The quest for the mandrake von myrys84 ================================================================================ Kapitel 12: Kapitel 11 - Rhakyr der Graue ----------------------------------------- Servus! Anlässlich meines Burzeltags hier ein neues Chap für euch als kleines Geschenk. Diesmal gibt es etwas mehr Ektschn (und ein itzibitzikleines bisschen amore). Kapitel 11 Rhakyr der Graue Je näher er der Wolfsschlucht kam, desto sicherer fühlte sich Tharas. Es war ihm, als kämen seine unterdrückten magischen Kräfte langsam zurück. Soley hatte sich gerade von ihm verabschiedet und flog zurück zu den Elfen. Nun war er auf sich allein gestellt. Von weitem erblickte er bereits den kurzen Abhang, der in die Schlucht der Wölfe hinabführte. Dennoch, bevor er sich todesmutig ins Getümmel stürzte, befand er es für sinnvoller, sich erst einmal einen groben Überblick über die Lage zu verschaffen. Er suchte sich einen Aussichtspunkt hinter einem großen Felsen am Rand des Abhangs und spähte daran vorbei zu der Höhle hinunter. Auf den ersten Blick machte er etwa ein Dutzend Tiere aus. Im Licht des fast vollen Mondes waren sie gut zu erkennen. Je länger er seinen Beobachtungsposten aufrechterhielt, desto schlimmer schien die Situation zu werden, denn es gesellten sich immer mehr Wölfe zu den bereits anwesenden. Nach genauem zählen kam er auf 23 Tiere. "Oh, Vater, " dachte er betrübt, "was soll ich nur tun?" "Am besten gar nichts." Tharas meinte, sich verhört zu haben und zuckte zusammen als er die vertraute Stimme in seinem Kopf vernahm. "Vater? Bist du es wirklich?", fragte er ungläubig. "Nein, ich tu nur so. Natürlich bin ich es“, kam prompt die Antwort. "Wieso können wir plötzlich wieder miteinander kommunizieren? Ich hab's so oft versucht und bin gescheitert." "Das liegt an einem kleinen Loch im magischen Netz das die Elfen über den Wald gelegt haben. Nur deshalb können die Wölfe in dieser Schlucht überhaupt noch leben. Du müsstest hier auch wieder im Vollbesitz deiner magischen Kräfte sein." "Wenn ich das jetzt ausprobiere, könnte es sein, dass ich ein Problem habe…" "Das hast du sowieso schon. Wie kommst du eigentlich auf den schiefen Hund, dich mit Rhakyr und seinem Rudel anzulegen?" "Ich muss mich als Elfenfreund erweisen. Wenn nicht, dann muss Rean mit seinem Leben herhalten." "Er ist eine Bürgschaft mit den Elfen eingegangen? Hast du versucht, ihn davon abzuhalten?", rief Llandon entsetzt. "Das war mir aus gewissen Gründen gerade nicht möglich. Der Henker war kurz davor, mich einen Kopf kürzer zu machen. Er hatte das Schwert schon erhoben." "Dann war also Gefahr in Verzug? Übel. Aber das ist noch lange kein Grund, dass du dich als Freund der weißen Spitzohren erweisen musst. Oh Elend! Schande! Schande über dich, Schande über diese verdammten Elfen, Schande, Schande, Schande!" "Jetzt beruhig dich doch mal wieder. Du hast es mit Fassung getragen als ich dir gesagt habe, dass ich einen Jungen liebe, also wird das ja wohl halb so schlimm sein, oder?" "Meine Güte. Was hab ich mit dir nur in die Welt gesetzt? Da ist bei der Produktion wohl ordentlich was schief gelaufen“, seufzte der König resigniert. "Jetzt beschwer dich nicht. Sag mir lieber, wie ich mit denen da unten fertig werde“, meckerte Tharas nun leicht beleidigt. "Ich sagte doch schon: Gar nicht. Rhakyr ist bei Weitem nicht so dumm wie du vielleicht glaubst. Wie willst du überhaupt da rein kommen, hm? Willst du anklopfen und sagen: Hallo, ihr lieben Wölfe, darf ich mit euch spielen?" "Ich sag einfach, ich wäre du." "Oh, tolle Idee. Und das soll funktionieren? Tharas, ich bitte dich, sei vernünftig." "Ich bin doch vernünftig. Das ist die einzige Möglichkeit. Gerade weil ich dein Sohn und ein Wesen der Finsternis bin kann ich nie genau wissen, ob nicht irgendwann die dunkle Seite in mir durchbricht. Dann wäre ich tatsächlich ein Feind der Elfen und der, den ich liebe wäre sein