Salut, Monsieur Dantes! von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Gefahr im Anzug? --------------------------- Chapitre Un : Gefahr im Anzug? Nach hitzigen Debatten und Rumgezupfe an meinem Kleid, verließ ich eine Stunde später mit einer eleganten, schwarzen Tüte (Inhalt: jenes besagte Kleid) und Miss Menno im Schlepptau das Geschäft. Wir genehmigten uns auf dem Heimweg noch ein Eis und dann machte ich mich los zum Daruma-ya. Unterwegs überlegte ich... Die Premiere war in genau einer Woche. Der arme Tsuruga-san... Seit den Foto-Shootings für den Film hatte er ein Interview nach dem anderen geben müssen und für sich selbst kaummehr eine freie Minute. Ich hätte ihn gern mal wieder getroffen, aber er war nicht in der Agentur aufgekreuzt. Auch jetzt fragte ich mich, was er wohl gerade tat. Es war Abend und begann gerade dunkel zu werden; ich hatte heute nichts mehr vor, da im Daruma-ya Ruhetag war. Ich überlegte einen kurzen Moment, fasste dann einen Entschluss und beschleunigte mein Tempo auf dem Fahrrad, Kurs Daruma-ya. Bei diesem ganzen Stress, den der Mann um die Ohren hatte, würde er sicher nicht auf den Gedanken kommen, abends noch etwas zu essen. Gott, was für ein verantwortungsloser Mensch. Also bereitete ich ihm ein Bento zu. Dann schwang ich mich aufs Rad und fuhr zu seinem Appartement. Ich erwartete nicht wirklich, ihn dort anzutreffen; ich hatte vor, das Bento mit einer Nachricht vor seiner Wohnungstür abzulegen. Unten stellte ich mein Fahrrad ab und hechtete die vielen Treppen bis zu seiner Etage hinauf. Oben angekommen raste mein Herz. Mein Kreislauf schien vom Treppensteigen sehr angekurbelt worden zu sein... Ich spielte mit dem Gedanken, es doch einmal mit Klingeln zu versuchen und blieb vor der großen Tür stehen. Ich kam mir ziemlich belämmert vor, wie ich da mit Herzklopfen und einem kleinen Päckchen stand und die Tür angaffte. Aber schließlich war es ja nicht das erste mal, dass ich ihm abends noch einen Besuch abstattete... Ich war dort schon öfter abends gewesen und hatte dort sogar schon übernachtet, als er krank war... ! Also entschloss ich mich, zu klingeln. Ich hatte gerade meine Hand zum Klingelknopf erhoben, als ich wütende Stimmen von drinnen hörte. Nicht, dass ich wirklich lauschen wollte. Aber dennoch hielt ich inne. „Hören Sie! Es ist mir egal, was das für einen Eindruck in der Öffentlichkeit macht. Ich verlange, dass Sie die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen! Stellen Sie Mogami-san und Momose-san unter persönlichen Schutz und-“ „Aber wir wissen doch noch nicht einmal, ob wir diese Drohung ernst nehmen sollten! Viele Leute erlauben sich zu solchen Mammut-Events gewisse Scherze, um sich in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen, also-“ „Wollen Sie es etwa drauf ankommen lassen? Was ist wenn, der Verfasser dieses Drohbriefes wirklich Ernst macht und die beiden entführt!? Würden Sie die Verantwortung dafür übernehmen?“ „Sie meinen, Sie DREI entführt. Ihr Name stand auch auf der Liste seiner potentiellen Opfer.“ „Ich kann auf mich selbst aufpassen!