße, ich bin doch noch gar nich’ fertig, fuck, fuck, fuck!“, hörte ich Saga maulen, was mich allerdings nur zum Lachen brachte. Vollpfosten… Ich öffnete also die Tür und begrüßte dort tatsächlich den Pizzaboten, der mir meine Pizza überreichte und dem ich gleich 1000 Yen überreichte. Er bedankte sich, ebenso wie ich und ich hatte gerade die Tür geschlossen und war auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer, als es erneut klingelte. Genervt seufzend schlug ich also wieder die andere Richtung ein, um diesmal Tora die Tür zu öffnen, den ich ja als nächstes erwartete. Doch da stand nicht Tora. „Was machst du denn schon hier?“, fragte ich Reita überrascht, der allerdings gleich seinen Rucksack in die Ecke schmiss und auf meine Pizza schaute. „Das nenn ich ne Begrüßung“, smilte er gleich und küsste mich zur Begrüßung, doch als er sich wieder löste fand ich mich plötzlich ohne Pizzaschachtel wieder. „Hey…!“ Er lachte, als er sich damit auf den Weg ins Wohnzimmer machte und sich aufs Sofa fallen ließ. Doch gerade, als ich die Tür zugeschlagen hatte und ihm folgen wollte – ich hatte diesmal sogar schon den Türrahmen erreicht – klopfte es schon wieder. Ein Glück, dass Sagas nerv tötende Klingel mit diesem seltsamen Piepsgeräusch kaputt war, dann war ich wenigstens nicht total genervt davon… Ich drehte mich also auf dem Absatz um, deutete Reita, der mich gerade etwas verwundert anschaute, an, dass es nun das dritte Mal war, das ich zur Tür lief und das einzige was er machte war lachen…! „Tora! Reinkommen, hinsetzen, warten. Saga braucht noch“, meinte ich matt, schloss die Tür hinter mir wieder geräuschvoll, als besagter die Wohnung betreten hatte und mich verwundert anschaute, während ich nun etwas schnelleren Schrittes ins Wohnzimmer lief, um dem vierten Mal laufen zu entgehen, indem ich dann einfach einen der beiden schickte, die bereits auf dem Sofa saßen. Und da hörte ich erneutes Klopfen, allerdings schielte ich bloß zu Reita, der sich wohl einen Spaß daraus machte, mich zu verarschen, indem er auf die Tischplatte klopfte und mich unschuldig angrinste. „Sehr witzig“, meinte ich nur matt, als ich mich neben ihn setzte und er wuschelte mir gleich durch die noch ungestylten Haare. „Nicht böse sein“, meinte er entschuldigend und hielt mir ein Stück der bereits geschnittenen Pizza hin. Tora, der uns beiden gegenüber saß, hatte ich bisher noch keine wirkliche Beachtung geschenkt. Ich machte den Mund auf und biss ein Stück davon ab, ehe er den Rest für sich beanspruchte und Tora dann anschaute, diesen grüßte und fragte, was denn so ging. „Hm, n Abend in der Disco und was sonst noch so geht ergibt sich dann“, grinste dieser und ich fand, dass auch er sich ziemlich aufgemotzt hatte für den Abend… Er hatte sich irgendwas Anzugähnliches ausgesucht, der Stoff schimmerte dunkelrot und war hier und da ziemlich aufwendig verziert, wie ich fand. Elegant und ausgefallen zugleich. Ich mochte die Kombi eigentlich. „Ist Saga noch im Bad?“ Nachdem ich ihm zugestimmt hatte, widmete ich mich lieber wieder Reita, der sich mittlerweile an das zweite Stück Pizza gemacht hatte und ich zu protestieren begann, von wegen das es doch meine Pizza war. „Und ich bin dein Lover, also kannst du mir auch ruhig was abgeben“, sagte er daraufhin bloß, doch statt dass ich weiter protestierte, machte mein Herz einen kleinen Hüpfer bei diesen Worten. Es war halt jedes Mal etwas Besonderes für mich, wenn er solche Bemerkungen machte… „Und? Ich hab sie aber bezahlt“, grinste ich, verschwieg dabei mal ganz dezent, dass es ja eigentlich Sagas Geld war, das ich dafür ausgegeben hatte. Mein Taschengeld konnte ich ja im Moment und unter diesen Umständen kaum erwarten… „Ich zahl dir alles zurück“, meinte er, ehe er das Stück Pizza runterschluckte, „aber ob ich dir Geld gebe oder eher was anderes wirst du dann sehen…“ Zuerst verstand ich nicht, aber auf sein Zwinkern hin wurde ich leicht rot und schnappte mir lieber selber ein Stück, knabberte darauf herum. „Du hast heute auch noch nichts gegessen, oder?“, fragte ich grinsend, als Reita bereits bei dem dritten Stück Pizza war. "Nein, aber das hier ist ja sowieso nur die Vorspeise", meinte er grinsend, schaute mich allerdings auch ziemlich vielsagend an. Warum schaffte er es eigentlich immer wieder, mich verlegen zu machen...? "Ich wäre dann soweit", hörte ich Saga sagen, der plötzlich hinter mir stand und Tora angrinste, der auch gleich aufstand und ihn mit einer innigen Umarmung begrüßte. Natürlich, die hatten sich auch überhaupt nicht ineinander verkuckt...! Wenn einer von denen es leugnete, das wusste ich einfach, so würde es ihm wohl kein Mensch der Welt abkaufen. Etwa so hatte ich auch Reita irgendwann angeschaut, als ich ihn näher kennen gelernt hatte und ich kannte diesen Blick nur zu gut... Als ich zu Reita schielte, sah ich dessen wissenden Blick und ich war mir sicher, wir beide dachten dasselbe. "So, ich schmeiß euch beide jetzt raus", sagte Saga, als er sich ebenfalls ein Stück Pizza krallte und dann auf die Tür deutete. "Ich hab auch noch was vor und bezweifle nicht, dass ihr das auch habt!" Man vernahm ein Lachen seitens Reita, als dieser den nun allerdings leeren Pizzakarton wegstellte, da ich mir das letzte Achtel gerade noch so hatte retten können vor Reitas gierigen Fingern. Dieser stand allerdings schon auf, schnappte sich seinen Rucksack und schaute mich abwartend an. "Aufstehen, ih... wie anstrengend!", grinste ich, als ich mich dann allerdings doch bequemte und aufstand, meine Jacke nahm, sie drüber zog und auch meine bereits gepackte - ja, ich hatte schon vorher gepackt, obwohl ich so gar keine Lust dazu gehabt hatte, da mich ein Leben so ganz ohne nervende und ausrastende Mutter wirklich sehr entspannt und faul gemacht hatte - Tasche vom Sofa nahm und mich zu Reita gesellte. "Wann bist du wieder bei mir?", fragte Saga mich noch, als wir alle in den Flur gingen und er die Tür hinter uns abschloss, den Schlüssel in seiner Tasche verstaute. "Ich denke so gegen Sonntagabend", meinte ich, ehe ich Reitas Hand nahm und er mich dicht an sich zog. Wie ich dieses Gefühl doch genoss... "Gut", meinte Saga, "gehen wir noch zusammen runter und dann haun' wir ab..." Uns über Gott und die Welt unterhaltend verließen wir nun also das Gebäude und ich musste leider feststellen, dass es wirklich arschkalt draußen war. Da reichte nicht mal mehr meine Winterpelzjacke, die ich doch schon viel enger um mich ziehen musste. Leider hatte ich die weltbeste Erfindung, die zum Schutz gegen Kälte am Hals diente, dort liegen lassen, wohin ich gerade auf dem Weg war: zuhause. "Ist dir kalt?", fragte mich Reita scheinbar ziemlich überrascht, was mich allerdings nicht wunderte, denn er konnte ja kaum frieren in seiner Lederjacke und mit dem schwarzweiß karierten, dicken Tuch um seinen Hals... "Nein, wie kommst du darauf?", lachte ich, wobei mein Körper schon leicht zu zittern anfing. "Mädchen", kam es matt von Saga, woraufhin ich allerdings nur beleidigt schnaubte. Dass der mit seinen Strapsen so richtig schön frieren musste, war schon eine richtige Genugtuung...! "Viel Spaß dann heute Abend", meinte Saga grinsend, als wir die Kreuzung erreicht hatten, an der sich unsere Wege heute Abend 'leider' trennten... "Selber", grinste ich zurück, umarmte sowohl Saga, als auch Tora und wartete noch, bis auch Reita sich von den beiden Turteltauben verabschiedet hatte. Ich sah noch, als ich ihnen hinterher blickte, wie Tora einen Arm um Saga legte, da dieser ja ebenfalls ziemlich frieren musste...! "Süß", kam es belustigt von Reita, der noch immer meine Hand hielt und mich nun langsam weiterzog. "Ja ne", lachte ich, "Saga hat den ganzen Abend rumgeflucht, weil seine Haare nicht so wollten wie er. Hat sich zwei Stunden lang aufgetakelt für Tora..." Reita seufzte, schüttelte dann allerdings den Kopf. "Was is'?" "Ich hoffe bloß, dass er da mal keine Scheiße baut", sagte er mit leicht besorgter Stimme, doch da ich noch immer nicht ganz verstand, machte ich ein vielsagendes "Hä?" und schielte ihn von der Seite an, während ich mich näher an ihn drückte. Mittlerweile hatten wir den Park erreicht und liefen nun an diesem vorbei Richtung Kreuzung zu meinem Wohnblock. "Er ist n Aufreißer", stellte Reita trocken fest, "und der einzige, bei dem er sich nicht getraut hat, ist Sakito, den er aber eigentlich haben will. Deshalb ist er auch immer so scheiße zu Ni~ya, was Sakito nicht abkann. Und statt dass er sich mal bemüht Sakito irgendwie entgegen zu kommen und ihn zu unterstützen macht er ihre freundschaftliche Beziehung dadurch nur noch mehr kaputt. Und Tora wird er genauso verarschen wie alle anderen, die nächstbeste Flirtgelegenheit wird er annehmen und wenn die besser als Tora ist, lässt er den eiskalt stehen." Na, das war doch mal eine ausführliche Erklärung! Wenn ich das also richtig verstanden hatte, schnappte sich Saga jeden, den er haben konnte, um sich darüber hinwegzutrösten, dass er Sakito nicht haben konnte und ließ jeden eiskalt für jemand besseren stehen. Nett... "Weiber halt", grinste Reita, woraufhin er von mir allerdings einen Stoß mit dem Ellbogen kassierte. "Ey, was hab ich gemacht?!" Ich lachte nur, schaute ihn unschuldig an. Schließlich war er ja auch einer von denen, die mich Weib nannten...! Endlich waren wir in meiner Straße angelangt, die Lichter der Häuser waren größtenteils schon erloschen, doch in Aois Zimmer brannte wie immer Licht, auch wenn es schon ziemlich spät war. Der blieb halt immer auf bis zum Erbrechen, doch wir hatten ja auch Wochenende... "Muss kurz meinen Schlüssel suchen", merkte ich an, als ich im Laufen nach meinem Schlüssel im Rucksack kramte. Als ich ihn dann gefunden hatte, hatten wir auch schon unser Haus erreicht und ich stellte ziemlich erleichtert fest, dass nirgends ein Lichtlein brannte. Also war Mama wirklich nicht zuhause...? "Ich hoffe die verarscht mich jetzt nicht und ist schon knacken gegangen...", murmelte ich, als ich aufschloss und spürte, wie Reitas Hand sich fester um meine schloss. Anscheinend war der nicht minder nervös als ich und wollte wohl auch gern wissen, ob wir denn nun allein waren oder nicht... Als ich die Wohnung betrat, fiel mir ein kleiner weißer Zettel ins Auge, der auf der Ablage im Flur lag. Blinzelnd schaltete ich das Licht an und trat auf die Ablage zu, nahm den Zettel und las ihn mir durch. "Ich gehe davon aus, dass du auch mal wieder nach Hause kommst, während ich weg bin. Bis Montag ist das Wohnzimmer aufgeräumt oder du kannst was erleben... Mama...", las ich laut vor und hob fragend beide Augenbrauen. "Die glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich deren Dreck wegmache...?" Reita hörte ich lachen, als dieser das Licht im Wohnzimmer anschaltete und dann einen beeindruckten Laut von sich gab. Neugierig folgte ich ihm, war gespannt, was für ein Chaos mich dort erwartete und staunte ebenfalls nicht schlecht, als ich es sah. Das rote Sofa war kaum noch zu erkennen, weil lauter Pullover oder Socken darauf herumlagen, den Tisch hatte sie mit Papier, zwei überfüllten Aschenbechern, leeren und teils sogar noch halb vollen bis vollen Flaschen, Fernsehzeitungen, noch mehr Flaschen, Kronkorken, normalen Korken, Flaschenöffnern, Gläsern und einem ihrer Schlafshirts zugemüllt. Respekt... "Das sollst du aufräumen?", fragte Reita, sah etwas angewidert aus, "Ich bin ja nach jeder Party, wo die Tische auch so aussehen hinterher froh, dass ich da nicht mit aufräumen muss... Dai hat für so was ne Putze!" Etwas humorlos lachte ich auf und zog mir die Schuhe aus, stellte sie im Flur ab und zog mir die Jacke aus, hängte sie über das Treppengeländer. "Soll ich was zu Trinken mit nach oben nehmen? Wir stellen ja heute nichts Großartiges mehr an, nehme ich mal an", meinte ich, schaute Reita fragend an, der sich gerade ebenfalls die Schuhe auszog. "Nimm Wasser mit", meinte er, ich nickte und öffnete die Tür zur Küche. Und erstarrte. "BAH!" Zugemüllt von oben bis unten mit dreckigem Geschirr, Töpfen, noch mehr Geschirr und Besteck, Essensresten, einem angeschnittenen Brot und einer Gurke, Salat, Suppe, von der ich nicht wissen wollte, wie alt sie war und allem möglichen anderen Scheiß konnte ich nicht einmal mehr ansatzweise die Holzablage erkennen, die sich einmal darunter befunden haben musste... Da war man mal ein paar Tage nicht zuhause und schon erwartete einen so was! Gut, dass sie nicht auf den Zettel geschrieben hatte, dass ich das auch noch aufräumen musste. Obwohl mir ein Großteil davon deshalb trotzdem nicht erspart blieb, denn Reita und ich waren auch nur Menschen und mussten irgendwann mal irgendwas Nahrhaftes zu uns nehmen... "Willst du mir dabei helfen?", fragte ich Reita mit bettelnder Stimme, woraufhin der nur lachte und vortrat, um sich einige der Reste zu beschauen. "Ein, zwei Tage noch und das Zeug entsorgt sich von selber...", meinte er trocken, hob einen abgekauten Hähnchenschenkel hoch und ließ ihn angewidert wieder auf den Teller zurückfallen. Da hatte er ja so was von Recht! "Wenn ich bedenke, dass von all dem Platz, der hier mal existiert hat, lediglich die Herdplatten übrig sind, könnt ich weinen..." Auch ich trat auf die Küchenablage zu und öffnete dann die Spülmaschine, die natürlich gähnende Leere aufwies. "Da war aber jemand faul", hörte ich Reita belustigt sagen, sah aus den Augenwinkeln, wie er den Kühlschrank öffnete. "Deine Mutter ernährt sich von Diätkost und Toastbrot", stellte er fest, ehe er die Schranktür daneben öffnete und ein Haufen Tüten, Pakete, Dosen und Verpackungen flogen ihm entgegen, sodass ich einen Lachkrampf nicht vermeiden konnte. Gott, sah das witzig aus! Er kämpfte gerade mit einer Tüte Glasnudeln, die ihm auf den Kopf gefallen war und bemühte sich, das alles irgendwo im Schrank oder auf der Ablage wieder unterzubringen, wobei letzteres eigentlich vor lauter Tassen und Geschirr ein Ding der Unmöglichkeit war. Ich wollte kotzen...! "Gut, hätten wir geklärt, wovon WIR uns an diesem Wochenende ernähren werden", lachte er, schloss die Schranktür wieder, nachdem er es aufgegeben hatte, das ganze Zeugs wieder irgendwo verstauen zu wollen, wo sowieso kein Platz mehr war... "Sex in der Küche fällt schon mal flach..." Und ich musste wohl gerade einen ziemlich lustigen Gesichtsausdruck aufgesetzt haben, denn scheinbar waren nicht nur meine Gesichtszüge entgleist, nein, ich musste dabei anscheinend auch noch urkomisch aussehen! Dieser blöde Sack...! "Das war n Scherz", grinste er, kam auf mich zu und legte beide Arme um meine Hüfte, zwickte mir verspielt in den Hintern. "Ich finde dich doof", meinte ich daraufhin nur staubtrocken, als würde mich dieser Kommentar ja so was von kalt lassen, doch innerlich wusste ich ja, dass es anders war und mein Herz raste gerade wie wild... "Also ich nicht", grinste er, beugte sich vor und küsste mich kurz, ehe er wieder von mir abließ und sich erneut dem Chaos zuwandte. "Da ich Hunger habe, schlage ich vor, dass wir erstmal wenigstens n bisschen von dem Scheiß hier wegräumen... Also mach ich nen Topf sauber und du suchst nach brauchbarem Geschirr, damit ich mir Fertignudeln machen kann!" "Gott, bist du verfressen", grinste ich, als ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer machte und dort nach einer Schüssel im Schrank wühlte, sogar noch fündig wurde. Exakt drei Stück hatte meine Alte übrig gelassen und noch nicht total verdreckt in der Küche rumstehen lassen. Die lebte auch bis aufs Limit... Als ich in die Küche zurückkam, stand Reita am Waschbecken und versuchte die scheinbar angebrannte Soße aus dem Topf zu kratzen, was ihm nach einigen Flüchen und mehreren Versuchen mit dem Borstenschwamm und viel Spülmittel auch gelang. "Weißt du, dass es wirklich urkomisch aussieht, wenn ein Typ in Bomberjacke und zerrissenen Hosen vorm Waschbecken steht und Töpfe sauber schrubbt?", lachte ich, als ich die Schüssel in eine freie Lücke zwischen all dem anderen Geschirr hinstellte und mich auf dem Barhocker niederließ. Daraufhin drehte sich Reita mit einem Deathglare in den Augen um, der sich gewaschen hatte und murrte etwas Unverständliches, ehe er sich wieder hingebungsvoll dem Topf widmete, in den er nun Wasser einfüllte und auf eine der Herdplatten stellte. "Dass ihr auch nich' so was wie nen Wasserkocher habt...", stellte er trocken fest, woraufhin ich lachen musste. "Tja, so was besitzt ein armer Haushalt wie dieser nicht, aber du hättest eh nicht erwarten können, dass der sauber ist, wenn man sich die Sauerei hier ankuckt..." Eine halbe Stunde später räumte er die leer gegessene Schüssel zu den vielen, vielen anderen auf der Küchenablage, deutete irgendwas an von wegen er würde mir irgendwann helfen die Scheiße wegzuräumen und zu spülen, ehe wir uns auf den Weg nach oben in mein Zimmer machten. "Wow, sie hat es noch nicht ausgeräumt oder völlig demoliert", stellte ich fest, als ich es betrat und glücklicherweise auch noch im selben Zustand wieder fand, wie ich es vor knapp einer Woche hinterlassen hatte. Reita schmiss sich gleich entspannt und sattgegessen auf mein Bett, schob die paar Klamotten, die darauf lagen - unter anderem eine schwarze Hotpants mit der Aufschrift 'Sex me good', die er noch kurz hochhielt und demonstrativ grinste - beiseite und machte sich breit. "Fühl dich wie zuhause", sagte ich matt, stellte die Flasche Wasser neben das Bett und ließ mich ebenfalls darauf nieder. Aus Gewohnheit schaltete ich den Fernseher ein, der für eine vertraute Geräuschkulisse sorgte und achtete dabei allerdings gar nicht wirklich auf die Musiktitel, die auf dem Sender liefen, den ich zuletzt eingeschaltet gehabt hatte. "Du kuckst Musiksender?", fragte Reita überrascht, als er sich etwas aufrichtete und in Richtung der Flimmerkiste schaute, sein Blick dann zu mir wanderte. "Nur für die Geräuschkulisse", meinte ich, "ich hasse es, wenn es still in meinem Zimmer ist..." "Fühlst dich allein gelassen?", scherzte er, setzte sich auf und verrenkte die Beine zu einem Schneidersitz, stemmte die Arme aufs Bett und lehnte sich leicht nach hinten. Sehr witzig! "Jetzt gerade nicht", grinste ich zurück und streckte frech die Zunge raus, als ich sein stolzes Grinsen auf seinen Zügen entdeckte. Und gleich darauf entfloh mir ein tiefes, herzhaftes Gähnen. "Müde?" Ich zuckte mit den Schultern, zog mir dann einfach mein Shirt aus und warf es auf den Stuhl in meinem Zimmer, der seitdem ich das letzte Mal aufgeräumt hatte einen nicht minder großen Kleiderhaufen aufwies und schubste ihn etwas zur Seite, da mein Schlafshirt sich unter meiner Decke befand und er darauf saß. "Frag das nächste Mal doch, dann assistiere ich beim Ausziehen", spaßte er und grinste pervers, woraufhin ich nur sein Grinsen erwidern konnte. "Du Sau", meinte ich, beugte mich meinerseits über ihn, da es sich gerade in seiner liegenden Position recht gut anbot und legte meine Lippen sanft auf seine. Natürlich erwiderte er den Kuss sofort, legte eine Hand in meinen Nacken und zog mich näher, zögerte nicht lang und verlangte um Einlass. Na, da hatte es ja einer eilig, grinste ich in mich hinein und öffnete meinen Mund einen Spalt, um seiner Zunge mit meiner entgegen zu kommen und etwas mit ihr zu spielen, bevor ich mich dann kackfrech wieder von ihm löste und mir mein Schlafshirt anzog. "Nein, bleib so", sagte er allerdings schnell und hatte sich aufgesetzt, hielt meine Arme fest und nahm mir das Shirt aus der Hand, warf es achtlos auf den Boden, "der Anblick gefällt mir viel besser!" Grinsend schüttelte ich den Kopf und löste mich aus seinem Griff, stand auf, um mich auf den Weg ins Bad zu machen. "Ey, haust du jetzt einfach ab oder wie?", empörte er sich, schaute mir hinterher. Noch immer breit grinsend wandte ich mich um, schaute zu ihm und öffnete mir provozierend die Hose. "Soll ich dich mit unter die Dusche nehmen oder was?" "Ja!" Äh... Mit dieser Antwort hatte ich jetzt eigentlich nicht gerechnet. Obwohl mir ja eigentlich hätte klar sein müssen, dass Reita als Weiber- und in meinem Falle ja auch als Männerheld so eine Antwort geben musste...! Ausrede! Ich brauchte irgendeine gute Ausrede! Oder noch besser: ich redete mich einfach superelegant heraus! Nein, noch besser! Ich wies ihn einfach superelegant wieder ab! "Hättest du wohl gern", zwinkerte ich, ehe ich mir noch schnell die Hotpants von eben schnappte und eine Schlafhose, ehe ich damit im Bad verschwand und ihn in meinem Bett zurückließ. Ich schloss die Tür hinter mir ab, seufzte und ließ mich mit dem Rücken dagegen sinken. Zwar hatte ich ja einen Moment lang ernsthaft überlegt, ob ich es nicht einfach zulassen und mit ihm duschen gehen sollte, doch eigentlich ging es mir dann doch etwas zu schnell. Gleich am ersten Abend gemeinsam nackt und wobei Rei möglicherweise auch noch schmutzige Hintergedanken hatte unter die Dusche zu hüpfen war wohl doch keine so berauschende Idee. Aber dennoch konnte ich nicht leugnen, dass ich es witzig fand, wie er so todernst mit Ja geantwortet hatte...! Und dass sich zunehmend immer mehr Glücksgefühle in mir breit machten, dass ich das ganze Wochenende mit Reita allein verbringen würde. Niemand, der uns bei irgendwas störte oder der uns ablenkte... Und ich wusste, dass wir uns ja irgendwann zwangsläufig näher kommen würden. Zwar war ich immer noch ein bisschen nervös deshalb, da ich ja noch nie mit einem Mann - und überhaupt mit irgendwem - geschlafen hatte, doch ich würde es schließlich überleben und war mir sicher, dass Reita es mir als mein Freund so angenehm wie möglich gestalten würde. Ich stieg also unter die Dusche, nachdem ich mich komplett ausgezogen hatte und begann mich einzuseifen, mir die Haare zu waschen und mich hinterher noch zu rasieren, denn es würde mir wohl unglaublich peinlich sein, wenn Reita irgendwelche Haare an meinem Körper vorfand, mit denen ich mich selbst ziemlich unwohl fühlte. Obwohl ich mir ja nichts wirklich rasieren musste außer die Achseln und den Schritt, da ich glücklicherweise mit keinerlei sonstigem Haarwuchs gesegnet war. Gut so! Nebenbei hatte ich das an Reita bis jetzt durch die Risse in seinen Hosen und auch unter der Dreiviertelhose, die er vor ein paar Tagen getragen hatte, auch noch nicht festgestellt, dass ihm sonderlich viele Haare an den Beinen wuchsen. Gut so, ich hasste menschliche Halbaffen...! Gewaschen und rasiert stieg ich also aus der Dusche, trocknete mich ab und zog mir die Schlafhose über, legte mir das Handtuch über die Schultern und ging zurück zu Reita in mein Zimmer. Der hatte mittlerweile mein Bücherregal gefunden und schaute sich einige Werke an, zwischen denen irgendwo auch meine Schulbücher herumlagen und schaute augenblicklich zu mir, als ich die Zimmertür öffnete. "Hast du den ganzen Schrott da drin auch gelesen?", fragte er skeptisch, woraufhin ich allerdings lachend den Kopf schüttelte. "Das meiste davon sind Schullektüren, die sowieso kein Schwein gelesen hat und in denen ich trotzdem immer gute Noten hatte..." Nickend wandte er sich kurz wieder dem Regal zu, ehe er aufstand und mich musterte. "Was grinst du so?", fragte ich, als ich das Handtuch von meinen Schultern nahm und mir die Haare etwas trockener rubbelte, da sie noch tropften. "Nichts..." Wieder kam er auf mich zu, stellte sich hinter mich, da ich ihm kurz den Rücken zugedreht hatte und schlang die Arme um meinen Bauch, wobei ich den weichen Stoff seines Kapuzenpullis an meiner nackten Haut spüren konnte und seufzte leise auf, als seine Lippen sich auf meine rechte Schulter senkten. "Ich bin niemand, der einen gleich am ersten gemeinsamen Abend zu zweit flachlegt", sagte er dann plötzlich leise, als hätte er meine Gedanken eben im Bad mitgehört und ich blinzelte etwas überrascht, schaute ihn über meine Schulter hinweg an und sah sein Grinsen. "Hab den Fehler schon mal gemacht und der Sex war scheiße. Außerdem ist es dein erstes Mal", beteuerte er mir noch, ehe er mich einfach aufs Bett schubste und mir folgte. "Wenn du das sagst", grinste ich, tat so, als würde mich das alles gar nicht stören und als wäre es selbstverständlich, doch innerlich war ich ihm gerade mehr als dankbar dafür, dass er nicht gleich die Hosen aufriss und mit mir pimpern wollte. Anscheinend hatte er schon weitaus mehr Ahnung als ich... Und irgendwie war mir das gerade ziemlich peinlich. Er nickte bloß grinsend, ließ sich neben mir nieder und kraulte über meinen Bauch. "Und was stellen wir noch an? Willst du schlafen?" Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es gerade mal kurz vor zwölf waren und ich zuckte mit den Schultern. "Bin zwar müde, aber schlafen kann ich eh noch nicht..." "Das liegt daran, dass ich neben dir liege", scherzte er und schnappte sich die Fernbedienung, schaltete den Fernseher aus und nahm sich eines der kleinen Kissen in meinem Bett, schmiss es gegen den Lichtschalter, sodass dieser umsprang und nur noch das fahle Straßenlicht das Zimmer sperrig erhellte. "Ich rieche den Duft von Selbstverliebtheit", scherzte ich zurück, setzte mich allerdings wieder auf. "Was machst du?" Ich zog ihn ebenfalls wieder in eine aufrechte Position, er folgte und saß nun vor mir. Und ich zögerte nicht lang, ehe ich ihm einfach seinen Pulli auszog und wegwarf, mich dann an seiner Hose zu schaffen machte. Ein überraschter Laut kam über seine Lippen, als ich seinen Gürtel öffnete und den Knopf, den Reißverschluss mit einem vielsagenden Laut herabzog und ihm deutete die Hüften zu heben. "Spielst du meine persönliche Ankleidehilfe?", hörte ich ihn belustigt fragen, woraufhin ich allerdings lachte und ihm die Hose von den Hüften zog, als er sie etwas angehoben hatte und über die Beine streifte. "Wohl eher 'Auskleidehilfe'", gab ich zurück, schmiss die Hose auf meinen Kleidersessel und zog die Decke unter mir hervor, warf sie über uns und legte mich neben ihn. Sofort zog er mich an sich und wärmte mich so, obwohl wir beide sichtlich wenig anhatten. Etwas rot war ich schon um die Nase, da er nun nicht mehr als eine Shorts trug, doch das war ich ja selber schuld und so freundete ich mich auch schnell mit dieser Vorstellung an. "Trägst du dieses Ding um deine Nase eigentlich jede Nacht?", fragte ich ihn dann, als ich nach seiner Wange tastete und das Stück Stoff unter meinen Fingern spürte. "Nur wenn ich allein bin zieh ich's aus", antwortete er mir leise, "wieso?" "Weil ich dich mal ohne das Teil sehen will..." Er lachte leise, erhob sich ein Stück und beugte sich dann über mich, rutschte ein Stück tiefer. "Was wird das, wenn's mal groß ist?", fragte ich, da merkte ich auch schon, wie er an meiner Hose nestelte und sie mir über die Hüften zog. "Ist nur fair, wenn ich deine hübsche Hotpants morgen früh auch bewundern darf", hörte ich ihn sagen und konnte seiner Stimme das Grinsen förmlich entnehmen, ehe er die Hose auf den Boden fallen ließ und es ein dumpfes Geräusch machte. Er krabbelte wieder hoch zu mir und legte sich neben mich, woraufhin ich mich gleich wieder an ihn kuschelte. "Du hast mir keine Antwort gegeben", murrte ich, spielte damit auf die Sache mit dem Nasenband an. "Du hast mir gar keine Frage gestellt sondern lediglich fallen gelassen, dass ich das Ding mal für dich ausziehen soll." "Dann halt so", gab ich zurück, konnte seinen Atem auf meinen Lippen spüren, da wir so nah beieinander lagen. Leichte Gänsehaut machte sich auf meinem Körper breit. "Da das keine Frage war muss ich dir ja auch nicht darauf antworten", hörte ich ihn murmeln, doch ich wusste, dass er schon wieder grinste und seufzte leise. Anscheinend wollte er mich hinhalten oder mir seine Nase vielleicht wegen ihrer Hässlichkeit lieber ersparen. Was glaubte er denn? Dass ich Schluss machte wegen seiner hässlichen, verpickelten Nase? "Ich zeig mich dir schon irgendwann ohne Nasenband", meinte er irgendwann, doch ehe ich antworten konnte, hatte er auch seine Lippen schon auf meine gelegt und begann einen zärtlichen Kuss, den ich nur erwidern konnte. Doch diesmal fanden unsere Zungen nicht zueinander, denn auch unsere Lippen berührten sich immer wieder nur flüchtig und ganz leicht, fast kaum spürbar. Bis er irgendwann einen der Küsse etwas intensivierte und auf meiner Unterlippe herum knabberte. "Weitermachen oder schlafen?", fragte er mich irgendwann, doch eigentlich tendierte ich mittlerweile zu letzterem, da ich doch ziemlich müde geworden war. "Solange du unter Schlafen das Augen zumachen und träumen verstehst", scherzte ich, woraufhin er mir allerdings nur murrend in die Seite piekste und mir noch einen kurzen Kuss gab. "Dann träum wenigstens von mir", meinte er, lachte leise und zog mich noch etwas näher zu sich. Ich drängte eines meiner Beine wieder zwischen seine, damit ich bequemer lag und schnurrte wohlig auf. "Aber natürlich, wie könnte ich auch anders?", murmelte ich noch, ehe ich die Augen schloss und seinen Gute-Nacht-Wunsch erwiderte. Neben ihm würde ich sicherlich wunderbar schlafen können... Wer zum Geier machte denn bitte so früh am Morgen so einen Krach? Ich mühte mich in eine aufrechte Position, öffnete die Augen und versuchte mich an die Helligkeit zu gewöhnen, die mich so plötzlich überrascht hatte. So eine Scheiße! So früh am Morgen klingelte einer irgendwie so lange, bis ich es leid war und doch aufstand, um ihm die Tür aufzumachen! Ich achtete gar nicht mehr auf Reita, der neben mir lag und scheinbar auch davon aufgewacht war, doch ich kümmerte mich nicht darum und zog mir Hose und Shirt drüber, um mich dann auf den Weg nach unten zu machen. Meine Nerven allerdings waren bereits nach der ersten Minute, nach der ich aufgewacht war, am Ende gewesen... Ich konnte zwar von der Treppe aus sehen, dass jemand vor der Tür stand, doch ich konnte diesen Jemand nicht wirklich erkennen und so musste ich ja wohl oder übel die Tür aufmachen. Wer auch immer er war, er war blond und klein. Moment... blond und klein? "Was willst du denn so früh hier?!", fauchte ich Ruki an, der mich zunächst erstmal überrascht anstarrte und dann aber den Kopf senkte. "Klingelst hier Sturm und schmeißt mich aus dem Bett! Was soll der Scheiß?" Anscheinend musste es ja wirklich wichtig sein, dass er um... halb eins vor meiner Tür stand und das obwohl wir Streit hatten! Der Zwerg ging mir mit seiner bloßen Anwesenheit auf die Nerven...! "Ich... hatte von Aoi gehört, dass du dieses Wochenende zuhause bist... endlich mal wieder..." "Und?" Woher wusste Aoi das überhaupt wieder? Spionierte er mir etwa hinterher? Hatte er mich beobachtet, als ich am Vorabend Licht in seinem Zimmer gesehen hatte? Und überhaupt: warum teilte Ruki mir mit, dass Aoi ihm das gesagt hatte? Damit machte er Aoi doch für so was wie Stalken verdächtig! Da musste doch irgendwas hinter stecken. Also was wollte Ruki hier? "Ich wollte noch mal mit dir reden..." "Ich wüsste nicht worüber." "Aber..." "Und ich wüsste auch nicht, was für einen Grund ich hätte, mich noch mit dir zu befassen!" Just in dem Moment hörte ich Reita die Treppe runterkommen, Rukis Blick wanderte von meinem Gesicht hinter mich dorthin, wo wahrscheinlich gerade Reita den Flur entlang lief und kurz darauf spürte ich, wie sich zwei Arme um mich schlangen und sich ein noch immer halbnackter Körper an meinen schmiegte. Ein Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus, als ich Ruki trocken schlucken sah und schielte kurz über meine Schulter, wo ich einen ziemlich verschlafen und irgendwie auch wütend aussehenden Reita entdeckte, der seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte und die eiskalten Hände unter mein Shirt geschoben hatte. "Seid ihr... echt zusammen?", fragte Ruki unsicher, doch mich ließ diese Frage lachen und auch Reita konnte sich ein Auflachen wohl nicht verkneifen, wie ich hörte. "Wie kommst du drauf, Zwerg?", raunte er verschlafen und ich konnte sein Gähnen hören. Na eben, wie kam er denn darauf, nachdem wir uns an der Bushaltestelle so demonstrativ geküsst hatten? Oder nachdem Reita hier halbnackt hinter mir stand und Besitz ergreifend die Arme um mich geschlungen hatte? "Sieht so aus...", murmelte Ruki zurück, schaute unangenehm berührt zur Seite. Konnte es sein, dass ich da leichte Enttäuschung in seinen Augen fand...? "Ist das n Problem für dich?", zischte ich leise, doch wohl eher, weil Reita mir gerade mit den Nägeln über den Bauch kratzte, um mich zu ärgern. "Nein, wieso?" "Dann kuck nicht so scheiße und verzieh dich wieder", meinte ich matt, lehnte mich müde an Reita und wollte die Tür gerade wieder schließen. "Aber ich will mit dir reden!", sagte er trotzig, woraufhin ich gerade etwas erwidern wollte, doch Reita kam mir zuvor. "Du kannst dich gern mit mir unterhalten", sagte Reita mit tiefer und ziemlich einschüchternd klingender Stimme, was selbst mich ein bisschen erschreckte. Und bei Ruki schien es auch endlich Wirkung zu zeigen, denn er machte einen Schritt zurück. "Hätte nicht gedacht, dass du so feige bist und dich hinter deinem Lover versteckst, damit du nicht anhören musst, was ich dir zu sagen habe", meinte er leise, ehe er sich umdrehte und sowohl meinen Vorgarten, als auch mein Sichtfeld verließ, da ich die Tür zugeschlagen hatte. "Wichser!" "Reg dich nich' auf", hauchte Reita leise, der sich von mir gelöst hatte und mich umdrehte, dann wieder zu sich zog, "du hast's nicht nötig dir von dem Zwerg anhören zu müssen wie du's besser machst", grinste er, küsste mich sanft und streichelte mir über den Rücken. Als ich mich wieder von ihm löste, grinste ich ihn breit an. "Dir auch nen guten Morgen", hauchte ich leise, bevor ich ihn noch mal küsste und ihn dann mit mir zurück nach oben zog. Dort schmiss ich mich erstmal wieder aufs Bett und er gesellte sich zu mir, setzte sich mit dem Rücken an die Wand am Bett gelehnt hin und zog mich auf seinen Schoß. "Woran denkst du?", fragte ich ihn, als er mich abwesend anschaute und mir über die Stirn und durchs Haar streichelte. Er sah in dieser Position und aus der Perspektive von ganz unten unglaublich süß aus, wie ich fand. Am liebsten würde ich ihn nie wieder gehen lassen, wollte gar nicht an den Montag denken, an dem ich ihn wieder verabschieden musste... "An Kippen und ne Flasche Bier", meinte er matt, woraufhin ich allerdings nur beleidigt schnaubte und ihm frech in die mit einem Band bedeckte Nase kniff. Er lachte und nahm meine Hand, biss mir in den Finger, sodass ich aufquietschte und versuchte ihn mit meiner anderen Hand zu befreien, die er sich allerdings auch schon geschnappt hatte. "Ey, du Arsch, lass lo...", doch weiter kam ich nicht, als er meinen Finger auch schon in den Mund genommen hatte und ich seine Zunge daran spüren konnte, wie sie an ihm entlang fuhr und schaute ihm dabei unentwegt in die braunen Augen, die fest auf meine gerichtet waren. Trocken schluckte ich, als er meinen Finger wieder entließ und aufreizend daran entlang leckte, ein kaum sichtbares Grinsen auf den Lippen. "Was hast du grad gesagt?", fragte er neckend, als er meine Hände losließ und mich anschaute, als wäre nie was gewesen. Ich allerdings starrte ihn nur weiter fasziniert an, wusste nicht, ob ich nun lachen sollte oder doch eher heulen. Er machte mich einerseits so verdammt heiß und zeigte mir so überdeutlich, dass er mich wollte, doch auf der anderen Seite ließ es Zweifel in mir aufkommen. Kurz hatte ich wirklich darüber nachgedacht, ob er nicht doch mit mir spielte und mich nur für diese eine Nacht wollte, in der er mich entjungfern würde. Und ob ich heulen sollte, weil mir das alles noch immer irgendwie unangenehm war. Na ja, vielleicht musste ich auch einfach nur meine Hemmungen über Bord werfen... "Nichts...", lautete meine geistreiche Antwort, auf die er nur hin lachen konnte und strubbelte mir durch die ohnehin schon verwüsteten Haare. "Hey!" "Lass aufräumen anfangen, sonst werden wir nie fertig..." Rei hatte ja so was von Recht. Wahrlich hatten wir noch ziemlich viel zu tun, wie es aussah, denn das, was aufzuräumen war, war wirklich nicht wenig. Zwar hatte ich nicht aufbekommen die Küche auch aufzuräumen, aber um hier zu überleben musste man wenigstens ein bisschen von dem Chaos beseitigen. Trotzdem wurmte es mich, dass Reita mir helfen wollte. Immerhin war er jetzt schon mal hier und ich hatte ihn ein ganzes Wochenende für mich allein und da mussten wir aufräumen. Das war wirklich nicht besonders eindrucksvoll, im Gegenteil, es war mir sogar ziemlich peinlich... "Du musst mir nicht helfen, wenn du nicht willst", meinte ich deshalb, als wir in der Küche standen und Reita dort das dreckige Geschirr zu stapeln begann. "Red keinen Schwachsinn", meinte der daraufhin, was mich seufzen ließ, "ich will hier immerhin auch essen!" Und da war es wieder. Wie peinlich...! "Sorry, dass ich so n Schwein als Mutter hab, ich hätte vielleicht vorher mal aufräumen sollen", meinte ich matt, wollte gar nicht daran denken, wie viel Leben bereits in diese Essensreste gekehrt war, die ich in den noch halb leeren Mülleimer warf und das mit einem mehr als angewiderten Gesichtsausdruck. "Schon gut", hörte ich ihn sagen, als er begann das frei geräumte Waschbecken mit Wasser zu füllen und das Grobe zu spülen, was nicht in die Spülmaschine passte - die ja sowieso bereits überfüllt war... Und während ich so abtrocknete und dreckige Handtücher ausmistete, wunderte ich mich, worüber man bei solch einfachen und völlig andersartigen Aktivitäten über Dinge wie Sex nachzudenken. Warum dachte ich beim Teller abwischen über Sex mit Reita nach? Wahrscheinlich weil ich nicht wusste, wie es sein würde. Ich hatte ja auch noch nie Sex mit einem Kerl gehabt. Umso besser, dass es Reita war, der der erste sein würde. Obwohl ich ja nicht wusste, ob ich mich nicht doch zu dämlich anstellte dabei... Hoffentlich nicht! "Voll in Gedanken?", holte mich Rei zurück in die Realität und ich musste schmunzeln, als ich dessen Stimme auch endlich mal registriert hatte. Blinzelnd schielte ich zu ihm, als ich gerade begann den Rest des Geschirrs und so weiter in die Spülmaschine zu räumen. Das war wirklich der reinste Saustall... "Ja, ich denke über die Überlebenskünste meiner Mutter nach", meinte ich matt, freute mich nebenbei, dass man endlich wieder etwas von der Küchenablage sehen konnte. Holz! Holz, Lack und... Dreck...! "Dass hier noch nicht die Maden eingefallen sind..." "Kommt noch", hörte ich Reita lachen, was ich mir daraufhin allerdings verkniff. Denn die Vorstellung machte mich wirklich Appetitlos. "Sorry, hab ich dir den Hunger verdorben?", fragte er, als er in mein angewidertes Gesicht schaute und ich kräuselte die Lippen leicht, nickte kurz und grinste dabei leicht. Ha, ich hatte es endlich mal geschafft, dass er sich verarscht fühlte! "Ich fütter’ dich auch", grinste er, "hast du schon mal Quark gegessen?" Meine schmalen Augenbrauen zogen sich zusammen, als ich ihn anschaute und nickte. "Natürlich hab ich das, wieso?" "Hast du schon mal zu zweit Quark gegessen?" Na gut, das jetzt weniger... Breit fing ich zu grinsen an und schüttelte den Kopf, um meine Antwort auszudrücken. Er schien die Sache ja doch recht belustigend zu finden, wie mir schien. Kurz legte er das Handtuch zur Seite, drehte sich zum Kühlschrank um und öffnete diesen, um ein wenig darin rumzuwühlen. Murrte anschließend, da wir anscheinend keinen Quark mehr hatten. Das hätte ich ihm auch vorher sagen können... "Oh gut, Vanillepudding geht auch", meinte er, nahm den Becher heraus und schaute sich ihn an. "Der ist ja sogar noch länger als bis vorletzte Woche haltbar! N Fortschritt wenn man bedenkt, dass die Salami wirklich arm aussieht..." "Ih, schmeiß die Packung weg, das is' ja ekelhaft!", quietschte ich, woraufhin er in Gelächter ausbrach und die Packung sofort mal in die Tonne schmiss. Warum hatte meine Mutter solche Sachen überhaupt noch im Kühlschrank?! Obwohl sie ja vielleicht damit an einer Lebensmittelvergiftung starb... schön! "Nachher träumste noch davon", grinste Reita, der wieder auf mich zukam und die Hände an meine Hüften legte, mit dem Daumen über den dünnen Stoff meiner Trainingshose strich. "Mh, ich bin mir sicher du wirst mir heute Nacht den Schlaf sowieso rauben", lachte ich, woraufhin er allerdings nur ein Schnauben von sich gab. "Woher willst du das wissen? Vielleicht hab ich auch gar keine Lust dich zu nerven bis du genervt von mir bist!" Innerlich fiel ich gerade aus dem Stehen heraus seitwärts um. Ich war mir sicher, er tat einfach nur so blöd... "Wie du meinst", murrte ich, wollte mich schon von ihm lösen, doch er zog mich wieder zurück zu sich, sodass zwischen uns kaum noch eine Hand passte... "Vielleicht hab ich mehr Lust auf was ganz anderes? Zum Beispiel Vanillepudding mit dir essen?", hauchte er leise, was mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Gott, wie konnte man nur so erotisch sprechen? "Und darin gibst du mir doch sicher gleich schon nen Vorgeschmack", schlug ich vor, hob die Arme und legte sie um seinen Nacken, zog ihn so nur noch näher zu mir, sodass ich ungehindert nach seinen Lippen schnappen konnte. Die er mir allerdings entzog, bevor ich sie überhaupt berührt hatte. "Und nur weil du das willst muss ich das machen?", fragte er, worauf ich allerdings schon ne gute, sehr gute Antwort parat hatte...! Ja wohl! "Weil ich Hunger hab...!" So! "Weil du...", wiederholte er, bevor er den Satz überhaupt verstand und laut loslachte, sich gegen mich sinken ließ und die Arme um mich legte. "Hey, was lachst du bitte jetzt?!" Er bekam sich ja kaum noch ein! Ich fühlte, wie er eine Hand auf meinen Bauch legte und darüber streichelte, ehe er sich etwas von mir löste und einen kurzen Kuss gab. "Baby, du kriegst gleich was zu essen, aber vorher sollten wir das mit dem Saustall hier mal auf die Reihe kriegen, meinst du nicht?" "Frühsport... ich hab ihn schon immer gehasst", meinte ich matt, woraufhin er wieder lachte und ich ihn dann einfach kurzerhand mit einem Kuss zum Schweigen brachte, den er natürlich erwiderte. Als er sich löste zwickte er mir verspielt in den Bauch, ehe er herumwirbelte und - es kam mir zumindest so vor - einen Tick schneller aufzuräumen anfing. Kurz schmunzelte ich, bis ich es ihm dann auch gleichtat und einen Zahn zulegte, um schneller fertig zu werden und... Vanillepudding zu essen. "Lass noch schnell n bisschen was von den Essensresten wegschmeißen und den Rest spülen wir, wenn der Spüler fertig ist", meinte er, als er den Mülleimer aufschob und noch ein paar alte Bohnen und Reis hinein kippte. Bloß weg mit dem Maden anziehenden Zeug...! Und endlich hatten wir das grobe Chaos beseitigt, ich sah noch, wie Reita den Pudding aus dem Kühlschrank kramte und einen Löffel aus der Schublade nahm, als ich zur Tür raus nach oben in mein Zimmer verschwand und ihn mir folgen ließ. "Frühstück im Bett hatte ich seit meinem 18. Geburtstag nicht mehr", grinste ich, woraufhin mir einfiel, dass ich ja nächste Woche schon Geburtstag hatte! Gott, 19 junge, stolze Jahre würde ich werden und wahrscheinlich würde es meine Mutter unter den gegebenen Umständen sogar vergessen...! Aber gut, immerhin hatte ich viele neue Freunde und die würden sicherlich dran denken - hoffte ich zumindest. "Wird ja auch wieder Zeit", meinte er, "meintest du nicht du hast demnächst wieder? Wann genau?" "Nächste Woche Mittwoch...", meinte ich knapp, wollte ja eigentlich nicht wirklich darüber nachdenken, da ich erstens nur noch ein Jahr älter wurde und noch immer nicht mal volljährig, zweitens nie wirklich wusste, wie ich mich verhalten sollte, wenn mir jemand zum Geburtstag gratulierte und es mir drittens verdammt noch mal peinlich war, dass ich keine eigene Fete schmeißen konnte, sondern Dais Haus missbrauchen musste...! Und wahrscheinlich wusste der noch nicht mal was davon! "Gut", sagte er, kniff mir verspielt in den Hintern, da ich vor ihm auf der Treppe lief und ich beschwerte mich mit einem murrenden Laut. Und wie ich feststellen musste, sah mein Zimmer schauderhaft aus. Ich hatte ja noch immer nicht aufgeräumt! Das war ja zum austicken...! Das ganze Haus eine reinste Müllhalde... Peinlich! "Ist ja noch dunkel hier drin", meinte ich eher zu mir selber und wollte schon die Jalousien hochziehen, als er mich am Hosenbund festhielt und den Kopf schüttelte. "Wir haben den ganzen Samstag Zeit, Baby. Die können noch unten bleiben", grinste er, woraufhin mir eine dezente Röte ins Gesicht stieg, dann aber grinsen musste. Er zog mich noch immer am Hosenbund zu sich und legte seine Lippen wieder auf meine, woraufhin ich die Augen schloss und leise seufzte. Allerdings hielt er es ja nicht für nötig mich länger als fünf Sekunden zu küssen, da er sich schon wieder löste und mich angrinste, sich aufs Bett schmiss und den Pudding aufmachte. "Wenn du auch was willst würd’ ich mich beeilen, ich steh auf Vanille", meinte er, tauchte den Löffel in die cremefarbene Masse und leckte diese dann genüsslich ab. Irgendwie kam mir grad was ganz blödes in den Sinn. War es normal, dass man sich vorstellte sein Geschlechtsteil wäre ein Löffel...? "Argh!" Und auf diesen Laut hin schaute mich Reita kurz komisch an, ehe er zu lachen anfing. "Ich will ja gar nicht wissen, was du wieder denkst", säuselte er und deutete mit einem Fingerzeig, dass ich mich endlich zu ihm bequemen sollte. Kurz lachte ich auf, ehe ich mich dann wirklich zu ihm bequemte. Na wunderbar, was dachte der jetzt von mir? Am Ende kam er noch auf die Idee mich am frühen Morgen um zwei Uhr flachzulegen...! Das kam ja gar nicht in Frage... darauf musste ich mich vorbereiten... Scheiße, ich wurde nervös. Doch davon ließ ich mir einfach mal nichts anmerken und krabbelte auf ihn zu, setzte mich neben ihn und lehnte mich an die Wand hinter mir, wartete, was er wohl vorhatte. "Mh, krieg ich jetzt Frühstück?", grinste ich, als er etwas Pudding auf den Löffel tat und ihn am Becher abwischte, damit auch nichts daneben ging. "Du weißt ja gar nicht, wie süß so n Frühstück am Morgen schmecken kann", bekam ich als Antwort, hielt mir dann den Löffel vor den Mund und ich wollte den Pudding darauf gerade in Beschlag nehmen, als er ihn auch schon wieder frech wegzog. "Jetzt sei doch nicht so gierig", tadelte er mich, woraufhin ich mal wieder einen Schmollmund machte. Und was er dann machte sah mehr als sexy aus - besonders mit den leicht verstrubbelten Haaren, die ihm ins Gesicht fielen! Langsam führte er den Löffel zu seinen Lippen, ließ seine Zunge hervorschnellen und leckte genüsslich den Pudding ab, demonstrierte mir, wie gut so ein Pudding schmecken konnte und stellte wohl eine völlig neue Definition für das Wort 'genießen' auf... Und erst nachdem ich mir den Sabber vom Mundwinkel lecken musste grinste er und nahm den Löffel nun doch in den Mund, schluckte den Pudding runter. "Was kuckst n so?" Etwas ungläubig schaute ich ihn an, woraufhin er lachte und neuen Pudding auf den Löffel schaufelte. "Du hast auch nie gelernt zu teilen, oder?", sagte ich gespielt beleidigt, woraufhin er grinste. "Ich teil gleich was ganz anderes, wenn du nicht brav bist", raunte er dann, woraufhin ich nur noch nervöser wurde. Gott, dass er auch immer gleich so ehrlich sein musste! Ich schluckte, als er mir den Löffel wieder hinhielt und diesmal wohl keine Anstalten machte, ihn wieder wegzuziehen. Na wenigstens bekam ich meinen Pudding, aber ohne eine kleine Show würde er das Spielchen wohl schnell langweilig finden... Also beugte ich mich leicht vor, leckte mit der Zunge den Pudding weg, der herunterzufallen drohte und spürte, wie er den Löffel etwas zu neigen begann, sodass ich besser 'sauberlecken' konnte. Was ich natürlich auch tat und amüsiert beobachtete, wie er mir gebannt dabei zuschaute. Grinsend suchte ich seinen Blick, als der Löffel sauber war und er erwiderte ihn kurz, ehe er auch schon einen neuen Löffel voll Pudding füllte und diesmal etwas weniger darauf tat, ihn erneut zu meinen Lippen führte, doch allerdings wieder wegzog, als ich danach schnappen wollte. Er stellte den Becher beiseite auf die Ablage an meinem Bett, die wohl als einziges in diesem Zimmer aufgeräumt - beziehungsweise leer geräumt war - und hatte somit die zweite Hand frei. "Vom Löffel zu essen kann auf Dauer langweilig werden", hauchte er leise, führte die freie Hand zu meinem Kinn und hob es etwas an, öffnete mit dem Daumen meine Lippen einen Spalt und ich verstand, was er vorhatte. Ich ließ ihn die süße Masse auf meinen Lippen verteilen, sah noch, wie er den Löffel ebenfalls auf die Ablage legte und er beugte sich zu mir, leckte quälend langsam die schon herablaufende helle Masse von meinen Lippen. Mittlerweile hatte ein bisschen davon mein Kinn erreicht, ich seufzte deshalb leise und wohlig auf, da es doch ein ziemlich komisches Gefühl war - 'n bisschen wie sabbern! Meine Hände hatte ich an seiner Hüfte und auf seinem Oberschenkel platziert, da er gerade so günstig saß und wartete sehnsüchtig darauf, dass er mich wieder von der verlaufenden Masse säuberte. Seine Lippen legten sich an mein Kinn, er küsste sich langsam die Puddingspur entlang herauf bis zu meinen Lippen, wo noch Reste übrig waren, die er allerdings mit einem süßen Kuss entfernte, den ich nur zu gern erwiderte. Stetig bewegten sich unsere Lippen gegeneinander, unsere Zungen trafen ab und an zusammen und umspielten einander langsam. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie meine Hand seinen Oberschenkel zu streicheln begonnen hatte und ließ sie einfach weitermachen. Doch so schön der Kuss auch war, löste er ihn wieder und ich konnte hören, wie er nach dem Löffel griff. Ich traute mich gar nicht etwas zu sagen oder überhaupt zu atmen, da ich zu gebannt davon war, was er hier gerade mit mir machte. Mein Atem war schwerer geworden, wie ich feststellte. Ehe ich mich versah, leckte er erneut lasziv an einem Löffel voll Pudding, mir dabei auffordernd in die Augen schauend. Grinsend beugte ich mich zu ihm und ließ meine Zunge zwischen den Lippen hervorschnellen, um ebenfalls etwas vom süßen Geschmack abzubekommen und vermied dabei nicht großartig seine Zunge mit meiner zu berühren - nicht unabsichtlich natürlich, aber ich tat einfach so, als wäre es nur 'aus Versehen'. Kaum hatte er mich durchschaut, zog er den Löffel weg und wir setzten unser Zungenspiel einfach fort, ich genoss den süßen Geschmack von Vanille, vermischt mit Reitas ganz eigenem. "Hättest nicht gedacht, dass man auch so Pudding essen kann, ne?", grinste er nah an meinen Lippen, die er daraufhin wieder kurz in Beschlag nahm und sie gleich darauf wieder freigab für einen neuen Löffel. Ich grinste kurz und ließ mich erneut von ihm füttern, leckte aufreizend das kühle Metall ab und entfernte etwas Pudding, der an meiner Oberlippe hängen geblieben war mit der Zunge, die er aufmerksam zu verfolgen schien. Gott, wie konnte ein einzelner Mensch mich so scharf machen? Natürlich hatte sich da noch nichts bemerkbar gemacht, was mich unangenehm auffallen lassen konnte, doch trotzdem war das Kribbeln im Bauch stärker denn je. Das schaffte wirklich nur Reita... Wieder tauchte er den Löffel in den Becher und führte ihn diesmal zu seinen Lippen, ließ den Pudding hinter seinen Lippen verschwinden und zog mich dann zu sich, um mir durch einen weiteren süßen Kuss an dem Geschmack teilhaben zu lassen. Leise keuchte ich auf, als ich seine noch immer freie Hand an meinem Hintern spüren konnte, da ich leicht zur Seite gebeugt auf dem Bett saß und spannte die dortigen Muskeln etwas an, als er leicht über den Stoff meiner Hose kratzte und mich näher zu sich zog. Da sein Bein allerdings über meinem lag und ich quasi seitlich zwischen seinen saß, drückte er sein Knie so gegen meinen Schritt und das war - sofern er nicht beabsichtigte mich rattig zu machen und mich auf der Stelle hier und jetzt flachzulegen - die völlig falsche Idee. Meine Hand krallte sich unbeabsichtigt ein bisschen fester in seinen Oberschenkel, woraufhin er sein Bein allerdings frech wieder etwas zurückzog. "Willst du mich ärgern?", fragte ich leise gegen seine Lippen, biss mir auf die selbige und suchte seinen Blick. Als ich ihn fand, konnte ich sehen, dass er grinste. "Wenn du das so nennen willst muss ich dich enttäuschen, das setz' ich lieber später fort", kam es zurück, woraufhin sich doch ziemliche Erleichterung in mir breit machte. Eigentlich wollte ich nicht wirklich direkt am frühen Nachmittag mit ihm schlafen. Natürlich wusste ich, dass es heute passieren würde und daher wohl auch dieses Gefühl in der Magengegend, doch noch nicht jetzt. Er würde mir wohl Zeit lassen, die ich auch nutzen wollte, um einerseits die Vorfreude zu genießen und mich andererseits auch darauf einzustellen, dass er mich wohl heute noch entjungfern würde. Wurde aber allerdings auch Zeit, wie ich selber fand, schließlich wurde ich bald schon 19... "Aber vielleicht solltest du mal duschen gehen", warf er noch ein, machte mich somit auf meine etwas enger gewordene Hose aufmerksam, die eine leichte Beule aufwies. Nein, wie peinlich! Das ganze hatte mich wohl doch mehr erregt, als ich gedacht hatte...! "Wäre ne Option", antwortete ich ihm und schnappte mir dreist den Löffel aus seiner Hand, tat etwas Pudding darauf und vernaschte diesen noch schnell, ehe ich mir eine neue Hotpants suchte und ins Bad verschwand, wo ich mich kurz unter die nur lauwarme Dusche stellte und schnell abduschte. Als ich fertig war, stellte ich fest, dass ich keine Ahnung hatte, was ich überhaupt anziehen sollte. Also entschied ich mich dafür, einfach mal mit nichts weiter als meiner Hotpants bekleidet in mein Zimmer zurück zu gehen, wo ich im Schrank eine etwas weitere, bequeme Jeans und ein einfaches, schwarzes und enges Shirt herausholte. Und Reitas interessierter Blick blieb mir nicht verborgen. Hatte heute anscheinend Spaß daran mich mit Blicken in die Matratze zu vögeln... "Is' was?", fragte ich deshalb verspielt, als ich mir absichtlich zuerst nur das Shirt überstreifte und die Jeans erst öffnen musste, um sie anzuziehen und mir dabei recht viel Zeit ließ. "Ne, ne, mach ruhig weiter", meinte er, lehnte sich in die Kissen zurück und es schien, als habe er den Fernseher völlig vergessen, den er wohl eingeschaltet hatte, als ich im Bad gewesen war. Grinsend zog ich mir nun doch die Hose an und konnte mir einen weiteren Kommentar nicht verkneifen. "Gib's zu, du hättest es lieber, wenn ich mir die Sachen eher aus- als anziehe..." Und er nickte bloß! "War klar", kam es trocken von mir und ich legte mich wieder neben ihn ins Bett, wo ich glatt wieder hätte einschlafen können... "Und was stellen wir jetzt an?", hörte ich ihn nach einer Weile fragen, in der er mich einfach nur im Arm gehalten und gekrault hatte, woraufhin ich zu ihm aufschaute und mit den Schultern zuckte. Nicht, dass er sich jetzt langweilte...! "Komm, wir gehen n bisschen raus, Aoi oder Ruki ärgern!", schlug Reita daraufhin vor und wenn ich ehrlich zu mir war, fand ich die Vorstellung eigentlich ziemlich verlockend. Obwohl ich ja eigentlich nicht der Typ dafür war, irgendwelche Leute zu verarschen oder absichtlich aufzusuchen, um sie zu ärgern, hatte ich doch schon recht große Lust, sie mit Reita zusammen zu besuchen... "Wahrscheinlich sind die in der Stadt oder so, die machen Samstags immer was zusammen", sagte ich, schaute Reita grinsend an, der daraufhin ebenfalls die Mundwinkel nach oben zog, mir einen Kuss gab und dann aufstand, sich Sachen aus seinem Rucksack holte. "Willst du gar nicht so gehen?", fragte ich scherzhaft, als er sich auch seine Hose auszog, um sich eine zerrissene Jeans überzuziehen und diese gerade auseinander faltete. "Mach den Mund nicht zu weit auf, ich bring das", lachte er, woraufhin auch ich lachen musste. Tja, Reita war wirklich jemand für sich. "Lass es lieber, ist viel zu kalt", meinte ich, stand dann auch auf, um mich vor meinem Spiegel zu platzieren und mich noch ein bisschen zu schminken, denn ungeschminkt ging ich ja bekanntlich nie vor die Tür. Reita hatte sich währenddessen die Hose und ein knappes, enges Shirt und eine Weste darüber angezogen, war jetzt dabei seine Haare mit Haarspray hinten abstehen zu lassen und kämmte sie sich vorn einfach glatt, genau wie ich sie im Moment hatte - allerdings lag das daran, dass meine Haare noch nicht gekämmt waren und nur abstanden, weil sie verstrubbelt waren. Also kämmte ich sie mir schnell durch, nahm mein eigenes Haarspray und ließ sie etwas strähnig abstehen, kämmte sie mir vorn ebenfalls glatt und ließ nur die blondierten Strähnen durch ein bisschen auftoupieren etwas hervorstehen. "Machst du dich eigentlich immer so schön, wenn du raus gehst?", hörte ich ihn fragen und stellte fest, dass er schon längst fertig war und mir belustigt dabei zuschaute, wie ich an meinen Haaren herumzupfte. "Ich hasse es, wenn ich scheiße aussehe und es auch noch der Welt präsentieren soll", gab ich zur Antwort, erhob mich, um mir über das schwarze Shirt noch eine der Westen anzuziehen, die ich mir mit Saga in diesem einen Laden gekauft hatte und eine andere, etwas engere Hose rauszusuchen, die wohl etwas tiefer saß, als Reita erwartet hatte, denn er starrte sie aufmerksam und scheinbar sehr interessiert an. "Was ist denn?", fragte ich deshalb nur unschuldig, als ich mir einen Gürtel darüber zog und ihn befestigte, der nicht mal bis zu meinen Hüftknochen reichte. Gut, dass ich komplett rasiert war, sonst würde man wohl schon Ansätze meines Intimbereiches sehen. "Und du erzählst mir einen von wegen es ist kalt?" "Wenn ich ne Jacke drüber ziehe?" Erstmal fing er an zu lachen, dann stand er auf und schnappte sich seinen Rucksack, kramte dort ein bisschen rum, stellte fest, dass er Handy, Zigaretten und Geld bei hatte und schmiss ein paar Klamotten von sich raus aufs Bett. "So, Platz für Alkohol. Lass vorher noch am Kiosk rum", meinte er, woraufhin ich nur nickte. Ja, irgendwie hatte ich jetzt richtig Lust auf ein Bier oder irgendwelche Alkopops... "Hast du noch Geld hier?" "Ich glaub ich kann mit 2000 Yen dienen, mehr nicht", meinte ich bloß und schaute in meine Spardose, wo ich zwei Scheine herauszog. "1000 reichen, wenn du die mir geben willst", grinste er, ich gab ihm das Geld und er warf sich seinen Rucksack über die Schulter, ging dann Richtung Flur und verkniff es sich mal wieder nicht, mir in den Hintern zu kneifen. "Du hast nen Narren dran gefressen, oder?", fragte ich grinsend, folgte ihm und sah ihn nur erfreut nicken. Wir gingen die Treppe runter, wo wir uns Schuhe anzogen und ich schnappte mir noch einen Schlüssel, ehe wir das Haus verließen und ich direkt merkte, dass es kalt war. Gut, dass ich eine Jacke anhatte! "Wahrscheinlich sind Saga und Tora auch in der Stadt", meinte Reita, "die sind Samstags immer irgendwo und saufen..." "Umso besser", gab ich nur zurück, malte mir schon aus, wie Aoi und Ruki schauen würden, wenn wir ihnen plötzlich irgendwo begegneten und sie mich in meiner neuen Gesellschaft sahen. Sie würden mich hassen und sich über mich wundern. Genau das, was ich beabsichtigte! Sie sollten sehen, dass ich auch anders konnte! Ich war immerhin nicht mehr der eingeschüchterte, stille, brave Uruha von früher. Und es tat mir gut, dass sie mich nicht mehr hinter sich herlaufen ließen. "Vermisst du die beiden eigentlich noch?", fragte er, als er meine Hand nahm und mich an sich zog, wir die Straße entlang liefen und das Wohngebiet verließen. "Wie kommst n drauf?", fragte ich nur matt, zog eine Augenbraue hoch, denn eigentlich sollte er die Antwort doch kennen. Nein, ich vermisste sie nicht. Zumindest nicht Aoi, denn der hatte sich bisher viel zu viel geleistet. Ich durfte gar nicht daran denken, was er abgezogen hatte letztens in der Schule! Er hatte sich vor all meinen Freunden zum Affen gemacht, hatte an Respekt wohl gehörig verloren. "Keine Ahnung, heute Morgen warst du so angepisst von Ruki. Wenn man einen scheiße findet und der Stress macht, lässt man sich eigentlich nicht davon ärgern", stellte er fest und schielte mich an, doch irgendwie nervten mich seine Worte. "Warum sollte ich den vermissen?", meinte ich nur etwas zickig, denn ich tat es ja im Grunde gar nicht! Vielleicht hatte ich höchstens ein klitzekleines schlechtes Gewissen, weil ich ihn im Klo zur Sau gemacht hatte. Vielleicht hatte ich doch ein bisschen übertrieben... "Ich glaub ja der will was von dir", grinste Reita plötzlich und ich schaute ihn irritiert an. Was bitte? Ruki sollte was von mir wollen? "Verarsch mich nicht", grummelte ich, steckte die andere Hand in die Jackentasche und seufzte. "Tu ich nicht", erwiderte er und er bog ab auf die Hauptstraße Richtung Innenstadt, "ich mein ja nur. Was du mir so erzählt hast und alles. Und was ich heute Morgen mitbekommen habe..." "Der soll es wagen mich anzufassen...", meinte ich gereizt, konnte gerade mal so gar nicht damit leben, dass er scheinbar auf mich stand! Wie lange denn bitte schon? Und warum war mir das nie aufgefallen? Und warum war Reita das jetzt bitte aufgefallen?! Nein, wenn ich so darüber nachdachte, hatte er nie wirklich Andeutungen gemacht. Bis auf die letzte Zeit, wo ich nicht mehr bei ihm war. Immerhin hatte er schon zweimal angefangen zu heulen, als ich ihn dumm angemacht hatte und heute Morgen sah er wirklich irgendwie geknickt aus, als Reita mich umarmt hatte... "Wenn er sich das traut lernt er mich kennen", hörte ich Reita nur murmeln, was mich grinsen ließ. Ich fand es zu niedlich, dass er Ruki eine reinhauen wollte, wenn er mich anfasste. Er hatte ja auch mal erwähnt, dass ich Beschützerinstinkte weckte... "Du bist süß", grinste ich und drückte seine Hand kurz etwas fester, wobei wir dann endlich die Fußgängerzone der Innenstadt erreicht hatten. "Lass kurz da rein", meinte er, als er auf einen Laden direkt am Rande der Fußgängerzone deutete und den Weg dorthin einschlug, auf dem ich ihm folgte. Als er den Laden betrat, grüßte er sofort den Mann hinter der Theke - ein etwas dickerer, nein ein wirklich fetter, etwas älterer Mann und ein Ziegenbart, schwarz angezogen und Piercings im Gesicht. "Neue Perle?", grinste der Typ direkt, als er sah, dass Reita meine Hand hielt und der gleich darauf die Mundwinkel anhob. "Wenn du's so nennen willst", gab Reita zurück, "ist allerdings keine Frau, wenn du das dachtest!" "Ne, jetz' im Ernst?!", fragte er irritiert, was mich kurz grinsen ließ. Natürlich, ich hatte ja damit rechnen müssen, dass er mich für eine Frau hielt! Ich hatte mich immerhin geschminkt und die Haare gemacht. Und ich trug eine enge Hüfthose mit Pelzjacke und viel Schmuck... "Uruha", stellte Reita mich vor, lehnte sich auf die Theke und ich ließ mich ebenfalls dagegen sinken, nickte dem Mann kurz zu. Irgendwie war er ja schon ekelig, aber andererseits auch sympathisch... "Hübsch, hübsch", grinste der Typ und musterte mich kurz, "seit wann reißt n wieder Jungs auf?", fragte er dann wieder an Reita gerichtet. Der grinste wieder, deutete auf mich. "Seit ich ihn hier kenne", meinte er, was mich lachen ließ, "und ich krieg das Übliche." Der Mann nickte, drehte sich um und sprach weiter, wobei er in einem Regal kramte. "Wie lang bist'n jetz' wieder vergeben?" "Knappe zwei Wochen", antwortete Reita, was mich dann allerdings etwas irritierte. Für mich waren wir noch gar nicht so lange zusammen, so musste er wohl von der Nacht ausgehen, in der wir uns das erste Mal geküsst hatten, denn die lag etwa zwei Wochen zurück. "Zwei Wochen! Is' ja n Ding, ich dachte du wolltest erstmal wieder single bleiben?" "Dann hätte ich aber was verpasst", hörte ich Reita sagen, da ich mir gerade den Laden etwas anschaute und somit den Blick woanders hin gerichtet hatte. "Ich hätte auch nich' nein gesagt!", meinte der Typ daraufhin. Ich schon... "Ich hätt' was dagegen gehabt", grinste Reita dann und zwinkerte ihm zu, woraufhin er dem Typen einen Geldschein zuschob und dafür die Flaschen bekam. Vier Bier und zwei Flaschen Wodka Rot... "Was stellt ihr denn heut an?" "Keine Ahnung, bisschen aufmucken, Kollegen treffen...", antwortete Reita dem Typen, der gerade das Wechselgeld raussuchte und ihm zurückgab. Gleich gab Reita mir das Geld und ich schaute kurz irritiert, steckte es dann aber ein. Stimmt, ich hatte ihm ja Geld gegeben... "Geht ihr nicht raus heut' Abend?", fragte der Typ dann. Reita allerdings schüttelte den Kopf, grinste und legte einen Arm um meine Hüfte, um mich an sich zu ziehen und die Ladentür schon mal zu öffnen. "Hab' noch was Besseres vor..." "Dann ma' viel Spaß, ne... Bai!" Und wir gingen wieder heraus, mein Gesicht hatte ein gesundes Rot angenommen und ich schielte vielsagend zu Reita rüber. "Schrei es in die Welt heraus, dass du mich heute Nacht ficken willst", meinte ich matt, brachte ihn damit zum Lachen, während er die Flaschen in seinem Rucksack verstaute. "Soll ich?" "NEIN!", meinte ich gespielt empört und kniff ihm in die Seite, während wir so an einer Bank standen und er die Flaschen darauf gestellt hatte, sie nacheinander im Rucksack verschwinden ließ. Also würde es wohl heute Nacht passieren. Nervös... "Ich bin ja ruhig", grinste er, zuckte kurz weg, um meinen Fingern zu entkommen und ich dachte ja gar nicht daran aufzuhören! Als es ihm dann irgendwann reichte, hielt er meine Hände fest und zog mich nah zu sich, schaute mich gespielt böse an. "Bist du wohl brav! Sonst bin ich heute Abend nicht so nett...", hauchte er dann leise und küsste mich mitten auf der Straße fordernd, woraufhin ich nur leise aufkeuchen konnte und knallrot wurde. In der Öffentlichkeit war es ja schon so eine Sache, die meisten hier waren es aber sicherlich schon gewohnt, da es doch recht viele turtelnde Pärchen gab mit zwei männlichen Parts. Ich kannte immerhin jetzt schon drei Stück, Reita und mich eingeschlossen. Er scheute sich nicht mich mitten auf der Straße um den Verstand zu küssen, mit Zunge und Zähnen zu necken und hielt mich dabei fast schmerzlich an meinen Handgelenken fest. Dieser kleine Playboy! Als er sich von mir löste, kribbelten meine Lippen und meine Unterlippe fühlte sich irgendwie geschwollen an, da er darauf herumgeknabbert hatte. Aber kein unangenehmes Gefühl... "Ich bin brav", sagte ich unschuldig, legte den Kopf schief und brachte ihn somit zum Grinsen, als er meine Handgelenke wieder losließ und nur noch die eine Hand umfasste, sich den Rucksack über die Schulter zog. "Ich hab's eigentlich nur gemacht, um Aoi zu ärgern", gab er dann überraschenderweise von sich, ich blinzelte und schaute ihn fragend an. Aoi? Wo war der denn bitte so plötzlich aufgetaucht? "Rechts vorm Schuhladen", sagte er knapp, woraufhin ich unauffällig in selbige Richtung schaute und Aoi mit ein paar anderen und auch Ruki dort stehen sah, einige von ihnen starrten uns fassungslos an und Aoi unterhielt sich mit Ruki, wie ich erkennen konnte. "Was n Zufall", meinte ich trocken, während ich wieder neben Reita herlief und die Fußgängerzone entlang, wo wir zwangsläufig an ihnen vorbeiliefen. Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen! Deshalb zog ich meine freie Hand aus der Jackentasche, als ich sicher war, dass sowohl Aoi, als auch Ruki rüber schauten und winkte ihnen überfreundlich zu, grinste breit. Ich hörte Reita kurz auflachen, schaute allerdings nicht hin und konnte nur aus den Augenwinkeln sehen, wie er ebenfalls zu Aoi und den anderen rüber schaute. Die allerdings erwiderten meinen überaus herzlichen Händegruß nicht und zwei von ihnen drehten sich scheinbar peinlich berührt weg, die anderen unterhielten sich plötzlich angeregt und lediglich Aoi zeigte mir den Mittelfinger zum Gruß. Nur Ruki tat nichts, schaute mich einfach nur an und das mit ausdruckslosem Blick. Was sollte ich davon bitte halten? "Aoi scheint ja irgendwie was dagegen zu haben, dass ich mitten auf der Straße mit dir rumlecke", hörte ich Reita sagen und ich schaute überrascht zu ihm. "Was geht den das an?" "Der ist angepisst, weil wir's vor Rukis Nase machen", stellte er trocken fest und ließ kurz meine Hand los, um die Wodkaflasche aufzumachen, die er draußen gelassen hatte und nahm einen Schluck daraus. Ich erinnerte mich, dass Aoi mich auf dem Schulhof mal angeschrieen hatte, dass ich Ruki gefälligst aus unserem Streit raushalten sollte. Obwohl der sich ja eigentlich selber wunderbar integriert hatte, wie ich fand. Er hatte an dem Tag angefangen zu heulen und Aoi hatte ihn in Schutz genommen. Ich hatte mich ernsthaft gefragt warum, aber jetzt ging mir soweit ein Licht auf. "Soll er angepisst sein, was juckt's mich...?" Mittlerweile waren wir an ihnen vorbei, sodass ich sie nicht mehr sehen konnte. "Lass in der Nähe bleiben, Saga und so rennen bestimmt auch hier irgendwo rum. Die sind meistens am Kaufhaus hinten..." Er deutete auf das große Kaufhaus, meinte wohl die kleine Seitenstraße, wo ein paar Kartons rum standen und ein großes Lüftungsrohr angebracht war. Lustiger Ort, um zu saufen. Und da ich ja auch was haben wollte, nahm ich mir einfach die Flasche und trank ein paar kleine Schlücke, gab sie Reita wieder zurück. Irgendwie tat der Alkohol ja richtig gut, wenn ich so drüber nachdachte. Er schmeckte gut, er war kalt und wärmte zugleich meinen Hals auf. "Was hab ich gesagt?" Und tatsächlich sah ich Sakito mit Saga und zwei anderen, die ich nicht kannte, dort sitzen und schon einige leere Flaschen um sie herum. Als sie uns sahen, begannen sie lauter zu reden und riefen uns schon irgendwas zu, was ich allerdings nicht verstand. "Fresse halten, Schlampe!", rief Reita allerdings zurück, was mich ja schon irgendwie wunderte. Erstens: wen meinte er damit? Und zweitens: hatte er überhaupt irgendwas verstanden? Saga zeigte ihm sofort den Mittelfinger, woraus ich schloss, dass er Saga gemeint hatte. Und ich musste lachen, war es ja doch ein witziger Ton, den sie gegenüber einander an den Tag legten. Musste ich mich wohl dran gewöhnen. "Ich dachte ihr wollt das Wochenende über durchficken?", fragte Saga, grinste süffisant und irgendwie ging mir der Spruch gerade gewaltig gegen den Strich. Er stellte Reita ja gerade so hin als wäre er sexgeil! "Hast mich nich' verstanden? Fresse halten!", maulte Reita, ging auf ihn zu und legte ihm einen Arm um den Nacken, woraufhin Saga protestierte und sich wehren wollte, aber keine Chance gegen Reitas Klammergriff hatte und musste über sich ergehen lassen, dass mein Freund ihm die Haare verwüstete. "Fick dich, du Wichser!" Nette Worte, aber sehr lustig. Ich ignorierte ihre Rauferei einfach mal dezent und setzte mich zu Sakito, um diesen zu begrüßen. Es wunderte mich, dass Ni~ya gar nicht bei ihm war... Und noch mehr wunderte es mich, dass Sakito verlaufene Schminke hatte und ziemlich fertig aussah... War irgendwas vorgefallen? "Hey, was los?", fragte ich ihn also und hockte mich zu ihm runter, woraufhin er mich überhaupt erstmal registrierte. Scheinbar war er ziemlich voll, er schaute mich irritiert an und kniff kurz die Augen zusammen. "Uruha", stellte er fest, beugte sich vor und gab mir einen kleinen Kuss auf den Mund, was mich ja doch irgendwie überrumpelte. Diente das zur Begrüßung? "Du siehst... na ja, scheiße aus", sagte ich einfach mal ehrlich und gerade heraus, doch es erwies sich als eine ganz blöde Idee, da er plötzlich wässrige Augen bekam und anfing zu weinen. "Hey! Sorry, war doch nicht so gemeint", entschuldigte ich mich gleich und setzte mich neben ihn, zog ihn in meine Arme und er fing plötzlich hemmungslos zu weinen an, tränte mir die Jacke voll. Ich war irritiert. War es denn so schlimm, dass ich ihm ehrlich gesagt hatte, dass er heute total daneben aussah? Hatte ich ihn damit so sehr getroffen? Ich warf einen leicht verzweifelten Blick zu Saga rüber, der sich von Reita befreit hatte und hob fragend eine Augenbraue, hoffte, dass er wenigstens eine Antwort darauf wusste, warum Sakito überhaupt weinte. Hoffentlich nicht wegen mir...! "Der ist schon den ganzen Tag so drauf", bekam ich dann von Saga zu hören, "weil Ni~ya mit ihm Schluss gemacht hat." Na, wenigstens wusste ich ja jetzt, dass es nicht an mir lag. Verständlich, dass Sakito sich da betrank und den ganzen Tag nur heulte. Vorsichtig legte ich die Arme um ihn und ließ ihn weinen, wiegte ihn etwas. "Man, sorry, dass ich so taktlos war...", sagte ich reumütig und Sakito schüttelte nur den Kopf, krallte sich in meine Jacke. Wenn ich mir vorstellte, dass ich mich wohl auch so anstellen würde, wenn Reita irgendwann mit mir Schluss machte, wurde mir richtig schlecht. Ich liebte Reita schon viel zu sehr, als dass ich es zurzeit verkraften würde, wenn er Schluss machte. Aber wir waren ja erst letzte Woche... oder wenn es nach ihm ging vor zwei Wochen zusammen gekommen und von daher hoffte ich, dass es noch sehr lange dauern würde mit uns... "Geht's wieder?", fragte ich, als Sakito aufgehört hatte zu weinen und bekam ein Nicken zurück, er setzte sich wieder leicht auf, blieb aber an mich gelehnt. "Ich bin so gefickt", murmelte er unter leisem Schluchzen, "weil ich jetz' niemand'n mehr hab...! Ich will mich nich' mehr von jedem Schwanz ficken lassen, der mich geil findet... Ich will Ni~ya...!" Natürlich konnte ich ihn verstehen, scheinbar hing er sehr an seinem Freund... Ex-Freund... "Warum hat er denn Schluss gemacht?", fragte ich vorsichtig, wusste ja nicht, ob er überhaupt darüber sprechen wollte. Und ob er nicht vielleicht gleich wieder losheulte... "Weiß ich ja nich'...! Er hat mir irgendwas gesagt, aber ich hab's nich' verstanden..." Ich nickte verstehend und streichelte beruhigend über seinen Rücken, damit er sich endlich wieder etwas beruhigte. "Wann war das denn?" "Heute Morgen...", antwortete er mir und wischte sich über die Wangen, "er war ja noch mit hier, Saga war auch dabei..." Dann würde ich nachher wohl ihn fragen, warum Ni~ya Schluss gemacht hatte, Sakito hatte anscheinend alles wieder vergessen, weil er so viel gesoffen hatte. Sicherlich würde Saga einiges mehr wissen... Denn ich war ja leider so scheiße neugierig. "Is' scheiße gelaufen...", murmelte Sakito noch, ehe er sich von mir löste und sich wieder an die Wand hinter sich lehnte, seine Flasche Wodka nahm und einen großen Schluck daraus trank. Ich seufzte, streichelte ihm noch mal kurz über die Wange und robbte dann rüber zu Reita und Saga, die sich zu unterhalten schienen. Reita hatte sich eine Zigarette angezündet, ebenso wie Saga, was mich dazu veranlasste, mich nicht allzu nah zu ihnen zu setzen. Rei lächelte mir kurz zu und schüttelte den Kopf, zog wieder an seiner Zigarette. "Du kleine Diva", meinte er, hielt mir die Zigarette hin, woraufhin ich ihm allerdings nur Vögelchen zeigte und ihn zum Lachen brachte. "Warum rauchst du eigentlich nicht?", fragte mich Saga dann, warf seine aufgerauchte Zigarette weg und zupfte an seiner Hose herum, mal wieder mit Strapse, und zog die Hotpants etwas herunter, da man doch etwas zu viel von seinem schlanken Oberschenkel sah. "Weil's mir nur schadet", antwortete ich, woraufhin die beiden aber zu lachen anfingen und ich etwas beschämt grinste. Lachten die mich etwa aus? Nur, weil ich nicht rauchte, so wie sie? Nein, anfangen würde ich ganz sicher nicht, das stand fest. Rauchen war widerlich, dabei würde ich bleiben. "Ist doch dann scheiße mit nem Raucher zusammen zu sein, oder?", stellte Saga fest, doch ich hob nur eine Augenbraue und hatte gerade etwas erwidern wollen, als Reita mir schon zuvor kam. "Was soll n das heißen?", grummelte er und griff nach der Flasche Wodka, die ich ihm allerdings gleich wegnahm und für mich beanspruchte. War schließlich mein Geld und er hatte ne eigene...! "Ich mein ja nur", wehrte sich Saga, "so als Nichtraucher..." "Ich rauch doch schon weniger", meinte Reita matt, "und noch weniger krieg ich nich' hin. Ich brauch meine Kippen!" Und mit diesen Worten nahm er seine Zigarettenschachtel an sich und streichelte sie, was sowohl mich, als auch Saga erstmal zum Lachen brachte. "Vollidiot", grinste Saga. Sollte ich jetzt fragen, warum Ni~ya mit Sakito Schluss gemacht hatte? Ich drehte mich kurz um, stellte fest, dass Sakito gerade mit einem der anderen beiden redete, die ich nicht kannte und der dritte doof in der Weltgeschichte herum glotzte. "Saga", sagte ich kurz, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen und winkte ihn etwas zu mir, woraufhin er sich rüber beugte. "Warum hat Ni~ya denn Schluss gemacht?" "Ni~ya hat Schluss gemacht?", kam es irritiert von Reita, doch er wurde einfach von Saga ignoriert. Kurz schien dieser zu überlegen, warf auch einen Blick zu Sakito rüber und seufzte dann, zog seine Zigarettenschachtel hervor und zündete sich noch eine Zigarette an. "Ni~ya hat rausbekommen, dass Sakito noch immer Drogen nimmt... zumindest hat er n Päckchen Koks bei ihm gefunden. Sakito hat mal ne Zeit lang Drogen genommen früher, bis Ni~ya es ihm ausgeredet hat. Warum er's wieder gemacht hat weiß er irgendwie selber nicht, aber jetzt ist Ni~ya wohl stinksauer... war besoffen oder so, als er's genommen hat..." Und Saga erklärte irgendwas weiter, doch ich hörte eigentlich schon gar nicht mehr zu, schaute zu Reita. Der irgendwie einen warnenden Blick aufgesetzt hatte. Ich lächelte meinem Freund kurz beschwichtigend zu, ehe ich mich wieder an Saga wandte und diesem kurz dankte, dass er mir die Sache erklärt hatte. "Tja, dann ist Sakito jetzt wohl wieder single!", meinte Saga fast schon triumphierend, doch sofort wurde dieser Satz von Reita nicht gerade positiv kommentiert. "Komm jetzt bloß nicht auf blöde Gedanken, ja? Wenn du's jetzt riskierst, versaust du dir wahrscheinlich die Freundschaft mit ihm!" Da hatte Reita gar nicht mal so Unrecht, immerhin hatte mir Saga ja selbst gesagt, dass er sich die Freundschaft mit Sakito nicht dadurch versauen wollte damals, dass er nur wie einer von vielen mit Sakito im Bett gelandet wäre. Aber vielleicht hatte er auch nur die Worte Reitas wiederholt im ICQ-Gespräch? "Als wenn ich auf die Idee kommen würde", verteidigte sich Saga daraufhin und zeigte Reita Vögelchen, nahm seine Bierflasche und leerte den Rest darin. Reita allerdings betrachtete den dunkelblonden nur mit einem skeptischen und äußerst zweifelnden Blick, wand sich dann aber ab und schenkte seine Aufmerksamkeit lieber wieder mir, nachdem er seine Zigarette weggeworfen hatte. Zwar roch er jetzt nach Zigarettenrauch, aber ich versuchte einfach es zu ignorieren und er aß ja auch gleich ein Kaugummi. Kurz trank ich noch etwas aus meiner Flasche, ehe ich mich an ihn lehnte und das Gefühl des Alkohols genoss, wie er meine Kehle hinab rann und dort ein leicht brennendes, aber doch angenehmes und warmes Gefühl hinterließ. Ich schloss die Augen, da ich irgendwie immer noch leicht müde war und spürte, wie er einen Arm um mich legte, sich weiter mit Saga unterhaltend, aber ich achtete nicht weiter auf das Gespräch. "Bist du müde?", hörte ich ihn nur noch eine Frage an mich stellen, woraufhin ich nickte und nochmals aus meiner Flasche trank, allerdings diesmal etwas mehr, sodass sie nur noch knapp bis über die Hälfte gefüllt war. Seltsam, dass ich Wodka fast wie Wasser trinken konnte, wobei jedem normalen Menschen davon sicherlich schlecht würde... "Schlaf doch n bisschen", kam es von meinem Freund und ich konnte das Grinsen seiner Stimme entnehmen, doch ich schüttelte nur den Kopf. "Warum nicht? Leg dich auf meinen Schoß oder so", bot er mir an, doch dieses Angebot wollte ich eigentlich gar nicht ablehnen. Doch schlafen würde ich da sicher nicht, lieber wollte ich das Gefühl genießen, auf seinem Schoß zu liegen und von ihm gekrault zu werden, während er sich weiter mit Saga über die Schule unterhielt. "Seit wann redest du freiwillig über die Schule?", fragte ich einfach mal dazwischen, denn Reita vermied dieses Thema ja eigentlich so gut wie immer. Schon lustig, wenn er da einfach mal so aus dem Nähkästchen über seine beschissenen Noten plauderte. "Nur darüber, wie die Klasse den neuen Lehrer verarscht hat", meinte er, schaute zu mir runter und ich musste kichern, als er eine eindeutige Geste machte, die mir zeigte, dass er seinen Lehrer wohl sehr gut leiden konnte. "Gehst du Montag denn in die Schule?" Er zuckte kurz mit den Schultern. "Denke ja, war länger nicht mehr..." "Na dann..." Ab und an integrierte ich mich noch in das Gespräch mit ein, aber irgendwann waren wir irgendwie alle so betrunken und ich auch, dass ich ruhiger wurde und langsam das meiste doppelt sah. Mittlerweile wurde es auch schon dämmrig, was mir sagte, dass wir schon etwa 6 Uhr haben mussten. Ab und an kicherte ich über den ein oder anderen Kommentar von Reita oder Saga, wobei Sakito und die anderen beiden neben uns sich allein unterhielten und Sakito selbst auch wieder bessere Laune hatte. Gut so! Denn diese scheiß Laune von ihm war mir nachher schon irgendwie auf die Nerven gegangen. "Lass langsam nach Hause gehn", hörte ich Rei irgendwann sagen, doch ich hatte gerade so gar keine Lust aufzustehen! "Ja, gleich", antwortete ich lallend und drehte mich auf seinem Schoß um, sodass ich mit dem Gesicht zu seinem Bauch hin lag und schlang den freien Arm, auf dem ich nicht lag, um seine Hüften. "Aber ich kann nich' aufstehen, wenn du auf meinem Schoß liegst", brummte Rei, beugte sich etwas runter und raunte mir genau ins Ohr, "und wenn du aufstehst kommen wir schneller zurück zu dir..." Ich wollte ja gar nicht wissen, was für dreckige Gedanken er jetzt wieder hatte. Grinsend schob ich seine Jacke und seine Weste beiseite, sein Shirt ein Stück hoch und legte meine Lippen an seinen nackten Bauch, woraufhin ich einen Laut der Überraschung von ihm hörte. Süß, wie er immer wieder kurz wegzuckte mit dem Bauch, scheinbar war er dort empfindlich. Aber das hielt mich nicht ab, auch noch meine Zähne einzusetzen und ein bisschen an der Haut zu knabbern. Schmeckte nach Schokolade! Was für ein Duschgel benutzte er? "Ey, verschieb das auf zuhause", kicherte Reita wieder, als ich etwas fester in die Haut biss und drüber leckte, im Hintergrund das Lachen von Saga vernahm. "Ich will dich aber ärgern", grinste ich allerdings nur zu Reita rauf, drehte den Kopf dann allerdings wieder und biss ihm ohne nachzudenken und auch ohne zu zögern einfach in seinen Schritt, allerdings nur leicht durch den Stoff hindurch. "W-Warte...!", sagte er tatsächlich mit etwas zittriger Stimme, was mich grinsen ließ und er vergrub die Hände in meinen Haaren, zog meinen Kopf nach hinten, sodass ich ihn wieder anschauen musste. "Lass nach Hause gehn, jah?" Murrend erhob ich mich nun also von seinem Schoß und strich mir noch die Haare glatt, musste mich aber gleich wieder abstützen, weil mir schwindelig wurde. Reita hielt mich fest und zog mich hoch, setzte mich aufrecht hin, wobei er allerdings selber Mühe hatte, nicht umzufallen. "Klasse, ihr geht ficken und ich kann allein in meinem Bett penn'", hörte ich Saga sagen, doch ich ignorierte das einfach, ließ mir von Reita auf die Beine helfen und schmiegte mich an diesen. Er nahm sich noch seinen Rucksack und legte dann einen Arm um mich, verabschiedete sich noch schnell. Aber das bekam ich nur am Rande mit, sagte nur ein knappes 'Baibai' und hielt mich dann an Reitas Arm fest. "Ey, pass auf, sons' fall ich auch noch auf die Fresse...", lachte er, als ich ihn kurz mit meinem Gewicht zu sehr belastete und kicherte, musste mich kurz an der Wand des Kaufhauses anlehnen, wobei hunderte von Leuten an uns vorbeirauschten, deren Blicke ich gar nicht wirklich registrierte. Er stellte sich dicht vor mich und legte die Arme um meinen Nacken, lehnte sich an mich und leckte mir frech mit der Zunge über die Lippen, sodass ich sie einen Spalt öffnete. "Du glaubst doch nich', dass ich dich betrunken ficke...", raunte er, woraufhin ich ihn etwas irritiert anschaute. Natürlich würde er mich ficken, scheißegal, ob ich betrunken war oder nicht! Ich wollte endlich wissen, ob es wirklich so schön war! Scheißegal, ob ich jetzt besoffen war, es würde sich doch wohl genauso schön anfühlen...! "Warum nich'?", fragte ich leise, legte den Kopf schief und schaute ihn fragend an, er lachte allerdings nur. "Hinterher weißte's eh nich' mehr und schießt mich ab, weil ich... na ja, weil ich dich einfach gefickt hab!" Er lachte kurz und zog mich dann einfach weiter, ließ mich ihm irritiert folgen. Gut, würde ich mich daheim einfach ausnüchtern, indem ich schlief! "Penn' ich halt n bisschen...", meinte ich, gerade so laut, dass er es gehört hatte und mich anschaute, grinste. "Damit du ausgenüchtert bist?", fragte er, doch ich gab ihm keine Antwort, sondern nur ein zuckersüßes Lächeln. Anscheinend reichte ihm das, da er nicht weiter nachfragte und wir einfach schweigend und einander anschmachtend nebeneinander herliefen auf dem Weg nach Hause. Irgendwann, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, waren wir auch endlich zuhause angekommen und ich kramte in meinen Taschen nach dem Schlüssel, fand ihn aber nicht. "Soll ich ma'?", kam es dann von Reita, woraufhin er mir einfach die Jacke auszog, da ich in dieser schon nachgeschaut hatte. Ich ließ ihn machen, spürte daraufhin seine Hände an meinen Hosentaschen und auch an den hinteren, wo er den Schlüssel herauszog. "Danke", murmelte ich kurz, hatte doch irgendwie eine seichte Erinnerung daran, dass mir diese Situation bekannt vorkam. Ich schloss also nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen auf, befreite mich im Flur von meinen Schuhen und wollte nur noch eines: ein Bett. "Gehst du mit penn'?", fragte ich, als auch er seine Schuhe in eine Ecke des Flures warf und mir nach oben folgte, sich ebenso wie ich am Treppengeländer festhaltend und auf den Boden schauend. "Werd eh wieder wach, wenn ich nüchtern bin...", meinte er, grinste daraufhin allerdings, wie ich es seiner Stimme entnehmen konnte. Gut, heute würde ich wohl nicht mehr mit ihm schlafen, denn wenn er eines war, dann war er ehrlich und er hatte gesagt, dass er nicht mit mir schlafen würde, wenn ich betrunken war. "Ich bin gar nich' müde", meinte Reita, als er sich auszuziehen begann und ich es ihm gleichtat. "Bleib doch wach, ich muss schlafen...", meinte ich, riss mir das Shirt vom Leib und öffnete die Hose, sodass ich nur noch in Hotpants vor ihm stand und mich gleich darauf in mein Bett legte. Er zögerte nicht lang, legte sich zu mir und machte sich nicht mal mehr die Mühe sich sein Shirt auszuziehen, sodass er nur in Shorts und Shirt neben mir lag und mich gleich in seine Arme zog. "Das is' echt mies...", hörte ich ihn sagen, woraufhin ich ihn fragend anschielte, was er natürlich nicht sehen konnte, da das Licht gar nicht eingeschaltet war. Doch er würde schon verstehen. "Wenn du nich' dicht wärst würd ich dich hier und jetz' flachlegen..." "Dann mach doch...!", nörgelte ich, denn entweder sollte er es endlich tun oder mich einfach nur schlafen lassen...! Obwohl es ja eigentlich erst kurz nach 6 war... Scheißegal! "Schlafen", murmelte er, küsste kurz meinen Hals und legte seinen Arm fester um mich, ich kuschelte mich an ihn und es dauerte keine zehn Sekunden, da war ich auch schon eingeschlafen. Alkohol halt... "Es is' ja noch dunkel...", nuschelte ich leise, als ich aufwachte und diesen geistreichen Satz zu mir selbst sagte, da ich natürlich davon ausging, dass Reita noch schlief. Ich konnte unterm Türspalt kein Licht erkennen, also schloss ich daraus, dass es entweder tiefste Nacht war oder dass ich träumte. Ersteres klang irgendwie logischer... Ich versuchte mich augenblicklich an den Tag zu erinnern. Und davon wusste ich unglaublicherweise sogar noch alles, im kleinsten Detail! Reita und ich waren in die Stadt gegangen, hatten uns dort zu Saga und Sakito gesetzt, der mit Ni~ya Schluss hatte und hatten uns daraufhin betrunken, was auch der Grund dafür war, dass ich nicht mit Reita geschlafen hatte. Und jetzt stellte sich mir seltsamerweise die Frage, ob ich das nun gut oder schlecht finden sollte. Natürlich wollte ich endlich mit ihm schlafen, hoffentlich bald, denn ich war neugierig, wie es war, darum war ich ja schon irgendwie ein bisschen enttäuscht, dass es nicht heute Nacht passiert war. Immerhin schlief ich nicht jede Nacht mit Reita in einem Bett... Doch andererseits hatte ich immer noch ein bisschen Angst davor und genau in diesem Moment wurde mir klar, warum Reita nicht mit mir im betrunkenen Zustand hatte schlafen wollen. Da würde ich nicht nachdenken, ich würde ihn tun lassen, was auch immer er wollte, würde wohl danach nicht den kleinsten Schimmer haben, was genau er getan hatte und würde dann nur die Folge sehen: dass mir wohl so einiges wehtat... Immerhin schob der eine da dem anderen seinen Schwanz in den Hintern und... Gott, woran ich da bloß wieder dachte... Und als hätte Reita bemerkt, dass ich gerade über ihn nachdachte, bewegte er sich auch schon neben mir und strich mir durchs Haar. Woher wusste er, wo mein Kopf war? Und überhaupt: woher wusste er, dass ich wach war? "Wie spät ist es?", fragte ich ihn deshalb leise, bekam ein kurzes Lachen zur Antwort und dann einen kleinen Kuss auf den Mund. "Irgendwas zwischen ein und zwei Uhr... keine Ahnung...", antwortete er und ich konnte seiner Stimme entnehmen, dass auch er wieder nüchtern war. Super, ich wachte mitten in der Nacht auf, war hellwach und hatte keine Ahnung, wie spät es war, konnte nichts sehen und war auch noch enttäuscht darüber, dass mein Freund mich noch nicht gevögelt hatte! Irgendwas stimmte doch nicht mit mir... "Soll ich Licht machen?", fragte ich, woraufhin er zustimmte und verrenkte mich kurz, um die kleine rote Lampe, die sogar rotes Licht gab und die auf der Ablage hinterm Bett stand, einzuschalten. "Porno... Warum hast du so ne geile Lampe?", fragte er, ich schaute ihn an und konnte sein breites Grinsen