Erdbeeren und Schlagsahne von abgemeldet
(Mulder, Scully und ein freier Abend.....)
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Es war 21:35 Uhr. Fox Mulder wuselte durch seine Wohnung und räumte auf, so
schnell es ging. Sie konnte jeden Moment die Tür aufschließen und hier sah es
aus wie...na ja, wir wollen uns nicht näher damit befassen, es ist eben Mulders
Wohnung.
Normalerweise war es ordentlicher. Sie sah sich regelmäßig dem Zwang
ausgesetzt, ein bisschen Ordnung zu schaffen, wenn sie hier war und das war in
den letzten Monaten sehr oft vorgekommen. Doch die vergangenen drei Wochen war
sie auf eine Reise geschickt worden. Ein schwieriger Fall war das gewesen und
ihre Kollegen offenbar vollkommen unbrauchbar. So hatte sie es zumindest am
Telefon ausgedrückt. Doch nun war es soweit: Nach einem Tag Jet-Lag auskurieren
und in Ruhe zu Hause ankommen, war sie auf dem Weg zu ihm. Sozusagen eine kleine
„Willkommen-zu-Hause“-Feier. Nur sie beide. Hoffentlich ohne Störungen...
Da ertönte auch schon das vertraute Geräusch des Schlüssels in der Tür und
gerade als er die letzte Kerze anzündete, stand sie im Wohnzimmer.
„Hey, du gibst dir ja richtig Mühe...“, grinste sie.
„Natürlich, hast du anderes erwartet?“
Er ging zu ihr und küsste sie sofort. „Immerhin warst du so lange weg...“,
flüsterte er. Sie lächelte nur und erwiderte seinen Kuss. Es dauerte nicht
lange und sie fanden sich auf dem Sofa wieder, eng verschlungen. Der Wein, der
neben ihnen auf dem Tisch stand, blieb unberührt, was eigentlich schade war,
denn Mulder hatte nicht gerade wenig dafür bezahlt. Langsam fing er an ihre
Bluse auf zuknöpfen, da setzte sie sich auf.
„Sag mal...“
„Hmmm?“ Sie spielte mit seinen Händen und saß auf seinem Bauch, sodass er
sich nicht wirklich bewegen konnte.
„Hast du zufällig...“ Sie zögerte.
„Was denn? Sag’s einfach, bei dir überrascht mich eh nichts mehr...“
„Erdbeeren und Schlagsahne?“
Er sah sie geschockt an. Verwundert über seinen Blick zog sie die Augenbrauen
hoch.
„O Gott, ich wusste, ich wollte noch irgendwas machen!“
„Was, du wolltest welche kaufen? Warum?“
„Bevor du gefahren bist, hast du irgendwann mal eine Andeutung gemacht, die
mich auf genau diese Idee gebracht hat. Das hatte ich heute eigentlich
vor...“
„Und jetzt?“
„Der Supermarkt um die Ecke hat noch zehn Minuten offen, vielleicht schaff
ich’s noch!“
Sie stand auf und er zog schnell seine Schuhe an. „Soll ich...?“
„Du bleibst schön hier sitzen und machst den Wein auf. Ich bin gleich wieder
da.“
„Danke.“ Sie küsste ihn, dann schnappte er sich sein Portmonee und den
Schlüssel und war auch schon verschwunden.
Sobald er zur Tür hinaus war, nahm sie die Flasche in die Hand. Das Etikett
verhieß Gutes, einer ihrer Lieblingsweine.
Sie sah sich auf dem Tisch um: Kein Flaschenöffner. Seufzend machte sie sich
auf die Suche, was einige Zeit dauern konnte, bei Mulders Art aufzuräumen...
Der rannte inzwischen die verlassene Straße entlang. Ein paar Straßenlampen
waren ausgefallen, doch er kannte den Weg. Dieser Supermarkt hatte ihn schon oft
gerettet... Plötzlich sauste etwas Kleines von rechts auf die Straße. Abrupt
blieb er stehen. Sofort griff er zu seinem Halfter, musste allerdings
feststellen, dass er seine Waffe nicht mitgenommen hatte. Auf der Stelle fühlte
er sich wehrloser. , schoss es ihm durch den Kopf.