“ Soweit ich es beurteilen konnte, handelte es sich um die Stimme von Tsuruga-san und die eines anderen Mannes, die ich nicht kannte. Angesichts dessen, was sie besprachen, lief es mir eiskalt den Rücken runter. Plötzlich mischte sich eine dritte Stimme ein. Ich erkannte sie als die des Präsidenten wieder. „Ren, jetzt beruhig dich erst mal wieder. Higashiyama-san, ich bin auch der Meinung, dass wir diese Drohbriefe nicht ignorieren sollten. Die Gefahr ist einfach zu groß. Verdreifachen Sie die Sicherheitsmaßnahmen zur Premiere und stellen Sie Mogami-san, Momose-san und Ren unter ständige Beobachtung. Wenn Ihnen die öffentliche Aufmerksamkeit so wichtig ist, dann schicken Sie ihre Leute in zivil los. Und passen Sie mir bloß auf, dass nichts von alledem an die Öffentlichkeit gelangt. Wir wissen nicht, wie sich diese Leute dann verhalten werden. Ren, ich weiß, dass du Nerven wie Drahtseile hast, deshalb habe ich dir auch von diesem Drohbrief erzählt. Und ich erwarte jetzt von dir, dass du vernünftig bist und den Schutz deiner Person von speziellen Schutzkräften akzeptierst. Ich möchte Mogami-san und Momose-san nicht beunruhigen, deshalb möchte ich sie in dem Glauben lassen, dass zur Premiere alles in Ordnung ist. Gibt es irgendwelche Einwände?“ Schweigen. „Sehr gut. Higashiyama-san, würden Sie mich bitte noch in die Agentur begleiten? Ich weiß, es ist spät, aber ich möchte die Details unbedingt so schnell wie möglich geklärt haben. In meinem Büro ist momentan ein umwerfender Koch aus Bangladesh anzutreffen; ich bin sicher, Sie werden seine Kochkünste begrüßen... Ach und Sie können wir auch unterwegs absetzen, Yashiro-san!“ „Vielen Dank, Herr Präsident.“ Drinnen hörte ich das Rascheln von Mänteln und Schritte, die sich der Tür näherten. Mit einem jähen Anflug von Panik begriff ich, dass ich gleich entdeckt werden würde und blickte mich hektisch um, ob sich irgendwo ein Versteck fand, doch der Flur war vollkommen leer und die Treppe war zu weit entfernt. Gleich würde sich die Tür öffnen. In einem letzten Akt der Verzweiflung sprang ich in die Ecke hinter der Tür, als diese gerade begann, aufzugehen. Ich quetschte mich so nah wie möglich an die Wand, doch zum Glück blieb mir ein Zusammenprall mit der Tür erspart, da der Präsident sie nicht ganz aufgestoßen hatte. „Schönen Abend noch, Ren! Ist, soviel ich weiß, der erste freie seit Wochen, nicht wahr?“ „Mhm“ „Auf Wiedersehen Tsuruga-san.“ „Wiedersehen, Higashiyama-san und Yashiro-san!“ Tsuruga-san schien noch einen Moment in der Tür zu verharren und den drei Herren hinterherzublicken, denn die Tür schloss sich nicht sofort wieder und gewährte mir noch einigen Schutz in meinem rettenden Versteck. Dumpf murmelnd schloss er sie schließlich wieder und verschwand in seiner Wohnung. Licht fiel wieder auf mich. Da stand ich nun. Neben Tsuruga-sans Türrahmen an die Wand gepresst, von jähen Überschwemmungen der Angst gepeinigt. Ein Drohbrief? Und der Verfasser wollte Tsuruga-san, Momose-san und mich zur Premiere entführen? Warum wollte mir der Präsident darüber nichts sagen? Das machte mich schon ein wenig zornig... Was sollte ich jetzt tun? Plötzlich hatte ich Angst, alleine im Dunkeln nach Hause zu fahren. Ich überlegte einen Moment. Würde Tsuruga-san Verdacht schöpfen, wenn ich jetzt klingelte? Ich hatte keine andere Wahl. Ich brachte mein Mienenspiel in Ordnung und drückte den Klingelknopf. Es dauerte kurz bis er die Tür öffnete. Er starrte mich einen Moment lang an. „Mogami-san! Was ma... ES IST GEFÄHRLICH für ein Mädchen, so spät abends noch durch die Gegend zu fahren!!“ Normalerweise würde ich jetzt wütend werden, doch ich verstand seine Reaktion und wusste, dass er sich nur Sorgen machte. Plötzlich sah er mich misstrauisch an. „Wie lange stehst du da schon?“ „Ich ähm... wieso?“ „Weil es vorhin angefangen hat, zu regnen, und du vollkommen trocken bist!