Dämonen, Engel und ein Drache von goldenchie (Fortsetzung zu "Enthüllungen und Geständnisse") ================================================================================ Kapitel 26: Schlussstrich ------------------------- „..........“ = wörtliche Rede >.........< = Gedanken kursive Worte sind betont ___________________________________________________________________________ ... „Hast du dich schon entschieden, ob du ihr übermorgen selbst gegenübertreten willst?“, fragt er seine Frau, als die anderen außer Hörweite sind. Kyoko schüttelt unsicher den Kopf. „Dann lass uns morgen noch mal darüber reden.“ Zärtlich küsst er sie, erst auf die Stirn und dann lange und leidenschaftlich auf den Mund. „Tu dir selbst einen Gefallen und verschwende heute keinen Gedanken mehr an sie. Morgen ist dafür noch Zeit genug.“, sagt er leise, als er sich wieder von ihr löst. In Kyokos Gesicht ist das Lächeln zurückgekehrt. „Lass uns essen gehen.“, sagt sie schlicht. ___________________________________________________________________________ Schlussstrich Es ist noch recht früh am Morgen und nachdem Ren Tsuruga sich vorsichtig den Schlaf aus den Gliedern gestreckt hat, fällt sein Blick lächelnd auf seine noch friedlich schlafende Frau neben ihm. Leise wendet er sich ihr ganz zu und stützt sich dabei auf dem Unterarm ab, um sie eingehend zu betrachten. Eine ganze Weile beobachtet er entzückt, wie sich ihre Brust ruhig hebt und senkt und über ihr schönes, vollkommen entspanntes Gesicht ab und zu die Andeutung eines Lächelns huscht. >Sie ist so wunderschön.< Ren seufzt leise lächelnd. >Das ist die absolut beste Art aufzuwachen...< Einen Augenblick noch bleibt er wie verzaubert in ihrem Anblick gefangen, dann kommt ihm langsam zu Bewusstsein, was der heutige Tag möglicherweise noch bringen wird. Sein Blick wird plötzlich ernst und auf seiner Stirn kräuseln sich kleine Sorgenfalten. >Eigentlich schien sie gestern Abend ganz stabil, nachdem ihr endlich klar war, was sie ihrer Mutter sagen will... Aber ich wünschte trotzdem, dass ich ihr diese unerfreuliche Begegnung ersparen könnte. – Niemand sollte derart respektlos behandelt werden, auch nicht von den eigenen Eltern. – Vielleicht sogar gerade nicht von denen... Auf der anderen Seite hat sich Kyoko immer schon als ausgesprochen starke Persönlichkeit erwiesen... Sie wird das schaffen. Ganz sicher. – Und wer weiß, vielleicht ist es auch ganz gut so; dieses Kapitel sollte wirklich endgültig abgeschlossen werden und da ist es nun mal das Beste, wenn man es selbst erledigt. – Also sollte ich mich in diese Sache auch nur im absoluten Notfall einmischen.< Hingerissen registriert der junge Schauspieler, dass erneut ein kleines Lächeln über Kyokos Gesicht huscht und sich eine Haarsträhne vorwitzig in ihr Gesicht stielt. Zärtlich schiebt er sie wieder zurück, ... was Kyoko offenbar dazu veranlasst, langsam ihre Augen zu öffnen. „Oh, entschuldige“, sagt Ren leise, „hab ich dich geweckt?“ Kyoko schaut ihn im ersten Moment ein wenig verständnislos an, dann lächelt sie und schüttelt langsam den Kopf. „Nein, ich glaub nicht.“ „Guten Morgen, Hime-chan.“, flüstert Ren lächelnd, schließt sie sachte in die Arme und nimmt sich dann reichlich Zeit für seinen Gutenmorgenkuss. „Dir auch“, meint Kyoko lächelnd, als er seine Lippen wieder von ihren löst, nur um sie kurz darauf liebevoll in seinen Arm zu betten. Gedankenverloren streicht er ihr über die Haare, während Kyoko ihn ebenso eindringlich wie liebevoll dabei beobachtet. „Du machst dir Sorgen wegen dem Termin mit meiner Mutter, oder?“, fragt sie schließlich unvermittelt. „Ach, weißt du“, seufzt Ren, „ich mach mir weniger Sorgen wegen deiner Muter, eher schon wegen dir.“ Mit einer blitzschnellen Bewegung und einem dicken Grinsen im Gesicht ist er plötzlich über ihr und streichelt verführerisch über ihre Schulter. „Aber ich glaube, dass du das packst, mein geliebtes Eheweib.“ Die letzten drei Worte erzeugen unwillkürlich eine wohlige Gänsehaut auf Kyokos Körper und in ihrem Gesicht breitet sich ein sanftes Lächeln aus. „Oh, Gott, du bist so was von süß.“, murmelt Ren und macht sich grinsend mit dem Mund über ihre Schultern her. Küssend und knabbernd arbeitet er sich allmählich ihren Hals hinauf und registriert schließlich leise kichernd, dass Kyoko offensichtlich an einigen Stellen kitzelig ist und mittlerweile hin und her gerissen scheint zwischen verzückter Erregung und zwanghaft unterdrücktem Lachen. Kurzerhand greift er unter ihre Arme und beginnt, sie nach allen Regeln der Kunst auszukitzeln. Gequält lacht das Mädchen auf und versucht verzweifelt, sich zu wehren, doch weil Ren immer noch schwer auf ihr liegt, kann sie sich kaum bewegen und so greift sie schließlich zu härteren Mitteln und beginnt nun ihrerseits, die reizempfindlichen Stellen, die sie erreichen kann, auf die gleiche Weise zu bearbeiten. Eine lustige Rangelei nimmt ihren Lauf, die zunächst in eine Kissenschlacht mündet und schließlich in einer wilden Knutscherei endet. Erst das Klingeln des Weckers lässt das frisch verheiratete Paar inne halten. Ren stellt das nervende Ding ab und lächelt Kyoko bedauernd zu. „Schade.