Bergnebel von -Elenya- ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Prolog Die Sonne ging langsam über dem Rand der Klippe auf und tauchte das Haus von Feldar, dem Bergwächter, in einen rötlichen Schimmer. Der Nebel schwebte langsam in das Tal hinab und hinterließ auf den Blättern der jungen Wiesenpflanzen, die an den Berghängen wucherten, kleine glitzernde Tautropfen. Feldar verließ das Haus. Es stand oberhalb des riesigen Berges, der sich von der roten Bucht, bis zu den Nylys dsé Klâg, einer kleinen Berkette im Süden Donaras, zog um dann einen weiteren Bogen zu machen, bis er die Windflut erreichte, wo er endete. Kein Vogel zwitscherte hier oben und kein Lebewesen anderer Gattung ließ sich hier blicken. Feldar schaute traurig hinab in das schattige Land, welches von der ununterbrochenen Bergkette von der übrigen Welt abgeschottet war. Dann wandte er seinen Kopf und erblickte das sonnige, fröhliche Land auf der anderen Seite. Vor vielen Jahrhunderten hatte es einen Krieg in Donara gegeben. Ein schrecklicher Krieg zwischen allen Völkern dieser Welt. Es gewannen die Menschen und sie trieben die Elfen, Neblans, Feen und Zauberer weit ins Landesinnere. Ein mächtiger Magier der Zauberer verbündte sich, mit dem damals herrschenden König Nârl, und beschwor einen riesigen Berg herauf, der die Zaubervölker im Landesinneren einschloss. Seitdem befand sich hier dieser riesige Berg und trennte, nun das in Armut lebende innere Volk, von dem wohlhabenden Menschenvolk in der restlichen Welt. Feldar war nun schon fünfzig Jahre auf diesem Berg, denn er war der Bergwächter. Sein Vater war es auch schon gewesen und sein Großvater. Als sein Vater starb – fünfzehn war er da gewesen – musste er auf den Berg, um die beiden Länder zu überwachen und um zu verhindern, dass die Zaubervölker je in das andere Land eindringen konnten. Und so wanderte die Aufgabe immer weiter, von Vater zu Sohn. Heute war ein besonderer Tag. Heute, nach fünzig Jahren, kam Feldars Ablösung. Die Ablösung kam immer nach fünzig Jahren – außer der vorherige Bergwächter starb, aber solche Fälle traten selten ein. Bei Feldar waren es nur vierzig Jahre, da er schon in so jungem Alter Bergwächter geworden war, weil in seiner Familie einer dieser seltenen Fälle eingetreten war. In wenigen Stunden würde er seinen fünfundzwanzig jährigen Sohn wiedersehen, den er nur nach der Geburt kurz erblickt hatte. Mit steigender Erwartung, erinnerte sich Feldar an den kleinen Säugling, der schreiend in seiner Krippe gelegen und mit den zerbrechlichen Beinchen getreten hatte. Es war ein niedliches, winziges Kind gewesen und immer wenn Feldars Frau an die Krippe getreten und es herausgehoben hatte, waren die Tränen auf dem rosigen Gesicht verschwunden und die hellen, blauen Augen hatten ihn groß angesehen. Noch ein schmerzender Gedanke – seine Frau. Sella. Die einzige, die er je geliebt hatte und immer weiter lieben würde, sogar über den Tod hinaus. Doch nie hatte er sie besuchen dürfen. Nicht ein einziges Mal durfte sie zu ihm hinauf, ihm das Kind zeigen, oder ihn in den Arm schließen. Nicht ein einziges mal, in der ganzen, langen Zeit. Feldar stiegen die Tränen in die Augen. Sein Sohn. Pian. Fünfundzwanzig. Er war fünfundzwanzig und keines der langen Jahre hatte er mit ihm verbringen dürfen. Er hatte sich nicht um ihn kümmern können, wenn seine Frau krank war. Nie hatte er gesehen, wie Pian aufgewachsen und zu einem jungen Mann geworden, einem Mädchen nachgestellt und reiten gelernt hatte. Vielelicht hätte er sein Herz nicht an eine Frau verschenken sollen, vielleicht hätte er immer nur sich selbst lieben sollen, dann hätte er jetzt nicht solchen Schmerz empfunden. Er würde ihn nur heute sehen. Nur heute und dann nie wieder. Denn in fünfzig Jahren würde Feldar schon längst tot sein. Er sah seinen Sohn also heute zum ersten und zum letzten Mal. Für dieses besondere Ereigniss hatte Feldar sich seine schönsten Sachen angezogen und stand nun, den Sonnenaufgang bestaunend, an der Klippe. Von hier oben hatte man einen herrlichen Ausblick. Die einzige Entschädigung, für die Abgeschiedenheit, in der man hier oben lebte. Menschen sah Feldar hier nur ein paar Mal im Jahr, wenn sie ihm mit Essensvoräten die Hütte füllten und ihm Kartoffeln und Samen zum Pflanzen mitgaben. Er hatte hier oben ein eigenes kleines Getreidefeld und hatte für den Aufenthalt sogar die Handwerke eines Müllers, Schreiners, Tischlers und Gärnters sowie die eines Bauern erlernt. Aber das war notwendig, wenn man hier oben leben wollte. Der König wollte heute auch kommen. Er war ein guter König und herrschte gerecht über das Land. Er unternahm jedes halbe Jahr, eine Reise in das abgeschottene Land um sich um sein Volk zu kümmern. Feldar dachte noch kurz an den König, dann ging er mit bedächtigen Schritten auf sein Haus zu. Es war eine große Windmühle, aus braunem Holz mit roten Fensterrahmen und selbst gezüchteten Blumen auf den Fesnterbrettern. Eine warem Milch würde ihn sicher ein wenig von seiner Aufregung ablenken und ihn beruhigen. Feldars Ziege war das einzige Lebewesen, welches mit ihm hier oben lebte. Auf dem Weg zum Haus streichelte er sie zärtlich hinter den Ohren und sie meckerte lieblich. Viellleicht hätte er sein Herz nicht an eine Frau verschenken sollen, vielleicht hätte er immer nur sich selbst lieben sollen, dann hätte er jetzt nicht solchen Schmerz empfunden. Doch dann hätte auch er nie Liebe erfahren. Kapitel 2: Der Tag der Ablösung ------------------------------- Der Tag der Ablösung Die Anreise zum Bergwächter war eine Anstrengung, die die Kräfte des jungen Elar weit überstieg. Sein Vater, Tranûr, war der König von Donara und Elar trottete nun hinter ihm den steilen Berghang hinauf. Es war ein geheimer Weg, den nur der König und sein engster Hofstaat kannte. Heute war der Tag, an dem sie die Ablösung des Bergwächters Feldar hinauf begleiteten. Es war sein fünfundzwanzig jähriger Sohn Pian. Elar kannte ihn gut und verstand sich mit ihm, den er hatte Jahre am Hof gelebt. Obwohl er zehn Jahre jünger war, interressierte er sich viel für Pian. Er war wie ein großer Bruder für ihn, denn Elar hatte nur eine kleine Schwester mit Namen Meral. Und heute war auch der Tag, an dem Elar zum ersten Mal das dunkle Land betreten würde. Wenn die anderen davon erfahren könnten! Doch Tranûr hatte Elar verboten mit seinen Freunden darüber zu sprechen. Deshalb war er nun missmutig und richtete seinen Blick nicht auf seinen Vater, der in seiner unscheinbaren Kleidung keinesfalls wie ein König aussah...nur die Krone zeigte seinen Stand an. Elar trug seine Wanderkleidung, die aus edlem Leder bestand. Ihm sah man an, das er der Prinz von Donara war. Elar Tranûr. Der Nachfolger von Tranûr Neglem. „Wann sind wir da?“, fragte Elar mit großer Anstrengung. „In ungefähr drei Stunden haben wir über die Hälfte des Berges geschafft.“, meinte sein Vater und Elar wurde nur noch missmutiger. Drei Stunden! Da stand die Sonne schon weit am Himmel und seine Freunde konnten am Hof reiten! Aber Elar würde das dunkle Land betreten. Das würden die Jungen nie können. Elar grinste leicht. Wie war es wohl im Land hinter dem riesigen Berg? Bis vor zwei Tagen hatte er nicht einmal gewusst, dass sich dahinter ein Land befand. Es war ihm sehr peinlich gewesen, doch niemand hatte ihn darüber aufgeklärt. Erst der Magier am Hof seines Vater hatte ihm in seinem Unterricht erzählt, das hinter dem steil aufragenden Berg ein Land sei, voller gefährlicher Wesen und Babaren die ungebildet seien und in den Wäldern in Holzhütten lebten. Ein bisschen Angst hatte Elar schon vor ihnen, aber was sollten Babaren seinem Vater und ihm schon tun können? Nichts! Wovor hatte er Angst? Elar schnaufte, seine Beine taten fürchterlich weh und zu seinem Übel rollten dem Trupp plötzlich Steine entgegen, die sich durch irgendetwas von der Bergwand, an der sie gerade entlangschritten, lösten. Alle konnten rechtzeitig ausweichen, doch Elar wurde nicht verschont. Er war der jüngste in der Gruppe, alle anderen waren über zwanzig Jahre älter als er und hatten in den zwei Stunden, die sie schon unterwegs waren ein schnelles Tempo angegeben. Elars Beine waren schwer wie Blei und seine Reflexe waren langsam – zu langsam. Ein Stein von der größe eines Stuhls traf ihn an der Seite und zeriss leicht seine Lederjacke. Alle stürmten schnell zu ihm und halfen ihm auf. „Elar, ist alles in Ordnung?“, fragte Pian, der als erster bei ihm war. Elar nickte, doch dann fasste er sich an die Seite. „Hier ist ein Stechen.“, sagte er und zeigte mit seinem Finger auf die Seite. Zwei der begleitenden Krieger kamen näher und einer von ihnen sprach: „Wir sind ebenfalls ausgebildete Heiler und es würde uns eine Ehre sein Euch zu untersuchen, Prinz Elar.“ Sie verbeugten sich und Elar wurde von ihnen zur Seite getragen und untersucht. Als die Heiler Elars Jacke und Untekleidung abstreiften sahen sie, dass Elars Seite nur leicht verlezt war. Jedoch blutete er und die Wunde des jungen Prinzen sah seltam und unnatürlich aus. Es waren drei Kratzer übereinander und ein letzter, der einem Punkt ähnelte. Die Heiler scherten sich nicht darum und verbanden die Wunde. Die weitere Reise ging nur schleppend voran, da Elar mit seiner Wunde und der betäubten Seite nur schwer laufen konnte, jedoch erreichte die Königstruppe nach nur sechs Stunden, den Gipfel des Berges. Feldar erwartete sie bereits und kam aufgeregt auf sie zugerannt, verbeugte sich vorm König und sprang dann seinem Sohn Pian um die Arme. Beide – Vater und Sohn – weinten. Die Ablösung erfolgte rasch, doch Elar hatte genug Zeit, sich umzuschauen. Die Hütte des Bergwächters war klein und als er sie betrat befand er sich nur in einem Zimmer, in dem sowohl das Schlafzimmer, als auch die Küche eingebaut war. Die Wände waren etwas verrußt und aus Holz. Fing es hier schon an? Das primitive Land mit den Holzhütten und Babaren? Elar blickte um sich, sah aber kein Lebewesen, außer einer Ziege, die auf der Wiese weidete. Man hatte einen herrlichen Ausblick von dem riesigen Berg. Sein Land war hell und freundlich, doch als Elar sich umdrehte, den Blick in das Land hinter dem Berg warf, sah er fast nichts. Es war so dunkel wie die Nacht, der Schatten des Berges fiel auf den Rest der Welt. Elar schauderte und wandte sich ab. Er umarmte Pian. Es war wohl das letzte Mal, wo er seinen Freund sehen würde und er konnte sich die Tränen nicht verkneifen. Pian hier oben auf dem Berg, ganz allein, nur mit einer Ziege. „Ich werde dich nie vergessen, Elar.“, sagte Pian zum Abschied zu seinem jungen Freund und Elar spürte plötzlich ein Gefühl in sich hochkommen und sagte leise: „Ich verspreche dir, Pian, Sohn von Feldar, dass du niemals dein ganzes Leben hier oben allein verbringen wirst. Das verspreche ich, Prinz Elar, Sohn von Tranûr bei meinem Leben! Ich werde dich hier oben nicht allein lassen, ich werde jeden Monat zu dir kommen! Das verspreche ich hoch und heilig beim alten Geist und Luna und Kyio. Auf das sie mich strafen sollen, wenn ich nur ein Treffen versäumen sollte!“ Da verdunkelte sich auf einmal der Himmel und es begann urplötzlich zu regnen. Ein Blitz schlug nahe von Elar ein. Pian wurde weiß. „Du hast einen Schwur abgelegt, den du nicht halten kannst, Elar. Mache ihn rückgängig!“, sagte er mit zitternder Stimme. Die Götter waren wohl nicht nicht gut auf Elar gestimmt. Niemand durfte zum Bergwächter kommen, das wiedersprach einer wichtigen Regel, die von Nârls Magier aufgestellt wurde. Doch Elar schüttelte den Kopf. „Den Schwur muss ich halten, oder ich sterbe. Ich habe es geschworen...bei meinem Leben.“ Er war ebenfalls weiß, doch er hatte keine Angst vor dem Zorn des alten Geistes, oder vor Kyio, der einst die Schatten in die Welt gebracht hatte. „Lebewohl Pian, auf das wir uns bald wiedersehen!“, sprach Elar dann laut, umarmte seinen vom Regen durchnässten Freund und folgte dann seinem Vater, den steilen Weg hinab, zu dem geheimen Durchgang ins dunkle Land. Kapitel 3: Im dunklen Land -------------------------- Im dunklen Land „Lass mich los!“, schrie Lienna ihren Lehrmeister an. Er gab ihr auf diese freche Wiedersetzung einen Hieb in den Magen, worauf sie zusammenklappte. „Du tust was ich dir sage, Lienna! Oder muss ich das deiner Tante erzählen? Und dein Onkel? Was wird er nur sagen...“ Er schaute sie ernst an. „Außerdem ziehmt es sich nicht, sich dem Lehrmeister zu wiedersetzen! Hast du mich verstanden, Lienna?“ Lienna blieb am Boden sitzen und rührte sich nicht. Ihre dunklen Haare fielen ihr ins Gesicht und eine Träne kullerte ihre Wange hinunter. „Aber ich muss zu meinem Bruder, Meister.“, sagte sie leise und blickte auf. Er erwiderte nur: „Dein Bruder hat eine schwere Misstat begangen. Es ist nur richtig, dass er im Kerker sitzt.“ Lienna stand wütend auf. Das würde sich eine Zauberkriegerin nicht verbieten lassen: Ihren kranken Bruder im Kerker besuchen, in dem er saß, obwohl er gar nichts verbrochen hatte. „Was hat er denn getan!“, schrie sie aufgebracht und die anderen am Übungsplatz drehten sich fragend um. Ihr Lehrmeister hob nur das fallengelassene Schwert auf und richtete es auf Lienna. „Meister, ich möchte eine Antwort! Niemand weiß warum Nârl im Kerker ist!“ Ihr Meister führte sein Schwert an ihre Kehle. Sie blieb stehen. Sie wollte jetzt sofort die Wahrheit wissen! Seit Jahren litt ihr großer Bruder nun schon an einer seltsamen Krankheit und vor zwei Monaten hatte man ihn ohne Grund eingesperrt. Oder sollte etwa...? „Nein!“, schrie sie angewiedert, „Ihr habt ihn doch nicht etwa eingesperrt, weil...weil er Nârl heißt?“ Ihr Meister hielt ihr weiter das Schwert an die Kehle und rührte sich nicht. „Nur weil er so heißt, wie der König, der diesen abscheulichen Berg um uns gelegt hat?“ Sie zog ihr Schwert und wehrte ihres Meisters Klinge ab. Sie parierte seinen nächsten Angriff und fragte noch einmal: „Warum?“ Ihr Lehrer kämpfte noch eine Stunde mit ihr, dann brach er den Kampf ab und setzte sich. „Dein Bruder ist im Kerker, weil er uns vorbehalten hat, dass sein Name Nârl ist. Verstehst du? Er hat uns allen erzählt, er hieße Lârn. Den Namen hat er sich einfach aus seinem richtigen Namen zusammengesetzt. Hätte er uns von Anfang an erzählt, dass er so heißt, hätten wir ihm nichts getan.“, sagte er und wischte sich den Schweiß aus der Stirn. Lienna war noch wütender als vorher. „Das hat er doch nur gemacht, damit ihr ihn nicht beschludigt. Außerdem wollte...wollte er nur meine Eltern schützen.“ Lienna schluckte. Ihre Mutter war nach dem Tod ihres Vaters, bei ihrer und ihres Zwillingsbruders Geburt gestorben. Niemand wusste, wer die beiden waren, denn sie waren von fern gekommen. Nur ihre drei großen Brüder, Ranor, Nârl und Aoe wussten es. Doch niemals wurde darüber gesprochen. Auch Liennas Tante und Onkel, bei denen sie nun lebten, wussten nichts. „Lass deine Eltern da heraus, sie sind schon genung gestraft, dass sie es wagten diesen Namen zu vergeben.“, erwiderte ihr Lehrmeister und erhob sich. Er reichte ihr die Hand und sprach: „Morgen werden wir härter arbeiten. Dafür, dass du mich heute vor allen Leuten entwürdigt hast, verbiete ich dir den Besuch deiner Brüder und dein Abendessen. Ich werde mit deinem Onkel und mit deiner Tante darüber sprechen.