sehen. Was ich daraufhin erwidern musste und zuckte mit den Schultern, da ich wirklich vergessen hatte, woher ich sie eigentlich hatte. Irgendein billiger Laden mit viel unsinnigem Schnickschnack... "Wann waren wir denn hier?", wollte ich wissen, richtete mich leicht auf und schaute, ob irgendwo neben meinem Bett eine Wasserflasche rum stand, wurde aber leider nicht fündig. Verdammt! "Um sechs...", kam nur eine knappe Antwort, woraufhin ich mich ernsthaft fragte, warum er eigentlich sein Shirt noch immer anhatte. Hatte er das angelassen, bevor wir schlafen gegangen waren? "Bist du schon lange wach?", stellte ich meine nächste Frage, legte mich wieder neben ihn, schaute ihn aus hellwachen Augen an. Irgendwie schaute er komisch. Ich erinnerte mich daran, dass ich diesen Blick schon mal irgendwo gesehen hatte. Und nach kurzem Überlegen fiel es mir auch wieder ein. Er hatte mich genau so angeschaut, als wir am Kaufhaus an der Mauer gelehnt hatten und er mir beteuert hatte, dass er mich betrunken nicht ficken würde. Moment... "Lang genug", gab er lediglich zurück, hatte sich mit dem Arm auf dem Bett abgestützt und den Kopf auf seinen Handrücken gebettet, den Blick starr auf mich gerichtet. Ich legte den Kopf leicht in den Nacken, blinzelte und musste augenblicklich grinsen. Irgendwie schien er gerade mit seinen Gedanken ganz wo anders zu sein, als bei meiner Frage. Wollte ich denn wissen, was er dachte? "Und jetzt?", fragte ich. Ich sah, wie er den Mund öffnete, allerdings nicht, um etwas zu sagen, sondern um sich auf die Unterlippe zu beißen und sich wieder neben mich zu legen, meinen Blick nicht aus den Augen verlierend. Ich wusste zwar nicht, was er vorhatte, aber irgendwie wusste ich, dass ich mit meiner Ahnung Recht hatte. Denn ich ahnte, dass er heute Nacht wohl wirklich vorhatte mit mir zu schlafen. Dieser Blick verriet doch alles... Oder aber meine Gedanken waren absolut absurd? Vielleicht träumte ich ja auch nur? Wahrscheinlich träumte ich nur, dass er seine Hand an meine Wange legte, sie kurz streichelte und dann mit dem Daumen über meine Lippen fuhr. Plötzlich machte sich ein starkes Kribbeln in meinem Bauch breit. Das Gefühl von Vorfreude, vermischt mit dem widerlichen Gefühl der Nervosität, das ich allerdings so bald wie möglich loswerden wollte. Gott, es war nur Sex! Es war nur mein erstes Mal, so schlimm würde es ja wohl nicht sein! Immerhin hatte Reita mir versichert, dass es weder wehtun, noch, dass es mir nicht gefallen würde. Wovor hatte ich also Angst...? Ehe ich mich versah, hatte er seinen Daumen durch seine Lippen ersetzt und begann einen zärtlichen Kuss, bei dem er meine Lippen immer nur flüchtig berührte und mich immer wieder austrickste, indem er mit seiner Zunge immer nur kurz meine Lippen streifte, mich somit herauslockte und sie dann wieder zurückzog. Doch das Spiel hielt nicht lange an, da er sich irgendwann einfach über mich beugte, sich zwischen meine Beine legte und den Kuss vertiefte, seine Lippen fast gierig auf meine presste und mir kaum Luft zu atmen ließ. Er wurde fordernder, bat nun endlich um Einlass, den ich ihm gewährte und spielte mit meiner Zunge, wobei er mir federleicht mit der Hand über den Hals streichelte, sodass ich den Kopf etwas neigte. Kurz darauf löste er sich von meinen Lippen und legte seine an meinen Hals, küsste ihn immer wieder nur flüchtig, ließ seine Zunge darüber wandern und bahnte sich den Weg bis hin zu meinem Ohr, wo er leise flüsterte. "Vertraust du mir, Baby?" Er wollte mit mir schlafen. Und ich vertraute ihm. Wo also lag mein verdammtes Problem...? "Ja...", antwortete ich leise, legte meine Hände an seine Oberarme und streichelte kurz leicht darüber, bekam ein sanftes Lächeln von ihm, als er sich wieder etwas aufrichtete und mir in die Augen schaute. Wieder beugte er sich zu mir herab und küsste mich, während er sich auf einem Arm abstützte und seine freie Hand sich auf Wanderschaft begab. Ich spürte, wie sie über meine Seite fuhr und leicht darüber kratzte, wie sein Becken sich kurz sachte gegen meines presste und ich somit leise in den Kuss seufzen musste. Selbst diese simplen Gesten erregten mich schon, ich merkte, wie ich langsam aber sicher meine Angst verdrängte und ihn einfach machen ließ. Leidenschaftlich spielte ich mit seiner Zunge, legte meine Arme um seinen Nacken und reckte meinen Körper etwas, als er mir noch einmal fast federleicht über die Seite streichelte, ehe er weiter herauf wanderte und mir über die Brust fuhr. Kurz streifte er eine meiner Brustwarzen und löste sich dann von meinen Lippen, um tiefere Regionen mit seinen Lippen anzusteuern. Ich entschloss mich, alle Bedenken in den Hintergrund zu stellen und einfach nicht darüber nachzudenken, was bald schon folgen würde, wollte einfach genießen und legte deshalb den Kopf in den Nacken, seufzte immer wieder leise und wohlig auf, während seine Lippen sich an meinem Hals entlang herab bewegten und er an meinem Schlüsselbein knabberte. Meine Arme legte ich links und rechts neben meinem Kopf ab und hielt mich am Kissen fest, um ihm immerhin einen möglichst erregenden Anblick zu bieten. Sollte er sich ruhig etwas daran erfreuen, wie ich mich unter seinen Berührungen räkelte, dann hatte er immerhin auch etwas davon... Er tobte sich weiter aus, streifte mit seinen Lippen die Haut an meinen Schultern und biss sanft hinein, zog etwas an der Haut, ehe er sie wieder losließ und entschuldigend über die Stelle leckte. Es fühlte sich einfach wahnsinnig gut an, was er da machte und ich genoss es wirklich. Versuchte somit einfach meine Angst zu vergessen und mich ihm hinzugeben, jegliche Angst und Bedenken zu vergessen. Seine Lippen wanderten weiter, tiefer, widmeten sich einer meiner Brustwarzen und spielten mit ihr, doch da ich den Kopf in den Nacken gelegt hatte, konnte ich nicht genau sehen, was er da machte. Doch es fühlte sich wundervoll an und ich keuchte leise auf, als er hineinbiss und etwas daran zog. Scheinbar wusste er genau, wie er mich um den Verstand bringen musste! Und dabei hatte er mich noch nie wirklich so berührt, wie er es jetzt gerade tat. Natürlich hatte er schon öfter mit jemandem geschlafen, auch mit Männern und wusste wohl daher, was sich am schönsten anfühlte... Ich wagte nun doch einen Blick an mir herab, konnte sehen, wie seine Zunge meine Brustwarze umkreiste, sich seine vollen Lippen dann darum legten und ich biss mir unbewusst auf die Lippe, da dieser Anblick einfach nur zu erregend war... Dann spürte ich, wie seine Hand sich einen Weg weiter nach unten bahnte und über die Innenseiten meiner Oberschenkel strich, da ich die Beine ein wenig gespreizt hatte und er zwang mich somit sie noch ein Stück weiter zu spreizen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich so empfindlich an meinen Oberschenkeln war, wenn sie nackt waren! Zumindest nicht, wenn sie jemand anders außer ich berührte. Ohne, dass ich etwas dazu tat, reckte sich mein Körper ihm ein wenig entgegen, als er sich auch meiner anderen Brustwarze widmete und sie genauso hingebungsvoll verwöhnte, wie die eine. Ich warf den Kopf zur Seite, als seine Hand gefährlich nah an meiner Körpermitte vorbei wanderte und sich doch wieder in höhere Regionen bewegte. Eigentlich schade, denn mittlerweile war ich schon ziemlich heiß dank ihm. Wie schaffte er das nur? Wieder musste ich aufstöhnen, diesmal sogar etwas lauter, was mir eine dezente Röte auf die Wangen trieb. Zwar war mir nichts, was er tat, in irgendeiner Weise unangenehm, doch dass ich es mit Lauten quittierte, die ich bislang noch gar nicht von mir gekannt hatte, war schon ein seltsames Gefühl. Ich erinnerte mich an die Nacht, die wir bei Dai auf der Party verbracht hatten. Wahrscheinlich war ich dort einfach zu betrunken gewesen, als dass mir irgendwas hätte peinlich sein können. Und dass Reita mich diesmal nicht im betrunkenen Zustand wollte, zeigte mir erst, dass er damit beabsichtigte, mir zu zeigen, wie es sich wirklich anfühlte. Denn diesmal war das Kribbeln im Bauch sogar noch um einiges stärker. Nachdenken musste ich allerdings nun erst einmal abstellen, da ich mich lieber auf das, was er gerade mit meinem Bauchnabel anstellte, konzentrieren wollte. Genießende Laute konnte ich von mir selbst vernehmen und er schien sich auch noch daran zu erfreuen, da ich ihn leise lachen hören konnte. Machte er sich da etwa über mich lustig? Lachte der mich aus? Plötzlich kam in mir wieder der unsichere, schüchterne Uruha hervor, den ich ja eigentlich für Reita hatte loswerden wollen. Vielleicht musste ich mein erstes Mal ja einfach nur hinter mich bringen, um diese Angst endlich zu verlieren. Unsicher zu sein war ja bei weitem noch peinlicher als irgendeinen Fehler beim Sex zu machen! Leicht zuckte mein Bauch immer wieder weg, als er mit der Zunge in meinen Bauchnabel tauchte und das Gefühl war einfach nur erregend gut. Ich krallte die Finger über meinem Kopf ins Kissen und biss mir auf die Unterlippe, als seine Lippen abermals tiefer wanderten und er sich an meinem Hüftknochen festsaugte, wahrscheinlich dort eine nur allzu gut sichtbare Spur hinterließ. Also würde die wohl jeder sehen, wenn ich das nächste Mal meine Hüfthose anzog. Auch gut, sollte ruhig jeder sehen, was Reita und ich so trieben, wenn wir allein waren... Ich konnte spüren, wie er mein Bein etwas anhob und sich leicht aufrichtete, um sich den Innenseiten meines Oberschenkels zu widmen, von dem er scheinbar schon längst rausgefunden hatte, dass ich dort sehr empfindlich war. Eigentlich war ich überall empfindlich, wenn er mich dort berührte, denn er hinterließ auf jedem einzelnen Zentimeter, den er berührte, eine Gänsehaut und ein wunderschönes Kribbeln. Somit konnte ich nicht anders als aufzukeuchen, als seine Zähne sich sanft in meine Haut gruben und er sich stetig meiner Körpermitte näherte mit seinen Liebkosungen. Doch natürlich hatte ich bereits geahnt, dass er sich ja doch noch nicht so weit vorwagen würde und er ließ wieder von mir ab, doch nur, um mich dann doch recht unerwartet von meiner Hotpants zu befreien. Nun lag ich ganz nackt vor ihm. Auch wieder etwas, was ich noch nie ausprobiert hatte - mich nackt vor jemanden legen. Aber gut, das hatte er ja selbst erledigt und so konnte ich mich nicht beschweren. Falsch, ich wollte mich gar nicht beschweren. "Alles okay?", hörte ich ihn fragen, als er sich wieder über mich gebeugt hatte und schien wohl damit meinen momentanen Gefühlszustand zu meinen. Ich war einfach nur benebelt von meiner eigenen Erregung und zu eingenommen von dem, was er mit mir machte. Aber dass es mir deshalb schlecht ging war völlig ausgeschlossen. Deshalb nickte ich leicht, biss mir auf die Unterlippe und brachte sogar ein kleines Grinsen zustande, das er erwiderte und sich runter beugte, um mich wohl zu küssen. Dabei wanderte seine Hand zu meinem Hals und strich sanft darüber, was mich dazu veranlasste den Kopf leicht schief zu legen und mich nach oben zu recken, um ihm bei dem Kuss entgegen zu kommen. Doch weit kam ich nicht, da er meinen Hals umfasst hatte und mich zurück ins Kopfkissen drückte, auch den zweiten Versuch meinerseits ihn zu küssen abwehrte. Ich keuchte leise, krallte mich fester ins Kissen über mir und hatte die Lippen noch immer einen Spalt geöffnet, leckte mir mit der Zunge darüber und schaute ihn so verführerisch an, wie ich konnte. Scheinbar schien das auch zu wirken, denn er lockerte seinen Griff und gab mir endlich den Kuss, den ich so sehr verlangt hatte. Ich schloss genießend die Augen und gab mich dem Zungenspiel gänzlich hin, wobei ich nicht einmal merkte, dass mein Gehirn gerade komplett ausgesetzt hatte und ich nicht mal mehr denken konnte. Wieder spürte ich, wie er sein Becken gegen meines drängte und sich diesmal leicht bewegte, was mich in den Kuss stöhnen ließ. Er selbst gab nur ein etwas lauteres Atmen zu hören, schien sich mit seinen Lauten noch zu beherrschen. Aber ich konnte spüren, dass ich mit meiner Erregung nicht allein war, denn er war mindestens genauso rattig wie ich. Geistesgegenwärtig hob ich nun beide Arme, strich über seinen Nacken herab zu seinen Schultern, wo ich leicht drüber kratzte, um ihm doch endlich ein paar eindeutigere Laute zu entlocken. Doch als auch das nicht klappen wollte, versuchte ich es weiter, indem ich mein Becken nun ebenfalls etwas kreisen ließ und mit meinen langen Nägeln an seinen Hüften angefangen über die Seiten kratzte. Doch diesmal hatte ich es geschafft, ein leises Stöhnen war zu vernehmen, was allerdings in dem atemberaubenden Kuss unterging. Ich zögerte nicht mehr lang, schob meine Hände noch ein Stück tiefer bis zu seiner Shorts, die ich langsam herabzuziehen begann. Sofort löste er sich aus dem Kuss, schaute mich mit lustverschleierten Augen an und atmete hörbar schwerer, während ich die Shorts Stück für Stück immer weiter herab schob, bis sie irgendwann seine Kniekehlen erreicht hatte. Er zog sie sich dann schließlich ganz aus, beugte nun ebenfalls nackt über mir. Gott, diese Vorstellung allein... Reita, von dem ich früher nie gedacht hatte, dass er mich überhaupt beachten würde, lehnte nackt über mir und würde mit mir schlafen... Eine Weile sagte und tat auch keiner von uns beiden etwas, wir schauten uns einfach nur in die Augen und er streichelte mich weiter, lächelte dabei angedeutet. "Mach weiter...", bat ich leise, wollte endlich mehr von ihm spüren, als nur seine Hände und seine nackte Haut an meiner, wollte viel mehr von ihm spüren... Kurz verblieb Reita noch so, dann küsste er mich kurz und schob meine Beine mit beiden Händen weiter auseinander, ehe er sich wieder von mir löste und tiefer rutschte. Ich schluckte trocken, als ich sah, in welche Richtung sich seine Lippen von meinem Bauchnabel aus bewegten und konnte kaum erwarten, bis sie mich endlich dort berührten, wo ich sie gerade wirklich nötiger brauchte... Ich konnte seinen heißen Atem auf meiner Haut spüren, als er bereits eine unsichtbare Grenze überschritten hatte und die Stelle über meinem Intimbereich kurz etwas intensiver neckte. Leise keuchte ich auf, als seine Finger über meine Beine streichelten und sich meiner Körpermitte gefährlich näherten, doch sie waren es nicht, die sie letztendlich erreichten. Mit einem unterdrückten Stöhnen warf ich den Kopf in den Nacken, als seine Zunge quälend langsam über meine Erregung tanzte, sie fast kaum spürbar berührte und eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper jagte. Leicht bäumte ich mich auf, als er über meine Spitze leckte, ehe ich nur noch die Wärme seiner Mundhöhle spüren konnte, wie ich es schon einmal getan hatte. Doch diesmal war es um Welten besser, ich spürte es so viel intensiver und konnte genau fühlen, was er alles tat. Schließlich war mein Kopf nicht durch irgendwelchen Alkohol vernebelt, davon hatte ich mich längst ausgenüchtert... Doch lange hielt dieses Gefühl nicht an, da seine Lippen von mir abließen und es mir ein gequältes Stöhnen entlockte. Allerdings beugte er sich nicht zu mir herauf, sondern blieb in dieser Position. Was hatte er vor? Warum machte er verdammt noch mal nicht einfach weiter? Plötzlich spürte ich seine Zunge in ganz anderen Regionen, als an meinem Glied. Erschrocken keuchte ich auf, als ich seine Zunge an meinem Anus spürte, es schlich sich ein ziemlich seltsames Gefühl in meinen Bauch. Wahrscheinlich mal wieder die Angst vor dem, was folgen würde... Doch die wollte ich nicht mehr haben! Ich hatte genug darüber nachgedacht, wie es sein konnte, ob es wehtat oder nicht. Ich wollte es endlich selbst erfahren... Und eigentlich fühlte sich das, was er tat, ja auch gar nicht schlecht an, wenn ich ehrlich war. Es tat nicht weh, es war nicht unangenehm... Im Gegenteil, es war eigentlich sogar ziemlich erregend... Doch dann entfuhr mir ein lauteres Stöhnen, als seine Zunge sich ein kleines Stück in mich schob, aber gerade so, dass es nicht wehtat. Leicht bäumte ich mich auf unter diesem neuen Gefühl, biss mir auf die Unterlippe, um mir jegliche Bitten, dass er doch lieber an anderen Stellen lecken sollte, zu verkneifen. Ich wollte es sowohl ihm, als auch mir nicht versauen, indem ich einfach abbrach und ihn nicht mal in irgendeiner Weise zu seinem Spaß kommen ließ. Und ich wollte wissen, wie sich ganz andere Dinge anfühlten, die er noch mit mir anstellen würde... Seine Zunge schob sich noch etwas tiefer in mich, was mich erneut stöhnen ließ und ich schob einfach jegliche Angst beiseite, drängte mich ihm etwas entgegen, da das Gefühl doch eigentlich ein ziemlich erregendes war. Zwar ein seltsames und unbekanntes, aber erregend. Ich biss mir auf die Unterlippe und ballte die Hände zu Fäusten, spürte, wie sich meine Nägel in meine Handfläche bohrten. Er leckte noch einmal kurz über mein Glied, dann, als ich kurz zu ihm herabschaute sah ich, wie er seinen Zeigefinger befeuchtete und ihn wieder zwischen meine Beine führte. Und als er ihn ein Stück weit in mir versenkte, warf ich laut stöhnend den Kopf in den Nacken, krallte mich feste in das Laken unter mir. Ich konnte nicht leugnen, dass es schon ein wenig wehtat, doch den Schmerz vertrieb ich aus meinem Kopf, ignorierte ihn weitestgehend. Reita lenkte mich sofort ab, indem er sich wieder meinem Glied widmete, das er diesmal fast gänzlich in sich aufnahm, wie ich es der Hitze um mich herum entnehmen konnte. Sofort wandelte sich das etwas schmerzerfüllte Stöhnen in ein erregtes Keuchen, ich wollte mich ihm entgegen drängen, vergaß dabei das leichte Ziehen in meinem Unterleib. Langsam gewöhnte ich mich an das seltsame Gefühl da unten und begann mich ihm entgegen zu drängen, wollte mehr von ihm spüren, sowohl an meiner Erregung, die die Aufmerksamkeit gerade wirklich brauchte, als auch in mir. Und als hätte er meine Gedanken gelesen spürte ich, wie sich mein Muskelring noch mehr weitete, als er einen zweiten Finger in mich schob. Diesmal allerdings um einiges vorsichtiger, um mir nicht wehzutun - zumindest glaubte ich das. Fest presste ich meine Augenlider aufeinander und keuchte, versuchte mich an den Schmerz zu gewöhnen und verspannte mich etwas, allerdings würde mir das eh wenig bringen, nicht mehr als noch mehr Schmerz, wie ich feststellte. Sofort versuchte ich mich wieder zu entkrampfen, was mir auch nach einigen Sekunden gelang und lag wieder vollkommen entspannt dort. Mein Atem ging schneller und immer wieder schlüpften leise Laute des Wohlgefallens aus meiner Kehle, die er zum Anlass nahm seine Finger etwas in mir zu bewegen. Der Schmerz war schon längst einem viel erregenderen Gefühl gewichen, das ich voll und ganz auskostete, auch, wenn es mir bisher noch etwas fremd war. Ich hatte mich schnell an seine Finger gewöhnt, die sich vorsichtig in mir bewegten und meinen engen, jungfräulichen Eingang weiteten. "Tu' ich dir weh?", hörte ich ihn fragen, hatte gar nicht bemerkt, wie er sich wieder über mich gebeugt und meine Erregung wieder entlassen hatte, doch ich brauchte einen Moment, ehe ich die Frage überhaupt registriert hatte. "Nein...", antwortete ich ihm also heiser, spreizte die Beine etwas weiter, um meine ehrliche Antwort noch zu untermalen und ermöglichte ihm so noch etwas tiefer in mich einzudringen. Doch irgendwas an der Situation war scheiße. Es lag nicht an den Berührungen, es lag nicht an Reitas Zärtlichkeiten und es lag auch nicht an meiner noch immer halbwegs anwesenden Nervosität. Doch es dauerte nicht lang, bis ich den Grund dafür gefunden hatte... Gerade, als Reita seine Finger aus mir zurückzog, hob ich beide Hände an seine Wangen, zog ihn zu mir herab und küsste ihn zärtlich, hatte die Augen genießend geschlossen und spürte, wie er den Kuss ebenso sanft und leidenschaftlich erwiderte. Und langsam wanderten meine Hände zu seinem Nacken, wo ich den Knoten des weißen Bandes um seine Nase langsam löste, bisher keinen Widerstand spürte. Auch nicht, als ich das Band gelöst hatte, dies auch mit dem Kuss tat und das Band langsam sinken ließ, sodass ich endlich sein komplettes Gesicht sehen konnte, als ich meine Augen öffnete. Warum nur trug er andauernd dieses Ding um seine Nase? Er war doch auch ohne das Band wunderschön, ich fand keinen Grund, warum er dieses Band überhaupt um sein Gesicht trug... "Du bist der erste, der mich ohne das Ding sieht, seit ich hier wohne...", hörte ich ihn flüstern, erwachte aus meinen Gedanken und schaute ihm in die Augen, die mich noch immer erregt anblickten. Leicht lächelte ich, hatte ihn nun also von all seinen 'Kleidungsstücken' befreit und zog ihn wieder in einen innigen Kuss, den er sofort gierig erwiderte und mich dabei leicht an der Hüfte hochhob. "Okay?", fragte er leise, wollte wohl wirklich sicher gehen, dass ich es auch wollte. Und diese Frage war überflüssig, denn meine Antwort war wohl eindeutig. "Jah... mach schon...", hauchte ich, bewegte mein Becken auffordernd gegen seines und ignorierte dabei völlig, dass mein Unterleib noch immer schmerzhaft zog. Allerdings lag das diesmal wohl eher an meiner Erregung, die dringend Beachtung brauchte... Er lächelte sanft und richtete sich kurz ein wenig auf, streichelte noch mal beruhigend über meinen Oberschenkel, was mich leise seufzen ließ und nahm dann seine Hand zur Hilfe, um ganz langsam und vorsichtig in mich einzudringen. Reitas Versprechen, dass es nicht wehtat, war allerdings ziemlich leer und so biss ich die Zähne zusammen, um mich an den Schmerz zu gewöhnen, der sich in meinem Unterleib ausbreitete. So gut es ging versuchte ich mich zu entspannen, als ich spürte, wie Reita sich wieder über mich beugte und mir beruhigend über die Wange streichelte. "Gleich vorbei, Baby...", hauchte er leise, küsste mich kurz und schon bemerkte ich, dass er bereits gänzlich in mich eingedrungen war. Also hatte ich das Schlimmste wohl hinter mich gebracht... Langsam begann der Schmerz zu weichen und wurde durch ein viel erregenderes Gefühl ersetzt. Ich legte den Kopf wieder in den Nacken, ließ ihn meinen Hals mit Zunge und Zähnen verwöhnen und hatte mich schnell an ihn gewöhnt, sodass ich mit einem kleinen Stoß meines Beckens nach oben andeutete, dass er sich endlich bewegen sollte. Und er verstand natürlich, baute einen langsamen und stetigen Rhythmus auf, in dem er sich immer wieder in mir versenkte und dabei selber leise keuchte. Ich biss mir wieder auf die Unterlippe, lauschte seinen nun ebenfalls ziemlich erregten Lauten, spürte, wie er heiß gegen meinen Hals atmete und langsam schneller wurde in seinem Tempo, aber nicht fester. "Alles... in Ordnung...?", fragte er mit belegter Stimme, als er wieder zu mir aufschaute und mir einige verwirrte Strähnen aus dem Gesicht strich, sanft lächelte und die Lippen dabei einen Spalt geöffnet hatte. Immer wieder drangen seine leisen Laute der Erregung an mein Ohr und es ließ mich grinsen. Süß, wie er immer fragte... Aber es war schließlich mein erstes Mal, da war es verständlich... Ich nickte leicht, schlang die Arme unter seinen hindurch um seine Schultern, krallte mich dort fest, da er etwas fester zustieß und es mich lauter stöhnen ließ. Und plötzlich war es, als würde ich tausende Sterne vor meinen Augen sehen, als er einen Punkt in mir traf, der meine Lust ins Unermessliche trieb. Mein Körper verkrampfte sich kurz, doch es tat nicht einmal mehr weh, als ich ihn tief in mir einkerkerte und mich kurz heftig gegen ihn bewegte, sodass es ihn selbst laut aufstöhnen ließ. Innerlich bettelte ich, dass er genau das noch einmal tat und tatsächlich traf er genau diesen Punkt erneut, was mich laut stöhnen ließ und warf den Kopf erregt zur Seite. Reita biss mir daraufhin so fest in den Hals, dass ich glaubte meine Haut würde brechen, doch dann erst bemerkte ich, dass er sich auch am Hals festsaugte und dort wohl ein ebenso gut sichtbares Merkmal hinterließ... Sollte er doch. Ich schlang aus Reflex ein Bein um seine Hüfte, um ihn noch tiefer in mich zu treiben. Jeglicher Schmerz war vergessen und nur noch unsere Lust zählte, ich wollte ihn so viel wie möglich von mir spüren lassen und ich wollte ebenso viel von ihm spüren. Immer wieder drang er tief in mich ein und bäumte sich selbst leicht auf, als ich mich absichtlich enger um ihn zog. Doch lange würde ich dieses Spiel nicht mehr aushalten, das wusste ich. Meine Erregung war schon viel zu lange zu kurz gekommen und schmerzte bereits, also schaute ich ihn flehend an, als er mich gerade küssen wollte und erntete einen verstehenden Blick. Gierig presste er seine Lippen auf meine und begann einen leidenschaftlichen Kuss, während seine Hand zu meiner Körpermitte wanderte und endlich mein Glied umfasste. Ich quittierte das mit einem lauten Stöhnen und meine Nägel krallten sich in seinen Rücken. Leise zischte er auf, keuchte dann wieder heiser und stieß fester zu, massierte mich im Takt seiner Stöße und ließ mich immer wieder Sterne sehen, machte mich verrückt, ließ mich nach Erlösung schreien, sodass ich mit meinen willigen Bewegungen und meinem Räkeln wohl nur zu deutlich machte, was ich wollte. Und endlich bekam ich es auch. Alles in mir zog sich zusammen, mein Körper bäumte sich erneut auf und ich stöhnte ein letztes Mal heiser und kraftlos, als ich in seine Hand kam. Dadurch, dass er weiter in mich stieß und mich noch dazu weiter massierte klangen die Wellen meines Höhepunkts nur langsam ab, was mich ihn voll und ganz auskosten ließ. Und schon bald darauf sah ich, wie sich auch Reitas Körper kurz versteifte und er sich mit einem unterdrückten Stöhnen in mir ergoss, ich konnte die heiße Flüssigkeit in mir spüren und keuchte noch ein paar Mal leise. Nun bewegte er sich nicht mehr, er verweilte noch einen Moment lang in mir, ehe er sich aus mir zurückzog und ich daraufhin leise seufzte. Sanft kraulte ich seinen Nacken, betrachtete sein hübsches Gesicht, das ich endlich mal ohne sein Nasenband sehen durfte und lächelte etwas. Ich glaubte, dass ich noch nie so zufrieden gewesen war wie in diesem Moment, in dem er sich zu mir herabbeugte, seine Lippen zärtlich auf meine legte und sie fast kaum spürbar immer wieder berührte. "Ich hoffe ich hab dir nicht wehgetan...", hörte ich ihn flüstern, ich öffnete die Augen allerdings nicht und gab einen leisen, verneinenden Laut von mir. "Ich liebe dich...", flüsterte ich leise und streichelte kurz mit zwei Fingern über seine Wange, dann über seine mir endlich sichtbare Nase und grinste darüber etwas. Er lachte leise, legte sich dann neben mich und streichelte mir über den Bauch. "Ich dich auch..." Dann spürte ich, wie er etwas Feuchtes auf meinem Bauch verteilte, das wohl schon vorher dort gewesen war und grinste dabei dreckig. Blinzelnd schaute ich an mir herab und konnte die milchige Spur erkennen, die sich quer über meinen Bauch zog. Sofort stieg mir die Röte ins Gesicht und ich wandte etwas beschämt meinen Blick ab, vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge und musste leise seufzen. "Was denn?", hörte ich ihn fragen, "Das gehört dir, brauchst dich nich' davor ekeln..." "Sehr witzig", gab ich zurück, schaute ihn wieder an und sah, wie er die milchige Flüssigkeit von seinen Fingern leckte und mich lasziv angrinste. Ich machte meinen süßesten Schmollmund und nahm die Hand von seinen Lippen weg, um seine Finger durch meine Lippen zu ersetzen, die ich gegen seine bewegte und sanft mit ihnen spielte, mich dann aber doch lieber wieder von ihm löste. Nun war ich wirklich müde geworden, aber schlafen wollte ich trotzdem noch nicht und so würde ich noch etwas seine Nähe genießen, dann irgendwann später duschen gehen... "Lass zusammen duschen", grinste Reita dann plötzlich, "immerhin war ich heute Morgen nicht..." Konnte er eigentlich Gedanken lesen? "Okay...", grinste ich, wollte mich dann aufrichten und spürte sogleich ein leichtes Ziepen im Unterleib, aber ich ignorierte es, wollte mich ja nicht vor Reita zum Affen machen oder ihn denken lassen, dass er mir wehgetan hatte. Ich schnappte mir eine neue Hotpants (und fragte mich nebenbei, wie oft ich die jetzt eigentlich schon gewechselt hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden) und schaute kurz rüber zu Reita, der sich eine neue Shorts aus dem Rucksack kramte. Er folgte mir ins Bad, wo ich kurz zwei Handtücher raussuchte und dann die Duschwand aufschob. "Aber nicht wieder auf falsche Gedanken kommen", grinste ich, woraufhin er mich unschuldig anzusehen versuchte, aber kläglich daran scheiterte. "Ich? Niemals", antwortete er mir, stieg mit mir zusammen in die Dusche und stellte eine angenehme Wassertemperatur ein. "Nicht zu warm? Nicht zu kalt?", fragte er, drängte mich an die Wand und stellte sich dicht vor mich, wobei das Wasser auf uns beide niederprasselte. Mit nassen Haaren und ohne Nasenband sah er richtig niedlich aus! "Genau richtig", antwortete ich ihm und schmiegte mich an ihn, ließ mir von ihm den Bauch abwaschen und reichte ihm mein Lieblingsduschgel, das er auch gleich an sich nahm und sich etwas davon auf die Finger tat, es auf meinen Armen und meiner Brust verteilte. Ich genoss die sanften Berührungen und schloss die Augen, ließ mich gegen ihn sinken und legte die Arme um seine Taille. "Müde?", hörte ich ihn fragen, woraufhin ich leicht nickte und ihm über den Rücken streichelte, mich etwas von ihm löste und ihn anlächelte. Ich konnte gar nicht in Worte fassen, wie glücklich ich war. Soeben hatte ich mit demjenigen geschlafen, von dem ich früher nicht mal ansatzweise gedacht hatte, dass er mich überhaupt leiden mochte und bei dem ich immer das Gefühl gehabt hatte, dass er mich nur verarschte. Und jetzt war ich in seinen Armen, küsste ihn innig und fühlte mich einfach nur wohl. Meine Finger spielten mit seinen nassen Haaren, als unsere Zungen einen kleinen Kampf austrugen und keiner so recht gewinnen wollte. Leise und wohlig seufzte ich in den Kuss, wollte jede Sekunde genießen, in der er bei mir war und in der ich ihn so berühren durfte. "Wenn du jetzt weitermachst werd ich wieder scharf auf dich", sagte er grinsend, als er sich wieder von mir löste und wuschelte mir durch die nassen Haare. "Okay, verschieben wir das", gab ich nun also zurück, griff noch mal nach dem Duschgel und wusch auch ihn sauber, was er mir mit einem Schnurren quittierte. Irgendwann, nachdem wir noch ein bisschen die Nähe des anderen genossen hatten, stiegen wir aus der Dusche, trockneten uns ab und ich zog mir meine Hotpants über. Erst jetzt merkte ich, dass mein Unterleib etwas schmerzte, wenn ich mich zu hastig bewegte... Reita ging schon vor in mein Zimmer, hatte sich seine Shorts schnell übergezogen und ich schaute mich noch im Spiegel an, strich mir einige nasse Strähnen aus dem Gesicht. Und im nächsten Moment musste ich breit grinsen. Ich hatte ernsthaft mit Reita geschlafen, hatte mich ihm hingegeben und ihn mich entjungfern lassen. Da sollte noch mal jemand sagen das erste Mal wäre scheiße... Bei mir nicht! Ich putzte mir noch schnell die Zähne, kämmte mir die Haare durch und ging dann zurück in mein Zimmer, wo ich Reita an seinem Handy rumspielend vorfand. "Was machst du?", fragte ich, setzte mich aufs Bett und schaute ihn fragend an. Schrieb er jetzt erstmal seinen Freunden, dass er mich flachgelegt hatte? Doch er reichte mir nur sein Handy, hatte wohl eine SMS geöffnet und ich las sie mir durch... © Kapitel 21: Von Denken und Erkenntnis ------------------------------------- 21 Von Denken und Erkenntnis „Was machst du?“ Schweigend starrte Reita auf sein Handy, sagte nichts, sondern drückte es mir einfach in die Hand und fuhr sich durchs Gesicht und die Nassen Haare. Unbehagen machte sich in mir breit. Es musste etwas passiert sein, das ahnte ich bereits. Reitas Blick sagte schon alles aus. Ich hatte ihn noch nie so erschrocken gesehen… Zögernd wendete ich meinen Blick von ihm ab, ließ ihn zu seinem Handy wandern und schaute auf das Display, begann die SMS zu lesen, spürte, wie meine Augen sich immer mehr weiteten. „Von wem ist die?“, fragte ich langsam, gab ihm das Handy zurück und lehnte mich erstmal gegen die Wand hinter mir, um den eben erlebten Schock zu verdauen. „Tora.“ Seine Antwort war knapp und plötzlich pfefferte er sein Handy mit einem lauten ‚Fuck!’ in seine Tasche zurück. Verständlich, wie ich fand. Denn auch ich war nicht minder wütend und besorgt zugleich. „Er hat mir versprochen, dass er das nicht macht“, hörte ich ihn knurren und biss mir überlegend auf der Unterlippe herum. Anscheinend hatte Saga schon einmal darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen – zumindest war das seiner Aussage recht deutlich zu entnehmen. Allerdings hatte auch ich Saga nie für einen Menschen gehalten, der besonders viel Wert darauf legte irgendwelche Versprechen zu halten. Allgemein schätzte ich Saga sowieso als ziemlich unzuverlässig und unehrlich ein. Und nun kam noch eine weitere negative Eigenschaft dazu. Und das war Feigheit. Saga hatte versucht sich Desinfektionsmittel zu spritzen, um eine Blutvergiftung zu verursachen. Ich hatte einmal zu Zeiten, wo ich noch gut in der Schule gewesen war viel darüber gelernt, welche Stoffe darin enthalten waren und ich konnte mich wunderbar entsinnen, dass allesamt mehr als schädlich für den menschlichen Blutkreislauf und die Organe waren. Desinfektionsmittel war eine Flüssigkeit mit einer winzigen Dichte, also verbreitete sie sich rasend schnell in den Blutbahnen. Vielleicht hätte Saga zwei oder drei Stunden überlebt bis zum Herzinfarkt, hätte Tora ihn nicht gefunden. Zumindest ging ich davon aus, dass er das getan hatte, denn von ihm stammte die SMS und er wusste, was Saga vorgehabt hatte. Wie kam so ein Kerl wie Saga, der von Schule weniger Ahnung hatte als von dem letzten Besäufnis auf die Idee sich Desinfektionsmittel zu spritzen? Wie kam er überhaupt an eine Spritze? Desinfektionsmittel hatte wohl jeder halbwegs anständige Haushalt parat, allerdings interessierte es mich wirklich brennend, warum er auf so eine Idee gekommen war und sich nicht doch einfach die Pulsadern aufgeschnitten hatte… Meine Gedanken schob ich beiseite, um mich lieber wieder Reita zuzuwenden, der scheinbar ebenfalls recht abwesend auf dem Boden saß und seine Hände anstarrte. Machte er sich etwa Vorwürfe? Sorgen ja, aber Vorwürfe? „War doch irgendwie klar, dass das wieder so kommen musste“, murmelte er, schaute mit einem undefinierbaren Blick zu mir auf. „Was meinst du?“, fragte ich unsicher und begann mit meinen Fingern zu spielen, hob die Decke an, die ziemlich nutzlos neben mir lag und legte sie mir über die Beine. Ich kam mir ziemlich dumm vor in diesem Moment. Schließlich konnte ich so gar nichts zu der Situation sagen, immerhin kannte Reita Saga besser als ich… „Ist doch immer so“, seufzte er, stand auf und legte sich ins Bett, „wenn ich mal meine Ruhe hab und n bisschen chillen kann und mal ausnahmsweise keine verfickten Probleme hab, kommt immer wieder irgendwas, was meine Laune schlagartig über den Haufen schmeißt…“ „Stimmt“, pflichtete ich ihm bei, „aber…“ Nein, aufheitern war gerade irgendwie schlecht. Saga hatte versucht sich umzubringen, da konnte man nicht einfach sagen ‚Hey, nimm’s nicht so schwer, das passiert schon mal!’… Seufzend legte ich mich also neben ihn, allerdings ohne ihn zu umarmen und schaute ihn mitfühlend an. Was sollte ich auch anderes machen? Ich konnte ja gar nichts dazu sagen, dazu kannte ich Saga dann doch noch zu wenig. Auch, wenn ich bei ihm gewohnt hatte – es machte schon einen Unterschied, ob man jemanden nun ein paar Wochen oder doch schon über Jahre hinweg kannte. Und trotzdem konnte ich Reita ja jetzt nicht das Gefühl geben, dass mich die Sache jetzt total kalt ließ. Tat es ja auch eigentlich nicht, aber trotzdem wollte die Tatsache noch nicht richtig in meinen Kopf, dass derjenige, bei dem ich nun die letzten Tage Tag und Nacht verbracht hatte versucht hatte sich umzubringen… Aus welchem Grund auch immer. „Willst du ne Nacht drüber schlafen und morgen zu ihm?“, fragte ich, erntete allerdings nur ein etwas angesäuertes Grummeln. Okay, es hatte gerade also keinen Zweck sich ihm irgendwie anzunähern – nicht mal mit Worten. Musste ich wohl mit leben. Allerdings hoffte ich, dass es jetzt nicht nur daran lag, dass er diese SMS bekommen hatte. Er sollte zumindest auch darüber verärgert sein, dass man sie ihm im ungünstigsten Moment geschickt hatte: nach unserem Sex! Meinem ersten Mal…! Eigentlich war es ja genau das, was mich anpisste. Über Saga konnte ich auch morgen noch nachdenken. „Soll ich Licht ausmachen?“, versuchte ich es noch mal und wenigstens nickte er anständig. Ein letztes Mal seufzte ich, ehe ich mich kurz streckte und die kleine rote Lampe auf der Ablage überm Bett ausschaltete, mich dann wieder hinlegte und mir die Decke überzog, ihm auch ein bisschen davon überließ. Wunderbar. Nun lagen wir hier nebeneinander, zum ersten Mal nicht Arm in Arm, wie wir es sonst eigentlich immer taten, wenn wir in einem Bett schliefen und beide pissig wegen dieser äußerst… arschigen Situation. Normalerweise war es nicht gerade die feine englische Art, sich darüber gedanklich zu beschweren, dass man sich gerade nicht körperlich nahe war, da ja nicht gerade die besten Umstände herrschten, aber trotzdem hätte Tora meiner Meinung nach ja auch noch bis zum nächsten Morgen warten können mit der SMS. Oder vielmehr hätte Rei ja auch warten können, bis wir beide ausgeschlafen waren mit dem Lesen. Ich wusste ja nicht, wie es bei ihm war, aber ich wurde mit meiner Müdigkeit zunehmend angreifbarer und aggressiver. Scheinbar hatte Reita das ähnliche Problem… Und dennoch war es ein widerlicher Gedanke für mich, dass er gerade neben mir lag und wohlmöglich in seinen Gedanken sämtliche Zimmereinrichtung wegen seiner Wut hier kurz und klein schlug. Wahrscheinlich würde er gleich am Morgen aufstehen, kurz was essen und dann gleich verschwinden, um Saga eins aufs Maul zu geben… Und ich würde den Rest von diesem Chaos allein aufräumen können. Nicht, dass es das einzige war, was mich daran ankotzte… Vielleicht dachte ich auch einfach nur zu egoistisch und zu wenig an Reitas Gefühlen bei der Sache? Kaum hatte ich mich umgedreht spürte ich einen Arm um meinen Bauch und einen Körper, der sich an meinen Rücken schmiegte. „Sorry“, hörte ich Reita murmeln und er brauchte ja schon gar nichts mehr zu sagen, da hatte ich seine Entschuldigung für was auch immer angenommen. „Sorry wofür?“ „Dass ich jetzt so pissig bin…“ Es ließ mich lächeln, dass er sich dafür entschuldigte. Ich war eigentlich nicht der Mensch, der sich für seine Launen entschuldigte. Aber anscheinend schien er damit überhaupt nicht umgehen zu können, dass ich seine Nähe bis eben noch nicht gesucht hatte. War doch so, oder? „Schon okay, ist ja nicht deine Schuld, dass er sowas anstellt“, antwortete ich ihm und drehte mich in seiner Umarmung. Irgendwie war es eine komische Situation, wie ich fand. Er war an gar nichts Schuld und trotzdem konnte ich sehen, dass er sich nun doch Vorwürfe machte. Aber eigentlich hatte ich mir nie vorgestellt, dass Reita, der große Punk und unnahbare Macho sich mal Vorwürfe wegen seiner Freunde machen würde! Auf der Straße und in Gegenwart der anderen wirkte er völlig anders, so gelassen und als würde es ihn kein Stück interessieren, wie es seinen Freunden ging. Immerhin hatte er sich auch nicht zu Sakito gesetzt, als dieser heulend am Boden gesessen hatte und Saga hatte er damals, als er uns an einem Sonntagabend entgegen gekommen war, sturzbetrunken und deprimiert aussehend, einfach ignoriert. Scheinbar schien er immer zu wissen, wann die Zeit gekommen war, um nachzufragen und tat es auch zu eben dieser, aber diesmal hatte er den Zeitpunkt einfach verpasst. Und es war nur fair, wenn ich mir dafür Mitschuld gab. Er war bei mir, hatte also keine Ahnung, wie es seinen Freunden ging, weil er sich lieber um mich gekümmert hatte. Er schien mir auch seine andere Seite zu zeigen, die er den anderen wohl verheimlichte, um nicht als Schwächling dazustehen. Ob er mir allerdings auch wirklich alles von sich offenbarte und mir nicht doch so einiges verschwieg, das blieb offen… © Kapitel 22: Ausreden -------------------- -22- Ausreden Sonntagvormittag. Die Nacht über hatte ich scheiße geschlafen, ich hatte Schmerzen im Unterleib und Kopfschmerzen auch. Man konnte echt meinen, dass ich eines dieser dauerkranken Girlies war, die sich wegen jeder Kleinigkeit anstellten und gleich losquengelten. Schon irgendwie peinlich vor Reita, der im Wohnzimmer saß mit einer Tasse viel zu starkem Kaffee und einer Zigarette. Ich saß ihm noch immer gegenüber und rührte in meiner Tasse rum und fragte mich im selben Moment, warum ich eigentlich Kaffee trank. Im Grunde mochte ich das Zeug doch überhaupt nicht. Immer mal wieder ließ ich ein Seufzen vernehmen, woraufhin Reita jedes Mal aufschaute und schließlich ungefähr beim zwanzigsten Seufzen seine aufgerauchte Zigarette endlich ausdrückte. „Noch immer nicht besser?“, fragte er, nahm seine Tasse wieder und trank einen großen Schluck daraus. Und ich begann derweil zu überlegen, wie ich ihm antworten sollte. Ich konnte jetzt natürlich sagen, dass es nicht der Rede wert war, dass mein Unterleib sich anfühlte, als würde er gleich zerreißen und mein Kopf platzen und ekelige Flecken an der Raufasertapete hinterlassen, aber das würde ja nicht mal ansatzweise der Wahrheit entsprechen. Oder ich konnte ihm jetzt wahrheitsgemäß antworten, allerdings würde das dann doch ziemlich dumm kommen und aussehen, als würde ich gar nichts aushalten! Wie sollten denn dann die nächsten Male aussehen, an denen ich Sex mit Reita haben würde…? „Geht schon“, antwortete ich also, was natürlich keines von beidem bedeutete und lächelte etwas, beugte mich etwas vor zum Tisch, um meine Tasse wegzustellen. „Willst du heute zu Saga?“, fragte ich, lehnte mich vorsichtig wieder zurück, um mir nicht unnötig wehzutun. Ich vertraute einfach mal darauf, dass die Schmerztablette bald zu wirken anfing und ich mich dann endlich wieder wie ein normaler Mensch bewegen konnte. Ich hörte Reita seufzen und sah, wie er mit den Schultern zuckte. Scheinbar schien er hin und her gerissen zwischen Saga und mir. Natürlich wollte er Saga mal so richtig die Meinung geigen wegen seines Selbstmordversuches, andererseits bekam es mir dann doch nicht so gut, wenn ich heute wieder zu Saga ging und mitbekam, wie er von meinem Freund zur Sau gemacht wurde. „Ich will dich da eigentlich nicht mehr hinlassen“, sagte er plötzlich auf Saga bezogen, was mich stutzen ließ. „Wieso nicht? Hast du Angst, dass er mich damit irgendwie ansteckt?“ „Nein“, kam es sofort, „ich will nicht, dass er dich weiter mit seinen scheiß Problemen zutextet. Davon wird man selber nur depressiv. Ich weiß wovon ich rede, ich durfte mir das schließlich drei Jahre lang anhören.“ Da hatte er irgendwie Recht. Ich wurde schnell depressiv, wenn man mir von seinen Problemen erzählte und wenn man dann auch noch verlangte, dass ich einem half, war ich restlos überfordert. „Aber hier will ich auch nicht bleiben“, murmelte ich und schaute mich im Zimmer um. Nein, hier wollte ich auch nicht bleiben. Wenn meine Mutter wiederkam, würde alles nur noch mal von vorn anfangen. Ich wollte lieber das genießen, was ich im Moment für mich selbst hatte. Und das waren Reita und meine anderen Freunde. Freunde…? „Weiß ich ja, aber ich wüsste nicht, wo ich dich sonst unterbringen soll. Du bist im Moment irgendwie nirgends gut aufgehoben…“ „Und bei dir?“, fragte ich einfach mal dreist, traute mich gar nicht ihn anzusehen und spielte mit meinen Fingern herum. Was musste ich auch so aufdringlich sein…? „Geht nicht“, kam es nach einer kurzen Pause, „meine Mutter ist ja schon mit mir allein überfordert und im Moment eh stinksauer auf mich…“ „Weil du bei mir bist so lang?“ „Hai…“ Wunderbar. Und nun? „Können wir nicht erstmal mit Saga reden?“, bat ich ihn, „Dann können wir doch immer noch entscheiden, ob ich jetzt bleiben kann oder nicht…“ Jetzt schaute ich ihn doch an, hoffte, dass er bei meinem Blick nachgeben würde. Ich wollte nicht hier bleiben, ich würde meine Mutter nicht ertragen! Ich wollte wieder zurück zu Saga, hatte dort eigentlich viel Spaß gehabt und da ich nicht zu Reita konnte, war er die einzige Möglichkeit, wo ich überhaupt etwas Zeit hatte, um abzuschalten. „Gut“, antwortete er mir dann und lächelte etwas, „aber lass dich nicht von ihm runterziehen, hai?“ Ich nickte schnell, stand dann unter Schmerzen auf und schielte zu ihm. „Ich geh mich anziehen“, informierte ich ihn und machte mich auf den Weg nach oben. Heute hatte ich irgendwie Lust mich mal wieder etwas rauszuputzen. Unschlüssig stand ich vorm Kleiderschrank und starrte ihn an, versuchte mich zu entscheiden, was ich wohl anziehen sollte. Ich schaute kurz aus dem Fenster, um über das Wetter Bescheid zu wissen und griff dann zielstrebig zu einem meiner gestreiften Hemden, dazu noch einer eng anliegenden Hose. Schnell zog ich mir die Sachen an und setzte mich dann vor den Spiegel, um mit dem Schminken anzufangen. Währenddessen hörte ich auch Reita nach oben kommen, nachdem er wohl unten noch seinen Kaffee ausgetrunken hatte und sah durch den Spiegel, wie er seine Zigaretten zurück in seinen Rucksack stopfte und noch seine restlichen Klamotten. Dann zog er sich neue heraus. Eigentlich nichts anderes, als er auch sonst immer trug. Ein schwarzer Kapuzenpulli mit der Aufschrift ‚Anti Hip-Hop Alliance’, eine zerrissene, weite, schwarze Hose und sein Nasenband, das er den ganzen Morgen noch nicht umgelegt hatte. Etwas musste ich grinsen, als er sich aufs Bett pflanzte und mir beim Schminken zuschaute. „Interessant, ne?“, grinste ich, als ich gerade dabei war meine Augen mit Eyeliner zu umranden und dabei krampfhaft versuchte still zu halten. „Wofür machst du dich eigentlich so schön?“, fragte er, als er eine Kreuzkette aus dem vordersten Fach seines Rucksacks zog und sie sich umlegte. Dann hörte ich, wie er ein kleines Döschen öffnete – wahrscheinlich Lidschatten. „Für dich doch immer, Baby“, kam es nur leise von mir, da ich mich konzentrieren musste, damit ich meinen Lidschatten nicht verschmierte. Tja, schon eine hohe Kunst sich zu schminken, besonders als männliches Wesen. Aber ich hatte es ja nie anders gemacht. Ich konnte ihn lachen hören, hatte dann endlich beide Augen fertig geschminkt und griff dann nach einem Kamm, um mir die Haare etwas zu toupieren und sie mit Haarspray zu fixieren. Reita allerdings schien seine Haare heute nicht stylen zu wollen. Brauchte er auch eigentlich nicht, da er allein mit den schwarz umrandeten Augen und den glatten, blondschwarzen Haaren gut genug aussah. Im Gegensatz zu mir, denn ich hasste es ja bekanntlich, wenn ich nicht perfekt aussah und wenn ich nicht gestylt war, sah man meine winzigen Pickelchen auf der Stirn und natürlich die leichten Augenringe. Alles Dinge, die nicht wirklich schön machten! Als ich endlich fertig war, spürte ich, wie mir jemand die Haarsprayflasche aus der Hand nahm und sich an meinen Rücken schmiegte. Ich hatte gar nicht gesehen, dass Reita sich hinter mich gesetzt hatte in meinem kleinen Spiegel. Umso wohliger seufzte ich auf und umschlang seine Hände mit meinen, als sie sich auf meine Brust legten und sanft darüber streichelten. Dann verflocht er seine Finger mit meinen. „Sorry“, flüsterte er leise, „ich hab grad irgendwie ne Melancholische…“ Ich musste schmunzeln und lehnte mich leicht zurück an seinen Körper, legte den Kopf auf seine Schulter. Auch ich hatte irgendwie meine melancholische Phase, zumindest im Moment, somit wusste ich wohl, wie er sich gerade fühlen musste. Es war dieses Gefühl, wenn einfach alles um einen herum und auch an einem sich scheiße anfühlte, obwohl doch alles in Ordnung war. Mein Körper war in Ordnung, ich hatte Reita bei mir und mein Zimmer war seit langem mal wieder etwas aufgeräumter. Und trotzdem fühlte ich mich irgendwie mies, so sinnlos und falsch in meiner eigenen Haut. „Und was jetzt?“, fragte ich leise an seinem Ohr, wobei ich es leicht mit meinen Lippen berührte und seufzte etwas. Ich konnte fühlen, wie sich eine Gänsehaut auf seinen Armen bildete, da ich mit einer Hand darüber streichelte und spürte die raue Oberfläche seiner Haut und die feinen Härchen, die sich aufgestellt hatten. „Warten, bis es weg ist?“, lachte er, „Aber dafür haben wir keine Zeit. Ich will das mit Saga heute noch klären…“ „Verständlich“, antwortete ich ihm und knabberte noch einmal kurz an seinem Ohr, ehe ich von ihm abließ und aufstand, um meine Schlafsachen, ein paar Klamotten und Schulsachen in einen Rucksack zu packen – nur vorsichtshalber und damit ich nicht noch mal zurück nach Hause musste, wenn ich bei Saga bleiben konnte – und mich dann mit Reita auf den Weg nach unten zu machen. Dort setzte ich mich auf den Boden, um mir die Schuhe anzuziehen und mein Freund tat es mir gleich. Beide schwiegen wir einander an. Irgendwie war es insgesamt eine seltsame Situation, in der wir gerade steckten. Wir beide trugen wohl innerlich einen Konflikt mit uns selber aus und stritten uns mit unseren Gewissen darüber, was wir nun am besten tun sollten. Ich wusste nicht, ob ich eine Lösung für mein Problem finden würde, aber dass ich notfalls auch auf der Straße schlafen würde, wenn keine Bleibe für mich zu finden war, war mein kleinstes. Eher dachte ich darüber nach, ob mein Freundeskreis auch wirklich mein Freundeskreis war, wie ich ihn mir vorstellte. Ich hatte nichts gegen die Leute, im Gegenteil, aber irgendwie war es noch immer so, dass wir uns im Grunde fremd waren. Außer Reita und Saga war mir wirklich keiner von ihnen schon so richtig ans Herz gewachsen. Mit Sakito hatte ich wahrscheinlich einfach nur zu wenig zu tun. Und bei Dai machte ich mir schon ab und zu meine Gedanken, was an ihm faul sein konnte. Immerhin war er mir bis heute nicht geheuer und eigentlich hatte ich mich von solchen Leuten prinzipiell immer fern gehalten. Mit Ni~ya hatte ich bis jetzt wirklich gar nichts am Hut gehabt. Und Tora… hatte mir einfach nur am Arsch geklebt, jedes Mal, wenn er mir in der Pause über den Weg lief. Aber da spukte noch wer in meinem Kopf herum. Der zwar nicht zu meinem Freundeskreis gehörte, aber trotzdem einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Und der war mit Sicherheit kein guter gewesen. Dieser Jemand war klein und blond und hieß Kyo. Und meines Erachtens eine ziemliche Kanalratte. Seltsamer Typ eben. Ich hatte wirklich viele neue Leute kennen gelernt und wusste mittlerweile sogar, wen ich auf der Straße grüßen konnte und wen nicht, denn irgendwen traf man ja immer und ich erinnerte mich noch an viele Gesichter von den Feten, wo ich bisher gewesen war. Schließlich wurde ich ja auch zurück gegrüßt. Aber ich würde wohl noch eine kleine Weile brauchen, bis ich mich wirklich in diese Szene integriert fühlen konnte. „Ist er im Wohnzimmer?“, fragte Reita leicht angesäuert und sein Blick ließ Tora, der unschuldig schauend in der Tür stand, einen Schritt zurückweichen. Tora sah ziemlich fertig aus, wie ich fand. Er war blass und hatte leichte Augenringe. Scheinbar hatte er sich die ganze Nacht über mit Saga rumgeschlagen. Und ‚schlagen’ traf es auch, denn ein Auge war blau und seine Wange leicht gerötet. Hatte Saga ihn also versucht zu schlagen, als er ihm die Spritze weggenommen hatte? Reita würde ihn schon noch ausquetschen und ich würde es bald erfahren, denn er schob sich an Tora vorbei, nachdem dieser genickt hatte und ich umarmte den schwarzhaarigen wenigstens kurz, um ihm nicht das Gefühl zu geben, dass er nur Nebensache war. Immerhin hatte er Saga gefunden und wäre er nicht gewesen, wäre Saga jetzt wohl schon beim lieben Gott und würde im wahrsten Sinne des Wortes auf die Welt scheißen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es angefangen hatte zu regnen… „Sitzt da, ja…“, murmelte er eher zu sich selbst, denn Reita war schon längst bei Saga am Sofa und nahm ihm die Wodkaflasche aus der Hand, packte ihn bei den Schultern und sprach wohl ein paar energische Worte zu ihm, denn Saga schaute augenblicklich weg und biss sich auf die Unterlippe. „Was war denn?“, fragte ich Tora vorsichtig, der noch immer an der Wand lehnte und sich über die Schläfe rieb. Ich hatte ja richtig Mitleid mit ihm. Wenn ich mir vorstellte Reita beim Selbstmordversuch zu finden wurde mir ja richtig schlecht! Ich wusste, dass Tora Saga wirklich ziemlich gern gewonnen hatte, das sah man ihm gleich an, wenn er zu Saga rüberschaute. Tora hatte sich mit Sicherheit in den brünetten verschossen. „Ich frag mich, wie er auf die Idee mit dem Desinfektionsmittel gekommen ist“, murmelte er und schaute wieder zu Boden, „er hätte das auch schneller erledigen können…“ Da hatte er Recht. Mir hatte sich schon einmal die Frage gestellt, wieso er sich nicht einfach die Pulsadern aufgeschnitten oder mit Schlaftabletten umzubringen versucht hatte. Da hätte er nur noch knapp eine Stunde gehabt, vielleicht sogar noch weniger. Aber so eine Blutvergiftung? Das dauerte doch Stunden, bis man davon starb… „Vielleicht wollte er gefunden werden“, stellte ich es einfach so in den Raum, woraufhin Tora zu mir aufschaute und mich fragend musterte. „Hä?“ „Denk doch nach“, meinte ich matt, „warum sollte er ne Methode nehmen, die nicht bombensicher ist? So Schlaftabletten oder so kriegt man bei hoher Dosis auch nicht mehr so schnell ausgepumpt und finde erstmal nen Blutspender, der genug hat um damit zwei zu durchbluten…“ Eine halbe Stunde und Saga wäre hops gegangen, da war ich mir sicher. Wenn man sich die Pulsadern tief genug aufschnitt, hatte man eigentlich die Garantie zu sterben… „Warum denn gefunden werden? Meinst du er wollte nur Aufmerksamkeit oder was? Hallo, er hat versucht sich umzubringen! Selbstmord! Das muss man ernst nehmen!“, pfiff er mich plötzlich an und ich blinzelte nur etwas irritiert, wusste im ersten Moment gar nichts zu erwidern. „Maul halten und herkommen, Tora!“, brüllte Reita plötzlich aus dem Wohnzimmer und ich sah noch, wie Saga scheinbar weinend auf der Toilette verschwand. Was hatte Reita ihm denn jetzt erzählt? Hatte er ihn jetzt wegen dem Selbstmordversuch angemacht? Ich schaute zu Tora, der irgendwie noch kleiner wirkte als vorher und wie er ins Wohnzimmer ging, wo Reita aufgebracht aufstand und ihm beim Kragen packte. Sofort legte sich in meinem Kopf ein Schalter um und ich folgte dem schwarzhaarigen, stellte mich schon mal bereithaltend daneben. „Warum hast du nicht besser aufgepasst, du Spasti?! Warum hast du den überhaupt an den Alk rangelassen, huh?!“, schrie er Tora an, der wohl dazu ansetzte sich zu rechtfertigen, doch er ließ ihm keine Chance. Tora tat mir schon irgendwie leid… „Was kannst du eigentlich außer anderen das Hirn rauszuvögeln?! Wahrscheinlich hast du dich schon dämlich gefickt und kriegst nicht mal mit, wenn deine Flamme versucht hops zu gehen!“ Langsam wurde es mir zu viel. Reita schubste Tora von sich und schaute ihn verächtlich an, als dieser gegen die Sofalehne knallte und sich gerade noch halten konnte. „Rei, hör auf damit!“, ertönte dann plötzlich Sagas Stimme von richtung Toilettentür, wo er mit tränenverschmiertem Gesicht stand und schniefte, „Tora kann da nichts für, okay? Was, wenn er mich nicht gefunden hätte? Dann wärst du mich jetzt los! Und außerdem hat er nicht die Pflicht auf mich aufzupassen, immerhin weiß ich, was ich tue!“ „DU WOLLTEST DICH UMBRINGEN, DU VOLLIDIOT!“, schrie Reita und ich konnte es in diesem Moment nachvollziehen, denn da hatte er vollkommen Recht. Saga hatte versucht sich das Leben zu nehmen und da sagte er von sich selbst, dass er wusste was er da tat? Tora war währenddessen zu mir geflüchtet und zupfte nervös am Saum meines Hemdes, schluckte ab und an hörbar, während Reita und Saga sich weiter stritten. „Jetzt hör doch auf, ich lebe doch noch“ „Aber nur, weil Tora dich gefunden hat! Warum hast du auch –“ „Ja, und warum beschuldigst du ihn jetzt, dass er besser hätte aufpassen sollen?! Wie denn, er ist doch kurz vorher erst gekommen!“ „Aber du hast doch gesagt er war schon bei dir, als du angefangen hast dich zu besaufen!“ Mittlerweile wurde auch ich aggressiv und das nicht zu knapp. Reita hatte ja schon irgendwie Recht, aber er hatte nicht das Recht Tora deshalb zu beschuldigen. Deshalb trat ich hinter ihn und legte beide Hände auf seine Schultern, um ihn von Saga wegzuziehen und aufs Sofa zu drücken. „Jetzt komm mal wieder runter“, sagte ich beherrscht ruhig und sah zu, wie sich gemischte Gefühle über seine Gesichtszüge schlichen. Scheinbar überlegte er gerade, was er nun tun oder antworten sollte, doch es ließ mich nur seufzen und so setzte ich mich neben ihn und hielt ihm einfach einen Finger an die Lippen. „Halt einfach mal für ne Minute deine Klappe, hai?“ Ich spürte ihn nicken, als ich zu Saga aufschaute und zu meiner Frage ansetzte. „Verspürst du noch das Bedürfnis das noch mal zu tun?“, fragte ich ganz sachlich, was Tora gleich einen erschrockenen Laut entlockte und Reita sich schon wieder bewegte, wahrscheinlich zum Sprechen ansetzen wollte, doch ich hielt ihm einfach ganz dreist den Mund zu und schaute Saga ernst an. Dieser räusperte sich und senkte kurz den Kopf, man hörte ihn noch mal schniefen. „Glaub nicht…“ „Und wenn doch, scheiß ich dich ordentlich zusammen und dann überlegst du dir das zweimal…“ Ich wusste ja, dass es eine ernste Situation war, doch ich hasste sowas und wollte endlich wieder Normalität einkehren lassen. Warum zogen alle überhaupt noch so ein Gesicht? „Ich meine, es ist passiert und es kann keiner was dran ändern…“ „Hast Recht“, stimmte mir Tora irgendwann zu und setzte sich auf den Tisch vor uns, nahm sich die Wodkaflasche und trank einen Schluck daraus, reichte sie Reita, der ebenfalls zu trinken begann. „Machen wir was aus dem Tag“, meinte Saga irgendwann und stellte den Fernseher lauter, wo ein Sender mit Rockmusik lief und ging in die Küche, um noch ein paar Flaschen Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Fand ich irgendwie gut, die Idee. Reita schaute ihm zuerst etwas verdutzt nach, was mich schmunzeln ließ, aber dann wendete er sich wieder mir zu, da ich nach seiner Aufmerksamkeit verlangte, indem ich eine Hand auf seine legte und kurz mit dem Daumen darüber kratzte. „Jetzt sei nicht mehr sauer“, flüsterte ich leise, „es tut ihm ja leid, was er getan hat. Vielleicht braucht er jetzt ernsthaft n bisschen Unterstützung…“ Eigentlich wusste ich selbst, dass meine Worte nur eine Entschuldigung für Saga waren, die überhaupt nicht gerechtfertigt war. Ich kannte mich schon etwas besser mit der menschlichen Psyche aus, als dass ich nicht behaupten konnte, dass Sagas angeblicher Selbstmordversuch nur ein stummer Schrei nach Aufmerksamkeit und Hilfe gewesen war. Ich hatte das alles schon so oft im Fernsehen gesehen und darüber gelesen, sogar in der Schule darüber gelernt. Aber vielleicht hatte man Saga ja auch die ganze Zeit einfach nur zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, was seine Probleme angingen. Es sollte ja Menschen geben, die wirklich sensibel waren und dringend mit anderen über ihre Probleme reden mussten. Sie brauchten jemanden, der ihnen zuhörte, davon waren sie abhängig. Aber gerade diese kamen eigentlich am besten zurecht mit ihren Problemen, denn es waren meistens ja doch die Leute, die ihre Probleme verschwiegen und daran zerbrachen und irgendwann zum Messer griffen. Saga schätzte ich als eben so einen ein. Aber eigentlich war er selber Schuld, wenn er sich nicht entlastete… Reita schaute mich auf meine Worte hin kurz an, lächelte dann aber leicht und nickte. Währenddessen war Saga auch schon aus der Küche zurück, stellte die Flaschen vor uns auf den Tisch und schmiss einen Flaschenöffner hin, ehe er sich neben Tora auf das Sofa gegenüber setzte. Reita war der erste, der sich ein Bier nahm und trank einen großen Schluck draus. „Ey“, hörte ich Tora irgendwann sagen, schaute zu ihm und blinzelte, wartete, dass er weiter sprach. „Wie lang seid ihr eigentlich schon zusammen?“ Ich schluckte kurz. Eigentlich hatte ich noch immer keine Ahnung, welchen Zeitraum Reita jetzt eigentlich als unser ‚Zusammensein’ ansah, denn für mich waren es nun knapp zwei Wochen. „Etwas mehr als zwei Wochen“, antwortete mein Freund dann auch, „find ich immer total klasse, wenn man sowas gefragt wird. Dann kann man immer so tun wie die verliebten Girlies und damit angeben und rumquietschen!“ Augenblicklich mussten Tora und Saga loslachen und ich zog nur prustend einen Schmollmund auf, haute ihn mit einem von Sagas Sofakissen. „Ey, was haust du mich?! Was hab ich gemacht?!“, grinste er und nahm mir das Kissen weg, hielt meine Handgelenke fest und das nicht gerade locker. „Verarsch unsere Beziehung nicht, sonst bist du mich schneller los als du quietschen kannst“, grinste ich, woraufhin er mir einen Kuss aufdrückte und nachträglich so richtig schön in meine Unterlippe biss. „Aua…!“ „Nur am rumturteln“, hörte ich Saga seufzen und schaute zu ihm rüber, wie er an seiner Bierflasche hing und sogar beim Trinken grinste. Musste ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben, bloß weil Saga das mit Tora nicht machen konnte einfach so? Warum traute er sich eigentlich nicht? Immerhin hatten sie was miteinander gehabt, das konnte jeder Blinde sehen! „Ihr nicht? Habt ihr noch nicht gefickt?“ Plötzlich starrte alles nur Reita neben mir an und er blinzelte. „Was denn?“, fragte er unschuldig. Tora fing plötzlich an zu grinsen und schaute kurz zu Saga rüber, ehe er sich ebenfalls ein Bier nahm. „Was denn jetzt?“, bohrte Reita nach und sah Saga auffordernd an, welcher allerdings leise grummelnd den Kopf wegdrehte. „Dass du immer so direkt sein musst, ne?!“, murrte er, seufzte dann aber, „Ja wir haben gefickt. Und?“ Und jetzt schien Reita hellwach zu sein. Während ich dem Gespräch nur schweigend folgte und ab und an schmunzelte, quetschte er sie regelrecht aus über alles. Ausnahmslos. „Solange du die Stellung nicht wissen willst…“, grinste ich ihn irgendwann von der Seite an, was ihn allerdings zu einer weiteren Frage zu verleiten schien. „Gute Frage! Wer war denn oben?“, grinste mein Freund, trank seine Bierflasche leer und lehnte sich vor, hatte wieder diesen neugierigen Blick drauf. „Geht auch noch ins Detail!“, fluchte Saga leise, grinste dabei aber und schielte kurz wieder zu Tora, dann aber wieder zu uns. „Er war oben…“ „ER?!“, wiederholte Reita plötzlich und fing breit zu grinsen an. „Was denn? Was ist denn?“, wollte ich aufgeregt wissen, als mein Freund große Augen machte und wie bescheuert auf dem Sofa hibbelte. Was war denn daran bitte so besonders? Ich hatte Saga ja schon immer für uke gehalten! „Hallo, warum lachst du jetzt? Nur weil ich mich sonst nie ficken lasse?!“, verteidigte sich Saga gleich und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe er von Tora zu sich gezogen wurde, der ihm ganz nah kam und grinste. „Dafür dass du das sonst nicht tust hast du aber gut mitgemacht“, hörte man ihn nur leise sagen, woraufhin Saga knallrot wurde und wegschaute. Während ich lachte beobachtete ich Saga genauer. Ich wusste, dass er etwas zu überspielen versuchte mit seinem Verhalten. Allerdings konnte ich mir noch nicht genau denken, was. Das einzige, was für mich sicher war, das war die Tatsache, dass er irgendwas im Hinterkopf hatte bei der Sache mit Tora. Denn Reita hatte mir sicherlich nicht umsonst mal gesagt, dass Saga ein Aufreißer war und nur jeden verarschte. Da musste ja was hinter stecken. Und irgendwie tat Tora mir jetzt schon leid… „Das letzte Mal hast du dich an deinem Geburtstag ficken lassen“, meinte Reita trocken, ehe er sich die zweite Bierflasche aufmachte und ich mir nun endlich auch eine nahm, sie öffnete und direkt einen großen Schluck trank. Geburtstag hatte ich auch bald. Um genau zu sein in drei Tagen. Aber gut, sicherlich hatten sowohl Reita, als auch meine Familie den vergessen und kein Schwein würde sich melden. Oder man würde mich besuchen, während ich mit meinen Freunden unterwegs war… Also beides irgendwie scheiße. Aber am schlimmsten würde es wohl sein, wenn ich gerade mit meinen Freunden feierte und dann irgendwer von meiner Familie auftauchte… Obwohl ich bezweifelte, dass meine Mutter meine Freunde überhaupt ins Haus lassen würde… „Hast du nicht auch bald Geburtstag?“, hörte ich Reita dann fragen und schaute zu ihm, „Meintest du doch letztens im ICQ…“ „Ja, in drei Tagen…“, murmelte ich, woraufhin Reita kurz erschrocken aussah, dann aber grinste. „Okay…“ „In drei Tagen?!“, kam es plötzlich von Saga, der irgendwie auf einmal näher zu Tora gerückt war und die Beine auf dem Tisch hochgelegt hatte, den Kopf nach hinten zu Tora hin auf die Rückenlehne abgelegt. „Ich hab aber gar nichts für dich…“ „Deine Anwesenheit reicht auch“, grinste ich und spielte nebenbei etwas mit Reitas Hand, drehte an seinen Ringen herum und knickte die Finger ein, bis irgendwann einer knackte und ich Reita leise aufschreien hörte. „Willst du mir die Finger brechen? Die könnte ich noch brauchen…“, murrte er und schielte zu mir, woraufhin er einen perversen Gesichtsausdruck machte und auf seine Hand deutete, als ich ihn etwas irritiert anschaute. Und die Bewegung, die er mit Zeige- und Mittelfinger nach oben hin machte, war wirklich zu eindeutig, woraufhin ich empört aufquiekste und seine Hand mit meiner versteckte. „Auf jeden Fall werden wir bei Dai feiern“, warf er dann ein und verflocht unsere Finger miteinander, „keine Widerworte.“ Wie süß er doch sein konnte… „Ihr wollt mitten in der Woche feiern? Feiert doch lieber freitags“, meinte Tora dann, woraufhin Reita sich nur mit der flachen Handfläche gegen die Stirn schlug und einen undefinierbaren Laut von sich gab. „Du Spasti, wir feiern auch nicht Mittwochs! Gefeiert wird freitags…“ Wie gut, dass man mich fragte! Aber eigentlich hatte ich ja nichts dagegen. Es gab da nur ein Problem mit meinen Eltern… Ich wusste schließlich nicht, wann meine Mutter dann wieder meine ganze Verwandtschaft einladen würde. Sicherlich nicht mitten in der Woche, wenn jeder arbeitete. Aber eigentlich kamen auch nie wirklich viele, lediglich die Eltern meines Vaters – wobei ich mich sowieso fragte, ob die nun überhaupt noch kommen würden, da mein Vater ja so gut wie verschwunden war – und meine Tante, sowie mein geliebter, alkoholsüchtiger Onkel. Hatten wirklich ein massives Alkoholproblem in der Familie… Komisch. „Ich sterbe, wenn meine Mutter meine Familie wieder einlädt…“, warf ich einfach mal so in den Raum und legte den Kopf mit leidendem Blick in den Nacken, woraufhin Reita zu lachen anfing. „Würde mich nicht wundern, wenn die sich die Hirnzellen schon so weit weg gesoffen hat, dass sie deinen Geburtstag schon vergessen hat…“ Typisch Reita. Immer irgendein schnippischer Kommentar. Aber er hatte Recht… „Also freitags bei Dai“, stellte Saga noch einmal fest und Reita nickte. Na, das sollte ein Geburtstag werden. Mal einer, an dem ich nicht nur mit Ruki und Aoi feierte, die mich mittags besuchten und mir ein kleines Geschenk vorbeibrachten, das sie wie immer zu zweit bezahlt hatten und mit mir über sinnlose Dinge redeten, wie ich heute fand. Wenn ich an den Anfang meiner Schulgeschichte zurückdachte, wo ich sie kennen gelernt hatte, hatten wir wirklich nur über Scheiße geredet. Nie über die Liebe oder irgendwas, immer nur über Schule und Shoppen und was halt so unsere Hobbys waren. Irgendwann wurde sowas nun mal langweilig. Deshalb war ich gespannt, was diesmal an meinem Geburtstag auf mich zukam und ob mir Aoi und Ruki überhaupt gratulieren würden. Ich wusste, dass es mich nicht stören würde, wenn sie es nicht taten… Später am Abend hatte sich Reita wieder auf den Heimweg gemacht, damit er angeblich am nächsten Tag auch pünktlich aus dem Bett kam wegen Schule. Ich allerdings bezweifelte, dass er überhaupt aufstehen würde. Aber es sollte mich nicht stören, immerhin würde Tora – das hatte er mir versichert – am Morgen mit mir aufstehen und zur Schule gehen. Immerhin musste ich mich da auch mal wieder blicken lassen, sonst benachrichtigten die am Ende noch meine Mutter… Und das konnte ich mir wirklich gut sparen. Man hatte mich heute Nacht verdonnert auf dem Sofa im Wohnzimmer zu schlafen, weil Tora bei Saga übernachten wollte. Eigentlich keine schlechte Idee, da ja irgendwer bei Saga bleiben musste, um darauf aufzupassen, dass er eines Morgens nicht doch tot im Bett lag. Andererseits auch eine ziemlich blöde Idee das ausgerechnet Tora tun zu lassen, denn die beiden raubten mir schon seit einer Viertelstunde den Schlaf. Ob ich eigentlich auch so gestöhnt hatte, wie Saga es wohl gerade tat? Ich konnte mich gar nicht recht daran erinnern, was für Laute ich von mir gegeben hatte, doch an das Gefühl konnte ich mich mit jedem kleinsten Detail erinnern. Nur hatten wir wohl im Gegensatz zu den beiden nebenan etwas sanfteren Sex gehabt… Das hörte sich nämlich irgendwie nach Schmerzen an. Vielleicht stand Saga ja drauf? War mir auch eigentlich recht egal. Selbst wenn, schlimmer als diese ganzen Softpornos, die manchmal abends im Fernsehen liefen konnte es bei den beiden auch nicht zugehen. Dazu war Tora auch irgendwie gar nicht der Typ. Ich hielt ihn eigentlich eher für sanft und einfühlsam… so seltsam das auch klang. Er war keiner von diesen Hardcoresäufern wie Dai oder nahm Drogen. Eigentlich schien er mir ziemlich ähnlich zu sein. Er trank selten, aber wenn, dann war er auch wirklich voll bis zum Gehtnichtmehr. Und bei Sagas und seinem Date hatte er ihn sicherlich auch abgeschleppt und ins Bett bekommen, so, wie jetzt, denn Saga war doch ziemlich angetrunken gewesen… Und irgendwie hatte ich ja schon Lust mal ins Schlafzimmer zu spicken, doch lieber ließ ich das bleiben, denn am Ende schmiss Saga mich noch raus oder fragte mich, ob ich mitmachen wollte…! Das traute ich ihm im betrunkenen Zustand irgendwie schon zu. Nein, ich verzichtete dann doch lieber. Aber auch aus einem anderen Grund schaute ich lieber nicht durchs Schlüsselloch – wobei ich sowieso nicht sehen würde, wie ich mir vorstellen konnte, da ja alles dunkel war. Ich wollte wirklich ein großes Problem zwischen meinen Beinen vermeiden, wenn ich die beiden mitten beim Akt sah. Schon jetzt hatte ich ja Mühe zu vermeiden, dass sich bei mir etwas regte, weil sich aus irgendeinem unerfindlichen Grund Bilder in meinem Kopf formten und vor meinem inneren Auge herumschwirrten. Warum nur ging mir Reita nicht mehr aus dem Kopf? Und dann auch noch in einem derartigen Zusammenhang…?! Nein, nur nicht drüber nachdenken, redete ich mir immer wieder ein. Ich würde schon noch bis zu meinem nächsten Mal mit ihm warten, denn lieber kam ich durch seine Hand, als durch meine. Es hatte sich einfach mal tausendmal besser angefühlt und wenn ich ehrlich war, wollte ich dieses Gefühl so bald wie möglich wieder spüren. In dem Sinne war es also schon beneidenswert, dass Saga sich da nebenan gerade vögeln lassen konnte und ich hier allein auf meinem Sofa lag. Und mit diesem Gedanken verabschiedete sich mein Verstand in viele, kurze, nicht-jugendfreie Träume… © Kapitel 23: Von Rückkehr und ihren Folgen ----------------------------------------- -23- Von Rückkehr und ihren Folgen Mittlerweile war ich es kaum mehr gewohnt, dass ich so früh am Morgen aufstehen musste, um in die Schule zu gehen. Tora hatte mich wach gemacht und sich gleich darauf erstmal einen Haufen Toasts geschmiert, wobei ich mich fragte, wie er bei der Menge an fettreichem Aufschnitt noch immer so dünn aussehen konnte. Der musste doch aufgehen wie ein Hefeteig…! Saga hatte er schlafen lassen, angeblich ging es ihm am Morgen wohl nicht allzu gut und ich hatte gleich einen wissenden Blick aufgesetzt und einen schnippischen Kommentar abgegeben, von wegen ich könnte mir denken, woran das wohl lag. Sein Gesicht hätte man fotografieren müssen! So richtig schön ertappt eben. Jedenfalls gehörte es nicht gerade zu meinen morgendlichen Gelüsten mich zu duschen, anzuziehen, zu schminken, zu frisieren und dann zur Schule zu gehen. Früher hatte ich sie immer gern besucht wegen Aoi und Ruki, heute allerdings nervte sie mich nur noch, viel lieber wäre ich mit Reita und den anderen zur Schule nebenan gegangen, damit ich wenigstens etwas anständige Gesellschaft bei mir hatte. Spießerschulen hatten schon so seine Nachteile. Genervt seufzte ich, als ich nach meiner Hose suchte, die man in diesem Chaos wohl noch Stunden hätte suchen können und so entschied ich mich einfach eine andere anzuziehen. „Suchst du die hier?“, hörte ich Toras Stimme dann aus der Küche, ich drehte mich um und fragte mich im selben Moment, warum eigentlich jeder in dieser Wohnung wusste, wohin meine Sachen verschwanden, außer ich. Saga hatte diese Schote nicht nur einmal gebracht! „Her damit“, seufzte ich, ließ mir die Hose also zuwerfen und war nun endlich nicht mehr nur mit Hotpants bekleidet, schnappte dann mein Oberteil und schlüpfte hinein, ehe ich mich daran machte meine noch nassen Haare zu föhnen. Es war schon eine Qual sich um acht Uhr morgens aus dem Bett zu quälen, um sich einzig und allein auf nervige Lehrer, bescheuerte Klassenkameraden und verrückt gewordenen Schülern vorzubereiten, weil plötzlich alle der Meinung waren, dass der neue Look überhaupt nicht zu einem passte und sie lieber wieder das Mobbingopfer zurück hätten. Natürlich sagten sie das nicht offen, aber ich wusste, was sie alle über mich dachten. Sollten sie doch, es war nicht mein Problem. Sollten sie über mich lachen und mich hinter meinem Rücken fertig machen – solange sie nicht handgreiflich wurden konnte es mich kalt lassen. Schließlich war ich nun nicht mehr der Uruha von früher, ich hatte mich verändert. Und zum Vorteil, wie ich fand. „Willst du auch was essen?“ Ich verneinte Toras Frage, der sich gerade seinen letzten Toast in den Mund schob und kam zurück ins Wohnzimmer, stellte den kleinen Spiegel vom Sideboard im Wohnzimmer auf den kleinen Tisch vorm Sofa, nahm meine Schminktasche zur Hand. Der lustigste Teil daran mein Aussehen zu verändern, weil es mich einfach überhaupt nicht mehr männlich aussehen ließ. Heute würde ich schocken, heute würde ich mich auffälliger schminken, heute würde ich ignorieren, dass mich alle als Schwuchtel bezeichnen würden. Sie sollten sehen, dass ich mich verändert hatte! „Soll ich dir die Haare nebenbei machen? Dann dauert das nicht so lang…“ Ich nickte und machte einen bejahenden Laut, ehe ich weiter versuchte den Lidstrich gerade zu ziehen mit meinem Eyeliner. Gar nicht so einfach. Als das geschafft war, malte ich vorsichtig meine Lidfalte, während ich spürte, wie Tora mit einem Kamm meine Haare leicht auftoupierte und mit Haarspray fixierte. „Ich glaub dieses Jahr bleib ich sitzen“, hörte ich Tora sagen, ich schielte durch den Spiegel kurz zu ihm und blinzelte. „Schon wieder?“ „Ich bin voll scheiße“, seufzte er, „ich hab nie Hausaufgaben, ich kann nichts und ich weiß auch nichts. Nur weil meine scheiß Mutter der Meinung war ich würde die Oberschule schaffen…“ „Meine auch“, sagte ich trocken, trug dann den Lidschatten auf und schaute ab und an, was er mit meinen Haaren machte und ob es auch in Ordnung war. Ich konnte nicht klagen. Tora würde ich wohl öfter an meine Haare lassen. „Warum bist du eigentlich nie zuhause?“ Diese Frage störte mich ziemlich. Eigentlich hatte ich nicht vor sie zu beantworten, besonders nicht so früh am Morgen. Und ich war auch nicht gerade erpicht darauf, dass er gleich meine ganze Lebensgeschichte kannte. „Warum bist du nie zuhause?“, stellte ich also die Gegenfrage, woraufhin er zu merken schien, dass ich nicht wirklich darüber sprechen wollte. Das Thema gefiel mir nicht. Der einzige, mit dem ich darüber sprechen konnte, war und blieb nun mal Reita, denn er hatte Ahnung davon. „Weil meine Mutter scheiße ist, hab ich doch gesagt!“ „Aha…“ „Willst du nicht reden, Uru?“ „Nö…“ Dreiste Antwort an einen dreisten Gesprächspartner. Eigentlich war es ja nicht sehr nett von mir, dass ich ihn derart anfuhr und das auch noch ohne wirklichen Grund, denn er konnte ja nichts für meine bescheuerte Familie. „Dann halt nicht…“ Wirklich nicht sehr nett von mir. Aber wenn Rei nicht dabei war, war ich halt ein Morgenmuffel. Ich fragte mich, ob ich eigentlich zu viel über ihn nachdachte oder von ihm redete. Nervte es die anderen? Nein, das konnte gar nicht, heute Morgen hatte ich noch kein Wort über Rei erwähnt, oder? Eine Viertelstunde später waren wir beide eigentlich fertig, um die Wohnung zu verlassen. Hoffentlich würde Rei heute Morgen auch zur Schule gehen, dann würde ich wenigstens nicht mit Aoi und Ruki allein Bus fahren. Gut, Tora war heute ausnahmsweise auch mal dabei, denn eigentlich wohnte er in entgegen gesetzter Richtung von der Schule aus, aber wirklich besondere Gesellschaft war er nun auch nicht. Nett, aber mir nicht besonders vertraut. Noch immer nicht. Gott, manchmal konnte ich echt ne Diva sein… „Man, Tora, kommst du jetzt endlich?“, rief ich ins Wohnzimmer zurück, in dem der schwarzhaarige noch immer wuselte und eilig versuchte seinen Kaffee auszutrinken, während er dabei war sich die Schuhe zuzubinden. Und ich dachte immer ich wäre langsam, schoss es mir in dem Moment durch den Kopf. Warum musste auch nie alles halbwegs ordentlich laufen…? Ich sah es schon kommen, dass wir den Bus eine Viertelstunde später nehmen mussten und wir zu spät zum Unterricht kamen. Endlich setzte Tora sich in Bewegung, zog im Laufen noch seine Jacke über und schnappte sich seine Tasche, woraufhin wir uns auf den Weg nach unten aus dem Gebäude heraus machten. Wieder einmal musste ich feststellen, dass es morgens eindeutig zu kalt draußen war, woraufhin ich meine Jacke enger um mich zog. Eigentlich war es doch Juni… War nicht viel, was Tora und ich uns auf dem Weg zur Bushaltestelle zu sagen hatten. Was sollte ich auch großartig mit ihm besprechen? Mir war sowieso aufgefallen, dass ich nicht wirklich dieselben Gesprächsthemen hatte, wie früher. Früher hatten Ruki, Aoi und ich uns über belanglose Dinge unterhalten, wie zum Beispiel die Schule oder dumme Leute aus unserem Jahrgang. Heute unterhielt ich mich über Dinge, die Spaß machten, wie Saufen, Freunde, Beziehungen, wir lästerten und irgendwie waren sogar die kleinen Probleme in meinem Freundeskreis was Besonderes, wie ich fand. Zwar nicht immer die tollsten Umstände, aber trotzdem irgendwie spannend. Es dauerte nicht lang, bis wir um die Ecke liefen und ich die Bushaltestelle bereits aus einiger Entfernung sehen konnte. Dort standen drei Gestalten rum, woraus ich einfach mal schloss, dass sowohl Aoi, Ruki, als auch mein Freund anwesend waren. Sollte mich nicht stören, letzteres war sowieso eine Art Beruhigung für mich, denn allein hätte ich bei Ruki oder Aoi wohl wieder einen Ausraster bekommen. Mein Schritt wurde etwas schneller, als die drei Personen langsam Gestalt annahmen und ich statt Aoi Sakito erkennen konnte, der mit Reita auf der kleinen Bank saß und wartete. Hätte mich auch gewundert, wenn Aoi an dieser Haltestelle eingestiegen wäre. Ruki stand weiter abseits am Zaun, versuchte scheinbar so zu tun, als sei er gar nicht da. Ich wusste, dass er Angst vor Reita hatte. Wahrscheinlich hielt er ihn für einen Schläger und einen Macho, aber ich kannte ihn schließlich besser und wusste, dass er keines von beidem war. Lächerliche Vorstellung. Vielleicht hatte Reita sich ab und an mal geschlagen, aber derart…? Mit jedem weiteren Schritt wurde das kleine Lächeln auf meinen Zügen sichtbarer, bis ich schließlich an der Bushaltestelle angelangt war und mit einem ebenso süßen Lächeln seitens Reita empfangen wurde. „Na, Schönheit?“, grinste er, erwiderte meinen kleinen Kuss und ich setzte mich gleich neben ihn. Warum herrschte bloß so eine komische Atmosphäre? Sakito hielt wie immer den Mund, grüßte mich nicht mal und weiter hinten stand ein ziemlich deprimiert aussehender Ruki. Wunderte mich nicht. Aber geschah ihm recht. „Tora“, grüßte Reita den Angesprochenen und dieser blieb vor ihm stehen, begann sich mit ihm zu unterhalten. Natürlich über nichts anderes als das, was Tora und Saga die Nacht über getrieben hatten. Und natürlich hatte Ruki auch gleich nach den ersten Worten interessiert zu uns rüber geschaut. Verschmitzt lächelte ich und deutete eine Handbewegung an, die mehr als eindeutig war. Ich streckte Zeige- und Mittelfinger aus und imitierte damit eine kurze Stoßbewegung nach oben, sodass Ruki plötzlich beschämt seinen Kopf abwendete und sich auf die Lippe biss. Und ich konnte nicht anders als darüber schmunzeln. „Was lachst du so?“, fragte Reita mich von der Seite, schielte ebenfalls kurz zu Ruki, ehe er mich wieder sehr interessiert musterte. „Schon gut“, grinste ich und stand auf, da im nächsten Moment der Bus bereits zu sehen war und ich holte meine Fahrkarte aus der Jackentasche. Ob Aoi auch in den Bus steigen würde? Wenn ja, fragte ich mich ernsthaft, ob er mich überhaupt noch ansehen würde. Er hatte sich nun ewig nicht mehr gemeldet oder sich sehen lassen, auch war ich ihm nirgends über den Weg gelaufen. Ich fragte mich, wie man so kindisch sein konnte und den einst besten Freund so verurteilen, nur weil er ein paar Freunde gefunden hatte, die seinem Geschmack nicht entsprachen. Ich wusste nicht, was Aoi konkret für ein Problem mit meinen Freunden hatte… Aber es war nicht meine Sache. Kurz warf ich einen Blick zu Sakito, der die ganze Zeit über verdächtig still gewesen war, stellte fest, dass allerdings alles in Ordnung zu sein schien. Ich konnte mir gut vorstellen, wie deprimiert er war. Ob ich ihn darauf ansprechen sollte…? Ich stieg in den Bus und zeigte kurz meine Fahrkarte vor, ehe ich nach ganz hinten lief, wo der Viererplatz noch frei war und vertraute darauf, dass die anderen mir folgten. Gleich nachdem ich mich gesetzt hatte stieg Sakito die kleine Stufe aus dem Gang heraus und wollte sich mir gegenüber hinsetzen, doch ich zupfte kurz an seinem Ärmel und deutete auf den Platz neben mir. Verwundert schaute er mich an, aber setzte sich nach kurzem Zögern dennoch. Auch Reita musterte mich kurz verwundert, ließ sich dann aber mir gegenüber nieder und machte Tora neben sich Platz. „Alles klar mit dir?“, fragte ich Sakito leise, lehnte mich etwas zu ihm rüber, damit er es trotz des lauten Motors noch verstehen konnte. Alte Busse waren wirklich unpraktisch zum Reden… aber praktisch zum tuscheln. „Warum?“, bekam ich die Gegenfrage und einen ziemlich nüchternen Blick, doch sein Tonfall klang ein wenig zickig. „Wegen Ni~ya?“ „Halt’s Maul, Uruha…“, murmelte er nur leise und legte plötzlich den Kopf auf meine Schulter, lehnte sich an. Ich war verwundert. Aber vielleicht war das auch nur seine Art zu sagen, dass er mir dankbar war, dass ich überhaupt fragte? Durfte ich weiterfragen? Wahrscheinlich war Sakito auch einer dieser Menschen, die nur sagten, dass ich die Fresse halten sollte und eigentlich gar nichts dagegen hatten, dass ich weiterfragte. „Du hast noch mal mit ihm gesprochen…?“, fragte ich vorsichtig, lehnte meinen Kopf dann an seinen, damit er mich besser verstand. Ich spürte sein Nicken nur, da ich nicht hinschaute und Reitas Blick mir gegenüber erwiderte. Er schien nicht begeistert von dem, was Sakito da machte, doch wer konnte es ihm verübeln? Saga hatte nicht umsonst einmal erwähnt, dass Sakito eine Schlampe gewesen war… und gewundert hätte es hier wohl niemanden, wenn er wieder in alte Muster verfiel, nachdem er Ni~ya los war. Doch er schenkte mir noch ein kurzes Lächeln, ehe er sich wieder dem Gespräch mit Tora zuwendete. „Ich hab ihn nicht mal mehr zu Gesicht bekommen…“, hörte ich Sakitos Antwort, und schon im nächsten Moment hielten wir an der nächsten Haltestelle, um die nächsten einzusammeln. Unter anderem Aoi. Natürlich erblickte er mich sofort mit meinen ‚falschen Freunden’ im hinteren Teil des Busses, schenkte mir einen arroganten Blick und setzte sich zu Ruki, begann sofort sich angeregt mit ihm zu unterhalten. Irgendwie benahmen sie sich beide wie kleine Kinder, die sofort über alles lästerten, was ihnen nicht passte, komisch erschien oder einfach nur in ihren Augen unglaubwürdig war. Aber wer konnte es jemandem verübeln, der eigentlich nichts anderes tat als zuhause zu sitzen, sich mit seiner Freundin zum Videoabend zu verabreden und an Wochenenden vielleicht ausnahmsweise mal auszugehen und ein, zwei Bier dabei zu trinken? Natürlich gingen auch sie saufen, aber mit ihnen hatte man meiner Meinung nach nicht halb so viel Spaß wie mit Reita und den anderen. Aber was war es länger mein Problem? Er hatte sich selbst, seine Freundin und Ruki, ich hatte mich selbst, Reita und die anderen. Was wollte man mehr? „Mies…“, murmelte ich Sakito noch zu, streichelte ihm kurz durchs Haar und ließ dann wieder von ihm ab. Ich schloss müde die Augen und lehnte den Kopf weiter an seinen, spürte die Müdigkeit, die mir diese äußerst kurze Nacht mit auf den Weg gegeben hatte. Ich hatte wirklich selten so scheiße geschlafen. Tora und Saga hatten mich die halbe Zeit wach gehalten und ich hatte nicht jugendfreie Träume gehabt, ich war zigmal wach gewesen und hatte mindestens drei oder viel Mal auf Klo gemusst. Wahrscheinlich würde ich heute ohnehin wieder einschlafen. In meiner Streberklasse allerdings fiel das schon ziemlich auf, besonders in den Stunden, die ich heute hatte… Japanisch, Geschichte und vier Stunden Literaturzusatzkurs… grausam. Warum hatte ich den überhaupt gewählt? Der einzige Grund, der mir dazu einfiel, war, dass Aoi ihn auch gewählt hatte und ich damals wohl in einer sehr bescheuerten Phase gewesen war. Die niemand-ist-wichtiger-als-dein-bester-Freund-Aoi-Phase. Am Arsch… „Wie viele Stunden hast du heute?“, hörte ich Reita irgendwann fragen, ich schaute auf und stellte fest, dass die Frage an mich gerichtet war. Er grinste mich an und stupste mit dem Fuß seines linken Beins, das er auf sein anderes gelegt hatte, immer wieder gegen mein Knie. „Ich glaube fünf“, blinzelte ich, „und danach hätte ich noch Zusatzkurs… aber ich geh nicht hin.“ „Böse“, lachte er, „das hast du aber nicht von mir…!“ „Doch!“ Ich lachte und er tat es mir gleich, schüttelte dann den Kopf und schaute kurz über seine Schulter. Aha, wir hatten die Schule erreicht… Super. Ich konnte also meine Vorfreude förmlich sprießen spüren und wie sie mich innerlich immer weiter erfüllte. Genervt seufzend stand ich auf, schulterte meinen Rucksack und hielt Sakito eine Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Gemeinsam stiegen wir aus dem Bus, wobei Reita gleich meine Hand wieder nahm, nachdem wir das Fahrzeug verlassen hatten. Kurz warf ich einen Seitenblick zu Aoi und Ruki, wobei ersterer mich keines Blickes mehr würdigte und letzterer kurz etwas arrogant zu mir schaute und mir dann den Rücken kehrte. „Wie kann man bitte so verweichlicht und scheiße gleichzeitig sein?“, fragte ich entnervt, erntet dafür einen fragenden Laut von Reita. „Na, hast du nicht gesehen, wie die mich behandeln? Wie Luft… Ich dachte eigentlich immer, dass sie erwachsener wären…“ „Ich rede auch kaum mit den Leuten, die ich nicht leiden kann“, antwortete er mir und zog mich näher zu sich, „weil ich genau weiß, dass ich sie für ihre dämlichen Blicke irgendwann schlagen würde…“ „Aber sie schauen mich ja nicht mal mehr an und wenn sie mit mir reden, sind sie entweder unfreundlich oder fangen gleich an zu heulen… Ruki zumindest…“ „Also“, überlegte er, „das letzte Mal hat Ruki aber nicht zu heulen angefangen… er war irgendwie mehr sauer auf dich…“ Natürlich war er das gewesen! Und zwar nur deshalb, weil er was von mir wollte und ich mit Reita zusammen war…! Und allein der Gedanke, dass er eifersüchtig auf Reita war, machte mich so schadenfroh, wie noch nie. Abgesehen davon, dass Reita sich überhaupt keine Sorgen machen musste, was bei mir das Fremdgehen anbelangte, weil Ruki sowieso nicht mein Typ war… Zu klein, zu schüchtern und viel zu kindisch. Reita war eben das genaue Gegenteil, und das brauchte ich. Wer sollte mir sonst zeigen, wie man es richtig machte? „Wann hast du denn das letzte Mal mit Aoi geredet?“ „Ich glaube das war bei dem Streit“, überlegte ich laut, „auf dem Schulhof… wo ich nachher nach Hause gegangen bin, ohne mich abzumelden…“ „Da machst du dir immer noch Gedanken drüber?“, fragte er fast schon ungläubig, aber sein Grinsen im Gesicht sagte schon genug. Er hielt mich also noch immer für einen Feigling! Als würde ich mir noch Gedanken darüber machen, dass ich wohl von der Schule fliegen könnte, wenn ich schwänzte… und nur, weil es bei mir auf der Schule nicht üblich war. Tora schwänzte auch nie, aber er traute sich wohl nicht… Ich schon! „Als wenn mich das interessiert, was die Lehrer von mir halten…“ „Früher hat’s das“, merkte er an, war aber auf meinen genervten Blick sofort wieder still. Wir setzten uns auf die kleine Mauer am Busbahnhof und Reita holte seine Zigaretten heraus, zündete sich eine davon an. Mir entlockte das allerdings nur einen missmutigen Blick, rückte ein Stück weg von ihm. „Ah, Mensch“, lachte er nur und zog mich wieder zu sich, „jetzt rück nicht weg von mir…!“ „Rauchst du gar nicht?“, fragte Sakito mich überrascht, der neben Tora Platz genommen hatte und zündete sich selbst eine Zigarette an, legte den Kopf schief. Ich schüttelte den Kopf, konnte natürlich etliche Gründe nennen, warum ich es nicht tat, aber ich beließ es dabei. „Und du hast auch nie geraucht?