“, meint er. „Jetzt müssen wir doch aufstehen.“ „Aber so spät ist es doch noch gar nicht.“, wendet Kyoko nach einem Blick auf die Uhr verwundert ein. „Theoretisch könnten wir noch...“ „Aber praktisch wird es dann knapp“, unterbricht er sie lächelnd, „wir sollten nachher besser nicht abgehetzt zu diesem Termin erscheinen.“ „Oder abgelenkt...“, murmelt Kyoko leicht verlegen. Sie atmet noch ein Mal kräftig durch, dann erhebt sie sich schwungvoll aus dem Bett. Unversehens jedoch wird sie von einer kräftigen Hand zurück aufs Bett gezogen. „Wo willst du denn hin, mein Herz?“ Kyoko dreht sich verwirrt herum und sieht Ren mit großen Augen an. „In die Küche.“, sagt sie verständnislos. „Frühstück machen.“ Ein tadelnder Blick und ein leichtes Kopfschütteln lassen das Mädchen förmlich in sich zusammensinken. „Aber... Die zwei Wochen sind doch um ... und du hast gesagt...“, stammelt sie enttäuscht. Rens Blick wird ein wenig weicher, doch wieder schüttelt er den Kopf. Dann hebt er den Zeigefinger und drückt ihn sachte auf ihre Lippen. „Heute Morgen ist die Küche noch für dich tabu“, ordnet er sanft an, „später am Tag kannst du dich von mir aus beim Kochen austoben, so viel du willst. Aber jetzt muss ich ohnehin noch kurz etwas in der Stadt erledigen und darum kann ich auch gleich was zum Frühstücken mitbringen.“ Bevor Kyoko irgendetwas einwenden kann, hat er auch schon ihren Mund mit einem innigen Kuss verschlossen und spürt dabei deutlich, wie ihre leichte Enttäuschung und schließlich ihre gesamten Gedankengänge sich übergangslos in Luft auflösen und der puren, zärtlichen Hingabe weichen. Nur widerwillig lässt er schließlich von ihr ab. „Bleib ruhig noch einen Moment liegen, ich mach mich schnell fertig.“, meint er mit leicht rauer Stimme. „Und dann kannst du dich zurecht machen.“ Plötzlich grinst er von einem Ohr zum anderen. „Und ich würde dir raten, zum Frühstück ein Oberteil mit einem großen Ausschnitt zu tragen, ... am besten den schwarzen Kaschmirpulli mit diesem sensationellen Dekollete.“ Verschmitzt lächelnd zwinkert er ihr zu. Kyoko läuft – wie nicht anders zu erwarten – puterrot an, doch bevor sie in die Verlegenheit kommt, irgendetwas erwidern zu müssen, drückt ihr Ren noch kurz einen Kuss auf die Stirn und zieht dann grinsend von dannen, in Richtung Badezimmer. Als Kyoko schließlich hört, wie die Dusche im Bad zu rauschen beginnt, hat sie sich zumindest so weit beruhigt, dass ihre Gedanken wieder in halbwegs geordneten Bahnen laufen. >Nicht schon wieder!<, stöhnt sie innerlich. >Er kann doch nicht ständig mit Geschenken hier anrücken, wenn er aus der Stadt zurückkommt... – Höchste Zeit, dass ich wieder selbst koche...< Inständig hofft sie, dass er es diesmal wenigstens nicht so maßlos übertreibt. [Maßlos übertrieben sind die Geschenke allerdings (bisher) einzig und allein in Kyokos - an disziplinierte Sparmaßnahmen gewöhnten - Augen ^_- ] Als nach etwa einer Dreiviertelstunde das Klicken des elektronischen Schlosses an der Wohnungstür zu hören ist, ist Kyoko nicht nur mit ihrer Morgentoilette fertig, ... sondern auch mit den Nerven. Spätestens seit sie den Tisch gedeckt hat, drehen sich ihre Gedanken unaufhaltsam um die Frage, was er diesmal wieder ausgeheckt hat, um sie zu überraschen. Aufgeregt fragt sie sich, ob sie sich wohl jemals daran gewöhnen wird, so mit Geschenken überhäuft zu werden, ... denn dass er das in absehbarer Zeit einstellen wird, ist wohl kaum zu erwarten. Sie ist dermaßen in ihre Gedanken versunken, dass sie gar nicht bemerkt, dass ihr Ehemann bereits grinsend in der Küche steht und die Lebensmittel, die er besorgt hat, auf dem Frühstückstisch ausbreitet. Erst als er sich auffällig räuspert, zuckt sie leicht zusammen und dreht sich von der kleinen Kaffeemaschine auf der Arbeitsfläche weg, die sie gerade mit frischem Wasser befüllt hat. [Na ja, eigentlich hatte sie das bereits vor Minuten erledigt... ^_- ] Mit hochrotem Kopf registriert sie die kleine, edel aussehende, dunkelrote Papiertüte, die er in der Hand hin und her baumeln lässt. „Was...?