“ Dann machte er auf den Absetzen kehrt und verschwand. Lienna ließ ihr Schwert fallen vor Wut. Sie durfte keinen ihrer Brüder sehen? Ihr Magen knurrte jetzt schon. Lienna grummelte vor sich hin, da vernahm sie plötzlich eine Fanfare vom Marktplatz ihrer Stadt. Sie lebte in der größten Stadt Zaubererlandes, an den Hängen der Burg ihres Königs. Schnell entfernte sie sich vom Übungsplatz und rannte, den Rock hoch gerafft zum großen Marktplatz. Es waren so viele Zauberer versammelt, dass man sich kaum zurecht fand. Doch da hörte sie auf einmal jemanden rufen. „Lienna! Lienna hier!“ Sie schaute sich um und erblickte Aoe, ihren Zwillingsbruder. Er rannte schnell zu ihr und sein Haar flog ihm wild im Gesicht herum. Schnaufend stoppte er vor ihr. Sie schaute nervös um sich herum, für den Fall dass ihr Lehrmeister auch auf dem Platz war. „Ich darf mich heute nicht mit euch unterhalten, Aoe. Mein Lehrmeister hat es mir verboten, als ich zu Nârl wollte.“, erzählte Lienna rasch. Aoe nickte. „Ich komme gerade von Nârl. Es geht ihm gut. Morgen, hat Tante gesagt, darfst du ihn auch besuchen.“, erzählte er freudig und umarmte seine Schwester. Lienna drückte ihn etwas von sich und zischelte: „Wenn das mein Lehrmeister sieht!“ Aoe zischelte genauso zurück: „Was hast du denn verbrochen, dass er dich nicht zu uns lässt?“ In Lienna stieg wieder die Wut hoch. „Weil ich Nârl verteidigte...Warum ist er auch im Kerker!?“, ärgerte sie sich und Aoe nickte verständnissvoll. „Komm nachdem der König hier war zu Ranor und mir, in Ordnung?“ „Der König?“ Doch er ließ ihr keine Zeit mehr zum Antworten und verschwand in der Menge. Etwas später sah Lienna auch warum – ihr Lehrer hatte sich zu den Leuten gestellt, die nun dicht gedrängt um den großen Marktplatz standen. Lienna sah nun auch warum sich hier überhaupt so viele Zauberer versammelt hatten: Der König aus dem Land draußen war gekommen, der König derer die Glück hatten, der König der Menschen. Und neben ihm schritt ein junger Mann in Liennas Alter, mit schwarzen Haaren und einer kleinen Krone auf dem Kopf. Der Prinz. Das musste Prinz Elar sein! Lienna hatte sich immer gewünscht ihn einmal zu treffen. Schnell arbeitete sie sich in der Menge vorran, bis sie ganz vorne und fast neben Elar stand. Er drehte plötzlich den Kopf zu ihr und schaute sie lange an. Plötzlich verzog er die Augenbrauen und starrte Lienna an. „Was ist?“, fragte sie und ärgerte sich, dass das erste Wort was sie zum Prinzen sagte ein „Was“ war. Elar wusste nicht genau was er sagen sollte, so schien es Lienna. „Deine Schramme...“, flüsterte er noch, dann packte Tranûr ihn am Arm und zischte: „Nicht mit diesen Leuten reden!“ Lienna hatte ein Schramme vom Kämpfen am Arm und besah sie sich. Etwas seltsam sah sie schon aus, ja. Es waren drei kleine Kratzer und ein letzter, der aussah wie ein Punkt. Aber warum hatte Elar so erstaunt geschaut? Der König begann mit einer Rede und Elar zischte ihm zu: „Du sprichst doch auch zu diesen Leuten! Warum darf dann nicht auch ich es tun?“ Lienna lachte laut auf, worauf Tranûr zornig in die Menge starrte und alle Leute auswichen und Lienna freigaben. Sie stand umkreist von ihrem eigenen Volk und blickte den König der Menschen ängstlich an. Niemand konnte sie und ihre Brüder leiden, wegen dem was Nârl getan hatte. „Warst du es, die gerade so schrill gelacht hat, Hexe?“, schrie er sie an und kam dann ganz nah zu ihr. Lienna hatte Angst aber sie blieb kerzengerade stehen und blickte dem König genau in die zornigen Augen. Es war ihr, als würden Funken seines Zorns auf sie fallen und eine Gänsehaut lief ihren Rücken hinunter. „Vater. Komm, es ist gut, es war meine Schuld.“ Tranûr achtete nicht auf die Worte seines Sohnes und wandte seinen Blick nicht von Lienna ab. „Vater!“, rief Elar, als Tranûr auf die junge Zauberin zuging und sie packte. „Solltest du noch einmal deine freche Stimme in meinem Land mich hören lassen, so werde ich dich mitnehmen und in meinen finstersten Kerker sperren, verstanden?“, schrie er sie an und Lienna zuckte bei jedem seiner Worte merklich zusammen. Elar legte seine Hand auf seines Vaters Schulter, doch dieser stieß ihn von sich. „Und du, sprichst nur wenn du gefragt wirst und hast deinem Vater gegenüber treu zu sein!“, warf Tranûr seinem Sohn an den Kopf und zog sich grummelnd zurück. Lienna atmete tief aus und lächelte dem jungen Prinzen freundlich zu. Ganz leicht erwiderte er ihr Lächeln und folgte dann seinem Vater, der die Rede kurzer Hand weg fallen ließ. Kapitel 4: Zwei betrunkene Brüder --------------------------------- Zwei betrunkene Brüder So schnell es ging rannte Lienna durch das Dorf auf der Suche, nach Ranor und Aoe. Bei Tante und Onkel waren sie nicht, das sah sie daran, dass Ranors Stute Aylen nicht vor der Hütte stand. Aylen war nach einer berühmten unsterblichen Elfe benannt worden, die Ranor sogar einmal getroffen hatte. Jedenfalls erzählte er das. Unschlüssig stand Lienna vor ihrem zu Hause, bis sie sich entschied zur großen Eiche zu gehen. Dort traff sie sich oft mit ihren Brüdern, mit ihren Schulkameraden und ihren Priesterfreunden. Sie selbst war ja eine Priesterin, drufte aber schon wieder zu Hause wohnen. Endlich angekommen, fand sie nichts anderes vor, als den alten großen Baum, der schon seit Urzeiten hier stehen musste. Seine Zweige reichten weit über das Feld, was sich dahinter erstreckte. Es hieß im tiefsten Winter, konnte man hier die Feen feiern hören. Doch gesehen hatte sie noch nie jemand. Auch Wölfe sollten hier ihre Räte abhalten und Elfen ihre Rituale feiern. Lienna ging zum Rand des Feldes, welches nun abgerntet war. Sehnsüchtig schaute sie den Berg hinuter, auf den riesigen Wald, der sich bis zu der nächsten Bergwand erstreckte. Dort lebten die Neblans, ein freundliches Volk, die von ihrem Volk abstammten. Lienna atmete die frische, wunderbrae Luft ein, bis ihr wieder einfiel warum sie hier war. Gründlich untersuchte sie den Baum, aber als sie keine Zeichen fand lief sie wütend um ihn und stieß ihre Füße immer wieder in die vom Baum gefallenen Blätter. Da entdeckte sie im roten Herbstlaub plötzlich ein altes Pergamentblatt. Schnell hob sie es auf und überflog die Zeilen, die darauf geschrieben standen. Lienna, komm so schnell es geht zum „Jaulenden Wolf“. Bevor wir zu viel getrunken haben, um mit dir zu reden! Ranor und Aoe. Das war mal wieder typisch! Wahrscheinlich kam Lienna viel zu spät, so wie sich ihre Brüder immer mit Wein und Schnaps begnügten. Dennoch raffte sie ihren Rock hoch und rannte zum „Jaulenden Wolf“, der schmutzigsten Kneipe im ganzen Zaubererland. Die Fassade von dem baufälligen Gebäude war recht hübsch anzusehen. Es war ein Fachwerk, was jedoch etwas Überholung benötigte. Schnell öffnete Lienna die schwere Tür und trat in die dunkle Kneipe. Ein Geruch von Rauch und Bier stieg ihr in die Nase uns sie musste husten. Ihre Augen huschten suchend über die anwesenden Personen. Da schien sie der Wirt zu entdecken, denn er grüßte sie recht laut. „Lienna Luna! Falls du deine unartigen Brüder suchst, die sind dahinten!“, rief er ihr zu und wies mit seinen dicken wulstigen Fingern auf eine Ecke des Schankraumes. Ranor und Aoe lagen beide übereinander auf dem Tisch, in jeder Hand ein Bierglas. Wütend ging Lienna zu ihnen und schlug mit ihrer Faust auf die polierte Oberfläche des Tisches. Aoe, der über Ranor lag schreckte hoch. „Was’n los?“, fragte er. „Was los ist? Du fragst mich was los ist? Pass auf ich sag es dir: Ihr habt euch schon wieder betrunken und seid hier eingeschlafen. Ich suche euch schon den halben Tag, weil du mir sagtest, dass ich mich mit euch treffen sollte!“, schrie sie ihn, rot vor Wut, an. Alle Leute im Pub schauten sie an und nun erwachte auch Ranor, ihr zwei Jahre älterer Bruder. „Lienna? Schrei doch nicht so rum...ich will schlafen...“ Voller Zorn trat Lienna um den Tisch und riss Ranor an den Schultern hoch. Dann schüttelte sie ihn kräftig durch und rief in die Runde: „Bringt mir einen Kübel kaltes Wasser!“ Die belustigten Zauberer, die sich um Lienna und ihre Brüder versammelt hatten, taten was sie sagte. Lienna nahm den Kübel dankend entgegen und bedeutete zwei Zauberern, ihren betrunkenen großen Bruder festzuhalten. Zwei zogen ihn auf seine Beine und warteten. Mit einem Mal schüttete Lienna das eiskalte Wasser über Ranor, der erschrocken aus seinem Halbschlaf erwachte und verblüfft an seiner nassen Kleidung hinabstarrte. „So und nun Aoe...“, sagte Lienna, worauf mit ihrem Zwillingsbruder das selbe geschah. Übberascht schrie er auf und blickte wild um sich. Da erblickte er seine Schwester und fing an zu lachen. „Lienna, ich habe dir geschrieben du sollst dich beeilen! Es ist deine Schuld, dass wir hier eingeschlafen sind. Wir waren müde!“, lachte er und Lienna erwiderte: „Ihr wart sturzbetrunken, meine Lieben. Von wegen müde! Ich habe euch die ganze Zeit gesucht.“ Ranor lachte nun auch. „So, nun hast du uns gefunden. Und wir wollen auch gleich anfangen mit dir zu reden.“ Er nahm sie bei der Hand. „Komm mit hierher,“, erklärte er und setzte sie auf einen abgeschiedenen Platz, während Aoe den anderen bedeutete, dass der Spaß vorbei war. Sobald er bei ihnen saß, begann Ranor zu erzählen: „Also hör gut zu: Nârl geht es gut. Die Ärzte haben ihn untersucht und festgestellte, dass seine Krankheit geheilt werden kann. Jedoch erst dann, wenn er aus dem Kerker befreit ist. Denn in dem stinkenden Loch, könnte ja nicht einmal ich gesundes Wesen überleben. Deshalb müssen wir ihn da rausholen, verstanden?“ Er blickte seine jüngeren Geschwister fragend an. Aoe nickte wild entschlossen, genauso wie Lienna. „Es stellt sich nur die Frage wie.“ Kapitel 5: Verloren ------------------- Verloren Irgendwie hatte Elar ein schlechtes Gefühl. Er war allein in den Wald gegangen, der an ihrem Lager grenzte. Nun fühlte er sich müde und erschöpft und hatte den Rückweg angetreten. Aber war er an diesem seltsamem Baum nicht schon einmal vorbeigekommen? Lief er im Kreis? Verwirrt drehte er sich einmal um sich selbst und spähte dabei in alle Richtungen. Doch nirgendwo war eine Lücke, oder schimmerte ein wenig Licht durch die Bäume und Sträucher, die um ihn herum wuchsen. In seiner Hast und Verzweiflung vergass der junge Prinz völlig, was man in so einer Situation tat. Er rannte wie verrückt in irgendeine Richtung, in der Hoffnung, dass es die Richtige war. Doch dadurch geriet er nur noch tiefer in den Wald. Er rannte und rannte und bald wurde ihm kalt. Über sich schimmerte ein wenig der Himmel durch und Elar sah, dass die Sonne unterging. Würde er in diesem Wald zugrunde gehen? Da hatte er eine Idee. Wenn er die letzten Sonnenstrahlen nutzte, konnte er einen Baum erklettern und von seiner Spitze schauen, wo er sich befand. Elar blickte sich um, auf der Suche nach einem besonders hohen Baum. Und er fand einen, den er sofort erkletterte. Dazu zog er seine schweren Stiefel aus und ließ sie am Boden, so wie sein Wams, welches er über seinem Hemd getragen hatte. Ohne, ließ es sich besser klettern. Anfangs war es schwer Stellen an dem alten Baum zu finden, die zum Festhalten geeignet waren. Doch sobald er die ersten Äste erreicht hatte, war es ziemlich einfach. Und obwohl Elar ein paar Mal fast hinunter gefallen wäre, erreichte er etwas später die obersten Äste des Baumes. Erschöpft streckte er seinen schweißnassen Kopf durch das Blätterdach und schaute in die einzige Richtung, die in seinem Blickfeld lag. Zu seinem Glück sah er ein abgerntetes Feld und merkte sich die Richtung mithilfe der Sonne, die gerade in der entgegengesetzten Richtung unterging. Er musste also nach Osten. Wenn die Sterne aufgingen, würde er sich mit iher Hilfe orientieren, das hatte er gelernt. Ein Kichern riss Elar aus seinen Gedanken und er blickte erschrocken nach unten, als er dort kleine Wesen erblickte, die seine Stiefel und sein Wams wegtrugen. „He! Stopp! Hört auf, lasst meine Sachen los!“, schrie er nach unten. Doch die kleinen Wesen ( Elar war sich sicher, dass es Feen waren ) kicherten nur. So schnell es ging kletterte Elar an dem hohen Baum wieder hinunter. In seiner Hast rutschte er an dem untersten Ast ab und fiel den Stamm hinunter. Mit voller Wucht prallte er auf dem Boden auf. Vor Schmerz verzog er sein Gesicht und versuchte sich aufzurichten, doch sein Fuß schmerzte fürchterlich. Oh nein!, dachte er sich. Bitte, sei nicht gebrochen! Sonst muss ich diese Nacht im Wald verbringen! Angestrengt setzte er sich auf und versuchte den linken Fuß zu bewegen. Es ging, tat aber höllisch weh. Dann ist er wenigstens nicht gebrochen! Die Gedanken an die Stiefel und sein Wams waren wie weggeblasen. Jetzt ging es nur noch darum, vor der Nacht diesen Acker zu erreichen. Kälte stieg vom Boden auf und Elar richtete sich mühevoll auf. Neben ihm lag ein längerer Ast mit einer Astgabel. Elar benuzte ihn als Krücke und humplete so in Richtung Osten. Immer weiter und weiter. Sein Magen forderte Essen und Elar wurde wenig später schlecht vor Hunger und Schmerz. Doch er nahm all seine Entschlusskraft zusammen und schleppte sich weiter. Es kam ihm so vor, als brauche er für jeden Schritt mehrere Tage, so langsam verging die Zeit. Sie kroch dahin, wie die Wärme und das Licht, welches nun völlig verschwunden war. Langsam stieg Nebel vom Boden auf und wurde immer dichter. Die feuchten bunten Blätter, über die Elars nackte Füße wanderten, fühlten sich kalt und hart an. Er fröstelte in seinem dünnen Leinenhemd. Dazu kam, dass er immer wieder anhalten musste, um in den Himmel zu schauen. Seine Route war bis jetzt richtig. Zu seinem Glück entdeckte Elar bald einen hellen Schimmer durch die Bäume und hastete blind vor Erschöpfung auf ihn zu. Doch der Schimmer schien nicht näher zu kommen. So sehr Elar sich auch anstrengte, ihm kam es so vor, als würde er nie aus diesem Wald hinausfinden. Was war, wenn bei dem Acker niemand war? Er würde wohl auf offener Flur sterben. Mit seiner letzten Kraft schleppte er sich immer näher zu dem hellen Schimmer und entdeckte bald, das es ein Feuer war. Freudig taumelte er näher, doch da durchfuhr ihn eine neue Schmerzwelle und er brach auf halber Strecke zusammen und sah nichts mehr. Kapitel 6: Entdeckungen ( Lienna & Elar ) ----------------------------------------- Entdeckungen „Habt ihr das gehört?“, fragte Lienna ängstlich, als ein dumpfes Geräusch aus dem Wald an ihr Ohr drang. Aoe und Ranor schüttelten den Kopf. „Da war nichts Schwester. Aber nun komm, es ist schon spät. Wir gehen vor und warten auf dich. Vergiss nicht, das Feuer zu löschen.“, sagte Ranor und Lienna nickte. „Es kann aber noch länger dauern, geht ruhig schon nach Hause!