“, fragte Tora, ich schüttelte den Kopf. Eigentlich war mir das Thema viel zu doof. Ich hatte nicht vor damit anzufangen, also sagte ich lieber gleich im Voraus, das sie mir sowas gar nicht erst anbieten brauchten. Heute würde wohl ein verdammt langer Schultag werden. Und der war definitiv zu lang für meinen Geschmack. Ich hasste Montage… „Wie viele Stunden hast du denn heute?“, fragte ich Reita deshalb, war eigentlich nicht wirklich erfreut über dessen Antwort. „Hm… nur fünf… dann lass ich Literatur für mich ausfallen“, grinste ich, was ihm einen überraschten Blick entlockte. „Du willst schwänzen?“, fragte er und grinste schon bald darauf. „Klar“, seufzte ich, „neun Stunden Schule sind mir zu viel… ich hab dann also nach der Fünften aus“, grinste ich, lehnte mich an ihn. „Damit fangen wir jetzt also auch schon an?“, ertönte eine Stimme hinter mir und erneut verließ ein Seufzen meine Lippen, diesmal allerdings ein ziemlich genervtes. Ich schaute hinter mich und entdeckte Aoi, dessen Freundin er bei der Hand hielt und uns überlegen angrinste. „Oh, bitte“, sagte ich theatralisch, „mach den Tag nicht noch schlimmer, als er eh schon ist…!“ Musste ich ihn heute nicht schon genug ertragen? Was wollte er überhaupt von mir? Mich ärgern? Sich über mich lustig machen? Wollte er vor seiner Freundin angeben? „Denk doch nicht immer gleich so negativ, Uruha“, lächelte er fast freundlich, während er einen Arm um seine Freundin legte und ich warf einen kurzen Blick zu Reita neben mir, der die Szene aufmerksam beobachtete. Ich machte nur ein abfälliges Geräusch und wandte mich ab, ignorierte ihn somit einfach. Wie immer machte Aoi sich gerade komplett zum Affen. Tora begann leise zu lachen und auch Sakito schmunzelte amüsiert, ehe sie sich weiter unterhielten. Aber nach wie vor blieb die Nervensäge stehen und redete weiter. „Wie läuft’s denn so bei dir in letzter Zeit?“, fragte er und ich konnte den ironischen Unterton in seiner Stimme förmlich hören, wie er mir entgegen sprang… Elender Heuchler. Nun meldete sich auch Reita zu Wort und drehte sich um, schaute Aoi fast schon gelangweilt an, was mich grinsen ließ. Noch immer hatte er den Arm um meine Hüfte gelegt und schien wohl auch nicht vorzuhaben ihn dort wegzunehmen. „Hast du’s bald?“, zischte er, doch wurde gleich harsch von Aoi unterbrochen mit einem zickigen „Hab ich dich gefragt, Blondchen?!“ „Mein Gott, macht keinen Stress hier!“, zeterte ich schließlich und drehte mich um, schaute Aoi nüchtern an. „Du darfst sprechen.“ „Wie großzügig…“, meinte er matt, strich sich die Haare aus dem Gesicht, „ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass deine Mutter dich sucht. Ich hab sie heute Morgen getroffen. Sie vermisst dich…“ Redete er da allen ernstes von meiner Mutter? Meiner Mutter? Ungläubig schaute ich ihn an und fragte mich im selben Moment, ob er mich eigentlich verarschen wollte. „Hast du sie noch alle? Hör auf Scheiße zu reden und verpiss dich, ja?“, fauchte ich und drehte mich dreist wieder um, lehnte mich an Reita und ignorierte in dem Moment, dass er rauchte und ich sowas eigentlich überhaupt nicht leiden konnte. Aber es störte mich gerade nicht, meine kleine Geste diente wohl eher dazu Aoi deutlich zu machen, dass ich so gar keine Lust mehr hatte, mich mit ihm zu unterhalten. Was musste er mir sowas auch auf die Nase binden? Natürlich vermisste meine Mutter mich nicht, warum also log er mich an? Hatte er Spaß daran mich zu reizen? „Ich mein das ernst“, meinte er und strich sich wieder die Ponysträhnen aus dem Gesicht, „denk mal drüber nach, ob du nicht mal wieder zuhause auftauchen willst, bevor deine Mutter noch irgendwo auftaucht…“ Und das offensichtliche Grinsen wurde bestimmt noch um einiges fieser… denn seine Worte machten mich stutzig. „Was soll n das heißen?“, fragte ich, lugte über meine Schulter, wobei mir das Grinsen förmlich entgegen flog, doch lange wartete er nicht mehr, gab nicht mal mehr eine Antwort und kam meinem Wunsch, endlich zu verschwinden, schließlich nach. „Aoi!“, rief ich noch, doch er ignorierte mich. „Dieser elende Dreckskerl“, fluchte ich, woraufhin Reita mich nur noch fragender anschaute, als die ganze Zeit über schon. Aoi war schon immer gut im Lügen gewesen. Warum also sollte er mich diesmal nicht angelogen haben? Ich war mir sicher, dass er mir etwas verschwiegen hatte. Meine Mutter konnte er gar nicht getroffen haben, da sie heute Morgen erst zurückgekommen war! Es sei denn, ihr Timing war wirklich ziemlich gut gewesen… was ich mir nicht vorstellen konnte. Meine Mutter war grundsätzlich unpünktlich… Aber wieso sollte sie mich vermissen…? „Lügt er oder hat er das ernst gemeint?“, hörte ich Reita fragen, der gerade seine Zigarette wegwarf und sich gleich ein Kaugummi in den Mund steckte. Doch ich konnte nur mit den Schultern zucken und seufzte genervt, lehnte mich müde an ihn. Warum ließ ich Aoi überhaupt noch in meine Nähe? Warum befasste ich mich eigentlich noch mit ihm? Warum befasste er sich noch mit mir, wenn ich und mein Freundeskreis ihm doch zuwider waren? Wenn ich recht darüber nachdachte, hatte ich Aoi eigentlich noch nie verstanden… „Scheiß auf den“, flüsterte mir Reita dann plötzlich ins Ohr, wobei ich gar nicht gemerkt hatte, dass er mir überhaupt so nahe gekommen war. Ich spürte leichte Gänsehaut auf meinen Armen und im Nacken, schielte zur Seite und musste augenblicklich grinsen, als ich seine Lippen kurz an meinem Hals spürte. Wir ernteten wahrscheinlich ziemlich viele unglaubwürdige und fragende Blicke, doch was kümmerte es mich? Trotzdem konnte ich es mir nicht verkneifen kurz zum Busbahnhof zu schauen, wo einige Gruppen beieinander standen und sich angeregt zu unterhalten schienen. Und die meisten davon schauten tatsächlich zu uns herüber. Eigentlich hatte ich es früher gehasst derart im Mittelpunkt zu stehen, aber jetzt, mit Reita und den anderen bei mir, machte es irgendwie fast schon Spaß die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen… Wie schnell sich so eine Einstellung doch ändern konnte! „Nicht…“, entkam es mir leise und ich lächelte etwas, entzog mich seinen Lippen an meiner Wange und warf einen unauffälligen Blick rüber zu Sakito, der uns gegenüber saß und schweigend vor sich hin rauchte. Vielleicht war es keine so gute Idee vor seiner Nase rum zu machen. Er hatte Ni~ya gerade erst verloren und musste sich wohl ziemlich scheiße dabei vorkommen, wenn überall um ihn herum irgendwelche Pärchen knutschten und er niemanden mehr hatte… Und dabei war er es doch vorher gewesen, der fast immer und überall von Ni~ya halb hatte flachlegen lassen… Er tat mir wirklich unglaublich Leid und auch, wenn ich nicht in dieser Situation steckte, konnte ich mich unglaublich gut in sie hineinversetzen. „Spielverderber…“ Na und? War ich halt einer… ich hatte nur Mitleid. Er etwa nicht? „Ich weiß, dass du mich trotzdem liebst“, grinste ich und piekste ihm kurz in die Seite, wobei er ein Stück zurückwich und sich über die Lippen leckte, sich dann an Tora wendete. „Kommst du auch Freitag zu Dai?“, fragte er, „Wenn ja, bring n paar Leute mit…!“ „Was war da noch mal…?“ Natürlich… wie konnte man auch von Tora erwarten, dass er sich sowas wie die Geburtstagsfeier einer seiner Schulkameraden und nebenbei auch Freunde merken konnte? Tora war halt Tora… und allgemein scheinbar ein sehr vergesslicher Mensch. Nur wenn es um Saga ging… da war er zuverlässig. Schon irgendwie ein bisschen unfair… Reita verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. „Komm einfach zu Dai und bring n paar Leute mit…“ „Okay…?“ Ich lachte kurz und stand dann auf, richtete meine Frisur und die Jacke schnell und deutete Tora dann ebenfalls aufzustehen, weil es gerade geklingelt hatte. Also würde ich heute wieder einen stinklangweiligen Schultag verbringen, an dem mir irgendwelche idiotischen Leute auf die Nerven gingen und die Lehrer mich für mein ständiges Fehlen dumm anmachten, wo Aoi und Ruki in meiner Klasse waren und wahrscheinlich schon die krassesten Gerüchte über mich verbreitet hatten. War das wohl der eigentliche Grund, wieso mich jeder so anstarrte? Ich seufzte und merkte im nächsten Moment, wie Reita neben mir auch aufstand und nach meiner Hand griff, mich dann zu ihm zog. „Kommst du in der Pause?“, fragte er, legte die Arme um meine Hüfte und kaute grinsend auf seinem Kaugummi herum. Meine Güte, wie konnte man nur so männlich sein? „Klar“, antwortete ich und beugte mich etwas nach vorn, um ihm einen Kuss zu geben, aber er wich ein Stück zurück. „Versprichst du mir dich nicht von den Spasten ärgern zu lassen?“ Ich lachte auf und legte die Hände auf seine Brust, malte kleine Kreise mit meinem Zeigefinger. „Kann ich dir nicht versprechen“, gab ich zurück, was seine Augenbraue kurz zucken ließ, „aber du weißt doch, dass ich immer n paar dumme Kommentare hab, die ich zurückgeben kann…“ „Gut so“, grinste er und gab mir dann endlich den Kuss, den ich verlangt hatte. Allerdings kein wirklich richtiger Kuss, den ich jetzt gern gehabt hätte, denn da war das Kaugummi im Weg… Aber dafür immer wieder ein paar kurze, trotzdem intensive Küsse. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen…! Als er sich von mir löste, kniff er mir noch einmal verspielt in den Hintern und ließ mich dann los, um neben Sakito her Richtung Schulhof zu laufen. Kurz schaute ich zu Tora, der anscheinend etwas sehr interessantes auf seinem Handy beschaute und grinste. Wahrscheinlich schrieb er SMS mit Saga oder so… aber man brauchte ja nur fragen! „Was machst n da?“ „SMS schreiben“, antwortete er gleich und grinste, klappte sein Handy dann wieder zu, weil er sie wohl gerade abgeschickt hatte. „Mit wem?“ „Saga…“ „Wer sonst“, lachte ich, wartete, bis er fertig war und ging mit ihm zusammen dann auf den Schulhof. Einen Moment lang schwiegen wir uns an. Mit Tora wusste ich einfach noch nicht, was ich reden sollte. Zwar hing er meistens mit mir in den Pausen ab und er ging auch zusammen mit mir zum Schulhof, doch die letzten Tage hatte ich ihn ja kaum gesehen… wegen dem Wochenende und weil ich auch die letzten Tage kaum zur Schule gegangen war. Kurz überlegte ich also, ehe ich drauf losplapperte. „Ist das was Ernstes mit Saga und dir?“, wollte ich wissen, steckte die Hände in die Jackentaschen, weil sie sich mittlerweile so ziemlich wie Eisklumpen anfühlten. Überrascht schaute er mich an und blinzelte ein, zweimal, wobei ich glaubte eine dezente Röte auf seinen Wangen auszumachen. Also hatte ich voll ins Schwarze getroffen. Hatte ich ihm die Frage eigentlich schon einmal gestellt? „Keine Ahnung“, meinte er nur, „Saga sagt nie was dazu… wir haben zwar schon miteinander geschlafen, aber was er wirklich will, weiß er glaub ich selber nicht so genau…“ Und leider war da genau das Gegenteil der Fall. Ich wusste, wen Saga wollte… und Tora schien der einzige zu sein, der das nicht wusste. Obwohl sie sich schon so lange kannten? Wusste er denn nicht, dass Saga noch immer scharf auf Sakito war? „Ach so…“ Saga war ein seltsamer Typ. Wahrscheinlich schlief er nur mit anderen, um über Sakito hinweg zu kommen, aber das konnte ich mir irgendwie nicht so ganz vorstellen. Was er da mit Tora machte, war wirklich mehr als unfair. Tora mochte ihn, das sah man ihm zweifellos an. Und er mochte ihn mehr als nur freundschaftlich. Es war etwas Besonderes, wie ich fand, wenn man bisexuell war und sich gerade einen Mann ausgesucht hatte, obwohl die letzte Beziehung mit einer Frau gewesen war. Für mich war das irgendwie etwas Besonderes, da für mich selbst entweder nur das eine oder das andere galt. Mit einer Frau konnte ich es mir schon gar nicht mehr vorstellen, denn dazu war ich nicht geeignet. Ich war nicht dominant, ich brauchte jemanden, der die Führung in der Beziehung übernahm und jemanden, der mir das Gefühl gab, dass er mich auch beschützen konnte. Und das Gefühl konnte ich selbst leider niemandem geben… Ich konnte es ja nicht einmal mir selber geben…! Tora hatte sich verknallt… und er konnte Saga wohl niemals ganz für sich gewinnen. Saga hatte versucht sich wegen Sakito umzubringen, da bestand für mich gar kein Zweifel mehr. Wahrscheinlich hatte er Tora ganz etwas anderes erzählt… und Reita auch. Aber ich traute mich nicht recht, sie danach zu fragen. „Warum fragst du?“ Kurz war ich verwirrt über die Frage, weil ich schon komplett den Zusammenhang verpeilt hatte, aber dann fiel mir wieder ein, welche Frage ich ihm überhaupt gestellt hatte. „Keine Ahnung… dich scheint’s ja erwischt zu haben“, grinste ich nur. „Na ja“, murmelte er, wobei er verlegen zu Boden schaute, „ich wollte ihn eigentlich schon länger… deshalb hab ich auch auf der Scheunenfete so mit ihm geflirtet. Meine Freundin hatte ich da ja nicht dabei…“ „Ich hab nicht so sehr auf euch beide geachtet“, musste ich leider zugeben und grinste, „ich war mehr mit anderen Sachen beschäftigt…!“ „Dich von Reita befummeln zu lassen?“ Auf den Kommentar hin wurde ich etwas rot und schaute weg, erinnerte mich an den Abend zurück. Wenn ich so recht darüber nachdachte, war es doch schon recht schnell gegangen zwischen Reita und mir. Aber es sollte mich nicht stören, denn es war schließlich der Grund, warum ich im Moment der glücklichste Mensch der Welt war. „Das auch“, sagte ich nur matt, schaute mich kurz um, als wir den Schulhof betraten. Aoi und Ruki konnte ich nirgends entdecken, auch nicht am Haupteingang, wo sie sonst immer standen. Gut für mich. Und erst jetzt bemerkte ich, dass es bereits zum zweiten Mal geschellt hatte und alle schon rein gingen. Das hieß wohl, dass ich ein wenig zu spät war. Auch egal. „Und was noch?“, hörte ich Tora fragen, schaute zu ihm und erkannte sein Grinsen im Gesicht. „Viel anderes habt ihr doch gar nicht gemacht…“ „Na und?“, murrte ich und machte einen kleinen Schmollmund. „Hey“, hörte ich Tora dann sagen, wobei er mich ein Stück zu sich zog und etwas leiser sprach, „Reita macht das normalerweise gar nicht in der Öffentlichkeit. Ist ihm wirklich ernst diesmal… sonst hatte er immer nur One-Night-Stands… also macht was draus ihr zwei!“ Etwas irritiert schaute ich ihn an, als er wieder ein Stück zurückwich und grinste, ehe er im Gebäude verschwand. Warum wusste eigentlich noch jeder mehr von Reita als ich? Ich würde ihn wohl mal so richtig ausfragen müssen…! Seufzend drehte auch ich mich um und machte mich auf den Weg zu meinem Klassenraum. Wahrscheinlich würde ich erst einmal aufgeschrieben werden, wenn der Lehrer schon vor mir in der Klasse war. Aber Geschichte fing sowieso grundsätzlich zehn Minuten später als gewöhnlich an, weil der Lehrer, den wir hatten, wirklich immer und ausnahmslos zu spät kam. Warum auch immer. Gemütlich lief ich also die Treppen hinauf bis zum zweiten Stock, wo sich mein Klassenraum am Ende des Ganges befand und öffnete dann die Tür, wobei ich feststellte, dass mein Lehrer seltsamerweise schon da war. Ich schluckte kurz, betrat dann den Raum und schloss die Tür hinter mir wieder. „Guten Morgen, Uruha-san“, ermahnte mich der Lehrer und ließ sein Buch sinken, alles starrte mich an und ich hob nur unbeeindruckt eine Augenbraue. „Morgen“, sagte ich matt, ging zu meinem Platz neben Aoi und setzte mich. Eigentlich wollte ich mich umsetzen, aber niemand würde wohl den Platz tauschen wollen, weil mich noch immer alle als den Außenseiter ansahen… Und niemand wollte neben mir sitzen. Aber das sollte mir recht sein. „Können Sie mir auch sagen, wieso Sie zu spät sind?“, fragte er mich nüchtern und holte sein kleines Büchlein heraus, um mich aufzuschreiben. Eine ziemlich nervige Geste, wie ich fand, denn immerhin wurde er auch nicht für jedes Mal aufgeschrieben, für das er zu spät war… „Können Sie mir sagen, wieso Sie sonst immer zu spät sind?“, fragte ich deshalb zurück, erhielt nur einen leicht verärgerten Blick und er stand auf, räusperte sich. „Wechseln Sie nicht das Thema“, sagte er energisch und nahm ein paar Zettel von unserem schwarzen Brett in der Klasse, kam damit zu mir und knallte sie mir auf den Tisch. „Hausordnung. Bis morgen. Handschriftlich.“ Einige lachten, der Lehrer stellte sie allerdings schnell wieder ruhig, indem er lauthals losbrüllte und verkündete, dass ihnen das gleiche blühe, wenn sie nicht still blieben. „Aber gern doch“, grinste ich allerdings nur müde, ließ sie auf dem Tisch liegen und lehnte mich in meinen Stuhl zurück. Aoi neben mir schaute mich fassungslos an. Anscheinend hatte er wohl nicht damit gerechnet, dass ich so nüchtern auf das reagierte, was mir der Lehrer da alles an den Kopf schmiss. Ich hatte mich eben geändert. Und mir war dieses gefügige, streberhafte Verhalten meiner selbst irgendwann schon selber auf die Nerven gegangen, wenn ich ehrlich zu mir war… Warum also sollte ich nicht endlich so sein, wie mir das Leben Spaß machte? „Bis morgen“, wiederholte der Lehrer noch, ehe er zur Tafel ging und begann einen Text vorzulesen, wobei er uns anwies etwas mitzuschreiben. Alle holten etwas zu Schreiben heraus, ich allerdings kritzelte nur gelangweilt auf meinem Block vor mich hin. „Was sollte das denn eben?“, hörte ich Aoi von der Seite flüstern und ich schielte zu ihm, bemerkte, dass er irritiert auf meinen Block starrte. „Ich hab nichts gemacht“, meinte ich matt zurück, woraufhin er ein etwas lauteres „Eben“ zurückflüsterte. Anscheinend hatte er damit gerechnet, dass ich mich entschuldigen würde beim Lehrer oder wie früher auf Knien rumrutschen, dass man mich nicht aufschrieb… wobei ich generell noch nie zu spät gekommen war. „Ruhe da hinten!“ Endlich Pause nach zwei Stunden Schlafunterricht. Wir hatten einfach nur mitschreiben müssen, was er uns vorgelesen hatte… und ich hatte Mühe gehabt nicht einfach wegzupennen. Letztendlich hatte ich gewartet, bis alle den Raum verlassen hatten und die Hausordnung hatte ich brav wieder an die Pinnwand gehängt. Nachher hielt mir noch einer vor ich würde keine Ordnung halten können…! Weiterhin gut gelaunt wollte ich gerade den Schulhof verlassen, als ich unglücklicherweise von jemandem aufgehalten wurde, der mich die ganze Geschichtsstunde mit irgendwelchen Kommentaren wach gehalten hatte… „Du hast die Hausordnung wieder aufgehängt“, stellte Aoi fest, als er neben mir herlief und mit mir den Schulhof verließ. Scheinbar ging er zu seiner Freundin an die Nachbarschule, aber das konnte er doch wohl auch in einigen Metern Sicherheitsabstand zu mir tun, oder…? „Was willst du eigentlich von mir?“, fauchte ich ihn an, warf ihm einen genervten Blick zu. Doch sein Grinsen machte mich nur noch aggressiver…! „Ich frage mich nur, was das soll, sonst nichts“, grinste er, „früher hättest du Heulkrämpfe bekommen, wenn du zu spät wärest oder die Hausordnung abschreiben müsstest…“ „Früher hab ich Streber mir sowas nicht mal erlaubt“, meinte ich matt zurück, „und jetzt bleib zwei Minuten hier stehen und lauf dann meinetwegen hinterher, ich kann dich nicht mehr riechen…!“ „Meine Güte, Uruha“, seufzte er schließlich und fuhr sich wieder eitel durchs Haar, „da versucht man mal normal mit dir zu reden und dann sowas! Wo ist denn dein Anstand hin?“, neckte er mich weiter. Oh, ich würde ihm gleich zeigen, wie man normal mit mir redete…! „Zieh ab“, fauchte ich, stellte zu meinem Erleichtern fest, dass er wirklich eine andere Richtung einschlug und das zusammen mit seiner Freundin, die ihm gerade entgegen gekommen war. Also gingen sie doch auf unseren Schulhof? Warum war er dann extra noch neben mir hergelaufen? Hatte er mich wieder nur ärgern wollen…?! Mit einem wütenden Schnauben drehte ich mich wieder um und setzte meinen Weg fort, um endlich zu den anderen zu kommen. Von weitem sah ich sie wieder an den Fahrradständern sitzen, diesmal waren noch ein paar andere dabei. Unter anderem Dai, dieser Kyo, Sakito, Tora und noch zwei, die ich nicht kannte. Aber vielleicht würde man mir ja heute mal sagen, wer das war, denn ich war mir sicher, dass es die beiden waren, die ich beim Kaufhaus gesehen hatte an dem Samstag… An den ich ab da wirklich nur noch schöne Erinnerungen hatte. Ich grinste breit und näherte mich schließlich der kleinen Gruppe, wobei Sakito mich bereits bemerkt hatte und zu grinsen anfing. Erst jetzt fiel mir auf, dass auch Ni~ya dort war, allerdings saß er auf dem Boden und recht weit abseits von Sakito. Natürlich… Es tat mir wirklich Leid für den kleinen. Kurz darauf hatte ich sie erreicht und legte meine Arme um Reita, der mit dem Rücken zu mir saß und etwas überrascht hinter sich schaute. Doch als er mich erkannte lächelte er und gab mir einen kleinen Kuss. „Hey, Schönheit“, meinte er und rückte ein Stück auf der Stange, auf der er saß und ich setzte mich neben ihn. „Wir machen grad das mit deinem Geburtstag klar.“ Überrascht hob ich eine Augenbraue, schaute dann zu Dai, der ja für den Abend sozusagen der zweite Gastgeber sein würde und erhielt ein fettes Grinsen seinerseits. Er rauchte gerade genüsslich eine Zigarette und wippte gut gelaunt mit dem Fuß. Was hatte den denn geritten? „Ich brauch nur n paar Leute, die mir nachher beim Aufräumen helfen“, meinte er und seine Stimme klang ungewohnt rau und tief, so, wie sie sich beim ersten Mal angehört hatte, an dem ich ihn getroffen hatte. „Mein Dad ist das Wochenende auf Hokkaido, seine neue Schnalle besuchen…“ Wer wollte das denn wissen? „Find ich gut“, grinste ich und ließ mich näher zu Reita ziehen, woraufhin ich mich etwas an ihn lehnte, „und du machst das echt? Also einfach so?“ „Warum nicht?“, lachte er heiser, „Du kannst dir auch nen Raum für n paar Tausend Yen mieten, aber ich glaub so viel Geld hast du nicht, oder?“ „Ich bitte dich“, seufzte ich theatralisch, „ich hab nicht mal ne berufstätige Mutter, wo soll ich da Geld herkriegen? Er lachte wieder heiser auf und rauchte weiter an seiner Zigarette, unterhielt sich dann weiter mit Reita über meinen Geburtstag. Einen kurzen Moment verfolgte ich das Gespräch nicht weiter, sondern achtete unauffällig auf Sakito und Ni~ya. Die beiden wichen dem Blick des jeweils anderen wohl absichtlich aus, wobei Sakito sich ab und an damit abzulenken versuchte, dass er ein paar Worte mit Tora wechselte. Ni~ya tat anscheinend so, als würde er das Gespräch der beiden, die ich nicht kannte, interessiert verfolgen, doch ich wusste, dass er eigentlich überhaupt nicht zuhörte. Er nickte nur ein paar Mal abwesend und das zu den überflüssigsten Kommentaren der beiden, denen er vermeintlich zuhörte. „Uruha, hör auf Ni~ya anzustarren und gib mir ne Antwort“, hörte ich Dai dann irgendwann sagen und schaute etwas irritiert auf, wobei Ni~ya ebenfalls den Kopf zu uns drehte und fragend dreinblickte. „Was?“ „Wie viele Leute du einlädst“, meinte Dai, „damit ich weiß, wie viel ich kaufen muss!“ Kurz überlegte ich einen Moment, zuckte dann aber die Schultern und lehnte mich etwas näher an Rei, der zu wissen schien, warum mir diese Frage gerade ziemlich unangenehm war. Ich hatte ehrlich gesagt niemanden, den ich einladen wollte, außer diejenigen, die hier saßen. Sonst fiel mir einfach partout niemand ein, den ich hätte einladen können… Ruki und Aoi? Keine Frage, klares Nein. „Äh… euch?“, meinte ich deshalb nur trocken und schaute Dai dabei nicht einmal an, hörte nur, wie dieser nachhakte, wen denn wohl noch. Ich seufzte, hob den Blick wieder und blieb einen Moment an Sakito hängen, der seltsamerweise den Tränen nahe zu sein schien und wendete mich dann wieder Dai zu. „Ich hab niemanden sonst“, antwortete ich schließlich leise und winkelte ein Bein an, legte es auf meinem anderen ab. Dai bedachte mich derweil mit einem ungläubigen Blick. Kyo neben ihm fing daraufhin leise zu lachen an, während sich auch auf Dai's Züge ein Grinsen schlich. „Wie, du hast niemanden? Hast du sonst keine Freunde? Was bist du denn?“, fragte er und ich konnte den amüsierten Unterton in seiner Stimme nur zu genau heraushören. Ja, sollte er sich nur darüber lustig machen, dass Uruha nur zwei Freunde gehabt hatte, bis er Reita kennen gelernt hatte. Wer fand das denn bitte nicht zum lachen? Wenn ich darüber nachdachte, dass nicht nur die Leute, die hier beisammen saßen, zum Freundeskreis meines festen Freundes gehörten, sondern dass dieser die halbe Schule zu kennen und auch leiden zu können schien, wurde mir schlecht. Ich konnte nicht mal die Hälfte meiner Klasse wirklich leiden… „Halt’s Maul, Dai“, hörte ich Reita neben mir sagen, hörte aus seiner Stimme allerdings einen ziemlich verärgerten Unterton heraus. Ich seufzte erneut, legte eine Hand auf seine, die er auf seinem Oberschenkel abgelegt hatte und beugte mich etwas hoch zu seinem Ohr. „Lass gut sein“, sagte ich mit gedämpfter Stimme, „ich bin’s gewohnt…“ Kurz drückte ich seine Hand mit meiner und wandte meinen Blick lächelnd wieder ab, bis er letztendlich wieder auf den dreckigen Boden vor mir fiel. Und ich hatte nicht gelogen. Dennoch, zwar hatte ich mich daran gewöhnt, doch wirklich damit umgehen konnte ich noch immer nicht. Mich hatten schon viele nach meinem Freundeskreis gefragt – selbst meine Mutter hatte das einmal getan – und immer hatte ich lediglich zwei Freunde nennen können, die wirklich wie Freunde für mich waren. Die Leute in der Schule, die halbwegs sympathisch waren und mit denen man vielleicht mal in einer Projektarbeit oder sonstigen schulischen Dingen zutun gehabt hatte und die man nur aus Höflichkeit grüßte konnte man schlecht als ‚Freunde’ bezeichnen… „Dann sind wir aber ne ziemlich kleine Gruppe“, warf Kyo ein und schaute einmal in die Runde, „Und was spielen wir dann? Topfschlagen?“ Er lachte amüsiert auf und Dai konnte sich ein Grinsen ebenfalls nicht verkneifen, doch die Mienen aller anderen blieben eiskalt und wie erstarrt. „Willst du Stress, Schleuderfresse?!“, fauchte Reita neben mir plötzlich und ich schreckte kurz zurück, als ich sah, wie er seine Faust ballte und die Finger leise knacken ließ, während er sicherlich mit Genugtuung beobachtete, wie Kyo abwehrend die Hände hob. „Man, war nicht so gemeint…“, gab dieser schließlich nach, „Dann bringt halt jeder von uns noch n paar Leute mit, was soll’s…!“ „Fein“, grummelte Reita daraufhin zufrieden, „ansonsten wüsste ich dann schon, wer der Topf sein darf…!“ Ich musste grinsen und beschloss die beiden fürs erste zu ignorieren. Kyo tat mir nicht wirklich gut, das bekam ich gerade zu genüge zu spüren, denn bis eben war meine Laune eigentlich noch ziemlich gut gewesen. Und mit einem Mal… in dem Dai den Kommentar mit den Freunden und Kyo das Stichwort Topfschlagen hatte fallen lassen, war meine Laune schlagartig in den Keller geflogen. Ich spürte, dass der kindliche, schüchterne und deprimierte Uruha in mir wieder hervortrat, den ich eigentlich die ganze Zeit über zu verdrängen versucht hatte. Und nun hatte man ihn unter all dem gespielten Selbstbewusstsein und meiner sonst immer so schlagfertigen Kommentare auf dumme Sprüche hin von ganz unten herauf wieder hervorgekramt. „Hör nicht auf Kyo“, hörte ich dann Reitas geflüsterte Worte an meinem Ohr und ich erzitterte kurz etwas unter dem warmen Atem an meiner Haut, „der hält sich eh für was Besseres…“ Kurz lächelte ich und nickte dann, versuchte irgendwie unberührt und total gut drauf auszusehen, doch es wollte mir einfach nicht gelingen. Reita schien das zu bemerken und er zog mich zu sich, um mir einen innigen Kuss zu geben und streichelte dabei kurz über meinen Hintern, nahm seine Hand dann aber wieder weg und löste sich nach einer Weile wieder. „Ich liebe dich“, hörte ich ihn leise raunen und es trug endlich etwas dazu bei, dass ich meine schlechte Laune wieder verbuddeln konnte. „Ich dich auch“, flüsterte ich leise zurück und lehnte mich an seine Schulter, schloss die Augen. Ich war wirklich verdammt müde. Warum hatten Saga und Tora mich auch die halbe Nacht wach halten müssen…?! Nach einer Weile öffnete ich die Augen und sofort fiel mein Blick auf Sakito, der nicht minder deprimiert aussah, wie vor einigen Minuten noch. Die Sache mit Ni~ya schien ihn wirklich mitzunehmen. Er tat mir wirklich unglaublich Leid… Stumm saß er da und spielte an seinen Ringen herum, die er trug. Vielleicht sollte ich ihn einfach fragen, ob er was mit mir machen wollte? Um ihn abzulenken? „Was wünschst du dir denn eigentlich?“, hörte ich irgendwann die Frage, doch ich wusste im ersten Moment gar nicht, von wem sie eigentlich gekommen war. Irritiert schaute ich auf und suchte das fragende Gesicht, das die Frage wohl an mich gestellt hatte und wurde fündig. Es war wohl einer von den beiden, deren Namen ich noch nicht kannte. Der kleinere von ihnen – er hatte ein paar zu groß geratene Schneidezähne und sah ein bisschen aus wie ein übergroßer Stofftierhase – schaute mich abwartend an und wartete gerade wohl allen Ernstes darauf, dass ich ihm darauf eine Antwort gab. „Gar nichts“, lächelte ich deshalb nur lieb, „mir reicht es schon, dass ich überhaupt ne Feier bekomme dieses Jahr…“ „Feierst du sonst nie?“, fragte der größere neben ihm überrascht. Scheinbar war es hier in diesen Kreisen wohl üblich, dass man seinen Geburtstag riesengroß und mit viel Alkohol feierte… ansonsten würde man mich wohl gerade nicht so überrascht anschauen. „Kein Geld“, grinste ich nur etwas unbeholfen, erntete ein Lachen und ein mitfühlendes „Kenn ich“. „Wie hast du denn sonst immer gefeiert?“, fragte der kleinere wieder, lehnte sich nach hinten an die Wand der Sporthalle, vor der wir saßen und zündete sich gerade eine Zigarette an, die sich der größere gleich aus seiner Hand schnappte und ebenfalls daran zog, allerdings ein ziemlich genervtes Grummeln erntete. „Entweder mit meinen alten Freunden allein zuhause oder gar nicht“, erzählte ich knapp, wollte eigentlich nicht länger über mein langweiliges Leben aus der Vergangenheit und schon gar nicht über dieses Thema sprechen… Es war mir viel zu unangenehm. Das Leben derer, die gerade hier um mich herum saßen, schien wirklich über alle Maßen spannender zu sein als meines… „Wünschst du dir echt nichts?“, fragte der kleinere noch einmal und holte sich seine Zigarette zurück, woraufhin ich wieder verneinend den Kopf schüttelte. Also zuckte der kleine nur mit den Schultern und ließ sich wieder gegen die Hauswand sinken. „Und von mir wünschst du dir auch nichts?“, hörte ich Reita nah bei meinem Ohr fragen, woraufhin ich ihn von der Seite her anschielte und ebenfalls nur den Kopf schüttelte. „Wenn ich dich noch nicht hätte, dann hätte ich ja einen Wunsch… aber unglücklicherweise hab ich dich ja schon!“ „Was heißt hier unglücklicherweise?“, fragte er und zog fragend eine Augenbraue in die Höhe, was mich kichern ließ. „Das war doch n Scherz“, lachte ich, beugte mich vor und küsste ihn dann zärtlich. Und er schien es als Entschuldigung hinzunehmen. Endlich Schule aus. Eigentlich das, worauf ich mich den ganzen Tag schon gefreut hatte. In der Pause hatte ich mich mit Reita dazu verabredet uns nach der Schule an der Bushaltestelle zu treffen. Allerdings war ich ja eigentlich schon früher gegangen, als es mir eigentlich erlaubt gewesen war, denn Literatur hatte ich ganz dreist einfach selbst ausfallen lassen. Doch mich hatte dieser Kurs eigentlich schon immer irgendwie gelangweilt… warum also nicht einfach nach Hause gehen? Unbemerkt von den Lehrern lief ich also in einer Masse von Schülern vom Schulhof und freute mich also darauf, einen ruhigen Nachmittag mit Reita und noch ein paar anderen bei Saga zu verbringen und schaute noch einmal auf die Uhr, versicherte mir, dass ich noch genügend Zeit hatte, bis der nächste Bus kam. „Uruha!“ Wie erstarrt blieb ich stehen und schluckte. Meine Augen starrten einen Augenblick lang einfach nur geradeaus und meine Beine rührten sich keinen Zentimeter, bis ich schließlich wieder Leben in meinen Knochen spürte. Langsam drehte ich mich um. Was machte sie hier? Warum war sie überhaupt schon wieder zuhause?! Und vor allem: warum kam sie gerade jetzt auf die Idee hier in der Schule aufzutauchen…?! Wusste sie denn nicht, dass ich eigentlich noch vier Stunden Literatur gehabt hätte…? Mit verärgertem Blick kam sie auf mich zu, hielt sich die dünne Jacke fest um den dünnen Leib geschnürt und stampfte unaufhaltbar näher. Was nun? Sollte ich einfach rennen? Zu den anderen? Mich dann vor deren Augen von meiner Mutter demütigen lassen? Ich wusste nicht, was zu tun war…! Und meine Lage war so gut wie aussichtslos. Ich war hier, inmitten von Schülern, die vom Schulhof liefen und drauf und dran mich von meiner offensichtlich verdammt wütenden und ausnahmsweise tatsächlich mal nüchternen Mutter anschnauzen und zur Sau machen zu lassen. Und es gab nicht den Hauch einer Chance, dass das wirklich niemand außer mir mitbekam…! „Sag mal spinnst du eigentlich?!“, schrie sie auch gleich los und ich schloss kurz die Augen, fuhr mir durch die langen Ponysträhnen und verkrallte kurz die Finger darin, ehe ich sie wieder richtete. „Ich fahr am Wochenende zu Oma und komm nach Hause und wo bist du?! Kannst du mir mal verraten, wo du die ganze Zeit über steckst, ja?!“ Das war zu viel. Mittlerweile waren wir schon einigen Schülern aufgefallen, die darüber grinsten, was für ein Theater meine Mutter gerade veranstaltete und dann vermeintlich teilnahmslos wieder weiterliefen. Es war ja so verdammt peinlich…! „Ich war bei Freunden“, gab ich deshalb nur zurück, „und ich hatte auch gerade vor mich mit denen zu treffen. Man sieht sich“, wollte ich mich verabschieden und drehte mich auch um, doch kaum hatte ich ein Paar Schritte gemacht zerrte sie mich am Arm zurück. „Das kannst du dir von der Backe schmieren, mein Freund! Es geht jetzt auf direktem Weg nach Hause und dann machst du das Chaos in der Küche weg!“, fauchte sie, wollte mich mit sich ziehen, doch ich riss mich sofort von ihr los und schaute sie äußerst ungläubig an. „Willst du mich verarschen?“, fragte ich nüchtern und dennoch etwas aufgebracht, „Ich mach doch nicht den Dreck weg, den du mir freundlicherweise mit diesem netten Zettel da hinterlassen hast! Räum deinen Scheiß demnächst selber weg, ich bin dafür nicht zuständig! Und jetzt lass mich in Ruhe, ich hab ne Verabredung!“ Somit ignorierte ich einfach unter peinlich berührtem Blick auf den Boden, dass sie noch immer meckernd und fluchend hinter mir herlief, bis ich letztendlich den Busbahnhof erreicht hatte, wo ich auf meinen Freund traf. Er stand neben Sakito und bedachte mich schließlich mit einem verwunderten Blick, als er mich bemerkt hatte. Noch immer lief ein mich anbrüllendes und zeterndes Etwas hinter mir her, ich traute mich kaum näher zu ihnen zu gehen und sie mit der Frau zu konfrontieren, die gerade ein riesiges Theater wegen mir veranstaltete und sich dummerweise auch noch meine Mutter schimpfte. Sowas peinliches war mir wohl seit dem Vorfall in Reitas Wohnung nicht passiert, wo ich meine verlaufene Schminke nicht bemerkt hatte…! „Du kommst mit nach Hause, verdammt noch mal! Du bist seit Wochen doch gar nicht mehr aufzufinden, ich war drauf und dran die Polizei zu rufen! Was soll der Mist? Warum tust du das?!“ Und weiter und weiter brüllte sie und weiter und weiter kam ich meinen Freunden näher, deren Blick weiter und weiter in Richtung Ungläubigkeit über das, was sie hier sahen, anwuchs. „Uruha!“ Schließlich hatte ich sie erreicht und sofort warf ich mich in Reitas Arme. „Bitte, bitte, bitte ignorier sie einfach“, flehte ich, „sie macht schon irgendwann nen Abflug…!“ Reita legte die Arme um mich und ich konnte sehen, wie er die Augen zu Schlitzen verengte. „Gut für die, dass ich keine Frauen schlage“, meinte er nur leise und stand nun meiner Mutter gegenüber, die mich noch immer wie eine bescheuerte anbrüllte. Eigentlich genau das, was ich hatte vermeiden wollen…! „Du lässt diese… Person da jetzt sofort los und kommst mit nach Hause!“, forderte sie und ich konnte sehen, wie einige sich um uns herum bereits umdrehten und anfingen zu grinsen. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, welche Kommentare ich mir wieder würde anhören dürfen, wenn sich das erstmal bis zu den Leuten meiner Klasse herumgesprochen hatte. Es war nur eine Frage der Zeit. Vielleicht sollte ich wohl in den nächsten Tagen erstmal nicht mehr zur Schule gehen…? „Warum bist du überhaupt hier?!“, fauchte ich sie an und ich konnte spüren, wie Reitas Griff sich von hinten um meinen Bauch verstärkte, „Eigentlich hätte ich noch gar nicht Schule aus, wenn… wenn mein Kurs nicht ausgefallen wäre!“ Geschickt herausgeredet… „Aoi hat mich angerufen heute Morgen“, sagte sie barsch, „und dann hat er mir gesagt, wann du Schule aus hast, damit ich dich auch endlich mal wieder zu Gesicht bekomme!“ Peng. Es war wie ein Schlag mitten in die Fresse. Aoi musste aufgeschnappt haben, dass ich schwänzte. Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wie er meine Ankündigung zum Schwänzen heute Morgen so überaus freundlich kommentiert hatte… „Darauf scheißt du doch sonst auch immer!“, zischte ich, „Also was soll ich jetzt zuhause? Deinen Dreck wegmachen oder was?!“ Ich bemerkte, wie sie mich ungläubig anschaute und ihr Blick immer wieder zwischen zwei Dingen hin und her zu wechseln schien. Anscheinend betrachtete sie abwechselnd Reita und mich, wie wir eng beieinander standen und er die Arme um mich geschlungen hielt. Passte ihr das etwa nicht…? „Was glotzt du so?!“, fuhr ich sie an und spürte, wie Reitas Griff noch etwas fester wurde. Hatte er Angst, dass ich gleich auf sie losging? Nun, unter gewissen Umständen und mit ein bisschen mehr Mumm in den Knochen hätte mich im Moment wohl nicht mehr viel daran hindern können… „Weißt du, wie unhöflich es ist sich während eines Gesprächs von anderen Leuten befummeln zu lassen?“, meinte sie nun etwas ruhiger, was mich stutzig machte. Fiel ihr das jetzt eigentlich erst auf? „Kann dir doch scheißegal sein“, meinte ich nur nüchtern zurück, „ich lass mich gern von ihm befummeln, na und?“ Und somit entgleisten ihre Gesichtszüge. Reitas leises Lachen drang an mein Ohr und wie er den Griff wieder etwas lockerte, scheinbar um mich loszulassen. Ich hielt ihn zwar nicht auf, aber ich war sowieso zu beschäftigt mich über meine Mutter und ihren Gesichtsausdruck zu amüsieren. „Du lässt dich gefälligst nicht von anderen Männern befummeln! Du bist doch nicht schwul, Uruha!“, entgegnete sie mir nun doch wieder etwas aufgebrachter. Und in diesem Moment war ich erleichtert, dass der Bus endlich kam und bereits die Tür geöffnet hatte. Nun wusste ich auch, warum Reita mich losgelassen hatte. Ich würdigte sie nicht mal mehr eines letzten Blickes und kramte meine Busfahrkarte aus meiner Jacke hervor, ignorierte ihre Rufe nach mir und stieg in den Bus, zeigte meine Karte kurz hervor. Und das war mit Abstand der peinlichste Tag in meinem Leben gewesen. © ~*~*~*~*~*~ Gomen, dass es etwas länger gedauert hat... aber ich hatte eine Schreibblockade, und zwar eine übelste! *Verbeug* Ich danke für Eure Geduld! またね, シオ Kapitel 24: Wahrheiten ---------------------- -24- Wahrheiten Peinlich genug, dass meine Mutter mich in kürzester Zeit vor allen Leuten der Schule blamiert hatte. Noch peinlicher allerdings, dass ich, kaum war ich aus dem Bus gestiegen, dummerweise auch noch angefangen hatte zu heulen und mich nun schon knappe zehn Minuten von Reita an der Haltestelle trösten ließ. Ich war wirklich viel zu weich, hatte keinen Mumm und war zu schwach das alles einfach wegzustecken. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte… schließlich war alles bis jetzt doch so gut gelaufen. Ich verstand mich prima mit meinen neuen Freunden und in der Schule ließ man mich mittlerweile soweit in Ruhe, als dass man wohl Angst davor hatte mit meinen Freunden Stress zu kriegen, ich hatte Aoi und Ruki mehrmals eins ausgewischt und meine Mutter hatte mich in Ruhe gelassen. Sogar eine neue Bleibe für eine Weile hatte ich gefunden… und Saga war wirklich der beste Wohnpartner, den ich mir vorstellen konnte. Auch, wenn er selbst seine Probleme hatte. Und nun brach mit einem Mal all das über mich herein, was ich bisher verdrängt hatte. Die Angst, dass meine Mutter mich auf diese Weise finden würde und die Tatsache, dass es im Endeffekt auch genauso gekommen war, wie ich es befürchtet hatte. Die Angst davor, dass meine Freunde es miterleben würden… und die Enttäuschung darüber, dass ich damit einfach nicht fertig wurde. Und auch, wenn ich es noch immer nicht wahr haben wollte… die Wut darüber, dass Aoi und Ruki derart darauf reagierten, dass ich neue Freunde hatte. Wut darüber, dass sie nicht endlich mal angekrochen kamen, so, wie ich es immer getan hatte… Noch immer leise schluchzend saß ich also neben Reita auf der Bank und zog mir gerade die Jacke aus, da es doch mit einem Mal ziemlich warm geworden war. Wenigstens etwas Positives an diesem Tag – es war vom einen auf den anderen warm geworden. „Wieder okay?“, hörte ich Reita fragen, der mir noch immer über den Rücken streichelte, während Sakito im Schneidersitz vor mir saß und mir übers Bein streichelte. Wenigstens ging es ihm wieder etwas besser und er fing nicht auch gleich an zu weinen, weil es ihm im Moment selber ziemlich scheiße ging. Es war erleichternd, dass er nicht auch rumheulte, dann musste Reita nicht gleich zwei deprimierte Häufchen trösten. Ich brachte – wie überragend – ein Nicken zustande und nahm dankend das Taschentuch an, das mir Reita gerade reichte und putzte mir kurz die Nase, wischte mir dann die Tränen von den Wangen und lehnte mich an ihn. „Sorry, ist n bisschen überflüssig, dass ich jetzt heule…“, murmelte ich und erntete einen leichten Schlag gegen den Oberarm. „Ist dein gutes Recht, Baby“, seufzte er, „ich glaub ich hätte nach sowas auch nen ziemlichen Nervenzusammenbruch…“ „Im Ernst“, stimmte Sakito ihm zu und lehnte den Kopf auf meine Beine, „dass die Alte sich sowas überhaupt traut ist schon krass…“ „Meine Mutter halt…“ Aoi war Schuld. Er hatte sie angerufen, er hatte ihr gesagt, wann ich Schule aus hatte… und er hatte sie gebeten herzukommen! Was er sich dabei gedacht hatte, stand in den Sternen… aber sicherlich hatte er es alles andere als gut gemeint! In diesem Moment schwor ich mir, dass ich ihn verprügeln würde… und zwar windelweich! „Komm“, forderte Reita mich auf und zog mich an beiden Händen auf die Beine. Er hatte Recht, ich sollte nicht die ganze Zeit rum sitzen und heulen. Es brachte nichts, sich darüber aufzuregen, was passiert war, zumal die gesamte Schule morgen eh darüber reden würde und es da auf einen mehr oder einen weniger nicht ankam. Es hatten schließlich nicht nur ein paar Leute gesehen… Und sicherlich hatte auch Aoi es mitbekommen. Fühlte er sich jetzt gut? Hatte er jetzt das, was er wollte? Mit Sicherheit… Widerstandslos ließ ich mir einen Arm um die Hüfte legen und mich mitziehen, wobei ich meinen Kopf müde hängen ließ. Ja, jetzt war ich wirklich müde…! Nicht, dass ich heute Morgen viel zu früh aufgestanden war, um zur scheiß Schule zu kommen oder so…! Und dann auch noch so ein Scheißtag… „Ich hab Bock auf Wodka“, ließ Sakito irgendwann fallen, „lass zu mir gehen, ich hab noch was da…“ Irgendwie faszinierte es mich, dass sowohl Sagas, als auch Sakitos Eltern kein Problem damit zu haben schienen die Wohnungen der beiden zu finanzieren. Beide lebten allein – etwas, wovon ich in letzter Zeit immer mehr träumte. Nicht mehr meine nervige Mutter ertragen, jeden Tag Party in meiner eigenen Wohnung und endlich ungestört sein mit Reita… „Ich rede mit dir, Schönheit“, hörte ich meinen Freund irgendwann sagen, ich schaute irritiert auf und blinzelte ein paar Mal. „Hä?“ Anerkennend nickte Reita, klopfte mir auf die Schulter und lachte herzlich, während wir in die Straße einbogen, in der Sakito und Saga in einem Haus lebten. Bis wir an der Wohnung angekommen waren, hatte ich den beiden allerdings nur bei ihrem Gespräch über Kyo und Dai zugehört, ab und an genickt und keinen weiteren Kommentar dazu gegeben. Die beiden wurden mir von Mal zu Mal suspekter, an denen ich ihnen begegnete. Ob Kyo auch an meinem Geburtstag da sein würde? Eigentlich kaum mehr eine Frage, denn so gut wie zugesagt hatte er ja schon. Eigentlich lag es nicht sonderlich in meinem Interesse, dass der kleine womöglich noch Dai's Bude auseinander nahm, weil er mal wieder zu viel gesoffen hatte, denn ich erinnerte mich in diesem Moment daran zurück, dass Reita gesagt hatte, er sei ein Schläger und habe ab und daraus schloss ich, dass er wohl öfter auch mal gewisse Gefühlsausbrüche bekam. Sollte mich nicht weiter stören, bloß würde es sicherlich peinlich werden, wenn er das Haus desjenigen zu Kleinholz verarbeitete, bei dem ich feierte und das auch noch ohne dafür irgendwas zu tun, geschweige denn zu bezahlen oder so… Und was ich dem Gespräch der beiden neben mir so entnehmen konnte, schien Kyo es wirklich faustig hinter den Ohren zu haben. Er nahm also Drogen? „Woher wisst ihr das eigentlich?“, fragte ich einfach dazwischen, woraufhin ich eine erschreckende Antwort von Reita bekam. „Dai hat früher mal gedealt, wo er die jetzt herkriegt wissen wir nicht.“ Dai hatte also tatsächlich mal gedealt? Das hatte mich eigentlich nicht verwundern sollen, doch in diesem Moment war ich schon etwas verwirrt davon. Ich erinnerte mich zu gut an den Abend, an dem meine Mutter mich betrunkenerweise rausgeworfen hatte und wir schließlich bei Dai Unterschlupf gesucht hatten. Seine raue, tiefe Stimme und die etwas geröteten Augen hatten schon irgendwie darauf hingewiesen, dass er scheinbar was mit Drogen zu tun hatte. Bestimmt war es nicht nur so, dass er mal gedealt hatte, sondern dass er auch noch welche nahm. Überhaupt war mir der Gedanke sowieso schon mal gekommen… Die Frage huschte allerdings schneller über meine Lippen, als ich sie hätte verhindern können. Zuerst sagte keiner der beiden etwas, bis Sakito schließlich die Stimme erhob. „Wie gesagt“, murmelte er, „ich hab sie auch immer von Dai bekommen… und er hat auch selber welche genommen. Aber er dealt heute nicht mehr, Ni~ya hat nur ein altes Päckchen von ihm gefunden…“ Der skeptische Blick von Reita entging mir nicht, doch auch mir kam die Geschichte irgendwie komisch vor. Wenn Sakito tatsächlich noch dieses Päckchen von Dai übrig gehabt hatte, warum hatte er es dann nicht gleich verschwinden lassen, sondern lief Gefahr, dass es irgendwann doch jemand finden würde? Sonderlich gut versteckt schien das Zeug bei ihm ja nicht gewesen zu sein… „Aha…“, gab ich kurz zurück, ehe wir das Wohnhaus erreicht hatten und es betraten, die paar Stufen bis in den dritten Stock hinauf stiegen und uns abwechselnd lautstark darüber beschwerten, dass der Aufzug ausgefallen war. „Schuhe aus“, forderte Sakito uns auf, als er die Tür aufschloss, „ich hab ewig gebraucht den Alk von dem scheiß Boden zu wischen, den Ni~ya letztens ausgekippt hat… hab nicht schon wieder Bock auf Dreck…“ Fragend hoben sowohl Rei, als auch ich eine Braue und zogen die Schuhe aus, ehe wir ins Wohnzimmer gingen und Reita sich auf dem kleinen Sofa niederließ. Ich hingegen suchte sofort mal das Klo auf, um meine Schminke zu richten und mich wieder halbwegs menschlich aussehen zu lassen. „Lass Sushi bestellen“, hörte ich Sakito aus der Küche rufen, der mit irgendwelchen Flaschen oder Gläsern klirrte und ich hörte, wie er sie auf dem Wohnzimmertisch abstellte. „Oh, gute Idee“, brüllte ich zurück, „ich sterbe vor Hunger! Nur Maki mit Lachs und Thunfisch, bitte!“ „Bist du blöd? Menüs sind billiger“, rief Reita zurück und ich ignorierte den Rest ihrer Diskussion, während ich den überflüssigen Eyeliner unterm Auge wegwischte und einfach unerlaubterweise in Sakitos Schminke herumwühlte und den Lidstrich nachzog. Nachdem ich noch mein Geschäft erledigt hatte, ging ich zurück ins Wohnzimmer und fand Reita vor drei Gläsern sitzend mit einer Flasche Wodka und Orangensaft vor, sowie Sakito, der am Telefon hing und Sushi bestellte. Ein großes Menü für drei Personen mit nahezu allem, was der Laden anscheinend zu bieten hatte. „Ihr wisst schon, dass ich die Kinderportion bevorzuge?“, fragte ich leise vor mich hin, sodass Reita kurz zu mir schielte und mir ein Glas in die Hand drückte. „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt“, zwinkerte er, reichte auch Sakito ein Glas, der soeben aufgelegt hatte. Seufzend lehnte ich mich zurück und nippte an meinem Getränk, spürte, wie mir gleich nach den ersten paar Schlücken etwas wärmer wurde. „Kommen die anderen eigentlich auch später?“, fragte ich interessiert, während ich Sakito dabei zuschaute, wie er mehr Wodka in sein Glas kippte und erst dann etwas davon trank. Anscheinend brauchte er das nach dem Hammer mit Ni~ya… Und nur zu gut verständlich. „Wir hatten Saga noch gefragt, aber der wollte ja mit n paar anderen noch in die Stadt vorher“, gab Reita zurück, während er wie selbstverständlich aufstand und eine Schublade am Sideboard öffnete, eine CD herauskramte und sie in den Player legte. Kurz darauf ertönten schrille Gitarrentöne und ich sah, wie seine Miene um einiges zufriedener wurde. Allerdings schwirrte mir noch immer der Gedanke im Kopf herum, dass es nicht sonderlich gut wäre, Saga mit einzuladen. Der schien nämlich zu denken er habe freie Bahn und ich konnte mir irgendwie vorstellen, dass Tora ihm irgendwann scheißegal sein würde, sobald Sakito nämlich im betrunkenen Zustand auf seine Flirtversuche ansprang. Aber ob ihm das zuzutrauen war…? „Was machen die denn in der Stadt?“, fragte Sakito, trank sein Glas halb leer und schien immer ungeduldiger auf das Essen zu warten. Reita zuckte mit den Schultern und gab ein gleichgültiges „Saufen?“ von sich. „Ich brauch neue Klamotten“, wechselte Sakito schnell wieder das Thema und schaute mich plötzlich fragend an, „kommst du mit shoppen?“ „Ich hab aber kein Geld“, murmelte ich, lehnte mich an Reita, der sich soeben wieder neben mich gesetzt und einen Arm um mich gelegt hatte. Irgendwie fühlte ich mich in Sakitos Wohnung ziemlich unwohl. Es war einfach zu persönlich, ich hatte das Gefühl ihn mit jedem Blick, den ich nach links oder rechts wagte seiner Privatsphäre zu berauben. Überall Bilder von ihm, seinen Freunden, vielleicht auch seiner Familie? Poster von Bands, irgendwelche Flaschen, Krimskrams, mit denen er sicher seine halbe Lebensgeschichte würde erzählen können. Ich hatte nicht einmal halb so viel Kram in meinem Zimmer, weil ich einfach nicht gewollt hatte, dass meine Eltern zu viel über meine Probleme erfuhren, die ich in der Schule hatte – gerade durch Bilder drückte man aus, dass man Freunde hatte und man viel mit ihnen unternahm. Da ich kaum Bilder von Freunden und mir hatte, hatte ich gar nicht erst welche aufgestellt mit der Ausrede es gäbe zu viel zum Staubwischen. Lächerlich eigentlich… „Ist zwar blöd, aber wir haben ja grad erst was für dich geholt“, grinste Sakito mir gegenüber, was mich unweigerlich schmollen ließ. Jeder konnte sich hier scheinbar Klamotten ohne Ende leisten – bis auf Reita vielleicht, denn der hasste shoppen mit Sicherheit auch – und nur ich musste mit dem leben, was ich hatte. Dabei war das, was ich denn überhaupt besaß, so gar nichts Besonderes. „Du kannst ja n paar alte Klamotten von mir haben“, schlug der andere vor und ich horchte auf. „Was für welche?“ „Keine Ahnung, Netzklamotten, weil ich die kaum noch trage, n paar Hotpants…“ „Mit Strapse?“, fragte Reita plötzlich dazwischen, woraufhin ich ihm erstmal einen kräftigen Schlag mit dem Ellbogen verpasste. „Was denn?!“ „Ja, auch mit Strapse“, lachte Sakito halbherzig und trank wieder aus seinem Glas, hatte nun schon die Hälfte geleert. Armes Ding. Obwohl ich mich wohl auch dazu hätte erklären lassen können, denn immerhin war ich gerade derjenige, der alte Klamotten von seinen neuen Freunden geschenkt bekam… Eine halbe Stunde später saßen wir gemütlich am Wohnzimmertisch und angelten nach den kleinen Sushi, die man uns endlich gebracht hatte. Es schmeckte zwar ziemlich scheiße, allerdings störte mich das herzlich wenig, immerhin konnte ich das mit dem Wodka-Mix ein wenig übertönen. „Schmeckt, als wenn der Thunfisch schlecht wäre“, lachte Sakito, mittlerweile schon etwas auf- und wohl auch angeheiterter, was mich erleichterte. Schlechte Laune konnte ich gerade so gar nicht gebrauchen, besonders nicht nach so einem Tag. „Schmeckt, wie wenn meine Mutter Sushi selber macht“, scherzte mein Freund neben mir und schob sich das letzte Stück in den Mund, kaute lustlos darauf herum. Sakito hatte gerade einen Satz angefangen, als er plötzlich durch die Klingel unterbrochen wurde. Das musste wohl Saga sein, vielleicht hatte er ja noch jemanden dabei. „Uru, mach du auf“, jammerte Reita neben mir, auch Sakito machte keine Anstalten aufzustehen und so erhob ich mich einfach seufzend, ging in den Flur und stellte mich vor die Tür, um durch das kleine Bullauge zu spähen. Doch da stand nicht Saga… „Saki…“, rief ich kurzerhand ins Wohnzimmer und er gab einen kurzen Laut von sich, sodass ich wusste, dass ich seine Aufmerksamkeit hatte. „Ist für dich…“ Nun war es ein verwunderter Laut und er stand auf, kam langsam zur Tür und ich lächelte ihm kurz aufmunternd zu, denn sein Ausdruck in den Augen verriet alles. Er wusste schon, wer vor der Tür wartete und noch einmal klingelte, ehe Sakito erst langsam die Tür öffnete. „Was machst du denn hier…?“ Kurz hob ich die Hand, um Ni~ya zu begrüßen, dann allerdings ging ich zurück ins Wohnzimmer, setzte mich wieder zu Reita auf die Couch. „Wer is’ das?“, wollte er wissen, doch kaum hatte er über seine Schulter in den Flur geschaut drehte er sich gleich wieder um und schaute mich irritiert an. „Wo kommt er denn jetzt her?“ „Was fragst du mich das?“, lachte ich und zuckte mit den Schultern, hörte im Hintergrund, wie Sakito die Tür schloss und kurz darauf mit Ni~ya ins Wohnzimmer kam. „Warst du auch in der Stadt?“, fragte Sakito gezwungen lächelnd, nachdem Ni~ya Reita begrüßt hatte und nahm noch ein Glas aus dem Schrank, wollte seinem Ex schon was einschütten, doch dieser lehnte dankend ab. Und zack – die Atmosphäre war hinüber. Irgendwie kam mir der Gedanke einfach zu verschwinden und die beiden allein zu lassen, aber irgendwie war da noch dieser dicke, fette Widerspruch in meinem Hinterkopf… „Sollen wir abhauen?“, fragte Reita, doch überraschenderweise war es Ni~ya, der den Kopf schüttelte und uns bat zu bleiben. „Das geht euch eh alle was an“, meinte er schlicht und ich glaubte leichte Enttäuschung in Sakitos Augen zu sehen, als er sich auf den Boden neben den Tisch setzte und Ni~ya seinen Sessel überließ. Kurz herrschte Stille – bedrückende Stille meiner Meinung nach – und Sakito starrte einfach weiter auf den Boden, während Ni~ya nach den richtigen Worten zu kramen schien. „Dai… ist da vorhin sowas rausgerutscht“, begann er ruhig, Reita neben mir schaute interessiert auf und machte eine kurze Handbewegung, die deutete, dass Ni~ya weiterreden sollte. Dai war etwas rausgerutscht? Na, wenn das mal keine Neuigkeit war… „Der hat mir im Suff doch tatsächlich gesteckt, dass er noch immer dealt!“ „Was?!“ Erschrocken wich ich ein Stück zurück, als Rei sich plötzlich aufgerichtet hatte und ich sah, wie er Ni~ya fassungslos anstarrte. „Das Geld, was der zum Fenster rausschmeißt kommt nicht von seinem Vater“, erklärte Ni~ya weiter, „der weigert sich schon seit Monaten dem irgendwas an Taschengeld zu geben. Das kommt alles von der Dealerei…“ Peng. Großes Schweigen trat ein, niemand sagte auch nur ein Wort und Sakito starrte Ni~ya mit offenem Mund an, nicht fähig auch nur einen Ton über die Lippen zu bringen. Und wieder einmal hatte ich es gewusst. Es war mir von Anfang an schon komisch vorgekommen, dass Dai so viel Taschengeld bekam, wenn er doch die halbe Zeit irgendwelche Partys feierte und das halbe Haus auseinander nahm. Kein Wunder, dass der Vater sich da kaum blicken und seinen Sohn sich selbst überließ. Dafür, dass Dai die ganze Zeit so viel Geld bekommen und ein ach so steinreiches, tolles Leben geführt haben sollte, hatte er viel zu scheiße ausgesehen. Wieso hatte ich das nicht eigentlich schon eher hinterfragt…? „Ey, damit kann ich nicht umgehen“, ließ Reita leise verlauten, schien mehr als nur wütend über die eben festgestellte Tatsache zu sein. „Was hat der sonst noch gelassen?!“ „Er vertickt das Zeug wieder, weil er Geld für ne eigene Wohnung will… hat scheinbar noch n paar Mäuse auf seinem Sparbuch oder so…“, erzählte Ni~ya, rieb sich fahrig über die Augen. Meiner Meinung nach sah er einfach nur schlecht aus. So richtig fertig mit der Welt. Gut, bei so einer Nachricht nicht verwunderlich. Oder steckte doch mehr dahinter…? „Das hat der alles im Suff breitgetreten?“, fragte Reita ungläubig, „Obwohl… von seinem Sparbuch weiß ich selber schon, das tritt der ja dauernd breit…“ „Wie gesagt“, meinte Ni~ya trocken, „keine Ahnung, auf jeden Fall braucht er noch Geld, um sich ne Eigentumswohnung leisten zu können. Wie er das mit den Nebenkosten machen will weiß er selber noch nicht, wahrscheinlich pumpt er eh wieder seinen Dad an…“ Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Dai hatte das Geld durch Drogen verdient. Dai hatte Sakito Drogen verkauft. Und ich war mir sicher, dass das nicht einfach irgendwann passiert war, sondern vor kurzem erst. Also hatte Sakito gelogen…? „Spasti!“, fluchte Reita laut und stand auf, lief nervös von A nach B. Wahrscheinlich hatte Dai ihm die Drogen wohl angedreht, als Sakito völlig betrunken gewesen war und womöglich noch irgendwelche Drohungen in den Raum geworfen, denn wieso sonst hätte Sakito wohl gelogen? Warum hatte er nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt? Denn die Reaktion bewies alles. Er saß einfach nur da, hatte sich angehört, was Ni~ya zu sagen gehabt hatte und schien nicht einmal annähernd verwundert darüber zu sein. „Hast du die Drogen genommen, die er dir vertickt hat?“, hörte ich Ni~ya’s Stimme, die Frage hatte er anscheinend an Sakito gerichtet, denn dieser schaute beschämt nach oben und schluckte, ehe er den Kopf schüttelte. „Wir verschwinden dann“, mischte ich mich schließlich ein und stand ebenfalls auf, griff nach Reitas Hand, der soeben am Sofa vorbeilief und sich wieder setzen wollte. Nein, das war nicht mehr unsere Angelegenheit, das mussten die beiden unter sich klären. Es musste ja niemand daneben sitzen, während Sakito versuchte ihr Problem zu klären, doch ich hoffte wirklich für ihn, dass Ni~ya das Ganze verzeihen würde… „Ich brauch ne Kippe“, murrte Reita, ich nickte nur gleichgültig und verabschiedete mich von Sakito, indem ich ihn kurz umarmte und ihm einen kleinen Wangenkuss gab, den er erwiderte. Auch Ni~ya umarmte ich kurz, ehe ich mich mit Reita auf den Weg in den Flur machte, um die Schuhe anzuziehen. „Lass mir n bisschen Zeit“, konnte ich noch vernehmen, bis wir schließlich die Tür hinter uns geschlossen hatten und die Treppen nach unten liefen. „Ich pack’s nich’“, knurrte Reita, zündete sich bereits im Hausflur verbotenerweise eine Zigarette an und warf die leere Schachtel einfach beiseite, „dieses verdammte Arschloch hat uns die ganze Zeit sowas von verarscht…!“ „Tja, was soll ich sagen…?“, seufzte ich, „Feiern wir denn jetzt noch bei ihm?“ Ich konnte mir ja so gut vorstellen, dass Reita den Rotschopf vor Wut erstmal so richtig zur Sau machen würde, womit ich meine Feier bei Dai wohl knicken können würde. Wäre ja auch zu schön gewesen. „Natürlich tun wir das“, antwortete Reita allerdings zu meiner Verwunderung, ich schaute ihn von der Seite an und bog ein letztes Mal um die Ecke, um die letzten Treppenstufen herunter zu laufen, die uns noch von draußen trennten, „jetzt erst recht und wir werden verdammt noch mal Terror machen…!“ Unweigerlich musste ich grinsen, als ich die Tür nach draußen aufstieß und mir endlich frische Luft entgegen kam. „Willst du das Haus auseinander nehmen?“, schmunzelte ich und griff nach seiner Hand, während ich desinteressiert in der Gegend rumschaute und mich nebenbei fragte, wo wir überhaupt hinliefen. „Nein, aber Stress machen wir trotzdem“, meinte er lässig, „und jedem, dem er ne Packung andreht polier ich die Fresse…“ „Und was ist mit Dai selber?“ „Der kommt zum Schluss…!“ Wir beide mussten lachen und ich war einfach nur froh, dass Reita die Sache nicht wieder so ernst zu nehmen schien, wie beispielsweise Sagas Selbstmordversuch. Wobei das ja immer noch eine Ecke schlimmer gewesen war, wenn ich ehrlich war. Außerdem hatte Reita wesentlich weniger mit Dai zu tun, als mit Saga oder den anderen. Mir allerdings war es trotzdem lieber, wenn wir nicht doch woanders feiern würden… nur wo? „Wo gehen wir eigentlich hin?“, fragte ich irgendwann, als ich bemerkte, wie er über der Kreuzung noch immer geradeaus weiterlief in die Straße, wo er wohnte. „Meine Eltern sind nicht da“, grinste er, „Mom ist arbeiten und das Arschloch noch immer in Amerika!“ Das Arschloch… „Oh, gut“, grinste ich und sah noch, wie er seine Zigarette wegwarf und sich ein Kaugummi in den Mund steckte. „Machst du das eigentlich nur, weil ich dich danach nicht küsse?“, wollte ich einfach mal wissen und schmunzelte, als sich seine Lippen zu einem tonlosen Lachen öffneten. „Das auch, ja…“ „Und wieso noch?“ Kurz überlegte er, kramte in seiner Jackentasche nach seinem Schlüssel und spielte ein wenig damit herum. „Ich rauch nur, um meine Nerven zu beruhigen und so. Ich find den Nachgeschmack voll widerlich…“ Na, das war doch mal eine Ansage! „Nur, um deine Nerven zu beruhigen?“ „Jep.“ „Bin ich denn so anstrengend?“, scherzte ich, woraufhin ich einen Vogel gezeigt bekam und kurzerhand zog er mich näher, kniff mir in den Hintern. Machte er das eigentlich gerne?! „Gar nicht auszuhalten“, antwortete er und steckte den Schlüssel ins Schloss der Haustür, an der wir soeben angekommen waren und ließ mich eintreten, warf dann seine Tasche und Schuhe wie immer achtlos in den Flur und wies mich an genau dasselbe zu tun. Wenigstens stellte ich die Schuhe noch ordentlich nebeneinander… „Hunger?“ „Bist du bescheuert?“, lachte ich auf, „Nach dem Berg Sushi?“ „Also ich hol mir nen Pudding“, grinste er und ich wusste ja sowas von genau, worauf er anspielte…! Unweigerlich wurde ich ein wenig rot und ich grummelte kurz, woraufhin ich einfach ungefragt nach oben direkt in sein Zimmer lief, allerdings kurz darauf bereits seine Schritte hören konnte. Er hatte natürlich wieder nicht aufgeräumt, der Bierkasten unter seinem Schreibtisch war leer und die Flaschen standen wieder abgedeckt im Zimmer herum, vegetierten vor sich hin – genau wie der Rest des Zimmers. „Was bist du eigentlich für eine faule Sau?“, warf ich einfach mal in den Raum und schob nebenbei ein paar Zeitschriften beiseite, um mich auf seinem Bett niederlassen zu können und sah zu, wie er mit dem Pudding bewaffnet die Matratze neben mir belagerte, den Fernseher mit der Fernbedienung einschaltete. „Hast du eigentlich immer was zu meckern?“, neckte er mich und nahm demonstrativ einen großen Löffel Pudding in den Mund, zog ihn extra langsam wieder hervor. „Willst du mich ärgern…?“ „Die Frage kenn ich doch“, grinste Reita, lehnte sich an die Wand hinter sich und löffelte gemütlich weiter, als sei nie etwas gewesen. Und das konnte ich ja nicht einfach so auf mir sitzen lassen…! Kurzerhand zog ich einen Schmollmund und krabbelte zu ihm rüber, ließ mich einfach breitbeinig auf seinem Schoß nieder und hielt seine Hand fest, die gerade den nächsten Löffel zu seinen Lippen führen wollte. Verführerisch grinste ich ihn an und hob die Hand zu meinem Mund. „Sei nicht so gemein“, meinte ich leise und leerte selbst den Löffel, ließ ihn ebenfalls nur langsam wieder zwischen meinen Lippen hervor gleiten. Reita schien das alles sehr interessiert zu beobachten. Er hatte sich lässig zurückgelehnt, den Blick starr auf meine Lippen gerichtet und verfolgte scheinbar jede kleinste Bewegung, die ich machte, ehe ich wieder grinste. Er zog den Löffel zurück und rührte nebenbei in seinem Pudding herum, hatte die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln verzogen. „Sei du nicht so sexy“, konterte er, wollte gerade einen neuen Löffel mit Pudding füllen und ihn zu seinen Lippen führen, doch ich hielt seine Hand fest und beugte mich einfach vor, begann einen zärtlichen und doch ein wenig gierigen Kuss. Ich konnte spüren, wie er den Becher samt Löffel beiseite stellte und die eine Hand, die ich nicht festhielt, über meinen Oberschenkel streicheln ließ. Als ich seine zweite Hand losließ und meine Arme um seinen Nacken schlang, spürte ich diese schon bald an meinem Rücken und wie sie weiter herab streichelte. Aus Reflex rückte ich näher an ihn heran und löste meine Hände – allerdings noch immer ein wenig unsicher – aus seinem Nacken, streichelte über seine Brust und seufzte leise. Seine Hände hatten sich derweil zu meinem Hintern verirrt, wanderten allerdings schon bald wieder höher und schlüpften unter mein Oberteil. „Du hast kalte Hände“, wisperte ich gegen seine Lippen, grinste etwas und knabberte an seiner Unterlippe herum, während ich mit den Haaren in seinem Nacken spielte. Er lachte leise, ehe er über meine Seiten kratzte – er wusste genau, wie empfindlich ich dort war – und noch einmal kurz seine Lippen auf meine presste, sich dann langsam zu meinem Ohr beugte, federleicht darüber leckte und wisperte: „Ich will dich…“ © Kapitel 25: Von Spielen und spielen lassen ------------------------------------------ -25- Von Spielen und spielen lassen „Ich will dich…“ Wie Zucker ließ ich mir seine Worte auf der Zunge zergehen, ein angenehmer Schauer lief meinen Rücken herab. Reita wollte mich… das hatte er soeben mit eigenen Worten gesagt. Ich war nicht nur ein One-Night-Stand für ihn gewesen, er hatte mich nicht einfach nur entjungfern wollen… er wollte mit mir schlafen, weil er mich liebte. Jetzt war ich mir so sicher… „Dann nimm mich doch“, neckte ich ihn, schien ihn soeben wirklich mehr als nur ermutigt zu haben das hier weiterzuführen. Ohne zu zögern legten sich seine weichen Lippen an meinen Hals, seine Hände pressten mich näher an ihn, sodass unsere Körpermitten sich beinahe berührten. Ich atmete hörbar lauter aus, legte den Kopf etwas zur Seite, um ihm mehr Spielraum zu lassen, während meine Hände noch immer über seine Brust streichelten, meine Finger schob ich an seinen Brustwarzen etwas weiter zusammen, neckte sie somit intensiver. Es hatte wirklich nicht lang gedauert und ich hatte längst eine Gänsehaut, denn noch immer konnte ich noch nicht so recht glauben, dass er mich wirklich so sehr begehrte, wie er es mir in diesem Moment zeigte. Ich konnte mich wohl als den glücklichsten Menschen der Welt bezeichnen – auch, wenn gewisse andere Dinge mir noch immer schwer im Magen lagen… Voller Vorfreude biss ich mir auf die Unterlippe, als seine Hände mein Shirt höher schoben, bis ich schließlich die Arme von selbst hob und es ihn mir ausziehen ließ. Kurz legte ich den Kopf in den Nacken und schüttelte ihn ein, zweimal, bis die Haare mir nicht mehr lästig ins Gesicht fielen und schaute in ein frech grinsendes Gesicht. „Was ist so witzig…?“, raunte ich leise und gespielt böse, schlüpfte mit meinen Händen unter sein Oberteil und wiederholte das mit meinen Fingern von eben, allerdings diesmal auf seiner nackten Haut. Ich spürte, wie seine Brustwarzen sich bereits gehärtet hatten, als ich sie zwischen meine Finger gleiten spürte, während ich weiter über seine Brust streichelte und mich dabei absichtlich etwas gegen ihn bewegte. Endlich berührte ich ihn wieder so, wie ich es bereits nach zwei Tagen vermisst hatte… „Du“, raunte er, „bist so verdammt sexy… weißt du das eigentlich…?“ Und nun schlich sich auch auf meine Züge ein breites Grinsen, ich schob meine Hände zu seinem Rücken und zögerte nicht ihm sein Oberteil einfach über den Kopf zu ziehen, sodass er sich etwas vorbeugen musste, damit es überhaupt funktionierte. Kaum hatte ich ihn von dem lästigen Stück Stoff befreit, beugte er sich nur ein klein wenig hoch, bis ich schließlich seine Lippen an meiner nackten Brust fühlte, an meinem Schlüsselbein, an meiner Brustwarze, in die er zärtlich hineinbiss… Er wusste zu gut, wie er mich zum stöhnen brachte und eben ein solches – allerdings nur ziemlich leise und noch immer etwas beschämt – ließ ich von mir hören, bäumte ich aus Reflex etwas auf und presste mich ihm dann entgegen, konnte ihn allerdings trotzdem noch nicht intensiv genug spüren. Ich wollte mehr… viel mehr… Wieder keuchte ich auf, als seine Hände über meinen Hintern fuhren, seine Nägel leicht über den dünnen Stoff meiner Jeans kratzten, sodass ich es nur angedeutet wahrnehmen konnte. Ich biss mir erregt auf die Unterlippe, ehe ich ein erneutes Keuchen nicht hatte vermeiden können, denn er hatte seine Zähne ohne Vorwarnung in meiner Halsbeuge versenkt. Langsam aber sicher wurde mir immer heißer, auch wenn ich mein Oberteil längst losgeworden war. Es fehlte noch immer ein wenig Stoff an meinem Körper, der mich mit der Zeit allerdings zu stören begann. Doch auch Reitas Hose nervte gewaltig, ich wollte ihn endlich wieder so vor mir sehen, wie Gott (wenn es ihn denn gab) ihn geschaffen hatte und das nur für mich allein. Niemand anders durfte ihn mehr so sehen… Ich zierte mich nicht meine Finger in seinem Schopf zu vergraben, zeigte ihm einerseits somit, wie sehr er mich bereits mit diesen kleinen Gesten anmachte und andererseits diente es dazu ihn zu mir heraufzuziehen, damit ich ihm einen seiner heißen Küsse stehlen konnte. Sofort drängte sich eine gierige Zunge zwischen meine Lippen, die ich gewähren ließ und die ich mit meiner eigenen empfing, sie umspielte und ihm ab und an frech in die Unterlippe biss. Endlich waren auch seinerseits ein paar genüssliche Laute zu hören, immer wieder spürte ich, wie er etwas schneller zu atmen begann, wenn ich ihn an seinen empfindlichsten Punkten am Körper berührte. Ich hatte wohl schnell herausgefunden, wie rattig man ihn doch mit der kleinsten Berührung seiner Brustwarzen und mit einem leichten Kratzen über seine Seiten machen konnte… Von seinem Steißbein mal ganz abgesehen! Und dort machte ich auch gleich weiter, streichelte zuerst federleicht darüber, sodass er immer wieder mit seinem Unterleib vor rückte, sich somit anscheinend unbewusst gegen mich schob. Auch mir entkam immer wieder ein leises Seufzen, doch nichts hielt mich davon ab ihn weiter zu streicheln und so schob ich zwei meiner Finger in seine Hose, konnte bereits seinen flachen Atem an meinen Lippen vernehmen. Frech, wie ich nun mal war, wanderte ich mit diesen beiden Fingern nach vorn, allerdings ohne sie dabei aus seiner Hose herauszuziehen und konnte seine Beckenknochen spüren, über denen die Hose sich oben hielt. Allerdings nicht mehr lang… „Wird die nicht langsam eng…?“, fragte ich leise und grinste an seinen Lippen, ehe meine Hand ungeniert in seinen Schritt wanderte und dort einmal kurz, aber nicht gerade sanft zudrückte. Natürlich hatte ich kaum irgendeine vernünftige Antwort erwartet, außer einem heißen Stöhnen und im nächsten Moment spürte ich seine zärtlichen Küsse, die meine Lippen kribbeln ließen. Ich seufzte wohlig und fühlte, wie er sich meiner Hand entgegenzudrücken versuchte, allerdings war das in seiner Position nun doch ein wenig ungünstig… Deshalb beschloss ich ihn ein wenig zu erleichtern, ließ meine Finger kurz mit seinem Gürtel spielen und öffnete diesen dann, machte nur sehr langsam mit seinem Hosenbund weiter und zog schließlich den Reißverschluss auf. Ich konnte bereits die Hitze darunter spüren, während er sich aus dem Kuss löste und sich voller Vorfreude auf die Lippe biss. Er stemmte sich auf die Arme, hob sein Becken dann an, sodass ich ihm die Hose leichter von den Hüften ziehen konnte und als ich kurz aufschaute, entdeckte ich die bereits gut sichtbare Beule in seiner Shorts. Nun wurde ich doch wieder ein wenig nervös, doch das unterdrückte ich gekonnt und überspielte es mit einem gehässigen Grinsen. Ich konnte nicht glauben, dass ich tatsächlich so eine erregende Wirkung auf ihn hatte. Immer nur als hässlich und langweilig beschimpft zu werden hatte wohl seine Spuren hinterlassen, daher wohl mein leicht ungläubiger Blick… „Alles okay?“, hörte ich ihn auf einmal fragen und es sagte mir, dass ich wohl etwas zu lang einfach nur vor mich hergestarrt hatte. Wie peinlich! Deshalb antwortete ich nur mit einem Grinsen, ich behielt den Kopf gesenkt, als ich kurz zu ihm heraufblickte und ihn nur verschwommen durch meine Ponysträhnen hindurch erkennen konnte. Kurz sah ich, wie sich sein Brustkorb etwas schneller hob und wieder senkte, denn ihm musste dieser Anblick wohl auch ziemlich gefallen haben. Und dann zögerte ich nicht mehr lang, strich beinahe unschuldig über seinen Schritt und zerrte dann leicht an der Shorts, sodass er überrascht aufkeuchte und aus Reflex sein Becken anhob, damit ich sie problemlos herabziehen konnte. Fahrig leckte ich mir über die Lippen, als ich seine Männlichkeit vor mir sah, steil aufgerichtet und wohl nach Aufmerksamkeit schreiend. Ich zwang ihn gleich die Beine zu spreizen, sodass ich mich dazwischen niederlassen konnte und strich mir die Haare lasziv aus dem Gesicht, hatte den Kopf noch immer gesenkt und schaute erneut kurz zu ihm auf, das Grinsen noch immer auf den Zügen. Ob es schwierig war ihn mit dem Mund zu befriedigen? Ob es überhaupt anders war als mit der Hand, wenn man es bei anderen machte…? Ich hatte sowas noch nie getan, hatte daher schon ein wenig Angst etwas falsch zu machen, doch wie hieß es so schön? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt…? „Du musst das nich’ machen“, hörte ich ihn wispern, ich konnte seine Hand in meinem Nacken spüren und wie sie mich schon wieder heraufziehen wollte, doch ich hielt ihn davon ab, indem ich ihn kurz lieb und doch etwas schüchtern anlächelte, die Hand dann mit der, die zuvor meine Ponysträhnen beiseite gestrichen hatte und noch immer hinter meinem Ohr verweilte, umfasste und sie auf das Bett platzierte. „Sei einfach still“, bat ich leise, strich mit derselben Hand zurück über seine Oberschenkel, unterbrach dabei den Blickkontakt nicht und näherte mich quälend langsam seiner Körpermitte. Ich wollte es versuchen. Ich wollte ihn stöhnen hören und ich allein wollte der Grund dafür sein, wobei er absolut gar nichts dazutun musste, um unter seiner eigenen Lust zu zergehen. Er sollte mir dabei keinesfalls behilflich sein, ich war es auch nicht gewesen und hatte ihn einfach machen lassen. Aber trotzdem würde ich die Sache nicht auf diesem Wege zu Ende bringen. Das musste er allerdings schon selbst herausfinden… Schließlich wendete ich den Blick wieder ab, als ich seine Erregung mit den Fingern erreicht hatte und strich sie mit diesen einmal entlang, umfasste sie gänzlich und bewegte die Hand etwas, ehe ich meine Lippen auf die Spitze senkte und sogleich sein beherrschtes Keuchen vernehmen konnte. Leicht grinsend intensivierte ich den Druck meiner Lippen ein wenig, so auch den mit meiner Hand und rieb nur langsam über den Schaft, bis meine Lippen sich teilten und ich meine Zunge mehr oder minder geschickt einsetzte, um ihn endlich stöhnen zu hören. Bis hierher hatte ich wohl noch wenig falsch gemacht, denn er hatte keinen einzigen Laut von sich hören lassen, der darauf hinwies. Ich begann langsam mich mehr zu trauen, etwas aus mir herauszukommen und ein wenig Initiative von mir selbst aus zu ergreifen. Ich gefiel mir immer mehr mit der Zeit, hatte schon viele Hemmungen verloren und fühlte mich wirklich viel selbstbewusster und traute mir einiges mehr zu. Und das alles hatte ich Reita zu verdanken, demjenigen, der gerade stöhnend vor mir saß und zu genießen schien, dass sich meine Lippen nun endlich um die bereits leicht feuchte Spitze schlossen und ich vorsichtig daran zu saugen begann. Ich wollte es ja nicht gleich übertreiben… Niemals hätte ich mir vorgestellt etwas wie das hier derart zu genießen! Nun wusste ich, wieso Reita es bei mir getan hatte, denn solch ein Stöhnen hatte ich von ihm zuvor nie vernommen. Es trieb mir immer wieder eine Gänsehaut über den ganzen Körper, wenn seine vollen Lippen sich teilten und er den Kopf genießend in den Nacken legte, was ich alles von unten her beobachten konnte, wenn ich meine Zunge über die empfindliche Eichel tanzen ließ. Auch mich machte dieses kleine Spiel so verdammt heiß, dass ich es beinahe kaum mehr aushalten konnte. Und so verließ auch meine Lippen das ein oder andere kleine Seufzen, während meine Lippen sich wieder um seine Erregung schlossen und ich langsam den Kopf auf und ab zu bewegen begann. Anscheinend war ich wirklich begabt, er hatte sein Stöhnen bis jetzt kein einziges Mal unterbrochen und schon bald spürte ich, wie seine Finger sich in meinem Haar vergruben und er meinen Kopf immer wieder leicht herunterdrückte. Ich kam seinem Wunsch allerdings nicht zu lang nach, schließlich wollte ich ihm keine zu große Lust bescheren, also hielt ich mich zurück in meinen Bewegungen und hörte, wie sein Stöhnen von Zeit zu Zeit gequälter klang. Wenn ich nicht gerade seinen Schwanz im Mund gehabt hätte, wäre mir wohl das ein oder andere Grinsen entkommen, doch stattdessen keuchte ich selbst leise und mein heißer Atem traf auf die feuchte Haut an seinem Glied, was sein Becken immer wieder leicht zum Zucken brachte. Ein letztes Mal nahm ich die Spitze in mich auf, presste meine Zunge nun etwas fester dagegen, sodass seine Erregung zwischen Zunge und Gaumen eingeengt war, ehe ich sie wieder entließ und mich an ihr entlang küsste, schließlich auch mit meiner Hand davon abließ und mich heraufbeugte. Ich sah seinen leicht gequälten Gesichtsausdruck direkt vor mir und spürte im nächsten Moment seine gierigen Lippen auf meinen, seine freche Zunge, die sich zwischen meine Lippen drängte und nach meiner suchte. Doch ich wollte nicht so sein, öffnete den Mund für ihn und kam ihm entgegen, umspielte seine Zunge kurz mit meiner eigenen und ich wusste nicht wirklich, ob sein hastiger Atem durch den Kuss verursacht wurde oder dadurch, dass mein Hintern immer wieder seine Männlichkeit streifte. „Worauf wartest du?“, hauchte ich leise gegen seine Lippen, grinste etwas und spürte im nächsten Moment, wie er mich etwas von sich schob und seinen Arm ausstreckte, in der untersten Schublade seiner Kommode direkt neben seinem Bett zu kramen begann. Kurze Zeit später hatte er eine kleine Tube hervorgekramt, legte sie neben uns und zog mich schließlich wieder in einen atemberaubenden Kuss. „Ich liebe dich“, raunte er währenddessen plötzlich gegen meine Lippen und ich musste grinsen, hauchte einen kleinen Kuss auf seine und erwiderte ein leises „Ich dich auch“, ehe ich spürte, wie er meine Hose zu öffnen begann und sie über meine Hüften zog. Da ich noch immer zwischen seinen Beinen kniete war es nicht besonders umständlich, ich erhob mich ein wenig und strampelte mir die Hose schließlich ganz von den Hüften, während ich unauffällig mit meinen Zehen die Socken von den Füßen schob. Es gab ja nichts Unerotischeres als Socken beim Sex zu tragen…! Nun musste ich mir auf die Unterlippe beißen, als er sich an meiner Hotpants zuschaffen machte und ich lenkte mich ein wenig ab, indem ich seinen Hals zu verwöhnen begann und zog mir meine Unterwäsche schließlich auch ganz von den Beinen, sodass ich entblößt vor ihm kniete. „Knie dich über mich“, forderte er auf einmal und ich stutzte, wusste im ersten Moment überhaupt nicht, wie er das meinte. Ich sollte mich über ihn knien? Das hieß doch… „Uhm… okay…“ Ich sollte ihn wirklich reiten? Er wollte mir die Führung über das Ganze überlassen? Ich wusste allerdings nicht wirklich, ob ich das ernsthaft wollte…! Schließlich war meine Erfahrung beim Sex noch ziemlich dürftig und ich wusste nicht, ob ich mir das jetzt schon zutraute ohne irgendwas falsch zu machen oder mich dumm anzustellen. Allerdings war die Vorstellung wie ich mich auf Reitas Schoß immer wieder auf und ab bewegte schon ziemlich erregend… Warum also nicht? Also erhob ich mich, schwang die Beine wieder über seine und positionierte sie links und rechts von ihm, legte die Hände locker auf seine Brust und widmete mich wieder seinem Hals, während er wohl die kleine Tube öffnete, die er zuvor herausgekramt hatte. Ein leises Klacken ertönte und ich spürte, wie neben mir etwas auf die Matratze fiel und im nächsten Moment was verdammt kaltes an meinem Hintern. Gleitgel also? Unweigerlich seufzte ich auf, als er mit einem Finger zwischen meine Pobacken glitt und die eine mit der freien Hand etwas nach außen zog, sodass er leichter Zugang hatte. Schon jetzt versuchte ich mich zu entspannen, sodass es diesmal hoffentlich weniger schmerzhaft war und ich schloss die Augen, während ich sanft an der Haut an seinem Hals knabberte. Und schließlich schob er seinen Finger in mich, sodass ich etwas lauter stöhnte und versehentlich etwas fester in seinen Hals biss. Auch er keuchte daraufhin auf, löste die Hand von meiner Pobacke und strich meinen Rücken auf und ab, während er den Finger langsam zu bewegen begann. Diesmal schmerzte es weniger, ich hatte mich auch schnell an das nicht mehr unbekannte Gefühl gewöhnt und bewegte mich schon bald gegen ihn, sobald ich mich zu seinen Lippen heraufgeküsst hatte, die ich nun wieder mit meinen verschloss und ein leises „Weiter“ dagegen hauchte, um ihm zu versichern, dass ich nicht mehr zu lange warten wollte. Ich spürte sein Lächeln an meinen Lippen, kurz darauf einen zweiten Finger, der sich in meine Öffnung drängte und mich zu weiten begann. Unweigerlich musste ich mich von seinen Lippen lösen, ich senkte den Kopf etwas und ließ ihn ein heiseres Stöhnen vernehmen, während ich mich an den Schmerz zu gewöhnen versuchte. „Tu ich dir weh?“, raunte er leise an mein Ohr und leckte kurz darüber, sodass es mir einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Gott, seine Stimme… so tief… so erregt… so verdammt sexy…! Doch ich war viel zu eingenommen von dem, was er da tat und ich konnte nicht wirklich antworten, also schüttelte ich den Kopf und grinste etwas, hörte meinen eigenen rasselnden Atem plötzlich lauter, ebenso wie das Rauschen meines Bluts in den Ohren. Er stieß endlich fester zu und brachte mich immer wieder zum Stöhnen, ich legte den Kopf schief und ließ seinen Lippen, die er auf meinen Hals gesenkt hatte, etwas mehr Freiraum und bewegte mich seinen Finger letztendlich sogar wieder entgegen. Schnell hatte ich den Schmerz diesmal überwunden, sodass ich nicht mehr länger warten wollte, um ihn endlich ganz spüren zu können. „Reita“, keuchte ich in meiner Ekstase, forderte ihn mit nur einem einzigen Blick auf es nicht länger so spannend zu machen und diesen Blick hatte er nur zu gut verstanden… Ein letztes Mal spreizte er die Finger in mir, was ich nur dadurch ableiten konnte, dass sich die Haut an meinem Eingang noch weiter spannte und ich keuchte leise, ehe er sie mir entzog und mir deutete ein Bein hinzustellen. „Dann zeig’s mir, Baby“, grinste er, küsste mich wieder verlangend und hatte unbemerkt von mir bereits etwas von dem Gel auf seinem Glied verteilt, über das ich mich nun platzierte. Ich ließ mich auf seine Anweisung mit der Hand hin ein Stück herabsinken, spürte schon bald die Spitze seines Glieds an meiner Öffnung und seufzte leise. Ich griff allerdings selbst nach seiner Erregung, löste seine Hand somit ab und nahm selbst in die Hand, wie er in mich eindrang. Da seine Hände anscheinend nun nichts mehr zu tun hatten legte er sie einfach auf meine Hüften, löste sich aus dem Kuss und schaute an sich herab, sah zu, wie er immer weiter in mir verschwand. Während ich versuchte gegen die Schmerzen anzukämpfen. Ich wusste, dass ich das Schlimmste hinter mir haben würde, wenn er erstmal ganz drin war und ich mich dann einfach ein paar Sekunden nicht bewegte. Das letzte Mal war es nicht anders gewesen, jetzt allerdings bestand nur dieser winzige Unterschied, dass es nicht ganz so wehtat. Gut für mich! Weiter und weiter versank er in mir, ich ließ den Kopf noch immer hängen und atmete schwer, während Reita versuchte mich mit allen Mitteln abzulenken. Ich war ihm auch wirklich dankbar dafür, denn meine Erregung war schon die ganze Zeit viel zu kurz gekommen. Er hatte schließlich eine Hand darum geschlossen und massierte mich, sodass ich trotz der Schmerzen immer wieder aufstöhnen musste. Und endlich war er gänzlich in mir versunken, ich kniete mich wieder hin und spürte, wie ich ihn dadurch noch mehr in mir einengte als ohnehin schon. Eine Gänsehaut schlich sich erneut auf meinen Körper, als ich an mir herabschaute und nur noch den Ansatz seines Intimbereichs unter mir sehen konnte. Allein die Vorstellung, dass er gerade so tief in mir war, wie selbst beim ersten Mal nicht hätte beinahe gereicht mich unter seinen zarten Berührungen an meinem Glied kommen zu lassen. Doch das würde ich nicht zu früh passieren lassen, somit hielt ich einfach seine Hand an meiner Erregung fest und zog ihn daran näher, um ihn küssen zu können und leise gegen seine Lippen zu keuchen. Ich wusste, dass ihn das heiß machte, denn ärgern tat ich ihn immer wieder gern – sofern ich die Gelegenheit dazu hatte! Und nachdem ich den Kuss beendet hatte war ich definitiv der Meinung mich lang genug an ihn gewöhnt zu haben, also begann ich ganz langsam mich auf ihm zu bewegen, bemüht auch nichts dabei falsch zu machen. Ich hob mein Becken ein wenig an, fühlte, wie er ein Stück aus mir heraus glitt und ließ mich dann wieder sinken, sodass er mich erneut füllte. Es war einfach ein unglaubliches Gefühl die Kontrolle über alles zu haben. Zu wissen, dass er unter mir saß und fast gar keine andere Wahl hatte als darauf zu warten, dass ich mich endlich bewegte, um auch etwas von diesem kleinen Genuss zu haben. Die Vorstellung ließ mich schmunzeln, wobei sie allerdings trotzdem etwas gewöhnungsbedürftig war. Schließlich war Reita der dominante Part in unserer Beziehung und mir hatte man noch nie sowas wie die Kontrolle überlassen… Ich legte eine Hand in seinen Nacken und streichelte mit der anderen über seine Brust, bis ich schließlich erneut mein Becken hob und es sinken ließ, dabei den süßen Schmerz, der sich noch immer leicht in meinem Unterleib bemerkbar machte, einfach ausblendete und mich weiter von ihm streicheln ließ. Seine Hände schienen zuerst überall zu sein, bis sie sich schließlich auf mein Becken gelegt hatten, um jede meiner Bewegungen scheinbar lenken zu wollen. Wenigstens ein bisschen Dominanz hatte er sich noch beibehalten… Stöhnend warf ich den Kopf in den Nacken, als ich mich etwas schneller zu bewegen begann und er mich immer wieder aufs Neue füllte, sodass bald schon der Schmerz in meinem Unterleib nachließ, dafür sich allerdings die Schmerzen in meiner Lendengegend bemerkbar machten, denn die vernachlässigte er meiner Meinung nach viel zu sehr. Doch zu früh kommen wollte ich nicht, das war einerseits viel zu peinlich und andererseits wollte ich auch ihm den Spaß nicht nehmen. Also ignorierte ich, dass meine Erregung bereits schmerzhaft zog, sondern schlang die Arme um seinen Nacken und lehnte mich an ihn, während ich meine Bewegungen noch intensiver werden ließ. Sein Stöhnen klang wie Musik in meinen Ohren, denn genau an einem davon konnte ich seinen heißen Atem spüren und kurz darauf seine Zunge, die federleicht darüber tanzte. Es machte mich so verdammt heiß, wenn ich mir vorstellte, wie diese Haltung wohl für einen Außenstehenden aussehen musste und die Tatsache, dass Reitas Mutter anscheinend jeden Moment wieder nach Hause würde kommen können kribbelte aufregend in meinem Bauch. Schließlich hatte er ja nicht erwähnt, wann sie immer nachhause kam oder ähnliches… Immer weiter ließ ich ihn aus mir gleiten, sodass ich das Gefühl hatte, dass er von Mal zu Mal tiefer wieder in mich glitt, doch sicher war das nur Einbildung. Trotzdem konnte ich nicht leugnen, dass das Gefühl, wie er mich stets aufs Neue ausfüllte und dabei erregt meinen Namen keuchte absolut geil war und mich nur noch heißer auf das machte, was wohl nicht mehr allzu weit entfernt lag. Meine Nägel bohrten sich in seinen Rücken und ich konnte sein schmerzerfülltes Keuchen hören, seinen rasselnden Atem und wie dieser schließlich nur noch stoßweise zu hören war. Kurz löste ich mich ein Stück von ihm, schaute ihm in die Augen und sah sein erregtes Gesicht nur noch ziemlich undeutlich durch meine lustverschleierten Augen. Dennoch blieb mir die leichte Röte auf seinen Wangen nicht verborgen und sein leicht geöffneter Mund keuchte erneut meinen Namen, forderte einen Kuss, den ich ihm sogleich auch geben wollte. Absichtlich zog ich mich enger um ihn zusammen, was zwar schmerzte, aber trotzdem nicht weniger erregend für mich selbst war, woraufhin er mir nur überrascht auf die Lippe biss und etwas lauter stöhnte. Ja, genau das hatte ich erreichen wollen! Endlich konnte ich ihm zurückgeben, was er mir an diesem Samstag gegeben hatte, endlich konnte ich ihn selbst stöhnen lassen, ohne dass er etwas dazutun brauchte. Es war ein so verdammt geiles Gefühl… Mein Atem beschleunigte sich mit meinen Bewegungen auf ihm, sodass ich es bald nicht mehr würde aushalten können und ich wusste, dass auch er nicht mehr weit von seinem Höhepunkt entfernt war. Er krallte die Finger in mein Becken, sodass ich leise aufzischte und vergrub zu alldem noch die Zähne in meiner Halsbeuge, sodass ich laut aufstöhnte und mich nur noch enger um ihn zusammenzog. Und schließlich spürte ich, wie er sich heiß in mir verströmte und ein letztes Mal heiser gegen meine schweißnasse Haut stöhnte. Ich bewegte mich zwar weiter auf ihm, doch längst nicht so fordernd wie zuvor und schließlich hielt er mein Becken fest. Ich war nicht gekommen… doch das schien er bemerkt zu haben. Ein Ruck ging durch meinen Körper, als er mich plötzlich nach hinten auf die weiche Matratze schubste, kurz beugte er über mir und glitt ohne zu zögern aus mir heraus, kniete sich zwischen meine Beine. Aus Reflex spreizte ich sie etwas weiter, als seine Hände sich über meine nackten Innenschenkel schoben und ich plötzlich seine heiße Mundhöhle um meine Erregung spüren konnte. Erschrocken darüber keuchte ich auf, vergrub die Finger in seinen Haaren und warf den Kopf in den Nacken, denn das alles war in dem Moment so unerwartet gekommen, dass ich gar nicht so schnell hatte reagieren können! Die Gewissheit darüber, was er tun würde, hätte es wohl nicht zugelassen, dass ich plötzlich alles doppelt so intensiv spürte und im nächsten Moment war ich wirklich dankbar, dass er mir auf diese Weise zur Erlösung verhelfen wollte. Denn auf eben diese Weise war es so viel schöner… Ich krallte die Finger meiner freien Hand ins Bettlaken, während seine Zunge sich gegen meine Eichel presste und ich gleich darauf erneut in seiner Mundhöhle versank, spüren konnte, wie er seinen Kopf auf und ab bewegte und mich dadurch immer weiter reizte. Mein Keuchen und Stöhnen wurde ungehaltener, ich versuchte unbewusst mit meinem Becken in seinen Mund zu stoßen und wurde zu meinem Erstaunen nicht mal daran gehindert, sodass ich meiner Lust freien Lauf lassen konnte. Er machte mich so verrückt, dass ich es kaum mehr aushalten konnte endlich auch meinen Höhepunkt zu finden, es ihm gleichzutun und ihn mich schmecken zu lassen – wie schon einmal, doch diesmal waren die Umstände weitaus besser, wie ich fand. Mein Körper bäumte sich unter seinem Handeln immer wieder kurz auf, mein Brustkorb hob und senkte ich ungleichmäßig und mein Unterleib kribbelte immer stärker. Ich spürte noch, wie seine Zähne leicht über die empfindliche Haut meines Glieds kratzten und er stärker daran zu saugen begann, wie seine Hände über meine Oberschenkel kratzten und eine davon schließlich den Schaft umfasste, ehe alles vor meinen Augen einen kleinen Moment lang schwarz wurde und ich mich ein letztes Mal stöhnend aufbäumte, um mich in seinen Mund zu entladen. Nichts war von ihm zu hören, weshalb ich davon ausging, dass er sich weder verschluckt hatte, noch in irgendeiner Weise davon überrascht war, dass ich bereits so früh gekommen war. Ich war nun mal ein empfindlicher Mensch, doch das schien ihm wirklich kaum etwas auszumachen. Oder ich hatte es in diesem Moment einfach nur viel zu nötig gehabt… Unruhig atmend lag ich nun also unter ihm, er hatte sich wieder über mich gebeugt und strich mir eine Strähne aus dem verschwitzten Gesicht. Dann lächelte er sanft. „Du warst sogar so gut“, schmunzelte er, „dass ich glatt zu früh gekommen bin… sorry deswegen, ne…“ Einen Moment lang schaute ich ihn einfach nur verwirrt an, bis ich schließlich nicht mehr konnte und einfach in Lachen ausbrach. Wahrscheinlich musste er jetzt denken, dass ich mich über ihn lustig machte, aber keinsterweise…! …doch, das war einfach nur komisch! „Hör auf zu lachen, verdammt“, maulte er gleich, hielt mir den Mund zu, „das is’ mir vorher auch noch nie passiert…! Du bist schuld, du ganz allein!