“ Für einen Moment setzte mein Herz fast aus. Zu spät bemerkte ich die sanften Nieseltropfen, die mittlerweile gegen das Fenster des Hausflurs pochten. Ich wusste nicht, warum ich es unbedingt geheim halten wollte, dass ich dieses Gespräch belauscht hatte, aber ich hatte das mulmige Gefühl, dass es Tsuruga-san nicht besonders gefallen würde. Und den Zorn des Tsuruga-san zog man sich besser nicht zu. „Ich bin vorhin schon angekommen, habe aber unten in der Eingangshalle einen Anruf von... Sawara-san erhalten!“ Er blickte mich an. „Unten habe ich den Präsidenten, Yashiro-san und einen anderen Mann das Haus verlassen sehen. Sie haben mich aber nicht gesehen. Ist irgendwas nicht in Ordnung?“ Sein Blick wurde wieder sanft. „Oh ähm... nein nichts besonderes eigentlich.“ Lügner. „Was machst du hier?“ „Ich habe gehört, welchen Stress Sie in letzter Zeit hatten und da ich ja ihre Essgewohnheiten kenne... hier!“ Ich streckte ihm mein Bento hin. „Ah das ist wirklich sehr nett von dir. Komm doch rein!“ „Vielen Dank!“ Ich zog meine Schuhe und meinen Mantel aus und folgte ihm ins Wohnzimmer. „Ist alles in Ordnung? Sie wirken etwas angeschlagen.“ „Eh, ach ja... wird wohl der ganze Stress sein.“ „So... Sie sollten sich mal eine Auszeit nehmen. Schließlich wollen Sie doch zur Premiere nächste Woche fit sein, nicht wahr?“ Er lächelte mich an. „Ich werde versuchen, deinen Ratschlag zu beherzigen, Mogami-san. Meine Gesundheit scheint dir ja sehr am Herzen zu liegen!“ Er beobachtete mich von der Seite genau. „Wah..? Oh! N-Nein ich dachte ja nur...“ Verlegen spähte ich zu ihm herüber. Er kicherte. Seine Augen funkelten. Aus ihnen sprach eine so angenehme Wärme, dass ich mich unweigerlich hier wohl fühlte. Ich sah wieder weg. Bloß nicht zu lange hinschauen, sonst bringt mich dieses heilige Lächeln noch in die ewige Verdammnis... Sie war einfach zu süß. Nicht nur, wie sie sich ständig Sorgen um meine Gesundheit machte... auch wie sie so schnell verlegen wurde, wenn ich sie ein wenig stichelte. Anfangs war ich ein wenig skeptisch. Es war doch irgendwie ein merkwürdiger Zufall, dass sie so kurz nach unserem hitzigen Gespräch über sie hier aufgetaucht war. Doch ich beschloss, mir darüber keine Gedanken mehr zu machen und konzentrierte mich aufs Essen. „Das schmeckt wirklich sehr gut. Vielen Dank!“ Sie schien sich ehrlich zu freuen. Süß. „Ich habe gehört, es gab Probleme bezüglich deiner Garderobe zur Premiere?“ Es gab noch viel gravierendere Probleme zur Premiere. „Ah, hat Takarada-san Ihnen das erzählt? Ja. Ich konnte mir kein... kein Abendkleid...“ „...leisten?“, ergänzte ich, „Ist doch nicht so schlimm. Bei den meisten Neulingen im Business, die am Anfang ihrer Karriere stehen, ist das so. Besonders, wenn sie noch so jung sind wie du.“ „Sagen Sie das nicht. Es hört sich an, als wäre ich ein kleines Kind. Trotzdem Danke... “ „Schließlich habt ihr ja doch noch eine Lösung gefunden, nicht wahr?“ „Ja.“ Ich wusste, sie war noch jung. Sie war natürlich viiiel zu jung... ..., oder? Ob sie etwas von alledem ahnte, wusste ich nicht. Im Moment war es auch egal. Was zählte, war nur, dass wir diese verdammte Premiere unbeschadet hinter uns brachten. Den Rest des Abends begingen wir in Schweigen, dem bunten Plappern des Fernsehers lauschend. Ich genoss ihre Anwesenheit; es war wie eine Insel der Ruhe in dem ganzen Stress. Und dennoch konnte ich den wilden Fluss der Gedanken nicht stoppen, der durch meinen Schädel wirbelte. Morgen ein Gastauftritt, ein Interview... Gefahr! Dann noch ein Termin mit einem Reporter... Mogmai-san hier! Dann ein Meeting für einen Werbespot... Eine geplante Entführung! Die Besprechung für einen neuen Film... Ich brauche wirklich mal Urlaub. Tsuruga-san schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Ich konnte es nachvollziehen. Fast bereute ich es ein bisschen, hergekommen zu sein. Als er fertig gegessen hatte, saßen wir noch eine Weile da. Dann sagte er: „Mogami-san, ich bestehe darauf, dich nach Hause zu bringen“ „Mit dem Auto?