“, meinte Lienna und Aoe nickte. Sobald ihrer Brüder verschwunden waren, stahl Lienna sich mit einer Fackel in den dichten Wald. Ihre Augen musten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, doch schon wenig später sah sie etwas auf dem Waldboden liegen. Es bewegte sich nicht und machte auch keine Geräusche. Ganz vorsichtig trat Lienna näher. Fast traute sie ihren Augen nicht. Da lag doch tatsächlich ein Mensch vor ihr! So schnell sie konnte bückte sie sich zu ihm hinuter und befühlte sein Gesicht. Es war eisig kalt. Der Mensch trug nur ein Hemd und war barfuß. Lienna löschte den Holzspann und nahm den schwarzhaarigen Menschen bei beiden Händen und zog ihn mit aller Kraft zum Feuer. Erst da bemerkte sie, wenn sie da entdeckt hatte. Es war der Prinz persönlich! Sie ließ augenblicklich seine kalten Hände los, worauf sie dumpf zu Boden fielen. Was macht der Prinz im Armenviertel der Zauberer? Lienna konnte sich die Frage nicht beantworten und bückte sich noch einmal zu ihm herunter. Was genau geschehen war, konnte die junge Zauberin wohl erst herausfinden, wenn er wieder bei Bewusstsein war. Sicher hat er sich verlaufen! Oder er ist absichtlich vom Lager weggelaufen? Aber das erklärt immer noch nicht, warum er kein Wams und keine Schuhe trägt. Diese ganzen Gedanken flogen Lienna im Kopf herum, während sie Elar mit ihrem Umhang bedeckte, um ihn zu wärmen. Dann entschied sie sich dafür, zu warten bis er erwachte. Still wachte sie bei ihm, ohne dabei den Blick von seinem wunderhübschen Gesicht zu wenden. Er sah so friedlich aus, so still. Lienna mochte Jungen manchmal mehr wenn sie schliefen, als wenn sie wach waren. Denn dann wurde sie von ihnen geärgert und beschimpft. Ihre Brüder waren jedoch ganz anders. Zu ihnen konnte sogar Lienna einmal streng sein, wie heute im „Jaulenden Wolf“. Die Zeit verging schrecklich langsam und die junge Zauberin spielte mit dem Gedanken, den Prinzen so in die Gegenwart zurück zu holen, wie ihre betrunkenen Brüder. Schnell verwarf sie diesen Gedanken wieder. Schließlich war er bewusstlos zusammengebrochen und das war sicher keine Absicht gewesen. Nebel stieg von den Feldern auf und verdichtete sich immer mehr. Lienna fröstelte. Wenig später, regte sich wieder Leben in Elars Körper. Verwirrt blinzelte er und schließlich versuchte er sich aufzusetzen. Jedoch scheiterte er und sank wieder zurück. Verzweifelt schlug er die Hände vor sein Gesicht und schüttelte den Kopf. „He!“, sagte Lienna und Elar riss erschrocken die Hände hinunter. Da Lienna hinter ihm saß, konnte er sie nicht erblicken. „Wer ist da? Wer hat mich zu diesem Feuer gebracht?“, fragte er, Angst schwang in seiner Stimme mit. Schnell huschte Lienna zu ihm. „Ich heiße Lienna Luna, aus dem Hause Elnick. Ich fand dich im Wald, nicht weit von hier und brachte dich ans Feuer. Doch sag mir, was genau ist geschehen?“, fragte Lienna. Elar erzählte rasch, was ihm wiederfahren war, dann blickte er zu ihr auf und wurde plötzlich nachdenklich. „Bist du nicht die Zauberin, die ich heute morgen getroffen habe?“, fragte er. Lienna nickte. „Ja, das stimmt. Doch nun meine Frage: Warum hast du mich so seltsam angeschaut?“ Elar lächelte erschöpft. Er nahm ihren Arm und wies auf den ungewöhnlichen Kratzer. „Ja, aber...“, begann Lienna, doch der Prinz unterbrach sie und rollte sein einfaches Hemd hoch. Dann wies er auf den Kratzer an seiner Seite, der genauso aussah, wie der an Liennas Arm. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Lienna ohne Umschweife. Elar schüttelte den Kopf. „Wenn ich das wüsste...“ Lienna schob dieses Thema erst einmal beiseite. „Du sagtest, dein Fuß tut weh. Darf ich ihn mir einmal besehen?“ Elar nickte zustimmend und Lienna rollte sein Hosenbein hoch. Dann berührte sie den Fuß und drehte ihn einmal hin und her. Elar zog zischend die Luft durch die Zähne ein. „Ja, das tut weh.“, stimmte Lienna zu, „Kannst du ihn von allein bewegen?“ Die Anspannung war Elar anzusehen, doch der Fuß bewegte sich ganz leicht hin und her. „Nun gut. Dann ist er nicht gebrochen. Ich werde dir einmal was darum wickeln.“, erklärte Lienna fachmännisch. Als Priesterin wurde man ebenfalls in Heilkunde ausgebildet. Sie riss einen langen Fetzen von ihrem Unterkleid ab und wickelte diesen um Elars wunden Fuß. Dann bat sie ihn, sich aufzurichten. Vor Erschöpfung sank er sofort wieder zurück, nachdem er es geschafft hatte. „Komm, Elar. Du musste dich richtig hinsetzen.“ Er versuchte es noch einmal. Lienna fasste von hinten unter seine Arme und zog ihn auf die Beine. Sie wackelten bedrohlich unter ihrer Last. „Meinst du, du schaffst es ein Stück zu laufen? Wir müssen zum Gasthaus, da kannst du etwas essen und schlafen. Morgen kannst du dann zu deinem Vater zurückkehren und dich bei einem Arzt behandeln lassen.“, meinte Lienna und stüzte den Prinzen mit einem Arm. Er nickte entschlossen, sagte jedoch nichts. Das Feuer ließ Lienna brennen, es war fast erloschen. Für das kurze Stück zum „Jaulenden Wolf“, brauchten sie ziemlich lange, da Elar nur langsam laufen konnte. Dazu kam, das er geschwächt vom herumirren war und seit dem Morgen noch nichts gegessen und getrunken hatte. Jeder Schritt jagte eine neue Schmerzwelle durch seinen Körper und ließ ihn erzittern. Letztendlich öffnete Lienna die Tür und brachte Elar zum Wirt. „He, Lienna, was bringst du mir? Es ist so dunkel, ich kann nichts erkennen. Ist es dein betrunkener Bruder, Aoe?“, fragte er. Im Schankraum befanden sich nur zwei finstere Gestalten, die an ihren Bierkrügen nippten. „Nein, mein Herr. Das ist...“, schnell suchte sie nach einem anderen Namen, um seine Indetität nicht preiszugegeben, „....das ist Elniren. Ein naher Verwandter aus dem Norden. Er hat heut noch nichts gegessen und getrunken und braucht einen Schlafplatz.“ Der Wirt schaute ein wenig misstrauisch. „Warum schläft und isst er nicht bei dir zu Haus?“ „Oh, er ist gerade angekommen, mein Herr. Er hatte sich verlaufen und mag es nichts so, bei uns zu schlafen. Er übernachtet lieber in Unterkünften.“ Der Wirt schien zufrieden. „Nun gut. Hier hat er etwas zu Essen und etwas um den Durst zu löschen. Bringst du ihn dann auf sein Zimmer? Nummer zwölf.“ Lienna nickte eifrig und half Elar auf einen Stuhl. Wie ein Tier stürzte dieser sich auf das Essen und schlang es unbedacht hinuter. Nachdem er gesättigt war stüzte Lienna ihn die Treppen hinauf, bis zu dem zwölften Zimmer. Ein einzelnes Bett befand sich darin und eine Waschschüsseln auf einer Kommode. Es roch nach Moder. Nun, die Unterkunft musste der Prinz von Donara wohl in Kauf nehmen. Behutsam legte sie ihn auf das Bett und deckte ihn mit der löchrigen Decke zu. Müde nahm er ihre Hand. „Vielen Dank. Lienna. Ohne dich wäre ich wohl zugrunde gegangen!“, flüsterte er und küsste ihre Hand. Errötend nickte Lienna. „Schlaf nun wohl! Morgen folgst du ganz einfach der Hauptstraße zum großen Marktplatz, um zu deinem Vater und König zu gelangen. Lebwohl!“, sprach sie und verließ den Raum. Konnte sie den Prinzen hier wirklich allein lassen? Ihr Blick huschte zu den zwei finsteren Gestalten, die tuschelnd die Köpfe zusammensteckten, als sie die Treppe hinunter kam. Sie kamen ihr seltsam vor. Schnell ging sie zum Wirt. „Achtet mir gut, auf diese beiden Gestalten dort! Passt gut auf Elniren auf!“ Dann verließ sie den Schankraum und nahm sich vor, am nächsten Morgen sofort hierher zurück zu kehren um nach Elar zu schauen. Glücklich machte sie sich auf nach Hause. Sie hatte den ganzen Abend mit dem Prinzen von Donara verbracht! Kapitel 7: Eine angemessene Besrafung? -------------------------------------- Eine angemessene Bestrafung ? Das Frühstück wurde schweigend eingenommen. Lienna saß unruhig auf ihrem einfachen Holzstuhl und schaulfelte das Essen in sich hinein. Sie wollte unbedingt zu Elar. Aber was wurde aus Nârl? Schließlich mussten sie ihn irgendwie aus dem Kerker befreien. Liennas Onkel Enan ergriff plötzlich das Wort. „Lienna, dein Lehrmeister sagte mir, du hättest ihn auf offenem Platz entwürdigt?“ Liennas Hochstimmung sank augenblicklich. Solch ein Gespräch konnte schwere Folgen haben, also überlegte sie sich ihre Antworten genau. „Ja, das stimmt. Ich habe ihm wiedersprochen.“, erwiderte sie. „Und warum?“, fragte Enan schroff. „Weil ich wissen wollte, warum Nârl im Kerker ist. Am Ende habe ich es selbst heraus gefunden.“ „Dann hättest du dir den Rest auch sparen können! Was hat dein Meister getan?“, wollte Enan nun wissen und Lienna antwortete sofort: „Er hat mich schon gestraft, Onkel. Ich durfte meine Brüder nicht sehen und zu Abend nichts Essen. Ich habe die Strafe auf mich genommen.“ Enans Miene änderte sich nicht und Aoe und Ranor schluckten ihre lezten Bissen hörbar herunter, als Lienna log. Sie hatte sich mit ihren Brüdern getroffen und gegessen hatte sie am Lagerfeuer unter der alten Eiche ebenfalls. Lienna wurde unsicher, als sich des Onkels Miene verfinsterte. „Aylen hat mir aber etwas anders erzählt!“, rief er und Ranor schloss die Augen. Er hätte Aylen sagen sollen, sie solle ihre Zunge hüten! Zauberer verstanden die Sprache der Tiere und so war es für Enan nicht schwierig gewesen, Ranors Stute auszufragen. Lienna schluckte. „Was hat sie denn erzählt?“, fragte sie und bereute die Frage schon als sie sie stellte. Enan sprang auf packte Lienna am Arm und führte sie aus dem Raum. Aoe und Ranor schauten ihre Tante erschrocken an. Enan hatte Lienna noch nie etwas getan. Konnte er es doch? So schlimm war die Tatsache doch nicht, wenn man bedachte was die beiden Brüder schon angestellte hatten. Veyna, so hieß ihre Tante, stand auf und wusch die Teller in einer Schüssel. Besorgt blickte Ranor zu seinem jüngeren Bruder. „Was meinst du, hat er mit ihr vor?“, fragte er. Aoe schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich werde mal nachsehen.“ Etwas lauter sagte er dann: „Veyna, ich gehe nur schnell mal in unser Zimmer. Ich muss etwas holen.“ Die Tante nickte, worauf Aoe aufsprang und durch den Flur weiter ins Haus lief. Nun verlangsamte er seine Schritte und schlich zum Arbeitszimmer seines Onkels. Er vernahm die zornige Stimme seines Vormundes aund danach einen dumpfen Schlag. Züchtigte er sie doch? Aoe wusste wie grauenvoll das war. Er selbst hatte schon über hundert Mal in diesem Raum seine Strafe erhalten. Leise wartete Aoe vor der Tür in dem fast stockdunklen Flur. Endlich öffnete sich die Tür. Aoe verschwand um die Ecke und sah Lienna langsam aus dem Zimmer kommen. Enan folgte nicht. Schnell stürmte Aoe zu seiner Zwillingsschwester und umarmte sie. „Was hat er getan?“, fragte er unruhig, den Liennas Miene war undurchschaubar. „Nichts worüber du dir Sorgen machen müsstest.“, kam ihre leise Antwort. Aoe nahm ihre Hände und besah sie sich. Sie waren rot. „Er hat dich doch gestraft, nicht wahr?“, fragte er und Lienna nickte. „Aber es war nicht so schlimm. Er hat mich mehr angeschrien, als das.“ Aoe war beruhigt. „Dann ist es ja gut.“ „Ist es nicht.“ „Warum, was ist passiert?“, fragte er wieder eine Spur besorgter. „Ich darf nicht zu Nârl.“ Kapitel 8: Lyrux ---------------- Lyrux Sobald sie von zu Hause wegkam, rannte Lienna zum „Jaulenden Wolf“, um dort nach Elar zu sehen. Ohne ein Wort mit dem Wirt zu wechseln stürmte sie die Treppen hoch und riss die Tür zum Zimmer auf. Fast erstarrte ihr Herz, als sie ein leeres Bett vorfand. Sie ging langsam zum Wirt hinunter. „Mein Herr! Habt ihr den jungen Mann aus Zimmer zwölf Euer Haus verlassen sehen?“ Nachdenklich verzog der Wirt die Miene. „So weit ich weiß, nein.“ Lienna versuchte das laute Schlagen ihres Herzens mit ihrer Stimme zu übertönen. Da fielen ihr die zwei finsteren Gestalten wieder ein, die am Abend zuvor in der Kneipe gewesen waren. „Wisst Ihr wann diese Beiden Männer gestern Euer Haus verlassen haben?“, fragte sie etwas lauter nach. „Ich kann mich nicht erinnern, es gesehen zu haben. Ich denke ich habe da schon geschlafen.“ Lienna rollte mit den Augen. Wusste dieser Wirt überhaupt etwas über sein Gasthaus und die Leute, die hier ein und aus gingen? Da hellte sich die Miene des dicken Wirts plötzlich auf. „Oh ja! Ich weiß zwar nicht wann sie gegangen sind, aber vorher sind sie noch einmal nach oben.“ Hart packte die junge Zauberin den Wirt bei seinen Armen. „Wisst Ihr wo diese Männer her sind?“, rief sie aufgebracht. „Also an das kann ich micn noch erinnern!“, stieß er freudig aus, „Sie kommen aus dem südlichen Teil und wohnen in so einem alten Gebäude am Rande des Kohlfeldes.“ Lienna gab ihm einen Kuss auf die Wange und rief: „Habt tausend Dank! Und wenn Ihr den jungen Elniren sehen solltet, sagt ihm, dass ich auf ihn bei der alten Eiche warte!“ So schnell wie sie gekommen war, verschwand sie auch wieder und ließ einen überrumpelten Wirt zurück. „Ranor, ich darf doch sicher kurz mit Aylen weg?“, fragte sie ihren Bruder, als sie wieder zurück war. „Na sicher doch. Nachdem was sie getan hat.“, antwortete er perplex und Lienna schwang sich in einer Bewegung auf die Stute. „Lauf, Aylen. Bringe mich zum Kohlfeld!“ Aylen sprang mit solch einer Wucht los, dass es Lienna fast von ihr herunter riss. Der Weg war weit, denn der Ort war groß. Zuerst gallopierte Aylen durch die Straßen, weshalb einige Zauberer im Dreck landeten. Darauf setzte Lienna eine Unschuldsmiene auf und lächelte verbissen. „Machmal habe ich das Gefühl, du machst das mit Absicht!“, blaffte sie zu Aylen. Doch die erwiderte nichts und lief weiter durch ein kleines Wäldchen in das die Strahlen der Morgensonne fielen. Rote und gelbe Blätter segelten bei einem leichten Wind zu Boden und landeten dort sanft. Ein Reh entschwand Liennas Blicken und huschte durchs Unterholz. Pilze wucherten aus dem Boden und ein verlockender Duft stieg der Zauberin in die Nase. Gerade als sie absteigen wollte, um sich einen von den Köstlichkeiten zu holen, fiel ihr ein Tannenzapfen auf den Kopf. Wütend rieb sie sich die schmerzende Stelle und blickte nach oben. Sie traute ihren Augen kaum. Da oben saß ein Junge im Baum und bei näherem hinsehen, erkannte Lienna ihren Freund Lyrux. Er war ebenfalls ein Priester Lunas und Lienna und er kannten sich seit klein auf. Er war ein Jahr älter als sie selbst und lächelte sie selbstzufrieden an. Belustigt wackelte der Blondschopf an den Zweigen, worauf noch mehr Zapfen auf Lienna hinabsausten. Durch einen Zauber blockte sie die Geschosse ab und ließ sie an einer anderen Stelle zu Boden fallen. „Du Spielverderberin!“, lachte Lyrux und kletterte geschwind wie ein Eichhörnchen zu ihr hinab. Er trug ein einfaches Hemd mit einem Lederwams und einer Lederhose, die in kniehohen Stulpenstiefeln steckte. Seine blauen Augen passten zu seinen strohblonden Haaren, die ihm wild ins Gesicht fielen. Höflich reichte er ihr die Hand ohne dabei mit seinem Grinsen aufzuhören. Lienna nahm sie, worauf er sie mit einem Ruck von Aylen herunterzog und selbst auf das Pferd sprang. Dann trieb er Aylen an und ritt davon. „Halt sofort an!“, schrie Lienna ihm wütend hinterher. Sie musste doch so schnell wie möglich zu Elar und konnte sich so eine Verzögerung durch einen Spaßkopf nicht leisten! Erbost erhob sie sich und folgte den Hufspuren. Als sie aus dem Wäldchen kam, eröffnete sich ihr ein neuer Anblick, der sie zum Lachen brachte. Lyrux lag auf dem Boden, eine Hufe von Aylen auf der Brust. Voller Angst blickte er zu der angriffslustigen Stute hinauf. „Lass ihn los!“, lachte Lienna sobald sie neben ihrem Freund stand. Langsam nahm Aylen ihren Huf von Lyrux hinunter, der sofort aufsprang und wegzulaufen versuchte. Lienna hatte jedoch bereits vorgesorgt. Ihre magische Wand ließ Lyrux nicht weit kommen. Er prallte an der unsichtbaren Mauer ab und fiel zu Boden. Triumphierend trat Lienna neben ihn. „Na? Wo wollten wir denn hin?“, sagte sie und riss Lyrux am Kragen hoch. „Lienna! Du bist eine miese Spielverderberin, die keinen Spaß versteht!“, erwiderte Lyrux und verschrenkte seine Arme. „Was denn? Ich mache doch auch nur einen kleinen Spaß! Ach so...du findest ihn nicht komisch. Genauso, wie ich deinen auch nicht komisch fand!“ „Spielverderberin.“, beharrte Lyrux und drehte seinen Kopf von ihr. Zufrieden ließ Lienna ihn los. So ein Benehmen war bei Lyrux normal. Dennoch, ein wenig albern fand Lienna ihn schon. „Du bist sechzehn, Lyrux! Meinst du nicht, du bist zu alt für solche Spiele?“, fragte sie ihn. Sie wollte ihn dazu bringen sich zu schämen. „Man ist nie zu alt um ein Kind zu sein. Sogar mein alter Großvater ist noch ein Kind.“ Verwirrt starrte sie ihn an und er rollte mit den blauen Augen. „Das Kind seiner Eltern, du Holhkopf!