Er machte einen Schritt auf das Etwas zu. Es knurrte. Dann fing es an zu
kläffen. In einem hohen, widerlichen Ton. Da erkannte Mulder den nervigen
Köter, der in dieser Straße wohnte. Normalerweise war er hinter dem Zaun.
Gefährlich war er hier draußen aber auch nicht mehr als im Garten, bei einer
Höhe von etwa dreißig Zenitmetern. Er ging weiter. Da stürzte die Töle auf
ihn los. Er holte mit dem Fuß aus, warf noch einen kurzen Blick in die
Umgebung, dass ihn auch niemand sah und trat zu. Mit einem leisen Jaulen flog
das Tier einige Meter weit, zurück in seinen Garten. Es landete auf dem Rasen
und blieb unverletzt, aber verwirrt liegen. Bevor es sich gänzlich aufgerichtet
hatte, war das Gartentor bereits geschlossen und Mulder lief weiter. Wütend
bellte es hinter ihm her und sprang hinter dem Tor auf und ab.
21:55 Uhr. Fünf Minuten. Auch Angestellte wollten Feierabend machen... So
beschleunigte er seinen Sprint und bog um die letzte Ecke. Er erwartete ein
buntes Licht, das die Anwesenheit des Supermarktes anzeigte, doch es war dunkel.
„Verdammt!“, fluchte er laut, lief zur Tür und versuchte, drinnen etwas zu
erkennen. Irgendwo ganz hinten brannte noch Licht. Ohne Bedenken klopfte er
lautstark gegen die Scheibe. Laut Uhr hatte er noch vier Minuten, also genug
Zeit, um das zu holen, was er wollte. Tatsächlich schlürfte der Chef des
Ladens heran und öffnete die Tür.
„Ja?“, sagte er langsam.
„Guten Abend, es ist 21:56 Uhr, dürfte ich noch ganz schnell was kaufen?“
„Also eigentlich...“
„Sie kriegen auch Trinkgeld.“
Der Mann stutzte. Mulder wusste, dass er nicht sehr schnell von Begriff war und
wartete. „Okay.“
„Danke, vielen Dank.“ Damit stürmte er an ihm vorbei. Erdbeeren und
Schlagsahne waren relativ schnell gefunden, trotz der erschwerenden Tatsache,
dass das Licht noch immer aus war. Schließlich stand Mulder glücklich an der
Kasse, bezahlte und drückte dem Filialleiter fünf Dollar in die Hand. Noch
bevor der irgendwas erwidern konnte, war Mulder schon aus der Tür.
Erleichtert schlenderte er zurück. Je langsamer er lief, desto mehr Wein würde
sie getrunken haben. Nicht, dass er solche Tricks noch nötig hatte, dazu waren
sie zu lange zusammen, doch schaden würde es nicht...
„Halt!“
Von einem Lidschlag auf den anderen stand plötzlich eine lange Gestalt vor ihm,
einen Arm in seine Richtung ausgestreckt. Er bemühte sich nach Kräften noch
zum Stehen zu kommen, doch trotz seines nicht besonders schnellen Tempos hatte
die regennasse Straße da anscheinend was dagegen. So geschah das
Unvermeidliche: Die beiden stießen zusammen, flogen ein kleines Stück und
landeten auf dem Boden. Mulder passierte dabei wenig, auch Erdbeeren und
Schlagsahne blieben heil, allerdings schien es der Gestalt, die er im Licht der
Laterne als jüngeren Mann identifizierte, weniger gut zu gehen. Er verzog das
Gesicht zu einer Grimasse, was Mulder unwillkürlich grinsen ließ.
„Runter von ihm!“, rief eine zweite Stimme und Mulder wurde hochgezogen.