“, beginnt sie, wird jedoch von ihrem Mann grinsend angewiesen, die Augen zu schließen und sich umzudrehen. Wie betäubt, tut sie zögerlich, was er von ihr verlangt. Angespannt lauscht sie auf die Geräusche hinter sich, bis er nah an sie heran tritt und seine großen, warmen Hände etwas Kühles, Schweres, Metallenes um ihren Hals legen und sorgfältig in ihrem Nacken verschließen. „Lass die Augen bitte noch zu.“, flüstert er ihr leise zu. Seine weiche, tiefe Stimme so nah an ihrem Ohr jagt dermaßen heiße Schauer durch ihren Körper, dass sie beinahe glaubt, sich nicht mehr auf den Beinen halten zu können und als er dann nacheinander zart ihre Ohrläppchen berührt, um daran große Ohrclips zu befestigen, entfährt ihr unwillkürlich ein leises Stöhnen. Doch Ren scheint noch immer nicht fertig zu sein, denn nachdem er ein Mal mit den Zeigefingern sanft über ihre Lider gestrichen ist, um ihr zu verstehen zu geben, dass sie die Augen weiterhin geschlossen halten soll, nimmt er ihre rechte Hand und steckt zärtlich einen offenbar ziemlich großen Ring an ihren Ringfinger. Einen Moment lang scheint er ihn zu betrachten und Kyoko kann sein zufriedenes Lächeln hinter sich geradezu körperlich spüren. Und dann kommt ihr eine Erleuchtung. Schlagartig wird ihr klar, dass all die kleinen und großen Geschenke von Koon sie gar nicht ärgern oder necken sollen, dass sie sie nicht wirklich in eine bestimmte Richtung hin „erziehen“ sollen, ... sondern dass jedes einzelne eine sorgfältig ausgesuchte, kleine Liebeserklärung ist ... und dass er sich dabei jedes Mal unglaubliche Mühe gibt, etwas zu finden, dass ihren Geschmack trifft und dass zugleich seinen Gefühlen angemessen Ausdruck verleiht. - Eine Mühe, für die er bei seinem vollen Terminkalender eigentlich gar keine Zeit hat... Irgendwie scheinen Kyokos Knie plötzlich noch weicher zu werden, darum ist sie ganz froh, dass er ihre Schultern ein wenig fester gepackt hat und sie nun – höchstwahrscheinlich – zum Spiegel führt. Kyoko kommt nicht einmal mehr auf die Idee , die Augen zu öffnen, bevor sie seine Erlaubnis hat, stattdessen breitet sich langsam ein entspanntes Lächeln in ihrem Gesicht aus. Als die Beiden vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer stehen und Ren seiner jungen Frau endlich wieder ins Gesicht sehen kann, ist er irritiert. „Was ist los?“, fragt er. „Nichts.“, lächelt Kyoko mit immer noch geschlossenen Augen. „Mir ist nur grade was klar geworden.“ „Was denn?“, hakt Ren neugierig nach. Kyokos Gesicht überzieht eine feine Röte. „Dass... Dass diese ganzen Geschenk-Orgien nur einem Zweck dienen: ... deine Gefühle auszudrücken.“, sagt sie leise, während die Röte in ihrem Gesicht deutlich tiefer wird. Ren streichelt lächelnd über ihre Wange. „Und das fällt dir jetzt erst auf? – Du bist echt nicht viel Gutes gewohnt... Höchste Zeit, dass sich das ändert.“ Kyoko wird langsam unruhig in seinen Armen. „Hm?“, macht er. „Koon, bitte... Kann ich jetzt endlich wieder die Augen aufmachen?“ „Oh! Ja, ... natürlich. Nur zu, Hime-chan.“ Ren grinst erneut von einem Ohr zum anderen. Kyoko öffnet langsam die Augen ... und auch, wenn sie sich innerlich schon auf einiges gefasst gemacht hatte, so stockt ihr jetzt doch der Atem ein wenig. Aus dem Spiegel funkelt ihr ein goldenes Rubincollier mit passenden, langen Ohrclips und einem sensationellen Rubinring entgegen. Die Stücke erinnern ein wenig an altmodischen Granatschmuck, jedoch sind die Linien des Designs klarer und so wirkt der Schmuck noch um einiges edler ... und natürlich schimmern die Juwelen in einem helleren Rot. Ungläubig fährt sie mit den Fingerspitzen über die Steine des Colliers. „Eigentlich ist das meine Morgengabe an dich.“, meint er mit einem leicht verlegenen Grinsen. „Allerdings war es gestern noch nicht fertig.“ Er seufzt leise und zuckt die Schultern. „War halt ein Auftrag, der ein bisschen zu kurzfristig kam.“ Kyoko sieht ihn überrascht an. „Heißt das, das Design ist von dir?“ „Ja.“, bestätigt der junge Schauspieler ein wenig unsicher. „Gefällt es dir?“ „Ja, sehr.“ Kyoko strahlt übers ganze Gesicht. „Es ist wunderschön.“ „Der Ring ist übrigens ein verspäteter Verlobungsring.“, haucht Ren ihr zärtlich zu. Ein Weilchen noch betrachten die Beiden das Geschmeide im Spiegel, ... wobei Ren eigentlich eher in die Betrachtung seiner jungen Frau vertieft ist... Letzteres entgeht Kyoko ganz und gar nicht und so kommt sie zu der Erkenntnis, dass er tatsächlich eine geradezu kindliche Freude daran hat, sie zu beschenken. Langsam breitet sich ein warmes Gefühl von Geborgenheit in ihrem Inneren aus ... und erneut kann ein reinherziger Engel aus seinem engen Gefängnis entkommen, begleitet von gespielt gelangweilten Buh-Rufen ihrer kleinen Dämonen. „Aber du erwartest hoffentlich nicht, dass ich den Schmuck nachher trage, wenn wir meine Mutter treffen.“, fragt Kyoko später beim Frühstück misstrauisch. „Nein, natürlich nicht.