“, rief er und klopfte ihr an die Stirn. „Ist da überhaupt was drinne? Haaaaalloooo?“ Er lachte. Es war ein klares, aufgewecktes Lachen. Es drückte die Beschaffenheit seines Geistes aus. Freudig und Lebensfroh, aber das was Lyrux nun tat, zeriss Liennas Geduldsfaden. „Geh mir aus dem Weg!“, blaffte sie ihn an und stieß ihn von sich. „Ich habe weitaus wichtigeres zu tun, als mich mit einem einfachen Bauernlümmel zu unterhalten!“ Sie stolzierte zu Aylen und bestieg sie voller Würde. „Komm, Aylen. Dein Name ist zu würdig um ihn mit diesem Haufen Dreck in Kontakt zu bringen!“, stieß sie aus und wartete die Wirkung iher Worte ab. Lyrux drehte sich beschämt um und wanderte in Richtung Wäldchen davon. Einen Moment genoss Lienna das Gefühl, etwas erreicht zu haben, doch dann meldete sich ihr schlechtes Gewissen in Form von Aylen. „Was sollte denn das?“, zischte Ranors Pferd, „Er hat dir nichts getan! Ihn so zu beleidigen!“ Lienna biss sich auf die Unterlippe. „Warte. Du hast ja Recht.“ Schnell sprang sie von Aylen hinunter und rannte Lyrux hinterher. Er schlurfte zu einer dicken Eiche und sprang zu ihrem untersten Ast hinauf. Er war wirklich ein Kletterkünstler! „Lyrux!“, rief Lienna und stürmte zu ihm. „Es tut mir Leid!“ „Rede lieber nicht mit mir, Lienna Luna! Es könnte deine Ehre beschmutzen!“, sagte er bitter und war kurze Zeit später im spärlichen roten Blattwerk des Baumes verschwunden. Geknickt ging Lienna zu Aylen zurück, die ruhig auf der Wiese neben dem leicht dahinplätschernden Bach graste. „Und?“, fragte sie. Es kam keine Antwort von Lienna. Sie konnte es nicht leiden, wenn Lyrux nicht fröhlich war. Er kam ihr dann immer so verlassen und allein vor. Schließlich war er das ja. Er lebte allein im Wald, seine Eltern waren tot. In diesem Punkt ähnelte er Lienna und das machte ihn für sie so symphatisch. Wenn Lienna bei ihm war hatte sie das Gefühl, dass es jemand anderem genauso ging wie ihr. Nun war sie traurig und ritt langsam in Richtung Kohlfeld. Bis ihr einfiel, warum sie überhaupt losgeritten war. Der Prinz! Wenn ihm etwas zugestoßen war, dann trug sie dafür die Verantwortung. „Schneller, Aylen, schneller! Wie konnte ich das nur vergessen!“, trieb sie das Pferd an. Wenig später erblickte Lienna das abgerntete Kohlfeld und das baufällige Gebäude daneben. Die Tür hing aus den Angeln und die Farbe der geschlossenen Fensterläden blätterte ab und verlieh dem Ganzen einen verwahrlosten Anblick. Das strohgedeckte Dach wies einige Löcher auf und war halb verfault. Angewidert ritt Lienna näher und rümpfte die Nase. Gerade als sie von Aylens Rücken steigen wollte, vernahm sie Stimmen, die aus dem Haus kamen und versteckte sich hinter einem Holunderbusch. Die zwei finstern Gestalten verließen die Hütte und machten sich lachend in Richtung Dorf davon. Jetzt oder nie!, sagte sie sich und stieg von Aylen hinunter. Sobald die Männer außer Sicht waren pirschte sie sich an das Haus und schlüpfte geschwind durch die halb geöffnete Tür. Die Beiden hatten wohl keine Angst, dass ihnen jemand etwas stehlen könnte und das beruhigte Lienna. Leise durchsuchte sie die winzigen Räume nach einer möglichen Spur des Prinzen. Jedoch fand sie nichts anderes als staubige Böden und löchrige Decken. Bis ihr eine Tür am Ende des Ganges ins Auge fiel. Ein Schlüssel steckte und der Eingang war staubfrei, als wäre jemand vor kurzem dort lang gegangen. Mutig trat Lienna eine Schritt näher und fragte: „Hallo? Ist da jemand?“ Sie erschrak als sie ein Rumpeln hörte und dann noch ein Geräusch, als würde jemand über den Boden kriechen. Da vernahm sie eine Stimme hinter der alten Holztür. „Wer ist da?“, kam die Frage aus dem Innern. Ohne Umschweife stürmte Lienna auf die Tür zu und wollte sie öffnen. Sie war abgeschlossen. Also drehte Lienna den Schlüssel im Schloss herum, worauf ein leises Klicken zu hören war. Ganz langsam öffnete Lienna die Tür und blickte voll Erwartung in den dunklen Raum. Kapitel 9: Streitigkeiten ------------------------- Streitigkeiten Das Erste was Lienna sah, als sie die Tür öffnete war – nichts. Es war stockdunkel in diesem kleinen angrenzenden Raum. Staub stieg ihr in die Nase und sie musste heftig niesen. „Gesundheit.“, sagte die Stimme vom Boden. „Wer bist du?“, fragte Lienna aufgeregt, obwohl sie es sich denken konnte. „Ich bins Elar! Ist das deine Stimme, Lienna?“ Voller Freude, ihn gefunden zu haben packte Lienna in das Dunkel und tastete nach dem bekannten Körper. Sie bekam seine Schulter zu fassen und zog ihn daran aus seinem Gefängnis. Schon wieder spürte Lienna nur kalte Haut an seinem Hals. Kein Wunder! Er trug auch nur eine Hose und mehr nicht. Errötend ließ Lienna ihn los und drehte sich um. „Wo...wo ist denn dein Hemd?“, stammelte sie. Das habe ich mir gestern Abend ausgezogen. Ein wenig später ging die Tür auf und jemand haute mir eins mit einem Holzstück über und brachte mich hierher. Ich hatte keine Zeit mich anzuziehen, weißt du.“, erklärte er und versuchte aufzustehen. Lienna drehte sich schnell wieder um und stüzte ihn. Seine Haut war zwar kalt, aber sie war angenehm weich und Lienna verspürte den Drang Elar zu umarmen. Schnell sprach sie: „Das waren zwei Männer. Ich denke sie haben gehofft dich als Geisel nehmen zu können um so deinen Vater zu erpressen.“ Elar stimmte ihr zu. „Danke, Lienna. Du hast mich schon wieder gerettet!“, sagte er und lächelte sie an. „Noch nicht ganz!“, sprach plötzlich eine tiefe, bedrohliche Stimme über ihnen. Erschrocken blickten die Beiden den Gang hinauf und sahen einen der Männer mit einem Schwert im Eingang stehen. Schützend stellte sich Lienna vor Elar und breitete ihre Hände aus. Sie spürte wie er aufgrund seines verstauchten Knöchels zu Boden sank. Sie stand allein, vor ihr ein bewaffneter Räuber. Abwehrend hob sie die Hände und sammelte ihre magischen Kräfte. Doch bevor sie irgendetwas tun konnte, hatte der Mann schon den ersten Streich gegen sie geführt und ritzte sie am Arm. Wütend schrie Elar auf und versuchte aufzustehen, doch der Schmerz zwang ihn, wie Lienna in die Knie. Wieder hob der Mann das Schwert um die Beiden zu töten, doch er kam nie dazu. Lienna hörte ein Sausen und da durchstach ein Pfeil den Oberkörper des Mannes und blieb dort stecken. Röchelnd und blutspuckend fiel er nach vorne. Genau vor Liennas Füße. Verblüfft starrte sie zum Eingang. Lyrux stand dort – den Bogen immer noch auf die Stelle gerichtet, wo der Mann gestanden hatte. Er grinste und Lienna sprang freudig zu ihm und umarmte ihn stürmisch. „Wie hast du uns gefunden?“, wollte sie wissen. „Das war nicht schwer.“, prahlte er, ohne den Blick von dem kümmerlichen Menschen zu wenden, der hinter ihnen am Boden hockte, „Aylen hat mich geholt, als sie sah, wie jemand in dieses Haus ging.“ Lienna gab ihm einen Kuss auf die Wange und drehte sich dann schnell zu Elar, dessen Miene sich leicht verfinsterte, als er den blonden Zauberer sah. „Und wer ist das?“, fragte Lyrux, etwas abfälliges lag in seiner Stimme. Lienna half Elar auf die Beine zu kommen und stüzte ihn bis zu Lyrux. Die Beiden funkelten sich an, schließlich sagte Lienna: „Lyrux, das ist Elar Tranûr, der Prinz von Donara. Elar, das ist Lyrux, Sohn von Amanan aus dem Hause Aman.“ „Sehr erfreut.“, knurrte Elar den Zauberer an, der Lienna umarmt hatte. Lyrux sah ihn geringschätzend an. „Du bist ein Mensch, nicht wahr?“, fragte er spöttisch. „Ja.“, kam die grummelige Antwort. „Keine magischen Fähigkeiten, was?“ „Nein.“ „Nun ja, wir können ja nicht alle Glück haben!“, spotttete Lyrux weiter, bis Lienna ihn in die Seite boxte. „Hör auf damit! Elar wurde hier gefangen gehalten. Außerdem hat er einen verstauchten Fuß und seinen Vater verloren.“, zischte sie. „Ach, an was ist er denn gestorben?“, wollte Lyrux wissen, obwohl er genau wusste, was Lienna mit „verloren“ gemeint hatte. „Er ist nicht tot.“, sagte Elar knapp und versuchte aufrecht zu stehen, auch wenn der Schmerz ihn schrecklich quälte. Von diesem Zauberer ließ er sich nicht heruntermachen! „Du Glücklicher! Meine Eltern sind schon lange tot. Ich lebe allein im Wald. Da würdest du sicher nicht mal ein paar Stunden überleben, ohne magische Fähigkeiten und ohne einen Papi, der dich beschüzt!“, lachte Lyrux. Sein Anstacheln erreichte jedoch nicht die erhoffte Wirkung. Elar blieb ganz ruhig und schaute zu Lienna, die völlig wütend zu Lyrux starrte. Schnell meinte Elar: „Ich glaube es ist besser, wenn wir jetzt gehen. Was ist, wenn der zweite Mann zurückkommt und seinen Gefährten hier tot vorfindet?“ Wieder lachte Lyrux bitter. „Hast du schon einmal jemanden umgebracht?“, fragte er und Elar verzog die Miene. „Nein. Ich hasse es, anderen Menschen oder Lebewesen Leid zuzufügen.“ Langsam verließen sie die Hütte. Lyrux voran, dann Lienna die Elar stüzte. „Hm. Wie du meinst. Aber manchmal ist es notwendig.“ Draußen war es grau und kalt und Elar begann zu zittern. Er trug, wie gesagt, nichts weiter als eine Hose. Lyrux tat so, als sehe er das gar nicht. Lienna rief wütend nach Aylen und half Elar sich auf ihren Rücken zu setzen. Dann schwang sie sich vor ihm hinauf und wartete auf Lyrux, der schnell sein wildes Pferd hinter einem Busch hervor holte und es bestieg. „Es kann los gehen.“ So konnte Lienna ihren Freund nicht leiden. Seine ganze Freundlichkeit und sein Witz waren verschwunden. Es ging ihm nur noch darum, Elar zu quälen und ihn zu ärgern, aber auf eine schreckliche Art und Weise. Er mochte sie, dass spürte sie immer wieder. Aber war das bei Elar auch so? Hatte er nicht anstatt froh über seine Rettung, finster zu dem Zauberer hochgeschaut, als Lienna ihn umarmte? Hinter ihr spürte sie, wie er zitterte und sich die Arme rieb. Als Lyrux zu ihnen hinübersah, hörte Elar auf sich zu wärmen und blieb still sitzen. Er mochte sie. Und Lyrux mochte sie auch. Lienna mochte Beide. Kapitel 10: Ein ganz einfacher Zauber ------------------------------------- Ein ganz einfacher Zauber Lyrux ritt rasch an dem klaren, schnell fließenden Bach vorbei und pfiff dabei eine hübsche Melodie. Lienn und Elar folgten ihm in einiger Entfernung. Als sie zum Eingang des Waldes kamen, fragte Lyrux nach hinten: „Wo willst du denn jetzt hin, Elar? Weiß du wo das Lager deines Vaters ist?“ Es klang ein wenig netter als das Gespräch zuvor und Lienna schöpfte Hoffnung, dass Lyrux im Haus der Männer einfach schlechte Laune gehabt hatte. Elar antwortete mit der selben Freundlichkeit, auf Versöhnung aus: „Ich weiß es nicht. Ich habe mich verlaufen und kenne nur noch den Ort, wo sich das Lager befand.“ Lyrux verzog das Gesicht zu einer ärgerlichen Miene. „Na dann müssen wir es wohl herausfinden.“ Langsam ritten sie auf dem unebenen Waldboden geradeaus, bis Lyrux sein Pferd plötzlich vom Weg weglenkte. Elar schaute etwas verwirrt, als habe er Angst hier versuchte schon wieder jemand, ihn zu entführen. Lienna wusste jedoch wo es hin ging. Die Pflanzen und Sträucher, die auf dem Waldboden wuchsen, standen nun dichter beieinander und wuchsen höher und voller. Es gab mehr Tiere in diesem Teil zu beobachten, da er nicht so oft von Zauberern betreten wurde. Lyrux kannte sich hier so gut aus, er könnte mit verbundenen Augen durch den Wald gehen. Nach einer Weile errecihten sie eine Lichtung, deren Boden gesäumt von roten, gelben und braunen Blättern war, die das ganze wie ein Teppich aussehen ließen. Es raschelte als die Pferde mit ihren Hufen durch das hohe Laub wühlten. Die Blätter reichten Aylen bis über die Fesseln. Als Elar das sah schaute er sich erstaunt um. Es wuchsen sehr viele Bäume, mit riesigen Blätterkronen. Aber was Elar noch mehr erstaunte war, dass eine kleine Holzhütte am Rande der Lichtung stand. Ein paar Bäume beschatteten mit ihren nur noch halb bewachsenen Zweigen das strohgedeckte Häuschen. Vor der Hütte stand eine kleine Holzbank auf der ein Hund sich seine weichen Pfoten leckte. Lyrux sprang von seinem Pferd herunter und der Hund sprang freudig auf ihn zu. „He, Tukanel!“, rief Lyrux und der braune Hund bellte laut, worauf einige Vögel aus dem Unterholz in die Bäume flüchteten. „Wie heißt dein Hund?“, fragte Elar nach. „Tukanel. Das ist ein sehr ehrenhafter Name, Prinz. In unserer Sprache bedeutet es „Der weise Rat“. Obwohl mir Tukanel bis jetzt noch keinen weisen Rat gegeben hat. Er redet oft vom Wetter und von den Bewegungen der Sterne.“, erklärte Lyrux und hielt Aylen fest, während Lienna und Elar abstiegen. Behutsam stüzte Lienna Elar bis zu der kleinen Hütte und Lyrux öfnete sie mit einer Handbewegung. Zum Vorschein kam eine gemütlich eingerichtete kleine Wohnung, mit einer Kochstelle einem Tisch mit drei Stühlen und einem Bett. Tukanel schnellte ins Haus und sprang überglücklich auf das Bett. Lyrux schnaufte kurz, worauf Tukanel seinen eingenommenen Platz wieder verließ und sich auf einer Decke niederließ, die auf dem Boden lag. „Nehmt Platz.“, sagte Lyrux und Elar und Lienna sezten sich auf die Stühle. Nachdem Lyrux ein wenig Wasser aus einem Krug in drei Tonbecher gefüllte hatte und sich gesezt hatte, sprach er: „Wir müssen jetzt also herausfinden, wo sich der Vater von Prinz Elar befindet.“ „Du kannst die Anrede ruhig weglassen.“, meinte Elar und Lyrux funkelte ihn an. „Es war nur gut gemeint!“, sagte der Prinz schnell und wackelte mit den Händen abwehrend vor sich herum. „Ich meine, es ist wichtig sich in Höflichkeit zu üben. So kannst du mich auch Meister Lyrux nennen, oder Priester Lyrux. In unserem Volk habe ich auch eine sehr hohe Stellung.“, forderte Lyrux stolz und Lienna erwartete wieder einen Streit zwischen den Beiden. Schon spannten sich ihre Gesichtsmuskeln an, um eventuell in das Geschehen einzugreifen, doch Elar sagte schon: „Wie du meinst, Priester Lyrux. Wie wolltest du das also anstellen?“ Lyrux lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und antwortete: „Mit Magie.“ Elar war erstaunt und Lyrux fügte rasch hinzu: „Nun ja, wir Zauberer benutzen ja jeden Tag, Magie.“ Lienna wurde wieder etwas wütend. Schon wieder ging es in dem Gespräch darum, wer der bessere sei. „Ihr seid ja auch Zauberer, ein magisches Volk. Kann ich etwas dafür, das ich ein Mensch bin?“, fragte Elar, seine Stimme wurde etwas lauter und er fixierte Lyrux angespannt. „Nein kannst du nicht. Aber du bist es nun mal. Kann ich etwas dafür das ich ein Zauberer bin und mich über die Menschen stellen muss?“, fragte Lyrux mit Hohn in der Stimme zurück. „Du musst dich gar nicht über die Menschen stellen, du hirnloser Zauberer! Existiert in deinem Kopf auch noch etwas anderes, als die Frage „Welches Volk ist am Besten?“? Oder ist er zu hohl dafür?“, fragte Elar und stand auf. Auch Lyrux erhob sich und rief: „Das ist eine Beleidungung meiner Selbst! Ich habe nur die Tatsachen auf den Tisch gelegt, aber wenn du damit nicht klarkommst...“ „Ich komme mit allem klar! Ich bin sehr offen für alles was auf mich zukommt!“ „Wenn du so offen bist, dann solltest du mich auch aussprechen lassen und mich nicht dauernd unterbrechen!“, schallte Lyrux Stimme durch den kleinen Raum. Tukanel zog den Schwanz ein und verkroch sich in eine andere Ecke. „Ich habe dich nur einmal unterbrochen und das war so wieso nicht so wichtig, Außerdem...“ Jetzt unterbrach Lienna lauthals Elars Worte und richtete sich neben den beiden Jungen auf. „Schluss jetzt! Ruhe! Was seid ihr Beide für hirnlose Wesen! Merkt ihr nicht wie ihr euch durch ganz simple Anstöße zu einem Konflikt hinreißen lasst? Ich will auch gar nicht wissen wer angefangen hat, Elar. Es ist einfach so, dass ihr Beide weitergemacht habt. Wollten wir uns nicht über den Weg, Elars Vater zu finden unterhalten?