“ Das letzte was ich sah war sein Grinsen, ehe ich auch schon geküsst wurde und er mein Lachen somit einfach erstickte, denn er wusste, dass ich keinen einzigen Kuss von ihm ablehnen würde… außer vielleicht, wenn er geraucht hatte! Seine Zunge tippte kurz gegen meine Unterlippe, forderte Einlass und ich öffnete meine Lippen etwas, um ihm entgegenzukommen. Sofort hatte ich mich wieder von meinem Lachkrampf beruhigt und ich schlang die Arme um seinen Nacken, zog ihn auf mich herab, sodass er auf mir lag. „Danke übrigens für das Kompliment“, grinste ich gegen seine Lippen, küsste ihn erneut und ließ mich widerstandslos mitziehen, sodass nun er wieder unter mir lag und ich neben ihm. „Kein Problem“, antwortete er mir, „und jetzt bin ich für chillen… ganz lange… und ohne aufzustehen…“ „Uh, gute Idee“, seufzte ich leise, schnappte mir die zusammengeknüllte Decke neben uns, die er wohl mal wieder einfach achtlos dort hatte liegen lassen, nachdem er eines schönen Morgens irgendwann aufgestanden war und zog sie über mich, da der Schweiß auf meiner Haut langsam zu trocknen begann und ich selbst dafür zu frieren. „Kalt?“, fragte er, ich nickte kurz und schon im nächsten Augenblick hatte er auch schon die Decke über uns ausgebreitet und es sowohl sich, als auch mir weitaus bequemer gemacht. Ich genoss es immer wieder aufs Neue neben ihm zu liegen und seine Wärme spüren zu dürfen, weshalb ich leise und wohlig seufzte und meine Augen schloss, mich dann an ihn kuschelte… …und im nächsten Moment ein Poltern vernahm. „Was war das?“, fragte ich erschrocken, schaute zu ihm auf und er hatte die Augen kurz etwas unsicher zur Tür gerichtet, blickte dann wieder zu mir und seufzte. „Meine Mutter is’ nach Hause gekommen“, antwortete er einfach nur matt, ließ den Kopf dann wieder auf die Matratze sinken und mich mit meinem imaginären Herzinfarkt allein. Interessierte es ihn denn gar nicht, dass diese Frau jeden Moment würde reinkommen und uns sehen können?! „Hat die dich schon mal nackt mit nem Kerl im Bett erwischt?“, fragte ich unsicher und mit etwas gedämpfter Stimme, um nicht auch noch auf uns aufmerksam zu machen. Wusste seine Mutter überhaupt davon, was Reita so in seiner Freizeit trieb außer saufen? Wusste sie überhaupt davon, dass er auch auf Männer stand? Und noch viel wichtiger: wie lang war sie überhaupt schon im Haus…? „Nö“, lautete seine Antwort, „aber die weiß, dass ich schon mit Kerlen im Bett war, wieso?“ „Stört die nicht, dass wir hier so liegen…?“ „Mach n Kopp zu und am besten die Augen auch, ja? Die kommt nie in mein Zimmer ohne anzuklopfen...“ „Okay…“ Zwar war mir noch immer etwas unwohl dabei, aber dennoch schloss ich die Augen und schlang einen Arm um seinen Oberkörper, spürte, wie er seinen rechten Arm um mich legte und meinen Rücken zu streicheln begann. Wahrscheinlich hatte er Recht und ich brauchte mir keine Gedanken darüber zu machen, sondern einfach nur den Moment genießen und auch die Nachwirkungen vom Sex. Dieses Gefühl von Schwäche in meinen Gliedern hatte schon was für sich, doch gerade deshalb lag ich ja nun hier, an ihn gekuschelt und hing meinen eigenen Gedanken nach. Nur das Klo würde ich bald aufsuchen müssen, denn sicherlich war das, was er zuvor in meinem Unterleib verströmt hatte, nicht wirklich gewillt auch da drin zu bleiben… © Kapitel 26: Geburtstag ---------------------- -26- Geburtstag Ein penetrantes Klingeln ließ mich müde die Augen aufschlagen, doch schon nach wenigen Sekunden hatte ich mit Ärgernis feststellen müssen, dass es nicht der Wecker war, sondern Sagas Telefon, das mich schon seit einer geschlagenen Minute nervte. Saga nebenan schien das allerdings wenig zu interessieren, denn es wies absolut überhaupt nichts darauf hin, dass er überhaupt davon wach geworden war. Also musste ich wohl oder übel diese Lärmbelästigung beenden, denn so laut, wie es mir am frühen Morgen vorkam, mussten es doch bestimmt schon die Nachbarn mitbekommen haben! Und das überhörte Saga so einfach…? Verärgert darüber, dass jemand bereits um sechs Uhr morgens die gesamte Nachbarschaft mit diesem einzigen, unschuldig aussehenden Telefon aus dem Bett zu klingeln drohte (und mit Nachbarschaft war eigentlich nur Sakito gemeint, denn außer Sakito kannte ich in diesem Haus sonst sowieso niemanden) stand ich auf, rieb mir kurz über die Augen und zog nebenbei meine Hose an den Beinen herunter, weil sie mal wieder hoch gerutscht war, während ich geschlafen hatte und nahm den schnurlosen Telefonhörer, drückte auf den kleinen, grünen Knopf und seufzte ein letztes Mal, bevor ich ihn an mein Ohr presste. „Wehe es ist nicht wichtig, sonst schrei ich…!“, grummelte ich ins Telefon, vernahm allerdings eine kurze Weile lang nichts. Und dann plötzlich… „Happy Birthday, kleine Schönheit“, kam es von der anderen Leitung und ich runzelte überrascht die Stirn, blinzelte ein, zweimal und schüttelte schließlich den Kopf, damit er vielleicht endlich etwas klarer wurde. Kurz musste ich mir überlegen, was ich darauf antworten sollte, ehe ich leise zu lachen begann. „Du bist meinem Wecker ja doch zuvorgekommen“, grinste ich, als ich mich endlich wieder erinnerte, dass Reita mich bereits am Vortag davor gewarnt hatte den Wecker mit seinem Weckversuch alt aussehen zu lassen. Ha, ha…! „Ich hab dich gewarnt“, hörte ich ihn lachen, „und weil ich schon so nett bin und dich zwei Stunden bevor du aufstehen musst geweckt habe, komm ich in ner halben Stunde vorbei. Wehe du schläfst wieder ein!“ „Bist du bescheuert?!“, platzte es auf einmal etwas lauter aus mir heraus, „In ner halben Stunde hab ich mich nicht mal richtig angezogen! Ich seh doch noch aus wie ne Leiche, ich hab noch nicht mal geduscht…!“ „Bitte“, raunte er, „ich hab dich nach dem Sex gesehen, ich hab dich nach dem Duschen gesehen, ich hab dich nach dem Aufstehen gesehen… meinst du mich würde noch schocken, wie du nach allem auf einmal aussehen würdest?“ Einen Augenblick lang musste ich tatsächlich über seine genauen Worte nachdenken, bis ich schließlich hinter deren Bedeutung gestiegen war und ignorierte das genervte Gebrüll von nebenan, sowie das leise Poltern und schließlich auch die sich öffnende Tür. „Du blödes Arschloch. Ich geh jetzt duschen und wehe du bist da bevor ich mir überhaupt mal was angezogen hab“, grinste ich, obwohl er es ja eigentlich gar nicht sehen konnte, wartete allerdings noch seine kurze Antwort ab, die lediglich aus einem „Bis gleich dann, Baby“ bestand und legte auf. Und erschrak ungemein, als Saga plötzlich hinter mir stand, mich verschlafen anschaute und mich dann einfach kurzerhand umarmte. „Alles Gute, man“, murmelte er, „und wenn Rei hier auftaucht schlag ich ihn zusammen, okay…? Und jetz’ geh wieder schlafen, es is noch voll früh und so…“ „Für eine Stunde willst du jetzt noch pennen gehen?“, fragte ich ungläubig, schüttelte dann aber den Kopf und schaute über meine Schulter zur Schlafzimmertür, hinter der Saga soeben wieder verschwunden war. Saga war schon eine Kategorie für sich. Mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden, dass er ein wenig… anders war als die anderen. Er hatte nun mal seinen eigenen Kopf und redete sich Dinge ein, die eigentlich totaler Schwachsinn in den Augen eines normalsterblichen Menschen wie mir waren – zum Beispiel die Tatsache, dass er sich für hässlich hielt. Saga war absolut alles andere als hässlich, die ganzen anderen negativen Ausdrücke, die etwas Ähnliches beschreiben würden, mal ganz außen vor gelassen. Hätte er mich damals zuerst angesprochen, hätte ich wohl nicht sagen können, was ich getan hätte, so viel stand zumindest fest. Aber trotzdem war ich froh, dass es Reita war, mit dem ich nun zusammen sein durfte. Und auf den freute ich mich nun schon riesig, denn in weniger als einer halben Stunde würde er hier sein und bis dahin musste ich mich schließlich auch noch stylen! Also machte ich mich daran mich ein wenig zu beeilen, suchte mir ein paar Sachen zusammen, die ich heute anziehen würde und lief schnell ins Bad, um mir dort die letzten Klamotten vom Leibe zu reißen und mich unter die nur lauwarme Dusche zu stellen. Morgens war das Duschen immer eine verdammte Qual, denn das Duschwasser konnte sich grundsätzlich nicht entscheiden, ob es nun warm oder kalt war. Demnach ließ ich ab und an ein gequältes Geräusch von mir hören, wenn der Duschstrahl mit einem Mal von warm auf kalt sprang und ich trat jedes Mal einen Schritt zurück, nutzte die kurze Zeit, um mich einzuseifen und schließlich das ganze Zeug wieder abzuspülen. Schließlich wollte ich ja nicht stinkend zur Schule gehen oder sowas! Total entspannt stand ich nun also unter der Dusche und genoss die von mir abgezählten zwanzig Sekunden, in denen das Wasser warm bleiben würde und stellte es dann gerade noch rechtzeitig ab, um mich in mein Handtuch einzuwickeln und abzutrocknen. Nur mit Handtuch um die Hüfte begann ich mir also die Haare zu föhnen und kämmte sie mir glatt, ehe ich zur Schminke griff und mir die Augen schwarz umrandete, die Augenbrauen leicht nachzeichnete und ein bisschen Lidschatten auflegte, sowie meine Lidfalte zeichnete. Mittlerweile hatte ich echt Übung darin, sodass ich nicht mal wirklich lang dafür brauchte. Der Rest war ebenfalls schnell geschafft und endlich konnte ich mich ans Anziehen machen. Allerdings schien Reita mir dabei Gesellschaft leisten zu müssen, denn im nächsten Moment hörte ich das Klopfen an der Tür – immerhin war die Klingel noch kaputt, sodass sie Saga nicht wieder aufweckte. Zwar schön und gut, aber ich stand trotzdem nur in Handtuch im Badezimmer…! Seufzend legte ich also den Eyeliner beiseite und ging zur Tür, schaute kurz durch das Bullauge und entdeckte einen blonden Haarschopf, allerdings konnte ich auch nicht wirklich mehr von ihm sehen. Ob er sich überhaupt gestylt hatte…? Wahrscheinlich hatte er nicht mal Zeit dazu gehabt, also würde ich ja nicht der Einzige sein… Ein wenig nervös öffnete ich dann doch die Tür und bemühte mich nicht allzu verschlafen auszusehen, blickte von unten durch meine noch etwas feuchten Ponysträhnen hindurch, die beim Föhnen nicht ganz trocken geworden waren und grinste Reita an, der lässig im Türrahmen lehnte und eine einzelne Rose in der Hand hielt. Dieser Anblick… „Nette Aussicht, kleine Schönheit“, hörte ich ihn leise sagen, ich folgte seinem Blick, der direkt an mir herabwanderte und meinen Körper musterte. Sofort errötete ich und murrte leise, von wegen es sei seine Schuld, weil er so früh hatte kommen wollen und zog ihn gleich zu mir, um ihn zärtlich zu küssen. Er trat einen Schritt heran, drückte mir nebenbei die Rose in die Hand und ich hatte gerade den Kuss lösen wollen, als er mich näher zog und ihn stattdessen nur noch intensiver werden ließ und ehe ich mich versah, hatte er die Tür geschlossen und mich dagegen gepresst. Frech drang seine Zunge zwischen meine Lippen, die sich bereitwillig für ihn teilten und sein warmer Körper lehnte sich an meinen, ich konnte den weichen Stoff seines Pullovers an meiner nackten Haut spüren und schließlich auch seine Hände, die um einiges kälter waren als der Rest. Etwas erschrocken keuchte ich auf und zuckte etwas zusammen, als sie meine Seiten berührten und ich musste mich unweigerlich von ihm lösen. „Was hast du gemacht? In Eiswasser gebadet?“, fragte ich leise, grinste dabei frech und legte den freien Arm um seinen Nacken, hielt in der anderen Hand schließlich immer noch die Rose, die ich wohl gleich schnellstens ins Wasser stellen würde. „Hatte gehofft du heizt mir n bisschen ein“, antwortete er ebenso frech grinsend und stahl mir noch einen kleinen Kuss, ehe er sich ein Stück von mir löste. Und ich mich plötzlich ohne Handtuch mitten im Flur vorfand, während er ins Wohnzimmer stolzierte. „HEY…!“, rief ich ihm hinterher und sammelte das Handtuch vor mir wieder auf, wickelte es mir um die Hüften und legte die Rose schnell beiseite, ging dann kurz ins Bad, holte dort meine Sachen. „Seit wann stehst du eigentlich so früh morgens auf?“, fragte ich nebenbei, zog mir nach einem prüfenden Blick, ob Saga noch immer im Bett war, das Handtuch von den Hüften und gleich eine frische Hotpants darüber – natürlich unter den interessierten Blicken von Reita, der es sich auf dem Sofa bequem gemacht, die Füße hochgelegt und sich meine angebrochene Wasserflasche neben meinem provisorischen Bett geschnappt hatte. Er setzte die Flasche von seinen Lippen ab, stellte sie beiseite und lehnte sich in das Polster zurück, grinste wieder. „Seit ich gestern Abend den Wecker gestellt hab und ausnahmsweise mal früher ins Bett gegangen bin“, antwortete er sachlich und schaute mir weiter beim Anziehen zu. „Was Engeres war auch nicht mehr im Schrank, oder?“ „Tasche“, antwortete ich, erntete erstmal einen fragenden Blick, als ich mir die Hose nun ganz über die Hüften zog und zeigte kurz auf meine Tasche neben dem Sofa, „du meinst Tasche. Schrank is’ nich’ mehr…“ Ein verstehendes Nicken, dann konzentrierte er sich wohl lieber wieder auf das, was ich hier tat – nämlich anziehen – und lächelte unweigerlich, als er sah, welches Oberteil ich mir gerade über den Kopf zog. Es war das, was er mir damals geschenkt hatte. Das schwarze mit den Kreuzanhängern daran, von dem er behauptet hatte es stünde mir viel, viel besser als ihm… „Das kenn ich doch“, hörte ich ihn sagen, ich lächelte und nickte, zog mir noch schnell meine Lieblingskreuzkette um den Hals und gesellte mich dann zu ihm aufs Sofa, direkt auf seinen Schoß. „Schläft Saga noch?“ „Klar“, lachte ich, „der steht vor acht Uhr auch nicht auf, obwohl er heute früher raus wollte, weil er immer so lang braucht…“ „Länger als du?“ „Um Stunden“, grinste ich und beugte mich vor, hatte ihn gerade küssen wollen, als ich ein lautes Fluchen aus dem Schlafzimmer hörte, das bei weitem den eben angesprungenen Radiowecker von eben dort übertönte. Saga war wach… Unbeeindruckt von seinem Fluchen und Zetern schielte ich durch meinen Pony herauf, sah ihn aus dem Bad stampfen und geradewegs in die Küche, wo er sich anscheinend etwas zu Trinken aus dem Kühlschrank holte, was ich am Klirren der Flaschen erkannte. „Elender Morgenmuffel“, maulte ich, vergrub meine Nase in Reitas Halsbeuge und hörte diesen dann leise lachen. „So schlimm, der Gute?“ Er hatte ja keine Ahnung! Wenn Saga morgens mal ausnahmsweise zur Schule ging, konnte er wirklich ungenießbar sein. Er hatte diesen Minutenrhythmus. Wenn man ihn in der einen Minute weckte, war er gut drauf, in der anderen aber konnte es schon wieder ganz anders aussehen. Besonders sicher war mein System ihn jeden Tag um dieselbe Uhrzeit zu wecken allerdings nicht, denn wer war schon im Leben auf die Minute genau pünktlich? Klar, der Radiowecker! Aber selbst der traf es nicht immer ganz genau. Was mir immer wieder deutlich bewies, dass es keinen wirklich günstigen Zeitpunkt gab ihn zu wecken. „Du elende Schwuchtel“, grummelte Saga, als er das Wohnzimmer betrat und sich auf dem Boden vorm Sofa niederließ, die Milchflasche auf dem Tisch abstellte, „warum rufst du auch um sechs Uhr morgens auf und reißt mich aus meinem Schönheitsschlaf…?“ „Davon wirst du garantiert auch nich’ viel schöner“, lachte Reita und schlang seine beiden Arme fester um mich, schmiegte sich an meine Brust. „Also bist du doch noch müde?“, fragte ich neckend, erntete allerdings nur ein Pieksen in den Rücken und fiepte kurz auf, ehe ich mich Saga zuwendete, der mich wohl angesprochen hatte. „Geht ihr beide zur Schule?“, wollte er wissen und antwortete schließlich ein „Dann geh ich auch“ auf unser Ja. „Dann mach dich fertig!“ Natürlich waren Aoi und Ruki beide nicht im Bus gewesen, allerdings hatten sie – sofern ich das sagen konnte – erst eine Stunde später Unterricht, denn den Chemiekurs besuchten sie beide nicht. Ihr Kurs musste wohl ausgefallen sein, denn normalerweise fuhren wir ausnahmslos jeden Morgen zusammen im Bus. Reita schien mich allerdings den ganzen Tag nicht loslassen zu wollen, denn er hatte mich bisher kein einziges Mal losgelassen. Selbst im Bus, wo wir nebeneinander saßen, hielt er meine Hand und machte keine Anstalten sie herzugeben. Irgendwie verdammt süß. Er nahm meinen Geburtstag wohl als einen besonderen Anlass, an dem er es nicht duldete, dass ich allein durch die Gegend lief. Ich wollte schließlich auch nicht allein sein und er hatte mir ein Versprechen gegeben. Mich nicht ohne Grund zu verletzen. Dass er mich allein ließ, würde wohl die größte Wunde für mich sein… „Schlaf nicht ein, Baby“, holte er mich schließlich wieder in die Wirklichkeit zurück, als ich einen Moment lang wirklich weggenickt war, während ich meinen Gedanken nachgehangen hatte. Müde stand ich also wieder auf, nachdem wir mit dem Bus die Schule erreicht hatten und stieg zusammen mit Reita aus, ignorierte Saga dabei gekonnt, der sich mal wieder darüber beschwerte, so früh aufgestanden zu sein und gleich wieder ein paar kleine Kinder zur Seite schubste, die einfach nur in den Bus hatten einsteigen wollen. Irgendwie fast wie ich, so wäre wohl auch meine Reaktion gewesen, hätten die mich angerempelt. „Hast du eigentlich schon was bekommen zum Geburtstag?“, fragte Reita, der sich gerade den dicken Pulli auszog, da es doch ziemlich warm geworden war an diesem Morgen. Aber seit wann trug er denn Stulpen? Eigentlich kam mir das Wetter ja gerade Recht an meinem Geburtstag. Ich hatte lang kein schönes Wetter mehr gehabt, obwohl mein Geburtstag mitten im Sommer lag. Da konnte man sicherlich viele spannende Sachen im Freien treiben auf Partys… Gut, falscher Gedanke. Nächster…? „Nein, hab ich nicht“, antwortete ich nun endlich auf Reitas eben gestellte Frage und lächelte ein wenig gekünstelt, fuhr mir kurz mit den Fingern durch die Ponysträhnen in meinem Gesicht und atmete tief durch, schaute mich etwas unbeholfen in der Gegend um. Reita neben mir schien mein Verhalten etwas seltsam vorzukommen, denn aus den Augenwinkeln heraus konnte ich erkennen, wie er verwundert beide fein geschwungenen Augenbrauen hob und dann seinen Mund zu einem… wissenden Grinsen verzog? „Irgend nen besonderen Wunsch?“, fragte er so verdächtig leise, dass man wohl hätte meinen können er würde wissen, woran ich gerade tatsächlich gedacht hatte. Kaum ein paar Tage vergangen, seit ich das erste Mal herausgefunden hatte, wie geil Sex mit Männern sein konnte und ich dachte schon an die unmöglichsten Orte, um es dort zu praktizieren…?! Gott, das war ja schlimmer als die kleinen Jungs in der Pubertät, die sich für die Obermachos hielten, kaum hielt ein Mädchen freiwillig Händchen mit ihnen…! Also musste ich mich wohl geschickt herausreden, indem ich grinsend zu ihm aufschaute und kurz den Kopf schüttelte, auch gar nicht mehr auf seine weiteren Anspielungen einzugehen versuchte. Das hatte ich ja sowas von nicht nötig! Ich dachte doch nicht alle zehn Minuten an Sex mit ihm, bloß, weil ich gerade endlich auf den Geschmack gekommen war… oder…? Ohne einen weiteren Kommentar zu meiner Schamesröte im Gesicht trat ich auf unseren Stammplatz zu, setzte mich auf einen der Fahrradständer und machte noch ein wenig Platz neben mir für Reita. „War das heute mit deinem Geburtstag?“, fragte mich gleich der kleine mit den Hasenzähnen, der seine Haare anscheinend neu gefärbt hatte und sie wirr zu allen Seiten abstehend nach außen gewellt hatte. Anscheinend hatte er versucht mich nachzumachen? Nein, bei mir sah es eindeutig besser aus… „Ab heute stolze neunzehn“, grinste ich und bekam gleich einen dicken Glückwunsch, sowie eine beherzte Umarmung, die dem kleinen auch sein großer Freund gleichtat. „Wenn du heute bei Saga bist, kommen wir wahrscheinlich vorbei, geht das klar?“, wollte er wissen und ich nickte erfreut, würde meinen Geburtstag ja dieses Jahr wohl doch nicht ganz so allein verbringen müssen, wie ich es mir vor ein paar Wochen noch vorgestellt hatte. Da, wo ich mich mit Ruki und Aoi verstritten hatte… Irgendwie fehlte es mir nun doch, dass sie mir nicht zum Geburtstag gratulieren konnten, weil sie einfach noch nicht anwesend waren. Allerdings fehlte es mir nur auf eine ganz bestimmte Weise, denn es machte mich zunehmend aggressiver, dass ausgerechnet die beiden, die meinen Geburtstag eigentlich als einzige jemals als einen Anlass genommen hatten mir auch mal zu etwas zu gratulieren außer vielleicht einer guten Chemienote, nicht anwesend waren! Nichts, womit man sie fertig machen konnte, weil sie noch immer so naiv sein könnten zu fragen, ob sie nicht auch am Nachmittag vorbeikommen wollten. Aber das wäre sowieso nicht passiert, dazu hatten sie viel zu viel Angst vor Reita und auch vor mir. „Alles Gute und so“, grinste der größere noch, ehe er mit dem kleineren richtung Schulhof verschwand. Da fiel mir ein… „Ich weiß immer noch nicht, wie die beiden heißen“, ließ ich einfach mal fallen und zu meinem Erstaunen meldete sich Saga mir gegenüber zu Wort, der sich ebenfalls gerade mit einer Zigarette bewaffnet an den Fahrradständern niedergelassen hatte. Anscheinend wartete er – seinem prüfenden Blick hinter mich zuurteilen – auf jemanden? „Shou und Hiroto“, meinte er gelassen, „die sind wie Brüder, die kriegst du nie auseinander…“ Na, immerhin wusste ich nun endlich deren Namen! War ja schon irgendwie peinlich, wenn ich mit Leuten zusammen war und sie nicht mal bei ihrem Namen ansprechen konnte oder dass ich nicht wusste, wer mir da überhaupt gerade zum Geburtstag gratuliert hatte…! „Kommen die anderen heute nicht?“, fragte ich etwas verwundert, denn irgendwie kam mir unser Platz heute verdächtig leer vor. Weder Dai, noch Sakito oder Ni~ya waren anwesend, keiner von ihnen war in irgendeinem Bus gewesen und auch sonst konnte ich sie auf die Schnelle nirgendwo erblicken. Irgendwie schon etwas enttäuschend, wenn man bedachte, dass heute mein Geburtstag war… „Eigentlich wohl“, antwortete Reita mir, der nach irgendwas in seiner Schultasche kramte, „wahrscheinlich haben die nur wieder verpennt und so, kennst das ja…“ Schließlich zog er eine Packung Kaugummi hervor und steckte sie in seine Hosentasche, schaute dann wieder zu mir. „Deine kleinen Freunde waren heute gar nicht im Bus“, stellte er fest, „haben die keine Schule?“ „Doch, klar“, antwortete ich gelangweilt und starrte ein wenig vor mich hin, hielt nach mir bekannten Gesichtern Ausschau, „aber die haben ne Stunde später Unterricht, denk ich. Die gehen beide in denselben Kurs mittwochs morgens, aber ich in nen anderen. Seit wann sind denn Saki und Ni~ya wieder zusammen unterwegs…?“ Nun richteten sowohl Reita, als auch Saga verwundert den Blick in die Richtung, in die ich schaute und erblickten nun wohl auch die beiden, die scheinbar schweigend nebeneinander herliefen, direkt in unsere Richtung. Bildete ich mir das nur ein oder sah Sakito längst nicht mehr so geknickt in Ni~ya's Anwesenheit aus, als zuvor? Hatten sich die beiden also wieder vertragen? Aber wieso hielten sie dann so viel Abstand zueinander, wenn sie nebeneinander liefen? Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Sakito sich damit abgefunden hatte, dass sie jetzt auseinander waren! Plötzlich sah ich nur noch, wie Saga vor mir abrupt den Blick abwendete und hektisch nach einer Zigarette zu kramen begann. Was war denn nun kaputt? „Alles Gute, Uru“, lächelte Sakito gleich zur Begrüßung und beugte sich zu mir herab, um mich fest in seine Arme zu schließen. Ich lächelte ebenfalls und erwiderte die feste Umarmung, nutzte jedoch gleich die Gelegenheit ihn zu fragen, was denn nun los sei. „Seid ihr wieder zusammen?“, fragte ich leise an seinem Ohr, versicherte mich noch mal, dass Ni~ya noch dabei war nach ein paar Zigaretten zu kramen, die er allerdings nicht wirklich zu finden schien. „Ich hab bei ihm gepennt“, bekam ich zur Antwort und seine Umarmung festigte sich zu meiner Verwunderung noch etwas, „aber wir sind nicht wieder zusammen. Braucht noch n bisschen Zeit, sagt er…“ Nun ließ er mich wieder los und machte auch Ni~ya Platz, der mich ebenfalls mit einer festen Umarmung begrüßte und mich beglückwünschte, woraufhin ich mich bedankte und ihm etwas Platz machte, damit Reita ihm die Zigarette anzünden konnte. „Von uns bekommst du Freitag auf der Party was, okay?“, grinste Ni~ya, „Kriegst was von Saki und mir zusammen…“ „Ich wollte doch gar keine Geschenke“, seufzte ich und grinste etwas, lehnte mich gegen Reita, der gleich einen Arm um mich legte und es mir bequemer machte. „Von mir bekommst du aber auch erst Freitag was“, fiel Saga schließlich mit ins Gespräch ein, nicht minder nervös aussehend, als zuvor. Was war nur los mit ihm? „Ach du Scheiße…“ Natürlich blickte gleich alles sofort zu Reita, folgte dann dessen Blick den Busbahnhof entlang bis zum anderen Ende. Zuerst wusste ich überhaupt nicht, was er meinte und was er gerade so überaus freundlich kommentiert hatte, doch dann fiel mir ein bekanntes Gesicht ins Auge… allerdings mit falscher Haarfarbe. „Ist das blond in seinen Haaren?“, fragte ich ungläubig und lehnte mich etwas an Reita vorbei, um ihn besser sehen zu können, stellte fest, dass er sich tatsächlich die Haare gefärbt hatte. Tora hatte sich tatsächlich die Haare gefärbt! Auch Saga drehte sich nun wieder zu uns und schien das erstmal verdauen zu müssen, denn er blinzelte ein paar Mal den Boden an, blickte dann wieder über seine Schulter und schien sogar seine Zigarette zwischen den Finger total vergessen zu haben. Ein ziemlich ungewohnter Anblick, aber eigentlich stand es ihm ja ganz gut… „Bist du’s, Tora?“, scherzte Ni~ya, der mal wieder auf dem Boden vor den Fahrradständern saß und grinsend an seiner Kippe zog, während er den Blick nicht von den schwarzblonden Haaren desjenigen nahm, der sich nur ein blödes Grinsen erlaubte und neben Saga auf dem Fahrradständer Platz nahm. „Sieht’s so scheiße aus oder wieso glotzt ihr alle als wäre ich nich’ von dieser Welt?“, fragte er ein wenig zickig und schaute Reita, sein Gegenüber, mit hochgezogener Augenbraue an. Der hatte wirklich einen ziemlich witzigen Blick drauf, als wolle er damit sagen wie scheiße er die Frisur doch fand. Wie unhöflich…! „Du hast das falsch gefärbt“, grinste er plötzlich, „nicht die eine Hälfte blond und die andere schwarz! Du hättest nur die Deckhaare blond machen müssen, wenn du unbedingt so geil aussehen willst, wie ich!“ Unweigerlich musste ich grinsen und beobachtete Toras Reaktion, schaute amüsiert zu, wie dieser bedrohlich langsam die Hand hob und Reita schließlich seinen lackierten Mittelfinger präsentierte. „Ich find’s sexy“, kam es schlicht von Saga, der seine Hand einmal durch Toras Ponysträhnen schob und strich dann über seine Wange, ließ die Hand dann jedoch wieder sinken und schaute zu Boden. Saga verhielt sich irgendwie schon den ganzen Morgen seltsam. Allerdings bezweifelte ich, dass es nicht doch irgendwas mit Sakito zu tun hatte, wieso sonst war er derart nervös in Sakitos Gegenwart? Das war er doch sonst nicht! „Glückwunsch übrigens“, meinte Tora noch zu mir, ehe er sich wieder mit Saga beschäftigte und diesem anscheinend ein paar wirklich schmutzige Sachen ins Ohr flüsterte, denn der blonde bekam plötzlich so ein ganz bestimmtes Grinsen… „Wann krieg ich eigentlich dein Geschenk, Süßer?“, fragte ich an Reita gerichtet und blickte ihn zuckersüß an, räkelte mich ein bisschen. Reita brauchte mich nicht einmal ansehen, da hatte er auch schon ein breites Grinsen auf den Mundwinkeln und ehe ich mich versah, hatte er seine Lippen auf meine gelegt und begann einen sanften Kuss. Nun doch etwas überrascht darüber konnte ich erst gar nicht reagieren, dann jedoch ging ich endlich auf den Kuss ein und schloss die Augen, legte einen Arm um seinen Nacken und hielt mich so etwas an ihm fest. So hatte er mich lang nicht mehr geküsst! Nicht mal beim Sex hatte er so viel Gefühl in einen Kuss gelegt, wie er es gerade tat. Es dauerte nicht lang und ich spürte seine Zunge an meinen Lippen, die ich daraufhin teilte und meine Zunge sanft die seine berührte, zärtlich mit ihr spielte. Die anderen, die noch immer bei uns saßen und sich wohl unterhielten, hatte ich vollkommen vergessen und ich konzentrierte mich nur noch auf Reitas geschickte Lippen und die freche Zunge, die warmen Hände, die gerade unter mein Oberteil geschlüpft waren und meine kalte Haut an den Hüften streichelten. Wenn er das tat, konnte ich mich nur noch mehr in ihn verlieben… Atemlos löste ich den Kuss irgendwann wieder und leckte mir abschließend über die Lippen, lächelte leicht. „War das meine Antwort oder kommt da noch was?“, wollte ich wissen, erntete ein leises Lachen und er antwortete mir ein „Heute Abend“, ehe er aufstand. Auch die anderen waren inzwischen aufgestanden, was wohl hieß, dass der Unterricht gleich anfangen würde. Seufzend erhob auch ich mich und wurde gleich in Reitas Arme gezogen, ich vergrub meine Nase in seiner Halsbeuge und murrte leise. „Keine Lust“, murmelte ich, hauchte einen kleinen Kuss auf seine Halsbeuge und vernahm sein leises Seufzen, was mich schmunzeln ließ. Frech, wie ich nun mal war, ließ ich einen kleinen Biss folgen, woraufhin er mich von sich schob. „Sei artig“, grinste er, „sonst gibt’s heut Abend keinen Nachtisch…“ „Gibt’s überhaupt was zu Essen?“, fragte ich verwundert, denn ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass Saga irgendwas an einem Dreisternemenü geplant hatte. Der Gute konnte ja kaum eine Fertigpizza warm machen, ohne, dass sie kohlrabenschwarz aussah! Wie hatte er eigentlich so lang allein überleben können…? „Lass dich überraschen, Baby“, gab Reita grinsend zurück und mir dann anschließend noch einen Kuss, ehe er sich mit Saga und den anderen auf den Weg zum Schulhof machte, mich mit Tora zurückließ. „Will er dich zum Essen einladen?“, fragte der natürlich gleich, was mich verwundert zu ihm aufblicken und die Schultern zucken ließ. „Keine Ahnung, klang so“, grinste ich und malte mir aus, wie wir in einem Dreisternerestaurant saßen, bei Kerzenschein, ein nett dekorierter Teller vor mir und ein Glas Champagner daneben… Ach, Unsinn. „Schon dein Geschenk gesehen?“, fragte Tora dann irgendwann. Gesehen? Also war es etwas zum angucken? Ein Bild vielleicht? „Was ist es denn?“, fragte ich neugierig, allerdings zuckte Tora nur mit den Schultern und wendete den Blick ab, als wir den Schulhof betraten und ich sogleich ein paar merkwürdige Blicke auf mir spürte. Natürlich hatten die das Erlebnis mit meiner Mutter noch nicht vergessen. Einige lachten leise, allerdings schenkte ich ihnen kaum Beachtung und lief weiter, um mich mit Tora in eine ruhige Ecke zu verziehen und dort weiterzureden. „Was ist n jetzt eigentlich mit Saga und dir? Seid ihr zusammen?“, fragte ich neugierig und war wirklich mehr als nur gespannt auf die Antwort. Allerdings konnte ich die schon so gut wie voraussagen, denn Saga wusste wahrscheinlich noch immer nicht, was er wollte und hatte Tora das auch unmissverständlich klar gemacht. Saga wusste wahrscheinlich nur, dass er mit Tora einen guten Fick aufgetrieben hatte, denn dass er gut war, war wirklich nicht zu überhören gewesen! Ob er ihn jedoch behalten würde…? „Hab versucht mit ihm drüber zu reden“, antwortete Tora schließlich und setzte sich auf den Boden vor der Eingangstür, vor der wir gerade auf das Schellen warteten, das uns endlich mitteilen würde, dass wir rein durften. „Aber?“ „Ist mir ausgewichen“, meinte er, „und meinte das hätte doch noch Zeit und so… also das Gespräch…!“ Er tat mir so unglaublich Leid! Saga war ein Arschloch, auf das Tora gerade gnadenlos hereinfiel. Ich wusste irgendwie, dass mein momentaner Mitbewohner einfach nichts außer gutem Sex von Tora wollte, das hatte ich so im Gefühl. Das, was ich bisher von Saga hatte kennen lernen dürfen, indem ich einfach nur bei ihm wohnte, reichte vollkommen aus, um sagen zu können, dass er eine Schlampe war. Eine Schlampe, die sich einfach den Nächstbesten schnappen würde, wenn er ihr über den Weg lief… Und natürlich musste das Schellen genau dann ertönen, wenn ich es am wenigstens gebrauchen konnte! „Hör zu“, sagte ich leise, als ich mich zu ihm runtergebeugt hatte, „ich will dir da nicht reinreden… aber pass auf, was du machst und so, okay?“ Irritiert schaute Tora zu mir auf, ich konnte noch sehen, wie er aufstand, um die Schüler vorbei zu lassen, als ich in die andere Richtung lief, um einen anderen Eingang zu nehmen, von wo aus der Weg zum Chemiesaal kürzer war. Und ich hoffte wirklich für Tora, dass er sich richtig entscheiden würde, ebenso wie Saga. Aber dass einer der beiden am Ende nicht zufrieden sein würde, war sowieso sicher… Die Blicke der meisten Mädchen auf den Gängen ignorierend lief ich die Treppen herauf, schnappte allerdings den einen oder anderen Kommentar trotzdem auf und grinste nur darüber. Dinge wie ‚Der ist doch mit diesem Punk zusammen’ und ‚Schwuchtel’ drangen an mein Ohr und ließen mich nur müde seufzen. Dachten die wirklich sowas würde mich noch verletzen nach all dem Scheiß, den ich in letzter Zeit erlebt hatte? „Alles Gute zum Geburtstag“, sagte plötzlich jemand zu mir, von dem ich nicht einmal wusste, wer das überhaupt war. Irritiert schaute ich die Person vor mir an, die mir noch freundlich zulächelte und dann mit ein paar anderen den Gang weiter entlang lief, in dem ich gerade angelangt war. Irritiert?! Ich kannte diese Typen nicht und trotzdem gratulierte mir einer von denen? Wollte der mich irgendwie verarschen? Woher wusste er überhaupt, dass ich heute Geburtstag hatte…? Vielleicht war es ja ein Freund oder Bekannter von Aoi oder Ruki, die es ihm wohl gesagt hatten. Ob mir die zwei Vollidioten auch gratulieren würden? Kopfschüttelnd lief ich weiter, bis ich endlich meinen Chemiekurs erreicht hatte und setzte mich allein auf den Boden zwischen Mülleimer und der Tür zum Abstellraum, in dem die Putzfrauen ihren ganzen Kram lagerten. Manche würden sicher auf mich zeigen und darüber tuscheln, dass ich auch da hin gehörte, wo ich gerade saß – neben dem Mülleimer – und sicherlich taten sie das nicht hinter meinem Rücken. Aber wen störte das schon? Auch, wenn ich hier in meiner Stufe nicht wirklich mehr Freunde hatte, so hatte ich sie außerhalb der Schule und zeigte so jedem, dass ich Freunde von dieser Spießerschule nicht nötig hatte. Außer Tora natürlich…! „Hast du nicht heute Geburtstag?“ Schon wieder jemand? Seit wann begann denn meine Stufe sich dafür zu interessieren, dass ich Geburtstag hatte? Mir hatte doch sonst nie jemand von denen gratuliert… „Glückwunsch“, grinste mich meine Mitschülerin auf mein Nicken hin an, ich bedankte mich jedoch nur und tat das auch bei den nächsten zehn Gratulanten, wobei ich wohl bei jedem weiteren einen dämlicheren Gesichtsausdruck machen musste. Die gesamte Stunde über hatte ich entweder damit verbracht den gespielt freundlichen Blicken meiner Klassenkameraden auszuweichen oder den Lehrer zu ignorieren, der irgendwelchen Kram sabbelte, von dem ich tatsächlich noch nie in meinem bisherigen Leben etwas gehört hatte. Wirklich, das erste Mal, dass ich keine Ahnung von Chemie hatte! Aber wer brauchte schon Chemie für sein späteres Leben? Seufzend packte ich meine Sachen nach der ersten Stunde, um den nächsten Kurs zu besuchen: Biologie. Und Ruki und Aoi hatten diesen Kurs beide gewählt, was bedeutete, dass ich sie schon bald sehen würde. Aber wie würden sie reagieren? Grinsend schulterte ich meine Tasche und verließ den Chemiesaal, um mich nur einen Gang weiter darauf gefasst zu machen, welche Laune die beiden heute wohl hatten und ob sie sich überhaupt an meinen Geburtstag erinnern würden. Eigentlich schon ziemlich arm, wenn nicht…! Kaum war ich im Biologietrakt angekommen und hatte mich auf die Bank dort gesetzt, sah ich die beiden die Treppe herauf kommen und natürlich schauten sie gleich in meine Richtung. Und zu meiner Überraschung lächelte Ruki tatsächlich… Aoi hingegen hatte einen neutralen Gesichtsausdruck, schien kein großes Ereignis daraus machen zu wollen, dass heute mein Geburtstag war. Und trotzdem kam er genau auf mich zu, blieb vor mir stehen. „Gratuliere zum Geburtstag“, lächelte er nun doch, aber ich konnte genau sehen, dass ein Hauch von Spott darin lag, „und ich hoffe mit dem neuen Lebensjahr kommen ein paar Erkenntnisse in deinem Dickschädel. Obwohl ich ja doch nicht dran glaube, dass du nicht doch zum Säufer mutierst…!“ Rukis Ellbogen traf Aois Seite, woraufhin dieser nur kurz aufzischte und sich dann auf den Weg zu ein paar anderen Klassenkameraden machte, die natürlich gleich in meine Richtung schauten und dumm zu grinsen begannen. Lächerlich. Und auch über Aois Verhalten konnte ich nur schmunzeln, ich schaute interessiert an Ruki vorbei dem schwarzhaarigen hinterher, um vielleicht zu erahnen, was er seinen tollen, neuen Freunden gerade erzählte, doch schon bald riss mich Rukis leise Stimme aus meinen Gedanken. „Alles Gute zum Geburtstag“, murmelte er fast, sodass ich Mühe hatte es zu verstehen. Da konnte man doch was draus machen! „Wie war das? Hast du gerade echt alles Gute gesagt? Wieso machst du’s nich’ auch wie Aoi und wünscht mir alles Unglück der Welt?“, grinste ich, blickte Ruki herausfordernd in die Augen. Und er hatte den Blick natürlich gesenkt, seufzte vernehmlich und setzte sich unerlaubterweise neben mich, schien nach ein paar Worten zu kramen. Hatte es ihm etwa die Sprache verschlagen? „Aoi hat dir nicht alles Schlechte gewünscht“, sagte er, „es ist nur seine seltsame Art dich darum zu bitten wieder normal zu werden… weil er dich eigentlich auch vermisst.“ „Was heißt hier ‚auch’? Ich scheiß drauf, dass er mich vermisst, weil er mir eben genau das gegenteilige Gefühl gibt, weißt? Ich scheiß auf Aoi, ich scheiß auf seine angeblich gut gemeinten Ratschläge und ich scheiß auf seine Freundschaft!“ Und diese Rede schien gewirkt zu haben. Ruki starrte mich mit großen Augen an und schluckte, schien seine enge, graue Hose dann plötzlich super interessant zu finden. Es war nie so einfach gewesen ihn mit ein paar einfachen Worten wie meinen eben aus dem Konzept zu bringen. Ruki war verwirrt, das sah ich ihm an, er suchte nach den richtigen Worten, wollte Aoi wahrscheinlich verteidigen, doch schaffte es nicht. Wie immer. Er war eben feige und unfähig sich in irgendeiner Weise für andere einzusetzen. Und trotzdem fiel mir da etwas ein. Damals im Zug hatte er doch tatsächlich Reita angepöbelt, er solle mich loslassen, als er einen Arm um mich gelegt hatte. Wieso also konnte er sich für mich einsetzen und nicht für andere? Lag es etwa tatsächlich daran, dass er verknallt in mich war…? „Du merkst gar nicht, wie du das alles schlecht redest! Aber wenn dir schon nichts mehr an Aoi liegt, hoff ich doch, dass du mich nicht auch schon komplett abgeschrieben hast…“ Ungläubig schaute ich neben mich und dann kurz zum Ende des Ganges, wo der Lehrer bereits aufgetaucht war und nach seinem Schlüssel suchte. Alles stand auf, lief ihm hinterher. Nur Ruki blieb neben mir sitzen. „Vielleicht erinnerst du dich mal irgendwann dran zurück, dass es ne Zeit gab, wo selbst so ein kleiner Streit wie der hier jetzt uns nicht auseinander reißen konnte. Wieso auch immer du eigentlich sauer auf mich bist…“ „Wieso ich sauer bin?!“, platzte es nun aus mir heraus, meine Stimme war um einiges lauter geworden, als ich aufgestanden war. „Weißt du, allein schon die Tatsache, dass du KEINEN Plan hast, wieso dein verdammter bester Freund stinksauer auf dich ist, ist schon Grund genug dich in die allerletzte Reihe zu setzen! Aber vielleicht fällt es dir irgendwann mal ein, ne? Spätestens dann, wenn du mal wieder bei mir zuhause vorbeikommst und ne leere Auffahrt vorfindest!“ Endlich! Endlich war es raus! Und endlich schien er auch langsam eine klitzekleine Ahnung zu bekommen, wovon ich eigentlich redete! „Ähm… wo ist denn dein Vater hingefahren…?“, fragte er vorsichtig und tat es mir gleich, stand auf und schaute zu mir hoch. Doch ich konnte nur äußerst müde grinsen. „Ich hab keine Ahnung.“ Auf dem Absatz machte ich kehrt, folgte nun endlich auch dem Lehrer und machte mir nicht einmal mehr die Mühe, Ruki die Tür aufzuhalten, als auch dieser den Biologieraum betreten wollte. „Was macht ihr jetzt?“, fragte ich Tora und Saga, die ich als erstes angetroffen hatte, als ich nach der Schule an unseren Platz gegangen war. Natürlich hatte ich mich gleich gefragt, wo der Rest war, doch ich hatte erfahren, dass Sakito früher aus der Schule gegangen war – wieso auch immer – und Ni~ya sowieso nur wenige Stunden gehabt hatte. Ich hoffte nur, dass wenigstens einer von den beiden am Abend zu Saga kommen würde, damit es nicht ganz so langweilig würde. Natürlich würde es sowieso nicht langweilig, wenn Reita ebenfalls dort war, aber trotzdem wollte ich an meinem Geburtstag nicht schon wieder nur mit drei Leuten da sitzen… „Weiß ich noch nicht. Ficken?“, grinste Saga, „Reita hatte doch sowieso irgendwas mit dir vor, oder nicht?“ „Was weiß ich? Hat nichts Konkretes vorgeschlagen“, lachte ich, sah Reita auch schon aus dem Gebäude schlendern und er war nicht allein. Dai lief neben ihm, schien sich mit ihm über etwas sehr Ernstes zu unterhalten. Allerdings kamen sie auch nicht auf uns zu, sondern verschwanden zu einer ruhigen Stelle auf dem Schulhof hinter eine Mauer, wo ich sie nicht sehen konnte. Verwirrt darüber runzelte ich die Stirn und schaute Saga fragend an. „Was redet der da mit Dai?“ Sofort schnellte Sagas Blick zu der Mauer, hinter der die beiden verschwunden waren und er wirkte nur noch nervöser als zuvor. Was war denn jetzt los? Wusste er also doch etwas? „Saga, raus damit, was reden die?“, mischte sich nun auch Tora ein, war wohl ebenso skeptisch geworden, wie ich. Saga hingegen ließ sich nicht beirren, versuchte ruhig in seiner Jackentasche zu kramen und zog eine Packung Zigaretten hervor, zündete sich eine davon an. Und während er den blauen Rauch ausatmete, lachte er leise. „Dass immer alle gleich denken ich hätte was damit zu tun find ich echt klasse!“, sagte er, „Haltet ihr mich echt für sowas wie nen Hellseher? Ich weiß nicht, worüber die labern! Geht mich auch nichts an, oder?“ Und schon im nächsten Moment kam Reita hinter der Mauer hervor, Dai allerdings tauchte nicht wieder auf, schien einen anderen Weg genommen zu haben. Aber wieso wurde ich das Gefühl nicht los, dass Reitas Gesichtszüge ernster waren, als sonst? Während Tora und Saga weiter diskutierten, hatte ich mich auf eine der Stangen gesetzt, wo normalerweise die Fahrräder zwischen standen. Ungeduldig starrte ich den Boden an und wartete, dass Reita endlich zu uns kam, wollte endlich sicher gehen, dass ich den Nachmittag nicht allein verbringen musste. „Hey, Baby“, begrüßte er mich, gab mir einen innigen Kuss und stellte sich so vor mich, dass meine Beine zwischen seinen waren und verwehrte mir so auch die Sicht auf Saga und Tora, die sich weiter stritten. Anscheinend hatten sie nicht mal bemerkt, dass Reita tatsächlich zu uns rüber gekommen war. Aber ich konnte ihn jetzt schlecht fragen, was genau er mit Dai gesprochen hatte. Ob sie über mich geredet hatten? Oder nur über Freitag? Natürlich, Freitag! Perfekt! „Habt ihr grad über Freitag gesprochen?“, wollte ich wissen und schaute noch einmal kurz zu der Mauer, hinter der Dai nicht wieder hervorgekommen war. Ob er noch dort saß? „Nein.“ Also hatten sie nicht über Freitag gesprochen…? „Ach so…“ Aber worüber hatten sie dann geredet?! Gott, meine Neugier steigerte sich wirklich ins Unermessliche! Wieso war Saga denn so nervös geworden, als er die beiden zusammen gesehen hatte? „Warum schaust du dann so ernst?“, fragte ich Reita dann und legte meine Hände an sein Becken, streichelte etwas darüber und schaute unschuldig zu ihm auf, doch seltsamerweise wich er meinem Blick aus. Aber wieso? „N klärendes Gespräch eben. Aber das erzähl ich dir n andermal, will dir ja deinen Geburtstag nicht versauen“, grinste er, beugte sich wieder zu mir herab und küsste mich. Zwar war ich noch immer unzufrieden mit seiner Antwort, doch ich erwiderte den Kuss ebenso leidenschaftlich, wie er ihn begonnen hatte, spielte gern mit seiner Zunge und musste aufs Neue feststellen, dass er unglaublich gut küsste… „Hattest du noch nen guten Tag in der Schule?“, fragte er schließlich gegen meine Lippen, kraulte mit einer Hand meinen Nacken, während er die andere locker auf meine Schulter gelegt hatte. Allein seine Stimme brachte mich dazu alles um mich herum zu vergessen, ich schaute ihm in seine dunklen, blauen Augen – Kontaktlinsen eben – und lächelte, nickte kurz. Nein, Ruki und Aoi hatten keinen weiteren Stress mehr gemacht in den letzten Stunden, sie hatten mich den ganzen Tag über nicht mehr angesehen. Auch Ruki hatte mich nicht darauf angesprochen, was ich ihm vor der Biostunde gesagt hatte. Natürlich nicht, er war ja auch viel zu feige, um die Wahrheit wissen zu wollen, wieso ich sauer war. Wahrscheinlich hatte er Angst davor zu erfahren, dass er es nicht wieder gut machen können würde, dass er sich so scheiße mir gegenüber verhalten hatte. Ich würde keine Entschuldigung seinerseits annehmen, von Aoi mal ganz abgesehen. Sie waren mir unwichtig geworden, hatten keine Bedeutung mehr in meinem Leben. Sie waren einfach nur da, machten ab und an ein bisschen Stress und gingen mir ansonsten getrost am Arsch vorbei. Und ich hatte doch auch mein gutes Recht dazu, sowas zu sagen, oder? „Hast du Hunger?“, wollte Reita plötzlich wissen und grinste breit, trat ein paar Schritte zurück und zog mich auf die Beine. „Ich hab heute Morgen um acht Uhr das letzte Mal was gegessen, sagt das nicht alles?“, grinste ich, schmiegte mich sofort an ihn und schaute über seine Schulter hinweg zu Saga und Tora rüber, die nun schweigend nebeneinander auf einer der Stangen saßen und zu Boden schauten. Was war denn jetzt? Hatten sie sich etwa in den Haaren? „Dann kriegst du für den Anfang n nettes Geburtstagsessen…“, sagte Reita, woraufhin ich ihn verwundert anschaute. „Für den Anfang? Und später?“ „Lass dich überraschen…“ Die Worte waren nur leise in mein Ohr geschnurrt und ich spürte, wie er hauchzart seine Lippen über die Haut darunter streifen ließ, um mich anscheinend zu ärgern. Dieser elende Sadist! Reita verabschiedete sich lediglich von Tora, indem er diesem kurz zulächelte und die Hand hob, ich jedoch verabschiedete mich von beiden und wuschelte Saga kurz durch die ungestylten Haare. Er hatte heute Morgen wirklich keine Lust gehabt sich noch die Haare zu machen, wie es aussah, denn normalerweise ging er nie ungestylt und unfrisiert in die Schule. Aber den Eyeliner hatte er natürlich nicht vergessen… Aber wieso ignorierte Reita Saga auf einmal schlagartig? Versuchte er irgendwelche Aggressionen gegen ihn zu unterdrücken, weil er mir meinen Geburtstag nicht versauen wollte und weil Saga wieder irgendwas Dummes angestellt hatte? Dieser Gesichtsausdruck sprach irgendwie dafür. Trotzdem seufzte ich zufrieden und verflocht schließlich unsere Finger miteinander, folgte ihm einfach mal. Wo er mich wohl hin ausführen würde? „Irgend nen besonderen Wunsch, wo du essen willst? Ansonsten hätte ich was ausgesucht“, grinste Reita mich von der Seite an, zog mich ein wenig näher. „Nein, ich bin wunschlos glücklich. Aber mit ner Pizza wär’s auch echt schon getan“, lachte ich, woraufhin ich allerdings einen leichten Schlag mit dem Ellbogen abbekam. Mit einem unglaublich süßen Schmollmund lief Reita neben mir her und grummelte. „Als wenn ich dich an deinem Geburtstag zu ner Pizza einlade…“ „Wieso denn nicht?“ Auf einmal blieb er an der Kreuzung vorm Zebrastreifen stehen, zog mich zu sich und legte einen Arm um meinen Nacken. Diesen seltsamen Ausdruck in seinen Augen hatte ich leider nur für den Bruchteil einer Sekunde sehen können, da er sich bereits zu schnell zu meinem Ohr vorgebeugt hatte und leise hineinflüsterte: „Wenn einer das Glück auf Erden verdient, dann bist du das“, raunte er leise und bescherte mir damit eine mächtige Gänsehaut! „Und ich wäre gern derjenige, der dir das geben kann…“ Gott, wie konnte ein einziger Mensch nur so wundervoll sein?! Ich mochte gar nicht beschreiben, wie sehr mein Herz in diesem Moment raste und hüpfte und Radau machte, denn solche Worte hatte ich von jemandem wie Reita wirklich nicht erwartet. Gerade deshalb machten sie mich unglaublich glücklich… „Das bist du“, antwortete ich atemlos und zerrte Reita förmlich in einen innigen Kuss, in dem ich ihm alle Dankbarkeit für seine Worte bewies und dafür, dass er mich wirklich aufrichtig liebte. Das tat er doch, oder…? „Ich liebe dich“, flüsterte er leise gegen meine Lippen, sodass ich nur an der Berührung ausmachen konnte, was genau er gerade gesagt hatte. Sanft lächelte ich und antwortete dasselbe, gab ihm noch einen kurzen Kuss und löste mich dann von ihm, nahm erneut seine Hand. Fest umschloss Reita meine Finger und zog mich weiter über die Straße, wo wir zur Innenstadt gelangten. Gut, dass die Schule nicht weit außerhalb lag, sodass wir nur ein paar Minuten brauchten, um die Stadt zu erreichen. „Rei?“ Ich wusste nicht, ob es der geeignete Zeitpunkt war, ihn nach der Sache mit Saga zu fragen, aber dennoch ging sie mir einfach nicht aus dem Kopf, es hatte mich ernsthaft verwundert, dass er ihn nach der Schule derart ignoriert hatte. Am Morgen hatten sie sich noch völlig normal unterhalten, wieso also war er jetzt so seltsam…? Als er mir bedeutete, dass ich seine Aufmerksamkeit hatte, überdachte ich noch einmal, wie genau ich diese Frage jetzt stellen sollte und holte dann einmal tief Luft, drückte seine Hand kurz etwas fester. „Hast du Stress mit Saga oder wieso hast du ihn grad so eiskalt ignoriert?“ Und irgendwie schien die Frage völlig fehl am Platz zu sein. Reita seufzte vernehmlich und bog mit mir in eine andere Straße ein, die richtung Fußgängerzone führte und wischte sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Eigentlich wollte ich dir den Stress heute ersparen“, antwortete er mir, „weil dich das auch nicht grad wenig angeht. Ich wollte morgen mit dir drüber reden…“ „Na, jetzt hast du mich neugierig gemacht und jetzt will ich’s auch wissen“, gab ich gleich zurück und schaute mich ein wenig in der Gegend um. Die Restaurants in dieser Straße waren wohl alle viel zu teuer, als dass sie ein Normalsterblicher hätte bezahlen können. Wenn man sich die Preise für ein stinknormales Drei-Gänge-Menü anschaute, wurde einem ja schlecht! Da hatte man wirklich so gar keinen Appetit mehr…! „Ich red morgen mit dir drüber, okay?“, antwortete Reita mir schließlich, „Ich sag dir nur schon mal so viel, dass die Feier so, wie’s aussieht, nicht bei Dai stattfindet. Ich glaub da würden ihm einige die Bude auseinander nehmen, im Moment sind wir alle nicht besonders auf ihn zu sprechen.“ „Und wieso hast du dich vorhin dann mit ihm unterhalten? Schien ja n sehr ernstes Gespräch zu sein…“ Grinsend schüttelte Rei den Kopf und betrat schließlich mit mir gemeinsam die Fußgängerzone. Der Laden, wo er mich hinführte, schien ja ganz abgelegen zu sein, denn auf der ganzen Fußgängerzone gab es nicht ein einziges Restaurant – und ich konnte mir kaum vorstellen, dass er mich in irgendeine der Fastfood-Ketten ausführen würde, wenn er mir schon eine Pizza verweigerte! „Ging sich eben um die Feier und n kleines Problem wegen Saga. Aber wie gesagt, ich versau dir den Tag nicht damit und red morgen drüber, ja?“ Zucker! Er war einfach purer Zucker! „Ich bohr halt nicht weiter nach“, lächelte ich und blinzelte überrascht, als er mich in eine weitere Seitenstraße zog, in der sich ein paar Restaurants befanden. Aber auch die sahen nicht gerade billig aus…! „Hoffe du magst europäische Küche“, sagte er, während er ein kleineres Restaurant ansteuerte und mir wie ein Gentleman die Tür aufhielt. Das sah wenigstens nicht ganz so teuer aus, wie die anderen und auch die Preise der Gerichte waren annehmbar. Aber ich fragte mich trotzdem, wo er denn auf einmal das Geld dafür herhatte. Bekam er so viel Taschengeld? „Danke“, grinste ich, betrat dann das nette, kleine Restaurant und schaute mich ein wenig um. Überhaupt nicht asiatisch eingerichtet, eben genau so, wie es sich für ein europäisches Restaurant gehörte. Sicherlich würde man hier französisches Essen bekommen, was ich allerdings noch nie probiert hatte. Also würde mir die Entscheidung wohl nicht schwer fallen, wenn sie irgendwas Französisches anboten! „Wow, bist du öfter hier?“, fragte ich Reita, der zielstrebig auf einen kleinen Tisch in einer ruhigen Ecke zuging und dort wartete, bis ich platz genommen hatte, ehe auch er sich mir gegenüber hinsetzte. „Ich war früher oft mit meiner Mutter hier, als sie ihren Arschlochfreund noch nicht aufgegabelt hatte“, antwortete er mir, „und wir hatten uns damals eigentlich noch ganz gut verstanden. Hatte nicht immer so n scheiß Verhältnis zu ihr, wie heute…“ Irgendwie tat er mir ziemlich leid. War sicherlich keine schöne Erfahrung, denn ich konnte aus eben dieser sprechen. Meine Mutter hatte ich früher recht gern gemocht, hatte oft Zeit mit ihr verbracht und hatte mich gern mit ihr unterhalten, auch, wenn es nur oberflächliche Gespräche gewesen waren, in denen nie irgendwas Persönliches besprochen worden war. Und heute dachte ich an nichts anderes als ihr einfach so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Selbst an meinem Geburtstag würde sie mich nicht zu Gesicht bekommen, weil ich genau wusste, dass sie entweder betrunken auf dem Sofa lag und ihn vergessen hatte oder mich wegen meiner ständigen Abwesenheit zur Sau machen würde. Beides nicht sonderlich positiv, also würde ich gar nicht erst heim gehen… „Und seit sie ihren Freund hat ist sie dir auf einmal unsympathisch?“, fragte ich nach, machte es mir auf meinem Stuhl bequem und schaute ihn aufmerksam an. Endlich würde ich mal ein bisschen mehr über Reita erfahren! Mir hatten schließlich alle schon mal irgendwelche Dinge erzählt, die ich niemals von ihm erwartet hätte – zum Beispiel die Sache mit den One-Night-Stands, die Tora mal fallen gelassen hatte und dass ich wohl etwas ganz Besonderes für ihn sei. Ob da wirklich was dran war? „Der hat sich in meine Familie eingemischt, hat das vertrieben, was mir von meiner Verwandtschaft überhaupt noch übrig geblieben war und meine Mutter zu nem völlig anderen Menschen gemacht. Seit der bei uns lebt meint sie mich als nen Musterschüler vorzeigen zu müssen“, erklärte er, „obwohl sie ganz genau weiß, dass ich mich grundsätzlich nicht in irgendwelche Muster drängen lasse, von denen ich nicht weiß, ob sie besonders gut für mich sind. Verstehst du? Nichts gegen eine gute Schule und so, aber ich muss einfach nicht überall Einsen und Zweien schreiben, damit sie zufrieden ist.“ Verständlich, das hätte mir sicherlich auch nicht gefallen. Aber ich hatte es eher umgekehrt gemacht. Hatte immer gut sein wollen, um von meinen Eltern vielleicht ein bisschen Aufmerksamkeit und Anerkennung für meine Leistungen zu bekommen, aber die war leider immer ausgeblieben. Kein schönes Gefühl, aber andersrum? Da war es sicherlich auch nicht viel besser. „Und ihr Freund fand mich von Anfang an scheiße, aber natürlich interessiert meine Mutter das nicht, weil er Geld verdient und dazu beiträgt, dass ich überhaupt in der Stadt hier wohnen kann. Zu meiner Mutter ist er ganz okay, aber mich behandelt er wie n Stück Scheiße und das lass ich mir nicht gefallen. Ich tu alles, um ihn zu provozieren, weil ich nicht glaube, dass dieser Vollidiot wirklich das Richtige für meine Mutter ist, weißt? Außerdem will ich sie endlich mal dazu bringen, einzusehen, dass der Kerl nicht gut für ihren Sohn ist. Was ist n das für ne Mutter, die ihren Sohn so n widerliches Arschloch ertragen lässt, nur, damit sie an dessen Geld rankommt?“ „Find ich ziemlich unfair“, gab ich gleich darauf zurück und hatte gerade noch etwas sagen wollen, als ich vom Kellner unterbrochen wurde, der uns die Speisekarten reichte und unsere Getränkebestellung aufnahm. „Wasser“, lächelte ich freundlich, vernahm nur, dass Reita dasselbe bestellte und schließlich verschwand der Kellner wieder. „Sorry, weiß nicht mehr, was ich sagen wollte“, seufzte ich letztendlich und legte die Karte auf den Tisch, beugte mich etwas über sie, um die Gerichte anzusehen. „Schon gut, ich wäre eh für nen Themenwechsel“, lachte Reita, „weil ich muss nicht auch noch in meiner Freizeit, wo ich das Arschloch los bin, über den reden, weißt?“ Verständlich, schließlich redete ich auch nicht gerade gern über meine Mutter und was sie so mit ihrem Sohn anstellte, wenn sie gerade in irgendeiner wilden Laune war. Also schwiegen wir einen Moment, in dem wir uns die Gerichte der Karte anschauten und während ich das tat staunte ich wirklich nicht schlecht. Die hatten alles von vorn bis hinten! Italienisch, französisch, spanisch… Und trotzdem fiel mir die Wahl nicht sonderlich schwer. „Hähnchen in Weinsoße klingt nicht schlecht“, gab ich Reita schließlich zu verstehen und ich hörte diesen leise lachen, woraufhin ich aufschaute. „Französisch also?“, grinste er, schien über meinen leicht verwirrten Blick nicht sonderlich begeistert zu sein. „Da ich das eh heute Abend noch bekomme, nehm ich was anderes!“ Natürlich dachte er mal wieder nur an das eine, wie jeder Kerl! Aber gut, ich war schließlich auch einer und so schmunzelte ich über den Kommentar, fragte einfach mal, wofür er sich wohl entschieden hatte, und war es nur, um das Thema zu wechseln. Sollte ja kein Unglück passieren mitten im Restaurant, denn er hatte ja keine Ahnung, was er mit einem einzigen Blick schon für eine Wirkung auf mich haben konnte… „Paella“, antwortete er sofort auf meine Frage, „das wollte ich hier schon immer mal probieren. Hab ich mir immer für nen besonderen Tag aufgehoben, an dem ich hier essen gehen würde… aber der ist mit meiner Mutter irgendwie nie gekommen!“ Umso schöner war es, zu wissen, dass er mit mir gekommen war! Als der Kellner unsere Getränke brachte, gaben wir beide unsere Bestellungen ab und reichten ihm die Speisekarten zurück, ehe wir uns wieder in unseren Stühlen zurücklehnten und einander einen Moment lang einfach nur anschauten. Eigentlich musste ich ihm unglaublich dankbar sein, dass er mich so genommen hatte, wie ich war und mir nun half, besser mit allem und sogar mit mir selbst zurechtzukommen. Er hatte mein Leben völlig verändert… „Woran denkst du?“, fragte er dann unerwartet und nahm sich sein Glas, grinste, bevor er einen Schluck daraus trank und den Kopf etwas zur Seite legte, als er es wegstellte. In diesem Moment sah Reita unglaublich niedlich aus, denn sein Blick hatte etwas Unschuldiges und das passte so gar nicht zu ihm. „Ich hab mich grad gefragt, was Paella sein soll“, grinste ich zurück, „aber ich lass mich mal überraschen. Darf ja sicherlich mal probieren oder so?“ „Klar.“ Wieder ein kleiner Moment der Stille. Und ich musste feststellen, dass mir das Thema mit Dai noch immer nicht aus dem Kopf ging. Es war ja unglaublich süß von ihm, dass er mit mir erst morgen darüber reden wollte, um mir den Tag nicht zu versauen, aber damit, dass er es mir verschwieg, machte er es mir auch nicht gerade leichter! „Warum findet die Feier eigentlich nicht bei Dai statt?“, fragte ich deshalb, sah, wie sein Blick sich wieder ein wenig verfinsterte und schlug mich im nächsten Moment innerlich dafür. Was musste ich auch immer die Stimmung mit solchen Fragen kaputt machen?! „Du willst es echt wissen, ne?“, grinste er jedoch dann, lehnte sich vor und stemmte die Arme auf den Tisch, beugte sich ein wenig darüber. „Dann kann ich dir das auch genauso gut jetzt erzählen, wenn es dich so wurmt, es nicht zu wissen!“ „Find ich auch“, gab ich zurück und lehnte mich ebenfalls wieder auf den Tisch auf, um ihm besser zuhören zu können. Gespannt wartete ich ab, was er mir erzählen würde und ich trank vorher noch einen Schluck Wasser, bereitete mich auf das Schlimmste vor. Wenn Reita schon Saga ignorierte, ohne, dass der sich mal wieder wegen Sakito besoffen hatte, musste da ja richtig was hinter stecken! „Wir wissen ja jetzt alle, was Dai in seiner Freizeit noch so treibt, um an Geld zu kommen“, begann er leise und ganz sachlich, „und darauf hab ich ihn halt heute nach der Schule angesprochen. Und zwar deshalb, weil mir Sagas Verhalten schon seit n paar Wochen seltsam vorkommt. Erinnerst du dich, dass er hinterm Kaufhaus am Wochenende so richtig schadenfroh klang, als Saki das mit Ni~ya erzählt hat? Das kam mir von Anfang an schon ziemlich verdächtig vor…“ Ich nickte ein wenig, um mein Verständnis kundzutun und hörte ihm weiter aufmerksam zu. Es war mir ebenfalls nicht entgangen, dass Saga sich seltsamerweise darüber gefreut zu haben schien, dass Ni~ya mit Sakito Schluss gemacht hatte. Und dass er Tora bei ihren ganzen Gesprächen ausgewichen war, sprach irgendwie dafür, dass er die Sache hinhalten wollte wegen eines ganz bestimmten Grundes. Und würde mir Reita den jetzt erzählen? „Jedenfalls hab ich heute von Dai rausgekriegt, dass Saga ihn darum angebettelt hatte Sakito die Drogen zu verkaufen, weil er genau wusste, wie betrunken der an dem Tag gewesen sein musste. Dai hat Sakito bedroht, von wegen er würde ihn umbringen, wenn er es nicht kaufen täte und er den anderen davon erzählen würde. Saga hat in der Nacht bei Sakito gepennt. Ich weiß nicht, ob Sakito die Drogen wieder hatte loswerden wollen, damit Ni~ya sie nicht findet. Keine Ahnung, aber es wäre ja irgendwie sinnvoll gewesen, oder?“ Wieder nickte ich, meine Augen hatten sich seitdem er angefangen hatte zu erzählen immer mehr geweitet. Ich konnte kaum glauben, was er da von sich gab! Hatte ich mich wirklich so sehr in Saga getäuscht…? „Jedenfalls muss Saga es irgendwie so gedreht haben, dass Ni~ya die Drogen gefunden hat und daraufhin hat er halt mit Sakito Schluss gemacht. Wahrscheinlich hat Saga ihm noch nen Floh ins Ohr gesetzt vorher – von wegen er könne mit ihm als seinen besten Freund ja über alles reden und das hat Sakito bestimmt nicht gemacht. Ich kenne Saga, er hat sowas schon einmal auf die Tour versucht“, erklärte er und wurde zum Ende hin nur noch ernster. „Und jetzt wundert er sich wahrscheinlich darüber, dass Sakito nicht mit ihm drüber redet, weil er uns gesagt hat, was passiert ist und Dai sich ganz dumm bei Ni~ya verplappert hat. Wenn ich’s nicht besser wüsste, würd ich sagen, dass Saga sich in nächster Zeit besser von Dai fernhält, der wird ihm nämlich mit Sicherheit die Schuld dafür geben, dass wir von dem Ganzen Wind gekriegt haben, verstehst du? Dai ist da ziemlich skrupellos.“ Ich konnte mir schon denken, was er mit Saga anstellen würde. Aber verhindern können, dass er ihm bei Gelegenheit n paar aufs Maul geben würde, konnte ich auch nicht, denn dazu war ich viel zu schwach und zu feige. Nachher lief ich Gefahr, dass ich auch noch was abbekam und das lag sicherlich nicht in meinem Interesse – und in Reitas wohl auch nicht. „Find ich gut, dass wir nicht bei Dai feiern, ich glaube das gäbe wirklich Massenmord“, seufzte ich und stützte den Kopf auf meinen Handrücken ab, schaute Reita verträumt an. Verträumt allerdings in dem Sinne, dass ich noch einmal alles überdachte, was er mir soeben erzählt hatte. Wenn Tora raus bekam, was Saga da mal wieder eingefädelt hatte, würde es mit den beiden wohl auch mehr als nur vorbei sein. Und es tat mir ziemlich leid für Tora, denn man merkte ihm wirklich an, was er für Saga empfand. Es war mehr als nur Freundschaft, was ihn an den blonden kettete und ich war mir sicher, dass er es nicht nur bei ein paar heißen Nächten hätte belassen wollen. Armer Tora… „Saga hat damit wohl bei so ziemlich jedem von uns verschissen im Moment“, meinte Reita nur trocken, „und Sakito und Tora hat er damit am meisten getroffen. Tora weiß das ja auch alles noch gar nicht und so… Der wird ausrasten!“ „Vor allem, weil er eh schon was von Saga will“, fügte ich hinzu, schaute zu, wie Reitas Gesicht immer wieder verschiedene Emotionen zierte. Wahrscheinlich wusste auch er nicht, wie er nun mit der Sache umgehen sollte. „Hoffe nur, dass Ni~ya auch einsieht, dass nicht Sakito, sondern Saga und Dai den Scheiß gebaut haben“, seufzte er und lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück, kramte dann in seiner Hosentasche. „Stört es dich, wenn ich rauche?“ Irgendwie hatte ich ja auf die Frage gewartet. Ich sah ihm an, dass er ziemlich aufgebracht war, deshalb wollte ich ihn auch nicht davon abhalten seine Nerven ein bisschen zu beruhigen – auch, wenn es sicherlich andere Möglichkeiten gäbe. „Nein, mach ruhig.“ Kurz lächelte er mich lieb an und zog dann seine Zigaretten aus seiner Hosentasche, nahm sich eine heraus und zündete sie schließlich an. Immer, wenn ich so etwas zusah, fragte ich mich, wie man sich damit derart seine Lungen kaputtmachen und es mit sich vereinbaren konnte, dass man danach ekelhafter stank als ein ganzer Kuhstall – unausgemistet! „Ich rauch ja schon weniger“, nörgelte er, als er meinen trotzdem nicht gerade begeisterten Blick sah und lachte leise, zog dann an seiner Zigarette und hielt sie extra weit nach unten, damit es nicht zu mir rüberzog. „Ich sag doch gar nichts!“, murrte ich, „Aber ich find’s trotzdem unglaublich doof, sich damit selbst zu schaden und so…“ „Besser der Körper, als die Psyche“, grinste er, „siehst ja, dass man bei meinen Freunden starke Nerven braucht!“ Da hatte er ja sowas von Recht! Aber gut, endlich mal etwas Spannenderes als Ruki und Aoi, denn mit denen zu feiern war auch nicht gerade besonders aufregend gewesen. Aber ob ich mich da gerade nicht doch ein wenig selbst belog…? „Wo gehen wir denn jetzt hin, statt zu Dai?“, wollte ich nochmals wissen und schaute mich kurz nach dem Kellner um. Anscheinend brauchten sie hier nicht besonders lang fürs Essen, denn unser Nachbartisch konnte auch noch nicht lang hier sein – die Gläser waren noch ziemlich voll. „Sakito meinte, er würde sich nach was umsehen“, antwortete mir Reita und hatte seine Zigarette bereits beachtlich verkleinert, „aber wenn Saki was aussucht, kannst du sicher sein, dass es ziemlich geil wird. Hat nen guten Geschmack, was Clubs und so angeht…“ „N Club?“ Eigentlich hasste ich ja sowas wie Discos, Bars oder Clubs, aber immerhin gingen Leute wie Sakito und Reita mit und an die konnte ich mich gefahrlos halten. Es würde mich schon keiner blöd anmachen, wenn er sah, mit welchen Leuten ich unterwegs war. Und Reita und Sakito waren ja nicht die einzigen, die mitkommen würden! „Wird schon anständig sein, keine Sorge“, versicherte er mir, „und wenn dich jemand dumm anmacht, bin ich auch noch da, vergiss das nicht!“ Breit grinste ich, lehnte mich dann allerdings etwas zurück, sodass der Kellner mir das Essen vor die Nase setzen konnte. Und meine Fresse, das war ne Portion! Die würde ich nie im Leben aufbekommen! Auch Reitas Portion war nicht ohne, ich fragte mich, wo das alles in seinen schlanken Körper reinpassen sollte! „Das krieg ich nie im Leben auf“, murmelte ich kleinlaut und bedankte mich kurz beim Kellner, schaute dann verlegen zu Rei rüber, der nur breit grinste. „Sieh es so“, begann er und nahm sich sein Besteck, „dann bist du erstens satt und zweitens fit für heute Abend…“ Dieses miese, kleine… „Is’ klar“, lachte ich, „aber wenn du so willst, kann ich ja das Gleiche von dir behaupten! Mal sehen, wie viel Ausdauer du hast…“ Anscheinend überraschten ihn meine Worte, sodass er einen Moment lang aufhörte zu kauen, nachdem er sich einen Bissen in den Mund geschoben hatte. Ich allerdings konnte nur darüber schmunzeln und schnitt etwas von meinem Hähnchen ab, probierte es dann. Und es schmeckte göttlich…! „Ich bin sehr ausdauernd“, schmunzelte Reita, als er schließlich seinen Bissen runtergeschluckt hatte, „mach dir da mal keine Sorgen. Da gehen mindestens fünf Runden…“ „Fünf?! Meine Fresse, so oft bekommt den doch keiner hoch“, sagte ich erstaunt, rührte ein bisschen in meiner Soße herum und nahm den nächsten Bissen, schielte durch die Ponysträhnen zu Reita auf, der sich krampfhaft das Lachen zu verkneifen schien. „Weißt du“, sagte er dann breit grinsend und nahm den nächsten Bissen auf die Gabel, „wenn man nen Freund hat, der so derbe sexy ist wie du, ist das ganz, ganz einfach, ehrlich!“ „Ach, sei leise“, murmelte ich, „das kann ich auch genauso gut selber sagen…“ „Echt?“, lachte er, „Fühl mich geehrt…“ Es hatte dennoch nicht lang gedauert, bis wir aufgegessen hatten, allerdings hatte ich wirklich noch ein wenig liegen lassen, genau wie Reita. Die Portionen hier waren das Geld also wirklich wert, denn besonders billig war es wegen der europäischen Kost nun auch wieder nicht. „Ich krieg nichts mehr runter“, seufzte ich zufrieden und schob meinen Teller etwas von mir, um Platz für meine Arme zu haben, „und ich bin gerade davon überzeugt worden, dass Frankreich ne echt geile Küche hat…“ „Die haben ganz andere geile Sachen erfunden“, lachte Reita, „es heißt nicht umsonst ‚French Kissing’, ne?“ „Erst bei dir zu Hause“, grummelte ich, wollte ja nur vermeiden, dass er jetzt schon wieder daran schuld war, wenn ich auf schmutzige Gedanken kam! Reita hatte mich wirklich auf den Geschmack gebracht! Ich konnte gar nicht mehr die Finger von ihm lassen und wenn man bedachte, dass es bereits das dritte Mal in weniger als einer Woche war, konnte man dem doch schon eine Menge Respekt abverlangen! Kurz machte ich dem Kellner wieder Platz, damit er die Teller abräumen konnte und bedankte mich dann noch einmal der Nachfrage, ob das Essen auch gut war. Und bei Satan, es war gut gewesen! „Willst du noch was trinken oder bist du wunschlos glücklich?“, fragte Reita mich, nachdem der Kellner verschwunden war, um die Teller wegzubringen und lehnte sich wieder auf den Tisch, schaute mich mit einem undefinierbaren Ausdruck in den Augen an. „Ich bin wunschlos glücklich“, grinste ich, „und mit dir sowieso…!“ „Dann bin ich für zahlen und ab zu mir“, grinste er zurück, rief noch einmal den Kellner herbei und kramte dann in seinem Rucksack herum. Dort holte er sein zerfetztes Portemonnaie heraus, legte es schon mal auf dem Tisch bereit. Ich wollte ja nicht aufdringlich oder unhöflich werden, daher verkniff ich es mir einfach zu fragen, woher er die ganzen Geldscheine hatte, die er gerade für den Kellner rausholte. Hatte er sie von seinem Stiefvater geklaut oder bekam er einfach so viel Taschengeld? „Stimmt so“, meinte er nur, gab dem netten Herrn knapp 200 Yen zuviel und verabschiedete sich dann, stand auf. Schnell trank ich noch mein Glas aus, ehe auch ich aufstand, den Stuhl an den Tisch schob und kurz den anderen Gästen neben uns zunickte, dann Reitas Hand nahm und die seltsamen Blicke der anderen Leute schmunzelnd hinnahm, mich dann zur Tür führen ließ. „Danke für die Einladung“, lächelte ich Rei schließlich lieb an, als wir das Restaurant verlassen hatten und blieb kurz stehen, um ihn zu umarmen und einen kurzen, aber zärtlichen Kuss zu geben. Ohne Widerworte blieb er stehen und erwiderte meinen kurzen Kuss, lächelte mich unglaublich lieb an und streichelte mir kurz über die Wange, gab mir dann noch einen kleinen Kuss und ließ mich schließlich wieder los. „Hab ich dir mit der Story wegen Dai und Saga auch echt nicht den Tag versaut?“, fragte er dann, als wir weiterliefen und die Fußgängerzone wieder betraten, die mit der Zeit um einiges voller geworden war, „Weiß ja nicht, ob du jetzt Probleme damit hast bei ihm zu wohnen und so…“ „Nein“, antwortete ich gleich, „ich komm damit schon klar. Außerdem hab ich mit der Sache überhaupt nichts zu tun und deshalb halt ich mich auch da raus. Warum sollte ich mich irgendwie anders verhalten, nur, weil Saga Scheiße gebaut hat?“ „Du bist zu gut für diese Welt“, meinte Reita trocken, „Saga hat im Moment einfach mal so richtig den Wind von vorne verdient. Aber gut, ich geb dir Recht, du hast nichts damit zu tun und es ist besser, wenn wir nicht jeden da mit reinziehen, der Saga kennt oder so…“ „Nachher kommt gar keiner mehr zu meiner Feier, bloß, weil er auch da ist“, lachte ich trocken, fragte mich allerdings in diesem Moment, ob überhaupt jemand von Sakito, Ni~ya oder den anderen kommen würde, wenn Saga auch da war. „Ich weiß nicht“, überlegte Rei und bog mit mir aus der Fußgängerzone heraus zur Hauptstraße, wo gleich die nächste Bushaltestelle auf uns wartete, „wenn’s Stress gibt, werd ich schon dafür sorgen, dass Ruhe einkehrt. Die werden dir deine Feier sicherlich nicht versauen!“ „Ich liebe dich, weißt du das?“, grinste ich und ließ mich an der Bushaltestelle nieder, stellte nebenbei fest, dass der Bus bereits in einer Minute da sein würde und zog Reita dann wieder zu mir, um ihn innig zu küssen. „Natürlich weiß ich das“, raunte er kurz gegen meine Lippen und nahm den Kuss dann wieder auf, wir ließen nicht wieder voneinander ab, bis der Bus endlich an unserer Haltestelle hielt und wir beide einstiegen. Keine zehn Minuten später hatten wir die Haltestelle bei Reitas Straße erreicht, keine zwei Minuten später Reitas Haus. Ich konnte es kaum abwarten ihn endlich wieder ganz für mich zu haben, ohne irgendwelche Leute, die uns bei irgendwas zuschauten, was sie überhaupt nichts anging. Außerdem war ich sowieso gespannt, was er mir noch zum Geburtstag schenken wollte, denn im Bus hatte er bereits genügend Andeutungen gemacht, die mich umso neugieriger machten. „Wann kommen deine Eltern denn wieder?“, fragte ich, als ich die Tür hinter uns schloss und kurz meine Schuhe ungeöffnet von den Füßen schob, sie beiseite stellte und meine dünne Jacke an den Kleiderhaken hängte. „Keine Ahnung, das Arschloch ist ja eh länger weg und meine Mutter glaub ich erst morgen früh“, antwortete er, „hab ja nur nen Zettel gefunden, wir reden im Moment nicht miteinander.“ „Wieso denn nicht?“, fragte ich, als ich ihm zuschaute, wie er mit seinen geschnürten Chucks kämpfte und sie schließlich achtlos beiseite schmiss, wie immer eben. Er hatte Streit mit seiner Mutter? Hatte er erwähnt, aber dass es so schlimm war, dass sie nicht miteinander redeten? „Hab ich vergessen“, gab er nur matt zurück und machte sich schon auf den Weg nach oben, wohin ich ihm folgte, „ich glaub es war wegen dem Bier, was ich in meinem Zimmer deponiert hatte. Oder der Hochprozentige oder so…? Keine Ahnung!“ Kurz lachte ich auf, stieg weiter die Treppen im Flur herauf und stellte fest, dass es irgendwie unordentlicher im ganzen Haus geworden war, als früher. Was hatte er hier angestellt in der kurzen Zeit, wo seine Eltern mal nicht daheim waren? „Nicht wundern“, sagte er irgendwann, als er seine Zimmertür öffnete, „ich hab leider nicht mehr aufräumen können und so. Aber die Bierflaschen hab ich alle runter gebracht“, grinste er dann, ließ mich eintreten und warf seinen Rucksack neben den Schreibtisch, was ich ihm auch gleichtat. Sein Zimmer war in der Tat… unordentlich. Nur noch mehr Zeitschriften lagen herum, Klamotten, Schulsachen, bekritzelte Ringblöcke und ein paar Handtücher, selbst seine Wäschekiste auf dem Schrank quoll bereits über! „Meine Mutter weigert sich seit einer Woche zu waschen“, antwortete er mir stumm auf meine Frage, als ich noch immer die Kiste anstarrte und mich auf seiner Matratze niederließ, einfach ungefragt nach der Fernbedienung griff und einen Musiksender einstellte für die Geräuschkulisse. „Ist doch nicht schlimm“, grinste ich, „dann komm ich mal nen Tag vorbei, wo die wieder nicht da sind und spiel die Hausfrau für dich!“ „Uh, machst du auch Nacktputzen?“, grinste er gleich, nachdem er einige Sachen beiseite geräumt hatte und sich bei mir auf der Matratze niederließ, sich gleich zwischen meine Beine setzte und mich fast schon unschuldig anlächelte. Manchmal konnte er ja so ein Vollidiot sein! „Nichts da“, murrte ich und legte die Arme um seinen Nacken, „dann hast du nachher ja gar nicht das Vergnügen mir die Klamotten vom Leib zu reißen. Außerdem putze ich nicht besonders gut, ich kann viel besser alles verwüsten…“ „Ich will gar nicht wissen, was du damit meinst“, schmunzelte er und gab mir einen sanften Kuss, der allerdings nicht besonders lange andauerte. Und schließlich beugte er sich ein wenig rüber zu seiner Kommode, wo er kurz zu kramen begann und dann eine kleine, weiße Tüte hervorzog. „Was ist das?“, fragte ich gleich neugierig, rechnete schon mit allem Möglichen, was klein genug wäre, um in diese winzige Tüte zu passen. Vielleicht ne Art neues Gleitgel mit Erdbeergeschmack? „Sei doch nicht immer so neugierig“, zeterte er, „und lass dich doch einfach mal überraschen. Mach mal die Augen zu…" „Uhm, okay…“ Seufzend senkte ich den Kopf etwas, schloss dann auf seine Bitte hin die Augen und hörte die Tüte rascheln, dann war einen Moment lang Stille. Ich begann mich bereits zu fragen, was er denn nun vorhatte und was er da überhaupt tat, denn eine ganze Weile lang tat sich nichts. Und plötzlich spürte ich ihn ganz nah bei mir, er hatte sich zu meinem Ohr vorgebeugt und flüsterte schließlich leise Worte mit sanfter Stimme. „Happy Birthday, Baby“, raunte er und ich spürte im nächsten Moment, wie er meine Hand nahm, es wohl auf einen ganz bestimmten Finger abgesehen hatte und mir anscheinend einen Ring darüber streifte. Überrascht öffnete ich die Augen, wunderte mich, wie er es überhaupt geschafft hatte, dass der Ring wirklich wie maßgeschmiedet an meinen Finger passte und schaute ihm verwundert in die Augen, dann allerdings wanderte mein Blick zu meiner Hand, an der sich nun ein etwas breiterer, wunderschöner Silberring mit eingraviertem, wirklich außergewöhnlichem Muster befand. „Oh, mein Gott“, wisperte ich, starrte das Schmuckstück regelrecht an und beschaute es noch einmal ganz genau, prägte mir jedes Detail ein. Er war nicht einfach gleichmäßig breit, sondern die beiden Enden liefen sozusagen aufeinander zu, überschnitten sich und bildeten ein Muster, wobei allerdings noch ein hauchdünnes Muster in den Ring selbst eingraviert war. Es zeigte eine Art Dornenranke und dort, wo der Ring am breitesten war, glitzerte ein winziger, violetter Stein. „Gefällt er dir?“, fragte Reita mich schließlich leise, beugte noch immer so nah bei mir und lächelte so unglaublich niedlich, dass ich nicht anders konnte als eifrig zu nicken und ihn als Antwort in einen mehr als leidenschaftlichen Kuss zu ziehen. Ohne zu zögern erwiderte er ihn, schien allerdings überrascht, dass es diesmal auch meine Zunge war, die Einlass forderte und so gewehrte er ihn mir, ging auf mein kleines Spiel ein und ich konnte merken, wie er langsam aber sicher schwerer zu atmen begann. „Warte“, wisperte er schließlich gegen meine Lippen, als er sich gelöst und es mir ein enttäuschtes Seufzen entlockt hatte, „das ist nur das halbe Geschenk…“ „Das halbe Geschenk?“, fragte ich leicht irritiert, schaute ihm dann zu, wie er sich etwas umständlich aufzurichten versuchte und mich kurz angrinste. „Aber bitte nicht tot umfallen oder so…“, murmelte er, „war nämlich nicht grad n angenehmes Gefühl…“ Und noch während er das sagte, zog er seine linke Stulpe ein Stück herab und entblößte seinen Unterarm. Allerdings war da nicht nur nackte Haut zu sehen… „Wann hast du das denn machen lassen?!“, fragte ich sofort mit großen Augen, griff nach seiner Hand und zog ihn somit näher, um mir das kleine Kunstwerk auf seinem Arm näher anzuschauen. Irgendwie kam mir das Muster, was sich um sein Handgelenk schlängelte und schließlich ein Stück weit seinen Unterarm hinauf wanderte, mächtig bekannt vor… Es war dasselbe Muster, wie auf meinem Ring? „Gestern“, gestand er, „deshalb musste ich auch direkt nach der Schule schon so früh weg, weißt du?“ Fassungslos starrte ich noch immer seinen Arm an, bis mein Blick sich schließlich doch davon hatte losreißen können und letztlich auf seinen traf, der mich irgendwie abwartend und etwas ängstlich zugleich anschaute. „Ich weiß gar nich’, was ich sagen soll“, gestand ich ihm nun und unterdrückte die aufkommenden Freudentränen, „das ist unglaublich süß von dir, Rei…!“ Anscheinend froh darüber, dass ich nichts dagegen hatte, dass er sich hatte tätowieren lassen, ohne mich oder wahrscheinlich auch irgendjemand anderes zu fragen, beugte er sich wieder vor, um mich erneut zu küssen und seufzte wohlig, als ich die Arme um seinen Rücken schlang und ein wenig fester als beabsichtigt darüber streichelte. Ich konnte kaum in Worte fassen, wie sehr ich mich darüber freute, was er für mich getan hatte. So hatte ich das Gefühl, dass uns etwas verband, das uns so schnell nicht mehr würde trennen können und das machte mich einfach nur unglaublich glücklich. So kam es, dass ich leise, aber dennoch vernehmlich in unseren Kuss seufzte und ihn schließlich näher zog, spürte, wie er sich nebenbei noch die andere Armstulpe auszog und sich schließlich daran machte, einen geeigneten Platz für seine Hände an meinem Körper zu finden. Den hatte er schon bald gefunden, er streichelte über meine Brust und wanderte schnell tiefer, während er den Kuss inniger werden ließ und nun seinerseits Einlass forderte, mit meiner Zunge tanzte und ab und an frech in meine Unterlippe biss. Ehe ich mich versah, hatten seine Hände sich den Weg unter mein Oberteil gebahnt, das er mir vor einigen Wochen geschenkt hatte und schoben es nun ein Stück herauf, sodass die nackte Haut an meinem Bauch zum Vorschein kam. Noch immer kniete er zwischen meinen Beinen und schob diese nun etwas weiter auseinander, damit er mehr Spielraum hatte und sich etwas besser dazwischen platzieren konnte. Er zögerte nicht lang, schien nicht länger abwarten zu wollen, was mir allerdings nicht gerade missfiel – im Gegenteil – und zog mir mein Oberteil über den Kopf, warf es achtlos hinter sich und widmete sich meinem Hals, den er zärtlich zu kosen begann und sanft daran knabberte. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als genießend den Kopf in den Nacken zu legen und leise zu keuchen, als er abermals seine Zähne in meinem Hals versenkte, doch ich wollte nicht länger untätig bleiben und griff unter seinen Schultern hindurch, platzierte die Hände erneut auf seinem Rücken und zog von dort aus sein Shirt immer weiter nach oben, bis ich seine Nackte Haut spüren konnte. Doch bei so wenig nackter Haut würde es sicherlich nicht mehr lang bleiben… © Kapitel 27: Von Finden und Empfinden ------------------------------------ -27- Von Finden und Empfinden Es war mal wieder einer dieser Tage, die ich einfach nicht gebraucht hätte, die ich am liebsten gar nicht angefangen hätte, hätte mir jemand die Wahl gestellt. Natürlich war ich völlig umsonst zur ersten Schulstunde aufgestanden, weil überraschenderweise die ersten vier ausgefallen waren – mein Geschichtskurs hatte ja auch nichts besseres zu tun als ein Projekt an diesem Tag zu planen und mich als Unbeteiligten nichts davon wissen zu lassen – und weil Saga den ganzen Morgen aus Scham kein Wort mit mir geredet hatte. Ich war am Vortag ziemlich spät erst wieder von Reita heimgekommen und er hatte sich schon in seinem Schlafzimmer eingeschlossen. Auf meine Versuche ihn endlich zum essen zu bringen hatte er nicht reagiert, heute Morgen war sein Verhalten noch seltsamer gewesen. Er war freiwillig aufgestanden, hatte sich angezogen und sich selbst Frühstück gemacht! Mir sogar auch! Ein Phänomen!! Die Schule hatte ich auch nicht wirklich mit hellerer Miene hinter mich gebracht. Man hatte mich noch immer seltsam angeschaut und hinter meinem Rücken getuschelt von wegen ich sei eine Schwuchtel und mittlerweile war ich mir sicher, dass man mich an meinem Geburtstag mit den ganzen freundlichen Kommentaren und Gesten verarscht hatte. Aber das war ja nicht mein Problem. Ich war nur froh, dass ich jetzt endlich im Bus saß, auf dem Weg zu Saga nach Hause zurück und hatte nicht mal mehr eine Chance gehabt mich anständig von Reita zu verabschieden. Er hatte nach der Schule nicht mehr viel Zeit gehabt, weil er Tora versprochen hatte ihn zur Polizei zu begleiten, weil der dort eine Aussage als Zeuge machen musste wegen einer Schlägerei, die er mal vor ein paar Wochen beobachtet hatte. Na, die musste man an der Polizeistation wohl auch schon mehr als gut kennen… Gelangweilt lief ich die Straße zu dem Gebäude entlang, in der sich Sagas Wohnung befand und kramte nach dem Schlüssel, den Saga mir freundlicherweise überlassen hatte, falls er mal nicht zuhause war, wenn ich rein wollte. Und bei Saga war es nichts Neues, dass er manchmal gern irgendwelche Ausflüge irgendwo hin machte und keiner eine Ahnung hatte, wo er mal wieder steckte. Aber es würde mich wohl nicht wundern, also schloss ich die Haustür des Gebäudes auf und machte mich über die Treppen auf den Weg in den dritten Stock, wo sich Sagas Wohnung befand. Und während ich so unterwegs war, konnte ich mir gut vorstellen, dass man in manchen Situationen wirklich lieber einen Aufzug gehabt hätte – beispielsweise wenn man getrunken hatte! Nachher fiel man noch hinten rüber und kullerte die komplette Treppe wieder rückwärts runter. Besonders breit war sie ja nicht! Endlich oben angekommen hörte ich seltsamerweise keinen Mucks aus Sagas Wohnung, also schloss ich daraus, dass er nicht zuhause war. Bestätigen tat sich das spätestens dann, als ich im Flur stand und weder seine Jacke, noch seine Schuhe vorfand, die er momentan immer anzog. Nur den Fernseher hatte er mal wieder angelassen – allerdings auf lautlos. Typisch, würde er seine Miete zahlen und nicht seine Eltern, würde er sicherlich nicht so nachlässig mit seinen Stromkosten umgehen… Ich warf meinen Rucksack achtlos beiseite zwischen Wand und Schuhschrank, ehe ich mich auf den Weg in die Küche machte und dort im Kühlschrank nach etwas Essbarem suchte. Ich beschloss mir noch einmal diese Toastscheiben mit Ei zu machen – alles andere hätte meiner Meinung nach sowieso zu lang gedauert – und kaum war das erledigt, setzte ich mich ins Wohnzimmer auf mein provisorisches Bett, das nur aus einem Laken, einem Kopfkissen und zwei Wolldecken bestand, schaltete den Ton des Fernsehers wieder ein und zog mir die Nachrichten rein. Wieder irgendwelche bescheuerten Jugendlichen, die irgendwelche alten Leute überfallen hatten, wieder mal ein Erdbeben im Süden des Landes und wieder mal nichts wie Schwachsinn im Abendprogramm, wie mir der Teletext verriet. Irgendwann hatte ich einfach angefangen schneller zu essen, um mir den Unsinn, der sich seltsamerweise auf alle Kanäle übertragen hatte und auf denen nun überall irgendwelche sinnlosen Talk- oder Gameshows liefen, nicht länger antun zu müssen und beschloss nachzusehen, ob Sakito vielleicht zuhause war – war ja nur drei Türen weiter. Er war nach der Pause gleich nach Hause gegangen, hatte sich krank gemeldet und lag nun sicherlich mit irgendwelcher Migräne auf dem Sofa. Aber den Anschein, als ob er krank wäre, hatte er irgendwie nicht gemacht… Sicherlich wieder wegen Ni~ya. Oder der Sache mit Saga… Ich stand auf, stellte den Teller achtlos auf den Wohnzimmertisch, der sowieso schon mit jedem möglichen Scheiß voll gestellt war, dass es keinen Unterschied machte, ob nun ein Teller mehr mit Essensresten darauf rumstand oder nicht. Kurz schaltete ich den Fernseher noch aus und schaute nach, ob noch irgendwo sinnlos Licht brannte, ehe ich die Wohnung wieder verließ und dann drei Türen weiter an die Wohnungstür meines Kumpels klopfte. Leise Töne von Rockmusik drangen durch die nicht gerade schalldichte Tür, woraus ich schloss, dass er tatsächlich daheim war. Also klopfte ich noch einmal etwas lauter, wartete einen Moment. Sakito brauchte ja meistens lang, um die Tür zu öffnen, aber dass er derart lang brauchte, um sich vom Wohnzimmer bis in den Flur und zur Haustür zu begeben…? Vielleicht ging es ihm ja wirklich nicht gut…? Doch schon im nächsten Augenblick öffnete er die Tür und ich konnte sehen, dass er mal wieder geweint hatte. Der restliche Eyeliner unterm Auge war noch ein wenig verschmiert und die Augen selbst waren gerötet, ein paar Tränenspuren waren auf den mit Make-up bedeckten Wangen noch zu sehen. Wahrscheinlich hatte er sich nicht mal mehr die Mühe gemacht es zu verstecken. „Was machst’ hier? Is’ Saga nich’ zuhause?