“ „Ja.“ „Und was ist mit meinem Fahrrad?“ „Das können wir in den Kofferraum tun, wenn wir die Rücksitze runterklappen. Es ist zu gefährlich jetzt noch für dich draußen.“ „Na gut. Wenn sie meinen.“ Insgeheim war ich ihm sehr dankbar dafür. Wir erhoben uns und gingen hinaus in den Flur. Ich zog meine Schuhe an und als ich mich gerade erhob, da beugte sich Tsuruga-san an mir vorbei zum Jackenständer und ergriff seinen Mantel. Für einen flüchtigen Moment konnte ich seinen Duft wahrnehmen. Dieser Duft... Ich riss mich zusammen und folgte ihm hinaus in den Hauskorridor. „Hast du alles?“ „Ich denke schon“ Unten verlud er mein Fahrrad in sein Auto und ich sprang zu ihm auf den Beifahrersitz. Während der Fahrt wandte er sich wieder mir zu: „Ich finde es sehr freundlich von dir, dass du dir so viele Sorgen um mich machst, aber es wäre mir lieber, wenn du so spät abends nicht mehr allein durch die Gegend fährst.“ Die Worte standen im Raum. Ich tat unwissend. „Warum denn nicht? Diese Gegend hier ist doch ungefährlich.“ „Das kannst du nicht wissen. Für ein junges Mädchen ist es abends auf den Straßen niemals sicher. Versprichst du mir, dass du vorsichtig sein wirst?“ Ich versprach es. Er bog in die Straße zum Daruma-ya ein und parkte einige Meter entfernt. Während er mein Fahrrad aus dem Kofferraum hiefte, blickt ich die Straße hinauf. Sollte es wirklich so gefährlich für mich sein? Immerhin hieß es ja von einer Entführung auf der Premiere. Aber man wusste ja nie... Er begleitete mich noch bis vor die Haustür. Ich spürte, wie er mich von der Seite her ansah, war aber nicht gewillt, seinen Blick zu erwidern. Also sah ich hinab auf die Straße... „Also gut, Mogami-san, ich danke dir für den schönen Abend, schlaf gut!“ „Danke fürs Bringen Tsuruga-san, fahren Sie vorsichtig!“ „War doch nicht der Rede wert! Und mal im Ernst, sehe ich aus, wie jemand, der nicht vorsichtig fährt?“ Er lachte, bedachte mich noch mit einem kurzen Blick und schritt dann mit einer Geste des Abschieds zu seinem Auto davon. Ich sah ihm einen Moment hinterher und begab mich dann in den Flur des Daruma-ya. Es war mittlerweile stockfinster draußen. Ich war froh, sie noch nach Hause gebracht zu haben. Hoffentlich hatte ich ihr einleuchtend klar gemacht, dass sie sich abends nicht mehr alleine rumzutreiben hatte... Wenn die Premiere vorbei war, würde ich mich für mein ruppiges Verhalten entschuldigen... Ich fuhr etwas schneller, wollte nur noch nach Hause, um zu schlafen... In dieser Nacht konnte ich lange nicht einschlafen. Ich war einfach zu aufgewühlt. Wenn wirklich eine Entführung geplant war, warum war der Urheber dessen dann so dumm und informierte die Agentur vorher schon darüber? War es nicht sonnenklar, dass Takarada-san dann Security-Leute einstellen würde, die aufpassten wie Schießhunde? Er musste sich seiner Sache schon sehr sicher sein, was mich umso nervöser machte. Er musste etwas geplant haben, bei dem Security-Leute nicht viel tun konnten. Außerdem kannte ich ja auch nicht den genauen Inhalt dieses Briefes. Ich drehte mich auf die andere Seite. Von vorbeifahrenden Autos fiel Licht durchs Fenster auf meine Hass-Poster von Tsuruga-san und Shotaro... Ich