“, rief sie und schaute den Beiden danach tief in die Augen. Elar nickte und sezte sich. Lyrux stand noch eine Weile entrüstet da und blickte auf den schwarzen Haarschopf ihm gegenüber hinab, dann nahm auch er Platz. „Lyrux, würdest du uns bitte erklären, was du vorhast?“, fragte Lienna wieder in der normalen Lautstärke. Lyrux holte tief Luft, dann begann er. „Nun ja. Ich könnte meinen magischen Stein nehmen und Elars Erinnerungen mit ihm verschmelzen lassen. Auf der Oberfläche des Steins erscheint dann das Lager und wir können erkennen, wo es sich befindet. Dann bringen wir Elar dort hin und er kann mit seinem Vater wieder zurück in das Königreich reisen. So einfach!“ Lienna nickte. „Wenn Elar das erlaubt?“ Ganz langsam nickte Elar. Doch in seinem Innersten fühlte er sich ziemlich aufgewühlt. Konnte er wirklich hier weg? Er würde Lienna wahrscheinlich nie wiedersehen und sie würde diesen Lyrux heiraten. Ach wenn Elar Lyrux auch nur ansah kochte es in ihm und sein Herz pochte vor Angst gegen seine Brust, wenn Lyrux wieder begann ihn zu beleidigen. Doch sein Vater vermisste ihn wahrscheinlich. Und Meral, seine Schwester? Was wurde aus ihr, wenn er plötzlich nicht mehr da war? Schließlich nickte Elar zögernd. „In Ordnung.“ In aller Eile wurde alles vorbereitet. Lyrux sammelte die Dinge zusammen die er für den Zauber benötigte. Seinen roten magischen Stein und seine magischen Kräfte, die in ihm schlummerten. Lienna saß bei Elar und bereitete ihn auf den Eingriff mit Magie in seinen Körper vor. Nachdem Lyrux alles vorbereitet hatte sezte Elar sich entspannt und mit geschlossenen Augen auf seinen Stuhl und dachte ganz fest an das Lager in welchem sie die Zeit verbracht hatten. Lyrux legte jeweils den Zeigefinger und den Mittelfinger jeder Hand an Elars Schläfen und plötzlich spürte Elar, wie die Bilder des Lagers aus seinen Gedanken verschwanden. Er sah nichts mehr. In seinem Kopf herrschte plötzlich eine tiefe Leere, wie als schaue man in einen Brunnenschacht, der nie zu enden schien. Doch an etwas anderes denken konnte Elar auch nicht, denn seine anderen Gedanken waren blockiert. Verschlossen hinter einer Tür aus Eisen ohne Schloss und Türspalt. Die Augen öffnen konnte Elar schon gar nicht, denn die hielt der Zauber zusammen. Also wartete Elar, bis sich sein Kopf aufklären würde. Es dauerte eine ganze Weile, doch Elar konnte nur still sitzen und an ein großes schwarzes Loch denken. Bis plötzlich Lyrux und Liennas Stimmen wieder an sein Bewusstsein drangen. Ein wenig später öffnete er auch schon wieder die Augen und blickte erstaunt um sich. Lyrux hielt den roten Stein in der Hand, auf dessen Oberfläche sich das Lager von König Tranûr befand. Elars Erinnerungen und Gedanken kehrten zurück und die Leere verschwand aus seinem Kopf. „Das ist ja einfach!“, sagte Lyrux. „Ihr habt Euer Lager nicht weit vom Marktplatz am großen Wald aufgerichtet. Da können wir dich schnell hinbringen!“ Elar lächelte zu Lienna, die ihn besorgt fragte: „Ist alles in Ordnung? Sind alle Erinnerungen wieder zurück?“ „Ich denke schon.“, meinte Elar und wandte sich dann zu Lyrux. „Vielen Dank, Priester Lyrux. Das ist wirklich ein sehr schwerer Zauber, den du da ausgeführt hast! Du hast mein ganzes Denken blockiert.“ Lyrux lachte laut auf und sprach zu Elar: „Das ist der einfachste Zauber den es gibt! Deshalb ist er auch so gefährlich. Ich hätte dich ganz leicht außer Kontrolle sezten können und dir falsche Gedanken einflößen können. Deshalb sollte man einen Zauberer nie an seine eigenen Schläfen kommen lassen!“ Kapitel 11: Finstere Absichten ------------------------------ Finstere Absichten Unschlüssig standen die drei vor Lyrux Hütte, nachdem sich Elar ein Hemd von Lyrux angezogen hatte. Sie wollten so schnell wie möglich zu Tranûr, doch zurzeit besaßen sie nur zwei Pferde. Sie würden schneller vorankommen, wenn Elar ebenfalls eines besitzen würde. „Kannst du reiten?“, fragte Lyrux worauf Elar nickte. „Natürlich.“ „Dann ist ja gut. Ich hab da nämlich so eine Idee.“, meine Lyrux und drehte sich zum Wald. Ein leichter Lufthauch verließ seine Lippen und flog, getragen vom kalten Wind schnell durch den Wald. Wenig später erreichte Hufgetrappel ihre Ohren und ein riesiges schwarzes Pferd baute sich vor ihnen auf. Sein Fell glänzte im Licht, wie Elars Haare. Ein kleiner weißer Punkt war auf der Stirn des Pferdes zu erkennen und eine feine weiße Linie, die das linke Auge umrandete. Lyrux kam einen Schritt näher auf das stolze Tier zu und tätschelte seinen Hals. „Das ist Memora, eine unbeugsame wilde Stute. Sie ist sehr eng mit meinem wilden Pferd verbunden, er heißt überigens Mior. Mal sehen, wie du mit ihr zurecht kommst.“, sagte Lyrux und führte Memora zu Elar. Ganz leicht verengte Elar die Augen zu Schlitzen und schaute der Stute tief in die Augen. Sie bedachte ihn mit einem kurzen Blick, dann schnaubte sie zufrieden und beugte ihren Hals tief hinunter so dass Elar bequem aufsteigen konnte. Allein Linna fiel es auf, wie Lyrux die Kinnlade hinuter fiel. „Ich denke ich komme ganz gut mit ihr zurecht, vielen Dank.“, sagte Elar und ritt eine kleine Runde mit dem wilden Pferd, so gut es mit seinem Fuß ging. Dann kehrte er zufrieden zurück und meinte, sie könnten aufbrechen. Schließlich musste er auch noch zu Pian, um sein Versprechen einzuhalten. Lienna sprang geschwind auf Aylens Rücken und dachte ähnliches, wie der Junge neben ihr. Sie musste zu Nârl, der mit einer schrecklichen Krankheit im Kerker saß! Ranor und Aoe machten sich sicher schon Sorgen, weil sie so lang wegblieb. Eigentlich hatte sie ja nur nach dem Prinzen sehen wollen. Aber das sie ihn befreien musste und das Lyrux mit in die Geschichte verwickelt werden musste hatte sie beim besten Willen nicht gedacht. Lyrux bestieg Mior, wobei er immer noch ein langes Gesicht zog, da Elar eine seltsame Fähigkeit besitzen musste, wenn er als Mensch so schnell ein wildes Pferd besänftigen konnte. Was hatte er sich nur dabei gedacht einfach so hier aufzukreuzen? Lyrux schaute grimmig zu dem Prinzen hinüber. War er wirklich das, was er vorgab zu sein? Mior bewegte sich und Lyrux wurde aus seinen Gedanken zurück geholt, so wie alle anderen auch. Langsam setzte sich der Trupp in Bewegung und verfolgte den Pfad den sie gekommen waren nun wieder zurück. Es wurde schon kälter und wieder begann dichter Nebel aufzusteigen, der sich zu einzelnen Wolken zusammenschloss die ziellos durch die Luft schwebten. Lienna liebte diesen Wald. Wenn sie Sorgen hatte kam sie immer hierher und traute den Pflanzen und Tieren des Waldes ihre Geheimnisse an. Manchmal hoffte sie, dass Lyrux seine wilden Tiere befragen würde und sie ihm von ihren Problemen erzählen würden. Doch Lienna wusste, dass die Tiere schwiegen und im nachhinein fand sie es auch in Ordnung, dass Lyrux nichts davon wusste. Sie konnte ihn gut leiden, aber ihre geheimnisse sollte er eigentlich doch nicht wissen! Weil es Lienna in ihrem Wohlbefinden so übermannte, stimmte sie ein schnelles Lied an. Normalerweise spielten und sangen Lienna und ihre Brüder es immer mit Instrumenten zusammen. Nârl konnte Harfe spielen, das hatte er sich einmal von einem Instrumentenbauer beibringen lassen. Ranor spielte oft auf einer Trommel oder einer Flöte, welche einen sanften Ton von sich gab. Aoe beherrschte eine Art Geige in Perfektion. Schnelle Rythmen und Melodien waren für ihn keine Hürde. Wenn er sie ein paar Mal durchgespielt hatte, konnte er sie spielen. Lienna sang oft und wenn Ranor Flöte spielte, dann schlug sie dabei die Trommel. Lienna musste schmunzeln während sie sang. Vor ein paar Jahren hatten sie und ihre Brüder durch das Musizieren das Geld verdient. In dieser Zeit hatte einer Hungersnot das Land erschüttert. Enan hatte keine Arbeit mehr und Veyna war krank gewesen. Den vier Gewschistern war nichts anderes überig geblieben. Plötzlich veränderten sich Liennas Gefühle und sie beendte das schnelle Lied und begann mit einer traurigen Melodie. Lienna ließ ihre unerwarteten Gefühle in das Lied einfließen was in ihrer Sprache von einem Mädchen erzählte, das zusammen mit ihrem Bruder ihren totgeglaubten Vater suchte. Die Worte flossen aus ihrem Mund und erfüllten den Wald mit Trauer. Es schien als lauschten die Pflanzen und Tiere den Klängen. Auch Elar horchte, obwohl er nicht viel, oder fast gar nichts von dem Text verstand. Jedoch erinnerte er sich immer wieder an die Zeilen, die in dem Lied immer wieder kehrten. Anachan láh garon taahn, Eihren nelquin tehchn. Báíeran kuno wai Gheann, asio nauren Télían hechín. Als die Drei die Geräusche von Stimmen und Pferden vernahmen, verstummte Lienna. Alle blieben wie angewurzelt stehen – sogar Aylen, Memora und Mior schienen etwas gewittert zu haben. Die Stimmen kamen näher und Lyrux traute sich ein wenig mit Mior vozureiten. Vor ihnen lag der Waldweg, der von jedem genutzt wurde und den Lienna vor kurzem durchritten hatte. Nach einigem Zögern folgte auch Lienna und Elar dem Sechzehnjährigen. Vor ihnen erblickten sie zwei stämmiger Reiter auf hohen Rößern von oben bis unten geschüzt durch eine schwere Rüstung. An ihren Seiten hingen lange Breitschwerter und sie hatten Bogen, Köcher und Pfeile bei sich. Tücher und Kapuzen verdeckten ihre Gesichter, doch sie redeten laut miteinander. Lyrux und Lienna spitzten ihre geübten Ohren. „Es müssen aber schon schlaue Kerlchen gewesen sein, die Keran umgebracht haben! Ich denke es war ein geplantes Ablenkungsmanöver! Einer befreite den Prinzen, während ein anderer sich von hinten heranschlich und Keran erschoss. So muss es gewesen sein!“, erzählte der erste Reiter schnell und wütend. Der zweite schien ruhiger zu sein und antwortete nicht sofort. „Natürlich war es geplant.“, meinter er, „Aber schau doch mal, ihr hättet das verhindern können! Man lässt das Haus doch nicht unbewacht und offen zurück! Das war ein simples Spiel für die Befreier des Prinzen.“ Er machte eine abfällige Handbewegung. „Es geschah Keran nur Recht.“ „Wie kannt du so etwas sagen!“, polterte der andere zurück und erhob sich in seinem Sattel. „Keran war mir ein guter Freund. Ich vermisse ihn und ich schwöre das ich denjenigen töten werde, der ihm solches Leid zugefügt hat!“ Lyrux zuckte auf Mior zusammen und Lienna legte ihre Hand auf seine, worauf Elar einen Schritt näher heran ritt, so dass Lienna sich von Lyrux Körper trennte da Aylen Memora ausweichen musste. Leise flüsterte er: „Das sind die Männer, die mich entführt haben.“ Lienna nickte zustimmend. „Ich frage mich, was sie als nächstes vorhaben!“ Nachdem die Reiter hinter der nächsten Begung verschwunden waren folgten sie ihnen leise und langsam. Ihre Pferde verstanden es, sich lautlos vorwärts zu bewegen, da sie wilde Tiere waren. Sogar Aylen hatte vor einiger Zeit noch im Wald gelebt, bis sie sich dann entschieden hatte, zu ihrem Besitzer zu kommen. Lienna beunruhigte es, dass sich die Reiter so vermummt hatten. Wollten sie nicht erkannt werden? Aber warum, schließlich konnten sie doch ganz normale Zauberer sein. Sonst wären sie doch nicht ins Schankhaus gekommen. Aylen schnaubte kurz, als errate sie Liennas Gedanken. „Ruhe!“, forderte Lyrux leise und verzog ärgerlich die Miene. „Wollt ihr, das sie uns entdecken!“, sprach er nun etwas lauter. Dabei trat Mior mit seinem Huf auf einen Ast der laut knackend entzwei brach. Alle blieben wieder wie angewurzelt stehen, als die Reiter vor ihnen hörbar anhielten. Lienna hielt die Luft an, als sie hörte wie einer der Reiter sich umdrehte und auf sie zu kam. Elar rutschte unruhig auf Memoras Rücken hin und her und Lyrux Augen suchten eine Versteckmöglichkeit am Wegesrand. Schon hörten sie die Stimme des Reiters. „Ist da wer?“, fragte sie und Lienna wusste sich nicht anders zu helfen, als einen Verwandlungszauber anzuwenden. Mit aller Kraft sammelte sie ihre magischen Energien zusammen und richtete ihre Hände zunächst auf sich selbst, dann auf die anderen. Verblüfft starrten Elar und Lyrux an sich herunter. Lyrux trug eine lange Kutte und hatte braune, stoppelige Haare. In einer Hand hielt er einen langen Priesterstab und in der anderen eine Pergamentrolle mit seltsamen Zeichen darauf. Elar hatte grüne Haare bekommen und gelbe Augen blitzten aus seinem koboldartigen Gesicht. Er trug eigenartige grüne Kleidung und glich einem Feenmann in menschlicher Gestalt. Lienna musste sich ein Lachen verkneifen. Doch als sie an sich herunter blickte, kam sie sich auch ziemlich lächerlich vor. Ein langes schwarzes Kleid fiel über ihre Beine und sie trug einen langen schwarzen Umhang. Auf dem Kopf trug sie eine dunkle Mütze, die einer Kappe ähnelte. Ihr Schwert war verschwunden und auf dem Rücken hatte sie Instrumente und allerlei Gerätschaften zum Musizieren. Der Reiter erschien am Ende der Kurve und kam hastig auf sie zugeritten. Er hatte seine Breitschwert gezückt und hielt es schützend vor seinen stämmigen Körper. „Was seid ihr für eine komische Truppe!“, platze es aus ihm heraus, als er die Drei erblickte. Lienna räusperte sich und nahm eine Trommel von ihrem Rücken. Zögernd überlegte sie, dann begann sie zu singen: Wanderndes Volk sind wir ja, auf unserem Weg durch Land und Feld. Über das ganze Jahr, bereisen wir die weite Welt. Verdienen uns so unseren Lohn, als Priester, Zauberkünstler, Musikant. Ernten dabei oft auch Hohn, sind jedoch weit und breit bekannt. Versperret nun, nicht unseren Weg, und lasst uns ziehen wohlgemut! Und wenn ihr habt ein wenig Geld, so tut es hinein in unseren Hut. Lienna kam sich ziemlich albern vor und starrte nervös auf den Mann. Der Text war wirklich grauenhaft gewesen, doch was sonst hätte sie tun können? Eine Weile schwieg der Mann, dann ritt er ein Stück näher an sie heran und fasste in seine Tasche. Ein paar klimpernde Groschen fielen in Liennas Mütze. Erleichtert lächelte sie den Mann an und der drehte im nächsten Moment um und verschwand wieder hinter der Biegung. Sobald er weg war musste Lyrux heftig lachen. Wütend drehte Lienna sich zu ihm um. „Was hättest du denn getan?“, fragte sie wütend. Lyrux unterdrückte seinen Lachanfall und presste unter glucksenden Geräuschen hervor: „Jedenfalls etwas nicht so lächerliches!“ Dann prustete er wieder los und krümmte sich auf Miors Rücken. Elar betrachtete ihn genervt. „Es war doch eine gute Idee von Lienna.“, meinte er und lächelte sie aus seinem Koboldgesicht an. Der Zauber würde noch kurze Zeit anhalten. Bei Elars Worten verstummte Lyrux ein wenig und sagte: „Natürlich, Prinz. Weil Lienna es getan hat, war es genau das Richtige.“ „Was soll das denn heißen!“, brauste Elar auf und funkelte Lyrux wütend an. „Das soll heißen, dass du all das gut findest, was Lienna auch gut findet.“, stellte er fest und lächelte hämisch zu ihm hinüber. Elars Miene blieb unverändert hart. „Hör mir mal zu.“, begann er, ohne dabei aufzuhören zornig auf Lyrux zu schauen, „Wenn du mich und meine Art noch einmal beleidigen solltest, dann kenn ich mich bald nicht mehr! Ich bin nicht so wehrlos, wie du vielleicht denkst!