“, nuschelte er, trat beiseite, um mich hereinzulassen. „Nein“, antwortete ich, „aber hat wie immer den Fernseher noch laufen lassen… und ich hab grad keine Lust allein rumzuhängen.“ „Freut mich, dass wenigstens einer vorbeischaut“, lächelte er halbherzig, schloss die Tür hinter mir und bat mich ins Wohnzimmer, wo er kurz ein zweites Glas aus dem kleinen Schrank holte und sich wieder auf seinem mit einer dicken Wolldecke und sämtlichen Kissen voll gestopftes Sofa niederließ. „Mach’s dir bequem… willst du auch Sake?“ Kurz nickte ich, ließ mich dann neben ihm auf dem Sofa nieder und schielte zum Fernseher, in dem gerade eine der Gameshows lief, die ich vorhin um meinen Verstand bemüht weggeschaltet hatte. Tat er sich das öfter an? „Auf dass die Welt sich bald ihren Arsch abwischt“, grinste er, als er mit mir anstieß, „damit sie nich’ mehr ganz so beschissen is’…“ Ich lachte herzlich auf, trank dann einen Schluck und stellte das Glas auf den Tisch, lehnte mich in die weichen Sofakissen zurück. Den Spruch hatte er sicher von Reita! „Wieso hast du dich eigentlich heute abgemeldet?“, fragte ich rein aus Neugierde heraus, als auch er das Glas beiseite gestellt hatte. Wirklich krank sah er nicht aus – nur halt verheult… „Saga“, sagte er schlicht, „einfach nur Saga… diese Missgeburt…“ „Na“, machte ich mahnend, „nicht solche Kraftausdrücke, bitte…“ „Das war kein Kraftausdruck, so heißt seine Spezies!“ Ich brachte keine anständige Antwort darauf zusammen, denn von etwas anderem würde ich Sakito sowieso nicht überzeugen können. Eigentlich war Saga bemitleidenswert… nur das sah er nicht. Ich wunderte mich, was wohl Ni~ya dazu sagen würde? Seine Meinung hatte ich ja noch gar nicht eingeholt, ich hatte ihn auch heute in der Schule nicht gesehen. Vielleicht auch ein Grund, wieso Sakito gegangen war. Ob er überhaupt noch eine Chance bei Ni~ya sah oder ob er schon aufgegeben hatte…? „Schon krass, wie man sich in seinem besten Freund täuschen kann, ne?“, lächelte er bitter, leerte sein Glas mit Sake in einem Zug und schaute mich danach fast schon kalt an. Davon bekam man ja Gänsehaut! Ich kam nicht umhin ihn mir einen Moment anzuschauen, in der er einfach auf den ebenfalls auf lautlos gestellten Fernseher starrte, in der gerade zwei Japaner eine Art Schlammschlacht in einem Labyrinth veranstalteten. Davon wurde man ja doof im Kopf! Aber viel mehr interessierte mich Sakitos undefinierbarer Blick. Trotz dass er verheulte Augen hatte und ziemlich blass war, schien er gerade über irgendwas Amüsantes nachzudenken, denn kaum merklich hatten sich seine Mundwinkel für einen kleinen Augenblick nach oben gebogen. Ob er an Ni~ya dachte? Bald fielen mir wieder die vielen Tränenspuren ins Auge, bei denen er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte sie wegzuwischen, bevor er mich rein gelassen hatte. „Das wievielte Mal war das schon?“, fragte ich nach einer Weile schließlich, in der ich einfach nur in seine traurigen Augen geschaut und dabei der Musik gelauscht hatte, die so gar nicht zur Stimmung passte. Sakitos Blick zog mich in einen Bann, dem ich nicht entkommen konnte. Nun konnte ich verstehen, wieso es Ni~ya derart schwer gefallen war, Sakito den Laufpass zu geben… diesen Augen würde niemand widerstehen können. Nicht einmal ich, wenn ich nicht vergeben wäre… „Was meinst du?“, fragte er verwirrt, doch sein Gesichtsausdruck veränderte sich kaum. „Wie oft du heute schon geweint hast…“ Schließlich ein blasses Lächeln auf seinen Lippen, ehe er den Blick abwendete und scheinbar sehr interessiert auf seine Fingernägel schaute, die sich in eines der Kissen auf seinen Beinen gekrallt hatten. „Das dritte Mal…“ Das dritte Mal also. Wahrscheinlich aus vielen verschiedenen Gründen… und doch waren es in letzter Zeit immer wieder dieselben. Es war erschreckend, dass diese Ereignisse jemanden wie Sakito, von dem ich eigentlich immer gedacht hatte, dass er eine Abfuhr oder eine verlorene Freundschaft nach dem Ruf, den er einmal gehabt hatte, einfach wegstecken würde, als sei es nur eine Lappalie, so gut wie kalt lassen mussten… Und doch war ihm selbst die Freundschaft zu Saga so wichtig gewesen, dass er nun wegen dieser bitteren Enttäuschung innerhalb von nicht einmal vierundzwanzig Stunden schon dreimal Tränen vergossen hatte… „Ich bin heute Nacht heulend wach geworden“, erzählte er mir, „und in der Schule wollte ich mit Saga reden, um wenigstens mal ein paar Gründe zu erfahren und so… aber er hat sich nicht getraut mich anzuschauen und mir vorgeworfen, dass ich an allem Schuld wäre und ihn ja quasi herausgefordert hätte…“ „Womit denn bitte herausgefordert? Wozu denn?“, wollte ich sogleich wissen, hob skeptisch beide Augenbrauen und trank mein Glas ebenfalls leer, stellte es beiseite. „Ich hätte ihn vor ne Herausforderung gestellt mit meiner bloßen Existenz… weil man sich ja nur in mich verlieben könnte.“ Da konnte man ja nur genervt seufzen. Dass Saga auch immer die richtigen Worte für sowas finden musste… „Saga hatte nicht das Recht sowas zu tun, das stimmt“, seufzte ich, legte dann völlig unbewusst eine Hand an Sakitos Wange und streichelte gedankenverloren über die Tränenspuren, wischte etwas von der verlaufenen Schminke beiseite. Sakito lächelte – diesmal war es wirklich ein ehrliches Lächeln – ehe er meine Hand nahm, sie von seiner Wange zog und sich dann an mich lehnte. Dennoch schaute er mich dabei unentwegt an aus seinen traurigen Augen, es war wie ein stummer Hilfeschrei… und er tat mir Leid. Ich wollte ihm helfen… „Dann ist hier wenigstens noch einer, der mich versteht“, wisperte er, lächelte ein bisschen. Und dann tat er etwas, womit ich wohl nie in meinem ganzen Leben gerechnet hätte. Er hatte das schon oft getan – zum Abschied, zur Begrüßung, wenn er betrunken war, wenn er gute Laune hatte… aber immer nur kurz, freundschaftlich… Und nun küsste er mich so fremd, dass ich einen Augenblick lang nicht einmal mehr wusste, ob es nun real war, oder nicht? Wusste er, was er da tat? Wusste er, wer ich war? Wer er war? War er denn noch bei Verstand…? Ich konnte nicht einfach so abblocken! Das würde ihn verletzen, ihm das Gefühl geben, ich würde mich über ihn lustig machen und mein Mitgefühl nicht ernst meinen. Es würde ihn denken lassen, dass ich nichts für ihn übrig hatte, außer seine Bekanntschaft und dass ich wieder mal nur bei ihm vorbeigekommen war, um einen Schluck zu trinken und mir die Langeweile zu vertreiben. Vielleicht war es aber auch einfach nur seine Art sich zu bedanken…? Ich wusste nicht, was ich tun sollte, doch egal, wofür ich mich entscheiden würde, würde es für mich selbst schwer sein, damit umzugehen. Dennoch, ich wollte ihn nicht verletzen, also schloss ich die Augen, ließ ihn gewähren und versuchte dabei nicht großartig so rüber zu kommen, dass es mich total anmachen würde, was er hier tat – schließlich war er ja keine Schlampe mehr, so, wie früher! Zum Glück dauerte es nicht lang, bis er sich wieder von mir löste. Zuerst verstand ich seinen skeptischen und verwirrten Blick nicht, doch als meine Sinnesorgane wieder funktionstüchtig waren, fiel auch mir auf, dass es auf dem Flur verdächtig laut geworden war. „Was ist das?“, fragte Sakito leise, drehte sich langsam um und stand vom Sofa auf, um in den Flur zu laufen. Kannte ich diese Stimme nicht, die da gerade das gesamte Haus mit ihren Schreien erschütterte? Seltsam vertraut war sie ja schon, wie sie gerade mit den heftigsten Beleidigungen um sich warf. Aber wieso klangen diese Beleidigungen nicht wie normale Beleidigungen, sondern eher wie ein… Hilfeschrei? Auch ich stand auf, folgte Sakito zur Tür, die er nun langsam öffnete und hinausspähte. Und im nächsten Moment sah ich nur, wie er die Augen erschrocken weitete und die Hand vor den Mund schlug, wie erstarrt zwischen Tür und Angel stand und scheinbar so verschreckt war, dass er nicht einmal merkte, wie ich ihm auf die Schulter tippte und die Tür weiter öffnete, sodass auch ich einen Blick auf das werfen konnte, was er so erschrocken anstarrte. „Oh mein Gott…“ Saga wehrte sich verzweifelt gegen den Griff des schwarzblonden, der wohl versuchte ihn die Treppe hinaufzutragen und schrie sich die Seele aus dem Leib, während das Blut noch immer von seinem Kinn auf sein weißes Hemd und den Fußboden tropfte. Er hatte Schmerzen, das sah selbst ein Blinder, doch Tora schien das keinen Deut zu kümmern und so schleifte er ihn einfach weiter die letzten drei Treppenstufen herauf, verharrte dort einen Moment und ließ sich schließlich von Shou helfen, den ich zuvor gar nicht bemerkt hatte. Sie beide griffen dem blonden unter die Arme und versuchten ihn trotz seines Geschreis und den wüsten Schlägen wohl bis zu seiner Wohnung zu schleppen. Sakito und mich schienen sie noch nicht bemerkt zu haben… „Seid ihr denn völlig wahnsinnig geworden?!“, brüllte Sakito neben mir plötzlich, „Ihr bringt ihn ja um mit eurer Grobheit! Was soll der Scheiß überhaupt? Was macht ihr hier?!“ Tora warf Sakito einen unberührten Blick zu, der bereits angefangen hatte zu weinen und sich nun endlich wieder rührte, ein paar Schritte auf den Flur trat. Saga schrie noch immer, spuckte Blut und hustete, weil seine Stimme ihn zu verlassen drohte. Die wildesten Beleidigungen und die wüstesten Beschimpfungen, doch Tora kümmerte es nicht – er schleifte ihn weiter, während Shou den blonden nur zögerlich anfasste, als würde er ihm nicht wehtun wollen. Doch eines stand fest: Saga war bereits mehr als genug verletzt worden, denn blutige Lippen und eine sicherlich gebrochene Nase… die bekam man nicht von allein. © Kapitel 28: "Fürsorge" ---------------------- -28- "Fürsorge" „Hör doch mal auf zu schreien, davon geht das auch nich’ besser!“, brüllte Tora aufgebracht, deutete Shou an Saga besser festzuhalten und ich beobachtete, wie dieser beinahe brutal den Kopf des blonden ins Kopfkissen drückte. Tora schaffte es kaum mit seinen zitternden Händen das feuchte Tuch festzuhalten, um Sagas blutiges Gesicht sauber zu wischen, aber dass der sich so wehrte, machte es ihm auch nicht gerade leichter. Sakito saß schluchzend neben mir, starrte unentwegt auf Sagas zitternden Körper und das schmerzverzerrte Gesicht, hielt sich immer wieder die Ohren zu, wenn der blonde zu schreien anfing. Es war ein verzweifeltes Schreien, ein ängstliches und mahnendes, er wollte, dass man ihn nicht anfasste. Er wollte keine Hilfe von uns, das machte er überdeutlich. Saga wehrte sich gegen jede Berührung, tat sich somit nur selber weh, denn die Wunden an seinem Körper waren nicht zu übersehen. Als Tora ihm mit Mühe das Shirt ausgezogen hatte, hatte auch er einen Schlag mitten ins Gesicht abbekommen, sodass kurzzeitig auch seine Lippe geblutet hatte. Aber er war anscheinend voll dabei, ließ nicht von Saga ab und war entschlossen ihm jetzt dieses Blut aus der Fresse zu schmieren – egal, wie sehr er Saga dabei noch wehtat. „DU BASTARD, DU SCHEIß WICHSER! LASS MICH LOS VERDAMMT, ICH SCHEIß AUF DEINE HILFE!“, schrie Saga, es folgte ein Schmerzenslaut, als Tora ihm einfach so den Arm verdrehte, mit dem er Tora davon hatte abhalten wollen das Tuch noch einmal umzufalten und eine saubere Seite mit Blut zu tränken. Ich konnte mir das ja gar nicht mit ansehen! Verständlich zwar, dass Tora wütend auf meinen Mitbewohner war, aber das gab ihm doch nicht das Recht ihn so grob zu behandeln! Und Shou war nicht dazu berechtigt ihm auch noch dabei behilflich zu sein…! „Hör auf“, bat Sakito neben mir plötzlich leise, doch Tora machte noch immer keine Anstalten den schreienden Saga loszulassen. Ich beugte mich zu Sakito, nahm ihn vorsichtig in meine Arme und er drückte sich sofort mir entgegen, als wolle er in meinem Arm verschwinden und endlich dieser überaus beschissenen Situation entkommen. Wieder ein Schmerzensschrei, der bestimmt die komplette Etage erschüttert hatte, und Shou ließ endlich von Saga ab, hatte es wohl aufgegeben. Nun wurde auch Tora weggeschubst, doch er ließ sich noch immer nicht davon abbringen die Blutspuren von Sagas Körper zu entfernen. Wüste Beleidigungen, wilde Beschimpfungen und äußerst unschöne Namen bekam Tora zu hören, die Saga wahllos in den Raum brüllte. Wahrscheinlich all das, was ihm gerade so einfiel. „HÖR AUF, VERDAMMTE SCHEIßE NOCH MAL!“ Vor Schreck hatte mein Herz einen Schlag ausgesetzt und hämmerte nun doppelt so schnell gegen meine Brust. Ich hatte Sakito augenblicklich losgelassen, hob nun abwehrend die Hände und schaute kurz zu Tora, der sich nun nicht mehr rührte und erschrocken das Tuch hatte fallen lassen. Selbst Saga hatte aufgehört zu schreien und starrte Sakito einfach nur an, wendete den Blick nicht von ihm ab. Was war denn plötzlich in Sakito gefahren? Er atmete schnell und unkontrolliert, schien nach den richtigen Worten zu suchen, doch er fand wohl keine. Mitfühlend legte ich eine Hand auf seine Schulter, zog ihn wieder an mich, um ihn etwas zu beruhigen, doch er schubste mich aufgebracht von sich. „Hat man nicht schon genug Wut an ihm ausgelassen?!“, fauchte er Tora und Shou an, „Ihr macht ihn noch kaputt mit eurer scheiß brutalen Fürsorge!“ „Nein…“ Mit diesem kleinen, nur leise gewisperten Wort zog Saga alle Aufmerksamkeit auf sich. Sein Blick war noch immer auf Sakito gerichtet, er hatte Tränen in den Augen und atmete ruhig, sprach mit fester Stimme weiter – trotz dass er weinte. „DU… du machst mich kaputt… Saki…“ Stille. Stille, bis Tora irgendwann abwertend schnaubte, einen letzten, fast schon tödlichen Blick auf Saga warf und dann aufstand, sich durch die blondschwarzen Haare fahrend. Schnellen Schrittes war er aus der Tür, die er geräuschvoll hinter sich zuschmetterte. Saga hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, sondern sein Blick ruhte noch immer auf Sakito, der ihn tatsächlich erwiderte. Und trotzdem schien er ins Leere zu schauen… Ich wusste, was in diesem Moment wohl in Tora vorgehen musste, den man nebenan immer wieder leise fluchen hörte. Auch mir war Sagas Blick nicht entgangen, als er diese Worte gesagt hatte. Ein Blick voller Sehnsucht und Schmerz. Ein Blick, der mehr als deutlich gezeigt hatte, was der blonde für Sakito empfand und wie weit er für ihn gehen würde – was er tun würde, um ihn zu bekommen. Nur war er dabei stets einen falschen Weg gegangen. „Langsam solltest du mal mit der Wahrheit rausrücken, mein Freund“, sagte Shou schließlich, ehe auch er aufstand und den Raum, sowie die Wohnung verließ, wie ich es am geräuschvollen Zufallen der Haustür vernahm. Seufzend rieb ich mir die Schläfen, schaute zu Sakito rüber und vergewisserte mich, dass es ihm halbwegs gut ging, sodass ich mich nebenan von Tora aufklären lassen konnte. „Macht keinen Scheiß“, mahnte ich die beiden noch, verließ dann den Raum und setzte mich, nachdem ich die Schlafzimmertür leise geschlossen hatte, neben Tora aufs Sofa und schaute ihn abwartend an. Und Mann, hatte der eine mufflige Laune! Ich hatte sein Gesicht noch nie so angespannt sehen, als würde er sich beherrschen müssen nicht einfach gleich laut loszubrüllen und die Wohnung kurz und klein zu hauen. „Willst du n Baldrian?“, versuchte ich zu scherzen, doch die einzige Reaktion von ihm war ein wütender Tritt gegen den Wohnzimmertisch, sodass das Geschirr darauf klirrte und zwei leere Bierflaschen scheppernd zu Boden fielen. „Wer wusste alles davon?!“, fauchte er, „Hast du das auch gewusst? Dass er Dai gezwungen hat Sakito die scheiß Drogen anzudrehen?!“ „Ich…“ „WUSSTEST DU DAS?!“ Erschrocken fuhr ich zusammen und nickte, hob abwehrend die Hände und versuchte ihm ebenso ruhig wie zuvor zu antworten. „Und wieso hat mir das keiner gesagt? Wieso wussten alle, dass Saga mich nur verarscht und wieso wussten alle, dass er schon seit Jahren nur Sakito will?!“ „Tora, ich versteh ja, dass du sauer bist, aber meinst du nicht, dass er dir das besser hätte selber sagen sollen…? Wir hatten eigentlich alle darauf vertraut, dass er erwachsen genug ist, mit dir darüber zu reden“, erklärte ich ruhig, „deshalb hat auch niemand was gesagt.“ „Hör auf ihn dauernd zu entschuldigen“, maulte er, griff nach den Zigaretten auf dem Tisch und zündete sich eine davon an, warf wütend die Packung in irgendeine Ecke des Zimmers und rauchte einen Moment lang schweigend vor sich hin. Tora tat mir unglaublich leid. Er war der einzige gewesen, der von Sagas wahren Gefühlen und seinen ganzen Plänen keine Ahnung gehabt hatte, obwohl er ein direkter Beteiligter war. Er war derjenige gewesen, der versucht hatte Saga zu bekommen… und niemand hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er keine Chance hatte. Armer Kerl… „Tora?“, startete ich den Versuch normal mit ihm zu reden, ohne, dass er gleich wieder irgendwelche Dinge durch die Gegend schmiss. Und erstaunlicherweise grummelte er nur kurz, deutete mir, dass ich seine Aufmerksamkeit hatte und schaute mich dann mit neutralem Blick an. Komisch, was ne Zigarette so für Auswirkungen haben konnte… Aber ich würde das sicherlich nicht ausprobieren. „Wo ist Reita eigentlich? Wart ihr nicht bei den Bullen?“ „Nein“, antwortete er matt, „die haben mir heute erst gesagt, dass sie meine Aussage seit ner Woche nicht mehr brauchen, weil dieser Typ da von der Schlägerei sich selber gestellt hat. Polizisten…“ Typisch. „Und wie seid ihr an Saga gekommen?“, fragte ich neugierig, schließlich hatte ich so gar keine Ahnung, wo sie den aufgegabelt hatten und wer ihn überhaupt so zugerichtet hatte. „Shou hat mich angerufen“, erklärte er mir schließlich wieder etwas ruhiger, „er hat Saga quasi fast vor seiner Haustür gefunden. Er weiß aber nicht, wer es war. Aber ich hab eh schon ne Vermutung…“ „Und wen?“ „Dai.“ Natürlich, wer auch sonst? „Liegt nahe, wenn er nicht gewollt hat, dass Saga sich verplappert. Im Endeffekt hat Saga sich ja auch gar nicht verplappert, sondern er selber, aber er macht Saga dafür verantwortlich, dass wir jetzt n Problem mit ihm haben, weil Saga ihn ja erst dazu gebracht hat Sakito die Drogen zu verkaufen“, fuhr Tora fort, „und dann hat er einfach mal zugeschlagen…“ „Aber wieso warst du so grob zu Saga auf der Treppe? Du hast doch gesehen, dass er Schmerzen hatte“, fragte ich vorsichtig, hoffte, dass ich ihm mit dieser Frage nicht zu nahe trat oder ihn schon wieder auf die Palme brachte. Aber erstaunlicherweise antwortete er mir auch diesmal ganz ruhig und gesittet. „Wärest du an meiner Stelle nicht ausgerastet, wenn du den ganzen Scheiß von dritten erfahren hättest? Gut… vielleicht war ich n bisschen grob… aber er hat mir dafür auch nen ordentlichen Grund gegeben…!“ Auf meinen fragenden Blick hin krempelte er seine Hosenbeine herauf und entblößte mir einen ziemlich riesigen, blauen Fleck und aufgeschürfte Knie. Hatte Saga ihm das etwa zugefügt? „Da kommt man extra her, um ihm zu helfen und wird getreten und fliegt so mies auf die Fresse, dass man so aussieht. Er wollte mir nicht mal sagen, was los war! Tja… und Shou hat mir schließlich gesagt, was hier eigentlich abgeht.“ Schweigend saßen wir nun also nebeneinander, während ich mir seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Toras Wunden sahen nicht gerade schmerzfrei aus, aber das gab ihm trotzdem lange noch nicht das Recht Saga so zu behandeln, fand ich zumindest. Den hatte es nämlich weitaus schlimmer getroffen. Aber wenn man so recht drüber nachdachte, dann konnte man Tora schon irgendwie nachvollziehen. Wenn Saga sich von Anfang an dagegen gewehrt hatte, dass Tora ihm half und nur das Beste für ihn wollte und dann auch noch von einem anderen erfahren musste, wie Saga überhaupt zu ihm stand, war es schon nachvollziehbar, dass mein Gegenüber dem blonden mehr als böse dafür war. Trotzdem war meiner Meinung nach die effektivste Methode jemanden fertigzumachen die mit Worten. „Und was willst du jetzt machen?“, fragte ich ihn schließlich und sah zu, wie er seine nicht einmal ganz aufgerauchte Zigarette ausdrückte und mit den Schultern zuckte. „Das war’s wohl mit Saga“, seufzte er. „Und ich dachte echt ich hätte mal Glück bei jemandem, den ich auch wirklich will…“ So schrecklich nervtötend, aufwühlend und kompliziert diese ganzen Beziehungskisten und Problemchen auch waren, die sich in letzter Zeit seltsamerweise vermehrt in meinem neuen Freundeskreis aufwiesen, so spannend waren sie irgendwie auch, musste ich zugeben. Natürlich tat es mir leid für Tora und auch Sakito und natürlich war ich auch irgendwo nicht begeistert davon, was Saga und Dai da angestellt hatten, aber es sorgte ja schon für ein bisschen mehr Action in meinem Leben. Mochte vielleicht eine ziemlich krasse Denkweise sein, aber es war halt so… Und umso enthusiastischer war ich, mich um meine Freunde zu kümmern und mit ihnen darüber zu reden, wenn sie etwas beschäftigte. So, wie ich jetzt hier mit Tora zusammen saß und redete, hatte ich in den ganzen Jahren mit Aoi und Ruki nicht zusammen gesessen. Entweder sie hatten mir zugehört und mir irgendeinen Ratschlag gegeben, woraufhin sie sich wieder ihren eigentlichen Anliegen gewidmet hatten oder man hatte mir einfach gesagt es sei halb so schlimm und das Thema gewechselt. So wollte ich auf keinen Fall sein! „Tut mir Leid“, murmelte ich und rückte langsam ein Stück näher, nahm ihn dann kurz in den Arm. Er ließ es sich gefallen und seufzte ein wenig traurig, doch er löste sich auch schnell wieder aus meiner Umarmung und setzte sich wieder gerade hin. Tora war wohl nicht der Mensch für Sentimentalitäten, das hatte ich soeben festgestellt. Aber gut, wenn er sich nicht trösten lassen wollte, sollte das nicht mein Problem sein. „Ist Rei zuhause?“, fragte ich, stand auf und richtete mir meine Kleidung. „Ja, wieso?“ „Dann bin ich für heut weg“, erklärte ich knapp, „was machst du jetzt?“ „Ich bleib hier“, antwortete er ein wenig gezwungen, „Sakito wollte ich jetzt eigentlich ungern länger bei dem im Zimmer lassen… verständlich, oder…?“ Ich nickte und schenkte ihm noch ein warmes Lächeln, lief dann zur Schlafzimmertür und klopfte leise an. Dann öffnete ich sie, erblickte Saga und Sakito noch immer in derselben Position wie vorhin und nickte ihnen kurz aufmunternd zu. „Bin bis heut Abend weg, ja? Und macht keine Dummheiten“, mahnte ich sie noch, ehe ich die Tür schloss, mich schnell von Tora verabschiedete und die Wohnung verließ. „Saga hat WAS?!“ Mit noch immer vollem Mund starrte er mich an, hätte sich wohl fast an seiner blöden Milch verschluckt und den Löffel geräuschvoll zurück in die Schüssel fallen lassen, allerdings trugen die Milchflecken auf seinem Schreibtisch nun nicht gerade zu dessen Verschönerung bei. „Schrei nicht so, er ist okay“, seufzte ich und zog mir den Ärmel bis über die Hand, um die Milchflecken wegzuwischen, „und liegt jetzt brav in seinem Schlafzimmer, hoffentlich ohne Aufstand zu machen und Tora hat n Auge auf ihn. Mensch, kannst du mal zu Ende kauen und runterschlucken? Deine gekauten Cornflakes zwischen den Zähnen macht dich nicht gerade besonders erotisch, mein Hübscher!“ Ich sah noch, wie er sich die Cornflakes den Hals hinunter zwängte und setzte mich dann zurück auf sein Bett, während er noch immer in einer – meiner Meinung nach – ziemlich unbequem aussehenden Pose in seinem Schreibtischstuhl hockte und sich genervt übers Gesicht wischte. „Wunderbar“, grummelte er, „wirklich super! Und das einen Tag bevor wir mal wieder so richtig geil feiern wollten! Ich sag dir, Saga bleibt zuhause! Wenn der mitkommt, können wir da ne Two-Men-Party veranstalten!“ „Er bleibt mit Sicherheit zuhause“, merkte ich nüchtern an, „sonst denken die Leute doch alle der würde schwer misshandelt zuhause oder sowas, so, wie der aussieht…“ Grummelnd griff Reita nach der Schüssel auf dem Schreibtisch und nahm einen großen Löffel Cornflakes, kaute, schluckte herunter und trank erstmal nen netten Schluck Bier hinterher. Lecker… „Seid ihr sicher, dass das Dai war?“, fragte er nach, aß weiter. „Liegt nahe“, gab ich zurück, „weil sonst niemand auf die Idee kommen würde Saga einfach mal zusammenzuhauen, weil er irgendwas ausgefressen hat. Oder hast du nen anderen Verdacht?“ „Ni~ya?“ Ni~ya?! Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Ni~ya damit etwas zu tun hatte. Der hatte Respekt davor, dass Saga Sakitos bester Freund war und wollte seinem Exfreund sicherlich nicht noch mehr Kummer bereiten, als sowieso schon. Und das teilte ich Reita auch mit. „Scheiß Nazi“, schimpfte mein Freund und aß die Schüssel schließlich leer, stellte sie wieder so beiseite, dass erneut Milch auf dem Schreibtisch landete und griff nach der Bierflasche, um sie zu leeren. War Reita eigentlich überhaupt auf irgendeiner Seite oder war er prinzipiell gegen jeden aus seiner kleinen Gang? Weder für Saga hatte er Verständnis, noch für Dai… oder Ni~ya! Er beschuldigte ihn sogar! Und die anderen? „Tut dir Sakito eigentlich nicht leid bei der ganzen Sache?“, wollte ich wissen, während ich in irgendeiner der Zeitschriften auf seinem Bett herumblätterte. Brauchte er jetzt allen Ernstes einen Moment zum Nachdenken? „Ja, doch“, antwortete er endlich, „aber er kriegt sein Maul nicht auf. Seit er Ni~ya hat ist er total zum braven Jungen mutiert… Hättest du ihn früher kennen gelernt, würdest du ihn heute gar nicht wieder erkennen. Der hat früher alles und jeden zur Sau gemacht, der irgend nen Scheiß mit ihm abziehen wollte…“ „Und heute lässt er Ni~ya das machen oder was?“ Amüsiert lachte Reita auf und schüttelte den Kopf. „Nein, aber er kriegt dauernd Probleme, weil er den Mund nicht mehr aufbekommt“, meinte er und stand auf, „und jetzt vertraut er einfach immer drauf, dass die Probleme sich irgendwann mal von allein lösen. Warum hat er sonst nicht einfach was gesagt wegen Dai und den Drogen? Bloß wegen so ner Drohung von Dai? Darüber hätte der sich früher schlapp gelacht!“ Na, das war doch mal interessant. Sakito war also eigentlich gar kein ‚Feigling’? Gut, man konnte es wohl kaum feige nennen, wenn man mit Schlägen bedroht wurde. Und was für ein Ausmaß die annehmen konnten, hatte Dai ja sehr anschaulich an Saga demonstriert. Ob er Sakito noch mit etwas anderem gedroht hatte? Ob er gelogen hatte…? „Vielleicht hat Dai ja gar nicht damit gedroht, dass er Saki schlägt“, spekulierte ich, „sondern irgendjemand anderen?“ „Na wen denn bitte?“, lachte Reita trocken auf, kramte in seinem Schrank und holte eine seiner schwarzen Jacken mit Bandaufdruck hervor, „Meinst du, der würde damit drohen Ni~ya zu schlagen oder so? Wieso hat Saki ihm das denn dann nicht gleich gesagt?“ „Weil er Ni~ya da nicht mit reinziehen wollte? Wahrscheinlich hätte Ni~ya sowieso nur gedacht, dass er sich nur rausreden wollte und n bisschen Verständnis abstauben“, antwortete ich ebenso trocken und schaute in ein offensichtlich überfordertes Gesicht. „Dass ihr Weiber immer alle um zwanzigtausend Ecken denken könnt“, staunte er und handelte sich dafür von mir einen Klaps auf den Hinterkopf ein. „Sag nicht ‚Weib’ zu mir, du Macho!“ „Und du hau mich nicht“, grinste er und hielt mein Handgelenk fest, zog mich dann mit einem Ruck zu sich, ließ sich auf den Rücken fallen und ich lehnte schließlich über ihm. „Beschwerst du dich über so nen kleinen Klaps, mein kleines Weichei?“, stichelte ich weiter und betrachtete mit Wohlwollen, wie er einen saftigen Schmollmund zog und die ausnahmsweise mal sichtbare Nase rümpfte. „Ich muss ja nicht immer nur knallhart sein“, grinste er dann plötzlich dreckig und ich wusste sofort, worauf er da wieder anspielte. „Perversling“, raunte ich, zog ihn dann in einen stürmischen Kuss, den er gleich erwiderte. Doch so schnell ich den Kuss begonnen hatte, brach ich ihn ab und lächelte frech. „Wir haben ja eigentlich wichtigeres am Hals als nur noch mehr Knutschflecken, oder?“ Ich sah, wie er mit den Augen rollte und sich unter mir erhob, sodass er aufrecht unter mir saß. „Hast Recht. Ich will eigentlich mal bei Saga vorbei, ihn so seelisch n bisschen unterstützen, verstehst?“ „Anständig von dir“, lächelte ich, doch plötzlich entdeckte ich da etwas in seinen Augen, was ich bislang noch nie bei ihm gesehen hatte. Überforderung…? „Komm, geh mal runter von mir, damit wir los können“, grinste er mich dennoch an und piekste mir kurz in die Seite, woraufhin ich mich nur widerwillig erhob und er gleich darauf ebenfalls aufstand. Er redete sich raus! Man sah ihm an, dass ihn die ganze Situation total fertig machte, aber er tat trotzdem immer noch so, als würde ihn das alles total kalt lassen und als würde er damit umgehen können, so ganz ohne Weiteres. Meiner Meinung nach aber war er einfach nur überfordert und wusste mittlerweile überhaupt nicht mehr, zu wem er halten sollte und wer gerade am meisten Unterstützung von ihm brauchte. Vielleicht konnte ich ihm dabei ja helfen…? „Versuch einfach Saga zu verstehen, wenn du mit ihm sprichst, ja?“, sagte ich einfach ganz spontan, während wir aus dem Haus auf die Straße traten und uns auf den Weg zurück zu Saga machten. „Natürlich versuch ich den zu verstehen“, grinste er fies, „dürfte ja auch kein Problem sein, solang der noch alle Zähne im Maul trägt, oder?“ „Jetzt red keinen Dünnschiss“, lachte ich trocken auf und griff nach seiner Hand, während wir die Kreuzung überquerten, „ich mein’s ernst…“ „Ich auch.“ Wie bitte? „Auf wessen Seite bist du eigentlich?“, fragte ich letztendlich doch, obwohl ich mir die Frage eigentlich hatte verkneifen wollen. Nachher hatte er noch das Gefühl ich würde in ihm einen schlechten Menschen sehen oder so… Verwirrt schielte Reita mich an und steckte die freie Hand in seine Jackentasche. „Ich bin unparteiisch“, antwortete er mir, „aber wenn ich wählen müsste, würd ich zu Ni~ya halten… weil ich den irgendwie am besten verstehen kann.“ Ni~ya also. Wahrscheinlich, weil Ni~ya der Gearschte bei der ganzen Sache war, denn er hatte es von allen Seiten abbekommen. Sakito hatte ihn angelogen und Saga war der Verantwortliche dafür. Aber hatte er auch mal darüber nachgedacht, wie Sakito sich dabei fühlen musste? Ich hatte den Weg bis zu Saga über nicht mehr mit ihm über dieses Thema gesprochen; es hatte ja meiner Meinung nach sowieso keinen Sinn über etwas zu sprechen, von dem wir beide verschiedene Ansichten hatten, weil wir mit verschiedenen Leuten darüber gesprochen hatten. Reita hatte sich nicht ein Wort von Sakito darüber angehört – zumindest bis jetzt noch nicht. Wen wunderte es da, dass er nicht nachvollziehen konnte, dass Sakito aus Not gehandelt hatte, nachdem er sich von Dai zum Drogenkauf hatte zwingen lassen? Mit wachsamen Augen verfolgte Reita die leichten Blutspuren, die sich über das gesamte Treppenhaus bis zum dritten Stock hin erstreckten und wich jedem mit Bedacht aus. Es war nicht viel Blut, aber genug, um sich denken zu können, dass Dai ordentlich zugelangt hatte… Tora öffnete uns ohne Worte die Tür und ließ uns hinein, woraufhin Reita kurz Sakito, der auf dem Sofa im Wohnzimmer saß und eine Tasse dampfenden Tee in der Hand hielt, zur Begrüßung umarmte und dann im Schlafzimmer verschwand, in dem Saga wohl noch immer rumgammelte. „Is’ noch was gewesen?“, fragte ich vorsichtshalber mal nach, setzte mich zu Sakito und lächelte diesen kurz aufmunternd an. Irgendwie kam in mir in diesem Moment ein seltsames Gefühl hoch. Sakito hatte mich geküsst… und saß nun neben mir, als sei nie etwas gewesen, während mein Freund zur selben Zeit in derselben Wohnung war. Ich hatte gar nicht fremd küssen wollen, aber ich hatte mich auch nicht wehren können. Seltsames Gefühl… n bisschen wie n schlechtes Gewissen. Ob es Sakito genauso ging? „Saga will nichts essen“, seufzte Tora, ließ sich in dem Sessel am Tisch nieder und griff nach einer Bierflasche, „und ich weiß ganz genau, dass er seit Tagen nicht mehr anständig gegessen hat. Wann hast du den das letzte Mal essen sehen, mh?“ „Heute Morgen“, antwortete ich, „aber da hat er auch nur n bisschen Reis gegessen. Ich find’s mittlerweile ziemlich bedenklich.“ „Wieso kann er nicht einfach mal aufhören Scheiße zu bauen?“, fragte Sakito plötzlich dazwischen und schaute schlecht gelaunt auf sein gefülltes Glas, als wolle er es damit in die Flucht zwingen. Saga konnte eigentlich gar nichts dafür, was er tat. Er tat es aus Verzweiflung, weil er eine Liebe wollte und brauchte, die er niemals würde haben können. „Er braucht nur n bisschen Zeit“, seufzte ich, „und in dieser Zeit bin ich jeden gottverdammten Tag bei ihm und versuch ihn wieder auf die Reihe zu kriegen. Er braucht einfach n bisschen Unterstützung. Zu nem Psychologen wird er sich nicht schleppen lassen, das glaub ich jedenfalls nicht…“ „Hast Recht“, stimmte Tora mir gegenüber zu, „ich helfe dann dabei. Aber auf ner anderen Basis, als bisher.“ „Besser so.“ Ich hörte leise Stimmen von nebenan, woraus ich schloss, dass Reita ein ganz normales, ruhiges Gespräch mit Saga führte. Ich war erleichtert darüber, dass er ihn nicht gleich wieder anbrüllte, aber der Anblick meines Mitbewohners hatte ihm wohl die Lautstärke in der Stimme verschlagen. Worüber sie wohl so redeten? „Ich bin bereit ihm zu verzeihen“, seufzte Sakito nach einer Weile, in der wir stumm dem Fernseher beim dudeln zugehört hatten, „aber ich brauch in nächster Zeit n bisschen Abstand von ihm.“ „Den kannst du haben“, ertönte dann Reitas Stimme hinter uns, der gerade die Schlafzimmertür von Saga hinter sich schloss und sich zu mir aufs Sofa setzte. Gleich zog er mich in seine Arme und seufzte kurz auf. „Saga bleibt morgen bei der Party und auch die nächsten Schultage zuhause…“ Tora schaute den blonden neben mir etwas überrascht an, während Sakito uns nur andeutete, dass er verstanden hatte und sich gleich wieder abwendete, seine Aufmerksamkeit dem Fernseher widmete. Irgendwie war mir komisch im Bauch. Ich saß auf einem Sofa mit zwei Typen, die mich beide geküsst hatten. Und einer davon war auch noch mein fester Freund, während der andere eigentlich nur zu meinem Freundeskreis gehörte und von dem ich noch immer nicht wusste, wieso er das überhaupt getan hatte. Und als hätte er gehört, worüber ich gerade nachdachte, schaute er einen Moment lang über meine Schulter, traf auf meinen Blick und wendete ihn beschämt wieder ab. „Saga pennt“, antwortete Reita auf Toras eben gestellte Frage, „und hat gemeint wir sollen ihn einfach n bisschen in Ruhe lassen und uns um unseren eigenen Scheiß kümmern.“ „Dann würd ich mal sagen wir bestellen was zu Essen, weil Sagas Kühlschrank mittlerweile nur noch aus Fertiggerichten und Bier besteht und reden endlich mal wieder von was anderem, oder?“, schlug Tora deshalb vor und traf damit nur auf allgemeine Zustimmung. Doch so erleichtert ich über den hoffentlich bald eintreffenden Stimmungswechsel war, dem sicherlich mit ein paar Bier und n bisschen was zu Futtern geholfen war, so sehr brannte es mir auf der Zunge, Sakito danach zu fragen, wieso er mich geküsst hatte. Aber vielleicht hatte das ja noch ein wenig Zeit. © Kapitel 29: Von Bedauerlichkeiten und Feierlichkeiten ----------------------------------------------------- -29- Von Bedauerlichkeiten und Feierlichkeiten Es trieb mir die Luft aus den Lungen! Verzweifelt versuchte ich weiter zu atmen, während ich mir auf den Bauch fasste, um den Saga den Obi gerade so fest band, dass mir beinahe schwarz vor Augen wurde. „Hast du sie noch alle? Ich will da auch lebend ankommen!“, fauchte ich ein wenig wütender, als beabsichtigt und sah aus den Augenwinkeln, wie Saga hinter mir leicht zusammenzuckte. „Man, ich weiß doch nicht, wie fest man so nen Frauenkimono zubinden muss!“, schnauzte er halbherzig zurück und ging weiter seiner Arbeit nach. Was hatte Sakito sich auch diesen dämlichen Mottoabend ausgucken müssen, der heute in einer dieser seltsamen Schwulenbars stattfand? Gut, nicht, dass es nicht verdammt heiß aussah, was ich mir für den heutigen Abend ausgesucht hatte… Saga war stiller geworden seit dem Vorfall mit Dai, von dem sich mittlerweile alle sicher waren, dass er es tatsächlich gewesen war. Sein Alibi war null abgesichert, denn zu der Zeit, in der er vorgegeben hatte in der Schule zu sein, war sein Platz eindeutig leer gewesen – laut Shou! Seitdem traute Saga sich nicht mehr irgendwem blöd zu kommen, da er sonst wohl befürchtete, noch einmal wie von Tora zur Sau gemacht zu werden. „Besser so?“, fragte er leise, sodass ich ihn kaum verstehen konnte und spürte, wie die Enge um meinen Körper ein wenig nachließ. Na endlich, nun saß der Obi zwar fest, aber nicht zu locker! „Gut so, jetzt mach fest“, bat ich und wartete ab, bis Saga sein Werk vollendet hatte. Staunend besah ich mich im Spiegel und stellte fest, dass man mir so nicht einmal mehr ansah, ob ich nun Männchen oder Weibchen war. Genau das, was ich hatte erreichen wollen, denn unter dem schönen, hellorangen Stoff, der nach unten hin ins Weiße überging und an den Ärmeln ins Lilane, wo er mit Kirschblütenmustern verziert war, wurden jegliche Körperkonturen versteckt. „Danke, Hübscher“, lächelte ich und drehte mich um, schaute in seine leicht geröteten Augen und strubbelte ihm etwas durch die Haare. Eigentlich ein kleiner Aufmunterungsversuch, weil Saga eigentlich die halbe Zeit nichts anderes tat als heulen oder schlafen, doch leider schlug er fehl. „Ich bin nicht hübsch, oder bezeichnest du ne gebrochene Nase und n blaues Auge etwa so?“ Natürlich musste Saga sich mal wieder schlecht reden. Das tat er dauernd und mittlerweile ging es mir sowas von auf den Sack! Ich seufzte leise, beherrschte mich aber meine Genervtheit nicht allzu sehr zur Geltung zu bringen und nahm ihn in den Arm. „Mach dich nicht selber runter, denn das bringt dir auch nichts. Denk einfach nicht mehr dran, ja?“ „Wie denn, wenn’s noch immer wehtut?“, fragte er ironisch zurück und drückte sich von mir, berührte dabei jedoch flüchtig meine Hand und ging dann zum Sofa zurück. Seine Art, sich für meine aufmunternden Worte zu bedanken – auch, wenn er es vielleicht gar nicht ernst meinte. Aber zumindest war es mein Ernst. „Ich geh duschen.“ Sakito war am Vorabend einfach gegangen mit den Worten ‚er könne Saga nicht mehr in seiner Gegenwart ertragen’. Saga allerdings hatte er erzählt, dass er nur mal etwas Zeit für sich bräuchte und etwas essen müsse. Also eine stumme Kündigung der Freundschaft, denn Sakitos Gesichtsausdruck hatte alles verraten. Doch dasselbe hatte Saga mit ihm getan. Er hatte Sakito verraten, seine Freundschaft aufs Spiel gesetzt und jämmerlich verloren, obwohl sein Versagen abzusehen gewesen war. Keiner von uns verstand zurzeit, wieso Saga das überhaupt getan hatte und was ihn dazu bewegt hatte, bei Dai sowas anzuzetteln. Und das, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, die Dai ihm letztendlich schmerzhaft klargemacht hatte. Nachdem wir den Abend noch in Sagas Wohnzimmer verbracht hatten, hatte sich niemand mehr von dem blonden verabschiedet, als sie gegangen waren. Keiner hatte so gewirkt, als würden sie meinen Mitbewohner in den nächsten Tagen unbedingt um sich haben wollen und niemand verstand, was Saga im Moment eigentlich durchmachte. Auch, wenn es seine eigene Schuld war, so gab es doch niemandem das Recht, ihn einfach links liegen und mit seinen Schuldgefühlen allein zu lassen. Seine Schuldgefühle waren berechtigt, aber verschwanden nicht einfach so von allein. Und von allein würde Saga wohl kaum auf eine Lösung kommen, wie er sie loswurde. Am Ende würde ich also der einzige sein, der Saga zur Seite würde stehen können. „Aber wenn du fertig bist, bin ich schon weg!“, sagte ich schnell, doch erhielt keine Antwort mehr, bevor die Badezimmertür geräuschvoll ins Schloss fiel. Saga war anstrengend. Das war er ja schon immer gewesen, aber SO anstrengend…? „Dann halt nicht…“, murmelte ich mir selbst zu, besah mich noch einmal im Spiegel und strich ein paar Falten auf meinem Kimono glatt, den Shou mir freundlicherweise überlassen hatte. Schon praktisch, wenn man eine Schwester hatte, die genauso groß war wie man selbst – und Shou und mich trennten vielleicht nur ein oder zwei Zentimeter voneinander. Mit perfekter Frisur und aufreizendem Make-up drehte ich mich grinsend um, angelte im Flur dann nach meiner Tasche, zog diese hübschen Schuhe an, auf denen ich mir im betrunkenen Zustand früher oder später wohl sämtliche Knochen brechen würde und machte mich auf den Weg, um Sakito abzuholen. Ich ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen, prüfte noch einmal, ob sich mein Geld auch wirklich noch in meiner Tasche befand und klopfte dann drei Türen weiter an Sakitos. „Komme!“, ertönte es auch schon gleich von hinter der Tür und wenige Sekunden später öffnete der braunhaarige mir, der mir in einem weißen Kimono mit lavendelfarbenen Blütenmuster an Ärmeln, Kragen und Saum gegenüberstand. Der Obi war schwarz und lila und die langen Extentions in Sakitos Haar fielen darüber, während die hinteren Haare kunstvoll hochgesteckt waren. Mit Hochsteckfrisuren hatte ich es nun nicht so – eher standen mir die auftoupierten Haare. Allerdings hatten wir beide jedoch nicht auf ein wenig Schmuck in unseren Frisuren verzichtet! „Uh, siehst heiß aus“, grinste er mir gleich zu und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, „Reita wird sich freuen!“ „Ni~ya aber auch“, zwinkerte ich gleich, doch auch, wenn es jetzt taktlos gewesen war, hatte ich mir den Kommentar nicht verkneifen wollen. Sakito brauchte doch nur den einen Schritt auf Ni~ya zumachen! Er hatte bereits wieder bei ihm geschlafen, sie hatten normal geredet und Ni~ya hatte seine Zeit gehabt, in der er über den Vorfall hatte nachdenken können. Wieso also zögerten sie beide noch…? „Wenn er denn kommt, werd ich mich unauffällig zu ihm gesellen“, lächelte er halbherzig, doch dann kehrte wieder der fröhliche Ausdruck auf seine Züge zurück und er schnappte sich seine Tasche, schmiss die Tür hinter sich zu und griff nach meinem Arm, den er mit seinem eigenen umschlang. „Und? Freust dich schon auf deine Feier?“, grinste er, „Der Laden ist echt geil und wenn die was gut können, dann ist es dekorieren und Cocktails mixen!“ „Tatsächlich?“, grinste ich, „Dann werd ich doch gleich mal ne Runde für euch ausgeben, wenn wir da sind. Was meinst du?“ „Nichts da!“, widersprach er allerdings sofort und ich verstummte, schaute ihn verwirrt an. „Die Feier ist mein Geschenk an dich. Hab sie sogar mitorganisiert. Ni~ya übrigens auch!“ Wenn wir nicht gerade die Treppen runter gelaufen wären, hätte ich ihn wohl zu Tode geknutscht aus Dankbarkeit, doch so lächelte ich ihn nur überglücklich und begeistert an und war nur noch gespannter, was mich erwarten würde. „Das ist lieb von euch“, bedankte ich mich und hielt ihm die Tür auf, ehe auch ich in die frische Abendluft hinaustrat und mich umschaute. Kein Mensch war auf der Straße – eigentlich auch ganz gut so, denn es musste ja doch nicht jeder gleich wissen, wo wir heute Abend hingehen würden. Auch, wenn man uns wahrscheinlich sowieso für Frauen halten würde. Ziemlich groß geratene Frauen… „Wo warten die anderen?“, fragte ich und schaute zu Sakito neben mir, der sich in seinen Haaren herumfummelte. „Am Spielplatz. Aber auf Tora müssen wir wohl nicht mehr warten, der steigt nämlich grad aus dem Bus“, grinste er und deutete auf die Bushaltestelle, der wir uns gerade näherten und aus der einige Leute ausstiegen, zwischen denen Tora allerdings ziemlich auffällig wirkte. Ich konnte von Weitem erkennen, dass er einen dunkelblauen Yukata trug und einen schwarzen Obi, die Haare waren wie immer auftoupiert und er winkte uns bereits zu. „Gut sieht er aus“, murmelte Sakito neben mir, „schade, dass Saga es sich jetzt schon mit ihm versaut hat. Er verpasst richtig was, findest du nicht auch?“ Der Zynismus in seiner Stimme war nicht zu überhören. Doch ich beschloss, diesen Kommentar einfach so hinzunehmen und sagte nichts dazu, sondern lief weiter auf Tora zu und begrüßte diesen dann mit einer Umarmung. „Sexy“, war das einzige, was ihm wohl zu uns einfiel und er grinste breit, ehe Sakito und ich jeweils an einer Seite von Tora die Kreuzung überquerten richtung Spielplatz. Ich hatte die sinnlosen Unterhaltungen, die wir bis dahin geführt hatten, schon längst wieder vergessen, als wir diesen schließlich erreicht hatten und ich die anderen sehen konnte – allesamt in ihre Abendkleidung gehüllt. Sie trugen alle Männerkimonos, doch in so ein Teil hätte ich mich wohl nicht hineingezwängt. Dazu sahen sie einfach nicht schön genug aus. Zumindest nicht an mir! Allerdings stand Reita dieser Yukata unglaublich gut, den er trug. Er war schwarz, hatte ein Kischblütenmuster und einen ebenfalls schwarzen Obi, die blonden Haare hatte er geglättet und ungestylt gelassen. Allerdings befand sich, wie in den Händen aller anderen auch, trotzdem eine Bierflasche, was den Anblick irgendwie ein wenig lächerlich machte. „Aber in der Bar saufen wir nicht aus irgendwelchen hässlich aussehenden Bierflaschen, oder?“, fragte ich Tora neben mir, der lachend den Kopf schüttelte. „Nein“, antwortete er mir und zog mich weiter, sich anscheinend sichtlich wohl fühlend mit zwei so reizend aussehenden Gestalten neben sich, „das ist auch nur zum Vorsaufen. In der Bar sieht alles anders aus, glaub mir!“ Kaum hatte Reita mich erblickt – und in diesem Moment fiel mir auf, dass ich irgendwie schon auf gar niemand anderen mehr achtete, als auf ihn, wenn ich auf eine größere Menschenmasse zulief, unter der auch er sich befand – stellte er die Bierflasche beiseite und starrte mich einfach nur an, als ich weiter auf ihn zulief. Er bekam ja nicht einmal den Mund mehr zu! „Du, Uru“, stupste mich Tora dann jedoch von der Seite an und ich schaute zu ihm auf, während wir weiterliefen. „Was trägst du eigentlich drunter?“ Was war denn das bitte für eine Frage?! „Das werd ich dir auch verraten“, ärgerte ich ihn und erntete einen Schmollmund, löste mich dann von seinem Arm und schlug wieder Reitas Richtung ein. Der war wohl der einzige, der heute Abend erfahren würde, was ich drunter trug – denn das war bei weitem nicht gerade unerotisch! Dafür hatte ich noch extra nach der Schule einen Dessoutladen geplündert mit der Ausrede, meine Schwester hätte mich gebeten das für sie zu besorgen. Also hatte ich seit Neuestem auch eine Schwester. Gut. Mit noch immer offenem Mund starrte Reita mich weiter an und brachte mich zum grinsen. Das hatte er mir wohl nicht zugetraut! Als ich endlich bei ihm angelangt war, lächelte ich freundlich und verbeugte mich spaßeshalber vor ihm, sodass mir die langen Ponysträhnen wieder ins Gesicht fielen. Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich, wie er aufstand und sich ebenfalls nur ganz leicht verneigte, leise lachte und auf mich zutrat. „Hallo, Schönheit“, hauchte er so leise an mein Ohr, dass ich nur erahnen konnte, was er gerade geflüstert hatte und mein Herz schlug ein wenig schneller, als seine Lippen nur federleicht meinen Hals berührten. „Das ist aber nicht die übliche Art, sich zu begrüßen“, flüsterte ich zurück und merkte, wie mir jetzt schon leicht schwindelig wurde in seiner Gegenwart, also legte ich beide Hände auf seine Brust, um mir mehr Halt zu geben und schloss leicht die Augen. Sein Duft… „Verzeih“, raunte er und ich konnte sein Grinsen genau vor mir sehen, ehe er eine Hand auf meine Wange legte und mich in einen so zärtlichen Kuss zog, dass er mich all meiner Sinne beraubte. Es war wieder einer dieser Momente, in denen ich nichts mehr wahrnahm, außer seine Nähe und seine Zärtlichkeit. Die anderen um uns, die ich noch nicht einmal begrüßt hatte, nahm ich schon gar nicht mehr wahr und sah vor meinem inneren Auge nur noch dieses Bild von Reita und mir, wie wir, so, wie jetzt, beieinander standen und uns leidenschaftlich küssten. Nur ganz leise keuchte ich gegen seine Lippen, als er diese teilte, um seine Zunge nur flüchtig über meine Lippen streifen zu lassen und ich kam ihm entgegen, indem ich meine nun ebenfalls öffnete und ihn einließ. Doch so schön dieses Spiel auch begonnen hatte, so unsanft endete es, als Reita plötzlich von jemandem geschubst wurde und mir die lauteren Stimmen um uns herum mit einem Mal auffielen. Wütend darüber, dass er mir vor Schreck auf die Lippe gebissen hatte, stierte er über seine Schulter und erblickte Shou, der bereits ziemlich angetrunken zu den anderen zeigte, die gerade in Aufbruchstimmung kamen. „Mach das noch mal, du Penner, und ich schlag dir die Zähne einzeln aus deiner Fresse“, maulte Reita und erntete nur einen amüsierten Blick, ehe er sich wieder mir zuwendete. „Angemessene Begrüßung?“, fragte er nach, woraufhin ich grinsend nickte und mich an seinen Arm hängte, den er mir anbot. „Ist das wirklich deiner oder hast du dir den geliehen?“, fragte er und deutete auf meinen Kimono, den er wohl die ganze Zeit über schon neugierig angestarrt hatte, als würde er sich fragen, was sich wohl darunter befand. Das würde er jedoch noch früh genug sehen. „Der ist von Shous Schwester“, antwortete ich ihm, doch ehe er weiter mit mir sprechen konnte, wurde ich auch schon von Hiroto von seiner Seite gezogen und weiter nach vorn gedrängt. „Sagst du uns auch mal hallo?“, murrte er und umarmte mich kurz im Laufen, deutete dann auf meine Kleidung. „Selbst Shous Schwester sieht in dem Fummel nicht so heiß aus wie du!“ „Danke für die Blumen“, lächelte ich zurück und schaute mir seinen Kimono an. Er war dunkelblau, hatte ein hellblaues Muster und war gestreift. Schlicht, aber niedlich. Passte zu dem kleinen Pon. Dann machte ich mich daran, auch die anderen zu begrüßen und erntete viele erstaunte und zugleich bewundernde Blicke. Irgendwie schon ziemlich ungewohnt. Hiroto und Shou waren gekommen, Tora, Kyo und der blauhaarige an seiner Seite, doch den Rest kannte ich noch nicht. Aber auch Ni~ya war gekommen und so suchte ich gespannt nach Sakito, der – ein wenig nervös aussehend – gut einen Meter von ihm entfernt neben ihm lief und sich mit seinem Exfreund unterhielt. Worüber wohl? „Trägst du ihn?“, stellte mir Reita neben mir dann die Frage aller Fragen und ich lächelte, hob meine Hand und beteuerte ihm, dass ich ihn selbst beim baden und schlafen nicht abgenommen hatte. Sichtlich erfreut darüber zwinkerte der blonde mir zu und nahm meine Hand, umschloss sie so fest, als würde er mich nie wieder loslassen wollen oder Angst haben, man würde mich ihm wegnehmen. Kein Wunder in dem Outfit… Okay, vielleicht übertrieb ich gerade auch ein bisschen! „Wieso gehen Shou und Hiroto eigentlich mit in eine Schwulenbar?“, fragte ich einfach mal ganz blöd, „Die sind doch hetero, oder?“ Tora drehte sich dann plötzlich zu mir um und grinste mich an. „Hast du die blauen Flecke gesehen? Ich hab sie dazu getreten mitzukommen. Pon ist eigentlich sowieso bi und stand mal auf Shou. Aber pst! Er will das nicht zugeben!“, erklärte er und wendete sich dann wieder seinem Gesprächspartner zu. Und ich konnte nur noch sehen, wie Hiroto sich irritiert umdrehte, als er seinen Kosenamen gehört hatte und fragend Tora anschaute, der nur unschuldig lächelte. „Verrückter Haufen…“ Nach gut fünfzehn Minuten, in denen wir gelaufen waren, waren wir nun endlich in der Stadt und an der Bar angelangt und hatten nicht einmal lang in der Schlange stehen müssen, da es doch schon ziemlich spät war. Erstaunlich, wie viele Schwule es doch hier gab! Und allesamt trugen sie Kimonos, sahen teilweise aus wie Frauen und teilweise war die Schminke einfach nur misslungen. „Du weichst nicht von meiner Seite“, hatte Reita mir gleich zugeflüstert, nachdem er angeblich Millionen lüsterne Blicke festgestellt hatte, die auf mir ruhten. Konnte ich ihm allerdings irgendwie nicht so recht glauben. Wahrscheinlich starrten sie ja doch alle Sakito neben mir an! In der Bar sah alles traditionell japanisch aus. Überall Kirschblüten, Fächer an den Wänden und seidene Tücher an den Decken, runde, rote Laternen und man konnte im Terrassenbereich (der nebenbei gemerkt RIESIG war) den Bambus erkennen und die vielen Bonsaibäumchen. Und mit den vielen Leuten, die alle ihre Kimonos trugen, sah es einfach nur wunderschön aus. Doch im Kontrast zu diesem friedlichen Aussehen der Bar lief seltsamerweise Rockmusik, zu der bereits einige auf der Tanzfläche tanzten. In den Kimonos sah das irgendwie ziemlich lustig aus. Aber ich würde mich wohl nicht daran versuchen, denn mein Kimono war ein wenig länger um die Beine und reichte gut einen Viertelmeter über den Boden. Schon bald hatten wir die Plätze, die wir für uns reserviert hatten, eingenommen und bestellten Getränke. Alle auf Kosten der anderen und man teilte mir an der Bar sogar mit, dass ich, da ich heute Geburtstag hatte, die Getränke umsonst bekommen würde. Dafür bedankte ich mich mit einer höflichen Verbeugung und machte innerlich Freudensprünge. Vielleicht würde ich für Reita ja auch den einen oder anderen Drink besorgen können, ohne dafür zu blechen…! „Gefällt dir das hier?“, fragte Sakito mir schräg gegenüber, grinste breit, als er sich tatsächlich neben Ni~ya auf den Kissen um den flachen Tisch herum niederließ und dabei so tat, als habe er den Platz rein zufällig gewählt. „Klar“, antwortete ich etwas lauter gegen die Musik an, die hier allerdings ein wenig gedämpfter war, „ist total klasse hier!“ Lächelnd wendete er sich wieder ab und drehte sich zurück zu Ni~ya. Gespannt beobachtete ich die beiden, jedoch unauffällig, aber verpassen wollte ich nichts! Und tatsächlich! Ni~ya legte vorsichtig und wohl doch noch etwas zögerlich einen Arm um Sakitos Hüfte, schaute allerdings dabei in eine andere Richtung und unterhielt sich, als würde er befürchten von Sakito einen ablehnenden Blick zugeworfen zu bekommen. Sakito allerdings tat das genaue Gegenteil, blickte teils verwundert und teils überglücklich zu Ni~ya auf und lehnte sich dann vorsichtig an den schwarzhaarigen. „So schüchtern war er sonst nie“, sagte Rei neben mir plötzlich und ich schaute ihn irritiert an. Hatte er das Schauspiel etwa auch verfolgt? Er sah nachdenklich aus, als er an seinem Drink nippte und das Glas zurück auf den flachen Tisch stellte, unter dem es so richtig gemütlich warm war. Tischheizungen waren schon was Geiles! „Das ist ihm bis jetzt nur bei Ni~ya passiert“, murmelte er vor sich hin, sodass ich ihn gerade noch verstehen konnte und bohrte nach, was genau er denn damit meinte. „Na, dass er so rot wird! Er traut sich nicht irgendwas zu machen. Aber das liegt nicht mal daran, dass sie momentan auseinander sind! Das war auch schon so, als sie sich kennen gelernt haben! Deshalb hat es auch so lang gedauert, bis sie sich näher gekommen sind, als nur rumschmusen und küssen und so…“ „Aha“, machte ich neugierig, „und sonst? Wie ist Sakito sonst drauf gewesen? Hat er alles angesprungen, was er geil fand oder umgekehrt?“, fragte ich scherzeshalber, doch Reitas Antwort irritierte mich nur noch mehr. „Klar! Mich fand er ja auch mal geil! Und bei mir hat er sich auch getraut. Bei allen. Nur bei Ni~ya nicht.“ Und das, obwohl sie sich heute überall und bei jeder Gelegenheit flachlegten?! Schon irgendwie seltsam, dieser Sakito. Aber der Gedanke daran, dass Reita ihn auch schon im Bett gehabt hatte, machte mich ganz wirr und schnell schüttelte ich ihn ab. Daran wollte ich jetzt gar nicht denken! „Was treibt Saga? Heult er noch immer rum?“, wollte Rei schließlich wissen und ließ mich genervt aufseufzen. „Sei ein bisschen netter“, motzte ich ihn ungewollt frech an, „er hat zwar Mist gebaut, aber man kann ihm das ja wohl nicht ewig nachtragen!“ Überrumpelt schaute Rei mich an und war einen Moment lang still, ehe er den Kopf schüttelte und abwinkte. „Was denn?!“ War er jetzt irgendwie beleidigt oder so? Oder wieso hatte er dieses Gespräch jetzt einfach so enden lassen, ohne mir überhaupt zu sagen, wieso er auf einmal so mies gelaunt aussah? „Nichts“, kam nur die knappe Antwort und er angelte in seinem Ärmel nach seinen Zigaretten, von denen er sich eine anzündete und mich einfach ignorierte. „Was soll das denn jetzt?“, fragte ich irritiert, „Ich hab doch gar nichts verbrochen! Wieso bist du jetzt so scheiße drauf?“ „Ich bin überhaupt nicht scheiße drauf“, rechtfertigte er sich, während er den Rauch aus seinen Lungen entließ, „du verstehst nur nicht, worum es hier eigentlich geht, das ist alles. Ist ja auch gar nicht schlimm oder so!“ Ungläubig schaute ich ihn an und zeigte ihm dann den Vogel. „Ich versteh sehr wohl, was hier abgeht und ich weiß auch ganz genau, wieso ich sage, dass ihr ihm nicht immer alles so nachtragen müsst! Du solltest dich mal in seiner Position sehen, dann-“ „Nein, das ist totaler Schwachsinn, was du da redest!“, unterbrach er mich nun mit ein wenig erhobener Stimme, was mich zusammenzucken ließ, „Du hast keine Ahnung, was er schon so alles abgezogen hat! So arm und bemitleidenswert, wie er nämlich immer tut, ist Saga eigentlich gar nicht! Er hat es echt verdient, einfach mal links liegen gelassen zu werden und zu erfahren, wie es ist, wenn man Scheiße gebaut hat! Bisher waren nämlich alle und auch ich viel zu nachsichtig mit ihm, verstehst du? Dann denkt er am Ende noch, er könnte das jedes Mal abziehen!“ Mit jedem weiteren Wort hatten sich meine Augen noch mehr geweitet und ich schaute ihn mehr als erschüttert an, schüttelte dann den Kopf. „Und sowas von seinem besten Freund“, meinte ich fast schon zickig, „das ist echt das Letzte, Rei. Tut mir leid.“ Es kam mir gerade nur recht, dass Tora mit Shou und Hiroto aufstand und sich anscheinend wieder auf den Weg zur Bar machen wollte und sich dann ein wenig umsehen. Kurzerhand stand ich auf, rief ihnen nach, dass sie doch auf mich warten sollten und lief ihnen dann hinterher, würdigte Reita keines Blickes mehr. Jetzt musste ich einfach schmollen, das brauchte ich jetzt! Wie konnte Reita nur so über seinen besten Freund reden? Was waren das für Sitten? Waren Freunde nicht da, um einander zu helfen? Vielleicht hatte Saga wirklich kein Verständnis verdient. Aber immerhin doch jemanden zum Reden, der ihn nicht gleich wieder zur Schnecke machte! Genau in diesem Moment fragte ich, was Reita eigentlich mit Saga in seinem Schlafzimmer besprochen hatte. Hatte er ihn da auch zur Sau gemacht? Hatte er ihm dort auch wieder nahe gelegt, was für einen Scheiß er verzapft hatte, obwohl Saga das längst wusste? „Willst du mit?“, holte mich Toras Stimme aus meinen Gedanken und ich blinzelte ein paar Mal, ehe ich die Schultern zuckte. „Kommt drauf an, wo ihr hingeht!“, lautete meine Antwort und erntete gleich verwunderte Blicke. „Ich dachte, du bleibst erstmal lieber bei Rei?“, fragte Shou, doch ich winkte nur ab und lächelte. „Der kann auch n paar Minuten ohne mich, keine Sorge!“ Kurz tauschten sie verwunderte Blicke aus, doch dann gingen wir gemeinsam weiter richtung Terrasse, die hell beleuchtet war mit Laternen und offenem Feuer. „Hier führen sie heute n paar nette Tänze vor“, erklärte Tora, „ist ganz schön anzusehen und da ist auch n bisschen bessere Luft, als drinnen! Was willst du trinken?“ Froh darüber, dass meine Stimmung nun doch wieder bergauf ging, bestellte ich mir den Cocktail des Hauses, der natürlich auf dessen Kosten ging und gesellte mich dann wieder zu Hiroto, Shou und Tora, die sich an einem der Tische niedergelassen hatten, die vor der Bühne aufgestellt waren. Und die Bühne sah einfach nur wunderschön aus! Hinter einem Vorhang aus Kirschblüten tanzten die vielen Tänzerinnen (oder waren es Tänzer?) zu einer Musik, die einerseits sehr traditionell klang, andererseits aber auch von einigen E-Gitarren und Drums begleitet wurde. Eine irre seltsame Kombination, aber trotzdem irgendwie gut. Mir gefiel es von Minute zu Minute besser hier! „Auf dich, Uru“, hörte ich Shou dann sagen und wir erhoben unsere Drinks, stießen an und ich verfolgte gespannt den Fächertanz, den die Darsteller gerade vollführten. Es sah unglaublich schön aus, wie sie zu der Musik tanzten und immer wieder gaben die Zuschauer, die teils wahrscheinlich schon ziemlich angetrunken waren, erstaunte Laute von sich oder klatschten. Ich allerdings war viel zu sehr damit beschäftigt, mich mit den anderen dreien zu unterhalten. „Ich geb dir Kino aus für übermorgen“, meinte Shou, „das ist dann mein Geschenk. Ich bin leider ziemlich unkreativ, was sowas angeht! Aber Hiroto hier hat was Feines für dich!“ Lachend stieß er seinen Ellbogen in Hirotos Seite und ließ diesen somit leise aufknurren, ehe er sich die Seite rieb. „Du kriegst es morgen, ja? Wir schlafen ja alle bei Sakito und dann kann ich dir das morgen früh geben, sonst geht es kaputt!“ „Was ist es denn?“, wollte ich neugierig wissen und erntete ein freches Grinsen. „Siehst du ja dann!“ „Ach, man…“ „Welchen Film willst du sehen?“, fragte Tora mich, „Weil wenn du dir ‚Faces of a Fig Tree’ anschaust, komm ich mit! Der lief schon mal, aber ich hab ihn verpasst!“ „Meinetwegen“, grinste ich, „dann gehen wir da rein. Was sagt Hiropon?“ „Geht klar!“, grinste dieser und stieß nochmals mit mir an, trank dann einen großen Schluck. Auch ich setzte mein Glas an die Lippen und hatte gerade den ersten Schluck getrunken, als ich jedoch inne hielt und einfach nur geradeaus durch die Menschenmenge starrte. Ungläubig blinzelte ich ein paar Mal und stellte mein Glas dann wieder auf den Tisch, verengte die Augen dann zu Schlitzen und spürte in diesem Moment eine unglaubliche Wut aufkommen. Wie konnte Ruki es wagen ausgerechnet an dem Abend hierher zu kommen, wo ich feiern wollte?! Überhaupt, wie kam er auf die Idee in eine Schwulenbar zu gehen?! War er etwa absichtlich hergekommen…? „Was starrst du so?“, fragte Tora neben mir und wollte schon meinem Blick folgen, doch ich tat einfach mal so, als habe ich nichts gesehen und grinste ihn an. „Darf ich nicht? Ich seh mir nur die Leute an“, antwortete ich ihm und war erleichtert, als Hiroto ihn wieder in ein Gespräch verwickelte. Wieder glitt mein Blick zu Ruki herüber, der sich noch immer mit einem Typen unterhielt, den ich gar nicht kannte. War Aoi etwa auch hier? Nie im Leben, der hatte eine Freundin! Und selbst wenn, wäre er ohnehin in Rukis Nähe gewesen. Doch er war tatsächlich nicht bei ihm. Wer also waren diese Kerle an Rukis Seite? Als hätte er meinen Blick auf ihm ruhen gespürt, drehte er plötzlich den Kopf in meine Richtung und erblickte mich, schaute mich sekundenlang einfach nur an und machte nichts. Erst nach gut einer Minute hob er die Hand zum Gruß und lächelte unbeholfen, doch ich schnaubte nur verächtlich und zeigte ihm den Mittelfinger. „Wem gilt der denn?“, fragte Shou mich gleich und drehte sich um, als dann jedoch zu meiner Erleichterung irgendein Kerl vor Ruki auftauchte und in unsere Richtung schaute. „Ach“, machte ich, um nicht irgendwie auffällig zu wirken, „der starrt mich nur die ganze Zeit an und hat mir zugezwinkert, sonst nichts!“ Allerdings wanderte Shous Blick wieder ungläubig zu mir zurück und er hob eine Augenbraue, um zu beteuern, dass er mir nicht wirklich abkaufte, was ich ihm da gerade erzählte. Aber um keinen Preis der Welt wollte ich, dass sie Ruki entdeckten! Dann würde der Abend gelaufen sein, denn sicherlich würde einer von ihnen diesem dämlichen Zwerg irgendwann versehentlich auf den Fuß treten oder schlimmeres! Das durfte nicht passieren…! Aber noch viel schlimmer: was, wenn Reita ihn entdeckte? Gut zwei Stunden später war ich so richtig schön angetrunken und hing mehr oder weniger an Toras Schulter, während die Darsteller auf der Bühne sich gerade verabschiedeten und sie anschließend verließen. Es war ziemlich kalt geworden trotz der Heizstrahler, also entschlossen wir uns bald hineinzugehen. „Rei vermisst dich bestimmt schon“, lallte Hiroto mir zu und verschwand dann irgendwo mit Shou, da sie anscheinend Leute gesehen hatten, die sie kannten. Also ging ich zusammen mit Tora zurück richtung unserem Tisch. Doch nicht einmal auf halbem Wege wurde ich von jemandem aufgehalten, der mir nur allzu bekannt vorkam. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Tora neben mir verwundert eine Augenbraue hob und die Person anstarrte, die meinen Ärmel noch immer nicht loslassen wollte und schließlich zu lachen anfing. „Kann ich mit dir reden?“ Toras Gelächter wurde noch lauter, während mein Gesichtsausdruck unverändert blieb und ich Ruki weiter emotionslos anschaute. Er wollte reden? Gut, konnte er haben! Unsanft riss ich mich von ihm los, griff dann allerdings nach seinem Handgelenk und zog ihn grob mit mir, den fassungslosen Blick Toras ignorierend und lief in irgendeine ruhigere Ecke des Raumes zu, in der ich schließlich Halt machte und Ruki gegen die nächstbeste Wand schubste. „Kannst’ mich nich’ einfach in Ruhe lassen, Zwerg?!“, fauchte ich, stellte mich dicht vor ihn, sodass er mich auch verstehen konnte. Beinahe ängstlich blickte Ruki zu mir auf und biss sich auf die Unterlippe, verengte dann aber die Augen zu Schlitzen und giftete zurück. „Kannst du erstmal normal mit mir reden, statt mich gleich grundlos anzuschnauzen?!“ „Du“, begann ich und betonte jedes Wort einzeln, „versaust mir meinen Abend!“ „Ich hatte einfach gehofft dich mal in guter Stimmung zu erwischen. Allein!“, gab er nur zickig zurück und plötzlich wurde sein Blick ein wenig sanfter. „Kannst du mich nicht einfach mal reden lassen? Bitte, nur ne Minute!“ Einen Moment lang überlegte ich, blickte jedoch unentwegt in seine Augen und nickte schließlich. Meinetwegen sollte er sich doch auskotzen! Aber danach würde ich ihn keines Blickes mehr würdigen! „Versprich mir, dass du danach sofort verschwindest! Wenn Rei dich sieht, kriegst’ mächtig Stress, klar?“ „Ist mir egal“, konterte er schnell, „ich will nur, dass du mir zuhörst!“ „…dann rede halt.“ Beinahe dankbar sah er mich an und lächelte ein wenig. Gott, wie mich das ankotzte! „Ich hab so viel nachgedacht in letzter Zeit…“ Ach, das konnte er auch?! „Und ich möchte mich endlich wieder mit dir vertragen, denn dieser Streit ist total sinnlos! Aus welchem Grund haben wir uns eigentlich verstritten? Einfach, weil du mal deinen Frust ablassen wolltest? Ich will das nicht, Uruha!“ „Was?!“, fauchte ich zurück, „Dass ich mal meinen Frust rauslasse? Wenn ich das bei euch getan hab, hat mich keiner ernst genommen! Dann eben anders, mein Freund! Dann eben-“ „Das ist das Stichwort, verdammt!“, brüllte er mich plötzlich an, „Ich will, dass wir wieder Freunde sind! Verstehst du das nicht? Ich ertrag das nicht länger…!“ „Immer nur ‚ich, ich, ich’! Was ist mit mir, verdammt?! Hast du mal dran gedacht, wie es mir in letzter Zeit so ging, huh?!“, fragte ich rein aus Neugier und schaute ihn herausfordernd an. Und tatsächlich wusste er darauf nichts zu erwidern. HA! „Ich… ich weiß, dass ich manchmal ein bisschen zu wenig für dich da war“, gab er zu, „und ich weiß auch das mit deinen Eltern jetzt. Es tut mir Leid, hörst du? Das wollte ich echt nicht, okay?“ „Das sagst du jetzt“, zickte ich ihn an, „wo alles zu spät ist. Da hättest du auch früher drauf kommen können, oder? Wieso hast du mich so hängen lassen und sagst so widerliche Dinge zu mir wie ‚deine Probleme sind nichts Weltbewegendes’, wenn’s mir dabei doch schlecht geht, wenn du doch ach so sehr in mich verknallt bist, huh?“ Erwischt! Ertappt und mehr als peinlich berührt schaute er mich an, biss sich auf die Unterlippe und senkte für einen Augenblick. „Na los“, stichelte ich weiter, „du kannst es nicht abstreiten! Machst du sowas immer mit demjenigen, in den du verknallt bist?“ „Ich will verdammt noch mal nichts von dir!“, hauchte er verzweifelt und suchte hilflos nach irgendeinem Fluchtpunkt, doch ich hatte mich zu nah an ihn gedrängt, als dass er einfach so an mir würde vorbeikommen. Gott, wie wütend er mich machte! Rasend wütend! Ich wollte ihn am liebsten den Hals umdrehen, allerdings war das nicht gerade die effektivste Methode ihn so richtig fertig zu machen. Dann eben anders. „Du kannst es nicht abstreiten“, zischte ich bedrohlich leise und näherte mich seinen Lippen mit meinen, ehe ich einfach die letzte Distanz überbrückte und ihn küsste. Ohne Gefühl, ohne Emotion, ohne Zärtlichkeit. Doch ich bekam keine Abweisung, wie ich es mir gedacht hatte! Im Gegenteil! Er erwiderte meinen Kuss sogar und ich konnte sein Zittern spüren. Dieses widerliche, kleine Weichei…! „Siehst du“, raunte ich kalt gegen seine Lippen, „lüg mich nicht schon wieder an, so, wie du es die ganze Zeit über getan hast, du-“ Plötzlich ging ein Ruck durch meinen Körper und ich wurde zur Seite geschubst. Und das so unsanft, dass ich beinahe auf meinem hübschen Hintern landete und mich gerade nur noch so abfangen konnte. Welcher Vollidiot…?! „Reita!“ Das erste, was ich sah, als ich mich wieder vollständig aufgerappelt hatte, war, wie mein Freund zum Schlag ausholte und Ruki voll eine verpasste. Wunderbar! Gerade das hatte ich vermeiden wollen! Aber was war ich auch so dumm gewesen und hatte ihn einfach geküsst, ohne mich vorher umzusehen?! „HÖR AUF!“, brüllte ich gegen die laute Musik an und stand noch einen Moment hilflos dort, während Reita wieder zuschlug, ehe ich mir einen Ruck gab und den Arm meines Freundes umfasste. Ich hielt ihn fest umklammert, als er wieder zum Schlag hatte ausholen wollen und merkte den Widerstand, den Reita ausübte. Er wollte mich erneut wegschubsen und es gelang ihm auch, doch auch ich ließ nicht locker und ignorierte sein wütendes Fluchen, schnappte nach seinem Arm und hielt ihn fest, bevor er wieder zuschlagen konnte. Ruki hatte sich die Hände schützend vors Gesicht gehalten und ich konnte sehen, wie Blut von seinem Kinn tropfte. Es benetzte seinen hübschen, orangenen Yukata und hinterließ dunkle Flecken darauf. Ich spürte die Blicke auf uns, die die Leute uns zuwarfen und hörte im nächsten Moment Toras Stimme hinter mir, doch all das war gerade unwichtig. Reita ließ den blonden nun endlich los, ohne ihn jedoch dabei aus den Augen zu lassen und wenn Blicke hätten töten können, wäre Ruki jetzt wahrscheinlich Hackfleisch gewesen. Geröstetes Hackfleisch! „Bitte nich’“, flehte ich ihn an, hielt noch immer seinen Arm und zog ihn ein Stück von Ruki weg, der mich mit einem verletzten Blick bedachte und dann einfach im Nirgendwo verschwand. Reita wollte ihm hinterher, allerdings hielt ich seinen Arm noch immer fest umschlossen, sodass er es schließlich doch aufgab, dem blonden Zwerg hinterher zu rennen. Doch Ruki kümmerte mich gerade kein Stück. Eher war es wichtig, meinen Freund wieder zu beruhigen und die ganze Sache irgendwie verständlich rüberzubringen. Und das in meinem betrunkenen Zustand…! Uruha, was hattest du da nur wieder angestellt?! „Sag was“, bat ich ihn leise, sodass nur er es hören konnte und ignorierte weiterhin Tora, der bereits die ganze Zeit hektisch am fragen war, was denn vorgefallen sei. Reita ließ langsam den Arm sinken, den ich festhielt, schaute mich dann mit einem Blick an, den ich bei ihm noch nie zuvor gesehen hatte. War er verletzt? War er wütend? War er verwirrt? Wahrscheinlich alles auf einmal. „Macht’s dir Spaß so auf mir rumzutrampeln, ja?“, kam dann plötzlich seine Frage und er schaute mir genau in die Augen, „Erst abhauen, mich den ganzen Abend allein lassen und dann mit diesem Flachwichser rumlecken! Was hab ich getan, dass ich das verdient hab?!“ Eine Weile lang, in der ich einfach nicht gewusst hatte, was ich sagen sollte, hatte er mich einfach nur angesehen und nun drehte er sich schließlich um, ließ mich einfach stehen, so, wie ich ihn vor drei Stunden hatte sitzen lassen. Geistesgegenwärtig setzte ich dann jedoch endlich einen Schritt vor den anderen, um ihm zu folgen und als ich ihn eingeholt hatte, fasste ich ihn so vorsichtig an, um ihn aufzuhalten, als würde es das erste Mal sein, das ich ihn berührte. „Bitte, klären wir das!“, bat ich ihn, schaute ihn flehend an, verdrängte die Tränen in meinen Augen und biss mir unsicher auf die Unterlippe. Es dauerte Ewigkeiten, bis er eine Regung zeigte und mir kurz zunickte, mir so deutete, ihm zu folgen und das tat ich natürlich auch gleich. Er führte mich bis ans Ende der Bar und dort in einen schmalen Gang, in dem sich viele Türen befanden. Eine davon öffnete er einfach und ging herein. In dem Raum standen ein einfaches Sofa, ein Tisch und einige Pflanzen, sowie ein in die Wand einklappbares Bett. Sowas hatten die hier? Wozu diese Zimmer wohl gut waren? „Bitte, fang an!“, forderte er mich kalt auf und blickte mich abwartend an, während er an der Tür lehnte, sodass ich den Raum auch ja nicht mehr würde verlassen können. Ich biss mir auf die Unterlippe und ließ mich auf dem Sofa nieder, vergrub das Gesicht dann kurz in den Händen, ehe ich den Blick wieder hob und ihn entschuldigend ansah. „Tut mir leid, dass ich einfach abgehauen bin“, begann ich schließlich, „aber deine Worte haben mich einfach total wütend gemacht! Vielleicht versteh ich ja wirklich nichts davon, aber du hättest es mir wenigstens erklären müssen, wieso nicht!“ „Das hab ich“, konterte Reita jedoch schnell und ganz nüchtern, als würde ihn die ganze Sache überhaupt nichts angehen. Wieso musste er es mir so schwer machen? „Uhm… ja, schon“, gab ich schließlich zu, „vielleicht hab ich n bisschen überreagiert. Es tut mir leid, okay? Wirklich…! Ich hatte doch versprochen, den Abend mit dir zu verbringen…“ Zustimmend nickte Reita, sein Blick war noch immer eiskalt und er schien noch mehr von mir zu erwarten, als nur diese Entschuldigung. Nicht einmal angenommen hatte er sie bis jetzt… „Die… die Sache mit dem Kuss“, begann ich also, „das hast du wahrscheinlich völlig falsch verstanden. Schon als ich Ruki hier gesehen hab, bin ich unglaublich wütend geworden und als er dann noch mit mir reden wollte und sich für all seine Dummheiten entschuldigt hat, bin ich ausgerastet! Ich wollte ihm wehtun, verstehst du?“ Fassungslos blickte Reita mich an und schien nicht die richtigen Worte zu finden, um sein Empfinden auszudrücken. „Wieso hast du nicht einfach zugeschlagen, wenn du ihm wehtun wolltest?!“, maulte er mich plötzlich an mit einem Tonfall, der mich zusammenzucken ließ, „Ausgerechnet KÜSSEN musstest du ihn? Vor meinen Augen?! Vor den Augen aller anderen?! Das ist lächerlich, Uruha! Ehrlich, das ist sowas von lächerlich und bescheuert!“ „Ich weiß!“, gab ich kleinlaut zurück. „Ich weiß doch…! Aber gerade das ist es doch, was ihn am meisten verletzt, oder? Einmal das zu bekommen, wonach er sich sehnt und was er niemals wieder haben können wird. Wie würdest du dich fühlen?“ Einen Augenblick lang dachte er nach, schüttelte dann den Kopf und rieb sich über die Schläfen, als habe er tierische Kopfschmerzen. Irgendwie verständlich, denn mein Denken war einfach zu kompliziert. Manchmal sogar für mich selber. „Er hat zugegeben, dass er was von mir will, indem er meinen Kuss erwidert hat“, murmelte ich und sogleich schaute Reita mich fassungslos an. „Er gibt es also wirklich zu, ja?“, knurrte er, „Wenn ich noch einmal sehe, dass er dich auch nur anfasst, bring ich ihn um…! Und eins ist sicher: die Leiche entsorge ich nicht!“ Ohne es wirklich zu merken, war ich aufgestanden und trat nun auf ihn zu, versuchte dabei halbwegs gerade zu laufen und legte dann die Arme um seinen Nacken, als ich ihn erreicht hatte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Du bis’ mein Held“, scherzte ich, merkte, wie ich wieder zu lallen anfing und biss mir auf die Zunge, doch schon bald musste ich diese wieder freigeben, da Reita seine Lippen auf meine gelegt hatte und nun einen fordernden Kuss begann. „Fass ihn nie wieder an“, raunte er an meine Lippen, zog mich an den Hüften näher und küsste mich kurz erneut, „nie wieder, jah?“ „Es tut mir leid“, hauchte ich nur leise zwischen zwei leidenschaftlichen Küssen, doch mehr Zeit blieb mir zum sprechen nicht, denn er drängte mich zurück, löste sich dabei nicht von meinen Lippen und schubste mich schließlich doch von sich. Ich landete weich auf dem schwarzen Sofa, drängte mich nach hinten bis an die Lehne, denn als ich seinen Blick sah, wurde mir gleich ganz anders. Dieses Funkeln in seinen Augen hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ich wusste nur eines: er war scharf auf mich. „Rei, du machst einem beinahe Angst“, murmelte ich kleinlaut, drängte mich noch weiter zurück, als er sich halb über mich kniete und mich plötzlich so hart gegen die Rückenlehne presste, dass ich glaubte, sie würde nachgeben und mich einfach rücklings von der Couch plumpsen lassen. Meine Schulter schmerzte leicht, als sein Griff noch fester wurde, doch dass es wehtat, hatte mein Verstand bereits vollständig ausgeblendet. Ich war zu gebannt davon, dem Spiel der Emotionen in seiner Mimik zu folgen, die immer wieder zwischen wütend und rattig wechselte. „Gut so“, flüsterte er bedrohlich und so nah an meinen Lippen, dass ich seinen Atem spüren konnte und kurz darauf seine Zähne, die sich in meine Unterlippe gruben und leicht daran zogen. Ich bemerkte kaum, dass seine andere Hand zu meinem Obi gewandert war und diesen mehr oder weniger geschickt öffnete, jedoch nicht vollständig, sodass er lediglich lockerer wurde. Anscheinend wollte er mal wieder alles um etliche Zeit hinauszögern, denn nun begann er quälend langsam seine Lippen über meinen Hals zu ziehen, seine Hand mich dazu brachte den Kopf in den Nacken zu legen und die andere sich langsam unter die vier Schichten meines Kimonos schob. „Hast du nichts drunter?“, hauchte er überrascht, als er auf nackte Haut traf und ich grinste, zuckte lediglich geheimnisvoll mit den Schultern. „Find’s doch raus“, raunte ich lasziv zurück und lehnte mich wieder nach hinten, spreizte die Beine und zwang ihn somit, kurz von mir runter zu gehen und ließ den Stoff dabei absichtlich über meinen Beinen liegen, damit er noch nicht zu viel herausfand. „Du bist doch eh schon dabei…“ Gierig schaute er an meinem Körper herab, wollte die Überraschung anscheinend voll und ganz genießen, denn er leckte sich voller Vorfreude über die Lippen. Doch er machte, wie ich eigentlich erwartet hatte, nicht an den Beinen weiter, denn Reita war jemand, der nicht gleich das Papier vom Geschenk riss und die Überraschung somit nur noch halb so spannend machte. Seine Hand schob den oberen Teil des Kimonos von meinen Schultern, küsste sich sanft meine Schultern entlang und biss vereinzelt in meine bereits leicht verschwitzte Haut, sodass ich leise aufkeuchte und genießerisch die Augen schloss. Währenddessen waren auch meine Hände nicht untätig, sondern die eine beschäftigte sich damit, den Knoten seines Nasenbandes zu öffnen, damit ich ihn endlich wieder ganz sehen durfte. Gut, fast ganz. Als es lautlos auf dem Boden landete, schob ich sie zu der zweiten Hand, die seinen Obi zu öffnen versuchte und kam ihr zur Hilfe, bis ich ihn endlich geöffnet hatte und ihn ebenfalls nur locker hängen ließ. Den oberen Teil des Kimonos schob ich, wie er auch, einfach von seinen Schultern, sodass sie mir endlich sichtbar wurden. „Ah, Rei…!“, stöhnte ich auf, als seine Hand sich plötzlich völlig unerwartet zwischen meine Beine schob und meine bereits deutlich spürbare Erregung massierte. Gott, er war ja so ein Sadist! Dennoch drängte ich mich der Berührung entgegen, krallte mich in seine Schultern und hinterließ wohl deutlich sichtbare Spuren, aber das war mir gerade sowas von egal! Ich wollte nur, dass er es endlich nicht mehr so sanft angehen ließ, wie bisher. Ich wollte ihn endlich intensiver spüren und genau dasselbe mit ihm tun. „Irgendeinen Wunsch?“, grinste er spürbar gegen meine Brust, die er gerade zärtlich liebkoste und biss mir spielerisch in die Brustwarze, was mich erneut heiser aufstöhnen ließ. Leicht bog ich den Rücken durch, löste eine Hand von seinen Schultern und krallte mich in mein Haar, um einen möglichst erotischen Anblick für ihn zu bieten. „Du weißt ihn ganz genau…!“, keuchte ich atemlos, als seine Berührungen für einige Sekunden intensiver wurden und die bereits jetzt schon angestaute Lust beinahe unerträglich wurde. Wenn er nicht bald schneller machte, würde noch ein ganz, ganz großes Unglück passieren, das schwor ich mir jetzt schon…! „Sag’s mir“, raunte er gefährlich nah an meinem Ohr, „sag mir, was du willst…!“ Diese tiefe Stimme jagte mir auch jedes Mal wieder eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper! Und wer konnte ihr schon widerstehen…? „Reiß mir die Kleider vom Leib und fick mich endlich!“, platzte es jedoch auf einmal aus mir heraus, ohne, dass ich es hatte aufhalten können. Ein wenig beschämt spürte ich die Röte auf meinen Wangen und biss mir peinlich berührt auf die Unterlippe, als ich sein freches Lachen hörte. Als habe man ihm die Erlaubnis dazu gegeben etwas zu tun, worauf er sich bereits Jahrzehnte gefreut hatte, machte er sich an den unteren Teil meines Kimonos und schob jede einzelne Schicht neugierig beiseite, um endlich in den Genuss dessen zu kommen, was ich extra für ihn besorgt und heute Abend angezogen hatte. Während er nach jeder Schicht immer wieder kurz meine Körpermitte massierte, küsste er mich leidenschaftlich und war nun endlich bei der letzten Schicht angekommen. Doch diese schob er nicht beiseite, sondern schlüpfte lediglich mit der Hand darunter, um zu ertasten, was sich darunter befand. Und was er spürte, trieb ihm ein breites Grinsen auf die Lippen, als er sich von mir löste. „Ich wusste gar nicht, dass du so versaut bist und statt anständiger Unterwäsche sowas anziehst… in aller Öffentlichkeit…!“, hauchte er gegen meine Lippen, grinste noch immer breit und biss dann plötzlich fest zu, sodass ich glaubte meine Lippe würde gleich zu bluten beginnen. Leise zischte ich auf vor Schmerz, doch weh tat es keinesfalls. Es war eher ein erregender Schmerz, denn ich war schließlich in dem Wissen, dass er mich gleich um den Verstand vögeln würde… Das linderte jeden Schmerz der Welt! Als er sich von mir löste, richtete er sich ein wenig auf und schob den Stoff endlich von meinen Beinen und zur Seite, sodass er die schwarzen Strapsen und die enge Hotpants freilegte, unter der sich deutlich meine Erregung abzeichnete, für die einzig und allein er verantwortlich war. Ich biss mir anzüglich auf die Unterlippe und begegnete kurz seinem lüsternen Blick, ehe er meine Beine noch weiter auseinander presste und die Finger dabei sanft über die nackte Haut zwischen Hotpants und meinen Strümpfen führte, dann jedoch völlig unerwartet seine Nägel in meine Oberschenkel grub und so weit auseinander presste, dass es schon fast schmerzte. „Worauf wartest du, verdammt…?“, keuchte ich atemlos, doch als habe er vorausgeahnt, was ich sagen würde, führte er zwei Finger zwischen meine Beine, die er ohne Vorwarnung unter meine Hotpants schob, die an der Stelle, an der sich meine Öffnung befand, nun wirklich nicht besonders breit geschnitten war, und dort nur ganz leicht mit ihnen in mich eindrang. Ein kehliges Stöhnen entkam mir, als die trockenen Finger sich ein Stück in mich schoben, und ich presste die Augen zusammen, um den Schmerz auszublenden. „Oh, entschuldige“, wisperte er an mein Ohr, an dem er sanft knabberte, „hab ich dir wehgetan?“ „Ich bin leider keine Frau und werd’ auch nicht feucht, wenn ich geil bin“, murrte ich auf, woraufhin er leise lachte und die Finger aus mir zurückzog. Erleichtert seufzte ich auf, schaute ihm lüstern dabei zu, wie er die beiden Finger kurz zwischen seinen Lippen verschwinden ließ und sie dort befeuchtete. „Hätte ich gewusst“, raunte er, als er fertig war, „dass ich dich hier noch flachlegen würde, hätte ich was mitgenommen… aber so muss es provisorisch gehen.“ Ungeduldig zuckte ich mit den Schultern und drängte ihn endlich weiterzumachen, wo er aufgehört hatte, indem ich mein Becken leicht nach oben reckte und somit gegen das seine traf. Zumindest hatte ich erreicht, dass er ebenfalls kurz aufkeuchte und dann endlich seine Finger zwischen meine Beine schob und erneut in mich eindrang. Diesmal war es weitaus angenehmer, als zuvor und ich stöhnte genüsslich auf, warf den Kopf in den Nacken und spreizte die Beine so weit, bis dass es nicht mehr ging. Meine Atmung war schnell und unkontrolliert, doch deshalb überhörte ich noch lange nicht, wie Reita ebenfalls lauter zu atmen begann, als er meine Reaktion auf sein Treiben sah. Ich drängte mich seinen Fingern beinahe ungeduldig entgegen und forderte keuchend nach mehr, bis er tatsächlich einen dritten Finger ausstreckte und ihn gnadenlos in mir versenkte, sodass ich glaubte beinahe zu zerreißen. Doch es kümmerte mich nicht – im Gegenteil, es erregte mich nur noch mehr! Dieser süße Schmerz und das Wissen, dass es Reita war, der ihn mir zufügte, machten mich nur noch schärfer auf das, was folgen würde. Ich spürte, wie seine andere Hand an den Strapsbändern nestelte und schließlich öffnete, sodass er meine Hotpants ungehindert tiefer ziehen konnte. Kurz musste er deshalb seine Finger aus mir zurückziehen, was mir ein enttäuschtes Seufzen entlockte, doch kaum waren die Hotpants von meinen Beinen verschwunden, drängte er die Finger ohne Probleme zurück in mich und bewegte sie. Reita hatte sich inzwischen genau an der Stelle festgesaugt, an der sich der noch immer leicht schmerzende Knutschfleck an meiner Halsader befand und frischte ihn anscheinend auf, sodass es wieder wehtat. Doch auch das quittierte ich mit einem erregten Stöhnen, warf den Kopf in den Nacken und drängte mich seinen Fingern weiter entgegen, während meine Hände verzweifelt einen Platz suchten, an dem sie Halt fanden. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass er noch viel zu viel anhatte für meinen Geschmack. Also schickte ich meine Finger auf Wanderschaft, die kurz darauf seinen Kimono beiseite schoben und seinen Unterleib freilegten, der nur noch mit einer dunklen Shorts bedeckt war. Allerdings fand diese ganz schnell den Weg über seine Hüftknochen und ich schob sie noch tiefer, bis er mir zur Hilfe kam und sie gänzlich von seinen Beinen strampelte. Und dann stöhnte ich so ungehalten und laut auf, dass mich wohl trotz der lauten Musik jeder gehört hatte, der zumindest in der Nähe dieses Zimmers rumtanzte. „Rei, bitte!“, flehte ich ihn an, als er den Punkt in mir fand, der mich Sterne sehen ließ und absichtlich immer wieder darüber rieb, „Fick mich endlich, verdammt…!“ Denn jetzt wollte ich erst recht mehr von ihm spüren…! „Nichts lieber als das“, war schließlich seine erleichternde Antwort und er zog die Finger aus mir zurück, befeuchtete sie erneut und rieb sein Glied ein wenig mit seinem Speichel ein, wobei er selber leise stöhnte und sich mit der freien Hand an meinem Becken abstützte, das er leicht in die Höhe zog. Genießerisch legte ich den Kopf wieder in den Nacken und spürte, wie die Spitze seiner Erregung sich gegen meine Öffnung drückte. Meine Lippen teilten sich zu einem heiseren Stöhnen, als er weiter und weiter in mir versank und der süße Schmerz, gepaart mit purer Lust mich wie ein Blitz durchfuhr. Die Gänsehaut auf meinem Körper war nicht mehr zu übersehen und dadurch wurde meine Haut nur noch empfindlicher, was Reita voll und ganz auszunutzen wusste. Als er gänzlich in mich eingedrungen war, krallte er die eine Hand in mein Becken und die andere schob sich unter den Kimono und über meine Brust, während er mich um den Verstand zu küssen versuchte. Natürlich erwiderte ich das heiße Zungenspiel und drängte mich ihm gleich entgegen, als er sich zu bewegen begann, stöhnte immer wieder leise gegen seine Lippen und vernahm dieselben Laute auch von ihm. Endlich intensivierte er nach einer Weile seine Stöße, presste sich dabei so dicht an meinen Unterleib, dass meine Erregung zwischen unseren Körpern eingekerkert war und somit stimuliert wurde. Allerdings passte mir das so gar nicht, denn das war genau das, wonach mein Körper gerade verlangte und wodurch ich Erlösung finden würde. Allerdings wollte ich nicht zu früh kommen, wie er das einmal getan hatte, denn das würde wohl peinlicher sein als alles andere. „Rei… Rei, warte!