blickte Tsuruga-san an. Irgendwie erschien mir sein Hass-Poster ein wenig zu groß. Mein Puls verlangsamte etwas, während ich seine dunklen Wimpern betrachtete... Ich fühlte, wie der warme Schlaf mich einlullte und meinen Gedankengang erlahmte... Schließlich gab es ja auch noch die Möglichkeit, dass dies nur ein schlechter Scherz war... Am Morgen darauf war ich sehr müde, als der Wecker klingelte. Das lag wohl daran, dass ich so wenig geschlafen hatte. Noch halb im Delirium erhob ich mich und torkelte zu meinem Schrank. Besonders viele Sachen enthielt er nicht. Jedenfalls nicht so viele wie der einer normalen Oberschülerin. Ich griff nach meiner Schuluniform und beeilte mich, zum Frühstück runter zu kommen. Die Schulstunden schleppten sich dahin. Als der Nachmittag anbrach, machte ich mich auf den Weg zu LME. Nachdem ich dort meine Schuluniform in die Grell-pinke der Love-me-Section eingetauscht hatte, machte ich mich auf den Weg zu Sawara-sans Büro. Ein Angestellter hatte mich aufgesucht und mir verkündet, Sawara-san wolle mich umgehend sprechen. Als ich das Büro des Leiters der Talent-Section betreten hatte, erkannte ich sofort, dass der Präsident ihn über diesen Drohbrief informiert haben musste. Er hatte dunkle Schatten unter den Augen und wirkte sehr abgespannt. Wie zu jener Zeit als ich ihn terrorisiert hatte, um bei LME reinzukommen. „Ah, Mogami-san, sehr gut. Bitte setz dich doch“ Ich tat, wie mir geheißen. „Ich möchte dich darüber informieren, dass du ab sofort von all deinen Pflichten nach 18.00 Uhr entbunden bist. Die Agentur erwartet von dir, dass du dich vor Einbruch der Dunkelheit bei deinem Wohnsitz einfindest und jenes Gebäude nicht mehr verlässt.“ Verdutzt starrte ich ihn an. Takarada-san hatte also Maßnahmen ergriffen. Aber waren die nicht etwas überzogen? „Ehm... darf ich fragen, wieso...?“ „Ja darfst du. Es geht darum, dass die Straßen derzeitig nicht sicher sind und besonders für dich, da du ja durch Dark Moon im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehst. Nach der Premiere wird sich das alles wieder normalisieren, dann kannst du deiner Tätigkeit als Love-me-Praktikantin nachgehen wie gehabt. Doch bis dahin... weißt du jetzt, was du zu tun hast“, leierte er mechanisch runter. Ich hielt diese Ausrede für arg an den Haaren herbeigezogen, sagte jedoch nichts und nickte nur stumm. Dann erhob ich mich und verließ Sawara-sans Büro, um meinen ersten Job für heute anzunehmen Als das Mädchen mein Büro verlassen hatte, musste ich erstmal tief aufatmen. Sie hatte es besser aufgenommen, als ich gedacht hatte. Kaum Fragen gestellt. Mir alles, ohne zu murren, abgekauft. Ich hatte mir das ganze weitaus stressiger vorgestellt. Denn ich wusste ja, dass sie aus mir alles rausquetschen konnte, wenn sie nur lang genug dranblieb. Ich will mich gar nicht an damals erinnern, als sie hier in unsere Agentur reingeschneit kam und lauthals von mir forderte, ich solle einen Star aus ihr machen... Es kam mir zwar schon ein wenig merkwürdig vor, aber wie blöd wäre ich wohl, nachzuforschen, warum es sie nicht sonderlich interessiert. Ich fühlte mich gleich viel besser und machte mich wieder an die Arbeit. Was für ein laaaaangweiliger Job. Aktenordner sortieren...! Die Alten raus aus dem Regal und ins Archiv, damit Platz für die Neuen entsteht. Unglaublich bereichernde Tätigkeit! Heute war der letzte Tag vor der Premiere. Da ich heute keinen Unterricht in der Akademie hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als den ganzen Tag solchen Scheiß zu