Leben los. Ich muss das jetzt und für alle Zeiten aus der Welt schaffen." "Wenn deine dunkle Seite zum Vorschein käme, wärst du nicht mehr in der Lage, irgendjemanden zu lieben, auch Rean nicht und es wäre dir egal, was mit ihm passiert." "Ein Grund mehr, es jetzt zu tun." "Denk doch mal an mich. Wenn ich deiner Mutter sagen muss, dass du tot bist, dann ist der Ofen für alle Zeiten aus. Dann geht das Herrscherhaus ohne Thronfolger unter. Schon mal darüber nachgedacht?" "Ja, und weißt du was? Es ist mir egal. Mach's gut, Vater." Er trennte die Verbindung. Llandon versuchte noch einmal, mit ihm in Kontakt zu treten, doch Tharas hatte seine Gedanken abgeschirmt. /Oh, du dummer Junge./, dachte er. /Dein Herz ist viel zu weich. Bei dir besteht nicht einmal ansatzweise die Gefahr, dass deine dunkle Seite zum Vorschein kommt. Ich hoffe, du hast mehr Glück als Verstand. Und dass Rhakyr dich unbehelligt ziehen lässt. Ansonsten kann dich nur noch ein Wunder retten./ Hinter dem Felsen atmete Tharas tief durch. /Los geht's./, dachte er und stieg in die Schlucht hinab. Am Grunde der Felsspalte hatten sich die Wölfe an dem Punkt versammelt, an dem er den Boden ihres Reviers betreten würde. Er straffte die Schultern, richtete sich hoch auf und setzte einen hochmütigen Blick auf als er die letzte der natürlichen Stufen erreichte. Die Wölfe starrten ihn misstrauisch und teilweise mit offener Feindseligkeit an. "Lasst ihn ein“, hörte er plötzlich eine raue, kratzige, männliche Stimme in seinem Kopf. Das Rudel schien sie auch zu hören, denn sie bildeten einen Durchgang bis zum Eingang der Höhle. Tharas spürte die ihm folgenden Blicke mit jedem Schritt deutlicher. Langsam bekam er selbst Zweifel, ob sein Plan so gut gewesen war. Vor dem Höhleneingang zögerte er kurz. "Tritt ein“, forderte ihn die Stimme auf. Er wusste, jetzt gab es kein Zurück mehr. Er musste den Kopf ein wenig einziehen, um nicht gegen die Decke zu stoßen als er in den Schlund aus Dunkelheit eintrat. Er folgte dem Gang nur für ein paar Meter. Direkt an dessen Ende öffnete sich eine Höhle, die mitnichten mit der seines Vaters unter der Burg von Arc zu vergleichen war. Sie war dunkel, stickig und ziemlich klein, doch immerhin konnte er wieder aufrecht stehen. Das graue Gestein war scharfkantig und trostlos. Es wunderte ihn ein wenig, dass das ganze Rudel darin Platz finden sollte. Sein Blick fiel auf einen Felsen an der hinteren Wand der Höhle. Dort saß ein riesiger grauer Wolf und blickte ihn durchdringend an. Seine gelben Augen schienen im Dunkel zu leuchten. "Llandon, mein alter Freund“, krächzte er. "Es ist lange her." "Rhakyr“, sagte Tharas und es gelang ihm, das Zittern in seiner Kehle zu unterdrücken und eine perfekte Kopie der Stimme seines Vaters abzugeben. "Wie mir scheint sind die Jahre mit dir wesentlich schonender umgegangen als mit mir“, sagte der graue Wolf und bleckte seine scharfen Zähne. "Nur auf den ersten Blick, alter Freund. Auch ich fühle das Alter. Ich habe es lediglich der Magie zu verdanken, dass ich noch immer wie ein junger Mann aussehe“, erklärte Tharas und kam näher. "Als wir uns kennen lernten, sahst du schon etwas älter aus. Woran liegt es, dass du kaum älter als zwanzig Sommer erscheinst?", fragte Rhakyr. Tharas fühlte sich ertappt. Wusste der Leitwolf etwas und wollte ihm eine Falle stellen? Was sollte er darauf antworten? "Nun, " erklärte er schließlich, "Es ist so… Mein Name verbreitet in der Welt immer noch Angst und Schrecken, doch glauben die Menschen törichterweise, dass ich bereits ein alter Mann bin. Ich spiele etwas mit meinem Alter um sie zu verwirren." "So ist das also. Und ich dachte, es wäre ein Weibchen…" Tharas beschloss, auf das Spiel einzugehen. Je länger sie sich unterhielten, desto mehr Vertrauen fasste der Wolf zu ihm. Das hoffte er jedenfalls. Hoffentlich verstrickte er sich nicht in Widersprüche. "Eines? Mein Freund, der positive