“, lacht Ren. „Nachher weckt das noch unnötige Begehrlichkeiten bei deiner werten Frau Mama. – Außerdem ist so viel Schmuck für einen späten Vormittag dann doch etwas übertrieben.“ „Na, dann ist es ja gut.“, meint Kyoko erstaunlich gut gelaunt. Überhaupt wirkt Kyoko auf Ren heute Morgen überraschend unbeschwert, wenn man bedenkt, dass später noch die Konfrontation mit ihrer herrschsüchtigen Mutter auf sie wartet. Insgeheim fragt er sich, ob sie unter der Oberfläche auch so fühlt... Gut zwei Stunden später stehen die beiden jungen Schauspieler mit Rory Takarada und ihren beiden Betreuern in einem der großen Konferenzräume des LME-Gebäudes und warten ungeduldig auf Saena Mogami. Rory ist diesmal wie ein chinesischer Kaiser gekleidet, ein Kostüm, dass er recht häufig in der Agentur trägt; nur mit dem Unterschied, dass er darin heute besonders beeindruckend und streng wirkt ... und natürlich sitzt er dabei auf einem überaus beeindruckenden Thron mit geschnitzten Drachenköpfen. „Mensch, die ist jetzt schon eine halbe Stunde überfällig.“, mault Yashiro nervös. „Also, so langsam glaube ich, die will uns mürbe machen, um so ein leichteres Spiel zu haben.“ „Unwahrscheinlich.“, widerspricht Rory gelassen. „Das hieße ja dann, dass die Verträge noch einmal geändert werden müssten. Und ich denke nicht, dass die Dame diese Angelegenheit noch länger in der Schwebe halten will.“ „Ich persönlich finde ja, sie hätte wenigstens anrufen können.“, meint Rina mürrisch. „Aber sei’s drum... Hoffentlich kommt sie jetzt endlich mal.“ „Alles in Ordnung?“, fragt Ren indessen Kyoko besorgt. „Grundsätzlich schon“, antwortet sie lächelnd, „auch wenn mich das Warten doch ganz schön nervös macht. – Aber mach dir keine Gedanken, es wird schon gehen.“ Sachte drückt sie zur Bestätigung seine Hand. Rorys Handy klingelt. „Ja? Ah, sehr gut, schicken Sie sie bitte hoch. Oder warten Sie... Lassen Sie sie von jemandem begleiten, dann findet sie schneller hierher.“ Leise aufatmend legt der LME-Chef wieder auf und steckt das Telefon in eine der kleinen Taschen, die in den weiten Ärmeln seines Kaisergewandes versteckt sind. „Mogami-san wird in ein paar Minuten hier sein.“, verkündet er und fügt mit einem leichten Grinsen hinzu. „Wenn also noch irgendetwas zu besprechen ist, dann bitte jetzt sofort.“ Ren sieht seiner jungen Frau fragend in die Augen, doch diese schüttelt nur lächelnd den Kopf, nachdem sie ein Mal tief durchgeatmet hat. Darauf küsst er sie flüchtig auf die Stirn und tritt einen Schritt zurück, sodass er nun leicht versetzt hinter ihr steht. >Wie mein persönlicher Fels in der Brandung.<, wird Kyoko mit einem warmen Gefühl der Zuversicht bewusst, das sich rasch von ihrem Herzen her im ganzen Körper ausbreitet. Besonnen strafft sie sich und nimmt eine überaus formelle Haltung an, um sich zu wappnen für das, was nun unweigerlich folgen wird. Die anderen im Raum sind angespannt und ernst und als Saena Mogami einige Minuten später ein wenig gehetzt den Konferenzraum erreicht, steht ihr geradezu eine Phalanx düsterer Gesichter gegenüber, wie sie irritiert registriert. Noch mehr verwirrt sie allerdings der Anblick des LME-Chefs in seinem goldgelben, chinesischen Kaiser-Ornat in der Mitte dieser menschlichen Mauer. Angestrengt versucht sie, ihre Fassung wieder zu erlangen und sich möglichst wenig anmerken zu lassen, während sie sich fragt, ob sie hier doch noch mit Schwierigkeiten rechnen muss. Rory indessen zeigt sich vollkommen unbeeindruckt und bedankt sich herzlich bei Saenas Begleitung, um sie schließlich mit Wünschen für einen schönen Tag zu ihrer eigentlichen Arbeit zurückzuschicken. Erst dann wendet er sich mit leicht gerunzelter Stirn der eleganten Frau Anfang Vierzig zu, die daraufhin halbherzig versucht, sich für ihre Verspätung zu entschuldigen. „Machen Sie sich keine Umstände, Mogami-san“, unterbricht er sie kühl, „niemand hier ist Ihnen ernstlich böse, weil Sie so spät gekommen sind.“ „Ich würde die Sache zwar gern möglichst schnell beenden, aber von mir aus hätte sie auch bleiben können, wo der Pfeffer wächst.“, murmelt Ren kaum hörbar im Hintergrund. Saena schaut verwirrt von einem zum anderen, bis ihre Augen schließlich bei Rory Takarada inne halten und ihn fragend ansehen. „Nein, wahrlich“, fährt dieser darauf ungerührt fort und schickt ihr einen Blick, der ihr deutlich zeigen soll, was er von ihr hält, „Ihre Verspätung ist zwar mehr als nur unhöflich, aber das, was Sie Kyoko-chan in den letzten 17 Jahren angetan haben, ist meines Erachtens weitaus schlimmer. Ihr Verhalten war bisher so ganz und gar nicht angemessen für jemanden, der sich Mutter nennt. Da wir alle hier Ihre Tochter überaus schätzen ... und das sowohl menschlich als auch, was ihre Arbeit angeht, haben wir uns hier und heute versammelt, um deutlich zu machen, dass aus Ihren Plänen wohl nichts wird, Mogami-san.