Sobald er den Körper des Mannes nicht mehr berührte, ließ man ihn wieder
fallen und erst im letzten Moment konnte er verhindern, diesmal wirklich auf der
Straße zu landen. Dann wandte er sich dem Schauspiel vor sich zu. Der zweite
Mann, etwas korpulenter als der erste, trug einen älteren, grauen Anzug,
darüber eine ausgebleichte Jacke und eine merkwürdige, flache Mütze. Er half
dem Anderen, der sich den Hinterkopf hielt, vorsichtig auf die Beine. Dieser
erinnerte Mulder sofort an Sherlock Holmes, allerdings eher an eine billige
Kopie. Hose und Jacke waren einfach nur hässlich hellbraun, sein Mantel hatte
ein fleckiges Grau. Nur die Mütze sah genauso aus, wie man es von einem
Detektiv erwarten würde, weshalb sie auch überhaupt nicht zum Rest des Outfits
passte.
„Alles in Ordnung, Sir?“, fragte der Zweite besorgt.
„Jaja, es geht schon. Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“
Wieder musste Mulder grinsen, versuchte aber, seine Belustigung zu verbergen,
während er sprach.
„Was sollte das, bitte? Das ist eine öffentliche Straße, hier darf
man...“
„Ey, willst du misch anmachen odda was?!“, tönte der >Holmes< in perfektem
Türkendialekt, was nur ein Augenrollen Mulders zur Folge hatte.
„Also wenn es Ihnen nichts ausmacht, ich muss weiter.“
„Ey, isch klatsch dir gleisch eine!“
„Lass mich durch, sonst klatscht’s hier gleich zweimal: Einmal klatsch ich
dein Gesicht und dann klatschst du auf den Boden, klar?!“
„Hey, hey, nun mal langsam...“
„Ah, der Herr können auch unsere normale Sprache, ich bin angenehm
überrascht. Kann ich jetzt vorbei?“
„Sie sind auf dem Weg zu Agent Dana Scully, um...na ja, gehen wir nicht näher
darauf ein.“
„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht...“, Mulders Ton wurde langsam
aggressiver.
„Wir sollten uns erst mal vorstellen: Mein Name ist Patrick Holmes, das ist
Chuck Watson.“
„Das sind doch nicht Ihre richtigen Nachnamen, oder?“
Er stutzte kurz, schaute verlegen und fing sich wieder.
„Sie sind Agent Fox Mulder, nicht wahr?“
„Ich wüsste auch nicht, was Sie das angeht.“
„Also ja. Ich...Entschuldigung, wir sind Bundesagenten, hier, unsere
Ausweise.“ Stolz hielten sie ihm tatsächlich echte Ausweise vor die Nase,
nahmen sie aber so schnell wieder weg, dass Mulder nicht in der Lage war, ihre
richtigen Namen zu lesen.
, dachte Mulder, dem es langsam zu
bunt wurde. In seiner Wohnung, keine drei Minuten entfernt, saß eine willige
Scully auf dem Sofa, er hatte sogar mal an die Kondome gedacht und hier standen
zwei Hanseln mit offenbar falschen Angeber-Namen und wollten ihn nicht zu ihr
lassen!
„Was, zum Teufel, wollt ihr von mir?!“
„Wir sind hier, um die Schönste aller Schönen, den Engel auf Erden, die
prächtigste Rose von allen, die Intelligenteste aller...“
„Scully?“, unterbrach er Holmes im Schwärmen und brachte ihn damit aus dem
Konzept.
„Äh, was?“
„Dana Scully?“
„Ja, natürlich, wer sonst?!“
„Und was wollt ihr nun mit ihr?“
„Sie beschützen!“
„Vor was?“
„Wohl eher: vor wem!“
„Was der Sir sagen möchte“, schaltete sich Watson ein, „ist, dass wir
hier sind, um Dana Scully vor Ihren gierigen Blicken und Ihren flinken Fingern
zu schützen!“
Mulder war völlig perplex und wusste erst mal nichts zu erwidern.
Was sollte er auf so eine...er wusste nicht, ob es eine Unverschämtheit oder
eine Dummheit war, antworten?