Nebeneffekt ewiger Jungend ist doch, dass man unter den schönsten Frauen von allen wählen kann. Und das seit vielen Jahrzehnten." Er lächelte überheblich. "So, der Herr hat also einen ganzen Harem? Das wundert mich nicht im Geringsten. Zumal anscheinend auch ein Elfenweibchen dabei zu sein scheint…" Rhakyrs Stimme hatte einen lauernden Unterton, der Tharas keineswegs entging. "Darf ich erfahren, woher du diese Erkenntnis nimmst?", erkundigte sich der Magier weil er nicht wusste, wie er anders reagieren sollte. Langsam fühlte er sich unwohl in seiner Haut. "Es ist ganz einfach… Du riechst nach Elfen“, sagte Rhakyr und diesmal war die Bedrohung ganz deutlich zu hören. War er aufgeflogen? So schnell? Wie war das möglich? Er selbst war völlig von seiner Rolle überzeugt gewesen. Nicht einmal seine Mutter hätte seine Stimme von der seines Vaters unterscheiden können. Und die Ähnlichkeit zwischen ihnen war schon immer verblüffend gewesen. "Ich bin kurzfristig in ihre Gefangenschaft geraten“, erklärte er. "Aber du glaubst doch nicht, dass sie Llandon den Schrecklichen gefangen halten können, oder?" "Fürwahr, Llandon den Schrecklichen nicht…", sagte der Wolf bedächtig. "Aber dich schon… Llandons Sohn." Anscheinend war Tharas die Überraschung deutlich ins Gesicht geschrieben, denn es schien ihm, als würde Rhakyr lächeln. "Dachte ich es mir doch“, fuhr der Wolf fort. "Ich wusste von Anfang an, dass du nicht mein Herr und Meister bist. Du wurdest bereits bemerkt als du hinter dem Felsen warst. Zuerst dachte ich, du wärst wirklich unser Meister, als mir meine Kinder von dir berichteten. Doch warum kamst du dann nicht einfach herunter? Willst du wissen, woran ich dich letztendlich erkannt habe?" Tharas nickte. "Weißt du, in welcher Gestalt dein Vater regelmäßig zu uns kam?", fragte der Leitwolf und da ging Tharas ein Licht auf. "Als einer der Eueren. Als schwarzer Wolf“, sagte er. Rhakyr nickte. "So ist es. Doch wie mir scheint, hat er dir von uns erzählt, denn woher solltest du sonst seinen Namen für mich kennen? Immerhin ist dein Vater der einzige, der mich so nennt. Erzähl mir, weshalb bist du hierher gekommen? Bestimmt nicht aus einem freundschaftlichen Grund, denn dann hättest du dich nicht zu verstellen brauchen. Haben dich die Elfen geschickt? Bist du derjenige, der mich beseitigen soll?" Tharas wusste nicht, was er sagen sollte. Er war von Anfang an erkannt worden. Er war mit offenen Augen in die Falle getappt. Seine Intuition sagte ihm, es wäre besser, bei der Wahrheit zu bleiben. Schließlich sagte er einfach: "Ja, das bin ich." "Ich kann dich wohl nicht davon abhalten“, sagte Rhakyr traurig. "Doch du weißt, dass du dann nie wieder lebend aus dieser Höhle herauskommen wirst, nicht wahr? Sieh dich um." Als Tharas sich umdrehte, hatte sich das gesamte Wolfsrudel hinter ihm in der Höhle und im Durchgang versammelt. Sie alle standen in Angriffsposition. /Jetzt hast du ein echtes Problem. Warum hast du nichts gemerkt?/, dachte Tharas. "Es tut mir Leid um dich, Llandons Sohn. Vor allem tut es mir Leid für deinen Vater. Er ist wirklich ein sehr guter Freund und es tut mir in der Seele weh, ihm sein Junges zu nehmen. Doch du hast noch eine Chance. Wir lassen dich gehen, unter der Voraussetzung, dass du keinen der unseren verletzen wirst. Und du musst den Elfen entsagen, das heißt beim morgigen Angriff bist du auf unserer Seite. Was sagst du dazu?" Tharas ließ den Kopf hängen. Seine Gedanken überschlugen sich. Er war gefangen zwischen den Wölfen, sein Ziel noch zu weit entfernt. Ein unangenehmes Gefühl, das er angesichts einer solchen Situation für immer aus seinem Leben verdrängt zu haben glaubte, stieg in ihm auf: Angst. Reans Gesicht erschien vor ihm. Das dunkle Blau seiner Augen, sein fröhliches Lächeln. Nein. Er würde niemals zulassen, dass ihm etwas geschah. Er musste seine Aufgabe erfüllen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Unmerklich