“ Lyrux begann spöttisch zu lachen und langsam erhielten die drei ihre normale Gestalt wieder. Ohne eine Warnung sprang Elar von Memora hinunter und stieß Lyrux unsanft von Miors Rücken. Krachend landete er auf dem Waldboden. Lienna starrte erschrocken auf das Geschehen hinab, wagte aber nicht etwas zu tun. Keuchend rappelte sich der Zauberer vom Boden auf und sammelte sich. Dann schlug er mit voller Wucht sine geballte Faust in Elars Gesicht. Die Wucht des Schlags warf den Prinzen um, doch auch er erhob sich sofort wieder und wischte sich das Blut von der Lippe. Er setzte zu einem Hechtsprung auf Lyrux an und warf ihn unter sich zu Boden. Die Beiden rangelten auf dem Boden miteinander und die Pferde stoben unruhig auseinander. Elar trat Lyrux von sich weg und boxte ihn in den Bauch. Nach Luft schnappend, klappte Lyrux zusammen und wollte sich gerade wieder auf Elar stürzen, da prallte er an etwas ab. Lienna hatte eine Wand zwischen die beiden gezaubert und blickte nun ebenfalls wütend von Aylen zu ihnen hinunter. „Hört endlich auf euch zu streiten! Ich habe keine Lust die selbe Disskusion noch einmal zu führen, wie vor kurzem in Lyrux Hütte! Benehmt euch endlich wie gesittete Leute und steigt wieder auf. Die Reiter sind jetzt wahrscheinlich schon im Dorf.“, rief sie und wiederwillig bestiegen die Beiden wieder ihre Pferde. Sie warfen sich aggresive Blicke zu, dann ritten die Drei weiter. Schon als sie das Dorf erreicht hatten, wussten sie dass etwas nicht in Ordnung war. Überall liefen schreiende Zauberer und Tiere wild hin und her. In weiter Ferne erblickten die drei Reiter eine hohe Rauchwolke in den Himmel steigen. Elar und die anderen erkannten mit Entsetzen, dass es genau die Stelle war, wo die Menschen ihr Lager aufgestellt hatten. Voller Angst trieb Elar Memora zur Eile und Lyrux und Lienna folgten ihm. An ihnen vorbei liefen tausende Zauberer, alle in die Richtung des Flusses. „Kehrt um!“, riefen einige und „Nicht da hin, da brennt es!“, riefen andere. Doch Elar trieb eine innere Gewissheit vorwärts. Es musste etwas schreckliches geschehen sein. Und er dachte sich auch, dass dahinter nur diese finsteren Gestalten stecken konnten! Kapitel 12: Annäherungsversuche ------------------------------- Annäherungsversuche Als sie das Lager erreicht hatten, waren davon nur noch ein paar schwarze Zeltstangen übrig geblieben, die taurig im Wind hin und her schaukelten. Überall lagen tote und verletzte Menschen. Schreie schallten durch das Lager und irgendjemand erschien aus dem Nichts vor ihnen und erblickte Elar. „Herr! Euer Vater!“, rief er und Elar sprang sofort ab, um dem Mann zu folgen. Lienna und Lyrux folgten ihm mit schrecklichen Befürchtungen. Als sie die Stelle erreichten zu der der Elar geführt worden war, erblickten sie einen Mann mit grausamen Brandverletzungen am Boden liegen. Auch Wunden von Schwerthieben übersäten seinen Körper. Lienna stockte der Atem, als sie den Mann als König Tranûr bestätigt wusste. Elar kniete zu ihm nieder und Lienna wusste das er weinte, auch wenn sie hinter ihm stand und sein Gesicht nicht sehen konnte. Der Prinz nahm verstörrt seines Vaters Hand und blickte dann zu dem Mann auf, den er eindeutig als den Heiler erkannte. „Wird er sterben?“, fragte er voller Angst. „Nicht, solange ich es verhindern kann.“, erwiderte der Heiler. Er fuhr sich durch die nussbraunen Haare und fügte dann noch hinzu: „Ich werde mein bestes geben, um ihn wieder in Ordnung zu bringen.“ Dann wandte er sich freundlich an Lienna und Lyrux und die Zauberin freute es, das sie etwas tun kontne um Elar zu helfen. „Könntet ihr mir sagen, wo es hier einen Heiler gibt? Ich brauche ein Lager und Gerätschaften für den König. Alle meine Tränke und Kräuter sind verbrannt.“, fragte er verzweifelt und Lienna merkte, dass es noch ein sehr junger Heiler war, der da vor ihr stand. In ihrem Dorf lebte nur ein alter Greis, der sich in der Kunst des Heilens verstand. Und der war um jahrzehnte älter, als dieser junge Mann. „Natürlich. Sollen wir den König auf unsere Pferde setzen? Dann können wir alle gemeinsam zum Dorfheiler gehen.“, meinte Lienna rhetorisch und rief schnell Aylen zu sich, die sich mit viel Eifer daran beteiligte es dem König bequem zu machen. Nachdem sie ihn so gut es ging an Aylen festgemacht hatten, machten sie sich auf den Weg. Lienna fielen plötzlich die vielen Verletzten ein, die überall gelegen hatten. „Was geschieht aus den anderen Verletzten, Herr...“, fragte sie. „Fanor. Fanor Nelquin ist mein Name.“, erklärte der Mann, „Und wegen den Verletzten: Mein Bediensteter ist in dem Feuersturm gestorben. Ich habe niemanden, der sich um sie kümmern könnte. Meine Aufgabe ist es, den König zu retten.“ Lienna nickte verständnissvoll. Dann blickte sie zu Lyrux und meinte: „Mein Freund Lyrux könnte sich um sie kümmern. Er ist ein Mondpriester und in der Heilkunst unterrichtet worden.“ Sie lächelte noch einaml zu Lyrux, der wohl Feuer und Flamme geworden war, sich sofort auf Miors Rücken schwang und im Galopp zurück zum Lager ritt. Lienna lächelte ihm verstohlen nach bis Elar, der vorher stumm gewesen war, die Stille durchbrach. „Was genau ist denn geschehen?“, wollte er wissen und Fanor begann sofort zu erklären: „Wir waren immer noch auf der Suche nach Euch, Herr. Wo Ihr wart müsst Ihr uns auch noch erzählen.“ Er verstummte kurz und Elar nickte zustimmend. Dann fuhr er fort: „Wir waren also gerade dabei im Lager ein wenig für Ordnung zu sorgen und ich saß in meinem Zelt und studierte ein paar alte Schriften, als plötzlich ein schrecklicher Lärm zu hören war. Ich und mein Diener rannten aus meinem Zelt und wir erblickten zwei gut gerüstete Zauberer mit langen Schwertern die Fackeln an die Zeltwände warfen, die sie voher irgendwie mit brennendem Zeug besprizt hatten.“ Er machte eine Pause um Luft zu holen, da sagte Lienna rasch: „Das ist ein schwieriger Zauber um ein besonders großes Feuer zu entzünden. Dazu beschwört man die brennbare Flüssigkeit auf die Gegenstände, die man anzünden möchte und dann zaubert man einfaches Feuer, was mit der Flüssigkeit in Berührung kommen muss. Fügt man sich mit diesem Feuer Verletzungen zu, können schreckliche Nebenwirkungen auftreten.“ Elar und Fanor schauten sie beunruhigt an. „Dies ist jedoch nicht immer der Fall!“, sagte sie rasch, „Der König kann auch zu der Hälfte gehören, die davon ausgeschlossen sind.“ Die Worte schienen die Beiden ein wenig zu beruhigen. Jedenfalls entspannten sich Fanor Nelquins Gesichtszüge und er erzählte weiter. „Nun alles begann zu brennen und viele Menschen starben. Ich rannte verwirrt umher, auf der Suche nach Eurem Vater. Mein Diener wollte einen Mann aus seinem Zelt retten, dass eingestürzt war und kam dabei selbst ums Leben. Glücklicherweise konnte dieser Mann gerettet werden. Er kam erst gestern ins Lager um Euch eine Nachricht zu überbringen.“ Elar hob die Augenbrauen. Wer konnte das denn gewesen sein? Fanor lass die Frage aus seinem Gesicht ab und sagte: „Er heißt Pian, mein Herr. Ich denke es ist der Sohn von Feldar und der neue Bergwächter. Ihr wisst ja, bei Notfällen dürfen die Bergwächter ihre Stellung für kurze Zeit aufgeben.“ „Pian!“, stieß Elar erfreut und zugleich besorgt aus, „Wo ist er Fanor?“ „Ich weiß nicht, mein Herr. Er erlitt schwere Brandverletzungen und muss sich noch im Lager befinden.“ Bei Elars besorgter Miene fügte er schnell noch hinzu: „Aber er schwebt nicht mehr in Lebensgefahr. Vielleicht wird sich der junge Herr Lyrux um ihn kümmern.“ Elar nickte, obwohl im der Gedanke, dass Lyrux seinen besten Freund behandelte missfiel. „Ich suchte also nach Eurem Vater. Wie Ihr seht habe ich ihn gefunden, aber er ist schwer verwundet. Wir müssen uns beeilen, wenn wir ihn retten wollen. Und ich werde all mein Wissen dazu gebrauchen müssen.“, meinte Fanor und Lienna lächelte ihm ermutigent zu. Sie mochte diesen Heiler seit sie ihn zum ersten mal gesehen hatte und wollte ihm das durch Worte und Gesten zeigen. „Ihr tragt einen edlen Namen, Fanor Nelquin. In unserer Sprache bedeutet „quin“, Licht und Fanor ist der Name eines Elfen und bedeutet soviel wie der Wegweiser. Zusammen bedeutet Euer Name also: Der den Weg zum Licht weist. Den „ne“ ist eine Vorsilbe für „Weg“. Das einfache „l“ wird benuzt um Präpositionen oder Artikel auszudrücken. Meist wird dahinter jedoch noch ein „e“ oder „a“ gesetzt, damit das ganze aussprechbar bleibt. Somit müsste man Euren Namen eigentlich „Fanor le Ne quin“ auschreiben.“, erklärte Lienna, änderte dann aber wieder zum Thema. „So nun genung der Namensdeutung! Ich hoffe und ich glaube, dass Ihr es mit Hilfe unseres Heilers schaffen werdet, den König aus der Zwischenwelt wieder zurück zu holen! Ihr müsst nur Euch selbst vertrauen und an das glauben was Ihr Euch vornehmt. Gelangt nicht von Eurem vorhergesehenen Weg ab, Fanor Nelquin.“ Fanor verbeugte sich tief und Elar zischelte zu Lienna: „Könntest du mir meinen Namen auch einmal deuten? Ich meine, wenn wir meinen Vater gerettet haben?“ „Natürlich!“, erwiderte Linnna freudig übberrascht, „Ich kann dir sogar sagen, was meiner und der von Lyrux bedeutet. Aber später, später!“ Schon nach kurzer Zeit erreichten die Drei das Haus des Heilers und sparten viel Zeit, damit der König alles überstehen würde. Der Dorfheiler hatte einen langen grauen Bart und runzelige Hände, mit denen er den Körper des Königs abtastete und nach weiteren inneren Verletzungen suchte. Glücklicherweise fand er nichts dergleichen und er und Fanor konnten damit beginnen die Schwertwunden auszuwaschen und Verbände mit Kräutermischungen darum zu wickeln. Danach behandelten sie die Brandwunden mit Salben und kalten Tüchern. Fanor lernte viel und schnell von dem alten Mann. Lange blieb ihm diese Behandlung im Sinn. Als die Zeit gekommen war, in der man nur noch warten konnte, setzten Lienna und Elar sich auf eine Bank neben Tranûrs Bett. Der Dorfheiler und Fanor waren verschwunden, nachdem Lienna mit ihrem Heiler noch ein kleines Gespräch geführt hatte. Worüber hatte Elar nicht hören können, da Fanor ihm nebenbei seinen Fuß behandelt hatte, doch nun saß sie wieder neben ihm und das erfüllte ihn mit Freude. Sie begann mit ihrer Namensdeutung, die sie perfekt beherrschte. „Dein voller Name ist...?“, fragte sie und Elar beendete ihren Satz sofort: „Elar Tranûr Eyin.“ Lienna nickte und überlegt kurz was die Wörter in ihrer Sprache bedeuteten. Da die Zauberer das älteste Volk von Donara waren, entsprang jede Sprache aus ihrer. Nach einer Weile erklärte sie: „“Elar“ ist das alte Wort für „Ruhe“. „Eyi“ bedeutet Wasser und in der Verbindung mit dem Buchstaben „n“, also „Eyin“, heißt es „Ursprung“ oder einfach „Quelle“. Die Silbe „tra“ wird ebenfalls als eine Präposition benutzt, meist für „von“. Die andere Silbe „nûr“, könnte ich nicht anders als mit „Kraft“ übersetzen. Dein Name bedeutet also soviel wie: Du bist ein Ursprung von Ruhe und die Kraft.“ Elar wiederholte seinen vollen Namen und danach die Übersetzung. „Danke.“, meinte er und wollte dann sofort die Deutung ihres Namens hören. Lienna lächelte ihn verstohlen an. „Mein Name ist ziemlich albern...“, begann sie und wurde rot, doch Elar unterbrach sie und legte ihr zärtlich seine große, weiche Hand aufs Knie. Schnell räusperte Lienna sich und erklärte dann: „Mein voller Name lautet Lienna Luna Elna. Obwohl Elna nur ein Beiname ist, genauso wie Luna. Da ich eine Mondpriesterin bin, trage ich diesen Namen.“ Elar nickte, weil er im Unterricht schon von den Religionen der anderen Völker gelernt hatte. Lienna fuhr leise fort, jedoch gewann ihre Stimme immer mehr an Kraft. „Nun „Luna“ kann man mit Mond übersetzten und die Silbe „li“ bedeutet „Schein“. Wenn man also „li“ und „Luna“ zusammensetzt, erhält man logischerweise „Lunali“, was Mondschein bedeutet. „Enna“ bedeutet „Trauer“ oder „Trauernde“. Zum Schluss der Name „Elna“, so hieß die Schwester meines Vaters. Es bedeutet „die Schöne“. Wenn ich nun alles zusammen bringe, kann ich meinen Namen so übersetzen: Die im Mondschein Trauernde Schöne. Man müsste ihn also eigentlich so schreiben und sprechen: Lunali Enna Elna.“ Lienna ließ Elar keine Zeit um etwas über ihren Namen zu sagen, denn sie wollte sofort damit beginnen, Lyrux Namen zu erklären. „Lyrux heißt Lyrux Amarn Leran.“ Gerade als Lienna weiter erzählen wollte, riss jemand die Tür zu dem dunklen Raum auf und ein heller Lichtstrahl fiel auf Lienna und Elar. Erst nach einigem Male Blinzeln, gewöhnten sich Elars Augen an den hellen Schimmer. Dann erkannte er Lyrux, der in der Tür stand. Er stüzte jemanden, der viel älter und größer als er selbst war und Lyrux stöhnte unter seiner Last. Mit Freude und Sorge, erkannte Elar, dass es Pian war. So schnell er konnte war er bei den Beiden und half dem schwer verlezten Freund sich auf eine weitere Liege zu legen, die neben der seines Vaters stand. Am anderen Ende des Raumes ging nun eine weitere Tür auf, aus der Fanor und der Dorfheiler kamen. Sobald sie Pian erblickt hatten, begannen sie mit seiner Behandlung. Lange schaute Elar ihnen zu, bis er sich daran erinnerte, wer den Freund gerettet hatte. Rasch drehte er sich um und sah, dass Lyrux sich ebenfalls hingelegt hatte. Lienna saß neben ihm und streichelte ihm durch die Haare. In Elar stieg ein seltsames Gefühl hoch – am liebsten hätte er Lyrux von seinem Lager hinunter geworfen! In nächstem Moment sammelte sich der junge Prinz wieder und ging schnell zu ihnen. Lienna legte den Zeigefinger an ihre Lippe, als er etwas sagen wollte. „Sei leise, Elar.“, sagte sie sanft. „Lyrux hat mir gesagt, dass er alle Verlezten geheilt hat und die vom Tode gerettet hat, die er retten konnte. Er meinte, diesen jungen Mann habe er nicht mehr heilen können, da seine Kräfte erschöpft waren. Und so brachte er ihn hierher.“ Sie erhob sich und ließ Lyrux, der die Augen geschlossen hatte allein. Etwas zögernd nahm sie Elars Hand und führte ihn ein Stück von den Kranken weg hinaus auf den Flur des alten Hauses. „Er schläft jetzt.“, stellte sie leise fest und Elar nickte, ohne den Blick von ihr zu wenden. Lienna schaute auf ihre Füße, dann erhob sie den Blick wieder und sagte: „Ich muss mit dir reden.“ Elar erwiderte mit monotoner Stimme: „Natürlich, über alles was du willst, trauernde Schöne.“ Er heftete seinen Blick an ihre Lippen und Lienna senkte schnell wieder den Kopf. Der Prinz kam ihr zu nah! Wenn er noch eine Bewegung machen sollte, dann würde sie sich losreißen! Verlegen hüstelte sie ein paar Mal, dann erklärte sie endlich: „Ich habe meinem Heiler vorhin meine Wunde gezeigt. Du weißt schon, die die du auch besitzt. Und er meinte das...“ Elar kam Lienna ziemlich nah, ihre Gesichter waren nur noch eine Handlänge von einander entfernt. Lienna trat einen Schritt zurück und fuhr gedämpft fort: „Er meint, dass diese eine Zauberwunde ist. Das heißt, sie ist nicht natürlich und nur Leute, die zu etwas bestimmt sind tragen sie davon.“ Lange schaute Elar sie an und versuchte zu begreifen was sie im sagen wollte. Doch er hatte von Anfang an nicht zugehört. Verwirrt, weil Elar nichts erwiderte fragte Lienna: „Elar? Was ist?“ Da hatte er ihr auch schon seine Lippen auf ihre gedrückt und küsste sie lange während einer innigen Umarmung. Liennas Herz begann wild gegen ihre Brust zu schlagen und sie verspürte den Drang ihn auch zu Umarmen – seine Gefühle zu erwidern. Doch sie war so überrascht und aufgewühlt, dass sie es nicht tat. Im nächsten Augenblick riss sie sich von dem Menschen los. Sie wurde rot vor Empörung und Wut: Was hatte er sich dabei gedacht! „Was sollte das Elar Tranûr? Warum hast du das getan?“, sagte sie gedämpft doch mit einer solch wütenden und gespannten Stimme, das es ihr selbst vorkam als schreie sie. Elar starrte sie nur ausdruckslos an und erwiderte nichts. Voller Zorn gab sie ihm eine Ohrfeige. Dann ließ sie ihn allein und verließ das Haus des Heilers im schnellen Schritt. Der Prinz blieb allein im Flur stehen und biss sich auf die Lippe. „Du Idiot!