„Tjaha! Triumph, darauf haben Sie nichts zu sagen!“
„Doch und zwar, dass das...VÖLLIGER SCHWACHSINN IST!“, schrie er. Dann
besann er sich, dass es schon nach zehn Uhr war und atmete tief durch, um sich
zu beruhigen. Er wollte dem Kleinen ja nicht gleich die Nase brechen.
„Ist es nicht! Wir haben es doch gesehen, wie Sie mit Ihren Händen... und
dem...“
„Wann gesehen?“
„Na, vorhin, in Ihrer Wohn...ups.“
„Sie beide haben uns beobachtet? Was verdammt nochmal haben Sie mit Scully zu
tun?!“
„Wir sind ihre Partner!“
Mulder lachte. „Was genau haben Sie geraucht?“
Holmes und Watson sahen sich verwirrt an. „Bitte, was?“
„Was haben Sie zu sich genommen, dass Sie solchen Bullshit von sich geben! Ich
bin Scully's Partner und sonst niemand!“
„Warum haben Sie ihr dann nicht bei ihrem letzten Fall geholfen?“
„Ah, jetzt verstehe ich. Sie sind die zwei aus San Francisco, mit denen sie in
den letzten drei Wochen zusammengearbeitet hat.“
„Sie haben es erfasst. Sie konnte auch Einiges von uns lernen...“
„Wohl eher umgekehrt...“, sagte Mulder leise und tatsächlich schienen sie
ihn nicht zu verstehen, „Okay, aber warum sind Sie jetzt hier?“
„Das haben wir doch eben gesagt, um Agent Scully vor Ihnen zu beschützen!“,
antwortete Watson genervt.
Mulder stöhnte fast noch genervter auf. „Okay, wir machen das jetzt so...“
Gespannt sahen ihn die beiden an. Aber er sprach nicht weiter, sondern rannte
los, zwischen ihnen hindurch und in Richtung seiner Wohnung.
„Bleiben Sie stehen oder ich schieße!“
„Das trauen Sie sich ja doch nicht!“, brüllte Mulder zurück und war um die
Ecke.
„Verdammt, er hat auch noch Recht...Los Watson, hinterher!“, rief Holmes und
stürmte los.
In seinem Apartmenthaus angekommen schickte er den Aufzug in den obersten Stock
und lief die Treppen hinauf. So leise wie möglich verschwand er durch die Tür
in das dritte Stockwerk und horchte. Kurze Zeit später hörte er sie lautstark
vorbei laufen. Schnell machte er sich auf zu Apartment 42 und hoffte, dass sie
ihn erst mal nicht finden würden.
Scully hatte indes den Flaschenöffner gefunden und ließ sich den Wein
schmecken, als Mulder zur Tür herein stürzte und hinter sich ab schloss.
„Ist was passiert?“
„Also, die Umschreibung >unbrauchbar< war doch etwas unter trieben für diese
beiden schrägen Vögel, findest du nicht?“
„Holmes und Watson?“, er nickte und setzte sich neben sie aufs Sofa,
„Naja, sie nennen sich eben wie die beiden Figuren aus den Romanen von Doyle,
aber sonst...wieso, sind sie etwa...?“
„Ja, sie sind hier. Und sie wollten mich gerade aufhalten, her zu kommen.“
„Und...warum?“
„Damit sie dich vor meinen >gierigen Blicken und flinken Fingern> schützen,
so haben sie es zumindest ausgedrückt.“
„Was?“, fragte sie lachend.
„Das ist kein Witz, die sind jetzt hinter mir her! Die haben uns sogar vorhin
beobachtet, haben sie gesagt!“
„Ach, die sind doch ungefährlich...“ Sie küsste ihn zärtlich, wodurch er
sich etwas beruhigte.