spannte er seine Muskeln an um schnell angreifen zu können, denn die nächsten Schritte würden alles entscheiden. Langsam hob er wieder den Kopf, blickte Rhakyr direkt in die Augen und sagte leise und eindringlich: "Niemals." Im nächsten Moment zog er sein Schwert und teleportierte sich nah genug an den Leitwolf heran, um es in hohem Bogen zu schwingen und ihm den Kopf von den Schultern zu trennen. Blut spritzte als Rhakyrs Körper noch kurz zuckte und dann zusammenbrach. Sofort griffen die Wölfe an und sie waren keineswegs so kopflos wie Tharas gehofft hatte. Fünf von ihnen stürzten sich gleichzeitig auf ihn und er hatte Mühe, sie abzuwehren. Schnell zauberte er sich von ihnen weg, zu dem Punkt, der dem Ausgang am nächsten war. Doch auch dort standen sie. Er musste erneut teleportieren, doch noch bevor er verschwunden war hatte einer der Wölfe sein Bein geschnappt und sich hinein verbissen. In der Enge der Höhle war es Tharas unmöglich zu kämpfen, deshalb ignorierte er den Schmerz und konzentrierte sich mit aller Kraft auf die Schlucht. Im nächsten Moment stand er draußen an der frischen Luft, und das erste Licht des Tages kündigte sich an. Der Wolf hing immer noch an seinem Bein und Tharas rammte ihm sein Schwert in den Rücken, woraufhin er von ihm abließ und verendete. Doch die anderen folgten ihm. Sie waren überall und bissen wie wild um sich. Er schaffte es, sich einige von ihnen vom Leib zu halten und niederzustrecken, doch es waren einfach zu viele. Einer der Wölfe rammte seinen Arm, woraufhin sein Schwert davonflog und zwischen grauen, sich flink bewegenden Körpern verschwand. Gut, dann eben mit dem Dolch weiter. Schnell zog er die kurze Waffe aus dem Schaft seines rechten Stiefels und verteidigte sich damit weiter. Einer der Wölfe stürzte wütend knurrend auf ihn zu und schnappte nach ihm, doch Tharas konnte ihm den Dolch von unten in die Schnauze rammen. Kurz sah er sein Schwert aufblitzen. Schnell warf er sich zwischen das Rudel und erlangte seine Waffe zurück. Er nahm den unfairen Kampf wieder auf und nach kurzer Zeit lagen um ihn herum bereits einige tote Wölfe, doch blutete er selbst aus unzähligen Wunden, die sie ihm mit ihren scharfen Zähnen und Krallen ins Fleisch gerissen hatten. Eine der schlimmsten hatte ihm eines der Tiere zugefügt, als es seine Krallen in seinem Rücken versenkt hatte. Tharas purer Überlebenswille hatte ihn bis jetzt aufrechterhalten, doch langsam verließen ihn seine Kräfte. Seine Beine gaben unter ihm nach und er sank in die Knie. Die Wölfe bemerkten seine Schwäche sofort und einer sprang vor, um sich in Tharas Kehle zu verbeißen und dem Kampf ein Ende zu bereiten. Tharas schloss die Augen und es schien, als würde sein Leben noch einmal vor ihm vorbei ziehen. Doch der Schmerz blieb aus… Der Wolf wurde in der Luft zur Seite geworfen als er von etwas getroffen wurde. Sofort richtete sich die Aufmerksamkeit des restlichen Rudels auf den Störenfried. Auch Tharas öffnete verwundert wieder die Augen und starrte in dieselbe Richtung. Vor dem Hintergrund des langsam heller werdenden Himmels zeichnete sich eine schlanke, zierliche Gestalt mit einem Bogen ab. Der nächste Pfeil lag schon auf der Sehne und wurde prompt abgeschossen. Der Wolf, der am nächsten bei Tharas stand, sank tödlich getroffen zu Boden. Noch ehe sich Tharas versah, sprang neben der ersten Gestalt eine zweite in die Luft, zog dort die Beine an und landete kurz darauf mit einer eleganten Bewegung neben ihm. Ein Schwert fuhr aus der Scheide und der fremde Krieger pflügte wie ein Sturmwind durch die Wölfe und mähte einen nach dem anderen nieder. In kurzer Zeit waren von dem ganzen Rudel nur noch einige wenige übrig. Tharas Gesichtsfeld wurde kleiner und er wusste, dass er gleich das Bewusstsein verlieren würde. Doch der Kampfstil kam ihm irgendwie bekannt vor. Der Krieger trug anscheinend einen dunkelblauen Mantel mit