“ Mit der letzten Bemerkung hat Saena ihre Arroganz offensichtlich wiedergefunden, ihre Miene wird hart. „Sie haben da wohl kaum eine Wahl.“, behauptet sie herablassend. „Solange Kyoko-chan nicht volljährig ist, sitze ich eindeutig am längeren Hebel. Sie können meine Forderungen gar nicht ignorieren!“ Streng sieht sie ihre Tochter an und deutet ihr mit einer gebieterischen Geste an, näher zu kommen. „Komm, Kyoko-chan“, sagt sie schroff, „wir suchen uns eine bessere Agentur!“ Kyoko reagiert zunächst gar nicht, dann jedoch schüttelt sie ebenso bedächtig wie standhaft den Kopf. „Nein, Mutter.“, antwortet sie schließlich erstaunlich ruhig und mit fester Stimme. „Ich werde nicht mit dir kommen. – Du wolltest mich nicht haben, als ich dich gebraucht hätte ... und nun brauche ich dich nicht mehr. Bitte geh und mach keinen Ärger mehr.“ Nach einer ersten Schrecksekunde verfinstert sich Saenas Miene in rasantem Tempo und eine dunkle, bedrohliche Dämonen-Aura baut sich hinter ihr auf. „Du verkennst wohl die Realität, Kind.“, sagt sie leise und mit einer gehörigen Portion Zynismus in der Stimme. „Du brauchst mich sehr wohl, ich bin Deine Mutter und kann daher voll und ganz über dich bestimmen, solange du noch nicht volljährig bist.“ Mit einem Gentleman-Lächeln auf den Lippen mischt sich Ren Tsuruga ein. „Es tut mir leid, Mogami-san“, meint er kühl, „aber Sie sind offenbar nicht auf dem neuesten Stand der Dinge.“ Saena glotzt ihn derart verdutzt an, dass er an sich halten muss, um nicht laut loszuprusten. „Sie sind nicht länger Kyoko-chans Vormund.“, lässt er stattdessen gelassen die Bombe platzen. Saena Mogami fehlen vor Entsetzten die Worte. „Vielleicht kann ich ein wenig zur Aufklärung beitragen, Mogami-san.“, bietet Rory gönnerhaft an. „Da Ihre Tochter seit zwei Tagen verheiratet ist, ist seit diesem Zeitpunkt natürlich ihr Ehemann auch ihr Vormund.“ Saena Mogami wird erst blass, dann rot vor Wut. „Das ist ja wohl kaum möglich!“, platzt es schließlich geradezu hysterisch aus ihr heraus. „Dazu hätte ich ja wohl mein Einverständnis geben müssen! – Was also soll dieses unwürdige Schmierentheater?!“ „Jetzt sagen Sie bloß, Sie haben vor lauter Geldgier nicht bemerkt, was Sie da vor zwei Wochen unterschrieben haben?“, fragt Rory unschuldig und gespielt überrascht nach. „ Selbstverständlich hatte Kyoko-chan dafür eine Einverständniserklärung von Ihnen.“ Saena wird noch einmal blass, als ihr schmerzlich bewusst wird, dass der „Fehler“ offenbar bei ihr liegt. Reichlich verstört sucht sie nach einem Stuhl, um sich ein wenig zu beruhigen, jedoch wird ihr der Zugang zum Konferenztisch von den anderen anwesenden Personen blockiert, damit sie sich gar nicht erst häuslich niederlassen kann. Hilfe suchend schaut sie Ren an, doch dieser lächelt nur bitter. Schließlich landet ihre Aufmerksamkeit erneut bei Rory. Einen Augenblick braucht sie noch, um sich zu sammeln, dann atmet sie durch und spricht mit finsterem Blick zu dem LME-Chef. „Das ist illegal, Takarada-san“, schnaubt sie empört, „diese Unterschrift haben Sie sich unrechtmäßig erschlichen! – Ich werde...“ „Davon würde ich Ihnen abraten.“, fällt ihr Rory gefährlich ruhig ins Wort. „Was immer Sie auch vorhaben... Meine Beziehungen sind weitaus einflussreicher als die Ihren ... und ein Rechtsstreit würde nicht nur äußerst schmutzige Dinge über Sie selbst zutage fördern, sondern wäre zu allem Überfluss auch noch immens teuer. Und meines Wissens verfügen Sie im Moment nicht gerade über besonders üppige Finanzmittel. Richtig, Mogami-san?“ Saena ist vollkommen nun außer sich. „ Sie ... Sie...“, beginnt sie hilflos. Fassungslos nach Worten suchend und doch keine findend, richtet sie schließlich ihren Blick auf ihre Tochter. „Kyoko-chan!“, ruft sie verzweifelt. „Du kannst doch nicht... Ich bin deine Mutter !!“ „So, bist du das?“, fragt Kyoko kühl, wenn auch mit einer unerklärlichen Sanftmut im Blick. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich es jemals wirklich gespürt hätte. – Mutter, sei doch ehrlich: Du hast dich nie wirklich für mich interessiert, du hast mich ständig zu fremden Leuten abgeschoben, ...selbst als du noch bei mir warst... Sogar wenn ich krank war – was glücklicherweise nur sehr selten der Fall war... Mutter, ich hätte damals wirklich alles gegeben, um wenigstens ein kleines, anerkennendes Wort von dir zu hören, ... aber ich habe von dir niemals auch nur etwas Ähnliches wie Zuneigung erfahren. – Und glaub mir, ich habe mich damals wirklich über alle Maßen angestrengt. Es tut mir leid, Mutter, ich kann dir nicht mehr vertrauen. Und ich kann auch nicht mehr deine Tochter sein, schließlich war ich in deinen Augen ohnehin nie gut genug dafür. Weißt du, wenn ich so darüber nachdenke, muss ich heute sagen, dass eigentlich du nicht gut genug als Mutter bist.