„Das schon, aber...sie werden...bald an die Tür...klopfen...“
Mit ihren Küssen hielt sie ihn vom Reden ab. „Komm schon, wenigstens hast du
Erdbeeren und Schlagsahne mitgebracht. Lass uns ins Schlafzimmer gehen, da
hören wir sie nicht...“
„Ah, zu Befehl, Lady.“ Damit umfasste er ihren Nacken und ihre Knie und hob
sie hoch. Sie nahm die Einkäufe und die Weinflasche mit und schon hatte er sie
über die Schwelle getragen und mit dem Fuß die Tür zugemacht.
Tatsächlich klopfte es, während die beiden langsam zur Sache kamen, an die
Wohnungstür. Allerdings hatte Scully Recht gehabt und an die Ohren der beiden
drang absolut gar nichts.
Holmes und Watson versuchten es einige Zeit, doch es regte sich nichts.
„Ob er sie schon ins Schlafzimmer...?“, fragte Holmes entsetzt.
„Wir müssen da rein, koste es, was es wolle!“, meinte Watson
enthusiastisch, „Sollen wir die Tür eintreten?“
Holmes erinnerte sich an das letzte Mal. Damals hatte er sich einen Zeh
gebrochen und eine Gehirnerschütterung zugezogen. Das konnte er nicht noch
einmal riskieren, gerade jetzt nicht.
„Wir sollten es mit den Dietrichen versuchen...“
Das fand Watson zwar nur halb so cool, holte aber bereitwillig sein Etui aus der
Jacke und gemeinsam bemühten sie sich, das Schloss zu knacken. Nach einiger
Zeit und sehr viel Mühe hatten sie es, teilweise mit brachialer Gewalt und
etwas verbogenem Werkzeug, geschafft. Die Tür schwang auf. Drinnen erblickten
sie eine gar nicht so schlecht eingerichtete Wohnung. Im Wohnzimmer sahen sie
sich vielen Kerzen gegenüber, die Watson zur Vorsicht sofort ausblies. Da
ertönte Lachen hinter der Schlafzimmertür.
„Oh mein Gott, wir kommen zu spät...“, sagte Watson enttäuscht.
„Es ist nie zu spät!“, rief Holmes, rannte auf die Tür zu und öffnete sie
schwungvoll. Erschrocken blieb er auf der Schwelle stehen. Mulder lag auf dem
Bett, halb angezogen, eine Erdbeere im Mund, während Scully auf ihm saß, nur
noch in ihrer sehr aufgeknöpften Bluse, die Schlagsahne in der Hand. Ebenso
erschrocken blickten sie zu ihm zurück.
Dann fing er sich wieder und erinnerte sich daran, warum er hier war. Bestimmt
lief er zum Bett, packte Scully's Arm und zog sie hinter sich her. Viel zu
perplex durch die ganze Situation, reagierte sie nicht und als Holmes sie ins
Wohnzimmer geschafft hatte, warf Watson schnell die Tür zu und schloss ab. Auf
der anderen Seite hörte man Mulder Sekunden später gegen die Tür klopfen.
„Was soll die Scheiße! Lasst mich gefälligst raus, damit ich euch die Fresse
polieren kann!“, brüllte er wutentbrannt.
Endlich war auch Scully wieder reaktionsfähig. „Verflucht nochmal, lasst ihn
sofort da raus! Habt ihr sie noch alle?!“
„Erst einmal: Sei gegrüßt, Schönste.“
Holmes kniete vor ihr nieder und versuchte, sie auf die Hand zu küssen, doch
sie entzog sie ihm unsanft.
„Spar dir das und lass meinen Partner da raus“, knurrte sie.
„Aber...er hat doch...“
„Natürlich hat er das! Weil ich es so will!“
„Aber...warum?“
„Weil ich ihn liebe, verdammt, warum denn sonst?!“
„Aber...aber...ich...warum?“, stammelte er.
„Weil eben. Ich muss mich hier nicht rechtfertigen, nicht vor euch.“ Sie
packte ihn am Kragen. „Und jetzt öffnest du auf der Stelle diese Tür.“
Holmes zitterte und gab Watson einen Wink. Vorsichtig drehte er den Schlüssel
um und sprang von der Tür weg. Innerhalb von Millisekunden hatte Mulder Holmes
von ihr weggerissen und hatte ihn nun seinerseits am Kragen. Er hob die Faust.