einem Tuch vor dem Gesicht. Das war die einfache Jagdkleidung der Elfen… Wieder wurde einer der Wölfe, der sich auf Tharas stürzen wollte, von einem Pfeil getroffen. Doch das bekam der Prinz nicht mehr mit. Erst als der letzte der Wölfe tot am Boden lag hörte Meleans Raserei auf. Er gab Rean ein Zeichen, dass alles in Ordnung war und er herunter kommen könne. Schnell ging er in die Hocke und beugte sich über Tharas, der mittlerweile das Bewusstsein verloren hatte. "Was ist mit ihm?", fragte Rean verzweifelt. "Sind wir zu spät gekommen?" Melean ertastete Tharas Puls und stellte erleichtert fest, dass er noch lebte. Das teilte er Rean umgehend mit und fügte hinzu: "Aber er ist schwer verletzt. Er muss sofort ins Dorf. Wenn wir ihn nicht schnell dorthin schaffen, verblutet er." "Und wie sollen wir das machen? Wir haben kein Pferd und zu Fuß sind wir nicht schnell genug." "Ich werde ihn tragen“, erklärte der Elfenkrieger. "Das schaffst du nicht. Er ist fast so groß wie du und bestimmt nicht gerade leicht. Außerdem bist du bestimmt müde vom Kampf“, machte ihn Rean aufmerksam. "Müde? Rean, ich bin gerade erst warm geworden. Das Problem ist eher, dass wir beide keinen Hautkontakt haben dürfen, denn das würde ihm ziemliche Schmerzen bereiten. Ich hoffe, der Stoff ist dick genug." Er nahm Tharas huckepack und strebte dem Ausgang der Schlucht zu. Rean war überrascht wie stark der Elf war. Er wirkte zwar zierlich, ja sogar zerbrechlich, doch das täuschte anscheinend ganz gewaltig. Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte Melean nach. Als dieser oben angekommen war, rief er Rean zu: "Los, komm schon. Worauf wartest du noch? Auf bessere Zeiten?" Rean setzte sich unverzüglich in Bewegung und sie liefen nebeneinander Richtung Dorf, doch ihm fiel bald auf, dass Melean langsam aus der Puste kam. "Puh, auf die Dauer wird er ganz schön schwer“, stellte der Elf schnaufend fest. "Setz ihn ab, dann tragen wir ihn zusammen“, schlug Rean vor. "Gute Idee. Du bist ja nur fast zwei Köpfe kleiner als ich und höchstens halb so stark. Mach dich nicht lächerlich." Tharas gab ein leises Stöhnen von sich. "Ein gutes Zeichen“, wertete Melean. "Wenigstens lebt er noch." "Aber er sieht gar nicht gut aus…", widersprach Rean besorgt. "Und er blutet immer noch so stark. Ich frag dich ungern, aber kannst du vielleicht noch ein wenig schneller laufen?" "Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben. Was für eine Schinderei. Ihr beide seid mir was schuldig wenn wir zurück sind." Er blies sich eine vorwitzige Locke aus der Stirn und schaffte es tatsächlich, noch einen Zahn zuzulegen. Kurz nachdem sie die Quelle passiert hatten musste Melean dann doch innehalten. "Ich glaube, du musst mir doch ein wenig helfen“, gab er zu. Er ließ Tharas von seinem Rücken und legte sich dessen linken Arm um die Schulter, Rean nahm den rechten. So kamen sie zwar wesentlich langsamer voran, doch nahm Melean immer noch die Hauptlast auf sich und sie konnten ein gewisses Tempo halten. Reans Blick wanderte immer wieder besorgt zu Tharas. Sein Kopf hing auf der Seite und sein Haar hing ihm ins Gesicht. Hätten sich nicht die Strähnen im Luftzug seines Atems bewegt, Rean hätte ihn für tot gehalten. Sie waren völlig außer Atem als endlich das Dorf in Sicht kam. Einige der Elfen hatten sie bereits aus der Ferne erblickt und kamen ihnen aufgeregt entgegen. Auch Aures war der Tumult nicht entgangen und als Melean und Rean mit dem verletzten Tharas zwischen sich den Dorfplatz betraten kam er ihnen mit ärgerlichem Blick entgegen. "Melean, was soll das?", herrschte er den Krieger an. "Ich habe das getan, was ich für richtig hielt und jetzt geh mir aus dem Weg, Aures“, erwiderte Melean und schob sich an seinem Mann vorbei. Als sich das Problem ergab, wie man Tharas am besten in einer der nächstgelegenen, unbenutzten Hütten bringen sollte, sprangen gleich ein paar Elfen herbei