machen, der der Love-me-Section aufgedrückt wurde. Ich sah auf meine Uhr. Es war bereits halb sechs... der Tag war schnell vorübergezogen. Ich beeilte mich mit dem Ordnerausmisten fertig zu werden, um nach Hause zu fahren. Zu Hause wusste ich meistens nichts mit meiner Zeit anzufangen. So früh war auch im Daruma-ya noch nicht viel los. Tsuruga-san hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, mich jeden Abend anzurufen, ob auch alles in Ordnung sei. Meine Güte, der Mann übertrieb es ja schon fast mit der Fürsorge. Ist grad mal 4 Jahre älter und spielt sich wie mein Vormund. In den Tagen vor der Premiere war auch nicht viel passiert. Die Nervosität und Aufregung angesichts des bevorstehenden Großereignisses hatten in der Agentur ihren Höhepunkt erreicht. Mein schwarzes Kleid hing allzeit bereit im Schrank und wartete auf seinen großen Auftritt. Kotonami-san hatte sich bereit erklärt, mich am Vormittag passend herzurichten, also Frisur, Make up und so. Ich selbst konnte es kaum erwarten, der Medienwelt als elegante Dame gegenüber zu treten. Ich wusste, dass allerhand Prominente aus ganz Japan erwartet wurden und rechnete fest damit, auch Sho dort zu sehen. Für diesen Fall würde ich ihm einfach aus dem Weg gehen... ...obwohl es mich ja schon interessierte, wie weit seine Klappe runterfiel, wenn er mich so sexy sah. Schließlich war er es gewesen, der die These geäußert hatte, ich würde niemals an dieses Prädikat heranreichen. Als ich beim Daruma-ya ankam, begann es gerade zu dämmern. Es war noch früh am Abend. Die Okami-san kam mir entgegen: „Kyoko-chan, du kannst in unserem Wohnzimmer fernsehen, wenn du magst. Der Apparat wurde endlich repariert! Es sind noch nicht viele Gäste da. Wenn ich dich brauche, rufe ich dich dann!“ „In Ordnung, vielen Dank...“ Ich schlurfte die Treppen hoch in das Zimmer neben meinem und schaltete den Fernseher ein. Eigentlich sah ich so gut wie gar nicht fern, um Shotaros Visage nicht sehen zu müssen, aber irgendwie musste ich die Zeit ja überbrücken... Es lief irgend so ein Film mit einer hübschen Schauspielerin. Ich ließ den Kanal an. Die Filmmusik war schön... sie versetzte mich in eine seltsame Stimmung. Irgendwie traurig und melancholisch... aber auch ein wenig romantisch. Wie ungewohnt für mich! Die Darsteller standen unter einer Straßenlaterne. >Was hast du denn bloss, Yoichi? Du bist frisch verheiratet. Lächel mal!< Der männliche Schauspieler lächelte traurig. >Seit dieser Hochzeit zieht es mich ich in einem Mahlstrom der Einsamkeit. Ich fühle mich zu dieser Frau kein bisschen hingezogen! Du weißt genau, dass diese Hochzeit von meinen Eltern erzwungen wurde!< Die Frau strich Yoichi sanft über die Wange. >Wenn du jemals jemanden zum Reden brauchst, ich bin immer für dich da!< Yoichi hielt ihre Hand fest. >Ich liebe dich, Sonoko!< Ich starrte auf den Bildschirm. Dann griff ich zur Fernbedienung und stellte den Apparat ab. Was für ein idiotischer Film. Was für eine Kommerzvorstellung, so eine Szene... Ich liebe dich... Der Satz mit seiner ganzen närrischen Präsenz hallte in meinem Kopf wieder. Ich liebe dich... Es klopfte an meiner Tür. „Kyoko-chan?“ Die Okami-san steckte ihren Kopf herein. Sie war leicht errötet und schien ein wenig aufgeregt „Unten wartet jemand auf dich. Komm doch bitte runter!