„Du kleiner Wurm! Was bildest du dir eigentlich ein? Ich sollte...“
„Agent Mulder?“
Alle drehten sich zur Eingangstür. Dort stand Assistent Director Walter Skinner
und schaute mit verwunderten, großen Augen zu ihnen herein. „Was tun Sie
da?“
„Ähm, nun ja...lange Geschichte, Sir...“
Holmes versuchte los zu kommen, doch Mulder lockerte den Griff nicht im
Geringsten.
„Agent Scully, geht es Ihnen gut? Was hat er mit Ihnen gemacht?!“ Schnell
lief er zu ihr, zog seinen Mantel aus und legte ihn um ihre Schultern. Kurz
wunderte sie sich, dann fiel ihr wieder ein, dass sie ja keine Hose mehr an
hatte.
„Was soll das denn heißen, Sir?“
„Naja, Sie stehen hier halb nackt in Mulders Wohnung, der währenddessen
jemanden am Kragen gepackt hat. Was soll ich denn da denken?“
„Ähm, sind Sie der Vorgesetzte von diesem Rüpel da?“, fragte Watson
schüchtern.
„Ja, schon.“
„Gut, wir sind nämlich ebenfalls Bundesagenten und ich fände es nett, wenn
Sie ihn dazu bringen würden, Sir Holmes los zu lassen und ihn bestrafen
würden.“
„Was? Bist du irre? Die haben mich in meinem Schlafzimmer eingesperrt!“
„Moment. Erst mal: Ist Holmes sein richtiger Nachname?“ Daraufhin wurde
Holmes ein wenig rot im Gesicht und Skinner wusste Bescheid. „Okay, warum
haben Sie Mulder eingeschlossen?“
„Weil er Agent Scully bedrängt hat!“
„Sie haben was?!“, rief er entsetzt.
„Das ist völliger Blödsinn, alles was er getan hat, wollte ich so“, sagte
sie in vermeintlich ruhigem Ton. Mulder hörte jedoch heraus, dass sie jeden
Moment explodieren konnte und sich ziemlich kontrollieren musste.
„Das heißt, er hat etwas getan?“
„Ja, hat er. Und wenn es keinem was ausmacht, würde ich damit gerne
ungestört fortfahren!“ Ihre Stimme wurde etwas lauter und aggressiver,
allerdings hatte sie noch nicht ihr höchstes Level erreicht.
Ihre Aussage hatte Skinner die Sprache verschlagen. „Das...würden Sie
also...gern...“
Auch Holmes schaute verletzt und Mulder hatte das Gefühl, er war den Tränen
nahe. Gnädigerweise ließ er ihn los und auf der Stelle trollte er sich zu
Watson, der ihn mitleidig ansah.
„Hat hier jemand was anderes erwartet? Das gehört eben zu einer Beziehung,
gerade, wenn man sich drei Wochen nicht gesehen hat. Hat der Kindergarten hier
das endlich kapiert?“
„O Gott, Beziehung...“, murmelten Holmes und Skinner gleichzeitig.
„Das reicht.“ Sie hatte endgültig zu viel, warf Skinner barsch den Mantel
hin, ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür lautstark.
„Sind jetzt alle glücklich? Immerhin habt ihr Scully und mir den Abend
verdorben und zwar gehörig! Ihr seid erbärmlich. Raus aus meiner Wohnung,
alle, sofort! Und Sir, hiermit nehmen Scully und ich uns den morgigen Tag
frei!“ Damit schob er sie in den Flur und schlug die Wohnungstür zu.
„Was hatten wir auch anderes erwartet...?“, sagte Skinner mehr zu sich
selbst, als zu den anderen.