und gingen den beiden zur Hand. Nachdem sie den Verwundeten auf einem Bett abgelegt hatten, befahl Melean: "So, und jetzt raus mit euch. Alle. Du bleibst hier, Rean." Melean schaute den Jungen ernst an. "Weißt du, wie man Wunden versorgt?", fragte er. "Ja. Aber zuerst müssen wir erst einmal untersuchen, wo er überall verletzt ist." "Gut, dann tu das bitte." "Hilfst du mir nicht dabei?", fragte Rean verwirrt. "Ich kann nicht. Wenn ich das tue, bereite ich ihm nur unnötig Schmerzen. Aber ich bleibe hier und versuche, dich so gut wie möglich zu unterstützen. Also los." Vorsichtig schälte der Junge seinen Freund aus seinen völlig zerfetzten Kleidern. Dann untersuchte er Tharas erst einmal gründlich von vorne. Melean hatte von einem Diener Heilwasser und Verbände bringen lassen, mit welchem Rean die Wunden auswusch und sie anschließend verband. Schwierig wurde es, als er ihn umdrehen musste. Melean wickelte sich seinen Mantel um Arme und Hände und half ihm dabei. "Oje, das sieht übel aus“, meinte er. Zuerst müssen wir die Wunde auswaschen, das ist klar. Doch ich fürchte, das reicht bei Weitem nicht. Diese ist ziemlich tief. Wenn er an einer Wunde stirbt, dann an der. Auch eine am Bein ist ziemlich schlimm. Hoffentlich entzündet sich nichts. Verflixt, ich wünschte, wir hätten Thianöl. Was Besseres gibt es gar nicht." Thianöl? Der Name sagte Rean irgendwas. Er begann, in seiner Erinnerung zu forschen, wann er dieses Wort schon einmal gehört hatte. Dann fiel es ihm plötzlich wieder ein. "Aber wir haben doch welches!", rief er aufgeregt. "Wie bitte?", erkundigte sich Melean verdutzt. "Ja! Ich erinnere mich ganz genau. Llandon hat Tharas vor unserem Aufbruch eine ganze Flasche voll mitgegeben. Die muss irgendwo in seiner Tasche sein! Ich geh sie suchen!", rief er und wollte schon aufspringen, doch Melean hielt ihn am Arm zurück. "Halt“, sagte er. "Du wirst hier gebraucht. Ich werde gehen. Du wäschst seine Wunden aus." Damit erhob er sich und ging. Rean ließ sich wieder an Tharas Seite nieder, tauchte ein frisches Tuch in die Schüssel mit Heilwasser und begann, die tiefen Kratzer am Rücken zu säubern. "Stirb nicht, Tharas, bitte“, flehte er leise. Tharas stöhnte auf, als das Tuch seine Wunden berührte. Rean konnte seinen Schmerz förmlich spüren und er beugte sich hinunter zu Tharas Ohr und flüsterte: "Es ist gleich vorbei, ja? Nur noch ganz kurz. Bitte verzeih' mir, aber es muss sein." Kurz darauf kam Melean zurück. Er wirkte missmutig. "Ich bin unterwegs Aures begegnet“, erklärte er leichthin. "Ich glaube, nur ausziehen reicht wohl nicht mehr." "Warum ist er so sauer weil wir Tharas gerettet haben? Hat er was gegen ihn?", fragte Rean und klang aufrichtig enttäuscht. Bisher hatte er den Fürsten der Elfen eigentlich ganz gut leiden können. Melean schüttelte den Kopf. "Das ist es nicht“, erläuterte er. "Er war in Sorge um uns als er heute Morgen feststellte, dass wir weg waren. Ich denke es war eher so, dass er Angst hatte, uns könnte etwas passieren. Dennoch war und bin ich nicht einverstanden, dass er Tharas einfach so allein hat losziehen lassen. Und ich glaube, er hat eingesehen, dass er damit einen Fehler gemacht hat. Das zuzugeben fällt ihm äußerst schwer. Er ist sehr stolz, musst du wissen. Das alles zusammen hat ihn unheimlich aufgeregt. Aber das renkt sich schon wieder ein." "Hast du es gefunden?", fragte Rean. "Hab ich“, antwortete Melean und zog den Flakon mit der klaren Flüssigkeit im Innern aus einer Tasche zwischen den Falten seines Mantels und reichte sie Rean mit den Worten: "Du brauchst nicht viel davon. Du musst nur den Zipfel des Tuchs damit tränken, das reicht für die komplette Wunde." "Danke“, sagte der Prinz und öffnete die Flasche. Das Öl war geruchsneutral und ziemlich dünnflüssig. Rean hielt wie geheißen ein Stück des Tuchs an den Flaschenhals und stürzte das Gefäß. Danach machte er sich daran, das Öl auf Tharas Rücken