“, hörte er sich, jedoch wie durch eine Wand zu sich selbst sagen und verschwand im Behandlungsraum. Kapitel 13: Der Baum der Hoffnung --------------------------------- Der Baum der Hoffnung Lienna lief raschen Schrittens in Richtung des Armenviertels. Sie hatte keine Lust zurück zu Elar oder Lyrux oder zu irgendeinem anderen zu gehen! Ihr Atem hinterließ weiße Wölkchen in der Luft, die sich langsam im Wind aufflösten. Wo sollte sie denn nun hingehen? Nach Hause? Enan und Veyna würden sich wieder schrecklich aufregen. Aber Ranor und Aoe wussten nicht wo sie solange blieb, schließlich war es schon fast Abend. Die Sonne versank rot hinter dem riesigen Berg und es wurde schnell dunkel. Zu allem Übel begann es auch noch leicht zu schneien. Kleine weiße Flocken fielen schnell zu Boden und bedeckten ihn bald mit einer kleinen Schneeschicht. Schließlich war er schon seit einigen Tagen mit Frost überzogen gewesen. Kein Wunder, dass nun der Winter anfing. Lienna lief schneller, ihre Füße wurden kalt und klamm und sie formte Täler und Berge mit ihren Schuhen als sie den Schnee wegschob. Ihre nussbraunen Haare waren bald mit Schnee bedeckt und sie zog ihren Mantel enger um sich. Als sie am „Jaulenden Wolf“ vorbei kam, drangen Töne von schneller Tanzmusik an ihre Ohr. Ob Ranor und Aoe wohl da drinn sind?, fragte sie sich. Sie vernahm das Geräusch einer schnell gespielten Fiedel und Trommeln. Was machte Nârl wohl? Ganz allein im Kerker und dann noch diese Kälte. Lautes Lachen schallte aus der Schenke hinaus auf den verschneiten Weg. Lienna dachte kurz noch an ihren kranken Bruder, dann lief sie ohne eine Pause zu machen zu der alten Eiche. Schon beim Näherkommen, bemerkte sie, dass sich dort jemand auffhielt. Es waren sogar sehr viele! Bei näherem Hinsehen erkannte Lienna eine ganze Horde von Feen, die um ein kleines Feuer tanzten und fröhlich sangen. Als Lienna vorsichtig einen Schritt auf sie zugehen wollte, verstummten die vergnügten Töne der Instrumente und die männerhandsgroßen Wesen schauten verängstigt zu ihr hinauf. Doch Lienna lächelte und sprach mit freundlicher Stimme: „Keine Angst. Ich bin nicht hier um euer Fest zu stören! Ich komme nur manchmal zu diesem Baum um mich zu entspannen oder um nachzudenken.“ Gespannt wartete sie eine Reaktion ab und blieb dort stehen, wo die Feen sie entdeckt hatten. Eine sehr edel gekleidete Fee mit langen grünen Haaren und ebenfalls grünlichen Flügeln flog zu ihr hinüber und flatterte auf Augenhöhe vor ihrem Gesicht. Auf dem Kopf trug sie eine Krone mit kleinen türkisen Edelsteinen und ihr Kleid bestand aus zusammengenähten Efeublättern. Um die Handgelenke trug sie blaue Ringe und sie war barfuß. Immer noch etwas verängstigt, aber nicht so wie die anderen Feen, lächelte sie Lienna an. „Sei Willkommen, Zauberin.“, sprach sie mit freundlicher Stimme. „Was möchtest du und warum unterbrichst du unserer Fest?“ Sie schien es ernst zu meinen und Lienna sah Wachen am Boden, die lange Speere in den Händen hielten. „Seid gegrüßt, Königin.“, erwiderte Lienna und verbeugte sich vor der Feenkönigin, „Ich wollte Euer Fest nicht stören. Ob ihr es mit glaubt oder nicht, aber ich wusste nicht, dass ihr Euch hier befindet. Ich komme oft zu diesem Baum, er schenkt mir Zuflucht.“ Die Königin lachte und forderte die Wachen auf, ihre Waffen herunter zu nehmen. Dann flog sie auf Neranas Schulter und ließ sich darauf nieder. Lienna spürte kein Gewicht, welches auf ihre Schulter drückte. „Dieser Baum, “, begann die Fee zu erzählen, „ist der Baum der Hoffnung. Wir feiern unter ihm alle Feste, die es zu feiern gibt. Ob Frühling, Sommer, Herbst und Winter – jede Jahrezeit hat ihr Fest. So feiern wir heute den ersten Schnee. Denn er behütet die Blumen, wenn sie schlafen und kühlt das heiße Herz.“ Sie fing eine besonders dicke Schneeflocke in ihren hohlen Händen und wartete, bis sie geschmolzen war. Dann flog sie wieder von Liennas Schulter und landete sanft auf der weichen Schneedecke. Ihr nackten Füße versanken kaum im kalten Schnee, doch die Fee schien von innen erwärmt. Lienna lächelte ihr zu und beugte sich herunter, sodass sie auf gleicher Höhe waren. Das kleine Feuer beschien das Gesicht der Zauberin und ließ sie fröhlich erscheinen. Doch Lienna war aufgewühlt und verwirrt. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu Elar zurück. Wie konnte sie ihm jemals wieder unter die Augen treten? Die Fee schüttelte Liennas große Hand und meinte: „Es war nett, dass wir dich kennenlernen durften. Aber nun, wollen wir unser Fest weiterfeiern. Komm jederzeit zu diesem Baum, er wird dir ein Lichts senden, wenn du glaubst das nichts mehr die helfen kann. Glaube an meine Worte und vertrau auf dich.“ Lienna beugte tief ihren Kopf hinunter, dann erhob sie sich. Lange blickte sie die alte Eiche an. Ein Windhauch durchfuhr ihr Haare und die wenigen Blätter des Baumes raschelten. Es war Lienna, als sängen sie ein Lied. Doch es war ein frohes Lied, ein Lied welches dazu aufrief, nicht mehr zu verzagen! Mit einem lezten Lächeln zu den Feen, die am Boden standen, wandte Lienna sich um und lief schnellen Schrittes zum „Jaulenden Wolf“. Sie würde Nârl doch nicht im Kerker verenden lassen, dafür ruhte immer noch zu viel Hoffnung in ihr! Die Fee hatte ihr etwas davon wieder gegeben. Wie, wusste Lienna nicht, aber die Hoffnung kehrte in sie zurück. Und das war das einzig wichtige! Kapitel 14: Eine rätselhafte Verletzung --------------------------------------- Eine rätselhafte Verletzung Lyrux setzte sich von seinem Lager auf und blickte um sich. Der König und Pian waren in ein anderes Zimmer gebracht worden. Elar saß auf einer Bank, nahe der Tür. Sein Blick verriet Wut und Angst. Was war geschehen und wo war Lienna? „He, Elar!“, rief er und der Prinz schreckte zusammen. Lyrux achtete nicht darauf und winkte ihn einladend zu sich. Betrübt stand Elar auf und war mit zwei riesigen Schritten an Lyrux Lager. „Danke, dass du Pian gerettet hast.“, bedankte Elar sich und Lyrux lächelte ihn an. Es war dem Prinzen ein wenig unbehaglich, denn wenn er Lyrux sah, dachte er automatisch an Lienna. Nervös kentete er seine Finger und fragte sich, wo sie wohl hingelaufen war. Hoffentlich nicht in den Wald oder irgendwo anders in die Kälte. Elar starrte Lyrux an, der die Frage stellte vor der der Mensch sich so fürchtete. „Wo ist Lienna?“ „Lienna?“, fragte Elar unschuldig, als hätte er kein Wort von Lyrux verstanden. „Komm, Elar du weißt was ich meine. Gerade war sie doch noch hier. Hat sie irgendwas gesagt?“ Elar schwieg. Er konnte Lyrux doch nicht erzählen, dass er Lienna geküsst hatte! Doch nicht Lyrux! Außerdem hatte Lienna ihn dafür geohrfeigt. Wahrscheinlich konnte sie Elar überhaupt nicht leiden – was hatte er sich nur dabei gedacht! Und nun war sie da draußen, im Schneesturm und Elar war daran schuld. Wenn ihr nun etwas zugestoßen war, dann trug er dafür die volle Verantwortung! Lyrux betrachtete sein Gegenüber nachdenklich. Was war geschen, während er geschlafen hatte? Zwischen Elar und Lienna musste etwas passiert sein, sonst wäre sie noch hier. Er wollte es aus Elar herausbekommen, egal was er dafür tun musste! „Weißt du, für gewöhnlich erzählt Lienna mir wo sie hingeht. Es muss schon etwas Ausergewöhnliches geschehen sein, wenn sie ohne ein Wort davon rennt.“, meinte Lyrux und streckte sich genüsslich auf seiner Liege, als er Elars verzweifelten Gesichstausdruck sah. „Schade, dass sie nicht hier ist.“ Elar nickte stumm. Um vom Thema abzulenken, fragte er: „Weißt du schon, was der Heiler gesagt hat?“ Lyrux antwortete schnell: „Natürlich. Lienna hat mir vorhin alles erklärt. Dein Vater wird sicher wieder gesund.“ Elar fiel wieder nichts anders ein, als zu nicken. Lyrux schaute ihn lange an, als überlege er. Ihm kam eine gemeine Idee, wie er Elar sein Wissen entlocken konnte. Aber ob gemein oder nicht – er musste wissen wo Lienna war! „Warte mal, Elar.“, fing er an zu spielen und betrachtete nervös Elars Kopf. „Was ist?“, wollte Elar wissen. „Du hast da was seltsames am Kopf, ich schau es mir mal an...“, sagte Lyrux und beugte sich zu dem Prinzen vor. Nichtsahnend streckte dieser seinen Kopf nach vorne und ließ ihn untersuchen. Mit ängstlicher Miene besah Lyrux Elars völlig gesunden Kopf und murmelte dann: „Ah, da ist es. Sei unbesorgt, aber das könnte einen Moment wehtun.“ Elar stimmte zu und Lyrux legte ohne zu zögern blitzschnell zwei Finger jeder Hand an Elars Schläfen. Bevor Elar begreifen konnte, was der Zauberer dort tat, hatte sich auch schon Dunkelheit um ihn gelegt und er sah wieder in das tiefe schwarze Loch, welches sich vor ihm auftat. Die Bilder strömten in Lyrux Gedanken und er musste aufpassen, dass es nicht zu viele wurde. Sacht legte er, ohne dabei die Hände von seinem Kopf zu lassen, Elars Körper auf die Liege. Der Prinz schaute ausdruckslos an die Decke des Zimmers. Nun konnte Lyrux die Bilder in seinem Kopf sortieren. Er sah sich selbst, wie er Elars Freund zur Tür hinein brachte und er sich auf eine Liege legte. Dann sah er, wie Lienna zu ihm ging und mit ihm redete. Elars Blick schweifte jedoch zu Pian. Er ging zu ihm und unterhielt sich mit ihm. Dann kam er langsam auf Lienna zu und sie redeten. Lyrux vernahm nicht was, aber er sah den Blick Elars, mit dem er Lienna bedachte und er sah, wie Elar sich zu Lienna beugte und – sie küsste! Wütend drücke Lyrux seine Finger noch stärker an Elars Schläfen, so dass dieser zusammenzuckte. Lienna schlug Elar nicht leicht ins Gesicht, drehte sich um und verließ das Haus. Bekümmert kehrte Elar ins Zimmer zurück und setzte sich auf die Bank. Lyrux wachte auf, rief nach Elar, dieser kam auf ihn zu...Stopp! Stopp!, ermahnte Lyrux sich selbst und beendte langsam den Zauber. Er durfte die Erinnerungen nicht bis zur Gegenwart ansehen Denn dann würde Beide; der, der sich erinnerte und der, der sich die Erinnerungen ansah; zugrunde gehen. Voller Zorn nahm Lyrux seine Finger von Elars Kopf. Dieser blinzelte, dann erblickte er Lyux und begriff, was dieser mit ihm getan hatte. Ängstlich richtete er sich auf dem Lager auf, bis er auf gleicher Höhe mit Lyrux war, der aussah als würde er gleich aussbrechen. „Du Idiot! Du verdammter Idiot!“, schrie Lyrux und schlug Elar mitten ins Gesicht. Dumpf schlug er auf dem Boden auf und richtete sich, nun angesteckt von Lyrux Zorn, wieder auf. „Was hast du getan!“, brüllte Lyrux und warf sich mit einem Satz auf den Prinzen, der sich zu wehren wusste. Er trat mit voller Wucht sein Bein in Lyrux Magengegend, worauf dieser zusammenklappte. Danach waren sie Beide auf dem Boden, in einem Gerangel von Armen und Beinen, versuchten sie sich gegenseitig zu schlagen. Schließlich gewann der Ältere. Lyrux drückte seine Knie auf Elars Brustkorb und hielt seine Arme am Boden ausgestreckt fest. Keuchend holte der Zauberer Luft und atmete dann wieder aus. „Wir kannst du es wagen! Siehst du, was du angestellt hast? Wer weiß wo Lienna jetzt ist, bei diesem Wetter! Oh, ich wünschte du wärst nie hier aufgetaucht, dann hätten wir diesen ganzen Ärger nicht gehabt!“, zischte Lyrux und wartete die Wirkung seiner Worte ab. Elar schrürzte die blutigen Lippen und versuchte sich loszureißen, wurde jedoch weiter hart festgehalten. „Für meine Gefühle kann ich nichts.“, erwiderte Elar trotzig und wackelte, völlig unnütz mit den Armen. Lyrux krallte seine Fingernägel in Elars Haut und starrte ihn böse an. „Das entschuldigt nicht, dass du sie einfach küsst!“; sagte er etwas lauter, „Du hast doch gesehen wie sie reagiert hat. Sie will nichts von dir!“ „Aber von dir, oder was?“, fragte Elar und lachte bitter. Der Griff um Elars Handgelenke wurde stärker. Doch Elar würde sich nicht so leicht unterkriegen lassen. „Ja, von mir ganz sicher! Jedenfalls habe ich es schon weiter geschafft, als du!“, sagte Lyrux und Elar lachte wieder. Er musste Lyrux nur in Verlegenheit bringen, dann lies er ihn vielleicht los. „Aber du hast sie noch nie geküsst, nehm ich an? Du weißt nicht, wie das Gefühl ist.“, stellte Elar zufrieden fest und sah, wie Lyrux Miene sich verfinsterte. Mit hochrotem Gesicht, schlug er Elar noch einmal, dann erhob er sich von dem kalten Boden und ließ ihn aufstehen. Keuchend wischte Elar sich den Staub von seinem Hemd, dann meinte er: „Wir werden ja sehen, für wen sie sich entscheidet.“ Diesmal war es Lyrux der anfing zu lachen. „Vielleicht nimmt sie ja auch gar keinen von uns, schon mal daran gedacht?“. Doch Elar blieb keine Zeit mehr zum Antworten, denn in diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und es war nicht Lienna, die zurückgekommen war. Die zwei Zauberer, die Elar entführt, seinen Vater verletzt und das Lager vernichtet hatten, standen im Türrahmen. Elar hoffte inständig, dass Fanor und der Heiler nicht erscheinen würde, denn dann würden die Männer seinen hilflosen Vater töten. Blitzschnell warf Lyrux dem Prinzen ein Schwert zu, dass auf einem nahestehenden Schrank lag. Dann zückte er seines. Die Männer lachten und einer sprach mit rauer Stimme: „Du, Zauberer! Geh beiseite, wir wollen den Menschen, nicht dich!“ Doch Lyrux blieb bei Elar stehen, der sich tapfer neben ihn gestellt hatte. Mit einem lauten Schrei, griffen die Zauberer an und schlugen ihre Schwerter zwischen Lyrux und Elar, womit sie sie trennten. Einer der Zauberer kämpfte gegen Lyrux, während der andere sich mit Elar beschäftigte. Lyrux kämpfte wie ein Bessener, drehte sich in einem Wirbel von Angriffen hin und her und hielt den Zauberer in Schach. Jedoch wagte er nocht nicht, magische Kräfte einzusetzen. Diese Männer waren viel stärker als er und besaßen mehr magische Kraft in ihrem Innern. Mit solch einer Macht konnte er es nicht aufnehemen. Besorgt hoffte er, das Elar sich gut verteidigen konnte. Schließlich war er ein Mensch, ohne magische Energie. Doch Elar hatte das Kämpfen von klein auf erlernt und war nicht schlecht darin. Komplizierte Schrittfolgen und Angriffstaktiken waren für ihn kein Problem. Sein Problem allerdings waren die magischen Kräfte seines Gegeners. Mit jedem Schlag wurde die Angriffe kräftiger und Elar machte es Mühe sich zu konzentrieren. Eine falsche Bewegung, konnte seinen Tod besiegeln. Nebenbei hoffte er, dass Fanor den Lärm nicht hören konnte, den die Vier hier verursachten. Lyrux sprang auf Schränke und lief über Tische, wobei er Vasen und Schüsseln umwarf, die herunter fielen und zersprangen. Er und Elar waren nun nicht mehr auf zwei verschiedenen Seiten des Raumes, sondern standen Rücken an Rücken ihren Gegenern gegenüber. Lyrux spürte, wie Elars Atem stoßweise aus seinem Körper entwich und Elar packte Lyrux linke angespannte Hand. In diesem Moment waren sie Freunde, kämpften sie auf der gleichen Seite! Wenn es doch nur immer so sein könnte!, dachte Elar, während die beiden Zauberer näher kamen. Wie sind sie überhaupt hierher gekommen?, schoss es ihm danach durch den Kopf. Der Zauberer, der die Angriffe gestartet hatte hob seine linke Hand und ließ darin eine magische blaue Kugel aus Energie enstehen. Nervös blickte Elar über seine Schulter zu dem Zauberer auf Lyrux Seite. Dieser tat so, als würde er die Kugel auf die Beiden Jungen werfen, die schützend die Arme erhoben hatte, warf die Energiekugel jedoch plötzlich gegen die Wand. Der Zauberer auf Elars Seite, nuzte die Verwirrung und traf Elar mit einem Zauber, den Lyrux nicht identifizieren konnte. Doch er spürte wie der Mensch an seiner Seite erschauderte und in sich zusammensackte. Ehe Lyrux sich versah, waren die Beiden Zauberer spurlos verschwunden. Voller Angst drehte er sich zu Elar um und packte ihn an den Oberarmen. „Elar? Ist alles in Ordnung?