“, keuchte ich also, sodass er innehielt und mich verwirrt anschaute. Auch seine Stöße wurden weniger und ich biss mir auf die Unterlippe, suchte nach den richtigen Worten. Allerdings fand ich keine. Also eben anders! Lasziv blickte ich ihn an, schob ihn von mir und spürte, wie er aus mir heraus glitt. Zwar passte mir das ebenso wenig, doch das würde schließlich nicht so bleiben, also beeilte ich mich meine Position zu wechseln und drehte ihm den Rücken zu, kniete mich auf das Sofa und stützte mich an der Rückenlehne ab. „Mach weiter“, raunte ich leise und blickte kurz erregt über meine Schulter, spreizte die Beine als Einladung wieder und grinste anzüglich, was ihn schließlich wieder aus seinen verwirrten Gedanken zu reißen schien und er sich hinter mich kniete. Seine Hände streichelten federleicht über mein Becken und dann endlich drang er wieder in mich ein. Und in dieser Position kam er sogar noch tiefer, als in jeder anderen, was mich heiser aufstöhnen ließ, denn so hatte er mich noch nie ausgefüllt. „Fester!“, schrie ich plötzlich auf, als es nicht einmal zehn Sekunden gedauert und er meinen Lustpunkt zielstrebig gefunden hatte, immer wieder streifte und es mich ins unermessliche erregte. Seine Stöße wurden schneller, intensiver, er traf jedes Mal meine Prostata und ich konnte nicht anders, als verzweifelt aufzustöhnen und mich in die Sofalehne krallen. Und natürlich hoffen, dass er merkte, wie wenig Zeit ihm noch blieb! „Gott, Uru…!“, stöhnte er, als ich mich um ihn verkrampfte und er schien es glücklicherweise als Aufforderung anzusehen. Es dauerte nicht lang, bis die Hand, die sich ihren Weg über meine Brust und meinen Bauch gebahnt hatte, zwischen meine Beine glitt und dort das massierte, was bereits die ganze Zeit nach Aufmerksamkeit verlangte. Heiser stöhnte ich auf, wusste nicht, ob ich mich nu eher seinen Stößen oder seiner Hand entgegen treiben sollte, die mich so aufreizend stimulierte und war hin und her gerissen zwischen beidem. Er trieb sich noch fester in mich, riss mich beinahe auseinander, doch umso intensiver berührte er dabei meine Prostata und brachte mich weiter und weiter um den Verstand. Und als ich plötzlich diese angenehme Hitze in meinem Unterleib spürte, die mir verriet, dass er gekommen war, war es auch um mich geschehen und ich ergoss mich hart in seiner Hand, benetzte sie und wohl auch das Sofa mit meiner ganzen Lust. Atemlos sank ich zusammen, als mein Orgasmus – der nebenbei gemerkt wohl der beste meines bisherigen Sexlebens gewesen war – langsam abklang und seufzte leise auf, als Reita sich aus mir zurückzog. Ich spürte, wie etwas Flüssiges meine Oberschenkel hinunter floss und konnte mir nur allzu gut denken, was das wohl war. Verzweifelt versuchend meinen Atem zu kontrollieren, drehte ich mich um, schmiegte mich an meinen Freund, der inzwischen auf dem Sofa platz genommen hatte und schloss erschöpft die Augen. „Bist du noch sauer auf mich?“, fragte ich leise und schaute zu ihm auf, traf auf einen verwunderten Blick, da er eine Braue in die Höhe gezogen hatte. Dann grinste er belustigt. „Nach all dem hier…?“ „Also muss ich mich demnächst einfach nur von dir ficken lassen, wenn du wütend auf mich bist?“, scherzte ich und er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht nicht jedes Mal“, meinte er, „aber wenn’s jedes Mal so ist, wie gerade, kannst du dich ruhig öfter entschuldigen!“ © ~*~*~*~*~ Ich hab es doch noch geschafft ein Kapitel zu schreiben^^! Mal sehen, ob ich das nächste auch noch schaffe, aber ich kann nichts versprechen!! Danke für eure Geduld und das Verständnis ^__^ Bis zum nächsten Pitel!! Shio Kapitel 30: "Absicht" --------------------- -30- „Absicht“ „Mach die Arme über den Kopf“, schlug Shou vor, rümpfte dabei dennoch angewidert die Nase und hielt mir die nächste Packung Taschentücher hin, die ich gleich öffnete und vorsichtig die trübe Flüssigkeit von Sakitos Mundwinkeln tupfte, als auch der vierte Anfall vorüber war. „Wie soll er denn die Arme über den Kopf machen, wenn er gerade kotzt?“, fragte Reita matt und schlug Shou mit der flachen Hand gegen die Stirn, „Du hast echt grandiose Einfälle, Meister…!“ „Das geht doch aber“, erwiderte Shou, „wieso erklärst du mich jetzt bitte für dumm, hä?“ „Weil er gerade definitiv nicht in der Lage ist, sich ohne seine Arme aufrecht zu halten, du Vollidiot!“ Da hatte Reita ausnahmsweise Recht. Hätte ich ihn nicht festgehalten und hätte Sakito sich nicht mit beiden Händen an die Kloschüssel geklammert, läge er jetzt lang gestreckt auf dem Boden und würde sich selber voll reihern. Stattdessen hing er nun, blass, wie eine Leiche und völlig kraftlos, über der Toilette und kotzte sich seit einer Dreiviertelstunde die Seele aus dem Leib. Wir hatten ja alle viel getrunken und auch mir war bereits leicht übel, aber ich wollte ja gar nicht wissen, wie viel Promille Sakito intus haben musste, wenn er dermaßen auf den Alkohol reagierte! Fürsorglich streichelte ich seinen Rücken und hielt ihn aufrecht, sodass er nicht den Boden küsste, atmete erleichtert auf, als der vierte Kotzanfall anscheinend vorüber war. „Ist es vorbei?“, fragte ich ebenfalls schon zum vierten Mal, doch Sakito schüttelte abermals den Kopf, unfähig, auch nur einen Laut über die Lippen zu bringen, der nicht entweder nach Würgen oder Röcheln klang. Reita drückte die Spülung der Toilette und ich zog Sakito ein wenig nach hinten, schlang die Arme um seinen Oberkörper und bettete den Kopf auf meiner Schulter. Er atmete unglaublich abgehackt und schnell und das machte mir ziemliche Sorgen. Tora kam nun endlich aus der Küche zurück und war mit einem großen Glas Wasser und Aspirin bewaffnet, doch ich bezweifelte stark, dass dieses länger als zehn Minuten in Sakito überleben würde, weil er es ohnehin wieder auskotzte, da war ich sicher. Er reichte mir das Glas und ich setzte es vorsichtig an Sakitos Lippen, atmete erleichtert auf, als dieser halbwegs sicher trank und das Glas fast bis zur Hälfte leerte. „Willst du dich erstmal hinlegen?“, fragte Tora, schaute den braunhaarigen besorgt an, doch der schüttelte prompt den Kopf und riss sich aus meinen Armen los, um sich erneut in die Kloschüssel zu übergeben und dabei nicht wirklich appetitliche Laute von sich zu geben. Kurz seufzte ich auf, ehe ich Sakito weiterhin abstützte und Reita anwies, mit den anderen den Raum zu verlassen – schließlich mussten wir dem armen Jungen ja nicht alle beim krepieren zusehen! Als wir endlich allein waren und ich ein wenig mehr Platz hatte, um mich neben Sakito zu knien, zog ich ihn gleich wieder in meine Arme, als auch der fünfte Anfall vorüber war. Überrascht war ich allerdings schon, als sich die dünnen Arme um meinen Nacken schlangen und er sich fest an mich drückte. Anscheinend war es nun doch endlich vorbei? „Alles okay? Ist es raus?“, fragte ich leise, spürte ein Nicken und wie er leise hustete. „Sag aber bitte vorher bescheid, wenn du wieder kotzen musst, ich will mich nicht unbedingt vollkotzen lassen…!“ Ich lehnte mich an die grau gekachelte Wand von Sakitos kleinem Badezimmer, hielt nun das völlig erschöpfte Bündel in meinen Armen und fragte mich, warum ausgerechnet ich hier saß, obwohl das eigentlich der Job eines anderen hätte sein sollen. Und der saß gerade nebenan auf dem Sofa, kämpfte mit seiner eigenen Übelkeit und motzte jeden an, der ihm auch nur ansatzweise einen Schritt zu nahe kam oder ihn gar ansprach. Ni~ya's schlechte Laune trug bestens dazu bei, mir meinen restlichen Abend zu verderben, deshalb hatte ich ihn gleich ganz weit weg geschickt, damit er die Sache hier nicht noch schlimmer machte, als sie es eh schon war. Denn das Letzte, was Sakito jetzt sicherlich ertragen würde, war wohl ein total genervter Ni~ya, der alles und jeden ohne wirklichen Grund zur Sau machte. Natürlich lag es an Sakito, daran bestand überhaupt kein Zweifel. Er war angepisst, weil Sakito sich (wohl wegen ihm) die totale Kante gegeben hatte und letztendlich mich gebeten hatte, ihm beim Kotzen ein wenig zur Hand zu gehen. Dass er Ni~ya nur den jämmerlichen Anblick hatte ersparen wollen, den er gerade abgab, hatte dieser natürlich mal wieder nicht verstanden. Allgemein erweckte Ni~ya immer öfter für mich den Eindruck, dass er simple Dinge in den völlig falschen Hals bekam. Das lag aber sicher nur daran, dass er gerade von seiner großen Liebe durch eine nicht gerade sehr dicke Wand getrennt war, an der sich mittlerweile dutzende von Klopapierrollen, Taschentuchpackungen und deren mit Kotzresten beschmierter Inhalt entlang stapelten, denn im Klo konnte man die ja schlecht runterspülen – schließlich wollten wir nicht auch noch eine Verstopfung riskieren, wenn Sakito alle fünf Minuten wie ein Rasensprenger die WC-Steine wässerte. Warum hatte er eigentlich drei Stück davon in seinem Klo hängen…? „Möchtest du irgendwas haben? Kann ich dir was bringen? Kann ich dich überhaupt in dem Zustand allein lassen?“, fragte ich besorgt und erntete nichts weiter als ein zaghaftes Kopfschütteln. „Also nicht allein lassen?“ Wieder ein Kopfschütteln. Also gut, dann würde ich eben bei ihm bleiben. Völlig geschwächt zog er sich ein wenig an mir hoch und brachte sich in eine bequemere Position, dann lehnte er sich wieder an mich und versuchte wohl seine hektische Atmung zu beruhigen. „Meinst du, du kriegst das Aspirin runter?“, fragte ich und deutete auf die Tablette, die ich noch immer in meiner Hand hielt. Sakito blickte leicht auf und blinzelte ein paar Mal, doch das leise Krächzen, das er daraufhin von sich gab, erinnerte doch stark an ein „Nein“ und so beließ ich es dabei, legte die Tablette beiseite und nahm ihn wieder in den Arm. „Willst du irgendwas loswerden…?“ Er hatte diese Frage wohl schon erwartet. Leise lachte er auf und festigte den Griff um meine Schultern, als würde er fürchten, in einen tiefen Abgrund zu fallen, wenn er sich nicht noch stärker an mir festhielt. Verwirrt blickte ich auf den braunen, zerzausten Haarschopf herab, der mir kurz darauf antwortete. „Warum fragst du nicht einfach nach dem Grund für mein totales Besäufnis?“, stellte er mir die Gegenfrage, sodass ich seufzte und ihn kurz leicht gegen den Hinterkopf schlug. „Ich kenn ihn glaub ich längst. Er hat schwarze Haare und sitzt im Wohnzimmer“, war meine trockene Antwort darauf, die Sakito selbst keineswegs überraschte. Es war ja ohnehin offensichtlich. „Da gibt’s nichts mehr zu reden“, murmelte er und schmiegte sich wieder an mich, ich konnte spüren, wie seine Wimpern meinen Hals streiften, als er die Augen schloss. Und irgendwie erinnerte mich dieser Moment an einen, den ich bereits vorher schon erlebt hatte. Es erinnerte mich daran, wie wir in seinem Wohnzimmer gesessen hatten, daran, wie er mich umarmt und angesehen hatte und… „Warum hast du mich letztens geküsst?“, fragte ich plötzlich völlig ungewollt, sodass ich mich gleich im nächsten Moment für meine Taktlosigkeit selber ohrfeigte. Solche Fragen konnte Sakito gerade wohl am allerwenigsten gebrauchen! Doch zu meiner Überraschung seufzte er, setzte wohl zum Sprechen an. „Ich wusste, dass du das irgendwann fragst“, meinte er, „aber leider hab ich darauf keine wirklich zufrieden stellende Antwort, weißt? Ich hab selber keine Ahnung… es kam so über mich… und es hat mir gefallen. Aber nur, weil ich an jemand anderen gedacht habe… und das tut mir Leid.“ „Ich versteh schon…“ Natürlich hatte er an Ni~ya gedacht. Er hatte getrunken, hatte sich allein gefühlt und war vollkommen in Selbstmitleid versunken gewesen. Da war ich natürlich genau richtig aufgetaucht, um ihn ein wenig aufzuheitern und ihm Nähe zu geben. Was sonst ja eigentlich Ni~ya's Job war. „Du küsst fast genauso wie er“, stellte er leise fest, „er ist auch manchmal so zurückhaltend…“ Nun begann er aber wirklich Scheiße zu labern! Seufzend schob ich ihn von mir und richtete mich etwas auf, lächelte ihn dann lieb an. „Wir gehen rüber, komm“, forderte ich ihn auf, doch er wehrte sich gegen meine Hände, die ihn auf die Beine ziehen wollten und lehnte sich wieder gegen die Kloschüssel. „Ich will aber nicht vor seinen Augen den Teppich voll kotzen“, murmelte er, „Was ist, wenn ich wieder brechen muss?“ „Ich kann aber nicht den ganzen Abend mit dir hier sitzen“, seufzte ich, „also entweder ich schick jemand anderen zu dir oder du kommst mit rüber. Was ist dir lieber? In deinem hübschen Wohnzimmer zu sitzen oder weiter vor der stinkenden Kloschüssel zu hocken?“ „Aber nicht weggehen“, nuschelte er leise und ließ sich endlich von mir auf die Beine ziehen, woraufhin ich einen Arm um ihn legte und ihn abstützte. Gemeinsam stolperten wir mehr oder weniger aus dem Badezimmer zurück ins Wohnzimmer, wo alle um den schmalen Wohnzimmertisch herum saßen, ein Bier vor der Nase hatten und irgendeine Erotiksendung im Fernsehen schauten. Ich verdrehte nur die Augen und pflanzte Sakito und mich auf das Sofa, auf dem lediglich Hiroto Platz genommen hatte und ein Stück beiseite rückte, damit Sakito sich hinlegen konnte. Er bettete den Kopf auf meine Beine und schloss die Augen, wollte anscheinend nicht zu Ni~ya auf dem Sofa gegenüber schauen und so versteckte er das Gesicht an meinem Shirt, das ich mir gleich, nachdem wir heimgekommen waren, übergezogen hatte, um nicht noch länger in dem engen Kimono zu stecken und mir endlich wieder ein wenig mehr Bewegungsfreiheit zu gönnen. „Kriegst du halbwegs Luft?“, fragte ich fürsorglich und streichelte ein bisschen durch Sakitos weiches Haar, erhielt ein Nicken und lächelte erleichtert. Ni~ya mir gegenüber war auch weiterhin mit seinem Glas beschäftigt und starrte ab und an zu dem seltsamen Film im Fernsehen, über den Tora und Shou sich am laufenden Band lustig machten. Tora, weil er einfach nicht hetero war und Shou, weil die ‚Bumsszenen so schlecht gemacht sind’. Reita achtete nicht wirklich auf den Film, sondern mehr auf Sakito und mich, während Hiroto beinahe seiner Müdigkeit erlag. Da fehlte wirklich nicht mehr viel! Tja, und dann waren da noch Kazuki und Yuuto, die ich an diesem Abend kennen gelernt hatte. Zwei Freunde von Sakito, die eher mit sich selbst beschäftigt waren, als mit dem Rest der hier Anwesenden. Sakito drehte sich etwas auf die Seite und legte einen Arm um meine Hüften, vergrub das Gesicht tiefer an meinem Bauch und atmete tatsächlich etwas ruhiger. Er schmuste sich regelrecht an mich, sodass ich keine Chance mehr hatte, mich noch irgendwie zu bewegen, ohne ihn fast von meinem Schoß zu schmeißen. Das war wohl nichts mit der Bewegungsfreiheit, denn die fehlte mir gerade auch ohne den Kimono! Reita betrachtete das Ganze etwas skeptisch, doch wurde sogleich von Tora und Shou mit in ihr ‚Erotikgespräch’ einbezogen, also konnte er mir nicht länger eifersüchtige Blicke zuwerfen. Irgendwie ja niedlich, aber bei Sakito brauchte er wirklich nicht eifersüchtig zu sein. Gut, dass er das mit dem Kuss nicht wusste… Plötzlich riss mich ein ekeliger Schmerz an meinem Bauch aus meinen Gedanken und ich schreckte leicht auf, gab einen total seltsamen Laut von mir und starrte perplex an mir herab. Sakito hatte doch tatsächlich einfach so in meinen Bauch gebissen! „Was soll das denn werden?“, zischte ich ihm zu, doch ihn störte meine Gegenwehr nicht und so biss er gleich noch mal zu, woraufhin ich bereits einige verwunderte Blicke auf mir spüren konnte. „Hör auf damit…!“ Sakito zeigte nicht den Hauch einer Reaktion, sondern machte es sich weiterhin gemütlich auf mir und ich spürte die stechenden Blicke Ni~ya's auf mir. Als würde er mich gleich umbringen wollen starrte er mich an, als ich einen kurzen Blick zum Sofa gegenüber wagte und schluckte trocken. Was sollte das werden? Warum tat Sakito das? Wusste er denn nicht eigentlich genau, dass das Ni~ya so gar nicht gefallen würde und dass der sowieso schon schlechte Laune hatte? Es würde dessen Gemüt sicherlich nicht gut bekommen, diese viel zu schmerzhaften Berührungen mit anzusehen, die er wohl viel lieber an sich selbst gespürt hätte. Und wieder biss Sakito mir in den Bauch, woraufhin ich leise aufzischte und versuchte, ihn von mir zu schieben. „Lass den Scheiß, Sakito“, klang Reitas dunkle und leicht gereizte Stimme durch den Raum, sodass Sakito sich etwas umdrehte und über seine Schulter lugte. „Ich mach gar nichts…!“ „Du hast mich gebissen!“, empörte ich mich, doch keine Sekunde später hatte er mir so fest in den Hintern gekniffen, dass ich leise aufschrie. „FINGER WEG VON MEINEM HINTERN!“ Als habe man einen Knopf gedrückt, ertönte ein lauter Knall und sämtliche Blicke wanderten zu Ni~ya, der sein Glas so hart auf den Tisch gestellt hatte, dass nun ein riesiger Sprung darauf zu sehen war. Wütend stand er auf und schlug den Weg richtung Haustür ein. „Wo willst du bitte hin?“, fragte Reita nun ein wenig ruhiger und blitzte damit eiskalt bei dem schwarzhaarigen ab, denn der beachtete ihn nicht einmal und öffnete die Tür zum Flur, wollte schon nach seiner Jacke greifen. „Ni~ya!“, rief Reita noch einmal, doch wieder keine Reaktion. Ich merkte, wie Sakito auf meinem Schoß unruhiger wurde und sich gänzlich umdrehte, dann stieß er sich von meinen Beinen ab und setzte sich aufrecht hin. Und dann stand er einfach auf, lief auf wackeligen Beinen zur Tür und zog diese kurzerhand hinter sich zu, womit er bestimmt das halbe Wohnhaus geweckt hatte. Perplex starrte ich ihm nach und hob eine Augenbraue, als ich irgendwelches unverständliches Gebrüll seitens Ni~ya hörte, dann jedoch seufzte ich und machte mich selbst auf dem Sofa breit. „Das war Absicht“, stellte Reita nüchtern fest und krabbelte zu mir auf die Couch, legte sich zwischen meine Beine und ließ eine Hand Besitz ergreifend zu meinem Hintern wandern. „Aber gefallen hat mir das trotzdem nicht…!“ „Was war Absicht?“, wollte ich wissen, „Dass Saki mich befummelt hat?“ „Er wollte Ni~ya nur auf sich aufmerksam machen“, grinste Reita, „und er weiß halt, wie er’s anstellen muss. Was starrst du mich so dämlich an, Rotschopf?!“ Kazuki, der uns beide bis eben noch wie gebannt angegafft hatte, blinzelte nun irritiert, ehe er sich wieder mit Yuuto beschäftigte, den das Ganze eigentlich die ganze Zeit über nicht wirklich interessiert hatte. Müde vergrub er das Gesicht an meiner Halsbeuge und hauchte sanfte Küsse auf meine Haut, die mich wohlig seufzen ließen. „Meinst du, sie brüllen sich jetzt die ganze Zeit an oder kriegen sie sich wieder ein?“, fragte ich leise, während ich seine Berührungen genoss und den Kopf entspannt in den Nacken legte. „Keine Ahnung“, murmelte er gegen die nasse Spur auf meiner Haut, die seine Zunge hinterlassen hatte, „ist doch egal…“ Mit dieser Antwort gab ich mich mehr als zufrieden und ich ließ ihn weitermachen, belohnte ihn immer mal wieder mit wohligem Schnurren und kraulte seinen Nacken und die Schultern. Bald überzog auch seinen Rücken eine Gänsehaut, als ich unter dem dünnen Shirt, das er unter seinem Kimono getragen hatte, die weiche Haut streichelte. Dass er gerade nur in Shorts und diesem Shirt auf mir lag, blendete ich einfach mal dezent aus. Es vergingen einige Minuten, bis die Tür wieder aufging und die beiden zurück ins Wohnzimmer traten. Diesmal hatte Ni~ya einen Arm um Sakito gelegt und stützte ihn ab, da dieser wieder auf bedrohlich wackeligen Beinen lief und auch sein Gesichtsausdruck war nicht mehr ganz so grimmig, wie zuvor. Anscheinend war das Gespräch doch noch gut ausgegangen… Wortlos führte Ni~ya den kleineren durch das Zimmer zurück auf seine Couch, wo er ihn vorsichtig hinlegte und ich sah, wie Sakito sich flüchtig die Tränenspuren von den Wangen wischte, da er gerade offenbar geweint hatte. Ni~ya setzte sich an den Sofarand und lehnte sich mit einem Arm gegen die Rückenlehne, stützte mit diesem dann seinen Kopf ab und streichelte mit der anderen Hand über Sakitos Bauch. Was war denn nun kaputt? Hatten sich die beiden etwa doch wieder gefunden…? „Starr nicht so auffällig da hin“, flüsterte Reita mir ins Ohr, zu dem er sich heraufgeküsst hatte und ich blinzelte kurz, drehte den Kopf dann wieder zu ihm und beobachtete sie weiter aus den Augenwinkeln. Was ich sah, veranlasste mich beinahe zu Freudensprüngen und Jubeln, doch das wäre wohl etwas auffällig gewesen und vor allem Ruhestörung. Sakito hatte eine Hand in Ni~ya's Nacken gelegt und zog ihn nun langsam zu sich herab. Ni~ya ließ es sich gefallen, folgte der stummen Aufforderung und stützte sich auf dem Sofa ab, schloss dann langsam die Augen und legte die Lippen auf die seines Freundes. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen in dem Zimmer, Shou und Tora hatten aufgehört sich über den Porno zu beschweren – es lief ja ohnehin gerade Werbung – und selbst Hiroto schien durch irgendwelche übersinnlichen Mächte zugeflüstert bekommen zu haben, dass sich gerade ein Ereignis abspielte, das wohl niemand an diesem Abend mehr erwartet hatte. Mit einer Zärtlichkeit, die ich Ni~ya, der ja sonst eigentlich so prüde war, überhaupt nicht zugetraut hatte, küsste er Sakito und streichelte währenddessen sanft über dessen Wange, entlockte Sakito ein leises Seufzen und hätte wohl ein Lächeln bekommen, wenn sie nicht beide zu sehr in diesen Kuss vertieft gewesen wären. Es sah unglaublich schön aus, wie die beiden ihre Zärtlichkeiten austauschten und es verwunderte mich nicht, dass für eine Weile alle Blicke im Zimmer auf sie gerichtet waren. Selbst Reita hatte aufgehört, sich an meinem Hals festzusaugen und schaute nun zu den beiden herüber. Der erste, der sich wieder regte, war Tora, der Shou unsanft mit dem Ellbogen in die Seite schlug und ihn darauf aufmerksam machte, dass der Film weiterginge. Nun waren sie wieder vollkommen abgelenkt und vertieft in ihre Diskussionen, und auch Hiroto schloss einen Moment später die Augen wieder und döste vor sich hin. Kazuki und Yuuto taten es ihm überraschenderweise gleich, machten es sich auf den Matratzen gemütlich, die Sakito für uns freundlicherweise auf dem Boden ausgelegt hatte, damit auch jeder einen Schlafplatz aufsuchen konnte, falls der Alkohol die Überhand nahm. Und das schien er langsam aber sicher auch bei mir zu tun. „Ich bin müde“, murmelte ich meinem Freund zu, der sich nun langsam wieder von mir erhob und mich mit sich in eine aufrechte Position zog. „Willst du schlafen gehen?“ Ich nickte, kramte das Bettzeug hinterm Sofa hervor, das Sakito dort bereitgelegt hatte und breitete es auf dem gemütlichen, großen Sofa aus, ehe ich mich wieder hinlegte und Reita sich gleich neben mir platzierte. Ein Hoch auf das Einmetersofa! „Süß, die beiden, oder?“, grinste ich freudig, als ich erneut zu Sakito und Ni~ya herüberschielte, die nun beide ebenfalls auf dem Sofa ausgestreckt lagen und der schwarzhaarige den anderen fest im Arm hielt. Sakitos Gesichtsausdruck wirkte trotz der geschlossenen Augen unglaublich zufrieden und glücklich, denn Ni~ya schien endlich eingesehen zu haben, dass es an der Zeit war, dem kleineren zu vergeben. Man konnte ja schließlich nicht ewig nachtragend sein…! Dann öffnete Sakito plötzlich die Augen und blickte direkt in meine. Kurz blieb sein Blick ausdruckslos, dann jedoch zierte ein sanftes Lächeln seine Züge und ich wusste, was er mir damit sagen wollte. Er war mir dankbar. Dankbar dafür, dass ich für ihn da gewesen war, dass ich ihm die Nähe gegeben hatte, die ihm gefehlt haben musste, dass ich ihm an diesem Abend doch noch dazu verholfen hatte, seine Liebe zurück zu gewinnen und dafür, dass ich sein glückliches Lächeln erwiderte. Ich war ihm für nichts böse, was er getan hatte. Liebe machte nun mal blind und trieb einen öfter dazu, Dinge zu tun, von denen man selbst keine Ahnung hatte, warum man sie tat. Ich hatte es ja selbst bereits erlebt, wem konnte ich da noch verübeln, dass mal der ein oder andere Ausrutscher passierte? „Ich liebe dich.“ Diese Worte hatte ich ganz genau von Ni~ya's Lippen ablesen können, der sich zu dem Ohr seines Freundes heraufgebeugt hatte und zu leise sprach, als dass ich ihn hatte verstehen können. Doch Sakitos Lächeln verriet alles und der Kuss, den er Ni~ya stahl, war wohl seine Art, darauf zu antworten. Schließlich erlosch mit dem Fernseher das letzte bisschen Licht im Raum, als Tora und Shou der Porno wohl zu langweilig geworden war und Hiroto sich ebenfalls auf den Boden verzogen hatte, um es sich auf einer der Matratzen gemütlich zu machen. Nun konnte ich endlich meinem geliebten Schönheitsschlaf nachgehen…! „Schlaf schön, kleine Schönheit“, wisperte Reita nah an meinem Ohr und ich spürte sogleich das angenehme Kribbeln auf meiner Haut, was mich grinsen ließ. „Du auch“, antwortete ich ihm ebenso leise, tastete blind nach seinen Lippen und küsste ihn zärtlich, schmiegte mich noch näher an ihn. „Ich liebe dich“, murmelte ich noch, doch die Antwort bekam ich schon gar nicht mehr mit. Aber es reichte mir, dass ich wusste, dass sie da war… © Kapitel 31: Von Regen und Stille -------------------------------- -31- Von Regen und Stille „Wow, das ist ja geil!“, staunte ich, als ich Hirotos Geschenk endlich ausgepackt in den Händen hielt und es staunend betrachtete, „Machst du sowas als Hobby?“ „Hab’s mal von meiner Mutter gelernt“, antwortete er und grinste verlegen, ehe er erneut genüsslich in sein Brötchen biss und dazu Tee schlürfte. Ich hielt den bemalten und mit Steinchen verzierten Spiegel etwas höher, um mich darin betrachten zu können und strich mit einem Finger über die Farbe an den Rändern. „Womit ist das gemacht?“, fragte ich, strich mir einige Strähnen zurecht, die noch immer von meinem äußerst angenehmen Schönheitsschlaf abstanden. „Ölfarben“, antwortete mir Hiroto, „aber ich musste sie mir von meiner Mutter klauen, weil eigentlich darf ich da gar nicht ran…!“ „Du Dieb“, grinste Shou, der sich gerade wieder von seinem Hustenanfall beruhigt hatte, da wohl ein Stück Sesam von seinem Vollkornbrot in die Luftröhre geraten war. „Ich will auch mal sehen“, meinte Sakito mir gegenüber verschlafen und streckte die Hand nach dem Spiegel aus, doch ich hielt ihn gleich ein paar Zentimeter auf Sicherheitsabstand. „Nichts da“, murrte ich, „so verpennt, wie du noch bist, zerdepperst du ihn doch sofort, wenn du den nur in die Finger kriegst!“ Ni~ya neben Sakito lachte herzlich auf, während dessen Freund nur mürrisch den Kopf auf die Arme legte, die er auf dem Tisch abgestützt hatte und gähnend die Augen schloss. Plötzlich schreckten alle zusammen, als hinter uns ein schepperndes Geräusch erklang und kurz darauf ein Aufschrei, sowie ein nicht ganz jugendfreies Fluchen. „Verfickte Schublade!“, schrie Tora das arme, unschuldige Stück Holz an, dessen Halterungen soeben den Geist aufgegeben hatten. Nun lagen tausende von Gabeln, Messern, Löffeln und ein Paar Socken (von dem ich nicht wirklich wusste, was es in der Besteckschublade zu suchen hatte) auf dem Boden vor dem schwarzhaarigen verteilt und ernteten viele hübsche Schimpfwörter. „Du hast meine Schublade geschrottet“, stellte Sakito trocken fest, schaute beinahe teilnahmslos zu, wie Kazuki Tora half, das Besteck wieder einzusammeln und gähnte erneut. „Als wenn dich das gerade interessieren würde“, gab Ni~ya unbeeindruckt zurück, „du kriegst doch eh nichts mit im Moment…“ „Wen muss ich retten?“, erklang dann auf einmal total unerwartet Reitas Stimme aus Richtung Türrahmen und verwundert blinzelte ich zu ihm herüber, wie er mit nassen Haaren und einem Handtuch um die Schultern an das dunkle Holz gelehnt dastand und ein amüsiertes Gesicht über Toras nach wie vor andauerndes Fluchen machte. „Da ist man mal fünf Minuten duschen und schon bricht einer das ganze Haus um einen rum ab“, seufzte er, trat zu Tora und der Schublade heran und schaute sich das Ganze genauer an. „Als ob dir das nicht auch hätte passieren können, du Arschloch“, fauchte Tora ihn an, doch Reita winkte unbeeindruckt ab und brachte mich unweigerlich zum Lachen. Er war ja so ein Komiker…! Lässig drehte Reita an einer Schraube in der Halterung und hämmerte ein wenig auf die Schublade ein, die auseinander zu fallen drohte und befestigte ihre Wände wieder aneinander, ehe er die Schublade zurück in die Halterung schob und Tora schmunzelnd anschaute. „Du bist mein Held“, gab der daraufhin mehr als trocken zurück, stand auf und lief zielstrebig zur Kaffeemaschine. Während Kazuki noch immer das Besteck fleißig einsortierte und Yuuto nun als nächster auf in die Dusche trabte, setzte sich Reita zu mir und schnappte sich meine heiße Milch, um einen Schluck davon zu trinken. „Schön, dass du fragst, natürlich geb ich dir gern einen Schluck ab, mein Schatz“, scherzte ich, kniff ihm frech in die Seite, sodass er sich beinahe an dem heißen Getränk verschluckt hätte. „Mach das noch mal und dir wird wärmer im Schritt“, warnte er mich, hielt die Tasse bedrohlich schief über meinen Beinen fest und grinste mich herausfordernd an. „Du Kleinkind, fällt dir echt nichts Besseres ein, um mir Angst zu machen?“, forderte ich ihn heraus, erhielt nur ein Schnauben als Antwort und bekam auch endlich meine Tasse zurück. „Gehst du heute echt nach Hause zurück?“, fragte er leise, nachdem er sich etwas zu mir gebeugt hatte und sicher war, dass auch jeder in irgendein Gespräch vertieft oder – wie in Sakitos Falle – wieder eingenickt war. Ich musste nicht lang nach einer Antwort suchen. Irgendwann musste ich mal wieder zurück nach Hause, ansonsten konnte ich mir kein Bild davon machen, was meine Mutter in letzter Zeit wieder so angestellt hatte oder ob sie schon irgendeine Suchanzeige nach mir aufgegeben hatte, weil ich nie nach Hause kam. Nun war es schon knapp eine Woche her, dass ich das letzte Mal zuhause gewesen war und sicherlich würde sich auch eine Alkoholikerin irgendwann fragen, wo denn eigentlich ihr Sohn steckte. „Ich muss“, antwortete ich deshalb, „ich brauch sowieso noch ein paar Sachen. Kommst du mit?“ Ein kurzes Nicken, das mir seine Zustimmung deutete und ich lächelte zufrieden, widmete mich dann wieder meinem halb aufgegessenen Toast und schaute mich derweil in meinem neuen Spiegel an, den Hiroto mir geschenkt hatte. „Ich sollte mich dringend abschminken, ich seh aus wie frisch dem Grabe entsprungen“, stellte ich trocken fest, woraufhin mir Tora den Spiegel entriss und sich selber darin anschaute. „Selbst ich seh scheiße aus“, sagte er entsetzt, „der muss irgendwie verflucht sein oder so, weil eigentlich kann ich gar nicht scheiße aussehen…!“ „Red keinen Scheiß und stell den Spiegel weg, nachher explodiert er noch in deinen Händen oder sowas“, warf Hiroto ein, ehe er sich wieder seinem Frühstück widmete. Nach ein paar Minuten kam auch Yuuto fertig geduscht aus dem Bad in die Küche zurück und Sakito und Ni~ya waren die nächsten, die im Bad verschwanden und so schnell wohl nicht mehr rauskommen würden, denn Sakito konnte nicht einmal allein auf zwei Beinen stehen, ohne bedrohlich zu wanken. Man hatte noch mitbekommen, dass sie irgendwas von baden geredet hatten und schon war die Tür hinter ihnen geschlossen. „Wir sollten los“, sagte ich daraufhin an Reita gewandt,, „sonst wird’s zu spät. Hatte Saga gesagt, dass ich gegen Mittag zurück bin und es ist schon halb elf…“ Dieser trank mit einem Zug seine Milch aus und stand dann auf, winkte den anderen kurz zum Abschied zu und auch ich verabschiedete mich mit einem freundlichen Winken und einem breiten Lächeln – und natürlich einem Dankeskuss auf Hirotos Wange für den Spiegel. „Ich hol ihn später ab, okay? Nachher geht er noch kaputt. Wir sehen uns dann!“ Eine Viertelstunde später waren wir bereits auf dem Weg zu meinem trauten Elternhaus, liefen gerade am Park vorbei richtung meiner Straße. „Ich wette, sie hat sich wieder total abgeknallt“, sagte ich müde und rieb mir das ohnehin schon verschmierte Make-up noch mehr um die Augen, als ich den Schlaf daraus entfernte. Dass ich in dem Aufzug, in dem ich gerade rum lief – Reitas schwarzer Pulli mit dem ‚Anti Hip-Hop Alliance’ –Aufdruck, weite Jeans, verschmierte Schminke und ungekämmte Haare – wie ein Penner wirken musste, war mir vollkommen egal. Reita sah schließlich genauso aus. Nur, dass er ein zu großes Shirt trug, statt einem Pulli. Und darauf stand ‚Dirty Devil.’ Und so sah er auch aus… „Würde sie das mal mit was anderem, als Alkohol tun“, grinste Reita frech, woraufhin ich ihm einen Ellbogen in die Seite stieß. „Red keinen Blödsinn, dann stecken die mich am Ende noch ins Heim oder glauben, ich sei der Mörder und dann muss ich in den Knast“, scherzte ich, „würdest du das wollen?“ „Um keinen Sex der Welt“, lautete die äußerst belustigende Antwort und ich schmunzelte. Und der nächste war einer dieser Momente, in denen ich mich fragte, warum ausgerechnet ein Tag, der ohne Übelkeit und Kopfschmerzen nach einer durchzechten Nacht begonnen hatte, doch noch eine üble Wendung nehmen musste. Nicht einmal zwanzig Meter weiter kam gerade jemand um die Ecke gebogen, den mein ohnehin schon total überlastetes Gemüt heute keinesfalls würde ertragen können. Meine Hand krallte sich unweigerlich in Reitas Shirt, sodass auch dieser bemerkte, wen meine müden Augen da gerade erblickt hatten und als hätte man einen Knopf gedrückt, ertönte von uns beiden gleichzeitig ein leises, aber genervtes Stöhnen. Aoi hatte wohl schon von irgendwo aus auf uns gewartet und steuerte geradewegs auf uns zu. „Du!“, rief er zu mir herüber, streckte einen Arm aus und zeigte mit dem nackten Finger auf mich, seine Gesichtsfarbe hatte einen leicht rötlichen Ton angenommen und ich fragte mich, warum er eigentlich immer ausgerechnet dann irgendwo auftauchte, wenn ich auch dort anwesend war. Das war bestimmt Absicht! „Fühl dich bloß nicht angesprochen“, murmelte Reita mir zu und ich grinste matt, blieb dann jedoch stehen und hielt meinen Freund schon mal vorsichtshalber am Saum seines T-Shirts fest, falls Aoi wieder irgendeinen Spruch ließ, der ihn zum ausrasten brachte. „Hast du Drogen genommen gestern, huh?! Hast du nen Vollschaden oder so davongetragen von dem ganzen Alk, den du säufst, ja?!“ Erst jetzt bemerkten wir beide, dass er die ganze Zeit mit Reita redete und blieb nun genau vor diesem stehen, starrte ihn wütend und ungläubig zugleich an. „Ey, ey, kommst du mir grad blöd oder was, du Affe?“, grinste Reita, ballte schon die Hände zu Fäusten und ich verdrehte die Augen. Hatte Aoi eigentlich noch immer nicht kapiert, dass diese Masche bei Reita nicht zog? Wenn er nicht aufpasste, hatte auch er bald eine sitzen! „Pass besser auf, dass du das nicht auch tust!“, keifte Aoi, schubste Reita plötzlich so stark, dass er kurz taumelte, sich jedoch schnell wieder fasste und einen bedrohlich großen Schritt auf Aoi zumachte. „Schluss jetzt!“ Ich hielt meinen Freund fest und hauchte ihm einen kleinen Kuss auf den Nacken, flüsterte ihm leise ins Ohr, dass er sich besser beruhigen sollte und bloß keine Prügelei hier in meiner ‚Heimatstraße’ anzetteln. Das war wirklich nicht das Beste… „Was sollte das gestern, Uruha?!“, platzte es aus Aoi heraus, „Hast du diesen Widerling nicht besser im Griff, nein?! Geht er gleich auf alles los, was dir auch nur zu nahe kommt? Schlägt er jeden zu Brei, der sich nur mal ernsthaft mit dir unterhalten will, ja?!“ „Spielst du auf Ruki an?“, fragte ich ihn direkt und er streckte einen Arm aus, zeigte auf sein Haus, das sich direkt um die Ecke hinter der großen Buschwand befand. „Der sitzt immer noch völlig aufgelöst in meinem Zimmer, weil er sich gestern nicht mehr nach Hause getraut hat wegen seinen Eltern und seiner gebrochenen Nase! Hast du eigentlich den Knall nicht gehört oder warum lässt du diesen Widerling da einfach so auf ihn los?! Und das auch noch ohne irgendeinen vernünftigen Grund! Das ist das Letzte, echt!“ Während Aoi sich derart in Rage geredet hatte, stand Reita einfach nur mit offenem Mund hinter mir und hatte eine Weile gebraucht, bis er einfach zu lachen anfing. „Der Zwerg hat dir aber nicht alles erzählt, oder?“, bohrte ich nach, traf auf ein kurzzeitig verwirrtes Augenpaar. „Er war dort, er wollte mir dir reden und dein Schlägerfreund hat ihm ohne Grund einfach so eine verpasst! Und jetzt erzähl mir nicht, dass es anders war…!“ Kurzerhand trat Reita hinter mir etwas hervor und baute sich vor Aoi auf, schaute diesen überlegen an. „Ich schlage keinen ohne Grund“, raunte er mit bedrohlich leiser Stimme, „ich seh es nur nicht so gern, wenn mein Freund von wem anders geküsst wird! Kann mir nicht vorstellen, dass dir das am Arsch vorbeigehen würde, wenn deiner Perle sowas passiert, oder?“ Stille. Scheinbar dachte Aoi gerade tatsächlich ernsthaft darüber nach, ob er dieser kleinen Lüge von Reita Glauben schenken sollte. Eigentlich war es ja nicht falsch, dass Ruki und ich uns geküsst hatten, nur, dass er die Tatsachen ein klein wenig verdreht hatte. Nur ein kleines bisschen…! „Und wenn schon“, spie Aoi verächtlich aus, „das ist noch lange kein Grund, ihm die Nase zu brechen und vor dem ganzen Club bloßzustellen, oder?!“ „Hat diese Lusche dich eigentlich extra hier auf die Straße geschickt, damit du mich zur Schnecke machen kannst?“, fuhr ich Aoi schließlich an und schubste ihn ein Stück nach hinten, da er mir eindeutig zu nah bei meinem Freund stand. „Nein“, fauchte er, „ich hatte nur das Bedürfnis, dir mal ordentlich die Meinung zu geigen! Ich find es abscheulich, wie du dich benimmst! Früher hast du Alkohol nie angerührt und jetzt trinkst du es bestimmt auch wie Wasser zum Frühstück! Würde mich nicht wundern, wenn du demnächst besoffen in der Schule auftauchst und der Lehrer dich hochkant wieder rausschmeißt! Bald fliegst du von der Schule, wenn du so weitermachst!“ „Du klingst ja wie meine Alte“, gab ich ebenso angewidert zurück. „Da wolltest du doch eh gerade hin, nicht?“, meinte er dann und deutete auf den Rucksack, den ich dabei hatte, um ein paar Sachen darin mitgehen zu lassen, „Bist du jetzt endgültig ausgezogen oder so? Du lässt dich ja überhaupt nicht mehr bei der armen Frau blicken! An ihrer Stelle würde ich mich echt schämen für so einen Sohn!“ „Ich schäme mich auch, dass ich so ne Mutter wie die habe“, meinte ich gelassen, „und könntest du dich bitte aus MEINEN Angelegenheiten raushalten, ja? Ich mische mich schließlich auch nicht in dein Leben ein!“ Aoi schnaubte verächtlich und schüttelte leicht den Kopf. „Du hast mich sowieso nie danach gefragt, ob ich ein Problem habe und ob du mir helfen kannst, wenn es mir mal schlecht ging! Dazu warst du dir immer zu fein, nicht? Nein, du hast immer nur uns etwas vorgeheult, wir waren so nett und haben nachgefragt, wenn es dir mies ging, und dann zugehört und schließlich irgendeinen Ratschlag gegeben, damit du zufrieden warst! Und jetzt, wo es deinem besten Kumpel schlecht geht und du selbst auch noch dran schuld bist, rennst du einfach davon und zeigst nicht mal einen Hauch von Reue über das, was gestern Abend passiert ist! Hör zu, ich will echt nicht dein Kindermädchen spielen“, knurrte er, „aber wenn ich noch einmal mitkriege, dass du deinen ehemals besten Freund derart fertig machst, mach ich DICH fertig, hast du kapiert?“ „Uh“, machte ich gespielt beeindruckt, „das kannst du? Dann wärst du ja genauso ein ‚Schlägertyp’, wie mein Freund es angeblich ist…! Ich bin entsetzt!“ „Da siehst du mal, wie du denkst“, lachte er auf, „ich benutze keine Fäuste, um jemanden fertig zu machen!“ „Fertig machen ist fertig machen“, mischte sich plötzlich Reita ins Gespräch ein, „und wie man das anstellt, ist egal. Pass nur auf, dass du dir neben mir nicht noch ein paar Zecken auf den Hals hetzt!“ „Oh, hat Uruha sein persönliches Wachpersonal?“, fragte Aoi höhnisch, trat einen Schritt zurück, da Reita tatsächlich einen ziemlich beängstigenden Blick aufgesetzt hatte. „Nein“, gab mein Freund schließlich zurück, „nur Freunde, die sich dafür interessieren, von wem er fertig gemacht wird und ob er Hilfe braucht! Ein Punkt, in dem du jämmerlich versagt hast, würde ich meinen. Jetzt zieh Leine, Kurzer, ich hab keinen Bock nass zu werden…“ Kurz schaute ich auf die Straße und bemerkte, dass es wirklich zu regnen begonnen hatte und seufzte genervt. Aoi sagte noch irgendetwas, aber ich beachtete ihn nicht weiter, ließ mich liebend gern von Reita mitziehen in Richtung meines Elternhauses. „Vollidiot“, murmelte ich, bekam von meinem Freund kurze Zustimmung und wurde dann zu ihm gezogen. „Denk nicht drüber nach“, riet er mir, „nachher glaubst du dem Affen noch, was er gesagt hat. Er ist n Spasti und hat keine Ahnung, wen er mit dir als Freund verloren hat, das ist alles.“ „Danke…“ Lieb lächelte ich ihn an, schaute kurz über meine Schulter und stellte fest, dass Aoi verschwunden war. Wahrscheinlich wieder ins Haus gegangen, um klein Ruki zu trösten. Sollte mich nicht kümmern, ich hatte nun anderweitig zu tun – es galt als nächstes, das Phänomen, das sich meine Mutter nannte, gekonnt zu übersehen und währenddessen ein paar frische Klamotten einzupacken, damit Saga mir nicht andauernd welche leihen musste. Ich ging ihm sicherlich schon auf die Nerven mit meinem ewigen Gebettel nach Socken und Schlafshirts… „Bist du sicher, dass sie überhaupt zuhause ist?“, fragte Reita mich unsicher, als wir auf der Auffahrt angelangt waren und den schmalen Weg zur Haustür betraten. Nirgendwo brannte Licht, obwohl es recht düster draußen war, da es ja regnete, und oben in ihrem Schlafzimmer konnte ich sehen, dass die Jalousien runtergelassen waren. Ebenso im Badezimmer. Das tat sie doch sonst nie…? „Woher soll ich das wissen?“, fragte ich deshalb zurück, klingelte schließlich. „Ich hab auch gar keine Lust, mich hier lange aufzuhalten. Nur Sachen holen und wieder verschwinden“, erklärte ich knapp, schmiegte mich an meinen Freund und gab ihm einen kurzen Kuss, den er erwiderte und verschmitzt grinste. „Wenn deine Alte uns so sieht, wirft sie dich für immer raus“, schmunzelte er und piekste mir in die Seite. „Soll sie doch“, gab ich trocken zurück, klingelte schließlich noch einmal, da noch immer niemand geöffnet hatte. So langsam fragte ich mich tatsächlich, ob sie überhaupt zuhause war? Wieder warteten wir eine Zeit, doch es tat und tat sich einfach nichts. Wo zum Teufel steckte sie also? Zum Spaß legte ich einfach die Hand an die Türklinke, drückte sie herunter, und… „Warum ist die Tür offen?“, fragte Reita kritisch und auch ich begann mir nun ernsthaft Gedanken zu machen. Was, wenn sie tatsächlich irgendwo mit ner Alkoholvergiftung herumlag? Was, wenn bei uns eingebrochen wurde und man sie dabei nebenbei aus dem Weg geräumt hatte? Mir spukten plötzlich die unmöglichsten Gedanken im Kopf herum, obwohl ich in meinem Unterbewusstsein doch wusste, dass es völliger Schwachsinn war. Und trotzdem hatte ich ein richtig mulmiges Gefühl. „Die schläft bestimmt nur und hat die Tür nicht gehört“, murmelte ich leise, als ich sie aufdrückte und einen Fuß in den Flur setzte. „Und da lässt sie einfach so unachtsam die Haustür offen?“ Reita hatte Recht. Das war total absurd. Unvorsichtig und dumm. Mir wären hunderte von Begriffen eingefallen, mit denen ich diese dämliche Tatsache hätte beschreiben können, wäre ich nicht gerade viel zu aufgewühlt, weil mir das hier alles so seltsam vorkam… Langsam trat ich also in die Wohnung und schaute mich um. „Mom?“ Und als nach einer knappen Minute noch immer keine Antwort gekommen war, schluckte ich trocken. In der Küche sah alles wieder genauso aus, wie damals, bevor Reita und ich sie aufgeräumt hatten. Das Wohnzimmer war spärlich beleuchtet, die Jalousien wie immer heruntergelassen, damit die Nachbarn nicht hineingaffen konnten und der Fernseher lief. Von meiner Mutter allerdings keine Spur… „Ich find das nicht witzig“, murmelte ich, schaute mich nochmals um und rief nach ihr. Reita währenddessen hatte ich irgendwo im Flur stehen lassen und ich hörte, wie er nun ebenfalls die Türen öffnete, um nachzusehen. Doch auch er schien nicht fündig zu werden, da er nicht nach mir rief und ich auch keinen entsetzten Aufschrei meiner Mutter hörte, was denn dieser Fremde bitte in ihrer Wohnung zu suchen hatte. Verdammt… ich bekam langsam Schweißausbrüche und Wahnvorstellungen. Warum war die Wohnung unabgeschlossen, warum lief der Fernseher und warum sah alles so aus, als habe sie es gerade eben erst wieder unordentlich gemacht, wenn sie nicht hier war? Es roch sogar noch nach Zigaretten und Alkohol, eine angebrochene Flasche Bier stand neben ihrem Sofa und die Zeitung lag offen auf dem Tisch. Es war wie in einem schlechten Krimi. Und dennoch redete ich mir immer noch ein, dass es alles nur ein schlechter Scherz war und dass sie gleich von irgendwo herkommen und mich anschreien würde, wo ich die ganze Zeit über gesteckt hatte und wie ich es wagen könnte, mich mit diesem Punk hier blicken zu lassen, und das in meinem Aufzug. Aber stattdessen erhielt ich auch beim dritten Rufen keine Antwort. „Uruha…“ Ich erschrak, als ich die Stimme meines Freundes vernahm, obwohl ich doch gewusst hatte, dass er noch im Flur war. Sie klang erschrocken, ungläubig… vielleicht sogar ein bisschen ängstlich? Mir trieb es den Angstschweiß erneut auf die Stirn. Und zwar in rauen Mengen. Warum war seine Stimme so? Warum rührte er sich nicht, stand einfach nur da, vor der Kellertreppe und starrte herab…? Warum trugen meine Beine mich nur so unglaublich langsam vorwärts, um endlich sehen zu können, warum er immer blasser wurde? Vielleicht war es tatsächlich die Vorahnung über das, was ich dort finden würde. „Verdammte scheiße“, heulte ich und wischte mir zum zigsten Mal über die laufende Nase, „so eine verfickte scheiße! SCHEIßE!“ Reita krallte die Finger in seine blonden Haare, als er zusammengekauert neben mir auf dem Sofa hockte und einfach nur geradeaus starrte. Die Idylle war vorbei. Mein Familienleben von früher erschien mir vor Augen, ich sah mich als kleines Kind mit meiner Mutter spielen, meinen Vater rauchend am Frühstückstisch sitzen und Zeitung lesen, ihn im Sommer den Rasen mähen und meine Mutter die Wäsche aufhängen. Ich sah mich Hausaufgaben machen, die ich von meinem ersten Schultag mit heim gebracht hatte, ich sah uns drei zusammen für schwierige Prüfungen lernen und meinen Vater am Klavier sitzen, sah ihn spielen, während ich meine Lieblingsbücher las. Das Wohnzimmer war sauber und hell von der Sonne, die Küche blitzblank gewesen und es hatte immer gut gerochen. Nach Essen, nach Plätzchen, nach irgendwelchem kitschigen Duftöl… Jetzt war alles dunkel und grau. Ich konnte nur noch Gestank vernehmen, alles sah hässlich aus und war dreckig, staubig und unaufgeräumt. In der Küche schimmelte das Obst und im Wohnzimmer verpestete der Biergeruch die Luft. Und mittendrin saß ich, fragte mich, warum das alles ausgerechnet mir passieren musste. Mit wem dieses Unglück gekommen war. Womit ich all das bloß verdient hatte. Bis zu dem Tag, wo mein Vater verschwunden war und meine Mutter sich betrunken hatte, war ich alles noch einmal durchgegangen, was mir in Erinnerung geblieben war von damals. Und nun sah ich die letzten Wochen vor mir, wie ich von ihr geschlagen worden war, wie sie mich eines Tages rausgeworfen hatte und wie ich meine alten Freunde nach und nach verloren hatte. Mit einem Mal schien mein Leben nichts Positives mehr gehabt zu haben, bis auf den einzigen, kleinen Lichtblick, bis auf denjenigen, der mir alles um Welten erleichtert hatte. Der mir geholfen hatte, etwas Neues aufzubauen, mit dem ich das Alte zu ersetzen versucht hatte. Meine alten Freunde waren leicht zu ersetzen gewesen, was mich selbst überrascht hatte, doch meine Familie – meine alte Familie – konnten sie nicht ersetzen. Sie konnten mir nur Unterstützung geben, die mir von meinen Eltern nicht entgegen gekommen war, als es mir mal schlecht ging. Ihnen hatte ich niemals etwas erzählt, hatte mich ihnen kaum anvertraut, hatte ihnen ein guter Sohn sein und viel Spaß mit ihnen haben wollen. Ich hatte ihnen nie Probleme in den Weg stellen wollen. Nun hatten sie sich diese Probleme selbst gelegt, sie waren ausgeartet und letztendlich das totale Desaster zur Folge. Es sah so aus, wie jetzt. Wie diese Szene, in der ich heulend auf dem Sofa saß. Und zwar heulend darüber, dass ich genauso gehandelt hatte, wie meine Eltern, und einfach nicht mehr auf die Probleme angesprochen hatte, die doch so überdeutlich zu sehen gewesen waren. Ich hatte ignoriert, dass meine Mutter Hilfe gebraucht hätte, war einfach davongelaufen und hatte mich selbst an einem neuen Leben versucht und dabei ihres mit jedem weiteren Tag mehr und mehr versauern lassen. Daran, was nun passiert war, war ich schuld, da gab es keinen Zweifel… Jetzt, wo die Tür zum Keller offen war, hatte ich Angst, wieder daran vorbeizugehen und dieses Haus zu verlassen. Ich kam mir vor, wie ein Gefangener, bewacht von dieser Leiche, die da unten am Fuß der Treppe lag und mit einer Körperhaltung, als habe man sämtliche Knochen aus ihrem Leib entfernt. Dabei war wohl nur ihr Genick gebrochen. Der Lichtschalter vom Kellerlicht im Flur war schon seit geraumer Zeit kaputt gewesen und nie hatte meine Mutter ihn reparieren lassen. Immer mit den Worten ‚Die paar Stufen kann man auch im Dunkeln runter laufen’ abgelehnt, wenn ich ihr vorgeschlagen hatte, den Elektriker zu rufen. Wahrscheinlich, weil das Geld eh immer knapp gewesen war. Sie hatte getrunken, die Tür geöffnet und war sicher einfach nur gestolpert. Direkt in ihr Grab. „Was machen wir jetzt…?“, fragte ich verheult, „Ich kann da nicht mehr vorbeigehen…“ Ich konnte nicht einmal in den Flur sehen, ohne Angstzustände zu bekommen. Ohne mir die Schuld an allem zu geben, weil ich nie zuhause gewesen war. Ohne jemals darüber nachgedacht zu haben, dass dieser Tag unter derartigen Umständen hatte kommen müssen. Ich hatte niemals damit gerechnet, nun traf es mich gleich doppelt so hart. „Reita…“, wimmerte ich, krallte die Finger in seine Hose und zog etwas daran, um ihm verständlich zu machen, dass ich am Ende war. Hilflos klammerte ich mich an ihn, als er mich in meine Arme zog und ich weinte drauf los. Laut und ungehemmt. Ich hatte meine Familie verloren. Vater weg, Mutter weg. Viele andere waren sowieso nicht übrig. „Ich kann nich’ mehr“, heulte ich. Immer wieder. Fast eine halbe Stunde lang. Bis Reita mich von sich gedrückt und mir die Tränen von den Wangen gewischt hatte. Dann hatte ich mich überwunden, war an der Kellertür vorbeigelaufen und hatte von oben Sachen geholt. Und dann… waren wir einfach wieder gegangen. © Kapitel 32: Un-Gewissen ----------------------- -32- Un-Gewissen Wir hatten die Tür hinter uns geschlossen und die Türklinken abgewischt. Bis zum Abend hatten wir in Sagas Wohnung gewartet, bis wir irgendwann Polizeisirenen gehört hatten. Ich hatte bis jetzt einfach nur still auf dem Sofa gesessen und einen Schnaps nach dem anderen getrunken, um wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Reita und Saga hatten derweil überlegt, was man am besten tun konnte, waren jedoch zu keinem sinnvollen Schluss gekommen. „Abwarten“, lautete die simple, aber dennoch einzige Lösung, und Saga hatte sie ausgesprochen. Wir mussten einfach nur so tun, als wären wir nie dort gewesen. Die Last, es den Bullen zu gestehen, dass wir sie gefunden hatten, sollte uns erspart bleiben. Außerdem war es eh zu spät – nun hatte jemand anders sie sicherlich gefunden und die Polizei gerufen. Dass es aus einem anderen Grund war, war so gut wie ausgeschlossen, dafür hörte man die Sirenen hier einfach zu selten. Dennoch blieb die Angst, dass man Spuren von uns finden würde und uns verdächtigen würde, sie die Treppe hinuntergeschubst zu haben oder ähnliches. Die Angst davor, dass die Polizei anfangen würde, nach mir zu suchen, wenn sie von den Nachbarn meinen Namen hörten. Die Angst davor, ihnen zu sagen, wo meine paar Tanten und meine Großmutter lebten, dass sie die einzigen Verwandten waren, die ich hatte. Die Angst, ihnen zu sagen, dass mein Vater spurlos verschwunden war und keiner meiner Verwandten Kontakt zu ihm hatte. Es blieb die Ungewissheit, was nun mit mir geschehen würde. Würde ich in ein Heim kommen? Zu meinen grantigen Tanten ziehen? Zu meiner faltigen, todkranken Oma? „Du solltest aufhören“, sagte Reita leise, nahm mir das fünfte Glas Schnaps aus der Hand und stellte es beiseite, „das bringt dich auch nicht weiter.“ „Mich bringt gar nichts weiter“, nuschelte ich, spürte neue Tränen aufkommen, „ich will nur, dass die scheiß Angst aufhört…“ „Ich weiß doch…“ Sanft zog er mich in den Arm und wog mich leicht, streichelte mir über den Rücken, sodass ich die Tränen doch nicht länger aufhalten konnte. Erneut flossen sie heiß über meine Wangen… „Wo soll ich denn jetz’ hin?“, schluchzte ich, „Die werden nach mir fragen und mich suchen… und finden… und dann…?“ Keiner sagte etwas. Sie schienen angestrengt zu überlegen, doch wollte wohl auch ihnen keine Lösung einfallen. Reita stand schließlich auf, lief einmal quer durch den Raum und dann in die Küche, wo er aus dem Kühlschrank etwas heraus holte. Ich hörte, wie die Mikrowelle leise summte und als Reita zurückkam, hielt er einen Teller mit den Minipizzas von gestern in der Hand. „Du solltest was essen“, meinte er, „du hattest den ganzen Tag nichts…“ „Glaubst du, er kann jetzt essen?“, hörte ich Saga murmeln, „Ich könnte es nicht…“ „Iss wenigstens eins“, bat Reita, doch ich schüttelte den Kopf. Mir wurde allein vom Geruch schon schlecht. „Er kann nicht. Lass ihn…“ Reita nahm sich ein Stück und begann langsam es zu essen. Saga schaltete den Fernseher ein. Genau wie ich hasste er die Stille, und um uns herum war sie mit der Zeit nahezu unerträglich geworden. In den Nachrichten lief nichts Besonderes, nur das Wetter und irgendwelche Sportberichte. Vielleicht würde meine tote Mutter bald auch darin zu sehen sein. „Uruha?“, sagte Saga und verlangte nach meiner Aufmerksamkeit. Ich schaute auf und lehnte mich an die Schulter meines Freundes, der seine Pizza aufgegessen und mich wieder in den Arm genommen hatte. „Was?“ „Hast du wirklich niemanden, zu dem du hin kannst?“ Wieder schossen mir die Tränen in die Augen und ich schüttelte den Kopf leicht, biss mir hart auf die Unterlippe. Bis dass es fast schon blutete. Reita bemerkte es und tippte mir leicht gegen die Lippen, sodass ich den Mund öffnete und dann musste ich leise husten. Ich war heiser vom weinen. Ich war noch nie heiser vom weinen… Wohin war mein Vater wohl verschwunden? Ob er vom Tod meiner Mutter erfahren würde? Ob er dann zurückkommen und sich um mich kümmern würde? Wo war er bloß? Bedeutete ich ihm denn so wenig, dass er mich einfach hängen ließ? So ganz allein…? „Weißt du, ich bin volljährig…“, sprach Saga nach einiger Zeit weiter. Ich horchte auf und blinzelte eine kleine Träne aus dem Augenwinkel. „Ich bin zwar kein Verwandter von dir, aber ich hab eine Wohnung… Wenn wir zum Amt gehen, können wir dich als meinen Mitbewohner eintragen und ich kann dein Kindergeld vom Staat auf mein Konto einfordern, dann wäre die Miete und das Essen auch kein Problem, zumal meine Eltern sowieso einen Haufen dazulegen.“ Damit warf er mich völlig aus der Bahn. Ich setzte mich leicht auf und schaute ihn aus verheulten Augen an, und als ich zu sprechen begann, klang meine Stimmer heiser. „Aber deine Eltern müssen damit einverstanden sein und es unterschreiben, wenn deine Wohnung auf ihren Namen angemeldet ist… Was, wenn sie das nich’ wollen?“ „Sie ist auf meinen Namen angemeldet und sie überweisen mir jeden Monat Geld auf mein Konto. Ich bin schließlich volljährig, schon vergessen?“ „Aber was, wenn sie trotzdem uneinverstanden sind und nich’ mehr zahlen wollen…?“ Lächelnd schüttelte Saga den Kopf. Er lehnte sich vor und griff nach seinem Bier, trank einen großen Schluck. „Sie zahlen mir die Wohnung, weil sie mich nicht bei sich haben wollen. Es ist ihnen egal, wer hier ein und aus geht und ob noch jemand hier lebt, oder nicht. Solange dieser Jemand sein eigenes Geld mitbringt, ist es okay. Dein Kindergeld kann auf mein Konto übergehen und du hast jeden Monat was zu essen.“ Müde schüttelte ich den Kopf. „Ich würde, wenn es ginge“, nuschelte ich, „aber man wird mich woanders hin stecken, wetten? Die stecken mich bestimmt in irgendein Heim… oder gleich in die Klapse…“ „Jetzt red keinen Schwachsinn und nimm sein Angebot schon an“, fuhr Reita mich plötzlich an und stupste mir in die Seite, sodass ich beinahe das Gleichgewicht verlor und fast seitlich vom Sofa gekippt wäre. So sehr ich es auch wollte, momentan konnte ich einfach nicht positiv denken. Konnte man es mir denn verübeln? Ich rief mir immer wieder in Gedanken, dass ich meine Eltern verloren hatte, dass mir nun niemand mehr geblieben war, außer meinen Freunden und derjenige, der neben mir saß und mich nun wieder in seine Arme zog. Dankbar lehnte ich mich an ihn. Ein paar Minuten später klingelte es an der Tür. Als Saga aufstand, begrüßte er Sakito, doch dieser grüßte ihn nicht zurück, fragte stattdessen lediglich, ob ich da sei. „Ist gerade ungünstig, aber er ist da, ja“, antwortete Saga ihm und ließ ihn herein. Meine Wahrnehmung war mit der Zeit zunehmend schlechter geworden und so bemerkte ich erst gar nicht, dass er mich angesprochen hatte. Zu vertieft war ich in meine Gedanken daran, dass wir sie einfach hatten liegen lassen. Einfach so…! Ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hatte meine eigene Mutter tot im Keller liegen lassen und deshalb war die Angst davor, dass man mir nachweisen könnte, dass ich an dem Abend da gewesen war, unbeschreiblich. Als Sakito mich zum zweiten Mal ansprach, schaute ich auf. „Was is’ los? Is’ jemand gestorben?“, fragte er. Vor lauter Ironie musste ich auflachen. Man konnte sie beinahe riechen, im Raum spüren und sie schnürte mir die Luft ab, sodass das Lachen ebenso schnell wieder verstummte, wie es begonnen hatte. „Ist nicht böse gemeint“, murmelte Reita ihm zu, „aber das war scheiß Timing.“ Wie erwartet schaute Sakito verwundert in die Runde, wurde scheinbar doch stutzig, als er die Tränen sah, die erneut meine Wange herabkullerten. Mit skeptischem Blick trat er zu mir heran, hockte sich vor mich und strich mir die Strähnen aus dem Gesicht, die meine Augen verdeckten, um mich ansehen zu können. „Was soll das heißen? Das sollte eben ein Scherz sein…“ „Es ist kein Scherz.“ Meine Antwort ließ seine Gesichtszüge entgleisen. „…wer?“ Ihr Name lag auf meiner Zunge, doch ich konnte ihn nicht aussprechen. Erneut überkam mich diese widerliche Welle der Angst, sodass ich leicht zu zittern begann und nach Sakitos Hand griff, die er auf mein Bein gelegt hatte. „Man, Uruha, hör auf mir so ne Angst zu machen“, murmelte Sakito unsicher, „ich bin eigentlich nur gekommen, um dir von Shou zu sagen, dass du die Reinigung für den Kimono bezahlen musst, er weiß deine Nummer ja nicht. Und jetzt sowas…!“ Bittend schaute ich Reita an und verbarg mein Gesicht schließlich wieder an seiner Schulter. Kein Wort kam über meine Lippen, obwohl ich Sakito lieber selbst erklärt hätte, was passiert war. Denn ich hasste es, wenn andere die Tatsachen verdrehten, schön redeten oder sonst was, obwohl Reita ja eigentlich das genaue Gegenteil von dem war. Er hatte verstanden und schaute Sakito ernst an. „Seine Mutter ist tot“, murmelte er, „wir haben sie im Keller gefunden und… na ja, einfach liegen lassen…“ „WAS?!“ Sakitos Schrei ließ mich zusammenzucken und ich biss mir fest auf die Lippe, konnte nicht ertragen, dieses Thema noch länger durchzukauen. Meine Gedanken kreisten genügend um das Problem, das wir uns damit auf den Hals gehetzt hatten, dass wir nicht einmal anständig die Spuren beseitigt, geschweige denn von Anfang an die Polizei gerufen hatten. Wir hatten uns so richtig schön in die Scheiße geritten…! „Scheiße, Uru, das tut mir Leid, das hab ich ja nicht ahnen können…! Ich… was hattet… ich meine, ihr habt sie einfach liegen lassen…?“ „Ja“, schluchzte ich auf. „Ihr hättet die Bullen rufen müssen!“ „Aber die hätten gedacht, einer von uns hat sie die Treppe runter geworfen oder sowas…!“ „Jetzt denken die aber erst recht, dass es Mord war, wenn sie Spuren im Haus finden und keiner ist mehr da, außer der Leiche im Keller!“ Sakito hatte Recht. Ich hörte, wie Saga ein Glas für ihn auf den Tisch stellte und was auch immer darin war, Sakito leerte es mit einem Zug und wischte sich über die Augen. „Wir müssen noch mal zurück und die Bullen rufen“, ließ Reita fallen und nun schauten ihn alle im Raum verständnislos an. „Was denn? Hat einer ne bessere Idee? Wir sollten noch mal hingehen, so tun, als wären alle Spuren, die wir hinterlassen haben, eben erst entstanden und als hätten wir sie eben erst gefunden. Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir nicht verdächtig werden…“ Noch einmal ließ ich mir seine Idee durch den Kopf gehen. Eigentlich gar keine schlechte Idee, aber es durfte niemand einen Fehler machen und sich verplappern, irgendwelche Vermutungen zum Todeszeitpunkt oder ähnliches machen. Es würde seltsam genug werden, dass sie den Todeszeitpunkt herausfinden würden und ich ihnen sagen müsste, dass ich seit fast einer ganzen Woche nicht daheim gewesen war. Sie würden mich sofort ins Heim stecken… „Was, wenn ich ins Heim muss?“ Die Gespräche verstummten und sowohl Reita, Saga, als auch Sakito sahen mich überrascht an. „Hatten wir das Thema nicht schon? Du ziehst zu mir“, sagte Saga, warf einen kurzen Blick zu Sakito, als würde er diesem damit beweisen wollen, was für ein toller Kerl er war. Es kotzte mich in diesem Moment mehr als an…! „Aber du bist nicht meine Familie…!“, schluchzte ich. „Aber ein enger Freund und jemand, der dir nahe steht, oder nicht? Weder das Gesetz, noch irgendwer sonst verbietet es, zu nahe stehenden Personen zu gehen, wenn man niemanden mehr hat und ich zweifle nicht daran, dass du nicht lieber hier bei uns bleiben willst, als zu deiner Tante zu gehen, oder?“ „…stimmt.“ Somit schien das Thema wohl beendet. Nun saß ich da und hatte keine Ahnung, was ich als nächstes tun sollte. Ich konnte nicht noch einmal in dieses Haus zurück, wollte nicht noch einmal an dieser Tür vorbei. Was, wenn schon jemand vor uns sie entdeckt hatte und nun die Polizei rief? Was, wenn die Bullen, wie damals, schon vor der Haustür auf uns warteten, um unangenehme Fragen zu stellen…? „Wir sollten hingehen“, schlug Sakito vor, stand auf und schaute mich eindringlich an, „sonst sind wir hinterher zu spät. Also komm…“ Er zog mich auf die Beine, Reita stand sofort auf und legte einen Arm um meine Hüften, um mich zu stützen. Dankbar lehnte ich mich an ihn und spürte die Angst in mir hoch kriechen. Solche Situationen war ich schließlich nicht gewöhnt. Reita half mir in meine Jacke und auch Saga und Sakito zogen sich an, traten dann gemeinsam mit meinem Freund und mir in den dunklen Hausflur und liefen die Treppen herunter nach draußen. Es war kalt und es nieselte leicht, die Luft war stickig und es roch nach Regen. Genau das richtige Wetter, schoss es mir ironischerweise durch den Kopf und ich seufzte. Ich hasste Regenwetter. Nicht zuletzt, weil es mir meine Frisur immer ruinierte. Und bei eben dem Gedanken musste ich trocken auflachen, denn wer konnte in meiner jetzigen Situation schon an so etwas denken? Meine Mutter lag tot im Keller und ich verfluchte den Regen dafür, meine Visage ruiniert zu haben. Wie eigentümlich. Keiner von uns sprach ein Wort, während wir am Park vorbei liefen und in meine Heimatstraße einbogen. Alles war still, die Lichter waren ausgeschaltet und kein Mensch war mehr auf der Straße. Es schien wie ausgestorben, aber so war es hier schon immer gewesen abends. Immerhin war es ja auch schon halb elf und die meisten in dieser Straße waren alte Leute, die schon längst schliefen. Nur bei Aoi im Haus brannte noch Licht und ich hoffte bloß, dass uns niemand zufällig mit vier Mann auf der Straße erblicken würde. War es denn nicht eigentlich verdächtig, mit so vielen Leuten abends um halb elf durch die Straße zu laufen und dann die Bullen zu rufen? Plötzlich schlichen sich allerhand wirre Gedanken in meinen Kopf. Es war wirklich verdächtig, oder? Es war dunkel, kein Mensch war draußen und vier Mann riefen in einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus die Bullen, weil eine betrunkene Mutter die Treppe runtergekullert war. Vier Mann! Und dann auch noch in zerfetzter Lederkleidung und mit Nietenjacke und Punkshirt. „Ich glaub das war keine gute Idee“, murmelte ich, woraufhin Sakito mich anschaute und fragend eine Augenbraue hob. „Wieso?“ „Vier Mann rufen die Bullen, weil eine Frau die Treppe runtergekullert ist und kein Mensch ist mehr auf der Straße, geschweige denn wach in diesem Viertel. Ist es da nicht offensichtlich…“ „Nein, gar nichts ist offensichtlich“, mischte sich Reita ein, „es war die beste Entscheidung, hierher zu kommen. Lass Sakito und mich nur reden, es ist ja nicht das erste Mal, dass wir mit den Bullen zu tun haben.“ „Das ist es ja“, entfuhr es mir etwas lauter als geplant, „die kennen euch und das bestimmt nicht gerade wegen irgendwelcher Lappalien!“ „Aber dich nicht“, zischte Sakito und deutete mir leiser zu sein, „und wenn sie einen verheulten, armen Kerl wie dich hier finden, der ihnen bestätigen wird, dass wir seine Freunde sind, denken die sicherlich nicht, dass wir was damit zu tun haben!“ Oh, wir standen ja wohl auf superdünnem Eis bei der ganzen Sache, oder?! Mich innerlich verfluchend, dass ich überhaupt jemals wieder zurück nach Hause gegangen war, folgte ich den anderen und unterdrückte diese furchtbare Übelkeit der Angst in mir. Mein Bauch zog sich schmerzhaft zusammen, als ich auf Sagas Frage hin den Schlüssel aus meiner Hosentasche kramte und die Tür aufschloss. Es stank noch immer nach Bier und Zigaretten, als ich sie langsam aufzog und als wir in den Flur traten, kam noch ein ganz anderer Geruch dazu. Würgend hielt ich mir die Nase zu und klammerte mich an Reitas Hand, die meine fest umschlossen hielt. „Wenn es schon nach Leiche stinkt, glauben die uns hundertprozentig, dass wir nichts damit zu tun haben. Das muss ja ewig her sein, dass die da runter gefallen ist…“, murmelte Saga, erhielt von Sakito gleich ohne viele Worte einen Schlag in die Seite für seine Unsensibilität und Taktlosigkeit. „Du bist ein Arschloch“, erwiderte Reita nüchtern, während er langsam ein paar Schritte vorwärts machte und dann vorsichtig in den Keller lugte. „Ich kann nichts sehen“, murmelte er, deutete auf den Lichtschalter im Flur neben mir, „mach das Licht an…!“ Ich tat, wie er es mir befohlen hatte und schaltete nach kurzem Zögern das Licht an, während Saga die Tür hinter uns schloss und im nächsten Moment sah ich, wie Reita angewidert das Gesicht verzog, sich eine Hand auf den Mund legte und zurücktaumelte. „Was ist…?“, fragte ich unsicher und spürte, wie mir wieder Tränen in die Augen stiegen. „Guck besser nicht“, nuschelte er in seine Hand und wandte sich ab, „sie hat Leichenflecken und die Platzwunde am Kopf fault…“ „Bah, Reita…!“, fluchte Sakito und schlang die Arme um mich, da ich nun doch wieder zu weinen angefangen hatte und gleichzeitig verfluchte ich mich dafür. „Wir sollten die Bullen rufen“, machte uns Saga auf unser eigentliches Vorhaben aufmerksam und deutete auf das Telefon, das auf dem Schrank neben der Küchentür stand. Ich nickte, schaute dann fragend in die Gesichter der anderen, denn ich konnte das ganz sicher nicht erledigen. Dafür war ich viel zu durcheinander und ich würde ihnen bestimmt nicht mal richtig erklären können, was passiert war. „Ich mach’s“, meldete sich Reita zu meiner Erleichterung zu Wort, bewegte sich von der Kellertür weg und nahm das Telefon an sich. Er wählte ohne zu zögern die Notrufnummer und sorgte dafür, dass meine Nervosität ins Unermessliche anstieg. Halt suchend klammerte ich mich an Sakito, der mich noch immer in seinem Arm hielt und zitterte etwas. „Schon gut“, beruhigte er mich, setzte sich mit mir auf den Boden und streichelte mir sachte über den Rücken. Reita hatte den Hörer bereits am Ohr und wartete nun einige Sekunden. Saga stand währenddessen neben ihm, schaute ab und zu etwas zögerlich zur Kellertür und schluckte, als Reita die Stimme erhob. „Guten Abend, Suzuki Reita hier. Hören Sie, ich bin hier bei einem Freund zu Hause, weil wir zusammen ein paar Sachen fürs Übernachten abholen wollten und dann haben wir seine Mutter tot im Keller gefunden… ja… was? Nein, wir wissen nicht, wie das passiert ist, aber sie ist vermutlich die Treppe runter gefallen… ja, sie liegt genau vor den Stufen…“ Während er das so sagte, klang er richtig überzeugend. Als hätten wir sie gerade eben erst gefunden. Dass wir gerade die Polizei anlogen, danach machte es gar keinen Anschein. Er klang schockiert, ja beinahe schon völlig fertig mit den Nerven. Saga neben ihm schaute ihn interessiert an und schon ruhte sein Blick wieder auf der Kellertür, während Reita weiter sprach. „Wissen wir nicht, ich bin ja schließlich kein Gerichtsmediziner! Können Sie nicht einfach herkommen? Mein Freund ist total am Ende… gut, wir warten.“ Er legte auf. „Du solltest Schauspieler werden“, murmelte Saga und ließ sich bei der Haustür nieder, kramte in seiner Tasche und holte eine Schachtel Zigaretten raus. „Musst du jetzt rauchen?“, fragte Reita überraschenderweise als erster und deutete auf mich, da ich noch immer wie ein Schluck Wasser in der Kurve neben Sakito hing und mir sowieso schon schlecht war vom Gesamtgeruch dieser Bude. Grummelnd steckte Saga seine Kippen wieder weg, woraufhin Reita zufrieden nickte, sich Sakito und mir gegenüber hinsetzte und abwechselnd uns und die Kellertür anschaute. Er war scheinbar genauso nervös wie ich, da er auf seiner Unterlippe herumkaute und mit seinen Fingernägeln spielte. Wir warteten eine ganze Weile. Und obwohl ich vor fünf Minuten erst auf meine Uhr geschaut hatte, kam es mir wie Stunden vor, bis wir endlich die Sirenen der Polizei hörten und das Blaulicht um die Ecke sahen. Natürlich gingen sofort einige Lichter der Häuser an und ich hörte Stimmen auf der Straße, weil die Haustür noch immer offen stand. Einige Schaulustige standen in ihren eigenen Haustüren und lugten herüber. Die Polizisten, sowie einige Gerichtsmediziner aus einem größeren Wagen stiegen aus und liefen auf uns zu. „Guten Abend“, begrüßte uns einer von den Männern, „wer von Ihnen wohnt hier?“ Mit noch immer geröteten Augen und tränennassem Gesicht hob ich die Hand, versuchte dann mit wackeligen Beinen aufzustehen, wobei Sakito mir glücklicherweise behilflich war. „Ihr Name?“, wurde ich gefragt. „Takashima… Uruha…“, brachte ich stotternd hervor, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und schaute Hilfe suchend zu Reita. Er würde die Situation erklären müssen, definitiv, denn dazu war ich längst noch nicht wirklich in der Lage. „Gut, können Sie mir sagen, wo die Leiche liegt und dann ein paar Fragen dazu beantworten?“ „Kann ich ihm dabei helfen?“, fragte mein Freund glücklicherweise, „Ich glaub nicht, dass er das in seinem Schockzustand alleine hinbekommt.“ „Haben Sie uns angerufen?“, fragte der Mann und schaute Reita kurz abschätzend an. Kannte er ihn schon? „Ja“, bestätigte mein Freund die Vermutung, „weil er hier nicht einmal mehr die Nummer für den Notruf wusste, als er seine Mutter so gefunden hat…“ Wie gut er doch im Lügen war. Mein Herz schlug mir gerade bis zum Hals aus Angst, dass die Polizei misstrauisch werden könnte, doch ich ließ mir nichts anmerken und schaute deshalb lieber wieder genauso schockiert und neben der Spur zu dem Geschehen im Keller, wo gerade einige Männer hinein verschwanden, mit mehreren Taschenlampen bewaffnet und mit Mundschutz. „Also gut“, sagte der Wachmann vor uns, „wann haben Sie die Leiche hier gefunden?“ „Als wir hergekommen sind, um ein paar Sachen zu holen. Das war vor etwa… zwanzig Minuten, also zehn Minuten, bevor Sie gekommen sind“, erklärte Reita ihnen und sah mich an, woraufhin ich nur kurz nickte und schniefte, den erneut aufkommenden Tränen freien Lauf ließ. „Ihre Mutter?“, fragte mich der Polizist, woraufhin ich mir fest auf die Unterlippe biss und erneut nickte. „Das tut mir sehr Leid. Ich hab sie noch vom letzten Mal in Erinnerung…“ Und da fiel es mir auch auf. Es war derselbe Typ, der mich zurück zu Sagas Wohnung gefahren hatte, als irgendwer die Fenster zum Schlafzimmer meiner Mutter eingeworfen hatte. „Und sie lag schon so an der Treppe, als Sie sie gefunden haben?“, fragte er noch einmal, woraufhin ich wieder nur nickte. Schließlich kam einer der Männer aus dem Keller zu uns herauf und zog sich seinen Mundschutz herab. „Der Todeszeitpunkt liegt schon etwa zwei bis drei Tage zurück. Genaueres können wir noch nicht sagen, außer, dass sie sich das Genick gebrochen hat beim Sturz und dass das Kellerlicht nicht funktioniert. Wahrscheinlich hat sie deshalb eine Stufe übersehen und ist gestürzt oder jemand hat sie geschubst.“ Eine Sekunde lang herrschte Stille. Ich glaubte gespürt zu haben, wie mein Herzschlag einmal ausgesetzt hatte und auch Reita schien kurz wie erstarrt, doch dann erhob der Wachmann wieder sein Wort. „Können Sie einen Mord ausschließen?“, fragte er an mich gewandt und ich wusste im ersten Moment gar nichts zu antworten, bis mir mein Freund auch schon zuvorkam. „Zumindest können wir uns selbst ausschließen, denn mein Freund ist seit mindestens einer Woche nicht zuhause gewesen.“ „Warum das?“ „Weil sie… Alkoholikerin war und… mich geschlagen hat“, murmelte ich und kam somit Reitas Antwort zuvor, ehe meine Stimme brach und ich erneut leise aufschluchzte. Kurz musterte der Wachmann mich skeptisch, kräuselte dann aber die Nase und schaute ins Wohnzimmer, wo überall noch die Bierflaschen auf dem Tisch verteilt standen. „Danach sieht es hier auch aus“, nuschelte er in seinen Bart und rief einige Mediziner zu sich, um sie anzuweisen bei der Obduktion nach eventuellen Schäden in ihrem Körper zu suchen, die der Alkohol hinterlassen hatte. Er begann, sich ein wenig umzusehen und öffnete dann ganz nebenbei die Küchentür, verzog kurz das Gesicht und schloss sie wieder. „Nun, Anzeige erstatten brauchen Sie ja jetzt nicht mehr“, meinte er ziemlich ungerührt, „aber wir müssen trotzdem Ihre Verwandtschaft benachrichtigen und eine neue Bleibe für Sie finden, da Ihre Eltern anscheinend getrennt leben. Hab ich das richtig interpretiert?“ „Deshalb bin ich hier“, warf Saga schließlich auch ein und trat zu uns, „ich bin sein neuer Wohnpartner. Meine Wohnung ist hier ganz in der Nähe und er kann bei mir einziehen, wenn er will. Ist kein Problem, wir melden dann das Kindergeld auf sein Konto an und kündigen die Wohnung hier.“ Überrascht schauten die Beamten meinen Kumpel an, schwiegen dann einen Augenblick und berieten sich schließlich. Währenddessen hatte ich nach Reitas Hand gegriffen, hielt sie fest und trat noch immer leise schluchzend einen Schritt zurück, als die Trage mit dem schwarzen Tuch darüber aus dem Keller geholt wurde und man die Leiche meiner Mutter an uns vorbei trug. Es war ein furchtbares Bild. Und das Wissen, dass es meine eigene Mutter war, die bald in einem gerichtsmedizinischen Krankenhaus liegen würde und das aufgeschnitten und von oben bis unten, sowie außen und innen untersucht würde, trieb mir eiskalte Schauer über den Rücken. Warum ausgerechnet ich… „Trotzdem bitten wir Sie, wenn Sie sich von dem Schock erholt haben, morgen zu uns aufs Revier zu kommen und einige Dinge zu klären. Schließlich sind Sie noch minderjährig. Ihren zukünftigen Mitbewohner bringen Sie bitte auch mit, es muss mit ein paar Beamten und den Leuten vom Einwohnermeldeamt gesprochen werden. Können wir Sie allein nach Hause lassen?“ „Es wäre besser, wenn wir sie bringen, meinen Sie nicht auch?“, warf ein anderer Polizist ein, der neben dem Oberoffizier stand und Notizen gemacht hatte über alles, was bisher gesagt wurde. Kurz nickte er, deutete dann auf die Tür und die noch immer mit Blaulicht blinkenden Autos, zu denen wir uns dann langsam begaben und einstiegen. Meine ehemaligen Nachbarn standen nun allesamt draußen vor ihren Türen und sahen zu, wie meine Freunde und ich in ein Auto stiegen. Natürlich wurde getuschelt und gegafft, weil schließlich ich es war, der hier gerade in einem Polizeiauto davon kutschiert wurde, und weil vorher ein Leichensack aus dem Haus getragen worden war. Man fragte sich sicherlich, was vorgefallen war. So sah ich auch das große Fragezeichen in Aois Miene, der mit seiner Mutter draußen vor der Tür stand und entsetzt dreinschaute, als er mich erkannte, der da im Auto saß und völlig fertig an seinen Freund gelehnt war. Ich sah im Rückspiegel des Autos, wie er uns hinterher starrte und sogar einige Schritte auf die Straße machte, doch dann verlor ich ihn aus den Augen, als wir um die Ecke bogen und Saga begann, den Weg zu seiner Wohnung zu erklären. „Der denkt bestimmt, ich hätte was verbrochen und wurde verhaftet“, flüsterte ich leise in Reitas Ohr, als ich mich zu ihm raufgebeugt hatte und den undefinierbaren Blick des Wachmannes vor uns ignorierte. © Kapitel 33: Von Blut und Schweiß -------------------------------- -33- Von Blut und Schweiß Mit einem dumpfen Geräusch landete die Tasche auf dem Schrank, auf den ich sie soeben hochgeworfen hatte und so schnell würde sie wohl dort niemand mehr wegnehmen. Der Schrank war endlich eingeräumt und all meine Sachen verstaut, das bislang ungenutzte Abstellzimmer hatten wir mit einer Matratze auf dem Boden und einem schmalen Eckschrank ausgestattet, den wir auf dem Sperrmüll gefunden hatten. Sogar eine kleine Pflanze stand nun auf dem wackeligen Gebrauchtwarentischlein aus dem Billigmarkt. Er hatte nicht einmal dreitausend Yen gekostet. Natürlich stand hinter der Plastiktrennwand immer noch lauter Krempel von Saga herum, von dem er sich einfach nicht trennen konnte oder der zum alltäglichen Gebrauch zählte, wie zum Beispiel Klopapier oder andere Einkäufe. Selbst der Elektrogrill, der überhaupt nicht funktionierte, hatte noch eine nützliche Funktion geboten, denn man konnte das Eisengitter, das ja eigentlich die Kochstelle darstellen sollte, abnehmen und Kleinkram darin verstauen, wie zum Beispiel meine ganze Schminke und ganz andere Dinge, die ich mir im Laufe der letzten Wochen so zugelegt hatte und die man besser nicht irgendwo offen im Zimmer rumliegen lassen wollte. Seit drei Tagen wohnte ich nun schon offiziell bei Saga. Die Polizei hatte alles mit dem Jugend- und Einwohnermeldeamt geklärt, Sagas Eltern waren einverstanden gewesen und ich hatte schließlich auf Sagas Mietvertrag als sein Mitbewohner unterschrieben und das Kindergeld, sowie ein Zehntel der Versichertenrente meiner Mutter als Halbwaise auf Sagas Konto umbuchen lassen. Auf die Rente meines Vaters konnte kein Zugriff gestattet werden, da mein Vater nicht ausfindig gemacht werden konnte. Hieß also, dass er irgendwo hin verschwunden war, wo ihn keiner hatte erreichen können und ich ihn wohl nie wieder sehen würde. Man hatte auf seinem Handy angerufen, doch die Nummer existierte nicht mehr. Man hatte nach seinem Autokennzeichen gesucht, das ich den Beamten hatte nennen können, aber in unserer Stadt hatte man es nirgends gesehen. Er war einfach weg. Während ich mir noch einmal all dies durch den Kopf gingen ließ, merkte ich nicht, wie jemand mein Zimmer betreten hatte, der nun stumm im Türrahmen stand und mich beobachtete. Noch immer hielt ich meine beiden Shirts in der Hand, die ich soeben gefaltet hatte und in die Schublade hatte legen wollen. Stattdessen starrte ich jedoch noch immer auf meine zum Schneidersitz gefalteten Beine und dachte nach, bis mich jene Person im Türrahmen schließlich ansprach. „Hast Bock heute Nacht mit zur Scheune zu fahren?“, fragte Reita, der seit der Sache mit meiner Mutter jeden Tag nach der Schule zu mir gekommen und sich um mich gekümmert hatte. Er war extra zu meiner Schule gegangen, hatte ihnen die Nummer von Sagas Haustelefon gegeben und der hatte mich dann als mein neuer Mitbewohner und ‚Erziehungsberechtigter’ für eine Weile von der Schule beurlaubt. Den Schock musste ich schließlich noch verarbeiten. Langsam schaute ich auf, überlegte einen Augenblick und senkte den Blick schließlich wieder hinab auf die zwei Shirts. „Die Schublade ist zu klein“, murmelte ich, „die passen nicht mehr rein. Wir müssen auf das Geld warten, was ich für die Sachen aus Mamas Wohnung kriege, dann können wir endlich nen neuen Schrank kaufen und n Bett…“ Ja, ich hatte so ziemlich das Meiste aus meinem alten Haus verkaufen lassen. Es erinnerte mich zu sehr an die Vergangenheit und das, was passiert war und obwohl ich vollen Anspruch auf die komplette Einrichtung gehabt hätte, da mein Vater ja verschwunden und meine Mutter das Zeitliche gesegnet hatte, hatte ich fast alles verpfänden lassen. Lediglich den Fernseher und meine persönlichen Gegenstände wie Gitarre, Bücher und Spielekonsole hatte ich mitgehen lassen. Die Möbel waren alle verkauft. „Sie sagen, bis nächste oder übernächste Woche haben sie Käufer für den Krempel gefunden, dann kann ich mir was Neues zulegen und…“ „Ich hab dich was gefragt“, seufzte Reita und kam auf mich zu, hockte sich vor mich und nahm die beiden Shirts von meinem Schoß, legte sie beiseite und griff nach meinen Händen. „Ablenkung tut dir bestimmt gut und so.“ „Jetzt schon?“, fragte ich beinahe tonlos, „Ich weiß nicht, ob ich jetzt schon wieder feiern kann…“ Schließlich gab es nichts zu feiern. „Nicht feiern“, grinste Reita, „denk an früher. Ablenken und Frust zu Spaß machen. Es gibt ne Menge Dinge, mit denen das geht…“ „Mit dir?“, grinste ich, wuschelte ihm durch das ungestylte, glatte und leuchtend blonde Haar und stand mit ihm auf, schaute mich kurz um, ehe ich zu meinem Elektrogrill lief und daraus eine Tube Haarfärbemittel hervorzog. „Magst du die Farbe?“ „Wann bist du denn auf die Idee gekommen, dich blond zu färben?“, fragte Reita verwundert und schaute auf die Packung in meiner Hand. „Färbst du sie mir gleich?“, fragte ich und machte meinen süßesten Schmollmund, um ihn dazu zu überreden, mir die Haare goldorange zu färben, aber das Highlight der ganzen Sache hatte er ja noch gar nicht gesehen. „Ich will mir danach auch noch weißblonde Strähnchen färben. Was dagegen, das auch noch zu machen?“ „Ich bin doch kein Frisör!“, jaulte er auf, zog sein Handy hervor und tippte kurz etwas ein, ehe er es mir in die Hand drückte. „Schreib Sakito ne Mail, dass er dir die Haare färben soll, wenn er vom Shoppen zurück ist!“ Kurz zuckte ich mit den Schultern und setzte mich auf mein Bett, tippte die Nachricht mit meiner Signatur ein und schickte sie an Sakitos Mailadresse ab, legte das kleine Ding dann neben mich und ließ mich zurückfallen. „Du bist noch immer n bisschen neben der Spur, oder?“, fragte Reita mich nach einigen Sekunden, ehe er sich neben mich setzte und mir über den nackten Bauch streichelte, da mein Shirt hoch gerutscht war. „Kann sein“, murmelte ich, „aber du kannst mir ja helfen, mich wieder auf die richtige Spur zu bringen…“ Lachend beugte Reita sich herab und senkte die Lippen auf meinen Bauch, küsste sich federleicht eine kleine Spur darüber und ich schloss genießend die Augen. Leise seufzte ich, als seine Zunge in meinen Bauchnabel tauchte und sich seine Zähne kurz in das weiche Fleisch gruben, ehe er sich höher küsste. Ich war eigentlich nicht in der Stimmung für so etwas, aber nach und nach verschwanden die nervigen Gedanken aus meinem Kopf und ich konzentrierte mich auf das, was er tat. Das Shirt wurde noch höher geschoben, die weichen Lippen glitten über meine Brust und saugten sich hier und dort fest, hinterließen überall, wo sie waren, ein angenehmes Kribbeln. Eine warme Hand streichelte über meine Seite, ließ meinen Körper leicht zittern und zwang mich, den Rücken leicht durchzubiegen. Reitas Gewicht verlagerte sich nun leicht auf meinen Unterleib und seine Lippen wanderten noch höher, ließen die Haut unter meinem Shirt jedoch aus und seine weichen Lippen legten sich an meinen Hals, strichen kaum spürbar darüber, bis die Tür erneut aufflog. „Ich hab doch gesagt, kein Sex in der Wohnung, wenn ich nicht außer Haus bin“, seufzte er, rubbelte sich einhändig seine Haare mit einem Handtuch von der Sesamstraße trocken und schaute uns mahnend an. „Das ist kein Sex“, meinte ich trocken, „oder siehst du Reitas Schwanz in meinem Hintern stecken?“ „Also liegst du gern unten, ja?“, grinste Saga, „Ich würd mir nicht alles gefallen lassen, Reitas Hintern kann ja nicht auf Ewig jungfräulich bleiben!“ „Oh doch, das kann er“, zischte mein Freund, „und wenn du keinen guten Grund hast, hier dumm in der Tür zu stehen und uns zu bespannen, dann verflüchtigst du dich am besten ganz schnell wieder…!“ „Is’ ja gut“, sagte Saga und hob abwehrend die Hände, „ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich Essen für heute bestellt hab, also wenn ihr wollt, könnt ihr noch hier essen und dann zur Scheune gehen.“ Reita richtete sich auf und griff nach seinem Handy, da wohl gerade eine Mail gekommen war und las sie durch, während ich mich wieder aufrichtete und mein Shirt runter zog. „Also ich will was mitessen“, meinte ich, „und du, Rei?“ „Mh… Sakito färbt dir die Haare. Er ist aber schon in einer Viertelstunde hier, bis dahin solltest du dich vielleicht mal aus deinen Schlafsachen bewegen, oder?“ „Ich geh das Bier kühl stellen“, warf Saga trocken ein, sah ein wenig geknickt aus, da er keine vernünftige Antwort von Reita erhalten hatte. Wahrscheinlich auch nicht zuletzt, weil er ihm zuvor so harte Worte an den Kopf geworfen hatte. Er war noch immer wütend auf ihn, obwohl Saga das alles hier für mich organisiert und sich bereit erklärt hatte, mich hier wohnen zu lassen. „Meinst du nicht, du solltest ihm für all das hier n bisschen dankbar sein?“, murmelte ich meinem Freund zu, der soeben sein Handy wieder zuklappte und mich eine Sekunde lang verwirrt anschaute. „Was meinst du? Ich bin nicht mehr sauer auf ihn.“ „Deshalb benimmst du dich wie das letzte Arschloch ihm gegenüber?“, stellte ich ungläubig fest, „Ich finde, du solltest ihn fragen, ob er heute Abend mitkommen will.“ „Das geht nicht“, nuschelte er, „das würde Sakito und dem Rest den Abend versauen.“ „Und ihm versaut es sein ganzes Leben, wenn jeder von euch wütend auf ihn ist. Er hat seine Strafe bekommen und die ist ja wohl schmerzhaft genug ausgefallen, oder? Du hast ihn doch gesehen. Und jetzt sieh ihn dir mal an, ich finde nicht, dass er den Anschein macht, als würde ihm das alles nicht Leid tun!“ „Ihm tut es nur Leid, dass sein dämlicher Plan Sakito für sich zu kriegen nich’ aufgegangen is’…“, grummelte mein Freund, richtete seine Jacke, nachdem er aufgestanden war und beschaute sich im Spiegel an der Wand. „Red dir keinen Scheiß ein“, konterte ich, „es bringt nichts, nachtragend zu sein. Er weiß, dass er bei Sakito nichts erreichen kann, also wird er’s auch nicht noch mal versuchen, da bin ich sicher! Und jetzt hör schon auf, noch immer sauer auf ihn zu sein und frag ihn…!“ Reita schwieg, während ich auf ihn zukam und mich an seinen Rücken schmiegte, und dann schaute er schließlich kurz über seine Schulter und seufzte. „Meinetwegen“, murmelte er, „hast ja irgendwie Recht. Ich frag ihn, wenn Sakito dir die Haare färbt, okay? Dann kannst du den auch schon mal vorsichtig darauf hinweisen, dass Saga heute Abend vielleicht auch kommt.“ „Den wird’s nicht stören“, versicherte ich ihm und zog ihn mit mir, nachdem ich ihm einen Kuss auf die Wange gegeben hatte und ging ihm voraus ins Wohnzimmer zu Saga, der schon Stäbchen auf den Tisch zwischen den beiden Sofas gelegt, sowie einige Flaschen Bier hingestellt hatte. Noch immer wuselte der blonde durch die Gegend und räumte allerlei herumfliegende Gegenstände weg. Seit Neuestem hatte Saga irgendwie der Ordnungsfimmel gepackt. Lag wohl daran, dass er sich dermaßen vor dem Chaos in der Wohnung meiner Mutter geekelt hatte, sodass ihn nun Wahnvorstellungen von überall entstehenden Maden überfielen. In der Küche hatte die Polizei tatsächlich welche unter einer Wochen alten Schinkenschnitte gefunden. Reita und ich hatten es uns mittlerweile auf dem Sofa bequem gemacht und warteten nur noch auf die Türklingel, mit der unser Essen die Tür rein fliegen würde. Natürlich serviert und bezahlt von Saga. Und solange, wie wir warteten, würden wir die madenfreie Wohnung genießen und uns die Nachrichten ansehen. In denen natürlich längst nicht mehr die Rede war vom Unfall, der meiner Mutter passiert war, denn die Sache war nach zwei Tagen, in denen in jeder Nachrichtensendung darüber berichtet wurde, unwichtig geworden. Natürlich war sie unwichtig. „Essen“, kündigte Saga nach einer Weile an, in der wir einfach nur gegammelt hatten und Reita mich ein bisschen gekrault hatte, wie es für den männlichen Part in einer Beziehung so gehörte. Ja, mittlerweile hatte ich mich sogar damit abgefunden, dass er mich manchmal Weib nannte. Saga stellte die Nudeln auf den Tisch, setzte sich uns gegenüber aufs Sofa und schaute den Wetterbericht an, der verkündete, dass es heute Abend regnen und gewittern würde. Wunderbar, meine Frisur war gerettet. „Muss ich heute mit weg?“, fragte ich deshalb ein wenig angepisst, als ich den ersten Bissen meiner Nudeln nahm und sogleich einen Schlag mit dem Ellbogen in die Seite von Reita erhielt. „Ja“, sagte er ernst, „du hast zugesagt und Sakito extra gefragt, ob er vorher vorbeikommt und dir die Haare färbt! Du nimmst ihm schließlich damit seine wertvolle Zeit, sich nachzuschminken!“ Kurz lachte ich humorlos auf, ehe ich abwartete, was wohl passieren würde. Und als nach zehn Minuten, in denen wir einfach schweigend gegessen hatten, noch immer nichts kam, seufzte ich genervt auf. „Reita wollte dich noch was fragen“, sagte ich an Saga gewandt und schielte meinen Freund kurz auffordernd von der Seite an, „ne?“ „Was denn?“ Aufmerksam schaute Saga sein Gegenüber an, kaute noch auf seinen Nudeln und schluckte gerade runter, als Reita seine Stäbchen sinken ließ und sich räusperte. „Also“, begann er und rührte in seinen Nudeln rum, „wegen heute Abend… willst du mit?