„Ich weiß es nicht...dass sie uns in die Arme schließt und uns ewige Liebe
schwört?“
„So was ähnliches.“
„Das bleibt wohl ihm vorbehalten.“
„Ja, scheint wohl so.“
„Blöd.“
„Also, Sir, ich bin dafür, dass wir jetzt gehen, ich könnte ein bisschen
Schlaf gebrauchen und Ihnen beiden würde das sicher auch nicht schaden...“
„Er hat Recht. Gehen wir.“
„Okay.“
Jenseits der Tür war Mulder, mit dem rechten Arm abgestützt, stehen geblieben.
Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Als ungewollten Nebeneffekt bekam er
das Gespräch von draußen mit und musste grinsen.
„Ja, das bleibt mir vorbehalten...“, flüsterte er. Dann ging er zum
Schlafzimmer und klopfte. „Hey, ich bins. Ich hab sie raus geschmissen.“
„Komm rein.“
Sie trug noch immer ihre Bluse und lag auf dem Bett, den Blick an die Decke
gerichtet. Er legte sich neben sie. Stumm betrachteten sie sich im Spiegel an
der Decke. Nach kurzer Zeit legte Scully ihren Kopf auf seine Brust und er nahm
sie in den Arm.
„Warum können wir eigentlich nie völlig ungestört sein...“ Es klang mehr
wie eine Feststellung als eine Frage.
„Das wird wohl ein Mysterium bleiben.“
„Und morgen müssen wir...“
„Gar nichts müssen wir.“
„Was?“
„Ich hab vorhin für uns beide frei genommen. Ohne Widerrede.“
Das entfachte sofort ihre Begeisterung, in ihre Augen kehrte ein Ausdruck
zurück, den Mulder während des Streits vermisst hatte. Sie küsste ihn.
„Wollen wir nicht da weitermachen, wo wir aufgehört haben...?“
„Aua, verdammt, was soll das?!“
„Watson, gehen Sie gefälligst von meinem Fuß runter!“
„Verzeihung, Sir.“
„Hoff ich doch! Man kann Sie wirklich nirgendwo hin mitnehmen.“
„Holmes, nun seien Sie nicht so hart zu ihm.“
„Schon gut, Sir, ich weiß, dass er es nicht so meint.“
„Was passiert da eigentlich? Ich seh nichts.“
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatten die drei eine Mauer gefunden,
hinter der genug Mülltonnen standen, um darüber hinweg zusehen. Auch wenn sie
dafür in einen Garten eindringen mussten, standen sie nun dort und versuchten
zu erkennen, was im Schlafzimmer der Wohnung im dritten Stock vor sich ging. Da
Skinner der größte war und die beste Position erwischt hatte, war er der
Einzige, der überhaupt etwas sehen konnte.
„Im Moment nichts, es scheint, als hätten wir die Stimmung zerstört. Halt,
jetzt küssen sie sich offensichtlich. Jemand hat sich aufgerichtet, ich glaube,
es ist Mulder...er...“
„Was tut er? Sagen Sie schon!“
„Er steht auf, geht Richtung Fenster und...macht die Vorhänge zu. Das
war’s, meine Herrn.“
„Dass sie uns das wirklich zutrauen...“
„Naja, immerhin hatten sie Recht. Aber nach der Show, die wir da abgeliefert
haben, ist das auch kein Wunder. Woher kennen Sie Scully eigentlich?“
„Wir haben während des Falles, den sie in den letzten Wochen bearbeitet hat,
zusammengearbeitet. Ich habe sie gesehen und...na ja... Sie wissen schon...“
„Ja, schon klar. Ich habe einige Zeit gebraucht und will auch jetzt nicht
realisieren, dass sie verloren ist, aber ich kenne das Gefühl.“
Es entstand eine stille Pause. Keiner wusste, was sie jetzt tun sollten und so
standen sie eine Weile unbeweglich auf den Mülltonnen. „Ich würde sagen,
dass Sie beide heute Abend meine Gäste sind. In meinem Schrank müssten noch
ein paar Flaschen Wein oder so was stehen...“
„Oh ja, sehr gerne, danke.“
Sie drehten sich um und wollten von den Tonnen springen. Doch als Watson auf dem
Boden landete, hörte er hinter sich zweimal lautes Knacken.