zu verteilen, woraufhin dieser wieder aufstöhnte. "Was glaubst du, wie er gestöhnt hätte, wäre ich derjenige, der das macht?", fragte Melean. Rean verstand, was er meinte. Die Schmerzen waren ohnehin schon schlimm genug und ein Elf hätte sie nur verstärkt. Fast schon zärtlich wickelte er einen Verband um Tharas Oberkörper, wobei ihm Melean wieder helfen musste, den Prinzen von Arc festzuhalten. "Jetzt hilft nur noch hoffen, dass er den Willen hat zu überleben“, meinte der Elfenkrieger als sie Tharas wieder Bauch nach unten ins Bett gelegt hatten. "Sieh dir in ein paar Stunden noch einmal seine Wunden an. Ich werde jetzt zu meinem Gatten gehen und das eine oder andere klären." Er stand auf und verließ den Raum. Dann kehrte er noch einmal kurz zurück und sagte: "Du warst sehr tapfer heute, Rean. Ich denke, deine Familie wäre sehr stolz auf dich. Versuch auch, ein wenig zu schlafen, ja?" Dann ließ er Rean und Tharas allein zurück. Rean wachte Tag und Nacht an Tharas Lager. Manchmal kam ein Elf und brachte ihm zu Essen und zu Trinken und auch Melean und Soley ließen sich ab und zu sehen, um sich nach Tharas Zustand zu erkundigen. Mit diesem ging es von Tag zu Tag bergauf. Das Heilwasser und das Thianöl wirkten Wunder, zumindest was die körperlichen Wunden betraf. Was Rean weitaus mehr Sorgen bereitete war die Tatsache, dass Tharas anscheinend in seiner eigenen Welt gefangen war und einfach nicht aufwachen wollte. Was, wenn er nie mehr aufwachte? Einige Tage nach ihrer Rückkehr saß er wieder da und versorgte die große Wunde auf Tharas Rücken, mittlerweile die einzige, die noch nicht wirklich verheilt war. Doch auch diese Heilung schritt voran, denn die Kratzer waren kaum noch mehr als hellrote Striemen auf der weißen Haut. Gerade hatte er den Verband abgenommen als Melean eintrat. Rean war so vertieft in seine Aufgabe gewesen, dass er erschrocken zusammenfuhr und aufsprang als der Krieger ihm eine Hand auf die Schulter legte. Dabei rutschte Tharas Decke vom Bett. "Oh, " sagte Melean und sein Blick wurde eindeutig zweideutig, "interessante Rückansicht, muss ich schon sagen." "Interessiert mich nicht“, behauptete Rean und zog die Decke wieder über seinen Freund. Normalerweise zog er Tharas ein Hemd über, doch wenn er den Verband wechselte zog er es ihm wieder aus. "Wie geht es ihm?", erkundigte sich der blonde Elf. "Die Wunden heilen gut, doch er ist immer noch nicht wach. Glaubst du, er kommt jemals wieder zu sich?" "Ich denke schon“, antwortete Melean zuversichtlich. "Aures hat mir erzählt, dass er nicht einen Augenblick gezögert hat, die Vernichtung des Wolfsrudels in Angriff zu nehmen obwohl ihm bewusst war, dass er keine Hilfe zu erwarten hatte, wenn er dich aus der Bürgschaft befreien wollte. Das war eine Aufgabe, die er nur alleine erfüllen konnte. Er kommt zurück. Und wenn es nur wegen dir ist." "Nur um mich von meiner Pflicht zu entbinden von der nicht einmal sicher war, dass ich sie jemals hätte erfüllen müssen. Verrückter Kerl." "Du musst ihm ziemlich viel bedeuten. So ein Wagnis nimmt man nicht leichtfertig auf sich." Rean überlegte. Was hatte sein Freund ihm sagen wollen bevor er gegangen war? Vielleicht… Nein, das war unmöglich. So tief konnte es noch nicht sein. Niemals. Melean lächelte. "Ich gehe jetzt wieder, nachdem es keine Veränderungen gibt. Außerdem muss ich noch ein paar organisatorische Dinge klären. Gib mir Bescheid, wenn sich irgendetwas ändert, ja?" "Mach ich“, antwortete Rean und lächelte Melean zu. Dieser nickte und verließ ihn wieder. Was hatte er gesagt? Interessante Rückansicht? Elfen hatten doch wirklich nur das eine im Kopf. Wie der Volksmund sagte. Melean war dafür geradezu ein Musterbeispiel. Er griff nach dem Tuch in der Wasserschüssel, die auf einem Schemel neben dem Bett stand und begann, die Wunde abzutupfen. "Den Rest übernimmt das Heilwasser“, hatte Melean zwei Tage zuvor gesagt und tatsächlich