“ Nun hörte auch Saga auf zu essen und vergaß sogar das Kauen. Überrascht schaute er Reita an, blinzelte und lächelte dann unsicher, schüttelte den Kopf. „Man, hör auf Witze zu machen. Die reißen mir doch den Arsch auf, wenn die mich da sehen. Ich versau allen den Abend, da hab ich keinen Bock drauf…“ „Du versaust niemandem den Abend“, grinste ich und stand auf, setzte mich einfach kurzerhand neben ihn und legte einen Arm um ihn, „im Gegenteil. Sakito und Ni~ya haben auch keine Lust mehr sauer auf dich zu sein, da sei mal sicher!“ In dem Moment klingelte es auch schon an der Tür und ich hatte noch nicht einmal zu Ende gegessen! Seufzend erhob ich mich und lief in den Flur, öffnete die Haustür und mir sprang gleich ein fröhlicher Sakito in die Arme, der mir einen Begrüßungskuss auf die Wange hauchte und mich breit grinsend anlächelte. „Ich hab’s bekommen“, grinste er, hielt mir eine Tüte vor die Nase, sodass ich ihn verwundert anschaute und dann die Tüte. „Was meinst du?“ „Das Outfit! Sie haben es runtergesetzt, und ich konnte das letzte in meiner Größe ergattern und sogar bezahlen“, strahlte er mich an und ließ endlich Ni~ya an sich vorbei durch die Tür, der mir ebenfalls kurz einen Kuss gab, jedoch auf die Wange. „Er will’s direkt heute Abend anziehen“, meinte er ein wenig genervt, „und für das hat er mich durch zig Läden geschleppt und ist zweimal neu Geld ziehen gegangen!“ Ni~ya hasste eben shoppen… „Schön“, lächelte ich kurz, „kannst du mir jetzt die Haare färben, wenn ich aufgegessen hab oder nicht?“ „Du gönnst mir auch nichts, oder?“, lachte er kurz, ehe er ins Wohnzimmer ging, Reita ebenfalls einen Kuss auf die Wange drückte und sich neben ihn setzte, dann sogar Saga zum Gruß zunickte. Auch Ni~ya betrat nun mit mir das Wohnzimmer und hob für beide zum Gruß kurz die Hand, setzte sich dann dicht neben Sakito. „Was gibt’s?“, fragte er in die Runde, als er sich einfach unerlaubterweise ein Bier nahm, es öffnete und einen Schluck daraus trank. „Saga kommt heute mit“, sagte ich dann einfach ohne zu überlegen, woraufhin Sakito mich nur kurz überrascht anschaute und Ni~ya mit den Schultern zuckte. „Und?“ Die Frage hatte ich jetzt nicht von dem schwarzhaarigen erwartet. Unbeeindruckt schaute er mich an, dann kurz zu Saga herüber, der noch immer an seinen Nudeln knabberte und den Blick gesenkt hatte. Ihm war das ganze wohl unglaublich unangenehm, aber er kam nun mal nicht drum herum, wenn er sich wieder halbwegs in die Gruppe einfügen wollte. Mittlerweile hatte ich mich neben Saga gesetzt, weil auf meinem Sofa neben Reita nun kein Platz mehr war und ich schaute aufmerksam in die Runde. „Nichts und“, meinte Reita schließlich, „wenn einer n Problem damit hat, dann Hand hoch und der wird von mir höchstpersönlich wieder ausgeladen.“ Fragend hob ich eine Augenbraue, auch Saga schaute nun wieder auf und wir beide stellten einige Sekunden später fest, dass weder Ni~ya, noch Sakito die Hand hoben und letzterer schließlich zu lachen begann. „Warum soll ich bitte was dagegen haben, wenn er mitgeht? Verbietet ihm ja keiner, sich auch mal wieder zu amüsieren, oder?“ „Richtig“, sagte ich, stand auf und nahm mir meinen Teller Nudeln, „und deshalb bin ich dafür, dass ich schnell esse und du mir dann endlich die Haare färbst, damit wir auch früh los können!“ Nach einer Viertelstunde hatte ich aufgegessen, also verließen Sakito und ich das Wohnzimmer, gingen samt Blondierung und altem Handtuch ins Bad, um mir die Haare zu färben. Ni~ya, Saga und Reita unterhielten sich weiter gesittet im Wohnzimmer und mein Freund würde schon drauf achten, dass keiner der anderen beiden irgendwelchen Mist anstellte, da war ich sicher. So schloss ich die Badtür ab, zog mir das Shirt über den Kopf und legte das Handtuch um meine Schultern, während Sakito die Blondierung auspackte und sich die Beschreibung kurz durchlas. „Hätte nicht erwartet, dass du nichts dagegen hast, dass er mitgeht“, meinte ich nach einer Weile, in der ich still auf dem geschlossenen Klo gesessen und gewartet hatte, bis dass Sakito endlich fertig wurde, die Blondiercreme zu mischen. „Ich auch nicht“, erwiderte er ein wenig belustigt, „aber ich kann ja nicht ewig auf ihn sauer sein, oder? Also machen wir das Beste aus dem Abend heute.“ „Und Ni~ya?“ Kurz hielt Sakito einen Moment inne, begann dann die Blondiercreme zu schütteln und zuckte mit den Schultern. „Der poliert Saga nur nicht die Fresse, weil ich’s ihm verbiete“, antwortete er ebenfalls so gelassen, dass man meinen konnte, ihm war das alles völlig egal. Er packte die Blondierungspackung in den Mülleimer, zog sich die Handschuhe über und zupfte mir dann ein wenig in den Haaren herum. „Alles blond oder nur Teile?“ „Alles“, sagte ich, „und nachher noch weißblonde Strähnen rein.“ „Schaffen wir heute nicht“, gab er gleich darauf zurück, während er begann, die Flüssigkeit in meinen Haaren zu verteilen und dabei nicht gerade sehr sanft vorging. „Au!“ „T’schuldige“, murrte er, „aber diese Handschuhe sind für n Arsch, wenn ich das mal so behaupten darf…!“ Kurz lachte ich auf, ließ ihn einfach machen und wartete ungefähr zehn Minuten schweigend darauf, bis er die Dose endgültig beiseite stellte und die Handschuhe in den Müll warf. Dann setzte er sich auf die Badewanne und schaute mich plötzlich ernst an. „Wessen Idee war das?“, fragte er und lehnte sich gegen die Wand neben sich. „Dass Saga mitkommt?“, stellte ich eine Gegenfrage und auf sein Nicken antwortete ich „Meine.“ „Dachte ich mir schon. Weißt du, ich wollte ihn heute eigentlich selber fragen, ob er mitkommen will. Ich vermiss meinen besten Freund irgendwie… auch, wenn er Scheiße gebaut hat.“ Und irgendwie machte mich dieser Satz unglaublich nachdenklich. Er vermisste seinen Freund, obwohl er so viel Scheiße gebaut hatte. Dafür hatte er sich auch nicht nur einmal entschuldigt. Und schließlich kam in mir die Frage auf, wieso Ruki und Aoi sich nicht einfach für ihr dämliches Verhalten entschuldigt hatten. Besonders Aoi… wieso war er nur so ein Sturkopf und brachte es nicht fertig, mich überhaupt noch in normaler Weise anzusprechen? Ob er überhaupt davon wusste, dass meine Mutter tot war? Ob er sich dafür überhaupt interessierte? Oder wie es mir dabei ging? Würde er nicht mal wissen wollen, wo ich zurzeit steckte, wenn ich nicht mehr zuhause leben konnte…? „Anständig von dir“, lächelte ich, ehe ich aufstand und mit der Pampe in meinen Haaren die Tür zum Wohnzimmer öffnete. Ich würde bestimmt das ganze Wohnzimmer vollstinken mit der Haarfärbecreme! „Siehst heiß aus“, lachte Ni~ya, als er mir Platz auf dem Sofa neben Reita machte und zog an seiner Zigarette. Er setzte sich auf den Boden neben den Tisch und grinste mich blöd an. Genau wie mein Freund nebenbei bemerkt auch. „Maul halten und Platz machen“, murrte ich, ließ mich neben meinem Freund nieder und rümpfte angewidert die Nase, „Hast du geraucht?“ „Nur eine“, wehrte er gleich ab, „ich schwöre! Und ich rauch auch den ganzen Abend keine mehr, versprochen!“ „Meine Fresse, mutierst du jetzt zum Weichei?“, lachte Sakito, der ebenfalls aus dem Bad gekommen war und sich eine Zigarette aus Ni~ya's Packung nahm, „Selbst, wenn mein Freund Nichtraucher wäre, würd ich nicht auf meine Kippen verzichten…“ „Du“, meinte Reita lässig und legte einen Arm um mich, woraufhin ich ihn beleidigt von mir schob, „aber wenn ich’s mache, zieht er die Show hier ab!“ Allgemeines Auflachen und der nächste Kommentar von Saga. „Weiber!“ „Aber selber“, murrte ich und warf ein Kissen nach ihm, das er nur gerade eben so abwehren konnte, „wer steht denn von uns beiden immer länger im Bad und regt sich lauthals über seine nicht sitzende Frisur auf?“ „Du?!“, neckte er mich, „Das hab ich schon oft genug bei dir erlebt! Du brauchst doppelt so lang fürs Schminken wie ich!“ „Mich übertrifft eh keiner“, sagte Sakito stolz, „ich brauche eine knappe Stunde im Bad, wenn ich rausgehe! Gut, dass ich mich heute Mittag schon geschminkt hab, jetzt brauch ich nur noch Haare machen und nachschminken.“ „Weiber“, meinte Ni~ya nur trocken und erhielt Zustimmung von Reita, der mich grinsend anschielte und auf meine Frisur deutete. „Du wirst ganz bleich da oben“, sagte er beinahe besorgt, stemmte sich dann auf die Knie und schaute mir auf den Kopf, „ist voll ungewohnt!“ „Warte, bis ich’s ausgewaschen hab“, grinste ich und erfreute mich an seinem blöden Gesicht. Ja, er würde sich noch wundern, denn die Farbe war fast so blond wie die in seinen Haaren. Aber nur fast. „Was findet denn heute in der Scheune eigentlich statt?“, fragte Saga, der natürlich von all dem keinen Plan hatte, weil er schon seit Tagen nicht mehr wirklich mit den anderen geredet hatte, was nun eben zur Folge hatte, dass er über absolut nichts Bescheid wusste, was so abging. Gut, ich auch nicht, daher kam die Frage eigentlich ganz gelegen. „Sommerparty“, antwortete Reita ihm, „die haben um elf auch n Feuerwerk und man kann bis sechs Uhr durchfeiern. Zwischen zwölf und eins gibt’s freie Getränke für alle.“ „Hört sich gut an“, schmunzelte Saga, schlürfte die letzte Nudel auf und lehnte sich zufrieden und satt zurück. „Ich würde mal sagen, wir bleiben solange wir’s durchhalten!“ “Bin ich auch für. Der Scheiß kostet schließlich siebenhundert Kröten Eintritt“, meinte Sakito, der mal wieder halb auf Ni~ya's Schoß saß, schließlich war kaum noch Platz auf dem Sofa. Und etwa eine halbe Stunde später fand ich mich über Sagas Badewanne wieder, Sakito wusch mir behutsam die Blondierung aus und achtete lustigerweise peinlichst genau darauf, dass ich auch keinen Tropfen Wasser ins Auge bekam. War ja Chemie dran, könnte ja wehtun! „Du bist blond, Uru“, stellte er fest, als er fertig war und mir die Spülung über den Kopf schüttete, „du bist so richtig geil blond!“ „Hör auf mich ungeduldig zu machen und massier mir das Zeug ein“, murrte ich, als ich auch schon Schritte hörte, dann die Badtür, wie sie jemand aufmachte. „Zeig mal“, erklang Sagas Stimme, als er hinter mich trat und mir auf den Kopf schaute. Er bekam große Augen und lachte. „Blond!“ „Sei leise“, schmollte ich, „das heißt schließlich nicht, dass ich gleichzeitig auch blöd bin!“ „Sag ich doch gar nicht! Ich find’s nur sexy, passt zu dir!“ Kurz bedachte Sakito ihn mit einem undefinierbaren Blick, ehe er doch noch grinste und sich daran machte, mir die Spülung wieder auszuwaschen und nach dem Fön zu greifen. Ich fiepte kurz auf, als die heiße Luftböe auf meine nassen Haare traf und schloss dann die Augen, während mein Kumpel mir die Haare durchkämmte und trocken föhnte. „Je trockener du wirst, desto blonder wirst du sogar“, schmunzelte Saga, der noch immer neben mir stand und mir amüsiert dabei zuschaute, wie ich immer wieder versuchte, einen Blick in den Badezimmerspiegel zu erhaschen, doch der blieb mir leider verwehrt, da er doch zu weit weg hing von der Wanne. Und Spiegel funktionierten bekanntlich nicht um Ecken… „Ich kann sie dir ja gleich stylen“, schlug Sakito vor und griff schon nach dem Haarspray, toupierte dann einige Strähnen auf und fixierte sie, bis ich des Wartens langsam hundemüde wurde und ich endlich sehen wollte, was man (oder eher ich) aus mir gemacht hatte! „Fertig“, sprach Sakito schließlich die Erlaubnis, endlich aufstehen zu dürfen und ich sprang mit einem Satz vor den Spiegel, meine Augen leuchteten auf und ich grinste bis über beide Ohren hinweg. Man, sah das klasse aus!! „Jetzt noch die Sachen von Saga, die ich zum Geburtstag bekommen hab und wir müssen unbedingt Bilder machen! Ich hab noch nie Bilder mit meinem neuen Styling gemacht…!“ „Prinzesschen“, lachte Saga, schob mich schließlich aus dem Badezimmer mit der Entschuldigung, er müsse sich ja auch noch in Stand setzen und so lief ich überglücklich mit Sakito im Schlepptau zurück ins Wohnzimmer. Reita saß auf dem Sofa und hatte sich bis eben noch mit Ni~ya unterhalten, der aufgestanden war und nun vorm Fernseher stand, bis er sich jedoch umdrehte, als er hörte, dass wir aus dem Bad gekommen waren. Und von seinem Gesicht hätte man auch ein Foto machen sollen! „Wow, Schönheit“, grinste er, „du bist ja fast so erblondet, wie ich!“ „Ich seh besser aus als du mit meinem neuen Blond“, neckte ich ihn und wich gleich dem Kissen aus, das er nach mir warf. Grinsend streckte ich ihm die Zunge heraus und verschwand in meinem Zimmer, um mich dort umzuziehen, hörte jedoch schnell die Schritte meines Freundes hinter mir, wie er mir folgte. Er schloss die Zimmertür hinter uns und kam langsam auf mich zu. Bei seinem Blick musste man schon wieder aufpassen… „Stehst du etwa auf blond?“, ärgerte ich ihn und fuhr mir durch die vorderen Strähnen, während ich rückwärts zu meinem provisorischen Kleiderschrank lief und ihn dabei nicht aus den Augen ließ. „Uh ja“, antwortete er leise, „besonders an dir…!“ „Du bist auf Entzug“, stellte ich trocken fest, als er sich an meinen Rücken schmiegte, da ich mich soeben umgedreht und in meinem Schränkchen nach den Geburtstagsklamotten wühlte, die Saga mir geschenkt hatte. Oh, heute würde ich mich so richtig für Reita rausputzen! Endlich mal wieder abschalten nach der ganzen Scheiße, die passiert war, endlich wieder feiern und mich hoffentlich auch endlich wieder allein mit Reita vergnügen zu können… „Bist du doch selber“, hörte ich ihn raunen, als er die Hände unter mein weit ausgeschnittenes Shirt schob und mal wieder über meinen Bauch streichelte, seinen Unterleib gegen meinen Hintern drückte. „Das blond macht mich sogar noch heißer auf dich…!“ „Jetzt hab ich keine Zeit“, grinste ich frech und drehte mich mit meinen Klamotten zu ihm um, „aber ich erlaub dir, mir beim Umziehen zu helfen, als kleiner Vorgeschmack…“ Wie erwartet, ließ er sich das nicht zweimal sagen und schob das Shirt langsam höher, bis er es über meinen Kopf zog und dabei natürlich so vorsichtig war, meine Frisur nicht zu zerstören, wegen der ich zehn Minuten länger hatte warten müssen, bis ich endlich in den Spiegel schauen durfte. Er ließ es achtlos zu Boden gleiten, zog mich näher an seinen warmen Körper und küsste mich verlangend. Na, ich wollte mal nicht so sein und erwiderte den Kuss, drückte ihm aber dennoch auffordernd die Klamotten gegen die Brust, deutete ihm, dass das ganze nicht so ablaufen würde, wie er das gerne hätte, schließlich wollten wir ja noch ausgehen heute Abend! Doch er verstand, löste sich aus dem Kuss und zog seine Lippen leicht über meinen Hals, als er meine Hose aufknöpfte und sie mir langsam von den Hüften schob. „Hast du schon frische Unterwäsche an?“, schnurrte er an meinem Ohr, woraufhin ich leise lachte und den Kopf ein wenig zur Seite zog. „Heute Mittag nach dem Duschen frisch angezogen“, antwortete ich, anscheinend sehr zu seinem Bedauern, denn er murrte kurz, zog die Hose dann bis zu meinen Kniekehlen herunter, wobei er selber in die Hocke ging. „Würde doch aber nicht schaden, wenn du dir noch mal eine frische anziehst, oder?“, schmunzelte er und zog mir dann einfach unerlaubterweise die Hotpants von den Hüften. Kurz errötete ich etwas, ehe ich ihn am Kopf von mir schubste, sodass er auf seinem Hintern landete und mich gespielt beleidigt umdrehte, mir die Hotpants von den Beinen strampelte und in meinem Grill (ich musste jedes mal selber lachen bei dem Gedanken) nach einer frischen angelte. „Jetzt hast du verspielt“, sagte ich beleidigt, zog mir die neue Hotpants an und schlüpfte auch gleich in das enge, lila Oberteil mit den geöffneten Ärmeln, die von einigen Lederschnallen zusammengehalten wurden. „Spielverderber“, murrte Reita, setzte sich aufs Bett und schaute mir beim anziehen zu, „du gönnst mir auch echt gar nichts…!“ „Heute Nacht vielleicht schon, wenn du jetzt endlich brav aufhörst zu jammern“, hauchte ich lasziv grinsend, ehe ich mir die enge Korsage um die Taille schnallte und kurz ein wenig erschrocken nach Luft schnappte, als ich feststellte, dass sie verdammt eng war! „Heiß“, hörte ich Reita sagen, doch ich achtete nicht auf ihn, sondern zog mir die Hose nun endlich an, an der ein langer Schleier bis zum Boden befestigt war und betrachtete mich zufrieden im Spiegel, als ich mir meine Lieblingskette um den Hals legte und mir die Haare etwas aus dem Gesicht strich. „Fehlt nur noch Make-up“, murmelte ich zu mir selber und beachtete Reita schon gar nicht mehr, der noch immer auf meinem ‚Bett’ saß und wahrscheinlich schon die halbe Matratze voll gesabbert hatte. „Heute wird jeder neidisch auf mich sein“, flötete er, als ich gerade dabei war, mein eines Auge fertig zu schminken und ihm den letzten Schliff zu geben. Kurz seufzte ich, schüttelte lächelnd den Kopf und noch während ich mich meinem anderen Auge widmete, ließ Reita sich rücklings auf das Bett fallen. „Ich will mich auch umziehen“, meinte er, „hab keinen Bock in Shirt und Hose feiern zu gehen. Aber ich will nicht allein bis nach Hause latschen… kommst du gleich mit?“ „Sind deine Eltern daheim?“, fragte ich gleich, als auch das zweite Auge nun endlich fertig war und ich legte die Schminksachen beiseite, drehte mich fertig gestylt zu Reita um und schaute ihn abwartend an. „Klar sind die da“, grinste er, „und das ist auch ne gute Gelegenheit n bisschen mit dir anzugeben. Bist du dabei?“ „Auf jeden Fall“, neckte ich ihn, stand auf und hielt ihm die Hand hin, um ihm aufzuhelfen, „an mir gibt’s nichts, womit man angeben könnte!“ Er nahm meine Hand jedoch nicht an, stand von selbst auf und zog mich an den Hüften näher, ehe er anrüchig lächelte und mir einen kleinen Kuss gab. „Oh doch…“ Wieder lachend griff ich nach seiner Hand, um ihn mit aus dem Schlafzimmer zu ziehen und zurück ins Wohnzimmer zu gehen, wo bereits alle auf uns warteten, fertig angezogen und bereit loszugehen. „Er will sich auch noch umziehen“, sagte ich und wir beide ernteten allgemeines, genervtes Seufzen. „Willst du mir jetzt ernsthaft sagen, dass wir diesmal auf dich warten müssen, statt auf Uruha oder mich?“, schmunzelte Sakito, der gerade den Reißverschluss seiner Stiefel hochzog und die Hose darüber schlug. Dann griff er nach Ni~ya's Hand, der seine Schuhe nicht einmal ausgezogen hatte und zog ihn zur Tür. Auch Saga folgte den beiden. „Lass eben zuhause bei mir vorbei gehen, dann kann ich mich umziehen und kurz Augen machen. Dauert ja keine halbe Stunde“, schlug Reita vor und schließlich verließen wir gemeinsam die Wohnung, machten uns auf den Weg zu meinem Freund nach Hause. Es hatte keine zehn Minuten zu Fuß gedauert, und dennoch kam es mir wie eine Ewigkeit vor, dass wir endlich vor Reitas Tür standen, er sie aufschloss und uns allesamt hereinließ. Dass seine Eltern da waren, störte ihn dabei kaum. „Saufen wir heute vor?“, fragte Sakito, „Ich hab wenn dann aber kein Geld dabei, das reicht nur für Eintritt und so…“ „Ich hab genügend“, meinte Ni~ya, „diesen Monat frisch Taschengeld bekommen. Reicht schon für uns beide.“ „Um ehrlich zu sein hab ich auch nicht wirklich Geld“, murmelte ich, „das ist alles fürs Einkaufen gestern draufgegangen, weil mein lieber Mitbewohner ja nie was im Kühlschrank hat!“ Murrend schielte Saga mich von der Seite an, als er seine Schuhe im Hausflur auszog und sie beiseite stellte. Reita hatte seine Chucks wie immer einfach achtlos beiseite geworfen. Ich tat es ihm einfach mal gleich. „Reita? Bist du zuhause?“ Eine piepsige Stimme aus dem Wohnzimmer erklang und schon kurz darauf öffnete sich die Tür, Reitas Mutter betrat den Flur und starrte uns allesamt erschrocken an. „Was wird das denn hier? Du kannst doch nicht einfach unangekündigt einen Haufen Leute bei uns einschleppen!“, keifte sie, schaute kurz hinter sich und ich konnte sehen, wie ihr Freund auf uns aufmerksam wurde. „Bin mich nur umziehen“, antwortete Reita unglaublich gelassen, „dann verschwinden wir wieder.“ „Aber auf der Stelle! Und du brauchst heute Abend auch nicht wiederkommen, mein Freund!“, brüllte sie noch, als wir die Treppe rauf liefen und uns allesamt in seinem Zimmer verbarrikadierten. Gott, letztes Mal war die Alte aber irgendwie freundlicher gewesen…! „Die war auch mal netter“, sprach Saga meine unausgesprochene Feststellung aus und Reita lachte kurz müde auf. „Liegt am Stress“, meinte er trocken, „ich hab letztens n bisschen Aufstand gemacht und seitdem dreht sie voll durch.“ „Worum ging’s denn?“, fragte ich einfach aus Neugierde, als ich mich auf dem Bett niederließ und meinem Freund beim Umziehen zuschaute. Die anderen hatten sich derweil quer über Reitas Boden verteilt, wo gerade eben Platz war. „Hab ihr von dir erzählt“, grinste er, „und dem Tattoo. Da ist sie ausgerastet…“ Allgemeines Gelächter, doch ich konnte nur den Kopf darüber schütteln. Irgendwie war es ja doch ein wenig unangenehm, der Grund für die Ausraster seiner Mutter zu sein. Deshalb hatte er hier bestimmt nicht viel zu lachen… „Und was ziehst du jetzt an?“, fragte ich einfach mal, um dieses unangenehme Thema zu wechseln, da hielt er mir auch schon ein recht ungewöhnliches Oberteil für ihn vor die Nase. Es hatte ausnahmsweise keinerlei Nieten! Es war schwarz, hatte lustige, goldene Verzierungen und lag bestimmt so richtig eng an. Als er es anhatte, wusste ich bescheid. „Steht dir“, kam gleich der Beifall von Sakito und ich betrachtete argwöhnisch die Hose, die in etwa demselben Muster geschnitten war. Man, er sah heute ja richtig elegant aus! Während die anderen sich unterhielten, beobachtete ich gedankenverloren, wie Reita sich die Augen schwarz schminkte und schmunzelte innerlich. Irgendwie hatte ich ja einen tollen Freund. Dem es nicht mal was ausmachte, geschminkt herumzulaufen…! Etwa eine halbe Stunde später waren wir endlich auf dem Weg zur Scheune, natürlich zu Fuß, damit uns auch jeder nächstbeste anstarrte, als wären wir nicht von dieser Welt. Früher wäre mir das unglaublich auf den Sack gegangen, heute freute ich mich darüber wie ein Huhn über ihr Ei. Reita und ich hielten Händchen, während wir durch die Straßen liefen und die Kinder, die spät um halb neun noch auf dem Spielplatz herumtobten, riefen böse Wörter hinter uns her, aber das störte uns wenig. Wenn wir wollten, hätten wir denen sowieso Angst und Bange machen können! Mit einer Flasche Roten bewaffnet, lief ich nun also neben den anderen her und beteiligte mich ab und zu an deren Gesprächen, war jedoch die meiste Zeit damit beschäftigt, meinen Freund neben mir anzuhimmeln, denn heute Nacht sah er wirklich verboten gut aus. Auf halbem Wege waren Tora und Shou zu uns gestoßen, ersterer hielt sich seltsamerweise auf großem Abstand zu Saga, letzterer jedoch quasselte mit meinem Mitbewohner, als wenn nie irgendwas vorgefallen wäre. Nachdem er uns erklärt hatte, dass Hiroto wegen einer Blasenentzündung nicht hatte kommen können und sich der ganze Haufen fast einen ganzen Kilometer darüber totgelacht hatte, war das Gespräch komischerweise auf das Erotikviertel dieser Stadt umgeschwenkt und Sakito und Shou, der ja bekanntlich hetero war und sich am liebsten in dementsprechenden Bars aufhielt, waren gut dabei. Wohingegen ich mich da lieber nicht einmischte, da ja nicht gleich alle wissen mussten, dass Reita neben mir mein erster Freund war und ich vorher noch nie mit irgendwem – nicht mal mit mir selber – irgendwelchen sexuellen Kontakt gehabt hatte. Peinlich genug, dass Reita das wusste! Was hatte ich mir damals vor meinem gottverdammten PC eigentlich gedacht, ihm das zu schreiben?! Während die anderen nun also eifrig diesem äußerst ungewöhnlichen Gesprächsthema nachgingen, trank ich einen Schluck aus meiner Flasche, reichte sie Reita, der sie mir schließlich gekauft hatte und grinste diesen verschmitzt an. „Deine Mom hat dich für heute Nacht rausgeschmissen.“ Eine Tatsache, die mich wirklich hocherfreute, denn jetzt lebte ich schließlich in einer (fast) eigenen Wohnung, und hatte auch ein eigenes Zimmer dort. Und in dem eigenen Zimmer konnte ich anstellen, was immer ich wollte… „Hat Saga dir nicht verboten, böse Machos mit nach Hause zu nehmen?“, schmunzelte Reita, als er einen großen Schluck Roten genommen hatte und reichte die Flasche über seine Schulter hinweg zu Ni~ya. „Solange der böse Macho und seine kleine, unschuldige Perle keinen allzu großen Aufstand machen, kann er sich nicht beschweren, oder?“, gab ich gelassen zurück, erntete ein amüsiertes Auflachen. „Du und unschuldig? Das weiß ich aber besser“, neckte er mich und wir bogen gemeinsam in die Straße zur Scheune ein, wo bereits laute Musik und viele Stimmen zu vernehmen waren. Es schien voll zu sein, denn von Weitem tummelten sich die Leute schon vor dem Eingang auf der großen, gemähten Strohwiese draußen. Es roch nach Alkohol und Zigaretten. „Sieht nach ner langen Nacht aus“, stellte Ni~ya hinter uns fest und ich nickte zustimmend. Wir näherten uns dem Gedrängel und ich setzte meinen elegantesten Blick auf, schwebte graziös wie eine Katze neben meinem Freund her und amüsierte mich köstlich über die Blicke der anderen Leute, die ausschließlich auf Sakito in seinem neuen Outfit und mir klebten. Ich fühlte mich einerseits wie ein Rockstar, andererseits hatte es aber auch irgendwie einen gewissen Touch von Stripclubatmosphäre, weil ich ja freizügig gekleidet war und mir jeder auf die Beine gaffte. Aber mein Freund würde schon dafür sorgen, dass es keiner versuchte…! Grinsend nahm der Typ am Schalter das Geld für den Eintritt entgegen und hielt meine Hand einige Sekunden länger als nötig fest, als er mir den Stempel verpasste und ließ mich erst los, als Reita ihm einen warnenden Blick schenkte. Ich schüttelte darüber nur den Kopf, griff dann wieder nach Reitas Hand und ließ mich von ihm durch die Scheune führen, zielstrebig auf die Bar zu, an der einige Hocker frei waren. Auch eine kleine Sitzecke war noch nicht besetzt. „Wir müssen Platz sparen“, hörte ich Ni~ya zu Sakito rufen bei der lauten Musik und natürlich wusste ich, was das für die beiden bedeutete. Mir wurde wärmer bei dem Gedanken, dass ich ebenfalls bald auf dem Schoß meines betrunkenen Freundes sitzen würde… „Um halb elf ist Feuerwerk, das heißt wir müssen hier zwei Stunden die Zeit totschlagen“, rief Reita mir zu, als er an der Bar Getränke bestellte. Unsere hatten wir vor der Scheune kurzerhand hinter einem riesigen Strohballen verschwinden lassen. Ich nahm mein Glas Wodka Limone entgegen, ehe ich den anderen zur Sitzecke folgte und wartete, bis Reita sich niedergelassen hatte in der hintersten Ecke. Dann setzte ich mich seitlich auf seinen Schoß, sodass ich die anderen noch sehen und mich mit ihnen unterhalten konnte. Saga setzte sich auf die linke Seite neben Reita, neben ihn setzte sich Shou und ganz außen hin Tora. Auf der anderen Seite saßen Sakito und Ni~ya, dicht aneinander geschmiegt, weil die Bank doch recht schmal war. Schmaler als die gegenüber… „Lang her, dass ich aus war“, hörte ich Saga sagen, der an seinem Glas herumdrehte und einen großen Schluck daraus nahm. Er sah bereits leicht angetrunken aus, da seine Wangen röter als sonst waren. „Dann hast du heute Abend endlich mal wieder n bisschen Spaß und kannst abschalten“, sagte Shou und stupste ihm in die Seite. „Bock nachher zu tanzen?“ Überrascht schaute die Runde zu Shou herüber. Shou, der heterosexuellste Mann unter den heterosexuellen Männern wollte mit Saga tanzen? Saga, der sonst alles anbaggerte, was nicht bei drei auf den Bäumen war? „Bist du krank?“, lachte Tora auf und hielt Shou eine Hand an die Stirn, „Du hast grad echt gefragt, ob er mit dir tanzen geht! Du tanzt aber doch nie auf Partys!“ „Dann ist das heute eben das erste Mal“, murrte Shou und verwickelte Saga erneut in ein Gespräch. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er Saga nicht einfach nur hier sitzen lassen wollte, denn man konnte meinem Mitbewohner ansehen, dass es ihm noch immer ein bisschen unangenehm war, mit allen zu feiern. Nach all dem, was passiert war, waren Tora und Sakito noch immer sauer auf ihn – auch, wenn es nicht unbedingt den Anschein machte. Während Ni~ya sich mit Reita über irgendwelche Klamottenmarken und Videospiele unterhielt, lehnte ich mich über den Tisch, um ein bisschen mit Sakito zu plaudern. „Hast du gesehen, wie der Typ am Eingang mit den Stempeln dich angestarrt hat?“, grinste er gleich, „Der kommt heute bestimmt noch mal hier vorbei, da wette ich mit dir!“ „Selbst wenn“, gab ich unbeeindruckt zurück, „der wird nen Satz heiße Ohren kriegen, wenn der es bei mir versucht! Der war so erotisch wie mein kleiner Zehnagel…!“ „Du hast nen unerotischen Zehnagel?“, lachte er, „Zeig mir!“ „Ich bin doch nicht bescheuert und zieh die dämlichen Stiefel aus, bevor wir wieder zuhause sind“, empörte ich mich, „die krieg ich doch besoffen nie wieder zu!“ „Aber jetzt echt mal“, meinte er neugierig, „hast du so hässliche Zehnägel?“ „Was soll ich denn machen? Soll ich jede Woche zur Kosmetikerin rennen?!“ Wieder lachte Sakito auf und schüttelte den Kopf, schmiegte sich der Berührung Ni~ya's an seiner Seite entgegen und genoss dessen Kraulen anscheinend bestens. Warum wurde ich eigentlich nicht gekrault?! „Das nicht“, grinste er, „aber ich find meine Zehnägel genauso ekelhaft, deshalb feil ich sie und lackier sie mit Nagelhärter, weil es mich nervt, wenn sie dauernd Fäden aus den Socken ziehen…“ „So n Weib bin ich dann doch wieder nicht“, ärgerte ich ihn. „Ich bin kein Weib“, murrte er, „ich achte nur auf mein Äußeres! Sag mal, machst du da jetzt echt noch weißblonde Strähnen rein?“ „Klar“, nickte ich, „ich find blond allein irgendwie langweilig. Außerdem hab ich die Frisur auf einem dieser Plakate gesehen, die in dem Shop hängen, wo ihr mich damals mit reingeschleppt habt und ich fand sie geil.“ Seufzend lehnte Sakito sich auf den Tisch und schaute sich meine Haare genauer an. „Ich beneide dich um das Blond“, meinte er, „aber meine Haare würden mir ausfallen, wenn ich die jetzt blondieren würde, weil ich die eh viel zu oft färbe! Aber das rotbraun bleibt jetzt eine Weile drin!“ „Steht dir auch am besten“, stimmte ich ihm zu, wurde jedoch schon bald von der Seite angestupst und ich schaute hinter mich, sah, dass Tora mich angesprochen hatte. „Bock zu tanzen?“, fragte er zu meiner Überraschung. Blinzelnd schielte ich über meine Schulter hinweg zu Reita, der mich grinsend von sich schob und mit einem Kopfnicken deutete, dass es ihm nichts ausmachte, wenn ich mit Tora tanzte. Eigentlich konnte ich ja gar nicht tanzen, aber in dem Outfit würde es bestimmt reichen, wenn ich nur ein bisschen lasziv meine Hüften schwingen ließ und schon lägen alle Blicke auf mir… „Ich geh auch mit“, meldete sich Sakito zu Wort und ließ seinen Freund, der scheinbar so gar nicht begeistert vom Tanzen war, einfach achtlos sitzen und dachte auch überhaupt nicht erst daran, ihn in seinem Gespräch mit Reita zu unterbrechen. Grinsend krabbelte ich nun also über Sagas und Shous Beine hinweg Tora hinterher, wartete noch kurz auf Sakito, der noch schnell sein erstes Glas geleert hatte und nun etwas schwankend vom Schoß seines Freundes aufstand, um mir zu folgen. „Wusste gar nicht, dass du dich fürs Tanzen begeistern kannst“, rief ich Tora gegen die laute Musik zu, der daraufhin kurz anhielt und nach meinem Arm griff, um mich in der Menschenmenge nicht zu verlieren. „Ich liebe tanzen eigentlich voll“, antwortete er mir, „aber es fragt mich nie einer, weil ich anscheinend zu männlich für sowas aussehe!“ „In deinen Träumen“, lachte ich und griff nun auch nach Sakitos Hand, der nach meiner gesucht hatte, damit auch er mich nicht verlor. So kämpften wir uns zu dritt zur Tanzfläche hervor und gleich begann Tora sich zur Musik zu bewegen, die eine Mischung aus Rock und Pop darstellte. Eigentlich gut anzuhören, wenn man bedachte, dass auf Scheunenpartys ansonsten dauernd irgendwelche Volksmusik lief. Aber vielleicht lag es auch daran, dass heute Nacht Sommerparty war und man sich da nicht mit irgendwelchen volkstümlichen Dudeleien abgeben wollte… Einen Augenblick lang schaute ich einfach nur beeindruckt zu, wie Tora sich – meines Erachtens ziemlich gekonnt – zur Musik bewegte, ehe auch ich langsam mit einstieg und meine Hüften ein wenig kreisen ließ. Meine Hände waren derweil auch nicht untätig, wanderten ein wenig meinen Körper herab, bis die Musik schließlich etwas härter wurde und ich die Finger in meinen Haaren verkrallte – aber immer darauf bedacht, meine Frisur nicht allzu sehr zu zerstören. Ich seufzte genüsslich, da es wirklich Spaß machte und schielte kurz zur Seite, wo Tora mich immer noch betrachtend tanzte und sich nicht ganz so anzüglich bewegte, wie ich es tat. Und gerade, als mir die Frage in den Sinn gekommen war, wo eigentlich Sakito steckte, spürte ich, wie sich etwas von hinten an mich drückte und die Hände auf meine Hüften legte, mich weiter zum tanzen zwang. Überrascht schaute ich über meine Schulter und erblickte Sakitos grinsendes Gesicht hinter mir, der mir kurz zuzwinkerte und mir etwas ins Ohr flüsterte. „Machen wir Tora und deinen Freund n bisschen eifersüchtig?“, schmunzelte er und insgeheim fragte ich mich, ob Ni~ya eigentlich nichts dagegen hatte, wenn er so eng mit mir tanzte. „Von mir aus“, meinte ich jedoch bloß, was wohl am Alkohol lag, der langsam seine Wirkung zeigte und legte einen Arm um seinen Nacken, den anderen ließ ich entweder locker hängen oder legte ihn an meine Gürtelschnalle, während ich die Hüften aufreizend bewegte und mich immer wieder gegen Sakitos Körpermitte bewegte. Er wiederum schien das als Aufforderung zu nehmen, schob seine Hände kurz verdächtig weit über meine Hüften nach vorn, drückte mich dann an meinem Unterleib näher gegen ihn. Und während ich Toras immer wieder neugierig auf uns liegende Blicke bemerkte, schoben sich Sakitos Hände immer höher, über die enge Korsage hinweg zu dem halb geöffneten, lila Oberteil darunter und kurz schlüpfte eine Hand frech darunter, kam jedoch sofort wieder hervor, als sie nicht auf nackte Haut, sondern noch ein eng anliegendes Oberteil traf. Es ließ mich schmunzeln und ich legte den Kopf auf Sakitos Schulter, schloss die Augen und öffnete leicht den Mund, während ich mich weiter bewegte und mir lebhaft vorstellen konnte, wie Reita und Ni~ya uns beide gerade angafften. Wahrscheinlich platzten sie gleich… Doch ehe ich weiter denken konnte, hatte sich Tora, der beachtlich angetrunken war, näher an mich heran gestellt und ebenfalls die Hände auf meine Hüften gelegt, sodass ich eingeengt zwischen Sakito und ihm stand. Er beugte sich nah zu meinem Gesicht vor… „Ich will nur was austesten“, hörte ich ihn an meinem Ohr leise sagen, woraufhin ich nur die Schultern zuckte und die Hand fahrig über seine Brust streicheln ließ, die das weit ausgeschnittene Hemd gut zur Geltung brachte. Wenn er dachte, dass ich mir das einfach so von ihm gefallen lassen würde, hatte er sich geschnitten, denn ich wusste, dass Reita sich weniger Sorgen bei Sakito machen würde, als bei Tora! Grinsend strich ich nun also über dessen Brust hinweg, bis zu dessen Hals herauf, legte dann eine Hand in seinen Nacken und zog ihn quälend langsam näher zu mir. Und da er nichts dagegen unternahm, bestätigte es meine Vermutung nur noch… Ganz nah war er mir nun und ich zog ihn sogar noch ein kleines Stück zu mir, sodass meine Lippen beinahe sein Ohr berührten und hauchte ein leises „Wenn du Saga eifersüchtig machen willst, such dir wen anders“, ehe ich die Hand erneut auf seine Brust legte und ihm einen kräftigen Schubs verpasste, sodass er einige Schritte von mir wegtaumelte und andere tanzende Leute versehentlich anrempelte. Verwirrt schaute er mich an, hatte sogar einen Augenblick lang vergessen zu tanzen, grinste dann aber über seine eigene Dummheit und deutete mit einer Hand nach hinten, wo die Toilettenschilder ausgehangen waren. Nun hatte ich schon irgendwie Mitleid mit ihm, denn eigentlich konnte ich nur zu gut verstehen, wie er sich gerade fühlen musste. Er würde Saga nicht eifersüchtig machen können, weil der leider von Anfang an nichts von ihm gewollt hatte. Seufzend schmiegte ich mich kurz wieder etwas näher an Sakito hinter mir, der die ganze Zeit über nicht vergessen hatte, mich aufreizend anzutanzen und seine Hände ein bisschen spielen zu lassen und reckte meinen Hals etwas, um ihm einen kleinen Kuss auf die Wange zu geben. „Tora wollte Saga eifersüchtig machen“, erklärte ich ihm kurzerhand und er lachte trocken auf. „Hat sowieso nicht funktioniert, wetten?“, gab er unbeeindruckt zurück und drehte mich nun um, zog mich wieder nah zu sich und legte die Arme locker um meine Hüften. Ich hingegen legte meine locker um seinen Nacken und schmunzelte. „Man könnte meinen wir wären das Pärchen“, lachte ich, beobachtete sein sich zu einem Grinsen verziehendes Gesicht und erfreute mich an der Tatsache, dass unser Tisch bereits die ganze Zeit aufmerksam zu uns herüberschielte. „Lass hinsetzen“, sagte Sakito nach einer Weile, „mir is’ langsam schwindelig und ich hab durst…“ Ich nickte, umarmte ihn dann ganz kurz und ließ ihn wieder los, behielt jedoch seine Hand in meiner, um ihn nicht wieder zu verlieren, ehe wir dann nach einigen Metern wieder bei unserem Tisch angelangt waren. Wo mich mein Freund gleich abschätzend anschaute, als ich mich wieder auf seinen Schoß begab. „Was war das denn für ne Aktion von dir und Tora?“, zischte er mir leise zu, als er mich nah zu sich herabgezogen hatte. Ich hingegen seufzte nur und schielte kurz zu Saga herüber, der sich während des Gesprächs mit Shou immer mal wieder die Nägel in die Klamotten grub und anscheinend ein wenig angekratzt daran rumzerrte. „Wollte Saga eifersüchtig machen“, antwortete ich deshalb nur kurz angebunden und schmiegte mich an meinen Freund. „Wer, du?“ „Nein, Tora“, gab ich auf seine Frage hin unbeeindruckt von mir und streichelte gedankenverloren über seine Brust und schließlich auch seinen Bauch. „Wie hat’s dir gefallen?“, wollte ich schließlich frech lächelnd wissen, deutete kurz mit einem Kopfnicken herüber zu Sakito, der schon wieder an Ni~ya's Lippen hing und sich anscheinend eine Entschuldigung erknutschte für das Tänzchen vorhin. „Willst du’s echt wissen?“, stellte Reita mir die Gegenfrage und legte die eine Hand auf meinen nackten Oberschenkel, die andere platzierte sich wie von selbst auf meinem Hintern. „Jah“, schnurrte ich ihm ins Ohr und beobachtete mit Wohlwollen, wie er eine Gänsehaut bekam. „Ich wäre viel lieber an Sakitos Stelle gewesen“, kam es schließlich leise und gefährlich von ihm, er kniff mir in den Hintern und krallte die Nägel in meine empfindlichen Oberbeine, was mich kurz leicht zusammenzucken ließ. „Mh“, machte ich leise und trank einen Schluck aus dem noch halb vollen Glas auf dem Tisch, stellte es zurück und beugte mich wieder zu ihm, „dafür kannst du aber andere Sachen mit mir tun… ist das nichts…?“ Wie um meine Worte zu untermalen, leckte ich ihm kurz anrüchig über die Lippen und deutete einen Kuss an, den er jedoch noch nicht von mir bekommen würde, wenn er nicht endlich aufhören würde, sich über seine verpasste Chance zum Tanzen zu ärgern. „Wenn die ein anderer mit dir tun würde, säße ich jetzt nicht mehr so gelassen unter dir“, grinste Reita und wollte meine Lippen zu einem Kuss einfangen, doch ich zog meinen Kopf etwas zurück und wechselte meine Sitzhaltung etwas, indem ich je ein Bein auf einer Seite von ihm auf der Bank platzierte und ich somit breitbeinig auf seinem Schoß saß. „Uh“, gab ich leise zurück, „mein kleiner Macho ist eifersüchtig…?“ „Maul“, raunte er nur etwas angefressen und zog mich einfach ohne zu fragen in einen fordernden Kuss, den ich ihm diesmal jedoch gewährte und keinerlei Gegenwehr leistete. Und gerade, als er anfangen wollte, mich zu befummeln, geriet der Tisch ein wenig in Aufruhr und ich löste mich von meinem Freund, schaute nach, wessen Stimmen das waren, die ich außerdem noch hatte hören können. Kazuki und dieser Yuuto waren zu uns gestoßen, ebenso wie zwei andere, die ich mal wieder nicht kannte. Na klar… ich fragte mich, wie viele anonyme Freunde hier noch auftauchen würden! „Wir können ja schon mal raus gehen“, rief Kazuki Sakito und Ni~ya zu, während Yuuto ein Schwätzchen mit Saga hielt, „sonst kriegen wir keine guten Plätze mehr beim Feuerwerk und so! Außerdem müssen wir früh wieder drinnen sein, weil’s danach freie Getränke gibt!“ „Bin dabei“, antwortete Ni~ya, schob seinen Freund von sich herunter und hielt ihn gleich bei den Hüften wieder bei sich, als hätte er Angst, Sakito würde ihm davonrennen. „Hey, Uru“, grüßte Kazuki mich und wippte bei meiner Haltung – ob jetzt absichtlich, oder nicht, wusste ich nicht – mit den Augenbrauen, winkte mich zu sich und ich krabbelte etwas verwirrt von Reitas Schoß über die Bank, wo bis eben noch Ni~ya und Sakito gesessen hatten, um mich von ihm in eine kurze, aber herzliche Umarmung ziehen zu lassen, die ich etwas überrumpelt erwiderte. „Wir sollten aber noch auf Tora warten“, gab ich ihm zu verstehen und er schüttelte mit dem Kopf, deutete hinter sich, wo der Schwarzhaarige gerade durch die Menschenmenge wieder auf uns zuwuselte. „Lass raus gehen“, verkündete Yuuto, griff seinen rothaarigen Freund bei der Hand und steuerte uns allen voraus. „Bist du da hinten festgewachsen?“, fragte ich Reita schmunzelnd, der gerade sein Glas auf Ex leer trank und ich tat es ihm gleich, als mir auffiel, dass in meinem immer noch viel zu viel drin war, als dass ich es einfach hier stehen lassen konnte. Dann machten wir uns Hand in Hand auf den Weg nach draußen, wo die Menschenmengen sich ein wenig aufgelöst hatten, da sie wahrscheinlich alle entweder drinnen oder wieder heimgegangen waren. „Frische Luft“, atmete Saga erleichtert, aber dennoch ziemlich beschwipst auf, was den Alkohol wahrscheinlich noch um einiges schlimmer zur Geltung bringen würde. Zumindest war das bei mir immer so, wenn ich trank… Und genau das bekam ich auch zu spüren, als ich nach draußen an die kühle Nachtluft trat, denn da ich eben noch mein Glas auf Ex ausgetrunken hatte, überfiel mich der leichte Schwindel gleich doppelt so schnell! „Ey“, machte Reita, als ich ihn versehentlich anrempelte, „jetzt schon genug, du Schnapsleiche?“ „Never“, murrte ich, „leih mir lieber dein’ Arm…“ So taumelten wir alle gemeinsam lachend nach draußen und ich beobachtete mit wachsamen Augen, wie Saga ein bisschen geknickter als sonst neben Tora herlief. Hatte dessen Versuch, meinen Mitbewohner eifersüchtig zu machen, etwa angeschlagen…? Nein, das konnte nicht sein. Wahrscheinlich war Saga nur beleidigt, dass heute Abend jeder irgendwen zum anflirten aufgetrieben hatte – was in Toras und meinem Fall allerdings keinerlei Bedeutung mit sich trug – außer er selber. Tat einem ja schon irgendwie Leid… Draußen saßen bereits einige Leute auf dem Boden im gemähten Heufeld, tranken aus ihren Flaschen und hatten anscheinend eine Menge Spaß, was ich dem lauten Gelächter einiger entnehmen konnte. „Lass da drüben irgendwo hingehen, da is’ noch Platz“, hörte ich Ni~ya lallen und er zog Sakito mit sich, dicht gefolgt von Kazuki und Yuuto, dann Shou, dann Saga und Tora und zum Schluss wir beide. Reita schwankte ebenfalls verdächtig, hatte wohl etwas mehr als nur ein Glas getrunken, als wir tanzen gewesen waren. Und genau in der eben aufgezählten Reihenfolge ließen wir uns auf dem Boden nieder, unterhielten uns weiter über irgendwelche belanglosen Dinge, wohingegen ich jedoch ab und an aufmerksam zu Tora und Saga herüberschaute. Irgendwas stimmte doch mit den beiden nicht! Tora war zurückhaltend und ungewöhnlich still, wie er da so neben Saga saß. Wieso saß er überhaupt neben Saga?! Und eben der saß auch einfach nur da, zog eine Fresse wie schon lang nicht mehr und kaute sogar von Zeit zu Zeit auf seinen Fingernägeln herum. Und je länger wir so da saßen, desto klarer wurde mir, dass da zwischen den beiden noch immer was im Busch war. Toras Eifersuchtsaktion hatte also gewirkt…? „Muss pinkeln“, gab Saga nach einer Weile schließlich von sich, in der Tora ihn noch immer nicht angeschaut hatte. Scheinbar hatte mein Mitbewohner auf irgendeine Gelegenheit gewartet, mit Tora zu reden, doch der rührte sich auch nicht, als Saga sich erhob und langsam richtung Toilette taumelte. Und seltsamerweise hatte ich ein blödes Gefühl dabei, dass er nicht alleine ging… „Siehst du, wie Tora guckt?“, zischte ich meinem Freund also zu, der bis eben noch mit Yuuto in ein Gespräch vertieft gewesen war und gleich zu mir schaute, als ich ihn angesprochen hatte. „Der will noch immer was von Saga“, stellte er trocken fest, „ich bin ja nich’ blöd…“ Ich blinzelte, schüttelte dann lachend den Kopf. „Mein ich ja auch gar nich’“, nuschelte ich, „aber ich find’s schade für die beiden… du nich’?“ Er schien einen Moment zu überlegen, ehe er resignierend seufzte und sich gegen mich lehnte. „Na ja“, nuschelte er zurück, „Saga kann ja nich’ sein ganzes Leben an Sakito hängen… er hat auch mal n bisschen Glück verdient und so…“ Gute Einstellung! Lobend tätschelte ich meinem Freund auf den Kopf, hatte gerade zu einer Antwort ansetzen wollen, als… „EY!“ Tora war aufgesprungen, wie von der Tarantel gestochen und sprintete los, zog damit die Aufmerksamkeit aller in unserer Runde auf sich und rannte zielstrebig zu einer kleineren Gruppe Typen zu. Und nach einem Augenblick der Überraschung erkannte ich auch, wieso: Mitten in diesem Haufen stand Saga und wurde gerade nicht besonders freundlich von zwei dieser Typen hin und her geschubst. Waren das nicht… „Tora!“, rief Reita, sprang ebenfalls sofort auf und zu meiner Überraschung rannte sogar Ni~ya ihm hinterher. Auch Shou war losgesprintet. Erst viel zu spät realisierten die anderen, was los war und folgten mir etwas verspätet, denn ich war bereits fast schon an dem Spektakel angekommen, was sich da vor meinen Augen ereignete. Und ich konnte nicht glauben, was ich da hörte… „Ihr scheiß Schwuchteln!“, brüllte Kyo, den ich jetzt erst erkannt hatte mit seinen schwarz gefärbten Haaren und der rotschwarz karierten Jacke, „Ich reiß euch die verfickten Schwänze ab! Besonders dir, du Wichser, du bist uns immer noch nen Haufen Kohle schuldig, weißt du das eigentlich?!“ Er schlug erneut auf Saga ein, der sich verzweifelt versuchte zu wehren, doch kaum hatte sich der kleine Giftzwerg von Schläger versehen, war Tora dazwischen gesprungen und schubste ihn grob zur Seite, sodass er nach hinten taumelte und dem Schlag mitten ins Gesicht kaum entweichen konnte. „Verfickter Hurensohn!“, schrie Kyo ihn an und hetzte seine Freunde auf Tora, woraufhin sich nun auch Reita einmischte und sich einen dieser Typen vornahm und versuchte ihn irgendwie von Saga und sich selber fernzuhalten. Tora währenddessen war noch immer mit Kyo beschäftigt, entging dessen Schlägen mehr oder weniger geschickt und dreschte selber wie ein Besessener auf ihn ein. „Du widerliches Schwein!!“, brüllte er den kleineren an, „Hast du’s echt nötig, dich von Dai hier hinschicken zu lassen und mit vier Mann Saga zur Sau zu machen?! Das ist verdammt noch mal nicht dein Geld, du Spasti!“ „HALT DIE FRESSE, HURENSOHN!“, brüllte Kyo nur noch lauter und prügelte weiter auf Tora ein, während Saga sich langsam aus dem Gedrängel befreite und ich eilte sofort zu ihm, zog ihn von der Prügelei weg, um mir sein Gesicht anzusehen. Die Platzwunde an seiner Lippe war wieder aufgegangen… „Reita, hör auf mit dem Scheiß!“, schrie ich, versuchte meinen Freund irgendwie von diesen Typen wegzubekommen, damit wir nicht noch irgendwie Stress mit den Veranstaltern oder vielleicht sogar der Polizei hier bekamen, weil wir uns mitten auf einem Heufeld etwas abseits von der Scheune prügelten. Mittlerweile hatte das Feuerwerk angefangen und übertönte das Geschrei ein bisschen. „SCHWUCHTELN“, schrie Kyo, der nun von ein paar weiteren Kumpels von sich, die soeben zu uns geeilt waren zurückgehalten wurde, „DAS KRIEGT IHR ALLES ZURÜCK! UND MEIN GELD KRIEG ICH AUCH ZURÜCK, DU MIESES STÜCK DRECK!!“ „SEIN Geld?!“, zischte ich verwirrt, spürte, wie mir die Tränen kamen, als ich Saga so wehleidig in meinem Arm schluchzen hörte und fühlte, wie er sich an mich presste, als wolle er einfach auf der Stelle verschwinden und nicht mehr hier sein. Reita bekam gerade den letzten Kinnhaken verpasst, als der blauhaarige Typ ebenso wie Kyo zurückgezerrt wurde und die anderen beiden, die bis eben noch auf Shou eingeschlagen hatten, sich von selber zurückzogen. „Das war ne Scheiß Idee“, weinte Saga, blutete mir währenddessen mein Oberteil voll, „das war ne verfickte Scheißidee…!“ „Schön, dass du’s einsiehst“, zischte Sakito neben mir, der bis jetzt einfach nur dagestanden hatte und nun auf Ni~ya zuging, ihn von diesen Typen wegzog und ihnen den Mittelfinger zeigte. Na wunderbar… „VERPISST EUCH“, brüllte Reita ihnen hinterher, als sie langsam aber sicher einen Abflug machten und Kyos Fluchen noch bis über die andere Seite der Straße zu hören war. Dann drehte mein Freund sich zu mir um und ich konnte das Blut sehen, das sein Nasenband etwas färbte und über seine Lippen sein Kinn herab tropfte. „Scheiße“, knurrte er, schaute Saga kurz besorgt an und blickte sich schließlich um, um nach Tora zu sehen. Der stand einfach nur da, starrte Kyo und seinen Kumpels hinterher und zitterte am ganzen Leibe vor Wut. „Wieso schickt Dai diese scheiß Schlägertruppe wegen SEINEM Geld?!“, wollte Ni~ya wissen, schaute Sakito verwirrt an, der sich noch immer zähneknirschend zu beruhigen versuchte. „Das kriegt der scheiß Nazi zurück“, sagte Reita neben mir, „der hat Saga schon mal so fertig gemacht und ich lass meine Freunde nich’ einfach so verprügeln…“ „Das lässt du schön bleiben“, warnte ich ihn und streichelte Saga beruhigend über den Kopf, der sich langsam ein Stück von mir löste und sich nach etwas umblickte. Verwirrt schaute ich ihn an und wartete ab, was er wohl vorhatte, ehe er mich dankend anschaute, in seine Hosentasche griff und mir seine Schlüssel in die Hand drückte. Würden wir heute etwa doch nicht zusammen heim gehen…? Dann lief er einfach ohne ein Wort zu sagen los, genau auf Tora zu, der sich zu ihm umgedreht hatte und ihn wortlos in seine Arme zog. Dann winkte er uns schlicht und ergreifend zu, ehe er sich mit Saga auf und davon machte. „Was war das denn…?“, fragte sich Reita, der den beiden ebenso erstaunt wie alle anderen hinterher starrte. Gott, das war ja ein gelungener Abend! Jetzt hatte Sakito scheiß Laune, weil Saga mal wieder zusammengeschlagen wurde wegen dem üblichen Problem von vor ein paar Tagen, Ni~ya hatte scheiß Laune, weil er wegen Saga bei einer Prügelei mitgemischt hatte, Reita hatte scheiß Laune, weil er nicht verstand, was Sache war und sauer auf Dai war und Shou sagte einfach gar nichts mehr, wischte sich nur mit einem Taschentuch das Blut von der Lippe und hielt sich das blaue Auge. „Gott, geht mir das jetzt wieder auf den Sack“, maulte Reita, setzte sich auf den Boden und hielt sich anscheinend seinen Brummschädel. „Der scheiß Nazi, eh… ich weiß nich’, was der ganze Scheiß jetz’ wieder sollte! Das kann doch echt nich’ wahr sein…!“ „Kannst du jetzt mal aufhören, hier so nen Terz zu veranstalten? Die sind doch jetzt weg“, bat ich ihn einigermaßen ruhig und beherrscht, doch als ich nur einen angepissten Blick erntete, sowie ein „lass mich doch pissig sein, ich hab ja wohl allen Grund dazu“, riss bei mir der Geduldsfaden und ich drehte mich auf dem Absatz um, griff nach Kazukis Arm, der der einzige war, der die Sache relativ gelassen sah, um nicht allein irgendwo hin zu verschwinden, ganz weit weg von den anderen! Ich war genervt!! „Was soll denn die Scheiße jetzt wieder“, maulte ich zu mir selber, „die sind doch jetzt verschwunden, was regen sich denn alle noch darüber auf und versauen den restlichen Abend?!“ Kazuki hinter mir, der mir nun einfach von sich aus folgte, seufzte und legte einen Arm um meine Schultern, als er schließlich neben mir lief. „Is’ nich’ schön gelaufen, ne“, stimmte er mir zu und wir ließen uns hinter der Scheune an der Mauer nieder, er hatte den Arm noch immer über meiner Schulter liegen und lächelte mich an. „Und dann war’s auch noch meine Idee, dass Saga mitkommt“, murmelte ich und spürte, wie mir die Tränen aufstiegen, „das heißt es is’ mal wieder alles meine Schuld…!“ „Quatsch“, sagte Kazuki und rüttelte mich kurz, „du bist hier an gar nix Schuld. Die anderen sind nur n bisschen zu empfindlich und kriegen die Sache von eben einfach noch nich’ geschluckt! Das is’ alles. Soll ich dich n bisschen aufheitern…?“ „Wie denn?“, nuschelte ich und wischte mir vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht, um meine Schminke nicht zu verschmieren. „Hier“, hörte ich Kazuki sagen und beobachtete etwas stutzig, wie er ein kleines Päckchen aus seiner Jackentasche zog. Darin waren kleine, blaue Pillen zu sehen. „Vergiss es“, meinte ich sofort, drückte seine Hand weg. Mit Drogen würde ich mich sicherlich nicht wieder hoch puschen lassen und das sagte ich ihm auch direkt. „Das sind keine Drogen“, erklärte er mir jedoch, „das sind nur n paar kleine, harmlose Pillen, die nimmt man bei Partys, wenn die Stimmung mal wieder im Keller ist! Glaub mir, ich nehm die auch manchmal! Soll ich mit dir zusammen eine nehmen, damit du mir glaubst?“ „Ich nehm die Dinger nich’“, sagte ich dennoch überzeugt davon, dass er mir da einen vom Pferd erzählte. Warum sollten blaue Pillen in einem kleinen Tütchen keine Drogen sein? Natürlich waren das Drogen…! „Hier, ich nehm auch eine“, sagte er, öffnete das Päckchen und holte eine der kleinen Pillen raus, nahm sie in den Mund und schluckte sie herunter. „Siehst? Passiert gar nichts“, versicherte er mir, „aber deine Stimmung geht wieder aufwärts und du steckst damit auch alle anderen an, wenn du die hier nimmst. Dann kriegt jeder, der mit dir zusammen ist, wieder gute Laune, das kann ich dir versprechen!“ Unglaubwürdig schaute ich Kazuki an, der mich noch immer felsenfest überzeugt anschaute und noch einmal bekräftigend nickte, mir das Päckchen dann in die Hand drückte. „… und das ist echt so, wenn ich nur eine davon nehme?“, fragte ich. Und wenn man nur eine von diesen kleinen Pillen nahm, wurde man doch nicht gleich süchtig oder? Da musste doch mehr als nur eine dieser Minipillen her, oder…? Da reichte doch eine nicht für aus, oder…? „Echt“, sagte Kazuki, öffnete das Päckchen und schüttete mir eine der Pillen auf die Hand, „die schaden wirklich nicht, glaub mir! Im Gegenteil!“ Noch immer beschaute ich die kleine Pille kritisch, ehe ich sie ein Stück weiter an meine Lippen führte und sie schließlich in den Mund nahm, herunterschluckte und feststellte, dass ich mich auch eine Minute später noch nicht wirklich viel anders fühlte. „Da passiert überhaupt nichts“, meinte ich, schaute Kazuki ein wenig enttäuscht an und stand wieder auf. „Ich geh zurück zu den anderen.“ „Ich komme mit…!“ Eine halbe Stunde später war das Feuerwerk zu Ende, die meisten waren wieder in der Scheune. Außer natürlich wir, denn wir hatten beschlossen, den Abend für heute in der Scheune zu beenden und dafür lieber zurück zu Saga nach Hause zu gehen, auf meinen Vorschlag hin natürlich, da dieser mir so bereitwillig seinen Schlüssel überlassen hatte. Saga selber war natürlich nicht da, er war mit zu Tora gegangen und keiner wusste nun wirklich so genau, was die beiden anstellten. Wir waren gerade an dem großen Wohnhaus angekommen, in dem Saga und ich zusammen lebten, als sich Shou kurzerhand doch noch von uns verabschiedete mit den Worten, er habe irgendwie doch keine Lust mehr und würde nach Hause gehen. Also lief er einfach die Straße weiter, da er gleich im nächsten Block wohnte und ließ Reita, Ni~ya, Sakito und mich somit allein. „Ich glaub wir verschwinden dann auch bei mir, oder?“, meinte Sakito noch immer ein bisschen geknickt über den versauten Abend, erhielt sogleich Zustimmung von seinem Freund und so trennten sich unsere Wege im dritten Stock, drei Türen vor meiner. „Jetzt sind wir allein“, schnurrte ich, war überrascht über meinen eigenen Tonfall, als ich die Tür mit einigen Umständen aufschloss und die dunkle Wohnung betrat. Ich schaltete das Licht im Flur und im Wohnzimmer ein, zog mir die Schuhe aus und hatte es auch nach einigen missglückten Versuchen geschafft, sie im Schuhschrank im Flur zu verstauen. Reita war währenddessen längst im Wohnzimmer und schwieg noch immer, weil er schlechte Laune hatte. „Bist du noch immer angefressen?“, wollte ich wissen, als er sich auf dem größeren der beiden Sofas niederließ und sich seufzend durch die glatten Haare fuhr. „Wärst du nicht angefressen, wenn dir einer während ner Party die Nase blutig schlägt und du weißt nich’ ma’, was Sache is’?“ Lächelnd ging ich auf ihn zu, setzte mich neben ihn und schaltete den Fernseher für die Geräuschkulisse ein, schaute ihn dann amüsiert von der Seite an. „Was is’?“, fragte er, verwirrt über mein gut gelauntes Gesicht und legte den Kopf auf die Rückenlehne des Sofas, verschränkte missmutig die Arme vor der Brust. „Kannst du dich nicht morgen weiter drüber aufregen?“, schnurrte ich, legte den Kopf ebenfalls auf die Rückenlehne des Sofas und streichelte mit ein paar Fingern über das enge, schwarze Oberteil, was er trug, um ihn ein bisschen zu besänftigen. „Mir geht’s aber auf den Sack, dass ich nich’ weiß, was Dai sich da schon wieder für nen Müll zusammen gesponnen hat, dass der seine Leute auf Saga hetzt“, knurrte er und drehte den Kopf von mir weg, schaute in eine andere Richtung. Was mir jedoch so gar nicht passte. Kurzerhand setzte ich mich auf seinen Schoß, ebenso, wie in der Scheune breitbeinig und suchte seinen Blick. „Und deshalb willst du jetzt die ganze restliche Nacht angepisst sein?“, fragte ich, schaute ihn fragend an, als ich wieder mit den Fingern über seine Brust streichelte und beugte mich schließlich vor, um einen kleinen Kuss auf die Haut unter seinem Ohr zu hauchen. „Soll ich dich auf andere Gedanken bringen…?“ Denn ich hatte gerade ganz andere Gedanken! Und zwar wollte ich Sex mit ihm, jetzt gleich und sofort. „Legst du’s drauf an? Wenn ich angepisst bin, bin ich nich’ mehr so sanft“, raunte er leise, als er die Arme endlich um mich legte und mich prüfend ansah. „Umso besser“, hauchte ich leise, ehe ich ihn in einen fordernden Kuss zog und ohne Umschweife mein Becken leicht gegen seines drängte, woraufhin er die Nägel tiefer in meine Hüften krallte und den Kuss noch fordernder erwiderte. Ehe ich mich versah, fand ich mich auf der Couch liegend vor, er über mir und mich erneut stürmisch küssend, während er langsam den Reißverschluss von meinem Korsette an der Seite aufzog. Meine Finger blieben nicht untätig, zupften gleich ohne Umwege an seiner Hose herum, öffneten den Gürtel und den Knopf und zogen den Reißverschluss auf. „Hast du’s eilig?“, fragte er neckend, ehe er sich in meinem Hals festbiss und mich zum Keuchen brachte, denn die Hand, die bis eben noch mein Korsette geöffnet hatte, hatte dieses nun achtlos vom Sofa geschoben und sich in meinen Schritt gelegt, massierte diesen fordernd durch den dünnen Stoff der Hose, die ich trug. „Aber selber“, knurrte ich ein bisschen beleidigt, ehe ich auch meine Hand in seine Hose schob, allerdings auch gleich unter die Shorts und dort sein Glied streichelte. Uh, und es ging schneller, als ich gedacht hatte! Ich stöhnte immer wieder lasziv auf, wenn er in meinen Hals biss und sich kurz festsaugte, reckte ihm meinen Oberkörper entgegen, als seine andere Hand mein Oberteil zur Seite schob, sodass ich aus den weiten Ärmeln schlüpfen konnte und nur das enge Unterteil meines Outfits meinen Oberkörper bedeckte. Doch dieses hatte er schnell über meinen Kopf gezogen, sodass es unbeachtet auf dem Boden zum Liegen kam. „Mh“, keuchte ich, trug jetzt nur noch das weite, einem Kimono ähnlichen Oberteil um den Bauch herum, „mach endlich…“ So schnell hatte er mich noch nie erregt! Ich lag einfach nur da, hatte die Berührungen auf meinem Oberkörper bis eben genossen und presste ihm jetzt schon, nach einem so kurzen Vorspiel, den Unterleib entgegen, woraufhin auch er leise aufkeuchte und meine Hotpants endlich zu öffnen begann. „Seit wann so ungeduldig?“, fragte er, als er mir das Stück Stoff langsam samt Unterwäsche über die Beine zog, bis ich mir den Rest selber von den Waden und Füßen strampelte und ihn gleich wieder an mich zog. Ich hatte mir noch nicht einmal die Mühe gemacht, sein Oberteil anständig auszuziehen, stattdessen war es nur leicht hochgeschoben und seine Hose hing ihm mittlerweile in den Kniekehlen. Nur noch seine Shorts trennte uns voneinander… „Seit dem letzten Mal, wo ich Sex mit dir hatte“, grinste ich lasziv, schob ihm dann endlich seine Shorts von den Hüften und spreizte die Beine für ihn, öffnete willig meinen Mund, als er zwei Finger gegen meine Lippen stieß und Einlass forderte. Meine Zunge umspielten sie, als seien sie etwas völlig anderes, während er sich an meinen Brustwarzen verging und eine meiner empfindlichsten Stellen am Körper so lange neckte, bis ich glaubte zu platzen vor Lust! Er streichelte mit der anderen Hand über meinen Oberschenkel, schob meine Beine nur noch weiter auseinander, ehe er seine Finger aus meinem Mund zurück zog und sie zielstrebig gegen meine Öffnung presste. Ein lautes Stöhnen entkam mir, als er sie beide gleichzeitig in mir versenkte und mich derweil um den Verstand zu küssen versuchte, während ich mich in seine Schultern krallte und mein Becken immer wieder seinen Fingern entgegen schob, die sich hart und erbarmungslos in mich trieben, um mich zu weiten. „Fick mich endlich richtig“, flehte ich leise, als er meinen Lustpunkt völlig überraschend streifte und ich den Rücken durchbog, ihm somit wohl einen ausreichend erotischen Anblick bot, so halb an- und ausgezogen und willig wie eh und je. Das ließ er sich natürlich nicht zweimal sagen, grinste anzüglich und zog die Finger aus mir zurück, schaute sich kurz um und griff kurzerhand nach der Flasche Wasser auf dem Tisch, öffnete sie und goss sich etwas davon über die Hand, ehe er seine Erregung umfasste und sich kurz etwas selber massierte, um sie zu befeuchten. Dieser Anblick machte mich nur noch schärfer…! „Das reicht, mach’s endlich“, forderte ich ihn nun doch zum zweiten Mal auf und er gehorchte, schaute amüsiert zu, wie ich mir voller Vorfreude auf die Finger biss und die Beine weit für ihn spreizte, als er sich positionierte und sich gnadenlos mit einem Mal in mich trieb. Laut stöhnte ich auf, beherrschte mich jedoch, den Schmerzenslaut zu unterdrücken und schaute ihn erregt an, biss mir auf die Unterlippe und streichelte mich selber ein wenig. Und ihm schien dieser Anblick mehr als zu gefallen, denn er stieß gleich mit einem harten Rhythmus immer wieder in mich und brachte mich beinahe um den Verstand! Ich krallte die Hände nun doch in das Sofakissen unter meinem Kopf, bewegte mich so gut es eben ging seinen Stößen entgegen und erwiderte seinen eben begonnenen, heißen Kuss. Ich war so berauscht vom Alkohol und meiner ganzen Lust, dass ich nicht wusste, wie lange wir noch so weitermachten, doch ich wusste, dass ich beim vierten Stellungswechsel schon zweimal gekommen war und noch immer machten wir weiter, steigerten uns immer weiter in unsere Lust und mit einem letzten, erleichterten Stöhnen kam ich zum dritten Mal in seiner Hand, ließ mich erschöpft über die Sofalehne fallen, vor der ich eben noch gekniet und an der ich mich festgehalten hatte. Er hinter mir. Mein schneller Atem beruhigte sich nur sehr langsam, auch Reita war völlig aus der Puste und ließ sich aufs Sofa fallen, machte sich lang und zog mich mit einer einzigen Bewegung wieder zu sich. Mittlerweile war auch er sein Oberteil losgeworden, ich hatte es ihm irgendwann zwischendrin einfach über den Kopf gerissen und seine Hose war ebenfalls vollständig ausgezogen, lediglich seine Shorts hatte er sich wieder über die Hüften gezogen und nun lagen wir dicht aneinander geschmiegt auf dem Sofa. Im Fernsehen lief eine Gameshow. Das Licht war noch immer an. Aber es war mir egal, solange mein nackter Körper sich nur an dem meines Freundes ausruhen konnte, bis zum Morgen und hoffentlich noch länger… © Kapitel 34: Versöhnung ---------------------- -34- Versöhnung „Reita…“, schluchzte ich, rüttelte nochmals an seinem Arm und betete, dass er endlich wach wurde. Mittlerweile konnte ich kaum mehr etwas erkennen, nur unscharfe Umrisse. Ich hatte Ohrenschmerzen, Kopfschmerzen und mir taten die Beine weh. Aber das war nicht das Schlimmste… „Rei…“, gurgelte ich und schluckte ein weiteres Mal trocken, versuchte die Würgereize so gut es ging zu unterdrücken und mich zu beherrschen, um meinen Freund nicht voll zu kotzen. Mir war so schlecht, wie wohl noch nie in meinem Leben zuvor! Ich konnte kaum atmen, meine Kehle war trocken und bewegen wollte ich mich nicht, um meinem Magen keiner überflüssigen Anstrengungen auszusetzen. Alles in mir fühlte sich an, als würde es meinen Körper nicht länger bewohnen wollen, als würde es jede Sekunde durch den Hals fliehen wollen. Als wären fiese Maden in mir drin, die drohten all meine Organe zu zerfressen, weshalb diese so schnell wie möglich nach draußen wollten. Es war widerlich. „Was denn“, murmelte mein Freund verschlafen und öffnete die Augen, schaute sich kurz orientierungslos um, „wie spät is’ es?“ „Ins Bad…“, flehte ich, schniefte einmal leise, um endlich seine volle Aufmerksamkeit zu bekommen. Hallo, ich heulte bereits vor Übelkeit!! „Was?“, hakte Reita nach, doch als er mir endlich ins Gesicht sah, erschrak er förmlich und richtete sich sofort auf. „Ach du Scheiße, Uruha!“ Uns beiden schien es in dem Moment egal zu sein, dass er nur eine Shorts trug und ich völlig nackt war. Sofort packte er mich beim Oberkörper, zog mich auf die Beine, sodass ich beinahe einknickte und so taumelten wir gemeinsam ins Bad, wo ich einen kurzen Blick in den Spiegel erhaschen konnte. Alles, was ich sah, war mein weißes Gesicht und die zerzausten Haare, mehr konnte ich nicht erkennen und im nächsten Moment fand ich mich über der Kloschüssel wieder. Als habe mein Inneres bloß auf diesen einen Moment gewartet, entleerte ich mich sogleich auf unangenehmste Weise in die Schüssel, während Reita mir die Haare aus dem Gesicht hielt und mir über den Rücken streichelte. „Knapp“, meinte mein Freund trocken, „beinahe hättest du mich voll gereihert…“ Leider war ich in dem Moment zu beschäftigt mit kotzen, als dass ich ihm hätte antworten können, selbst, wenn ich gewollt hätte. Kraftlos hing ich über diesem Pott, kotzte mir die Seele aus dem Leib und spürte nur am Rand, wie Reita mir die Hand auf die Stirn legte. „Fuck! Uruha, du glühst, verdammt! Warte, ich such n Thermometer…!“ Er ließ mich los, lief zum Schrank im Badezimmer und wühlte darin herum, scheinbar in der Hoffnung, dass Saga irgendwo etwas Gebräuchliches herumfliegen hatte, womit man die menschliche Körpertemperatur erfassen konnte. Da er allerdings ziemlich lange brauchte und ich nun schon den dritten Kotzanfall hinter mir hatte, befürchtete ich, dass er es entweder so richtig gut irgendwo versteckt hatte oder blöderweise keins im Haus hatte. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, bis er endlich etwas gefunden zu haben schien und zu mir zurückkam. Vorsichtig zog er mich auf die Beine, nachdem ich ihm versichert hatte, dass definitiv nichts mehr zum auskotzen übrig war und langsam liefen wir zurück ins Wohnzimmer. „Das kommt aber bestimmt nicht vom Alkohol“, murmelte er, als er mich aufs Sofa setzte und meinen Arm hochhob, mir das Thermometer dann darunter klemmte und in die Küche verschwand. Nein, natürlich kam es nicht vom Alkohol. Ich war nicht so betrunken gewesen, dass ich vergessen hatte, woher dieses ekelhafte Übelkeitsgefühl kam. Diesmal war es anders, als dass es vom Alkohol hätte kommen können. Das lag mit Sicherheit an diesem Zeug, was Kazuki mir da gestern gegeben hatte… und ich Idiot hatte es auch noch genommen! Und jetzt hatte ich die Quittung dafür: Schweißausbrüche, Fieber, Übelkeit, Kopf- und Ohrenschmerzen und mir tat verdammt noch mal der Hintern weh! Aber gut, das hatte sicherlich einen anderen Grund, immerhin hatte Reita mich gestern noch vorgewarnt, dass er schlechte Laune hatte und nicht allzu sanft sein würde… Obwohl ich zugeben musste, dass es bisher noch nie vorgekommen war, dass ich in einer Nacht gleich dreimal gekommen war. Er zwar nur zweimal, aber das hatte ich nur am Rande mitbekommen, war ich doch zu sehr in meine eigene Lust vertieft gewesen, als noch irgendetwas um mich herum zu registrieren. Reita hatte es gestern eindeutig geschafft… ich war immer noch völlig fertig. „Hier“, hörte ich plötzlich neben mir und ich erschrak, da ich gar nicht mitbekommen hatte, wie er aus der Küche zurückgekommen war. Er hielt mir ein Glas vor die Nase, ich nahm es langsam in die Hand und hatte Angst, dass meine Finger einfach nachgaben und es fallen ließen. Gott, war das schwer! „Danke“, krächzte ich und nahm einen Schluck, er schien zu bemerken, dass ich es nicht von selber wieder heil auf den Tisch würde befördern können und nahm es mir ab. Als er es auf den Tisch gestellt hatte, piepste das Thermometer und er hob meinen Arm, schaute es sich an und blinzelte ein paar Mal. „Dass du noch lebst, wundert mich“, murmelte er, „ich hol besser nen Arzt…!“ „NEIN!“ Erschrocken über mich selbst starrte ich in sein fragendes Gesicht, hustete dann einmal kurz und schüttelte den Kopf leicht. „Ich brauch keinen Arzt…“, denn der würde wohlmöglich bemerken, warum es mir gerade so scheiße ging. Wer wusste schon, was Ärzte alles für Wundermittel hatten, mit dem sie nachweisen konnten, was ich genommen hatte. Und wenn Reita das raus bekam, war ich so gut wie tot… „Aber du hast über neununddreißig Grad Fieber! Wie soll das denn ohne Medizin wieder runtergehen?“, fragte er ungläubig und suchte schon nach einem Telefon. „Wadenwickel“, murmelte ich, „und der ekelige Tee, den Saga immer säuft, wenn er Halsschmerzen und so hat… das ist irgend so n Erkältungszeugs. Das hilft bestimmt auch gegen Fieber, ist doch eh alles das gleiche…“ Misstrauisch schaute mein Freund mich an und schreckte schon leicht auf, als ich mich kurz wegen der heftigen Kopfschmerzen verkrampfte und mich ganz aufs Sofa legte. Das Zeug hatte mir in Kombination mit dem Alkohol echt den Rest gegeben… und eines war sicher: Reita durfte auf keinen Fall davon erfahren. „Wadenwickel“, wiederholte er nach einiger Zeit und stand schließlich seufzend auf, lief in die Küche und ich hörte, wie er aus dem Eisfach ein paar Eiswürfel rausschaufelte und wohl irgendwo hineinfüllte, damit ins Wohnzimmer zurück kam und sich auf den Weg ins Badezimmer machte. Dort holte er zwei Handtücher und lief anschließend in mein Zimmer, holte von dort einen Pullover und eine Hose und kam mit alldem zurück ins Wohnzimmer, setzte sich auf den Rand der Couch und legte die beiden Handtücher in die mit Eiswasser gefüllte Schüssel und zog mich in eine aufrechte Position, um mir den Pullover überzuziehen und ich half ihm, mir die Hose über die Beine zu ziehen. Die Hosenbeine krempelte er bis zum Knie hoch und schaute mich dann abschätzend an. „Du meinst ernsthaft, dass Wadenwickel helfen?“, fragte er ungläubig und nahm eines der Handtücher, wrang es aus und hielt es mir vor die Nase. „Das ist ziemlich kalt…“ „Ich weiß“, murmelte ich, hob meine Beine und legte sie auf die Lehne, zuckte dann zusammen, als er begann das Handtuch um meine Wade zu wickeln und hielt die Luft an, da es wirklich… verdammt kalt war! Reita grinste, als er auch noch das andere Bein umwickelte und sich schließlich wieder auf dem Boden niederließ, mir über die Stirn streichelte und besorgt anschaute. „Brütest du was aus? Ne Grippe oder so?“, fragte er, als er den Kopf auf meine Brust legte und herzlich gähnte. War ihm nicht zu verdenken, immerhin war es fünf Uhr morgens und ich hatte ihn bloß geweckt, weil ich dringend mal etwas hatte loswerden müssen. Und zwar auf unangenehmste Weise. „Weiß nicht“, nuschelte ich, schloss die Augen, da sich noch immer alles drehte und rückte dann ein Stück zur Seite, um ihm auf dem großen Sofa Platz zu machen. „Leg dich wieder hin, es ist fünf Uhr morgens…“ „Wer hat mich denn aufgeweckt?“, fragte er mürrisch, legte sich schließlich neben mich und schlang einen Arm wieder um meinen Bauch, während er den Kopf auf dem anderen bettete, um mich besser ansehen zu können. „Ist echt alles okay? Musst du nicht wieder kotzen?“ Leicht lächelnd schüttelte ich den Kopf und seufzte leise, versuchte, meine wahrscheinlich schon total unterkühlten Beine so wenig wie möglich zu bewegen, was allerdings so gut wie unmöglich war, wenn ich mich seiner Umarmung wenigstens ein bisschen entgegenschmiegen wollte. Gequält stöhnte ich auf, als mein Kopf nur ganz leicht gegen die harte Sofalehne stieß und Reita zog mich sofort etwas tiefer, sodass ich mich problemlos an seine noch immer nackte Brust lehnen konnte und leicht grinste. Irgendwie eine dämliche Vorstellung, dass ihm gerade halbnackt genauso kalt sein musste, wie mir in den dicken Klamotten, die er mir angezogen hatte. Ich fühlte mich miserabler, als bei jeder Grippe, die ich zuvor schon mal erlebt hatte… Es schien Stunden gedauert zu haben, bis ich endlich wieder eingeschlafen war und ich bekam die Augen kaum auf, als ich wach wurde. Ich wusste nur eins: es war zu hell, um überhaupt etwas sehen zu können und zu laut, um weiterzuschlafen. Irgendwer sprach mit lauter Stimme im Hintergrund und da ich im nächsten Moment schon feststellte, dass Reita nicht mehr neben mir lag, konnte es wohl nur er sein, der da quer durch die Wohnung keifte. Aber wen keifte er denn an? So langsam wurde die Sicht klarer und ich richtete mich leicht auf, hatte zwar noch immer ein wenig Kopfweh, aber immerhin war mir nicht mehr schlecht. Als ich mich umschaute, entdeckte ich meinen Freund, der am Küchentisch saß und irgendwen oder irgendwas anbrüllte. Da allerdings niemand sonst anwesend war, nahm ich einfach mal an, dass es das Telefon war, was er da so ankeifte. Schmunzelnd richtete ich mich nun ganz auf und lauschte seinen Worten. „Kannst du voll vergessen, ich hol dich nirgendwo ab! Und Uruha auch nicht! Basta! …ist mir scheißegal, wie du heimkommst, aber wenn ihr so bescheuert seid, bis früh morgens durchzusaufen, ist das nicht mein Problem, verstanden?! Ich hab keinen Bock ne Alkoholleiche heimzufahren und vielleicht hättest du von Anfang an gleich mal ne bessere Wortwahl zutage bringen sollen! Ich leg jetzt auf, ich hab nämlich Hunger. Bis dann…!“ Das war ohne Zweifel Saga gewesen, der nicht alleine heimkam, weil er bis früh morgens mit Tora durchgemacht und sich total zugesoffen hatte. Wahrscheinlich hatte er am Telefon auch noch gelallt und sowas konnte Reita so gar nicht ausstehen. Aber trotzdem würde er wegen sowas nicht gleich derart ausrasten. Was hatte Saga bloß wieder angestellt, dass er sich so aufgeregt hatte? „Verdammt noch mal“, knurrte Reita, stand auf und drehte sich um, schaute mich überrascht an, als er sah, dass ich wach war. Blinzelnd hielt er einige Sekunden inne, schüttelte dann aber den Kopf und kam langsam auf mich zu. Noch während er lief, begann er zu sprechen. „Du willst wissen, warum ich mich so über Saga aufgeregt hab, richtig?“ Kurz nickte ich, folgte seinem Blick, als er sich vorm Sofa hinsetzte und die Hände auf meine Beine legte, wo vorher noch die Wadenwickel gewesen waren. Die lagen jetzt irgendwo auf dem Boden rum, weil ich sie nachts abgestrampelt hatte. „Er hat ja bei Tora ‚geschlafen’…“, begann er, „und sie haben bis sechs Uhr morgens durchgemacht und getrunken. Erst hieß es, sie hätten nur geredet, aber dann hat Saga so Andeutungen gemacht, dass es nicht nur beim Trinken geblieben ist und er deshalb so fertig wäre, dass er nicht nach Hause laufen könnte, und schon gar nicht alleine.“ „Was hat er denn für Andeutungen gemacht?“, wollte ich verwirrt wissen und ahnte schon wieder nichts Gutes. „Von wegen er habe sich ein bisschen zu sehr verausgabt und dass ihm alles wehtäte, deshalb könne er nicht allein heimgehen.“ Da klingelte es auch bei mir. Es war zwar noch früh, aber auch ich konnte die Zweideutigkeit aus diesen Worten deutlich heraushören und es ließ mich nur resigniert den Kopf schütteln. Würde Saga es denn nie lernen…? „Ich nehme an, Tora kann auch nicht fahren?“, fragte ich unsicher. „Er hat nicht mal nen Führerschein“, stellte Reita trocken klar, „der ist waschechter Schwarzfahrer…“ Noch besser! „Und wie kommt Saga jetzt heim?“ Grinsend stand Reita auf, fuhr sich durch die ungekämmten Haare und wischte sich ein bisschen verschmiertes Make-up unter den Augen weg – und in dem Moment fragte ich mich, wie ICH denn wohl aussehen musste – und lief zurück zum Küchentisch, wo ein großes Glas Mineralwasser stand. In einem Zug trank er es leer. „Gar nicht“, sagte er plump, „meinetwegen soll er bei Tora Wurzeln schlagen oder so, aber ich hol ihn garantiert nicht ab. Würde seiner eh schon gebrochenen Nase nicht gut tun…“ Ha, ha, ha, dachte ich, richtete mich auf und bemühte mich, meine Beine durchzustrecken und nicht zu schwanken wie ein Stück Wackelpudding. Dann lief ich zum Kühlschrank und griff zielstrebig nach der Flasche Milch. „Warum kotzt es dich so an, dass sie anscheinend gevögelt haben? Offensichtlich hat Saga ja doch irgendwie einen Narren an Tora gefressen“, stellte ich fest, während ich die Milch in ein Glas schüttete und mich damit zu Reita an den Küchentisch setzte. „Hast du noch alle Tassen im Schrank?“, fragte dieser empört zurück, „Er hat Tora wegen Sakito einfach so versetzt und da glaubst du, dass ich das irgendwie toleriere? Ich an Toras Stelle würde mich gar nicht erst mehr auf den einlassen! Saga ist und bleibt ein Arschloch, was solche Sachen angeht, ich kenn den!“ „Du bist lieb“, lächelte ich, „dass du dir Sorgen wegen Tora machst. Aber er ist auch schon seine zwanzig Jahre alt und weiß schon, was er tut. Wenn er sich wieder auf Saga einlässt, ist das ganz seine Sache und dann muss er damit klarkommen, wenn es am Ende doch wieder nichts wird.“ Anscheinend wollte Reita seine Meinung partout nicht ändern, da er einfach nur da saß und geradeaus starrte, als habe er mich nie gehört. Na wunderbar, nun war er schon wieder sauer auf Saga, und dabei hatte der diesmal doch eigentlich gar nichts verbrochen… schließlich hatte er die Schlägerei mit Kyo nicht angefangen und Tora auch nicht gezwungen, ihn mit zu sich nach Hause zu nehmen. Tora hatte ihn einfach freiwillig mit zu sich genommen und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das gar keine so schlechte Idee gewesen war. Mir dämmerte schon lange, dass das bei Saga für Sakito nur noch eine eingeredete Liebe war… denn er hatte sich längst in Tora verguckt und es würde, wenn denn alles gut lief, nicht mehr lange dauern, bis die beiden wirklich zusammen kamen. Reita war inzwischen mit den Worten „ich gehe duschen“ aufgestanden, bewegte sich nun langsam ins Bad, während ich noch immer am Küchentisch saß und so dringend, wie noch nie zuvor, den Wunsch zu duschen verspürte. Reita sollte sich bloß beeilen! Endlich kam er dann auch nach einer halben Stunde, in der ich mich aufs Sofa zurück gelegt und das Telefon noch zweimal geklingelt hatte, ich aber nicht rangegangen war, aus dem Bad zurück und hatte bloß ein Handtuch um die Hüfte gewickelt. „Hast du n paar Klamotten für mich da?“, wollte er wissen, „Ich hab nur den muffigen Kram von gestern dabei…“ „In meinem Zimmer“, antwortete ich und öffnete die Augen nur einen Spalt breit, da ich bis eben blind dem Fernseher und den Nachrichten zugehört hatte, „und wo du schon dabei bist, kannst du die alten Klamotten mitnehmen und die in meinen Wäschekorb stecken, bitte?“ Grummelnd bückte er sich, kniff mir in die Nase und schaute mich tadelnd an. „Musst mir schon sagen, was ich anziehen darf, Prinzessin, nachher trag ich wieder das Falsche!“ Leicht genervt davon, dass er mich noch immer mit seiner Hand ärgerte, die zu allem Übel auch noch nass war, da er sich vorher durch die nassen Haare gestrichen hatte, schlug ich diese eben weg und deutete auf meine Zimmertür, als ich mich aufgesetzt hatte. „Aufmachen, in den Kleiderschrank gucken, Pullover und Jogginghose raus, fertig“, meinte ich schlicht und zeigte anschließend nach unten vor seine Füße, „und das nicht vergessen.“ Einen Augenblick schaute er mich – offensichtlich sprachlos – an, schlug mir dann jedoch mit der flachen Handfläche vor die Stirn und hob beim Aufstehen die Klamotten vom Boden auf, was ich mit einem Grinsen beobachtete. Dann verschwand er in meinem Zimmer. Seufzend ließ ich mich aufs Sofa zurückfallen, mein Blick wanderte kurz zum Fernseher, allerdings interessierte mich der Wetterbericht nicht sonderlich, da ich sowieso keinen Fuß nach draußen setzen können würde. Nicht heute. Und da ich mir den uninteressanten Kram nicht länger antun wollte, legte ich mich zur Seite und schaute einfach nur geradeaus. Geradeaus, schließlich ein Stück weit herab auf den Boden… und beinahe blieb mein Herz stehen. Wie von der Tarantel gestochen setzte ich mich auf, ignorierte meinen schmerzenden Hintern und sofort griff ich nach der kleinen Packung, die ganz ohne Zweifel aus meiner Tasche gefallen sein musste, als Reita die Klamotten aufgehoben und ins Zimmer mitgenommen hatte. Mit Herzrasen starrte ich sie einen Augenblick lang an, hörte plötzlich das vertraute Geräusch meiner Zimmertür um die Ecke und stopfte das kleine Päckchen kurzerhand in die Sofaritze. Wie um alles in der Welt war dieses Zeug in meine Tasche geraten?! Ich hatte eine einzige davon geschluckt, ich hatte Kazuki nicht um mehr davon gebeten und er hatte mir auch nicht mehr davon angeboten, als nur eine einzige… Wieso zum Teufel war es also dort?! In meiner Hosentasche…?! „Ist was?“, fragte Reita verwundert, als er mit einem dunkelroten Pullover und einer einfachen, schwarzen Jogginghose von mir zurückkam und sich vor das Sofa auf den Boden setzte. Genau dorthin, wo eben noch dieses Zeug gelegen hatte. Kazuki musste es mir unauffällig in die Jackentasche gesteckt haben. Ich hatte es nicht bemerkt, aber es musste entweder geschehen sein, als wir geredet hatten oder als wir uns zum Abschied umarmt hatten. Er hatte mich tatsächlich ein wenig länger festgehalten, als es nötig gewesen wäre… „Nein, wieso? Mir ist nur noch immer n bisschen schlecht“, meinte ich und erklärte hoffentlich die Blässe in meinem Gesicht genügend, die vor Schreck wahrscheinlich entstanden war. Seufzend zuckte Reita mit den Schultern und nahm sich die Wasserflasche, trank etwas daraus und schaltete durch die Fernsehprogramme. Wenn er die Packung finden würde, konnte ich einpacken. Warum also hatte Kazuki mir das Zeug untergejubelt?! Wollte er mich etwa in Schwierigkeiten bringen? Nein… das konnte ich mir irgendwie kaum vorstellen. Immerhin war er die ganze Zeit über nett zu mir gewesen, hatte sich um mich gekümmert, mir über die Schulter gestreichelt und mir beruhigende Worte zugesprochen, als ich fassungslos die Prügelei an der Scheune mit angesehen hatte. Was er gesagt hatte, daran konnte ich mich nicht mehr erinnern, mir fiel es ja heute Morgen erst wieder ein, dass er überhaupt etwas gesagt hatte! Eines stand fest: ich musste es so schnell wie möglich loswerden. Aber wohin? Ich konnte sie nicht in den Müll werfen, denn ich würde Gefahr laufen, dass Reita oder sonst wer sie beim Aufräumen finden würde. Auch konnte ich sie draußen nirgendwo verschwinden lassen – zumindest nicht jetzt, denn mir ging es noch immer ausgesprochen scheiße. Und mein Zimmer war sowieso tabu, weil auch Saga da einfach so ohne weiteres ein und aus ging. Aber ich konnte sie ja nicht einfach in der Sofaritze stecken lassen… wohin also damit?! „Uru!“, hörte ich Reita plötzlich rufen und ich wurde unsanft aus meinen Gedanken gerissen. Hatte er mich angesprochen? „Was?“ „Telefon.“ So vertieft, wie ich in meine Gedanken gewesen war, hatte ich gar nicht mitbekommen, wie das Telefon überhaupt geklingelt hatte. Verwirrt nahm ich den Hörer an mich und machte einen kleinen Laut, der meinem noch unbekannten Gesprächspartner deuten sollte, dass ich da war. Zumindest körperlich… „Uru? Hier ist Saga“, murmelte eine kratzige Stimme, „Kannst du deinen Freund nicht überreden, mich zu holen? Er braucht ja nur bis zur Bushaltestelle kommen, bis dahin kann mich Tora auch bringen… aber seine Eltern stressen und ich soll endlich verschwinden, er hat vorhin voll Ärger gekriegt wegen mir…“ Wunderte mich nicht. Seufzend schaute ich Reita an und sah schon dessen Nerven blank liegen. „Gib uns ne halbe Stunde oder so“, meinte ich, sah, wie Reita sich mit der flachen Hand ins Gesicht klatschte und verabschiedete mich noch von Saga, da begann auch schon die Moralpredigt. „Bist du bescheuert?! Ich steh jetzt ganz sicherlich nicht auf und geh ihn holen! Das kannste vergessen!“ „Stell dich nicht so an“, fauchte ich gereizt, „er ist immer noch mein Mitbewohner und ich bin dein Freund, und ich kann verdammt noch mal auch nicht alleine irgendwo hinfahren gerade! Also beweg deinen Hintern und tu deinem Freund auch mal nen Gefallen…!“ Beinahe entsetzt starrte er mich an. „Hast du irgendwie deine Tage oder so?“, fragte er dann ebenso zickig zurück, stand auf und zog sich die Kapuze über den Kopf, schnappte sich seine Tasche, schulterte sie und sah mich auffordernd an. „Was?“, fragte ich, „Erwartest du jetzt von mir, dass ich von jetzt auf gleich fertig in den Startlöchern steh, oder was?“ „Du willst ihn doch holen“, meinte er trocken, „also beweg deinen Hintern, dann komm ich wenigstens schneller wieder nach Hause.“ „Schön.“ Wunderbar. Jetzt stritt ich schon wieder wegen Saga mit Reita, und der würde sicherlich nach der Abholaktion auf direktem Wege nach Hause verschwinden, weil er angefressen war. Und wahrscheinlich würde ich ihn dann auch die nächsten Tage nur übers ICQ oder am Telefon erreichen können, wie Saga das eben auch tat, wenn Reita pissig auf ihn war. Irgendwie war Reita in letzter Zeit nur noch auf jeden pissig! Und das machte ich ihm gleich mal klar. „Was soll ich auch anderes von euch halten“, sagte er gelangweilt, „Saga macht nichts wie scheiße und benimmt sich total daneben. Warum kann er nicht einfach wieder wie früher stinknormal sein und seine Betthäschen mit nach Hause bringen und gut is’?“ „Weil er sich halt diesmal ernsthaft verknallt hat“, sagte ich trocken, während ich mich aufrappelte und mir noch einen dicken Pullover aus meinem Zimmer drüber zog, denn mir war seltsamerweise eisig kalt. Dann kramte ich nach Busgeld und machte mich gemeinsam mit Reita auf den Weg. Schweigend. Und nach einer Viertelstunde Fahrt etwa waren wir in der richtigen Straße angelangt. Zwischendrin war mir im Bus schlecht geworden, aber ich hatte mir einen Brechreiz verkniffen und so musste ich mich kurz eine Minute hinsetzen, als wir ausgestiegen waren. Reita stand neben mir und rauchte. „Wie schön, dass du Rücksicht nimmst“, zischte ich leise, war allerdings froh, dass Reita mich nicht verstanden zu haben schien, doch ich würde den Teufel tun und es noch einmal wiederholen. Zwar wurmte es mich, dass wir nun schon wieder verstritten waren, aber das würde mich auch nicht dazu bringen, auf meine Portion Stolz zu verzichten. „Können wir jetzt endlich gehen?“, fragte Reita nach einer Weile und ich stand daraufhin wortlos auf, schleppte mich an ihm vorbei in Richtung des richtigen Gebäudes, das Saga mir am Telefon noch genannt hatte. Ob Reita mir folgte oder nicht, darauf achtete ich nicht wirklich mehr. Auf den Türschildern suchte ich nach dem richtigen Namen und klingelte einmal, doch mir wurde wie erwartet nicht aufgemacht. Stattdessen – Reita war inzwischen neben mich getreten – kamen Saga und Tora etwa zwei Minuten später herunter und öffneten uns die Tür. „Hey“, grüßte Saga mich, „danke, man.“ Auch Tora begrüßte mich, doch er sah nicht sonderlich begeistert aus. Ob das jetzt daran lag, dass er Stress mit seinen Eltern hatte, oder an der Tatsache, dass wir Saga wieder mitnehmen würden, wusste wohl nur er selber. „Du hast drei Minuten, bis der nächste Bus zurück kommt“, informierte Reita meinen Mitbewohner mit mürrischer Stimme, „ich geh schon mal vor.“ Das war vielleicht auch besser so, denn Saga wollte sich schließlich noch von Tora verabschieden. Und dafür hatte ich vollstes Verständnis. Es war schön, die beiden wieder so zu sehen, sie verstanden sich wieder wie früher und vielleicht sogar noch ein bisschen besser. Deshalb kam ich auch leider nicht umhin, mich kurz umzudrehen, als ich die Treppen zum Eingang des Gebäudes herab lief und konnte mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. Dieser Kuss versetzte einem ja einen regelrechten Zuckerschock...! Ich hob die Hand und winkte Tora ein letztes Mal zu, bevor er die Tür hinter sich schloss und wohl zurück in seine Wohnung lief. Saga hatte mich derweil eingeholt und musterte mich skeptisch. „Was n mit dir passiert? Du siehst ziemlich gefickt aus“, stellte Saga nüchtern fest, sodass es mir für eine Sekunde ein Schmunzeln auf die Lippen trieb. „Dreimal, um genau zu sein“, gab ich zurück. „Nein, so mein ich das nicht…“ Was sollte das? Was sollte dieser prüfende Blick? Diese Besorgnis in seinen Augen? Ob er tatsächlich etwas ahnte…? „Der Bus“, hörte ich Reita rufen und schüttelte meine Gedanken schleunigst ab, griff nach Sagas Hand und lief einen Deut schneller zur Bushaltestelle, wo wir gerade rechtzeitig noch angelangten, um den Bus zu kriegen. Wir stiegen ein und setzten uns gemeinsam in einen Vierer. Als Reita sich mir gegenüber setzte, schien Saga ein wenig verwundert und setzte sich neben meinen Freund. Seinen verwunderten Blick ignorierte ich angestrengt und ich wich ihm die gesamte Fahrt über aus. Es schauderte mich davor, auszusteigen und Reita nach Hause gehen zu sehen, denn ich wusste, dass Saga mich ohne zu zögern danach fragen wurde. Als wir ausstiegen, hob Reita seine Hand zum Abschied und lief los. Und es ließ mich beinahe platzen, dass er sich nicht einmal mehr anständig von mir verabschieden wollte, weshalb ich sofort nach seinem Handgelenk griff und ihn zurück zog. „Jetzt hör auf so rum zu zicken und benimm dich wenigstens n bisschen deinem Alter entsprechend“, zischte ich ihm leise zu, doch im Kontrast zu meinem harschen Tonfall schaute ich ihn scheu bittend an. Vielleicht würde es ja funktionieren. „Eigentlich kannst du froh sein, dass ich dich liebe und dir nich’ lange böse sein kann“, grummelte Reita zurück und drückte mir einen flüchtigen Kuss auf den Mundwinkel. Gut, dachte ich im Stillen, dass ich seinem Machogehabe vor lauter Liebe dauernd nachgeben musste… „Bis dann“, murmelte ich, lächelte ihm ein letztes Mal zu und hakte mich dann bei meinem Mitbewohner ein, der sich die gesamte Zeit über eher im Hintergrund gehalten und geschwiegen hatte. Doch nun, da Reita heimgegangen war, schien er seine Neugier zurückerlangt zu haben. „So, und jetzt raus damit“, forderte er mich auf, „was ist los mit dir? Dass du so beschissen aussiehst, liegt sicher nicht daran, dass dein Freund dich gestern geknallt hat, oder?