„Sir?“
Er drehte sich erneut um und tatsächlich: Holmes und Skinner saßen bis zum
Hals im Müll. Die Plastikdeckel waren unter dem Gewicht zusammengebrochen.
Watson konnte sich das Lachen nur mühsam verkneifen.
„Jaja, sagen Sie nichts, Watson“, meinte Holmes resignierend. Plötzlich
ging in einem der Fenster das Licht an.
„Schnell, wir sollten verschwinden!“
Mit einiger Mühe schafften es die beiden aus den kaputten Tonnen, während das
Fenster inzwischen geöffnet wurde und ein Mann nach unten schrie, was zum
Teufel da los sei. Als beide frei waren, nahmen sie die Beine in die Hand und
bogen gerade dann um die Ecke, als der wütende Mann aus der Eingangstür kam
und ihnen nach rief, dass er Karate könnte.
Epilog:
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Mulder und Scully bekamen davon nichts mit. Sie liebten sich, auch ohne die auf
dem Boden verteilten Erdbeeren und der unters Bett gerollten Schlagsahne. Danach
lagen sie in einer innigen Umarmung friedlich da, nur das Mondlicht schien durch
einen kleinen Schlitz zwischen den Vorhängen herein. Scully lauschte seinem
gleichmäßigen Herzschlag, ihr Kopf lag wieder auf seiner Brust.
„Meinst du, dass die anderen eines Tages mit unserer Beziehung umgehen
können? Und wir dann ganz in Ruhe zusammen sein können?“
„Ich weiß es nicht.“ Er wusste nicht, was er sonst sagen könnte. Erst vor
kurzer Zeit hatte er selbst realisiert, dass sie nun schon über ein halbes Jahr
richtig zusammen waren, dass er es endlich geschafft hatte. Über die Leute um
sich herum hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Allerdings wusste er, dass
es für sie schon immer wichtig gewesen war, ob sie andere mit ihrem Handeln
verletzte.
„Sie müssen sich damit abfinden. Ich denke, dass Skinner nur noch etwas Zeit
braucht, um das vollständig zu begreifen. Und dieser Holmes-Winzling da...ich
glaube nicht, dass er wirklich in dich verliebt war. Wenn, dann hat sein Ego
einen Knacks bekommen, denn so wie er aussieht, hat ihn bisher einfach keine
zurückgewiesen.“
„Du denkst, er ist zu jung, um wirklich zu lieben?“
„Nein, nicht unbedingt. Aber wahre Liebe braucht mehr als drei Wochen.
Außerdem spielt er in einer so viel tieferen Liga als du, dass es gar nicht
mehr die gleiche Sportart ist.“
Sie lachte. Es war schön, sie lachen zu hören. Nach diesem Abend.
„Danke.“
„Wofür?“
Sie stützte sich auf ihren Ellbogen und sah ihn an. „Dass du immer das
Richtige sagst.“
Beide lächelten und küssten sich. Es bedürfte keiner weiteren Worte an diesem
Abend, bald waren sie eingeschlafen.
Holmes, Watson und Skinner saßen in Skinners Wohnzimmer. Nachdem die beiden
geduscht hatten, begannen sie Flasche um Flasche zu leeren, wobei sich Watson
sehr zurückhielt. Immerhin war er der Einzige, der nichts zu betrinken hatte,
auf ihn wartete eine treue Freundin, mit der er sehr glücklich war. Doch er
konnte die beiden verstehen, er hatte lange gebraucht, um sie zu finden. Mitten
in der Nacht waren sie so erschöpft, dass sie, halb volle Flaschen in der Hand,
so wie sie waren auf dem Sofa ein schlummerten. Watson deckte beide zu.
„Warum versteht ihr nicht, dass die wahre Liebe Zeit braucht und aus Vertrauen
entsteht? Ich weiß, irgendwo um euch herum wartet sie, unbemerkt von euch. Ihr
müsstet sie nur finden, so wie Mulder und Scully es getan haben...“
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