“ Ich erhob mich und schlenderte hinab, diese melancholisch-romantische Stimmung immer noch mit mir tragend. Ich liebe dich. Was'n hohes Maß an krimineller Selbstinszenierung in diesem kurzen Satz! Soetwas konnten doch nur Deletanten von sich geben! Ich liebe dich... Aber iiirgendwiee auch ein ganz kleines bisschen so eine fremdartige, sehnsüchtige Schönheit in sich bergend... Am Treppenabsatz angelangt blickte ich den Rücken meines hochgewachsenen Besuchers an. „Tsuruga-san?“ Er drehte sich um und sah mich an. Ich liebe dich... Ups? Husch, husch, weg mit dir, böser kleiner Idiotensatz, du passt jetzt am allerwenigsten, wenn er da ist!! „Hallo Mogami-san! Wie geht es dir? Ich dachte, ich schau am Abend vor dem großen Ereignis noch mal vorbei und in der Agentur hat man mir gesagt, dass du hier bist.“ Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen. Dieser verkorkte, spastische Satz! Wollte einfach nicht aus meinem Kopf! Ich liebe dich... Ich hatte das Gefühl, Mogami-san freute sich nicht wirklich über meinen Besuch. Sie sah irgendwie ziemlich zerknirscht aus. Ich ahnte es mehr, als dass ich es direkt sah, aber irgendwie war sie von einer düsteren Aura umgeben, dämonisch. Ich betrachtete sie genauer. Da murmelte sie plötzlich leise: „Ich liebe dich...“, und kicherte dabei düster. Ich war wie vom Donner gerührt und konnte sie nur noch anstarren. Ich hatte gehört, was sie eben gesagt hatte, aber mein Verstand begriff nicht... Auch ihre Körpersprache und ihr Ton waren so völlig konträr zu dem, was sie eben gesagt hatte, dass der spontane Überschwang von wilder Glückseligkeit, der bei diesen Worten in mir ausgebrochen war, einem nüchternen Entsetzen über diese bizarre Situation wich. „Was?“ Meine Stimme hörte sich so leise und zerbrechlich an. Ich räusperte mich. „Ist alles in Ordnung, Mogami-san?“ Sie sah mich verdutzt an. Es schien, als würde sie aus einer fernen Welt wieder zu sich kommen. „Ah! Tsuruga-san, es tut mir Leid!“ Sie verbeugte sich hastig und schien dabei sehr verlegen. „Bitte vergessen Siees, ich war noch in Gedanken!“ „Hast du getrunken?“ „Was? Nein. Ich sagte doch, ich war noch in Gedanken... Oh! Wie unhöflich von mir! Ich habe Sie ja noch gar nicht herein gebeten! Möchten Sie irgendetwas zu trinken?“ „Ah... ein Kaffee wär nicht schlecht, wenns keine Umstände macht. Ich hab heute noch zu tun und fühle mich etwas müde.“ „In Ordnung. Gehen Sie die Treppe hinauf und dann rechts, da befindet sich mein Zimmer. Ich komm gleich nach! Ich wollte grade in die Küche, um Tsuruga-sans Kaffee zu kochen, als es mich plötzlich eiskalt überkam. Die Hass-Poster! Ich keulte die Treppe hinauf und sah wie Tsuruga-san gerade auf die Tür zuging. Mit größtem High-Speed quetschte ich mich -Arme wie ein Polizist ausgebreitet- zwischen ihn und die Tür und rief: „HALT!“ Auf seinem Gesicht vermischten sich Verwunderung und Amüsiertheit. „Wow, also wenn das kein Durchbrechen der Schallmauer war, dann weiß ich auch nicht! Was ist denn da Brisantes drinnen, dass ich nicht hinein darf?“ Plötzlich wurde ich mir der extremen körperlichen Nähe bewusst. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt; der unglaublich betörende Duft des Tsuruga-san stieg in meine Nase und verursachte mir eine Gänsehaut. „Ach n-nichts. Es ist nur unglücklicherweise uuuunglaublich unordentlich da drinnen!“, log ich rasch. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Er beugte sich zu mir runter. AAAAAAAAAAAAaaaah! S-O-S!!!! Ich-gleich-Schlaganfall-Tod-Herzversagen! Ich wagte kaum zu atmen und quetschte mich so weit es ging rückwärts an die Tür. „Du hast doch wohl nichts zu verbergen?“ Ein unheilverkündendes Gentlemansmile. „Ich n-n-ein ich hab kein bisschen was zu- nicht im g-geringsten zu bervergen!“ „Du meinst >verbergen