“ Ihr Blick wird ein bisschen wehmütig. „Und dabei hätte ich mich mit so wenig zufrieden gegeben... Meine Ansprüche waren nie so hoch wie deine... Es tut mir leid, aber ... ich möchte dich nicht mehr sehen.“ Befreit pustet sie die Luft aus den Lungen, jetzt, da sie alles gesagt hat, das ihr wichtig war. Für einen kurzen Moment wendet sie ihren Blick ihrem Ehemann schräg hinter sich zu. Ren lächelt mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken zurück und man sieht ihm deutlich an, wie stolz er auf sie ist. Saena indessen geht abrupt ein Licht auf. „Das... Sie ?!?“, schreit sie Ren an; der allerdings reagiert eher gelassen und rückt demonstrativ näher an Kyoko heran, bis er direkt hinter ihr steht und die Hände beschützend auf ihre Schultern legt. „ Sie haben meine Tochter verführt! Sie...!!“ „Ich bitte Sie, Mogami-san“, wird sie äußerst sarkastisch von Rory Takarada in ihrem Gekeife unterbrochen, „wir wollen doch nicht ausfällig werden. Und um die Gemüter nicht noch mehr aufzuheizen, schlage ich vor, dass die jungen Leute wieder an ihre Arbeit gehen und wir beide noch ein paar Dinge unter vier Augen besprechen.“ „Ich wüsste nicht, was wir zwei noch zu bereden hätten.“, erwidert sie unwirsch. „Nun“, erklärt Rory gelassen, „mir ist zu Ohren gekommen, dass sie momentan einige Schwierigkeiten haben. Vielleicht lässt sich ja ein Weg finden, die Dinge in ein wenig ruhigere Bahnen lenken. Dann fällt Ihnen der Abschied von Ihrer Tochter bestimmt auch nicht mehr ganz so schwer.“ Mit einer ausladenden Geste, die ganz seinem heutigen Erscheinungsbild entspricht, gibt er den Anderen ein Zeichen, den Konferenzraum zu verlassen, was diese nach einer höflichen Verbeugung auch umgehend tun. Als sie die Tür hinter sich geschlossen haben, atmen alle Vier hörbar auf. „Das lief etwa so wie erwartet.“, merkt Ren erleichtert an und zieht seine junge Frau in die Arme. „Na ja, aber wie gut es wirklich gelaufen ist, wird sich erst noch herausstellen.“, meint Kyoko nüchtern. „Das kommt darauf an, ob sie die Situation jetzt als gegeben hinnimmt oder ob sie doch noch versucht, sich auf irgendeine Weise zu ... na ja ... zu rächen.“ „Ach, ich glaube, es sieht gar nicht so schlecht aus.“, findet Rina. „Ich denke, es ist ein kluger Schachzug von Takarada-san, das Ganze noch mal ganz in Ruhe mit ihr unter vier Augen zu besprechen ... und ihr ein wenig Hilfe in dieser Scheidungsangelegenheit anzubieten. Das nimmt ihr wahrscheinlich letztlich den Wind aus den Segeln.“ „Na, ob das reichen wird...?“, überlegt Kyoko mit leiser Skepsis in der Stimme. „Ich gehe ja davon aus, dass Takarada-san noch irgendeinen zusätzlichen Trumpf im Ärmel hat.“, vermutet Yashiro grinsend. „Ja“, stimmt Ren unumwunden zu, „wenn man ihn kennt, ist wirklich damit zu rechnen.“ Grinsend fügt er noch hinzu: „Außerdem sind die Ärmel ja heute auch besonders weit.“ Trotz der nach wie vor in ihrem Inneren bohrenden Skepsis muss Kyoko lachen. Der Stein, der ihr vom Herzen gefallen war, nachdem sie all das gesagt hatte, was ihr so lange auf der Seele gelegen hatte, musste wohl größer gewesen sein, als ihr bisher bewusst gewesen ist. Sichtlich erleichtert über ihr Lachen, drückt Ren sie sanft an sich und küsst sie zart auf die Stirn. Dann fällt ihm plötzlich etwas ein. Breit grinsend zwinkert er Kyoko kurz zu, dann entlässt er sie aus seinen Armen und wendet sich mit einer seltsam weit ausholenden Geste Yashiro zu. „Yukihito, mein Freund!“, beginnt er gut gelaunt, während er seinen Betreuer unsanft in den Arm schießt und ihn mit sanfter Gewalt auf den Flur hinaus befördert. Yashiro sieht ihn ebenso verstört wie eingeschüchtert an und wirft danach Rina einen reichlich hilflosen Blick zu. „Ich hätte da mal eine Frage, mein Lieber.“, setzt Ren seinen vermeintlichen Überfall auf seinen Freund fort. „Was läuft da eigentlich zwischen dir und dieser netten, ziemlich großen Managerin, ... Yashi-kun ?“ Yukihito läuft in Sekundenbruchteilen hochrot an ...ebenso wie Rina, die darauf von ihrem kichernden Schützling am Arm zu den beiden Männern „abgeführt“ wird. „Ich... Wir dachten...“, stammelt Yukihito hilflos. „Wir... Wir wollten uns einfach nicht in den Vordergrund drängen damit.“ „Schon verstanden.“, meint Ren und klopft seinem Manager freundschaftlich auf die Schulter. „Aber das war absolut unnötig. – Wir gönnen euch das wirklich von Herzen, nicht wahr, Kyoko?“ Kyoko nickt nur breit grinsend. „Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt etwas essen gehen?