“ „Ich weiß überhaupt nich’, wovon du redest“, zickte ich ihn sofort an, obwohl ich es eigentlich gar nicht wollte und zog ihn neben mir her über die Straße, die zu unserem Apartment führte. Doch Saga blieb hartnäckig. „Hör zu, ich seh dir an, dass es dir miserabel geht. Dir war vorhin im Bus schlecht, oder?“ „Ja, weil ich zu viel gesoffen hab, na und?!“ „Uruha!“ Ich zuckte zusammen. Dass es nicht Saga war, der meinen Namen rief, beunruhigte mich, aber die Tatsache, dass ich wusste, wer es war, beunruhigte mich gleich doppelt und dreifach. Das war wirklich der falsche Moment, um jetzt mit ihm zu reden, denn ich wusste, dass es nur ausarten würde in meiner momentanen Stimmung. Saga neben mir verdrehte gleich die Augen, griff nach meinem Arm, um mich weiter zu ziehen. Offenbar hatte auch er keine Lust auf Ärger… „Uruha, jetzt warte doch mal! Bitte!“ Auch seinen zweiten Versuch, mich aufzuhalten, versuchte ich angestrengt zu ignorieren und somit lief ich einfach weiter, bis wir kurz vor dem Gebäude waren, in dem Sagas und meine Wohnung lag. Doch es war sinnlos. „Warte, Uru…!“, forderte Aoi mich mit Nachdruck auf, hielt mich zudem noch am Arm fest, sodass ich nicht nur für einen kleinen Augenblick den Drang verspürte, mich umzudrehen und ihm die Augen auszukratzen. „Lass los“, zischte ich genervt, ohne mich umzudrehen, denn sonst wäre mir wohl bei seinem Anblick schon der Kragen geplatzt. Langsam kotzte es mich wirklich an, dass er mich überall zu finden schien und wahrscheinlich wieder nur, um mich zu piesacken und Moralpredigten zu halten. Oder aber, um mich fertig zu machen, weil ich mich seiner Meinung nach immer mehr zu einem Säufer oder sonst was entwickelte. Was zur Hölle bildete er sich dabei eigentlich ein?! „Ich hab das von deiner Mutter gehört“, unterbrach er meinen Gedankengang, „ich wollte dir nur sagen, dass es mir leid tut und…“ „Danke“, unterbrach ich ihn nun ebenfalls, „aber ich würd jetzt gern wieder hoch, ich bin nämlich müde!“ Mit Nachdruck schaute ich ihn nun doch über meine Schulter hinweg an, doch ich erblickte kein hämisches, hinterhältiges Grinsen, wie sonst immer… ich erblickte tatsächlich ein besorgtes Gesicht, er sah mich aus großen, ehrlichen Augen an und es trieb mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. Was bildete sich dieser kleine Scheißer eigentlich ein?! Er nutzte es schamlos aus, dass meine Mutter gestorben war, um sich mit ein bisschen Mitleid wieder bei mir einzuschleimen und unser angekratztes Verhältnis wieder auf die richtige Bahn zu bringen! Angewidert riss ich meine Schulter los, blendete völlig aus, dass Saga immer noch neben mir stand und wohl nur darauf wartete, dass ich endlich die Biege machen würde. Allerdings hatte ich in meinem Gedankenrausch nicht mitbekommen, dass Aoi wieder zu reden angefangen hatte. „…weiß, dass du wahrscheinlich jetzt denkst, ich würde mich nur einschleimen wollen, aber es tut mir wirklich leid! Und ich wollte mich für mein Verhalten entschuldigen… ich hab einfach überreagiert und wollte dich mit allen Mitteln von diesen Menschen wegholen, weil ich dachte, sie tun dir nicht gut, aber dabei hab ich einfach nicht gemerkt, dass dir das mehr geschadet, als geholfen hat. Und dass daran letztendlich unser Verhältnis zueinander zerbrochen ist. Das war fies von mir und ich will mich dafür entschuldigen…“ Fassungslos starrte ich ihn an. Schließlich wagte ich einen Blick zu Saga neben mir, der einfach nur da stand und das Geschehen mit ungläubigem Blick beobachtete, wohl offensichtlich nicht wusste, was er jetzt davon halten oder dazu sagen sollte. Und das konnte ich voll und ganz nachvollziehen. „Willst du mich verarschen oder so?“, brachte ich immerhin leise hervor, als ich mich wieder etwas gefangen hatte von dem anfänglichen Schock über Aois Worte. Ja, ich hatte stets auf eine Entschuldigung von ihm gewartet. Ich hatte nur darauf gewartet, dass er irgendwann wieder angekrochen kommt und ich hatte mir geschworen, diesen Moment voll und ganz auszukosten und ihn schließlich am Ende trotzdem zurück in den Wind zu schießen, in der Hoffnung, er würde dann verstehen, was er mir angetan hatte und mich endlich in Frieden lassen. Doch jetzt, wo er vor mir stand, verspürte ich einfach nur eine unglaubliche Wut. Nichts von dem, was ich mir vorgenommen hatte, konnte ich wirklich mit Sinn und Verstand in die Tat umsetzen, weil mir einfach die Worte fehlten und ich nicht mehr in Zusammenhängen denken konnte. Ich sah nur noch das, was Aoi mir angetan und wie sehr er mich verletzt hatte. Und dafür wollte ich Rache…! „Ich will dich nicht verarschen, ich will nur, dass du dir meine Entschuldigung anhörst und vielleicht darüber nachdenkst, was ich dir sagen möchte…!“, bat Aoi mit fester Stimme und schaute mich nachdrücklich an. „Das hab ich jetzt“, fauchte ich, „und nachdenken brauch ich darüber nicht mehr! Was passiert ist, ist passiert und es hängt mir mittlerweile zum Hals raus, noch länger drüber nachzudenken, verstanden?! Und jetzt verpiss dich, du hast mir schließlich oft genug gesagt, was du von mir hältst!“ „Uru, lass hochgehen“, hörte ich Saga leise sagen, doch ich beachtete es nicht weiter. „Das stimmt“, erwiderte Aoi auf meine Worte, „und es war nicht richtig von mir…“ „Allerdings!“ „Und deshalb bin ich hier, hörst du? Ich will mich dafür entschuldigen, was ich gesagt hab, weil es nicht richtig war und weil ich nicht möchte, dass wir uns weiter wegen etwas streiten, was längst vergangen ist und worüber man nicht länger wütend sein sollte…“ „WAS BILDEST DU DIR EIGENTLICH EIN?!“, platzte es auf einmal völlig unerwartet aus mir heraus, „Kommst du jetzt angeschissen, weil du zufällig gemerkt hast, dass meine Mutter tot ist und du glaubst, dass jetzt keiner mehr da ist, der mir auf die Finger guckt?! Hör zu, ich brauche niemanden, der mir die zweite Mama macht und deshalb brauchst du auch nicht wieder angeschissen kommen! Lass mich einfach in Ruhe, okay…?“ „Deine Mutter war vielleicht der Auslöser, aber ich bin ganz bestimmt nicht hier, um deine Mama zu spielen! Ich hab mein eigenes Leben, schon vergessen?“, antwortete Aoi ebenfalls mit etwas erhobener Stimme, „Aber schon mal auf die Idee gekommen, dass ich dich vielleicht vermissen könnte? Dass Ruki und ich dich als Kumpel vermissen könnten?! Weil er nicht den ersten Schritt machen kann, weil er dank deines Freundes jetzt Angst hat, dich überhaupt anzusprechen, bin ich hergekommen in der Hoffnung, dass du vielleicht n bisschen Einsicht hast und uns wenigstens verzeihst…“ Ich war sprachlos. Eigentlich war das nicht so geplant gewesen, aber seine Worte machten mich tatsächlich etwas nachdenklich. Ruki hatte Angst, mich anzusprechen, weil Reita ihn damals verprügelt hatte und ich war daran schuld gewesen, indem ich Ruki einfach geküsst und nicht aufgepasst hatte, dass uns niemand sehen würde. Aoi war deshalb hergekommen, um sich auch in seinem Namen bei mir zu entschuldigen für ihr Verhalten und mich zu bitten, die Entschuldigung anzunehmen und darüber nachzudenken, was vorgefallen war. Was genau wollte er damit nun eigentlich erreichen? Die alte Freundschaft zurückgewinnen…? „Soll mir doch egal sein, wenn Ruki jetzt Schiss hat“, zickte ich entgegen meiner Gedanken jedoch weiter, „ich hatte damals, als ich Reita kennen gelernt hab, auch Schiss euch zu verlieren, wenn ich mich weiter mit ihm treffe! Du hast mir echt die Freude dran genommen, mich mit ihm anzufreunden, indem du ihn immer schlecht gemacht hast und mich nachher zwingen wolltest, von ihm weg zu bleiben! Weißt du, wie weh das getan hat?!“ „Ich denke, das weiß ich“, antwortete Aoi mir und sah mittlerweile sogar ein bisschen hilflos aus, „aber ich dachte, du hättest mittlerweile verstanden, dass ich mich für all das entschuldigen möchte! Stattdessen machst du mir weiter Vorwürfe und erzählst mir das, was ich falsch gemacht hab und siehst dabei nicht, dass ich es längst eingesehen hab! Und ich wollte damit eigentlich immer nur das hinterfragen, was du gerade wieder tust! Ich wollte immer nur wissen, warum du so handelst und dabei ausblendest, dass ich dir eigentlich nur helfen und das Beste für dich und unsere Freundschaft wollte…!“ „Da hast du dir aber nen mächtig falschen Weg ausgesucht…!“ „Das weiß ich doch, verdammt, und wie oft soll ich noch sagen, dass es mir Leid tut und ich mich dafür entschuldigen will?!“, brüllte er nun schon fast, war einen Schritt näher gekommen und seine Körperhaltung verriet, dass er es tatsächlich ernst meinte. Er meinte diese Entschuldigung tatsächlich ernst… Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Aoi hatte es nicht oft geschafft, mich sprachlos zu machen, aber dieser war einer der Momente, in denen es ihm gelungen war. Unwillkürlich musste ich an die Zeit zurück denken, in der wir uns noch verstanden hatten und in der es kaum Streit zwischen uns gegeben hatte. Nämlich die Zeit kurz bevor ich Reita kennen gelernt und die ersten Probleme zwischen Ruki und mir aufgetreten waren. Wollte er wirklich all das wieder zurück…? „Ich bin bereit, deine Freunde zu akzeptieren. Ich will nicht, dass du denkst, dass ich mich euch jetzt anpasse oder alles gut finden muss, was du und deine Freunde zusammen machen, aber kann man nicht einfach trotzdem wieder befreundet sein? Vielleicht nicht mehr auf dem Niveau wie vorher, aber einfach wieder nett zueinander sein? Du musst ja nicht nur die eine Gruppe von Freunden haben, sondern du kannst doch auch mit uns befreundet sein und ab und zu wieder was machen…“ Zwar gab ich es nur ungern zu, aber sein Angebot war verlockend. Es wollte mir noch immer nicht wirklich aus dem Kopf, dass es das nur tat, um sich wieder bei mir einzuschleimen, aber ich hatte mir lange gewünscht, dass er sich endlich entschuldigen würde. Und nun stand er vor mir, schaute mich fast schon flehend an, dass ich einwilligte und seine Entschuldigung annahm. Doch was würden die anderen sagen? Würden sie es gut heißen, dass ich wieder mit Aoi und Ruki befreundet sein würde? Würden sie mich auslachen? Mich dann einfach hängen lassen? War es mir das wirklich wert…? „Du glaubst doch nich’ echt, dass ich dir das einfach so abkaufe? Ich kann nich’ so tun, als wäre nie was gewesen! Woher weiß ich denn, dass du morgen nich’ schon wieder versuchst, mich davon zu überzeugen, wie sehr ich mein Leben verschwende und wie schlecht meine Freunde für mich sind!“ „Ich hab doch grad gesagt, dass ich mich damit abfinden kann, aber ich will die ewige Streiterei nicht mehr! Ich will nicht mehr an dir vorbeilaufen und mich darüber ärgern müssen, dass wir beide Fehler gemacht und unsere Freundschaft daran kaputt gegangen ist…!“ „Uru, lass ihn doch“, mischte sich Saga plötzlich ein, „er meint es gut und hat sich bei dir entschuldigt. Warum lehnst du denn seine Entschuldigung ab? Er hat halt so lang gebraucht, weil’s ihm schwer gefallen ist. Ist das denn keine Anerkennung wert, dass er sich überwunden hat?“ Saga konnte Aoi nicht leiden, genau wie der Rest meiner Freunde ihn nicht ausstehen konnte. Das war ein ungeschriebenes Gesetz und von anderen aus meinem Freundeskreis hatte Aoi nicht nur einmal deutlich gemacht bekommen, dass sie herzlich wenig von ihm hielten. Umso verblüffender war es, dass mein Mitbewohner ihn jetzt auch noch in Schutz nahm! Andererseits konnte er sicher nachvollziehen, wie es war, wenn man sich einfach nicht für eine Entschuldigung überwinden konnte, denn er hatte nicht nur einmal in solch einer Situation gesteckt. Deshalb konnte er sich wohl am besten von uns allen denken, wie Aoi sich fühlen musste. Und er konnte auch nachvollziehen, wie ich mich fühlte, denn ich hatte ihm die ganze Geschichte in allen Details erzählt, als ich nach dem Tod meiner Mutter so fertig gewesen war. Also kannte er beide Seiten und hatte gerade sicherlich eine Menge Respekt vor Aois Mut… Seufzend lehnte ich mich an die Wand neben der Tür und ließ mir alles noch einmal durch den Kopf gehen. Auch mir ging es nahe, dass ich mit Aoi und Ruki verstritten war, sicher. Das ging schließlich schon über ein paar Wochen so. Der Auslöser war eigentlich nur der Streit mit Ruki wegen meiner Eltern gewesen und die Tatsache, dass Aoi es nicht verstanden hatte, wie ich mich auf neue Bekanntschaften einlassen konnte, wenn sie Nietenjacken und zerfetzte Hosen trugen. Mittlerweile trug ich sie selbst. War es tatsächlich so, dass Aoi sich mit meinem neuen Style und meinen Freunden abgefunden hatte und bereit war, sie zu akzeptieren? Natürlich würde ich mit dem einen oder anderen Kommentar rechnen müssen, denn er fand es nach wie vor nicht witzig und schon gar nicht schön oder aufregend, das hatte er mir schließlich des Öfteren auf unterstem Niveau mitgeteilt. Und ich konnte nicht leugnen, dass es mich hin und wieder etwas unsicher gestimmt hatte, zumal Aoi früher der einzige gewesen war, der mir die Meinung gesagt hatte und an dem ich mich stets hatte orientieren können, um zu erkennen, wenn ich einen Fehler machte. Offenbar war es ein bisschen viel Vertrauen gewesen, das ich in seine Worte gelegt hatte und schließlich war es ein bisschen in Abhängigkeit geendet. Dass jetzt andere Freunde mit im Spiel waren und er wohl langsam aber sicher zu erkennen begann, dass ich mich von dieser Abhängigkeit befreit hatte, sollte mir doch eigentlich ganz gelegen kommen, denn Streit war in meiner momentanen Situation sowieso das Letzte, was ich gebrauchen konnte. „Und du meinst das auch wirklich so, wie du’s sagst?“, fragte ich noch einmal skeptisch, „Du stehst morgen nich’ wieder vor mir und hältst mir Moralpredigten?“ „Jetzt, wo ich weiß, dass ich damit nichts anderes erreiche, als deine Feindschaft?“, gab Aoi nur knapp zurück, schaute sich mit unsicherem Blick ein wenig um. Er gab also tatsächlich klein bei! „Dann… sind wir nicht mehr sauer aufeinander?“, fragte ich, stieß mich leicht von der Wand ab und schaute Aoi abwartend an. Ein seltsamer Moment. „Ja“, lächelte er leicht, streckte seine Hand aus und wartete wohl darauf, dass ich sie annahm, um unsere Versöhnung zu besiegeln. Kurz zögerte ich, doch schließlich nahm ich sie an und drückte sie leicht. Auch auf meinen Lippen spürte ich ein kleines Lächeln, doch es war nichts im Gegensatz zu dem, das Aois Lippen überzog. Er strahlte ja beinahe… „Sag Ruki, dass er keine Angst zu haben braucht“, murmelte ich, „ich bin nich’ mehr sauer und das auf der Party tut mir auch Leid…“ „Okay.“ Wirklich ein seltsames Gefühl, diesen kleinen Krieg zwischen uns endlich beendet zu haben. Wenn ich so daran zurückdachte, wie Reita und ich Aoi ab und an geärgert hatten, wie Reita Ruki geschlagen hatte oder wie ich Aoi manchmal nach seinen Predigten abgefertigt hatte… Kaum vorstellbar, dass das nun alles vorbei sein sollte. „Tja, wir ähm… müssen dann langsam hoch“, sagte ich leise, „was machst du jetzt…?“ „Nach Hause gehen“, antwortete Aoi mir, „ich hab noch was mit Ruki vor und so…“ „Wir reden ein andermal, okay?“, schlug ich vor und mein Gegenüber nickte zustimmend. Und schon fand ich mich mit Saga allein in unserem Hausflur wieder, völlig baff wegen dem, was gerade passiert war. „Warum hast du dich eingemischt?“, fragte ich an Saga gewandt, der gerade die Treppe vor mir herauf lief und über die Schulter hinweg zu mir herabschaute. „Ganz einfach“, antwortete er, „weil ich nachvollziehen kann, dass es ihn anpisst, mit dir Streit zu haben. Wenn du zickig bist, bist du echt nich’ auszuhalten.“ „Aber selber“, zickte ich also gleich mal drauf los und gab ihm meinen Wohnungsschlüssel, da er ihn mir am Abend zuvor gegeben hatte, bevor er mit Tora mitgegangen war. „Erzählst du mir jetzt mal, wie es sein kann, dass du auf einmal mit Tora abgehauen bist?“, fragte ich neugierig, als ich meine Jacke beiseite legte und mich aufs Sofa fallen ließ, auf dem die Decke noch immer zerwühlt und die Wasserpfütze noch immer auf dem Boden herumlag. Saga schien das wenig zu stören – er würde eh von mir erwarten, es wegzumachen. „Erst erzählst du mir, warum du dich gestern von Kazuki hast belabern lassen und was er dir angedreht hat“, forderte mein Mitbewohner plötzlich völlig unerwartet. Woher zum Teufel… „Jetzt sag mir nich’, dass du dich nich’ erinnern kannst“, sagte er mit Nachdruck. „Kann ich aber wirklich nicht! Kazuki hat mich nich’ belabert!“ „Aber du hast dir trotzdem was andrehen lassen! Was war es?!“ „Woher zum Teufel weißt du davon?!“ „Also stimmt es! Du gibst es zu, ja?!“ „Was willst du überhaupt von mir?! Woher weißt du das?!“ Saga wurde ruhiger, ließ sich neben mir aufs Sofa fallen und verschränkte die Arme. „Sakito hat mir ne Mail geschrieben. Er hat mir erzählt, dass er gehört und gesehen hat, wie Kazuki dir nach der Schlägerei die ganze Zeit zugeredet hat.“ „Hat er aber nicht“, zickte ich ihn ungewollt frech an, „ich weiß überhaupt nich’, wovon du redest!“ „Streite es nicht ab“, gab er mit bedrohlich leiser Stimme ab, „Sakito und Ni~ya haben es beide gehört und die würden mich sicherlich nicht anlügen, wenn es um meinen Mitbewohner geht!“ „Ich dachte, Sakito wäre sauer auf dich“, sagte ich skeptisch, „er war nämlich nich’ sonderlich begeistert, als du mit Tora nach der Schlägerei einfach abgehauen bist!“ „Er war sauer, weil er mir erstens das mit Kazuki erzählen wollte, damit ich dich gleich zuhause zur Rede stellen könnte, und zweitens weil ich eigentlich versprochen hatte, keinen Stress zu machen und Tora eifersüchtig machen wollte, als ich mit dir getanzt hab. Dass er sauer war, hatte nichts mit der Schlägerei zu tun, und ich hab mich im Übrigen gleich gestern Abend per Mail noch entschuldigt. Und jetzt sagst du mir, was Kazuki dir da angedreht hat…!“ Langsam aber sicher fühlte ich mich in die Ecke gedrängt. Es klang nicht sonderlich glaubwürdig, was er mir da von Sakito und sich erzählte, aber wir wussten alle, dass Sakito wegen Kleinigkeiten schnell zur Zicke mutieren konnte. Also würde ich es ihm wohl abkaufen müssen. Dass er herausgefunden hatte, dass ich mir von Kazuki was hatte andrehen lassen, war die eine Sache, aber ich konnte mich wirklich nicht daran erinnern, dass er nach der Schlägerei noch irgendwas zu mir gesagt hatte… oder? „Na gut“, gab ich schließlich doch nach, „er hat mir irgendwelche Pillen gegeben mit dem Versprechen, dass ich mich danach besser fühlen würde. Er meinte, es sei so ne Art Beruhigungsmittel…“ „Das hast du ihm doch nicht ernsthaft abgekauft…?“, fragte er nur noch skeptischer. „Er hat selber eine genommen und meinte, es sei gar nich’ schlimm“, versuchte ich mich weiter zu verteidigen, „aber dass er mir vorher zugeredet hat, weiß ich wirklich nich’ mehr…! Er war halt der einzige, der bei mir stand und sich nich’ lauthals über die Situation aufgeregt hat und cool geblieben ist. Außerdem war seine Hand gerade in Reichweite…“ „Und da findest du es nich’ seltsam, dass du gerade seine Hand nimmst und mit ihm verschwindest, um darüber zu reden, wo du ihn gerade mal gut ein paar Tage kennst?“ Saga klang von Wort zu Wort ungläubiger. Langsam machten mich seine Worte wirklich nachdenklich. Hatte Kazuki wirklich nichts zu mir gesagt? Er hatte neben mir gestanden, nachdem Saga zu Tora verschwunden war und alle anderen nichts Besseres zu tun hatten, als sich über den versauten Abend aufzuregen. Er hatte… die Hand auf meine Schulter gelegt, um mich ein wenig zu beruhigen… er hatte tatsächlich etwas gesagt… „Vielleicht hat er ja was gesagt“, murmelte ich, aber mein zickiger Unterton war nach wie vor vorhanden, „aber ich weiß wirklich nicht mehr, was es war! Ich kann mich nicht mehr erinnern, wirklich nicht…“ „Wenigstens muss ich Sakito jetzt nicht mehr hier rüber bitten“, sagte Saga ruhig, „der hätte dir nämlich genau dasselbe erzählt, wie ich und ich denke er würde nichts über dich erzählen, was nicht stimmt, weil er dich nämlich verdammt gern hat. Du brauchst auch nicht zu denken, dass wir sauer auf dich sind oder so, im Gegenteil. Wir machen uns Sorgen und du solltest Sakito dankbar sein, dass er es mir erzählt hat, statt Reita, denn er wollte deiner Beziehung nicht schaden, weil er selber weiß, dass sowas an Drogen zerbrechen kann. Reita ist da nämlich ziemlich empfindlich, wie du vielleicht gemerkt hast, als wir alle das mit Sakito herausgefunden haben und er war auch derjenige, der am längsten deshalb sauer auf mich war. Und jetzt beantworte mir mal eine Frage: wieso hast du das getan?“ Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. © Kapitel 35: Vom Anfang und Ende ------------------------------- -35- Vom Anfang und Ende „Warum tut man sowas wohl?!“, schluchzte ich, „Er hat mir das angeboten und gemeint es würde mir dadurch besser gehen! Was tust du, wenn’s dir scheiße geht?! Du besäufst dich und kotzt dir danach nicht minder die Seele aus dem Leib!“ „Was war denn an dem Abend so scheiße, bis auf dass ich da zusammen gehauen wurde?!“, fragte Saga in ebenso harschem Ton zurück, wie ich eben meine unglaublich sinnvolle Erklärung zu dem Thema beigetragen hatte. Aber ich befand mich meiner Meinung nach im Recht! Wenn man bedachte, was mir in letzter Zeit so alles passiert war, kam man sicher von allein darauf, dass sich da einiges angestaut hatte und tatsächlich hatte mir dieses Zeug doch geholfen, es für längere Zeit zu vergessen und wirklich Spaß zu haben – besser als Alkohol. Und der war wiederum teuer, diese Pillen hatte ich jedoch umsonst bekommen. Und der Sex mit Reita war auch nicht ohne gewesen, wenn mir ja jetzt noch alles davon wehtat… „Denk doch mal nach, was in letzter Zeit so alles passiert ist“, schnauzte ich ihn ungewollt böse an, „würdest du dir da nich’ auch den totalen Absturz geben?!“ „Aber nicht SO!“, brüllte Saga zurück, „Und jetz’ reg dich gefälligst ma’ wieder ab, du bist sau aggressiv, man!“ „Bist du doch selber“, zischte ich, wischte mir grob die Tränen von den Wangen. Saga hatte doch keine Ahnung! Ich konnte einfach nicht mehr, weil mit der Zeit einfach alles viel zu viel geworden war! Mein nettes, altes Leben war in so kurzer Zeit dahin, und obwohl Aoi sich jetzt bei mir entschuldigt hatte, würde nie wieder sowas wie Frieden in meinem Leben herrschen. Meine Mutter war tot und mein Vater nicht aufzutreiben, Aoi und Ruki würden nie wieder so zu mir sein wie früher und meine neuen Freunde wollten mich offenbar auch nicht verstehen. Und auch, wenn ich froh sein sollte, wenigstens ein Zuhause zu haben, konnte ich von meinem Mitbewohner wohl ein bisschen mehr Verständnis erwarten… „Hör zu“, begann Saga etwas ruhiger und rückte ein Stück näher zu mir, „ich will gar nich’ mit dir streiten, ich will nur wissen, ob du nich’ ein bisschen bereust, was du da gemacht hast, verstehst? Das Zeug war mit Sicherheit nicht legal und ich will einfach nich’, dass du Stress kriegst, okay?“ „Kann dir doch egal sein, ich hab schon Stress genug mit mir selber“, murmelte ich, mittlerweile etwas kraftloser vom vielen Aufregen, „und wenn man mir anbietet, dass es mir besser geht, wieso soll ich’s dann nich’ annehmen?“ „Weil’s auch andere Möglichkeiten gibt, seinen Frust irgendwie zu verarbeiten!“ „Wer sagt denn, dass ich’s noch mal mache, mh? Die Gelegenheit hat sich halt geboten und ich hab sie wahrgenommen und jetzt stell dich wegen dem einen Mal nicht so an, okay?“ Dann lehnte sich Saga zurück, holte einmal tief Luft und atmete aus, ehe er mir wieder in die Augen schaute und immer noch unangenehm ernst aussah. „Ich will nich’, dass du auch so abstürzt, wie Saki oder Dai oder wie sie alle heißen. Also versprich mir, dass du aufpasst mit dem, was du tust, okay? Wenn Reita davon was mitkriegt, hast du nen riesigen Ärger an deinem hübschen Hintern…“ „Du wirst ihm das doch nich’ erzählen, oder?“, schreckte ich auf, als er den Namen meines Freundes erwähnte, schaute ihn tatsächlich ein wenig panisch an. Und dass er mit seiner Antwort auch noch zögerte, machte es nicht unbedingt besser! „Saga?!“ „Ich sag ihm schon nichts“, antwortete er endlich, „schließlich hab ich gar kein Recht dazu nach dem Scheiß, den ich gebaut hab.“ Da hatte er allerdings Recht. Wie konnte er mich bei meinem Freund verpfeifen, wenn er mir doch zu verdanken hatte, dass der nach so langer Zeit endlich nicht mehr sauer auf ihn war? Ein anderer Grund war zum Beispiel, dass er Sakito in diese Bredouille mit den Drogen gebracht hatte und sich schon genügend dafür hatte rechtfertigen müssen. Ihm würde ohnehin keiner glauben, wenn er jetzt auch noch damit anfing, dass ich genauso in Versuchung geraten war, dieses Zeug zu nehmen. Er war der Letzte, der mich verpfeifen konnte. Warum machte ich mir also Sorgen? „Okay“, gab ich leise zurück, „ich glaub’, ich werd mich jetzt erstmal noch hinlegen.“ Still nickte Saga, stand zeitgleich mit mir auf und ehe ich mich versah, hatte er mich schon in seine Arme gezogen und hielt mich fest. Nun, bei ihm hatte ich irgendwie noch nie lange nachtragend sein können, deshalb legte auch ich meine Arme um ihn und schloss für eine Sekunde die Augen. Ich konnte wirklich froh sein, dass ich so einen guten Freund wie ihn hatte, der mich bei sich wohnen ließ und nicht verraten würde, in was ich mich da reingeritten hatte. Und als er mich dann losließ, ich mich in mein Zimmer zurückzog und mich aufs Bett legte, hatte ich das Gefühl, einerseits einen riesigen Fehler gemacht zu haben und meine Freunde hintergangen hatte, aber andererseits hatte ich in dem Moment, in dem ich das Zeug genommen hatte, nur den Wunsch gehabt mich besser zu fühlen. Was also war so falsch daran, das Beste für mich zu tun…? Es stand nur eines fest: Reita durfte nichts davon wissen. Sakito hatte es eine ganze Zeit lang gut geheim halten können, warum also sollte mir nicht dasselbe auch gelingen? „Uru!“ Verschlafen öffnete ich die Augen einen Spalt und schaute mich um. Etwas Hartes konnte ich an meinem Hintern spüren und ich grummelte leise, als ich mich langsam von dem Gegenstand herunterrollte und auf die Seite drehte, ehe mich jemand an der Schulter rüttelte. „Uru, wach auf! Los jetzt…!“ Irritiert, dass Saga mich überhaupt weckte und dabei auch noch so besorgt klang, blinzelte ich und richtete mich ganz langsam auf, tastete nach dem Gegenstand, auf dem ich die ganze Zeit gelegen hatte. Nicht sonderlich überrascht hob ich die Augenbrauen, als ich meine Puderdose hervorzog und grummelte erneut. „Uruha, geh endlich ans Telefon, verdammt…!“ Telefon? Welcher Idiot rief denn mitten in der Nacht noch an?! „Jetzt mach, es is’ wichtig, hörst du?!“ „Ja, man“, nuschelte ich verschlafen und griff nach dem Hörer, warf Saga einen missmutigen Blick zu, weil er mich geweckt hatte und hielt mir das Telefon ans Ohr. „Hallo?“ „Takashima-san“, hörte ich eine mir bekannte Stimme, aber ich konnte sie irgendwie noch nicht zuordnen, „ich rufe Sie an, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Direktor sie zu einem Gespräch eingeladen hat, und zwar noch heute, wenn es Ihnen recht ist. Schaffen Sie es, bis elf Uhr in der Schule zu sein?“ Natürlich, die Sekretärin! Unweigerlich breitete sich in mir ein ungutes Gefühl aus und ich schluckte hart. Der Direktor wollte mich also sprechen. Und als ich beiläufig einen Blick auf die Uhr warf, stellte ich fest, dass ich tatsächlich von gestern Mittag bis heute Morgen durchgeschlafen hatte. Wie zum Teufel…?! „Ähm… ja, sicher, aber… worum geht es denn?“ „Das werden Sie dann im Laufe des Gesprächs erfahren“, antwortete sie in ihrem üblich hektischen Tonfall. Etwas hilflos schaute ich Saga an, ehe ich noch einmal fragte. „Kann ich nicht wenigstens vorher wissen, auf was ich mich einstellen muss?“ Einen Augenblick herrschte Stille am Telefon. Und irgendwie war das ungut. Ziemlich ungut… Warum zum Geier gab diese Schnepfe mir keine Antwort?! „Ich denke, das sollten Sie wirklich nicht hier am Telefon erfahren. Sie haben den Termin um elf Uhr. Wiederhören.“ Aufgelegt. Ich hätte es ja ahnen müssen, dass die Schule mir irgendwann Stress machen würde… „Saga?“, fragte ich leise, als ich ihm das Telefon gab und schaute ihn zögerlich an, „Was haben die zu dir gesagt?“ Er hatte die ganze Zeit neben mir gesessen und mir zugehört und irgendwie hatte ich den Verdacht, dass er mehr wusste, als ich selbst in diesem Moment. Er schien überrascht, dass das Gespräch nur so kurz gedauert hatte, aber sollte ich das jetzt positiv oder negativ werten…? „Zu mir gar nichts, sie wollten dich sprechen und meinten, es sei etwas Ernstes… und was haben die… zu dir gesagt?“ Etwas Ernstes. Etwas Ernstes… „Ich soll um elf in der Schule sein und mit dem Direktor sprechen…“ „Mit dem Direktor?“ Ich nickte langsam. Gott, wie konnten die mich in meinem verschlafenen Zustand überhaupt wagen anzurufen?! Es war gerade mal neun Uhr morgens…! Auf einmal sagte Saga gar nichts mehr, sondern stand einfach nur auf und tippte eine Nummer in sein Telefon ein. Dann ging er aus dem Zimmer und deutete mir, auf dem Bett sitzen zu bleiben. Irritiert starrte ich ihm hinterher. Was sollte das jetzt?! Verschwieg er mir also doch etwas? Was ging denn nun schon wieder vor sich?! Ein wenig angesäuert stand ich auf und riss das Fenster in meinem Zimmer auf, um ein bisschen frische Luft hinein zu lassen und atmete tief durch. Nebenan hörte ich Saga mit jemandem sprechen, aber ich konnte nicht verstehen, was er sagte, da die Tür nur angelehnt war und Saga verdächtig leise sprach… Es dauerte nicht lang, bis ich hörte, wie er auflegte und dann war es still. Was würde nun passieren? Ich konnte mir beim besten Willen nicht ausmalen, was die Schule von mir wollen konnte, aber dass es etwas Schlechtes war, war wohl kaum mehr auszuschließen. Na wunderbar, als wenn ich nicht schon genug Probleme hatte, dachte ich mir betrübt und schaute aus dem Fenster auf den trüben Hinterhof des Apartments, wo ein paar Container rumstanden und leere Kisten. Leer. Genauso fühlte ich mich gerade. Einfach nicht wissen, was man denken und was man tun und was man mit sich anfangen sollte war ein furchtbares Gefühl, das sich dummerweise nicht einmal wirklich abstellen ließ. Irgendwann öffnete Saga die Tür einen Spalt und schaute in mein Zimmer, klopfte dann leise an, obwohl er meine Aufmerksamkeit schon längst hatte. „Reita kommt gleich her“, sagte er dann, „und geht mit dir zur Schule hin.“ Tat er nur so dämlich oder war er wirklich der Meinung, ich bräuchte einen Babysitter?! „Schön“, antwortete ich etwas gereizt, und dabei wusste ich nicht einmal wirklich warum, „kann ich duschen?“ „Klar…“ Noch während ich mich auf dem Weg ins Bad befand, hörte ich Saga in der Küche rumwerkeln. Wahrscheinlich holte er die Schnapsflaschen aus dem Kühlschrank und stellte sie schon mal auf dem Tisch bereit, um Reita auf wer weiß was vorzubereiten, weil er hundertprozentig genauer wusste, worum es in dem Gespräch mit meinem Direktor gehen würde. Gemächlich zog ich mich aus und stieg unter die Dusche, wusch mich endlich sauber und fühlte mich gleich besser, als das heiße Wasser mir über den Kopf lief. Wenigstens ein paar der Sorgen fühlten sich an, als würden sie geradewegs von mir runtergespült und im Abfluss verschwinden… aber leider nicht für immer. Gerade, als ich den letzten Schaum von meinem Körper wusch und nach dem Handtuch über der Duschwand griff, hörte ich, wie die Haustür zufiel. Reita musste gekommen sein. Ich stellte das Wasser ab und wickelte mich in das Handtuch, rubbelte mich ein bisschen trockener, ehe ich die Tür der Dusche öffnete und in die Kälte hinausstieg, um mich vor dem Spiegel zu betrachten. Nach dem Duschen sah ich eigentlich immer am schlimmsten aus… aber Reita hatte mich auch schon nach dem Sex gesehen, also ging es fast gar nicht schlimmer. Als ich trocken war, zog ich wieder meine Jogginghose und meinen Pulli drüber, sprühte mich ein bisschen mit meinem Lieblingsparfum ein, damit ich nicht allzu sehr nach der langweiligen Seife roch und kämmte meine Haare durch, legte mir das Handtuch dann über die Schultern, damit mein Oberteil nicht nass wurde. Es gab ja nichts furchtbareres, als nasse Kleidung nach dem Duschen. Noch einmal kurz übers Gesicht gewischt und ich machte mich auf den Weg zurück ins Wohnzimmer. Reita saß wie totgeschlagen auf dem Sofa und schaute mich mit großen Augen an. „Hey“, sagte er leise, „Saga ist… grad drüben bei Saki, weil er noch mal mit ihm reden will. Er meinte, es sei wichtig und ich sollte herkommen…“ „Warst du in der Schule?“, wollte ich als allererstes wissen, denn nachher hatte Saga ihn angerufen und extra herbestellt und er würde schon wieder unentschuldigt fehlen. „Nein, ich…“, begann er, rückte ein Stück zur Seite und klopfte aufs Sofa, „erklär mir erstmal, worum es geht, okay?“ Seufzend ging ich zu ihm hin und ließ mich neben ihn aufs Sofa fallen, lehnte mich an ihn. Irgendwie kam ich mir ziemlich dumm vor, wie ich ihn am Tag zuvor angefahren hatte und obwohl es nicht sonderlich nett von ihm gewesen war, sich zu weigern, Saga abzuholen, so hätte ich auch anders darauf reagieren können, dachte ich mir. Ich liebte Reita wirklich und wollte ihn auf keinen Fall verlieren und jeder Streit ließ mich tatsächlich im Nachhinein ein schlechtes Gewissen haben, egal, um welche Kleinigkeit wir uns in die Wolle bekommen hatten… „Ich soll um elf in der Schule sein“, nuschelte ich, „der Direktor will mit mir sprechen. Saga meinte, er würde dich anrufen und dich bitten, mitzugehen. Meinst du… es ist was Ernstes?“ Ich sah, wie er mich irritiert von der Seite anschaute und spürte dann sein zögerliches Schulterzucken. „Haben sie dir am Telefon nicht gesagt, worum es geht?“ „Nein… aber irgendwie glaub ich, dass die Saga das gesagt haben und mir nicht. Hat er dir nichts gesagt?“ „Wer, Saga? Nein…“ Ich schaute auf die Uhr. Langsam wurde es Zeit zu gehen, sonst würden wir den Bus verpassen. Also standen wir auf, zogen uns die Schuhe und ein paar dünne Jacken an und machten uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Schweigend saßen wir nebeneinander an der Bushaltestelle. Reita war nervös, denn er rauchte eine Zigarette und schaute immer wieder in Richtung der Straße, aus der der Bus kommen würde. „Irgendwie hab ich n dummes Gefühl“, murmelte ich, als wir aufstanden und in den Bus einstiegen. Die ganze Fahrt über sprachen wir kein Wort miteinander. Das war der Moment, in dem mir auffiel, dass es nicht nur darum ging, was mich in der Schule erwartete. Warum schwieg er mich an? War er nicht am Morgen zuvor noch sauer auf mich gewesen? Wieso war er dann plötzlich wieder so einfühlsam und kriegte doch seine Klappe nicht auf…? Es beschäftigte mich eine ganze Weile, bis wir schließlich an meiner Schule ausstiegen und uns auf den Weg über den Busbahnhof machten. Ich glaubte beinahe alle Blicke der Schüler um uns herum auf mir zu spüren, die gerade draußen waren, um mit ihren Freunden die Pause zu verbringen. Ja, sollten sie mich nur anstarren, sie hatten mich sicherlich noch in Erinnerung von damals, wo meine Mutter solchen Aufstand wegen mir gemacht hatte. Oder sie starrten mich an, weil sie wussten, dass ich mal der Typ ohne Freunde gewesen war, den alle fertig machen konnten und der nun mit nem Punk zusammen war und in aller Öffentlichkeit rumknutschte. Unwillkürlich klammerte ich mich an Reitas Arm, schaute einfach zu Boden, während wir den Schulhof meiner Schule betraten und ein immer mulmigeres Gefühl machte sich in mir breit. Als ich aufblickte, nickten mir einige zum Gruß zu, andere winkten sogar kurz, aber keiner tat es wirklich gern, eher ablehnend und gezwungen. Seltsam, dass ich mich gerade innerlich ohne etwa das Gewissen darüber zu haben darauf vorbereitete, sie nie wieder sehen zu müssen. „Uruha“, rief mich plötzlich jemand aus Richtung des Haupteingangs. Dort stand Aoi, neben ihm Ruki, der sich die Haare etwas dunkler gefärbt hatte und sich ein wenig hinter dem schwarzhaarigen hielt. „Wie geht’s dir…?“, fragte Aoi mich und lächelte mich unsicher an. Noch während ich mit den Schultern zuckte, fiel mir Rukis etwas ängstlicher Blick auf und ich schluckte leicht. Eigentlich war ich ihm noch eine Entschuldigung schuldig… „Darf ich?“, fragte ich unsicher an ihn gewandt und streckte unsicher die Arme etwas aus, um ihn stumm zu bitten, ihn endlich mal wieder umarmen zu dürfen. Und wenn ich es nur vorsichtig tun würde, um ihm nicht noch mal so wehzutun. Zaghaft lächelte Ruki und tat einen Schritt nach vorne, sodass ich ihn in meine Arme schließen konnte und auch er legte seine kurz um mich, ließ mich dann aber sofort wieder los und schob mich etwas weg von sich. „Ich glaub Reita hat dir auch noch was zu sagen“, murmelte ich und warf meinem Freund einen auffordernden Blick zu. Natürlich hatte ich mir denken können, dass er von unserer Versöhnung noch gar keine Ahnung hatte, weshalb er auch ziemlich dümmlich aus der Wäsche guckte, aber das interessierte mich herzlich wenig. Er würde wohl kapiert haben, worauf ich gerade anspielte, denn Ruki war auf meine Worte hin merklich zusammengezuckt und bedachte Reita mit einem abschätzenden, etwas warnenden Blick. Ruki hatte Angst vor ihm und das blieb von Reita bestimmt nicht unbemerkt. „Ich erklär dir das später, jetzt entschuldige dich endlich“, zischte ich ihm leise zu, als er sich noch immer nicht gerührt hatte und schickte ihm einen warnenden Blick zu, damit er jetzt bloß nicht wieder unnötig rumstresste. „Wofür denn?!“ Na wunderbar. Mal wieder hatte Reita nicht kapiert, worum es eigentlich gerade ging. „Ist schon gut“, mischte sich Ruki erstmals ins Gespräch ein und lächelte mir etwas beschämt zu, „bin ihm nich’ mehr böse.“ „Ach, meinst du dafür, dass ich dich geschlagen hab?“, fragte Reita. Konnte man eigentlich taktloser sein…? „Komm jetzt mit rein“, nuschelte ich leicht genervt und nahm seine Hand, woraufhin er mich etwas irritiert anschaute und glücklicherweise seine Klappe hielt. Gerade wusste ich nicht wirklich, ob ich die Situation eher komisch oder doch zum heulen finden sollte. Da hatte sich die Sache zwischen Ruki, Aoi und mir endlich beruhigt und Reita kapierte einfach nicht, was los war und redete sich mal wieder beinahe um Kopf und Kragen. Besser das Gespräch beenden, dachte ich, bevor noch irgendein Streit entbrannte… „Du sollst zum Direktor, oder?“, fragte Aoi mich, der Reita und mich mit Ruki noch ein Stück bis ins Foyer begleitete. Überrascht nickte ich. „Woher weißt du das?“ „Ach… na ja, nicht so wichtig“, murmelte er plötzlich merklich nervös, schob mich dann ein Stück voraus und blieb an der Vitrine neben dem Eingang zum Sekretariat stehen. „Geh schon, sonst kommst du zu spät…“ Mit mulmigem Gefühl im Magen beschloss ich nicht weiter nachzufragen, sondern ging durchs Foyer, wo ich mal wieder neugierige Blicke auf mir spürte und öffnete die Tür zum Sekretariat. Gleich lächelte mir die Sekretärin falsch entgegen und begrüßte mich mit einem „Guten Morgen“. „Ich sollte herkommen“, murmelte ich, „hier bin ich.“ „Der Direktor ist in seinem Zimmer und erwartet Sie. Sie können gleich reingehen.“ Ich nickte. In diesem Moment kam ich mir mehr denn je vor wie eine Puppe, die man durch diese Tür führte, die ich dann hinter mir schloss und mich dann auf einen der Stühle an dem runden Tisch setzte, ohne auch nur aufzusehen. Natürlich wurde ich gleich streng von meinem Direktor begrüßt, der von seinem Schreibtischstuhl aufstand und sich zu mir an den Tisch setzte. Er hatte noch nie viel von mir gehalten und auch ich hatte ihn nie wirklich riechen können… und gerade jetzt war die Angst vor einer ziemlich schlechten Nachricht, die mich erwarten würde, am größten. „Wie geht es Ihnen?“, hörte ich ihn fragen. Wie von selbst zuckte ich mit den Schultern, schaute doch endlich auf in sein faltiges, strenges Gesicht und versuchte mich an einem schmalen Lächeln. „Geht besser“, antwortete ich. Er nickte. Dann holte er einige Unterlagen aus seinem Ordner auf dem Tisch, stellte sie immer wieder auf dem Tisch auf, sodass sie ordentlich übereinander lagen. „Können Sie sich denken, warum ich Sie heute herbestellt habe?“ „Nein“, gab ich leise zurück, „man hat mir nichts sagen wollen am Telefon.“ „Das war nicht meine Frage“, gab er ohne zu zögern zurück, „ich hatte gefragt, ob Sie sich denken können, wieso Sie hier sind.“ Wieder ein Kopfschütteln meinerseits. „Dann mache ich es kurz. Sie… müssen sicher eine schwere Zeit gehabt haben, jetzt, da Ihre Mutter gestorben ist. Mein aufrichtiges Beileid. Wir haben auch die Nachricht von Ihrem neuen Mitbewohner erhalten, dass Sie wohl einige Zeit nicht mehr in die Schule kommen können. Natürlich ist das verständlich, aber…“ „Aber?“, hakte ich unsicher nach. Er lehnte sich vor und richtete seine Brille, schaute mich ernst an und spitzte einen Augenblick die Lippen. „Wir sind der Meinung, dass Sie besser aufgehoben sind, wenn Sie die Schule wechseln. Uns ist aufgefallen, dass Sie in letzter Zeit, wenn Sie denn mal da gewesen sind, den Anforderungen und den Leistungen, die hier von Ihnen verlangt werden, nicht mehr gerecht werden. Sie haben unter anderem Lehrer beleidigt und einige Schüler scheinen sich darüber ausgelassen zu haben, dass Sie… nun ja, dass Sie eine nähere Bindung zu diesem Jungen von der Nebenschule haben, richtig?“ Ich traute meinen Ohren nicht. Hatte er das gerade gesagt? Hatte er gerade wirklich gesagt, dass er mich von der Schule schmeißen wollte, weil ich gerade echt alles andere als lernfähig und mit einem JUNGEN zusammen war?! „Wechseln Sie an eine Schule mit niedrigerem Anspruch an die Schüler, ich denke, das ist das Beste für Sie zurzeit.“ Ich schwieg. Ich saß einfach nur dort, starrte auf den weißen Tisch, ballte die Hände zu Fäusten und schwieg. Natürlich, das hätte ich mir denken können, ging es mir durch den Kopf, dieses konservative Schwein war schon immer gegen Homosexuelle gewesen, hatte meines Wissens nach vor meiner Zeit schon einmal einen Jungen, der sich zu seiner Homosexualität bekannt hatte, von der Schule geworfen. Und spätestens jetzt war ich mir sicher, dass er genau dieselben Gründe benutzt hatte, wie bei mir. Zu hoher Anspruch, zu hohe Leistungserwartung, zu wenig Disziplin. „Fein“, murmelte ich, „bekomm ich dann die Abmeldepapiere?“ Mein Direktor sagte nichts mehr, griff nur schweigend nach seinem Ordner und holte einige Papiere heraus, die er selbst unterschrieb und mir dann in die Hand drückte. „Sie können die Papiere in den nächsten Tagen an die Schule schicken. Wir melden Sie ab.“ „Wiedersehen.“ Mehr hatte ich ihm nicht zu sagen. Und er mir scheinbar auch nicht, denn er stand auf, verbeugte sich kurz und auch nur eher angedeutet, ehe er darauf wartete, dass ich endlich sein Büro verließ. Und genau das tat ich ohne weitere Aufforderung. Die Pause war vorbei, doch als ich aus dem Sekretariat zurück ins Foyer kam, warteten Aoi, Ruki und Reita noch immer auf mich. Sie alle schauten neugierig zu mir, als ich die Tür hinter mir nicht gerade leise schloss und meine Tränen unterdrückte. „Was ist passiert?“, fragte Reita. „Was hast du da?“, fragte Aoi. Nur Ruki, der schwieg. Er schaute mich aus großen, besorgten Augen an und schien sich nicht recht zu trauen, zu fragen, was los war. Aber auch ich befand, dass es keiner großen Worte der Erklärung bedurfte, diesmal zumindest nicht. Ich drückte Aoi die Papiere in die Hand und es überraschte mich nicht, dass er mich, nachdem er die Überschrift der Formulare gelesen hatte, mit Entsetzen in den Augen anstarrte. „Die schmeißen dich von der Schule…?“ In dem Moment, als er es aussprach, ließen sich die Tränen nicht länger zurückhalten. Reita schaltete als erster und nahm mich in den Arm, streichelte mir tröstend über den Rücken. Die anderen beiden standen dort, lasen sich abwechselnd die Papiere durch und der Unglaube war ihnen wie auf die Stirn geschrieben. Ja, sie hatten wohl gerade verstanden, dass ich bald nicht mehr auf ihrer Schule sein würde, dass es jetzt erst recht nie wieder so sein können würde, wie früher. Konnte es eigentlich schlimmer kommen? © ~*~*~ Tut mir Leid, dass es gedauert hat, aber ihr kennt das ya... Klausurenstress Xx Das nächste wird in den Osteferien kommen, hoffe ich >3< LG, Shio Kapitel 36: Lügen ----------------- -36- Lügen Reita schaltete als erster und nahm mich in den Arm, streichelte mir tröstend über den Rücken. „Aber wieso denn? Du hast dich doch extra von Saga krank melden lassen…“ Und das fragte Reita sich natürlich zu Recht. Aber er kannte unseren Direktor wohl nicht. Spätestens jetzt hatte ich selbst am eigenen Leibe erfahren, was für ein konservatives, unfaires Schwein er war. Einfach jemanden von der Schule werfen wegen seiner sexuellen Neigungen… Schwachsinn. In den nächsten Tagen traf ich mich mit Kazuki, um mir selbst einen Gefallen zu tun. Es hatte sich so wunderbar angefühlt, sorgloser zu sein und mein Leben wenigstens für ein paar Stunden wieder genießen zu können und mein Gewissen konnte mich nicht davon abhalten, es zu tun. Nein, ich hatte mir alles genau durch den Kopf gehen lassen, ich hatte mir etwas zurechtgelegt – einen Plan, wie weder Reita, noch alle anderen davon erfahren würden, auf welche Weise ich die ganzen lästigen Gedanken an das Vergangene aus meinem Kopf verbannte. Alkohol allein reichte mir da nicht, der hatte rein gar nichts bei mir bewirkt. Schön, wenn er Leuten wie Reita half, ihre Probleme zu vergessen… aber nach und nach konnte ich verstehen, warum Menschen wie Sakito, denen mindestens genauso viel Scheiße passiert war, keinen anderen Weg mehr wussten. Natürlich konnte ich zu teuren Ärzten gehen und mir professionell helfen lassen, nur hätte ich mich wahrscheinlich prostituieren müssen, um es halbwegs zu finanzieren. Bei beiden Möglichkeiten waren die Chancen, dass Reita das Ganze gelassen und mit Verständnis hinnahm, verschwindend gering, aber immerhin gleich groß. Was blieb mir anderes übrig? Ich erzählte niemandem, wofür ich einen Teil von Sagas und meinem Einkaufsgeld opferte, und außer mir würde es auch nie jemand erfahren. Schon bald verschwand das schlechte Gewissen darüber, dass ich meine Freunde hinterging, es hatte nicht einmal eine Woche gedauert, bis das Zeug mir wieder halbwegs auf die Beine geholfen hatte. Bis heute wusste ich nicht, was das für Pillen waren, die Kazuki mir da verkaufte, und dass sie meinen Verstand jedes Mal aufs Neue zum Aussetzen brachten, wenn ich es nahm, blieb mir schlicht und einfach verborgen. Manchmal bekam ich sogar nur selten mit, wenn mich jemand aus unserer Abendrunde ansprach, oder an Wochenenden, wenn wir zusammen feiern gingen und ich gleich zwei der Tabletten genommen hatte, ignorierte ich, wenn mich jemand während ich zum Schluss kotzte nach meinem Befinden fragte. Ich hatte aufgehört zu zählen, wie oft Reita seine Besorgnis geäußert hatte, Saga fragte nicht weiter nach, wenn ich nach einer langen Sauforgie und einer Pille zuviel einfach auf dem Wohnzimmerteppich nach dem Aufstehen zusammenbrach und nur müde darüber lächelte, dass ich mir das Knie blau geschlagen hatte. Ich war mir nicht sicher, ob er herausgefunden hatte, was ich tat, aber ich war mir sicher, dass er es ahnte. Doch er hatte mich nicht wieder darauf angesprochen, nicht ein einziges Mal mehr seit unserem Gespräch. Vielleicht hatte er nur schon geahnt, dass es einmal so weit mit mir kommen würde…? Er hatte mir versprochen, Reita nichts davon zu erzählen, als wir einmal darüber gesprochen hatten. Saga war niemand, der es sich leisten konnte, seine Versprechen zu brechen, schon allein deshalb nicht, weil er selbst so ewig viel Mist gebaut hatte, aus dem ich ihm nicht nur einmal hatte heraushelfen müssen. Ich war dafür schon zu oft an seiner Seite gewesen, wenn mal wieder jemand stinksauer auf ihn war. Er war mir etwas schuldig… und das würde er begleichen. „Uruha? Uruha, mach mal auf… Uruha!“ Zuerst war ich mir nicht sicher, ob es die Tür war, gegen die da jemand hämmerte oder eher mein Brummschädel. Aber es dauerte nicht lang, bis ich feststellte, dass es auch durchaus beides sein konnte und ich öffnete die Augen, stellte fest, dass ich die ganze Zeit schon auf meinem Föhn geschlafen hatte und mir jetzt die Hüfte wehtat. Wunderbarer konnte der Tag nicht beginnen. „Was denn?!“, rief ich etwas genervt und rappelte mich auf, kroch zur Tür, um den Schlüssel umzudrehen und Saga hereinzulassen. „Ein Brief vom Schulamt. Die zwingen dich, dich nach einer neuen Schule umzusehen, um deinen Abschluss zu machen.“ „Du liest meine Briefe?“, fragte ich trocken, schaute ihn leicht verärgert an. Wie kam er eigentlich dazu meine Briefe aufzumachen?! „Ja“, antwortete er gelassen und warf ihn mir vor die Füße, „weil ich nicht der Meinung war, dass du geistig und physisch in der Verfassung bist, ihn festzuhalten und überhaupt den Inhalt des ersten Satzes zu verstehen. Du kannst ja nicht mal aufstehen, um die Tür aufzumachen.“ Das ging auch ganz gut kriechend, fand ich zumindest. „Und? Ich geh nicht zur Schule.“ „Dachte ich mir“, antwortete er, „aber du brauchst dann zumindest einen Attest oder sowas, der dich davon freistellt. Sonst stecken sie dich auf ein Internat.“ Sollten sie das nur versuchen, mich würde niemand so einfach wieder auf irgendeine Schule prügeln. Ich würde bestimmt nicht von hier wegziehen, denn das würde ich wohl müssen, da die einzige Schule, die ansonsten noch etwas taugte, außerhalb der Stadt lag. Aber die Vorstellung auf ein Internat zu gehen war schon irgendwie gruselig. Da würde ich total auf mich selbst gestellt sein, niemanden würde ich kennen und bei meinem Glück landete ich sicher noch auf einem Jungeninternat, wo sich dann jeder um meinen Hintern streiten würde. Tolle Aussichten. Aber das Schlimmste daran würde sein, dass ich Reita nicht mehr jederzeit sehen könnte. Er war der einzige, zu dem ich gehen konnte, wenn es mir schlecht ging – auch, wenn ich ihm mit der Zeit immer weniger erzählte, warum es mir schlecht ging. Meist nannte ich immer wieder dieselben Gründe und wartete nur auf den Tag, an dem es ihm so sehr auf die Nerven ging, dass er schon keine Lust mehr hatte mich zu trösten. „Wie auch immer. Wir gehen heute Abend wieder in die Scheune, aber ich nehme an du bleibst lieber hier zuhause. Soll ich Sakito fragen, ob er mit dir hier bleibt?“ Wollten mich neuerdings alle abschieben, bloß weil ich so fertig mit den Nerven war?! „Schon gut, ich hab mich bis heute Abend sicher erholt, dann kann ich auch mitkommen“, antwortete ich deshalb und nahm mir die Wasserflasche neben meiner Matratze, nahm einen großen Schluck daraus. Nicht mehr lange und die Brühe würde kochen in der Hitze hier in meinem Zimmer. Wer hatte eigentlich die Heizung aufgedreht? „Reita wird vorher hierher kommen. Er hat gesagt wenn er meint, dass es dir nicht gut genug geht, besteht er darauf, dass jemand bei dir bleibt.“ „Und warum bleibt er dann nicht selbst?“, fragte ich verwundert. Wollte Reita neuerdings nicht mehr zu zweit mit mir allein sein? In letzter Zeit hatten wir kaum Zeit für einander gehabt, weil entweder immer jemand dabei oder einer von uns verhindert gewesen war. „Um ehrlich zu sein… hat Reita mir gesagt, dass er das Gefühl hat du willst keine Zeit mehr mit ihm verbringen, weil du nur noch mit dir selbst beschäftigt bist. Er wundert sich, wieso du kaum noch mit ihm redest und dich so zurückziehst. Er ist traurig darüber, dass du dich ihm nicht mehr anvertraust“, sprach er beinahe gleichgültig, schaute mich dabei jedoch unentwegt an. Anscheinend hatte er mehr Verständnis dafür, was Reita ihm erzählt hatte, als für meine Situation. Aber dass Reita so etwas tatsächlich dachte traf mich hart. Mein Freund, mit dem ich jetzt schon seit fast drei Monaten zusammen war, war zum ersten Mal enttäuscht von mir und sagte es mir nicht einmal ins Gesicht. „Warum hat er mich nicht drauf angesprochen?“, fragte ich leise nach einer Weile. Saga jedoch lachte matt. „Hat er. Mehrmals sogar. Aber du warst zu zugedröhnt, als dass du das hättest raffen können. Glaub mir, er ahnt, dass du dich nicht nur mit irgendwelchen Alkopops abschießt, wenn wir feiern gehen. Er kennt das noch ganz genau von Sakito früher und er wird sicher nicht begeistert sein, wenn er das herausbekommt. Schade eigentlich, da hast du den tollsten Freund, den man sich vorstellen kann und enttäuschst ihn so sehr… Deshalb fragt er dich nicht. Er will es nicht wahrhaben.“ Ich konnte kaum glauben, was er mir da sagte. Ungläubig starrte ich meine Handflächen an, die auf meinen Knien lagen und leicht zu zittern begonnen hatten. Was Saga mir da sagte ließ mich aus allen Wolken fallen. Hatte ich Reita wirklich so sehr verletzt? Hatte er sich die ganze Zeit selbst etwas vorgemacht, obwohl ihn etwas an unserer Beziehung störte? Was, wenn es mittlerweile schon soweit war, dass er übers Schluss machen nachdachte oder womöglich neben mir… jemand anderen hatte? „Saga, ich muss mit ihm reden… wie spät ist es?“, fragte ich leise und rappelte mich auf, um nach ein paar Anziehsachen in meinem ‚Schrank’ zu wühlen und mich danach höchstwahrscheinlich unter die Dusche zu schleppen. „Kurz vor fünf“, antwortete mir Saga, sodass ich mir beinahe den Kopf an meinem wundervollen Blechgrill anstieß, als ich mir Unterwäsche raussuchen wollte. „Kurz für fünf?! Warum hab ich denn so lang geschlafen…?“ „Weil du gestern bis kurz vor sieben morgens in der Küche gesessen und Wasser getrunken hast, weil dir schlecht war“, gab Saga zurück und verließ mein Zimmer, rief mir noch irgendwas vom Flur aus zu, was ich aber nicht mehr verstand. Ich beschloss also erst einmal duschen zu gehen, mich dann anzuziehen und gleich meinen Freund anzuschreiben. Kaum hatte ich mich fertig gewaschen, Haare geföhnt (wobei ich erst einmal einige dicke Flusen aus dem Ding hatte herausziehen müssen, weil ich ja drauf geschlafen hatte) und mich fertig angezogen hatte, setzte ich mich gleich an Sagas PC und schaute nach, ob mein Freund online war. Und tatsächlich. L'objet Dégoûtant (05:15 PM) : Hey, wie geht’s dir? SexPistol (05:16 PM) : Ganz gut… was gibt’s? L'objet Dégoûtant (05:16 PM) : Na ja, wir gehen ja nachher feiern… und ich wollte fragen, wieso du zu Saga sagst, dass Sakito bei mir bleiben soll? SexPistol (05:16 PM) : Weil ich der Meinung bin, dass du zum Feiern nicht so in der Verfassung bist. SexPistol (05:17 PM) : Aber das seh ich ja nachher. L'objet Dégoûtant (05:17 PM) : Und… warum bleibst du dann nicht einfach bei mir? L'objet Dégoûtant (05:17 PM) : Ich wundere mich, wieso du das den anderen überlässt… du bist doch mein Freund, oder nicht? SexPistol (05:19 PM) : Tja, das ist ne gute Frage… hat Saga dich drauf angesprochen, ja? L'objet Dégoûtant (05:19 PM) : Können wir drüber reden…? Also nachher, wenn du hier bist? Ich will jetzt nicht mehr feiern gehen… SexPistol (05:20 PM) : Hm… okay, wie du möchtest. Ich wollte gegen sechs da sein. L'objet Dégoûtant (05:20 PM) : Gut, ich warte hier auf dich. Also bis gleich dann? SexPistol (05:20 PM) : Ja, bis gleich… Bye! Und schon war er offline. Anscheinend war er nicht begeistert davon, dass ich ihn überredet hatte, jetzt bei mir zu bleiben und die anderen allein feiern gehen zu lassen. Wollte er also wirklich keine Zeit mehr allein mit mir verbringen? Geknickt stand ich auf und ging in die Küche, wo Saga mit einer dicken Tasse Tee saß und mich fragend anschaute. „Was hat er gesagt?“ „Er bleibt mit mir hier“, antwortete ich nur leise nuschelnd und präsentierte dem Kühlschrank mein deprimiertes Gesicht, „und wir wollen drüber reden.“ „Wirst du’s ihm sagen?“ „NEIN!“, gab ich sofort und wie aus der Pistole geschossen zurück, schaute ihn fast schon entsetzt an. Wie konnte er glauben, dass ich meinem Freund einen Trennungsgrund mehr auf die Nase reiben würde?! „Und was willst du machen? Willst du das Zeug ewig vor ihm verstecken und ihm was vorspielen? Weißt du, ich will nicht wissen, wo du’s deponiert hast und ich werd auch sicher nicht versuchen es dir wegzunehmen, aber wenn du…“ „SAGA! Ich wi-… ich will nicht darüber reden“, sagte ich bemüht ruhig und hätte beinahe das Marmeladenglas fallen lassen. Mit etwas zittrigen Händen stellte ich es ab, holte ein Brot aus der Brottüte und schmierte mir einen Klecks Marmelade oben drauf, ehe ich mich damit an den Tisch setzte. Saga saß mir gegenüber und musterte mich. „Ich will dir nur helfen“, meinte Saga plötzlich ganz kleinlaut, „so, wie du mir damals geholfen hast. Aber du lässt dir ja nicht mal helfen. Und glaub mir… Reita spürt, wenn es jemandem nicht gut geht, das weißt du. An deiner Stelle würde ich aufhören ihm eine Lüge vorzuspielen…“ Saga hatte wirklich Talent dazu, jemandem ein schlechtes Gewissen einzureden. Ich ließ mein Brot wieder sinken und schaute ihn mit einem sarkastischen Blick an. „Danke. Du hast mir den Appetit verdorben, den ich nach drei Tagen endlich mal wieder verspürt hab“, sagte ich fast schon überraschend gelassen, stand auf und ließ mein Brot einfach stehen. Ich ging ins Wohnzimmer und warf mich dort auf das Sofa. Saga ließ mich zum Glück in Ruhe, sodass ich die Augen noch einmal für ein paar Minuten schloss, mich vom Fernseher zutexten ließ und ab und an durch ein Fluchen oder Poltern aus dem Badezimmer aus meinem Dämmerzustand gerissen wurde, weil Saga sich dort gerade fertig machte. Und irgendwann wurde ich dann unsanft aus meinen Tagträumen gerissen, als es an der Tür klingelte. Sofort sprang ich auf in voller Vorfreude, meinen Freund umarmen zu können und endlich zu klären, was zwischen uns stand. Ich ging zur Tür, öffnete sie und begegnete dem tatsächlich etwas müde und niedergeschlagen aussehenden Gesicht meines Freundes, das mich dennoch lieb anlächelte. „Hey Schönheit“, sagte er mit rauer Stimme und zog mich kurz in seine Arme. Aber seltsamerweise ließ er mich gleich wieder los und zog seine Schuhe aus, ehe er ins Wohnzimmer ging und sich erwartungsvoll nach mir umdrehte. Saga kam gerade aus dem Badezimmer. „Hey Rei, also ich bin fertig. Ich hab noch ne zweite Matratze im Schlafzimmer unterm Bett, aber ich denke ihr beide kommt auch ganz gut mit einer aus, oder?“, grinste er und zwinkerte uns beiden zu. Seltsam, auch er konnte ja ganz gut was vorspielen. Schließlich wussten Reita und er beide ganz genau, dass etwas nicht stimmte. Ich fühlte mich von Sekunde zu Sekunde unwohler. Konnte er nicht einfach schnell verschwinden? „Schon klar“, grinste Reita zurück und zog geräuschvoll die Nase hoch, „dann verzieh dich mal schnell und lass uns beide und die Matratze mal allein.“ Grinsend gab Saga uns beiden einen Wangenkuss, schnappte sich dann seine Jacke und steckte sich etwas Geld in die Hosentasche, ehe er mit Schlüssel und Zigarette bewaffnet die Wohnung verließ. Man konnte seine und Sakitos Stimme auf dem Gang hören, wobei letztere fragte, was denn nun Sache war. Saga würde ihm sicher erzählen, dass alles in Ordnung war. Lächelnd wandte ich mich zu Reita um, doch das erhoffte erwiderte Lächeln blieb aus. Ich schluckte und ließ mich auf dem Sofa nieder. „Du guckst mich an als wäre ich dir fremdgegangen“, murmelte ich und verschränkte die Beine übereinander. Mir war seltsamerweise kalt. „Tja“, gab Reita leise von sich, „dann solltest du dich fragen, woran das liegt…“ Unsicher schaute ich ihn an und rieb mir über die nackten Arme, hatte bereits eine Gänsehaut bekommen und schwieg vor mich hin. Nach einer Weile, in der er einfach nur vor mir gestanden und mich angesehen hatte, setzte er sich zu mir aufs Sofa und schaute mich erwartungsvoll an. „Hör mal“, begann er leise, „ich kapier nicht, wieso du dich selbst so fertig machst und zugrunde richtest und mich einfach dabei zusehen lässt, wie du immer weiter an dir selber kaputt gehst. Du kommst auf dein Leben nicht mehr klar und lässt mich nicht mal mehr an dich heran, damit ich dir helfen kann. Ich will nur, dass es dir gut geht und du das, was passiert ist erstmal verdauen und hinter dir lassen kannst…“ Seine Worte hatten mir gleich ein paar Tränen in die Äuglein getrieben. Schnell versuchte ich sie wegzublinzeln, doch keine Chance. Reita hatte es längst gesehen. „Das war keine Absicht…“, murmelte ich in meiner völligen Verlegenheit und schlang die Arme um meine Beine. Reita schaute mich fragend von der Seite an. „Ich versteh nicht, warum du jetzt heulen musst. Eigentlich hätte ich allen Grund dazu, weil du dich immer mehr von mir zurückziehst. Warum machst du das?“ In der Tat, er hatte wirklich Recht. Wenn ich so darüber nachdachte fiel mir selbst auf, dass ich in letzter Zeit viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen war. Aber das hatte ich ja ohnehin schon alles einmal durchgekaut. Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken, sonst würde das wohl nur noch deprimierender für mich ausgehen. Nachher würden wir wieder streiten und ich würde heulend in der Ecke liegen und mir gleich den nächsten Kick geben… „Tut mir ehrlich leid“, murmelte ich und drehte mich etwas zu ihm hin, „ich wollte das nicht. Hab mich wohl zu sehr reingesteigert in das, was passiert ist… Kannst du mich mal in den Arm nehmen?“ Reita schwieg. Er schien darüber nachzudenken, was ich eben gesagt hatte, aber wirklich ganz zufrieden damit schien er noch nicht. Eigentlich wollte ich nicht großartig darüber diskutieren, Hauptsache Reita würde sich wieder mit mir vertragen. Ich würde einfach ein wenig besser verbergen müssen, wenn ich auf nem Trip war oder einfach keinen Bock hatte auf meine depressiven Gedanken. Froh war ich allerdings, als Reita mich dann doch in den Arm zog. Ich schloss die Augen und schmiegte mich an meinen Freund, beugte mich rauf zu seinem Ohr und flüsterte leise: „Ich liebe dich…“ „Ich dich auch“, antwortete er gleich ohne zu zögern, was mich zum lächeln brachte. Manchmal konnte er wirklich süß sein. Eine Weile saßen wir einfach so da, er hielt mich in seinem Arm und ich verspürte endlich mal wieder dieses Gefühl der Geborgenheit, was ich lange vermisst hatte. Wie lang war es her, dass ich mich wirklich auf so eine tröstende Umarmung hatte einlassen können? Ich hatte mich einfach viel zu sehr auf meinen Kummer konzentriert als darauf, dass andere versucht hatten mich zu trösten und aufzubauen. Reita hatte das bisher immer geschafft, wenn ich es denn zugelassen hatte. Aber jetzt war mein Kopf endlich wieder gedankenfrei, ich besann mich lediglich auf seine schützende Umarmung und seine Lippen, die sanft meine Schläfe küssten und federleicht über meine Wange strichen. Ich lächelte, als ich mich etwas von ihm drückte und schließlich wieder vorbeugte um ihn zärtlich zu küssen, seufzte dann leise, als ich auf Erwiderung stieß. Manchmal, auch wenn ich mir darüber nicht immer ganz bewusst war, vermisste ich seine Küsse und Zärtlichkeiten wirklich sehr, denn wie oft konnten wir die schon in Zweisamkeit austauschen? „Reita“, flüsterte ich leise, als er meine Schultern küsste, die mein weites Shirt schon gar nicht mehr bedeckte und seufzte leise, schmiegte mich näher an ihn. Irgendwie musste ich schmunzeln. Es war wirklich ein Klischee, wenn sich Pärchen nach einem Streit wieder versöhnten und dem ganzen das Sahnehäubchen aufsetzten: Sex. Langsam schob er seine Hände unter mein Shirt und zog mich näher, streichelte meine mittlerweile ziemlich warme Haut und brachte mich immer wieder zum wohligen seufzen, sodass ich genießend die Augen schloss und den Kopf in den Nacken legte. Auch meine Hände blieben nicht untätig und streichelten über seine Schultern, kraulten seinen Nacken und vergruben sich in seinen Haaren, als er mich erneut und mit noch mehr Leidenschaft küsste. Ich grinste etwas in unseren Kuss und rutschte ein wenig auf seinem Schoß herum, was ihn ebenfalls grinsen und leise lachen ließ. Einen Moment hielt er inne und schaute mir kurz in die Augen, dann zupfte er am Saum meines Shirts und zog es mir schließlich über den Kopf, warf es einfach neben das Sofa und grinste mich an. „Ich bin heute ungeduldig“, raunte er, doch ehe ich etwas erwidern konnte küsste er mich auch schon wieder und drückte mich aufs Sofa. Er ließ tatsächlich nicht wirklich viel Zeit verstreichen, doch ich stand drauf, wenn er es schnell, hart und vor allem hemmungslos wollte. Ich war nicht auf einem Trip. Deshalb spürte ich gleich alles doppelt so intensiv, so real, aber seltsamerweise auch so unwirklich… Ich hatte es vermisst, mit ihm zu schlafen und es in vollen Zügen genießen zu können. Auch, wenn es schnell und mit recht wenig Zärtlichkeit verbunden war, so waren immerhin wir beide miteinander verbunden und es bewies mir, dass er mich noch immer liebte. Wie er es gesagt hatte. Meine Hände glitten fahrig über seinen Rücken, als er sein Glied mit etwas Gleitgel benetzte und grob nach meinem Bein griff, es zur Seite presste und sich positionierte. Ich stöhnte mehr als laut auf, als er mit einem Mal in mich eindrang und nicht lange fackelte sich zu bewegen. Schließlich wurde aus den fahrigen Bewegungen ein festes Krallen, was ihn leise aufzischen ließ und er grinste mich plötzlich mit einer wissenden und zugleich amüsierten Miene an. „Du kleiner Masochist…“, schnurrte er und stieß fest zu, sodass ich laut aufstöhnte und mir erregt auf die Lippe biss, bis jegliches Blut aus ihr gewichen war. Dann küsste ich ihn. © Kapitel 37: Von Verzweiflung ---------------------------- -37- Von Verzweiflung „Wie kannst du dich nur so verschwenden. Dein Leben ist inhaltslos, langweilig, es hat überhaupt keinen Sinn mehr für dich. Du verschwendest dich an Drogen, du verschwendest dich an Alkohol, Partys und hast nicht einmal einen Grund irgendetwas zu feiern. Kein Abschluss, keinen Job, kein Geld und kein Leben. Nicht einmal eine Bezugsperson hast du mehr, der du dich anvertrauen kannst. Du hast nicht den Mumm, es deinem Freund zu sagen. Nicht, was dich bedrückt, weder deine Probleme, noch, was dir im Moment hilft sie zu vergessen. Die Drogen sind deine einzigen Freunde, sie erhalten dich am Leben und lassen dich nicht an deinen Ängsten und Sorgen zerbrechen. Du stellst das alles in den Hintergrund, was wirklich wichtig für dich ist. Du willst nicht darüber nachdenken, was du einmal werden willst, womit du dein Geld verdienen und wie du für dich selber sorgen sollst. Du kannst es nicht, du bist unfähig! Und du bist feige. Aber hast du jemals darüber nachgedacht, wie du da wieder herauskommst? Kannst du dir vorstellen, wie viele Leute unter deinem Benehmen und deiner Nichtstuerei leiden? Hast du schon einmal überlegt, wie dein Mitbewohner sich fühlt, wenn er dich nachts ins Bett legen und ausziehen muss, weil du zugedröhnt und sturzbetrunken bist? Hast du an deinen Freund gedacht, als du das erste Mal diese Pillen zu dir genommen hast? Wie fühlt er sich wohl, wenn er dich dreimal das Gleiche fragen muss, bis du es endlich verstehst und antworten kannst? Glaubst du nicht, dass sie merken, was du tust? Bist du so naiv und denkst, dass du weit damit kommen wirst? Willst du dir nicht endlich helfen lassen, verdammt?! Willst du denn gar keine Hilfe…?“ Wenigstens meinem Unterbewusstsein war klar geworden, dass ich genau wie meine Mutter war. Zu nichts mehr fähig, unzumutbar und unberechenbar. Ich konnte nichts, ich tat nichts, ich wollte überhaupt nichts tun, außer auf meiner faulen Haut liegen, mich voll laufen lassen und meine Sorgen verdrängen. War das nicht ein Leben?! Ja, ein Leben eines Niemands. Ich war ein Niemand. Und alle durften mir dabei zusehen, von einer großen Zuschauertribüne aus, und sie starrten alle auf die riesige, leere Bühne, wo ich mich in meiner Einmannvorstellung zum Affen machte. Mit nichts als Dunkelheit und Leere um mich herum und einem hellen Scheinwerfer, der mich mit jedem Schritt verfolgte, den ich tat. Ob schwankend, kriechend oder taumelnd, er folgte mir und jeder sah, wie ich mich immer schwerer tat, voran zu kommen. Und das Beste war, dass mein Unterbewusstsein es meinem Bewusstsein einfach nicht klarmachen konnte. Diese Worte von eben hatte mein Gewissen zu mir gesprochen, in dieser regnerischen, trüben Nacht, in der ich einfach nur wach lag neben meinem Freund und nicht einschlafen konnte, weil ich nichts genommen hatte. Mir war schlecht und ich schwitzte, aber gleichzeitig war mir eiskalt. Schon zum tausendsten Mal drehte ich mich nun auf die andere Seite, wunderte mich, dass mein Freund noch nicht davon wach geworden war, wenn ich mich so herumwälzte. „Uruha…“, hörte ich nur Sekunden, nachdem ich diesen Gedanken zu Ende gebracht hatte und drehte den Kopf zu ihm, schaute über meine Schulter, da ich mit dem Rücken zu ihm lag. „Mh, tut mir leid ich kann nicht schlafen“, murmelte ich leise, „hab ich dich geweckt?“ „Ja“, antwortete er verschlafen, „mit deinem ständigen hin und her drehen… Was’n los?“ Ich wusste es zwar, aber es war mir leider unmöglich die Antwort auszusprechen. Stattdessen schüttelte ich lächelnd den Kopf, drehte mich zu ihm und lehnte mich an ihn. „Hier stinkt’s“, antwortete ich, „können wir ein Fenster aufmachen?“ „Wird dir dann nicht kalt?“, fragte er zurück. „Ich hab ja dich“, sagte ich lächelnd und richtete mich auf, um das kleine Fenster in meinem Zimmer zu öffnen. Dann wurde mir schwindlig und ich setzte mich eilig wieder auf die Matratze, hielt mir den Kopf. Reita hinter mir richtete sich nun ebenfalls auf und legte die Hände auf meine Schultern. „Alles okay?“ „Ja, bin zu schnell aufgestanden“, hörte ich mich selbst murmeln. Das war wohl eine der seltsamsten Nächte meines Lebens. Ich hatte mich noch nie so leer und gefühlskalt gefühlt, und schon gar nicht in Reitas Gegenwart. Erschöpft ließ ich mich gegen ihn sinken und spürte ein paar Schweißperlen meine Stirn herab laufen. „Uru, was ist denn mit dir in letzter Zeit…“ Diese Frage hatte kommen müssen. Seine Hand strich kurz über meine Stirn, dann hielt er kurz inne und legte dann schließlich die Arme um meinen Oberkörper. Mein Schweigen schien ihm nicht zu passen. „Du redest nicht mit mir“, stellte er leise fest, „und das tut echt ziemlich weh, weißt du? Du… nimmst das Zeug hinter meinem Rücken und glaubst ich merk es nich’. Sakito hat sich ne Zeit lang mal genauso kaputt gemacht wie du. Ist es wegen mir, mach ich irgendwas falsch…? Sag mir warum du das machst, Uru.“ Sag mir wenigstens warum… Diese Worte wiederholten sich immer wieder in meinem Kopf. Und es hämmerte, es tat weh, als würde mir immer wieder jemand versuchen die Schädeldecke aufzubrechen. Konnte dieser Jemand dann nicht wenigstens meine absurden Gedanken mitnehmen und mich dann für immer in Ruhe lassen… „Hast du… das von irgendwem anders erfahren?“ „Nein, ich bin selbst drauf gekommen“, sagte er schlicht. Dann schwieg er und wartete auf meine Antwort. Auf seine Antwort. „Ich hab soviel Angst… irgendwie muss ich die ja loswerden. Angst vorm Alleinsein… das ist das Schlimmste.“ Noch immer schwieg Reita, hielt mich aber fester in den Armen und streichelte meinen Bauch, hauchte mir dann einen kleinen Kuss in den Nacken und seufzte. Ich fühlte, dass ich ihn enttäuschte. „Gut“, antwortete er leise, „dann sag ich dir jetzt mal was. Wenn du davor Angst haben müsstest, dann würdest du jetzt allein hier sitzen und ich wäre ganz woanders, du würdest mich einen Scheißdreck interessieren und irgendwann würdest du dir dann den Gnadenstoß geben, ne Überdosis einnehmen, im Krankenhaus landen oder wahrscheinlich vorher noch hier im abgeschlossenen Zimmer verrecken. Und? Bin ich ganz woanders? Und bist du gerade allein?“ „Nein…“ „Dann brauchst du da auch keine Angst vor haben. Versprichst du mir, dass du dich nicht weiter an dieses Zeug verschwendest und mir sagst, wenn was nicht stimmt?“ Eine harte Forderung, die er da stellte… und ich merkte, wie mir langsam aber sicher die Tränen kamen. Schon irgendwie jämmerlich, wie ich mal wieder aufführte. Nicht mal imstande mich zu rechtfertigen war ich. Aber war es überhaupt eine Entschuldigung, die er von mir hören wollte? Ich war mir eigentlich sicher, dass Taten mehr für sich sprechen würden als ein paar Worte, aber noch weiter verletzen wollte ich ihn nicht. Meine nächsten Worte waren eine Lüge. „Versprochen“, nuschelte ich und machte mich los aus seiner Umarmung, drehte mich um, um selbst meine Arme um ihn legen zu können. Und mehr hatte er dazu nicht mehr zu sagen? Krass, dass das alles war. Eine richtige Standpauke hatte ich eigentlich erwartet, vielleicht den Versuch von ihm Schluss zu machen, um mich zum Flehen und mit Gewalt dazu zu bringen, dieses verdammte Zeug nicht mehr zu nehmen. Mittlerweile war es schon ziemlich hell draußen, sicher kurz vor Sonnenaufgang. Dann waren es nun wohl bereits sieben oder acht, es war Winter und ich hasste es, dass die Sonne erst so spät aufging. Da hatte man das Gefühl, es wäre noch mitten in der Nacht, wenn man morgens aufstand. Und leider hatte ich Reita ja versprochen, mit ihm ‚aufzustehen’ und ihn in die Schule zu bringen. Schließlich wollte ich ja nicht, dass er auch von der Schule flog wegen seiner vielen Fehlstunden. Vielleicht würde ich ihm Nachhilfe geben, ich war ja auf einer besseren Schule gewesen als er, und eine Klasse höher. „Ich muss in einer halben Stunde aufstehen“, lachte Reita leise, stand auf und schob die Vorhänge beiseite. Als hätte er meine Gedanken gelesen… „Ich weiß“, murmelte ich, obwohl ich nicht einmal die Uhrzeit erahnen konnte und schaute ihm hinterher, wie er aus dem Zimmer verschwand und wohl ins Bad lief, um zu duschen. Währenddessen blieb ich noch einen Augenblick liegen und machte mich dann daran, in Sagas Küche nach etwas Essbarem zu suchen. Offenbar schien er nicht nach Hause gekommen zu sein, denn seine Schlafzimmertür stand offen und er lag nicht in seinem Bett, wie ich sehen konnte, als ich an seinem Zimmer vorbeilief. Wahrscheinlich war er bei Tora, hatte dort geschlafen und sich die Nacht mit ihm zusammen um die Ohren gehauen. Und irgendwie war ich in diesem Moment froh nicht mitgegangen zu sein. Sonntags feiern war sowieso nicht mein Ding… da war kaum etwas los, zumindest empfand ich das immer so. Ich schüttete also ein paar mickrige Cornflakes in eine Schüssel für Reita und mir nahm ich nur einen Pudding aus dem Kühlschrank, weil ich so früh noch nichts essen konnte. Da hatte Reita schon zur zweiten Stunde und er musste trotzdem um halb neun schon in der Schule sein… viel zu früh. Ich setzte mich ins Wohnzimmer und wartete auf ihn, hörte das Duschwasser rauschen und stellte aus Langeweile den Fernseher an, zog mir die morgendlichen Nachrichten rein. Es würde regnen heute, es würde eiskalt werden und in den höher gelegenen Gebieten würde es sogar schon schneien. Und das im November schon… „Hey“, sagte Reita plötzlich und stand nahe hinter mir, legte die Hände auf meine Schultern und ich drehte mich leicht zu ihm. „Hast du mir was mitgebracht?“ „Die Cornflakes sind deine“, antwortete ich leise und deutete auf die Schüssel, sowie die Packung Milch. Frühstücken war etwas Langweiliges, aber mit Reita hatte ich es bisher eigentlich immer genossen. Auch das Anziehen morgens konnte er mir versüßen, indem er mir Komplimente machte und mein Aussehen lieb kommentierte. Großartig, dass er das nach so vielen Monaten Beziehung noch immer tat, denn das konnte sicher nicht jedes Pärchen von sich behaupten. Ob Ni~ya das bei Sakito auch noch tat oder nahm er es mittlerweile einfach bloß hin, dass sein Freund so ziemlich der heißeste Typ in diesem ganzen Gebäude war? „Kommst du?“, rief Reita mir zu, als ich mir gerade die Jacke überzog. Seufzend folgte ich ihm aus dem Haus, hatte eigentlich gar keine Lust raus zu gehen in die Kälte und den Regen. Ich zog meine Kapuze über den Kopf und lief mit ihm zur Bushaltestelle, wartete und saß schweigend neben ihm. „Ich glaub ich hab heute nur vier Stunden“, warf Reita in die Stille ein und schaute mich von der Seite an. „Schön, dann bist du früh zuhause?“ „Ja, aber wirklich zuhause. Ich muss heim, meine Mutter hat gesagt sie will heute mit mir über irgendwas reden. Ihr Alter macht wohl Stress dass entweder ich ausziehen soll oder er tut’s…“ „Wirklich? Aber wäre doch geil wenn er ausziehen würde oder nicht?“, fragte ich überrascht und schaute ihn abwartend an. Wie erschreckend frisch mir doch die Erinnerungen vorkamen, wo Reita mir noch Romane über diesen unglaublich arroganten und unsympathischen Menschen erzählt hatte. Ich hatte ihn ja auch mal persönlich getroffen… morgens früh, nach einer durchzechten Nacht, während ich in Reitas Armen friedlich geschlummert hatte. Peinlich, peinlich. „Schlecht wäre nur wenn sie mir jetzt steckt, dass ich ausziehen soll. Wüsste nicht wohin und wer mir das finanzieren könnte.“ Das war die andere Seite der Medaille und über die hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Was, wenn Reita einfach wegziehen würde? Oder wenn sie ihn raus warfen, in irgendein Heim oder ein Internat? Wahrscheinlich wäre mein erster Gedanke da Selbstmord. „Oh…“ Dass der Bus in dem Moment kam war zum Glück eine kleine Ablenkung. Immerhin spürte ich die Nässe schon auf der Haut, da meine Jacke nicht unbedingt die dickste war. Und leider auch wenig wasserfest. Ich zog mir die Kapuze vom Kopf und wischte mir die nassen Haare aus der Stirn, setzte mich an die warme Heizung und rieb mir über die zitternden Oberarme. „Ich hasse Winter, es ist so verdammt kalt!“, zeterte ich, kauerte mich so gut es ging zusammen und sammelte ein bisschen Körperwärme. „Du frierst ja ständig weil du so abgenommen hast“, sagte Reita leise und schaute mit einem besorgten Blick an mir herab. War ich wirklich dünner geworden? Ich strich mir selbst über den bauch und spürte selbst durch die Jacke meine Rippen, zumindest ansatzweise. Er hatte Recht, ich war wirklich ein wenig dünn geworden… „Du hast echt Schiss, dass sie dich raus wirft?“, fragte ich leise nach einem kurzen Augenblick des Schweigens. Früher hatte ich die Schweigemomente zwischen uns immer als angenehm empfunden. Aber jetzt hatte ich mehr und mehr das Gefühl, dass er über so viele schlimme und traurige Dinge nachdachte, während er schwieg. Und sicher war ich nicht ganz unschuldig daran, dass er sich um alles Mögliche einen Kopf machte. Ob ich ihn vielleicht mal fragen sollte, was ihn außer der Sache mit seiner Mutter und meiner Drogensucht noch beschäftigte…? „Ein bisschen“, meinte er bemüht gelassen, das sah ich an seiner Körperhaltung, „weil sie ihren Kerl nie freiwillig sitzen lassen würde. Er ist ein Arschloch, aber er hat Kohle.“ „Wie mies…“, murmelte ich wieder leise vor mich hin. Irgendwie fiel mir gerade die Situation im Zug ein, wo Reita sich einfach zu Aoi und mir dazugesetzt hatte und auf unserer Gruppenkarte mitgefahren war. Da hatte ich ihn noch ziemlich bescheuert gefunden, wenn nicht sogar widerwärtig. Er hatte unangenehm gerochen an dem Tag und wenn ich es mir so recht überlegte, hatte er das seit er mit mir zusammen war nie wieder so wirklich. Wie er wohl drauf gewesen war, bevor wir uns kannten? „Hast du eigentlich vor mir mehr getrunken und geraucht?“ Reita hob den Blick und schaute mich an, dachte einen Moment lang nach. Dabei senkte er seinen Blick und biss sich auf die Lippe, nickte nach einer Weile recht betreten und vor allem zögerlich. Was verschwieg er mir nur? „Ich hatte fast schon ein Alkoholproblem“, erklärte er, „bis du dann kamst. Irgendwie hast du mich so begeistert mit deiner Art und deinem Wesen, da musste ich mich einfach dazu zwingen mich zu beherrschen um dein Interesse zu gewinnen.“ Und während er mir das erzählte, schmunzelte er. Als er dann aufstand wusste ich, dass wir angekommen waren an der Schule und ich stand auf und stieg mit ihm gemeinsam aus dem Bus. Aoi und Ruki waren nicht im Bus, wahrscheinlich hatten sie erst zur zweiten Stunde Unterricht. „Und ich erinnere mich da an diesen Abend bei Dai… wo du mit ihm nebenan gesessen und über mich geredet hast. Ich frage mich bis heute, was ihr da geredet habt“, warf ich ein, weil mir dieser Einfall einfach spontan gekommen war. Mir fiel auf, dass ich eigentlich ziemlich viele Fragen hatte, wieso er in der Vergangenheit was getan hatte, weil ich damals wohl einfach viel zu fixiert auf meine Beziehung mit ihm gewesen war. Traurig, dass mir heute all das viel zu krass bewusst wurde, was ich damals zur Seite geschoben oder ausgeblendet hatte… „Na ja“, begann er und schaute dabei merkwürdig abwesend geradeaus, hatte die Hände fest in die Jackentaschen geschoben und zog geräuschvoll die Nase hoch, ehe er weiter sprach, „eigentlich warst du bis dahin die erste Person in meinem Leben, in die ich mich richtig verguckt hatte, verstehst? Und ich wollte meinen Enthusiasmus einfach teilen, normalerweise hätte ich Dai nämlich nie erzählt, wie unglaublich anziehend und niedlich ich dich fand. Ich hab dir schon mal gesagt, dass du diesen… na ja, Beschützerinstinkt in mir weckst, wenn ich dich auch nur ansehe und damals ging es dir eben schlecht bei deiner Mutter, also wollte ich dein Leben irgendwie bereichern und aufheitern. Dai hat mich da für total bescheuert gehalten, weil ich so viel Liebesgeschwafel von mir gegeben hab…“ Erstaunlich, was auf einmal so alles aus ihm heraus sprudelte. Irgendwie war er gar nicht mehr dieser geheimnisvolle, machohafte Typ den ich kennen gelernt hatte, sondern viel aufgeschlossener und vor allem redseliger als früher. So konnte es eben gehen, mit der Zeit gewann eine Beziehung an Positivem wie seinen spontanen Gefühlsoffenbarungen, aber auch an Negativem, denn ich merkte wie er die ganze Zeit irgendetwas Negatives im Hinterkopf hatte, was ihn nicht losließ. Wir waren mittlerweile an den Fahrradständern angekommen, an denen außer Shou und Hiroto keiner auf uns wartete. Auch anders im Gegensatz zu früher, am Anfang unserer Beziehung. Aber bis dahin war auch noch nicht so viel Schreckliches passiert, wie die Trennung von Ni~ya und Sakito oder Sagas Auslöser zu dieser unglaublich dämlichen Massenverschwörungstheorie gegen ihn. Irgendwie ja schon witzig, wenn man im Nachhinein drüber nachdachte. Wir setzten uns zu den beiden und unterhielten uns – besser Reita unterhielt sich mit ihnen, denn mir war gerade nicht so danach zumute. Viel lieber wäre ich ganz allein mit Reita gewesen, um ihm noch ein bisschen von meiner Gefühlswelt damals zu erzählen, das war ich ihm ja jetzt irgendwie schuldig, oder?! „Wir gehen schon rein“, informierte uns Shou nach einer Weile und lächelte mir kurz zu, Hiroto drückte mich und dann machten sich die beiden auf den Weg ins Gebäude. Gleich drehte ich mich zu Reita und legte die Arme um seinen Nacken. „Ich fand es ziemlich süß von dir, was du da eben erzählt hast“, grinste ich und beugte mich vor, um ihn zu küssen. Fast wie früher, als wir hier gesessen hatten. Fast alles gleich, bis auf den Regen und die Kälte, aber vor allem fehlten mir die anderen… und ich hatte zunehmend das Gefühl, dass ich dran schuld war, dass wir jetzt nicht alle hier beisammen saßen und zusammen lachten. „Ja, so kenne ich mich auch noch gar nicht. Ich find mich schon selber total schnulzig…“, lachte er leise. „Quatsch“, erwiderte ich und streichelte seine Wange. „Du bist einfach du, und so liebe ich dich.“ Er erwiderte mein Lächeln und küsste mich noch einmal, ehe er sich verabschiedete und den Weg ins Schulgebäude antrat. Ein paar Stunden später saß ich heulend im Wohnzimmer. Ich starrte den Brief in meinen Händen einfach ausdruckslos an, während mir die Tränen übers Gesicht liefen. Saga war seit einer halben Stunde damit beschäftigt, mich anzusprechen und mir Vorschläge zu machen, was ich jetzt tun könnte. Ein Internat. Ich war minderjährig und schulpflichtig, und aufgrund meiner familiären Situation wurde vom Jugendamt entschieden in eine soziale Einrichtung zu ziehen, mit Aussicht auf einen Schulabschluss in einer benachbarten Bildungsinstitution und Unterkunft in einer Jugend-WG, finanziert vom Staat. Zweihundertfünfzig Kilometer von meinem Leben entfernt. Zweihundertfünfzig verdammte Kilometer von Reita entfernt, genau wie von Saga, Sakito und all den anderen. Einfach über meinen Kopf hinweg entschieden. Würde ich dem nicht folgen oder würde ich niemanden in meiner Familie auftreiben können, der die Vormundschaft vorweisen konnte und mir eine andere Möglichkeit bot: Jugendarrest. „Uruha… du musst dir die Nase putzen, du hast da Rotze dran!“, sagte Saga leise und fürsorglich, hielt mir ein Taschentuch unter die Nase und bat mich hinein zu schniefen. Ich tat es zwar, aber wirklich überzeugend war das nicht, denn es kam einfach nichts heraus. Es kam auch anders herum nicht in meine Birne, dass ich wirklich von hier wegziehen sollte. Zumal ich auch keine Ahnung hatte, welche Verwandte irgendeine Vormundschaft hatten. Mein Vater hatte sich ja auch aus dem Staub gemacht, denn das Jugendamt hatte ihn nicht ausfindig machen können, das stand im Brief. Aber sonst gab es niemanden, der mir einfiel. Niemand, an den ich mich wegen der Vormundschaft wenden konnte, aber das würde eh nicht funktionieren, da mein Vater einfach nicht aufzufinden war. Sicher war er mit seiner Tussi durchgebrannt und hatte mich dabei einfach vergessen, einfach so. „Reita? Hi, hier ist Saga. Uruha hat einen Brief vom Jugendamt bekommen. Komm am Besten gleich nach der Schule her, okay?“, sprach Saga am Telefon mit meinem Freund und legte dann auf, ohne eine Antwort zu verlangen. Ob er persönlich oder doch nur die Mailbox dran gewesen war, konnte ich nicht ausmachen. Wenig später war Reita zuhause und hielt mich im Arm, las sich das Schreiben nun zum vierten Mal durch und legte es schweigend wieder beiseite. Man konnte ihm ansehen, dass er nicht wusste, was zu tun war. „Wir kriegen das hin, Baby. Ich helf’ dir jemanden zu finden aus deiner Familie, der Ahnung hat, wo dein Dad sich rumtreibt.“ Beruhigende Worte, aber ich wusste, dass es beinahe aussichtslos war. Außer meiner Oma und einer Tante – die Schwester meines Vaters – hatte ich niemanden, an den ich mich halten konnte. Meine anderen Großeltern waren bereits gestorben. Aber die beiden würden sicherlich nicht bescheid wissen, da war ich mir relativ sicher. Mein Vater hatte nie eine wirklich enge Bindung zum Rest der ganzen Familie gehabt, nur zu mir und meiner Mutter. Umso schlimmer, dass er nun einfach wie vom Erdboden verschluckt war. „Ich hätte mich… früher bemühen sollen um einen Schulplatz“, schluchzte ich leise. Ich machte mir in diesem Moment unglaublich viele Vorwürfe. Zum Beispiel, dass ich mich nicht um einen Schulplatz bemüht hatte. Oder, dass ich einfach nicht schon früher angefangen hatte, nach meinem Vater zu suchen. Aber wer hätte auch erahnen können, dass das verschissene Jugendamt die Wohngelegenheit bei Saga nur als Übergangslösung angesehen hatte? „Da kannst du dir doch kaum Vorwürfe machen, immerhin hat das scheiß Jugendamt nichts davon gesagt, dass du das in einer bestimmten Frist alles erledigen musst“, sprach Reita leise und reichte mir das nächste Taschentuch. „Quatsch“, gab ich zurück, „ich hätte mich echt bemühen können. Auf ne andere Schule gehen, den Abschluss nachholen… Gott, ich seh euch höchstens einmal im Monat! Ich seh alles hier vielleicht sogar nie wieder! Wer weiß, wie oft die mich da weglassen?!“ „Uruha, krieg dich ein und komm runter“, unterbrach mich Saga fast schon forsch, „du malst dir da die krassesten Sachen aus noch bevor du ‚ne Ahnung davon hast. Zweihundertfünfzig Kilometer sind in drei Stunden mit dem Schnellzug gefahren, okay?“ „Ja, drei scheiß Stunden! Drei verfickte Stunden und wer weiß, wann die mich zwingen wieder zurückzufahren! Wahrscheinlich auch noch am gleichen Tag!!“ „Uruha…“ Reitas sanfte Stimme konnte mich absolut nicht beruhigen. Eigentlich konnte mich gerade nichts beruhigen, außer vielleicht ein paar dieser netten Pillen von Kazuki, aber das Risiko erwischt zu werden von Reita und Saga war gerade zu groß. Nie hatte ich mir mehr gewünscht, einfach frei von Verpflichtungen zu sein und mich ganz allein meinen Gefühlen hingeben zu können. Meinen Gefühlen zu meinen Freunden, meiner Heimat und vor allem zu Reita… „Musst du nich’ heim? Du meintest doch deine Eltern stressen“, murmelte ich mit verschnupfter Nase und wischte mir das Make-up noch schmieriger durchs Gesicht. „Nicht jetzt“, sagte er leise, „die sind zwar angepisst, dass ich schon wieder weg bin, aber für dich fress’ ich den Ärger schon, keine Sorge.“ Und diesen Menschen sollte ich jetzt wirklich aufgeben…? © Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)