hatten sie das Öl nicht mehr gebraucht. Erst jetzt, nach Meleans eindeutiger Äußerung, fiel Rean auf, dass er Tharas mit anderen Augen sah. Er hatte ihn schon öfter nur halb bekleidet oder sogar nackt gesehen und sich nie etwas dabei gedacht. Doch plötzlich war da etwas anders. Er hielt in seiner Bewegung inne und betrachtete seinen schlafenden Freund. Er hatte Tharas Haar im Nacken geteilt und die beiden Strähnen leicht eingedreht um leichter an die Verletzung heran zu kommen. Er legte das Tuch zurück in die Schüssel und berührte sanft mit den Fingerspitzen die weiche, warme Haut. Sogar Tharas Rücken war durchtrainiert. Eine Tatsache, die der Junge noch nie bewusst wahrgenommen hatte. Seine Neugier war geweckt. Sollte er es wagen? Seine Hand wanderte nach unten zur Decke. /Nein! Das kannst du doch nicht allen ernstes machen!/, schalt er sich selbst. /Er kann sich nicht einmal dagegen wehren. Du würdest ihn ausnutzen!/ Doch er wollte wissen, was der Elfenkrieger gemeint hatte. Vorsichtig schob er die Decke Stück für Stück nach unten… und musste zugeben, dass Melean Recht hatte. Aber im nächsten Moment wurde er sich bewusst, was er da eigentlich tat, wurde rot und zog die Decke wieder nach oben. Sein Herz klopfte so stark als wolle es zerspringen. /Was ist nur los mit dir?/, fragte er sich. Wie in Trance begann er, über Tharas Rücken zu streicheln. Es war schön, den kräftigen Körper unter den Händen zu spüren und ein merkwürdiges Gefühl bemächtigte sich seiner. Bildete er sich das nur ein oder spannten sich die Muskeln tatsächlich unter seinen Berührungen an? Und was war das auf einmal für ein Geräusch, das er da aus Richtung Kopfkissen hörte? Es hörte sich an wie ein Schnurren. Verwirrt hielt er in der Bewegung inne. "Wehe, du hörst jetzt auf“, beschwerte sich eine durch das Kissen gedämpfte Stimme. "Tharas?!?" "Tut unheimlich gut, so eine kleine Streichelsalve. Bitte weitermachen“, sagte die Stimme aus dem Kopfkissen. Rean schluckte. "Seit wann bist du denn wach?", fragte er. "Bin gerade erst aufgewacht“, antwortete Tharas und erhob sich leicht, um besser verstanden zu werden. "Aber wenn du so weiter machst, schlafe ich auch gern wieder ein. Also, was ist?", fragte er und grinste frech über die Schulter nach hinten. Rean knickte ein. "Also gut, leg dich wieder hin“, sagte er und fuhr fort. Tharas genoss das Gefühl von Reans zarten Berührungen auf seiner Haut. Plötzlich durchlief ihn ein Schauer. Er spürte Reans warmen Atem in seinem Nacken und kurz darauf seine Lippen. Die schlanken Finger fuhren seine Wirbelsäule entlang. "Ich bin so froh, dass du wieder bei mir bist“, flüsterte der Junge in sein Ohr. "Rean?", hauchte er. Reans Lippen folgten seinen Fingern und zogen eine Spur aus kleinen Küssen über Tharas Haut. /Oh Gott, Rean hör auf, sonst verliere ich die Beherrschung./, dachte er. Doch Rean dachte anscheinend gar nicht daran, aufzuhören und ein unterdrücktes Stöhnen drang aus Tharas Kehle. Sein Körper bebte. Das war zu viel. Sein Blut suchte sich selbstständig seinen Weg in tiefere Regionen. "Stopp!", rief er keuchend. Anscheinend wurde auch dem Jungen in dem Moment klar, was er im Begriff war zu tun, denn er brach sofort ab und errötete bis in die Haarspitzen. "Tut mir Leid“, sagte er schüchtern. "Ich… " "Schon gut. Holst du mir bitte was zu trinken?", fragte Tharas. Rean nickte, erhob sich blitzartig und schon war er verschwunden. Tharas versuchte, sich wieder abzukühlen, doch es gelang ihm nicht. Rean hatte ein Feuer in ihm entfacht, das er nun nicht mehr löschen konnte, nie wieder. Rean lehnte sich draußen ans Geländer der Brücke. Was hatte er nur getan? Und warum hatte er es getan? Die plötzliche Heftigkeit seiner eigenen Gefühle überraschte ihn. Er atmete tief ein und aus. Die Situation war völlig außer Kontrolle geraten. Was mochte Tharas jetzt von ihm denken? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)