“, fragt Ren gut gelaunt. „Ich würde gern ein paar Details zu eurer Liaison erfahren.“ „Warum nicht.“, sagt Yukihito und nimmt Rina lächelnd an die Hand. „Takarada-san wird sich ohnehin telefonisch bei einem von uns melden, wenn er fertig ist. – Also lasst uns bis dahin ruhig Kyoko-chans kleinen Etappensieg feiern.“ Saena und Rory indessen sitzen sich im Konferenzraum gegenüber, eine Ledermappe mit etlichen Papieren vor sich auf dem Tisch. Noch immer ist Kyokos Mutter reichlich verwirrt. Sie hatte nicht erwartet, dass ihre Tochter so kühl und gleichzeitig so erwachsen hatte reagieren können. Verblüfft wird ihr bewusst, dass sie Kyoko maßlos unterschätzt haben muss ... und widerwillig muss sie sich eingestehen, dass sie ihre eigene Tochter offenbar nicht im Geringsten kennt, ... wohl nie gekannt hat... „Mogami-san“, ergreift schließlich Rory ernst das Wort, „ich hoffe, Sie begreifen, dass Sie sich die Sympathie Ihrer Tochter verscherzt haben, vermutlich endgültig. – Und nicht nur ihre, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“ „Ich... Aber...“, stammelt sie hilflos. „Geben Sie sich keine Mühe, es hat gar keinen Sinn, sich vor mir zu rechtfertigen.“, erwidert Rory, irgendwie klingt seine Stimme ein wenig müde. „Wenn ich ehrlich bin, würde ich Ihnen ohnehin kein Wort mehr glauben. Wissen Sie, ich erlebe in meinem Beruf täglich die verschiedensten Menschen ... und dass überehrgeizige Eltern ihre Kinder in die Showbranche drängen, sie überfordern, ihnen höchste Professionalität abverlangen, selbst wenn sie noch viel zu jung dafür sind, ... ist mir ganz und gar nicht fremd, wahrscheinlich ist so was in dieser Branche nicht mal ungewöhnlich. Auch in meiner Agentur gibt es ganz sicher ein paar Eltern, deren Erwartungshaltung ihren Kindern gegenüber – nun sagen wir mal – grenzwertig ist. Ich heiße so etwas ganz und gar nicht gut, aber anscheinend ist es im Vorfeld nie ganz auszuschließen, dass man Verträge unter solchen Bedingungen abschließt. Aber was Sie mit Ihrer Tochter in den letzten 17 Jahren gemacht haben, ist das Liebloseste, wovon ich jemals auch nur gehört habe. – Haben Sie damals, als Sie sie an die Fuwas verkauft haben, auch nur einen Gedanken daran verschwendet, wie es Ihrem Kind dabei gehen könnte? Noch dazu, wo es vermutlich die ganze Zeit geglaubt hat, dass Sie fort gegangen sind, weil Sie das Mädchen für böse, ungezogen, unfähig oder minderwertig gehalten haben - oder - wie ich Kyoko-chan inzwischen kenne – gleich alles zusammen?“ „Aber das...“, will Saena einwenden, doch Rory unterbricht sie unwirsch. „Wie hätte sie denn etwas anderes annehmen sollen? Sie war doch noch ein keines Mädchen! Haben Sie sie jemals gelobt? Haben Sie sich Ihre Tochter jemals auf den Schoß gesetzt und ihr einfach eine Geschichte vorgelesen? Oder sie einfach nur eine Weile in Ihren Armen gewiegt, wenn sie traurig war?“ Saena senkt nur den Kopf und sagt überhaupt nichts. „Wieso überrascht mich das jetzt nicht?“, kommt es sarkastisch vom LME-Chef. „Wie kann man nur so egozentrisch sein? Ist Ihnen nicht klar, dass man ein kleines Kind mit so einem Verhalten regelrecht zerstören kann? – Na ja, vermutlich nicht... Nur Kyoko-chans unglaublicher, innerer Stärke ist es zu verdanken, dass sie daran letztlich nicht zerbrochen ist und sie trotz allem Ihren Weg gefunden hat. Nicht auszudenken, was für ein ungeheuerer Verlust es gewesen wäre, wenn sie wegen Ihnen schließlich aufgegeben hätte! Und - falls es Sie überhaupt interessiert – ich persönlich glaube, sie war verdammt nahe daran zu zerbrechen, als sie hier in der Agentur anfing. Um eines von vornherein klar zustellen: Kyoko-chan hat hier ganz unten angefangen, nicht etwa als Talent oder Schauspielerin, ... nicht mal als einfacher Helfer hinter der Kamera. Sie hat sich hier mühselig hochgearbeitet, selbst die Gebühren für die Highschool aufgebracht und sich die Zulassung zur Schauspiel-Akademie erarbeitet. Soweit ich das inzwischen mitbekommen habe, hat sie quasi bis zum Umfallen geschuftet, bevor sie die ersten Erfolge verbuchen konnte. Und sie hat niemals auch nur ein Wort der Klage darüber verloren. – Ansonsten hätte ich sicher einen Weg gefunden, sie finanziell besser zu unterstützen. Und dann kommen Sie und wollen ihr sozusagen über Nacht alles wegnehmen, was sie sich so mühsam erarbeitet hat?!“ Unwillig schüttelt er den Kopf, bevor er leiser fortfährt. „Vermutlich hätte sie es sich sogar noch gefallen lassen... Aber glücklicherweise hat sie sich nicht nur ihren Lebensunterhalt trotz ihres jugendlichen Alters allein verdient, sondern auch den Respekt von einigen Menschen, ... zu denen auch ich mich zählen möchte. Ich kann einfach nicht zulassen, dass Sie sich noch einmal in ihr Leben einmischen und ihr das Herz brechen. Ich gebe zu, dass das natürlich auch im Interesse der Agentur ist: Ein gebrochener Mensch kann nämlich keine guten, schauspielerischen Leistungen abliefern. – Aber ich schätze Kyoko-chan auch einfach als Mensch. Im Gegensatz zu Ihnen ist sie nämlich ausgesprochen hilfsbereit, uneigennützig und liebenswürdig ... und sie hat ein feines Gespür für die Bedürfnisse und Nöte ihrer Mitmenschen ... und die Gabe, ihnen wirklich zu helfen.“ Unverwandt schaut er Saena in die Augen, die diese vor Verblüffung weit geöffnet hat. „Wie es scheint, wissen Sie rein gar nichts über Ihre eigene Tochter. – Ich hoffe, sie sehen irgendwann ein, wie schade und ... furchtbar diese Tatsache ist.“ Noch einmal schüttelt er fassungslos den Kopf, dann räuspert er sich kurz und wird wieder sachlich. „So, ich denke, dann sollten wir zum geschäftlichen Teil kommen. Ich habe hier einen Scheck über 80 Millionen Yen [Das sind knapp 500.000 €] ... und eine Art Verzichtserklärung, in der Sie zusichern, Ihre Tochter und ihren Mann künftig in Ruhe zu lassen. Ich rate Ihnen wirklich dringend, keinerlei Kontakt mehr zu ihnen zu suchen, ... es sei denn, Ihre Tochter würde das ausdrücklich wünschen. - Darüber hinaus verpflichten Sie sich zur Verschwiegenheit über alles, was diese Angelegenheit hier angeht; Genaueres haben unsere Anwälte vorsichtshalber minutiös in unserem kleinen Vertrag aufgeführt. Sollten Sie sich nicht an diese kleine Abmachung halten, werden die 80 Millionen Yen automatisch in ein Darlehen umgewandelt, das dann auch sofort fällig zur Rückzahlung wird.“ Saena scheint ziemlich perplex. „Aber... Wieso so viel ...?“, flüstert sie ungläubig. „Weil ich möchte, dass Sie ein für alle Mal aus Kyoko-chans Leben verschwinden.“, erklärt er kalt. „Niemand braucht eine solche Mutter. Mir liegt viel an Kyoko-chan, ich halte sie für außerordentlich begabt. Aber sie muss auch noch viel lernen und dafür braucht sie Raum und Zeit, sich zu entwickeln. Würde ich zulassen, dass Sie sie wieder unter Ihre Fittiche nehmen, dann würde ich riskieren, die positive und ausgesprochen zügige Entwicklung, die sie die letzten Monate durchgemacht hat, zu unterbrechen, zu stören ... oder im schlimmsten Fall sogar umzukehren. – Sie haben keine Ahnung, was Ihr ‚Auftritt’ vor zwei Wochen in dem armen Mädchen ausgelöst hat... Außerdem fühle ich mich Ihr auch persönlich verpflichtet. Sie hat nämlich meiner Enkelin und indirekt meinem Sohn aus einer tiefen Krise geholfen; da halte ich es für das Mindeste, ihr jetzt zu helfen. Ich hoffe, ich habe mich deutlich ausgedrückt.“ „Mehr als deutlich.“, bestätigt Saena. Langsam atmet sie durch. „Wie es scheint, habe ich ohnehin keine große Wahl. Auch das haben Sie ja mehr als klar gestellt. – Also lassen Sie uns die Sache abschließen.“ Zielstrebig greift sie nach der Verzichtserklärung, liest die Papiere diesmal sehr gründlich durch und unterschreibt sie schließlich leise seufzend und mit leicht zitternden Händen. „Bitte.“, sagt sie, während sie Rory die unterzeichneten Papiere reicht. „Danke.“ Rory reicht ihr den Scheck, den sie auch sofort kontrolliert. „Ich gehe mal davon aus, dass er gedeckt ist.“, merkt sie leicht ironisch an. Rory grinst säuerlich. „Selbstverständlich. – Darüber hinaus habe ich Ihnen einen Termin mit meinem Anwalt gemacht, der Ihnen bei Ihrer Scheidung ein wenig unter die Arme greifen wird. Ich will nicht riskieren, dass Sie das Geld bereits in einem halben Jahr durchgebracht haben. Erlauben Sie mir, Ihnen noch einen Rat mit auf dem Weg zu geben. Legen Sie das Geld gut an, ... dann werden Sie lange recht gut davon leben können; ich bin nämlich nicht bereit, Ihnen einen ‚Nachschlag’ zu gewähren, wenn Sie noch einmal in Schwierigkeiten geraten sollten. Das hier ist eine einmalige Gelegenheit für Sie. Und noch ein kleiner Tipp von mir persönlich: Ziehen Sie möglichst weit fort von Tokyo.“ Saena nickt, offenbar hat sie verstanden. Die Beiden verabschieden sich recht frostig voneinander, nachdem Rory ihr noch die Visitenkarte eines seiner Anwälte und einen Terminzettel überreicht hat. Als sie bereits an der Tür ist, hält er sie noch einmal kurz auf. „Eins noch, Mogami-san: Sorgen Sie dafür, dass niemand von unserem kleinen Geschäft erfährt, ganz besonders Kyoko-chan nicht. Saena nickt nur, verbeugt sich leicht und verlässt sichtlich nachdenklich den Konferenzraum. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hat, schüttelt Rory traurig den Kopf und murmelt: „Ich hoffe nur, ihr wird irgendwann bewusst, was sie hier alles verloren hat...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)