“, fragte er laut und Elar nickte leicht. „Danke, mir fehlt nichts.“, flüsterte er. „Wahrscheinlich war das auch nur ein Ablenkungsmanöver.“ Doch Elar spürte einen Schmerz an der Schulter, als fresse sich etwas in seine Haut. Doch er war zu stolz um es Lyrux zu zeigen. Ganz langsam wanderte seine Hand zu seiner linken Schulter. Nervös tastete er an ihr herum und fühlte, zu seiner Beruhigung, nichts Auffäliges. Sicher war nichts passiert und die Zauberer hatten nur die Verwirrung genuzt um zu verschwinden. Keuchend erhob Elar sich, wobei Lyrux ihn aufstützte. Erschöpft lehnte Elar sich an die nahegelegne Wand und atmete tief aus. Der Zauberer an seiner Seite wandte sich um und sammelte weitere magische Kräfte um die Unordnung im Zimmer zu beseitigen. Als Lyrux die erste Schüssel wieder zusammenfügte, breitete sich ein erneuter Schmerz von Elars Schulter aus, noch stärker als der vorherige. Ermattend sackte der Mensch an der Wand wieder auf den Boden und fuhr sich an die schmerzende Schulter. Eine kleine Vertiefung in seiner Haut bereitete ihm Sorge und er schaute angstvoll zu dem Zauberer hinauf. Immer wenn dieser einen Zauber ausführte, begann Elars Schulter zu schmerzen und zehrte an seinen Kräften. Was hatte das zu bedeuten? Mit aller Kraft stemmte er sich vom Boden auf und wankte zu Lyrux, der gerade ein kaputtes Tischbein reparierte. Der Zauberer bemerkte, wie Elar sich beim laufen quälte und fragte besorgt: „Geht es dir auch wirklich gut?“ Elar schluckte und zwang seinen Stolz in die Knie. „Ich glaube nicht.“, sagte er mit leiser Stimme. „Ich spüre etwas an meiner linken Schulter. Es tut weh, wenn du Magie einsetzt.“ Besorgt schaute Lyrux ihn an. Dann forderte er ihn auf, seine Schulter zu zeigen. Mit prüfendem Blick untersuchte er sie, fand jedoch keine Anzeichen einer Verletzung oder etwas ähnlichem. „Elar, ich werde schauen was passiert, wenn ich meine magische Energie freisetze.“ Ohne auf eine Antwort zu warten lies er ein wenig Magie aus sich strömen. Dabei beobachtete er, wie sich auf Elars Schulter eine feine, rote, kaum sichtbare Linie bildete, die zu wachsen begann, je mehr Energie Lyrux freisetzte. Elar biss sich auf die Lippe und schüttelte verzweifelt Lyrux Hand, der gespannt auf die Lienie achtete. Schnell beendete der Zauberer den Energiefluss und die Linie stoppte ihr Wachstum. Jedoch verschwand sie nicht wieder, sondern blieb diesmal erhalten. Was war das für eine Wunde, die die Zauberer ihm da zugefügt hatten? Lyrux verspürte plötzlich keinen Zorn mehr auf den Menschen, sondern wollte ihm helfen. Elar rappelte sich wieder hoch und zog schnell sein Hemd wieder richtig. Er war alt genug um auf sich selbst zu achten. Und während Elar und Lyrux sich anstarrten, wurde erneut die Tür aufgerissen. Kapitel 15: Kontakt mit Menschen -------------------------------- Kontakt mit Menschen Es dauerte nicht lange, da hatte Lienna ihre Brüder im „Jaulenden Wolf“ entdeckt. Sie standen nebeneinander auf einer Art Bühne uns spielten schnelle Tanzmusik, zu der viele Zauberer ihre Beine bewegten. Als sie Lienna erblickten ruderte Ranor wie wild mit den Armen und Aoe rief: „Seht Leute, hier kommte unsere Sängerin!“ Eigentlich hatte Lienna ja vorgehabt Nârl zu befreien, aber sie hatte Lust zu singen und die Sache mit Elar zu vergessen. Also stürmte sie nach vorne und nahm sich eine Trommel. Ranor griff schnell nach einer einfachen Holzflöte und begann mit einer langsameren Melodie, die jedoch immer noch einen schnellen Rhythmus in sich trug. Lienna sang so gut sie konnte und versuchte sich auf nichts anderes zu konzentrieren, doch sie musste immer wieder an Elar denken. Was würde passieren, wenn Lyrux von dem was Elar getan hatte erfahren würde? Lienna wagte kaum daran zu denken. Aoe spielte wie wild sein Solo und Lienna sah Schweißperlen auf seiner Stirn blizten. Seine Finger wanderten schnell von einer Saite zur andern und sein Bogen berührte einige Male die niedrige Decke des Zwischenraumes, indem sie spielten. Liennas Pause war zu Ende und ihre Stimme erhob sich wieder laut über die Menge, die sich um die Drei versammelt hatte. Lauter Jubel brach aus, als sie fertig waren. Verschwizt und keuchend verbeugten sie sich, dann wandte Lienna sich zu ihren Brüdern um. „Ich möchte zu Nârl.“, sagte sie schlicht und Ranor legte seine Flöte auf die Trommel. Aoe packte sein Instrument beiseite und sagte: „Wenn du willst, dann gehen wir zu ihm.“ Lienna nickte entschlossen und Ranor bahnte ihnen einen Weg durch die jubelnde Menge. Jemand bot Aoe einen vollen Bierkrug an, auf den sich der junge Zauberer stürzen wollte, doch Lienna hielt ihn zurück. „Wollen wir nicht zu Nârl?“ Schuldbewusst senkte ihr Bruder den Kopf. „Natürlich.“, erwiderte er und im nächsten Augenblick standen sie im kalten Schneetreiben. Es war ein langer Weg zum Richter, und die Drei wickelten sich warm ein. Die Gefangenen wurden immer zum Richter gebracht, bis dieser ein endgültiges Wort über denjenigen gesprochen hatte. Dann wurde er meistens in den Kerker auf die Burg gebracht. Doch Nârl war glücklicherweise noch beim Richter, da bekam er wenigstens ein wenig mehr zu essen. Der Schnee knirschte laut unter Ranors schweren Schritten. Aoe gab fast keine Geräusche von sich, sein Gesicht war rosig und er hatte blaue Lippen. Liennas Finger fühlten sich an, als hätte sie sie in Eiswasser getaucht. Die nebleartigen Luftwölkchen aus ihren Mündern formten bizarre Gestalten in die kalte Luft. Es war schrecklich dunkel um sie herum – nur der Vollmond spendete ein wenig Licht, welches ihren Weg beleuchtete. In dieser eisigen Nacht schien alles erstarrt. Man hörte kaum einen Laut in den Straßen. Hin und wieder kam ihnen ein Zauberer entgegen, dick eingepackt in warme Wintersachen. Lienna vermutete, dass viele auf dem Weg zum Gasthaus waren, denn wohin sollte man sonst zu so später Stunde? Irgendwann durchbrach Aoe die kalte Stille. „Wo bist du eigentlich den ganzen Tag gewesen?“, fragte er und Lienna hörte die Neugierde aus seiner fröhlichen Stimme heraus, die sie schon oft aus trüben Gedanken zurück geholt hatte. „Ach...hier und dort.“, begann Lienna, unschlüssig ob sie ihren Brüdern über ihren Tag erzählen sollte. „Bei Lyrux.“ Aoe musste grinsen und stieß seiner Zwillingsschwester seinen Ellenbogen in die Seite. Der Stoß wurde von Liennas schwerem Mantel abgefangen. „Na, wie findest du denn den guten alten Lyrux?“, wollte er wissen und grinste ununterbrochen weiter. Lienna fühlte sich peinlich berührt. Lyrux war sehr nett, aber so wie er in letzter Zeit Elar...Elar! Elar war ja auch noch da. Der nette und gutaussehende Elar, den Lienna gerettet hatte. Er war kein typischer Prinz, nein er hatte etwas an sich, was Lienna mochte. Obwohl sie ihn erst seit ein paar Tagen kannte. Nun, sie mochte ihn nun einmal. Aber Lyrux war für sie auch ein richtig guter Freund. Er hatte seine Kindheit mit ihr verbracht, er hatte ihr geholfen, wenn sie traurig war. Er hatte sie in den Arm genommen, wenn sie Angst gehabt hatte. Und er hatte sie beschütz, als sie allein im Wald übernachtete hatten. Was konnte Elar dagegensetzen? Einen gemeinen Kuss, den Lienna nicht gewollt hatte? Doch da meldete sich ein neuer Gedanke in ihrem Kopf und dieser hallte laut durch ihn hindurch. Ein schöner Gedanke, doch Lienna hielt noch Abstand zu ihm. Es war ein schöner Kuss., schallte es durch sie hindurch. Ein schöner Kuss. Lienna atmete tief ein und aus, dann klammerte sie sich an diesen Gedanken, dieses Gefühl, das sie dabei durchströmte. Es war ein wunderschöner Kuss. „Lienna?“, holte Aoe sie aus ihren Gedanken zurück. „Was ist nun mit Lyrux?“ Lienna schaute ihren Bruder lange an, dann sprach sie leise: „Er ist ein guter Freund.“ „Ein guter Freund, was soll das heißen? Drück dich etwas genauer aus!“, drängte Aoe, doch Ranor legte eine Hand auf seines Bruders Schulter, die ihn zum Schweigen brachte. „Lass sie. Wenn es das ist was sie empfindet, dann müssen wir es dabei belassen.“, sagte er und Lienna dankte ihm still dafür. Möglich, dass sie auch noch die Sache mit Elar ausgeplappert hätte, wenn Aoe weiter gefragt hätte. Ein schöner Kuss. Ranor schien jedoch noch nicht fertig zu sein, denn er schaute Lienna seltsam an. Es schien ihr, als wüsste er Dinge, die Lienna niemand anderem erzählt hatte. Er hob den Kopf in die Höhe und betrachtete die Sterne am Himmelszelt. Dann fragte er: „Hattest du in letzter Zeit Kontakt mit Menschen?“ Lienna erstarrte. Woher sollte Ranor das wissen? „Kontakt...mit...Menschen?“, stammelte sie und Ranors scharfe Augen blitzten wieder zu ihr. „Ja, ich meine ob du in letzter Zeit mit einem Menschen zusammen warst?“, fragte er noch einmal. Dann fügte er mit einem Lächeln hinzu: „Kein Angst, ich bin nicht wie Enan. Ich möchte es nur wissen.“ Lienna räusperte sich, dann fragte sie zurück: „Warum glaubst du, dass ich mit einem Menschen in Kontakt stehe?“ Ranor lachte laut und große weiße Wolken flogen aus seinem Mund in die kalte Nacht. „Ach, das ist doch ganz leicht. Seit der Nacht am Lagerfeuer, verhieltst du dich anders. Du wolltest länger bleiben, als bräuchtest du lange, um das Feuer zu löschen. Am nächsten Morgen wolltest du sofort wieder weg und kamst erst heute abend wieder. Die Menschen suchten jemanden, der sich wohl im Wald verlaufen haben sollte. Der Wirt hatte ihn in seinem Schankhaus gesehen mit einem Mädchen zusammen. Er erinnerte sich nicht mehr wer sie war, weil er schon so betrunken war, aber ich kann mir denken, wer das gewesen sein könnte!“, erklärte er und Lienna bewunderte Ranor für seine Auffassungsgabe. Einen Moment überlegte sie, ob sie lügen sollte, aber irgendwann wäre die Sache mit Elar sowieso rausgekommen. Sie seufzte und dann begann sie zu erzählen. Bis zum Schluss nannte sie nicht Elars Namen. Als sie schon vor dem alten Haus des Richters standen, beendete Lienna ihre Erzählung. „Und dieser Junge ist Prinz Elar Tranûr Eyin.“ Sie lächelte ihre verblüfften Brüder an und schritt feierlich die Treppe zur Eingangstür hinauf. Es war ein schöner Kuss, flüsterte eine Stimme tief in ihr. Kapitel 16: Es liegt ein langer Weg vor euch! --------------------------------------------- Es liegt ein langer Weg vor euch! Fanors Miene war besorgt, als er auf die beiden Jungen zukam. Sein Gesicht war verschwizt, als hätte er wie Elar und Lyrux gerade gekämpft. Etwas verwirrt blickte er zu den keuchenden Jungen, dann wandte er sich zu Elar. „Mein Herr! Euer Vater...ich weiß nicht wie ich es sagen soll...es steht schlecht um ihn.“, brachte Fanor bruchstückhaft heraus. Elars Sorge überspielte seinen stechenden Schmerz an der Schulter und er wankte zu dem Heiler. Lyrux folgte ihm mit schnellem Schritt, darauf bedacht auf den Prinzen zu achten. „Bring mich zu ihm, Fanor!“, befahl Elar mit zitternder Stimme und der Heiler führte beide durch den langen Flur in ein weiteres Behandlungszimmer. Der Dorfheiler beugte sich über den König und untersuchte eine offene Wunde aus der Blut quoll. Schnell war Elar an der Seite seines Vaters und nahm seine Hand. Tranûr war wach und schien einen klaren Kopf zu haben. Er blickte in Elars verschwiztes Gesicht und drückte fest seine Hand. „Was ist passiert, Elar?“, fragte er und Elar konnte kaum glauben, dass er noch sprechen konnte. Fragend blickte er zu Fanor. „Wir haben ihm ein Schmerzenstillendes Mittel gegeben, aber lange wird es nicht mehr anhalten. Diese Wunden sehen sehr gefährlich aus.“, erklärte Fanor schnell und half dann weiter dem anderen Heiler seltsame Kräuter zusammen zu mischen. Elar wandte sich wieder zu seinem Vater und überlegte, was er sagen sollte. Ratlos stand er mit offenem Mund da, als wolle er etwas sagen, doch da durchdrang ihn erneut ein heftiger Schmerz und wieder das Gefühl, als fresse sich ein langes Tier durch seine Haut. Einen Augenblick später sah er, dass der Dorfheiler Magie benuzte um die Kräuter zu verühren. Lyrux hielt den Heiler auf und meinte, er könne doch mit der Hand umrühren. Dann trat er schnell neben Elar und stüzte ihn. „Wir haben ein wenig kämpfen geübt, mein König.“, erklärte Lyrux rasch und Elar nickte wild. Lyrux erblickte die rote Linie, die sich nun bis zu Elars Halsmuskel weiter einen Weg gebahnt hatte. Was war das nur? Sollte Lyrux den anderen davon erzählen? Der Zauberer entschied sich noch einmal im Stillen mit Elar darüber zu reden. Dieser hielt immer noch die Hand seines Vaters. „Du wirst doch wieder gesund, Vater?“, fragte er und eine Träne rollte über seine Wange. Schnell wischte er sich mit dem Handrücken den Tropfen weg und veruchte tapfer auszusehen. Tranûr zuckte mit den Schultern. „Wer weiß das schon?“, meinte er und schloss ermattend die Augen, „Aber du darfst nicht verzagen, Elar. Das Leben geht seinen Gang und wir kommen und gehen, so ist der Lauf der Welt.“ Wütend riss Elar sich von seinem Vater los. Wie konnte er nur so etwas sagen? War er ihm völlig egal? „Aber du bist noch so jung! Was soll den aus Mutter und Meral werden, wenn du nicht mehr da bist?“, rief Elar und Lyrux hielt ihn sanft zurück. Tranûr seufzte verzweifelt. „Aber mein Sohn. Was denkst du denn von mir? Ich kann doch nichts dafür, das ich in diesem Land Feinde habe. Denkst du vielleicht ich würde gerne sterben? Ich spüre nur, dass ich schwer verwundet bin und das allein die Kräutertränke der Heiler mich noch am Leben halten. Den Rest muss mein Körper selber schaffen, aber das kann ich nicht beeinflussen.“, sagte er ruhig und nahm wieder Elars zitternde Hand. Der Prinz atmete tief aus und entschuldigte sich für sein Verhalten. Ganz leise fügte er jedoch noch hinzu: „Aber du hättest etwas gegen den Berg tun können, der die Zauberer umgibt.“ Jetzt war es Tranûrs Miene, die sich verfinsterte. „Elar! Ich besizte keine magischen Kräfte noch habe ich Magier in meinem Land! Wie soll ich denn dann einen so großen Berg wegzaubern?“, brauste er auf und sank unter Schmerzen wieder in seine Liegeposition. „Hier gibt es genug Magier.“, meinte Elar. „Ja aber was nüzt mir das? Der Magier unter Nârl war mächtig und konnte ganz allein einen so hohen Berg erschaffen. Hier müssten tausende Magier zur gleichen Zeit Magie anwenden!“ Elar nickte heftig und blickte zu Lyrux, dessen Gesichtsausdruck undurchschaubar war. „Wenn alle Zauberer dieses Landes sich vereinen würden und gemeinsam den selben Zauber ausführen würden, dann könnte der Zauber von Nârl doch rückgängig gemacht werden!“, erklärte Elar eifrig und hoffte darauf. Tranûr schüttelte den Kopf, doch er war es nicht, der antwortete. „Das ist unmöglich.“, sagte Lyrux knapp und schüttelte hoffnungslos den Kopf. Elar stampfte wütend mit seinem Fuß auf. Waren die alle pessimistisch! „Warum sollte es denn unmöglich sein? Kann man Zauber nicht rückgängig machen?“, wollte Elar wissen und Lyrux meldete sich zu erneut zu Wort, um die Sprache des Königs zu schonen. „Das ist uralte Magie, Elar. Die ist nicht so einfach zu brechen! Dazu brauch man ausgebildete Magier, nicht einfache Zauberer. Zwischen denen gibt es nämlich einen kleinen Unterschied.“ Lyrux senkte wissend seinen Blick hinunter und verschränkte die Arme. Ungeduldig wippte Elar auf seinen Füßen hin und her und biss sich auf die Lippe. „Na, dann erkläre mir doch bitte den Unterschied!“ Lyrux räusperte sich, dann sagte er: „Magier können Dinge, die Zauberer nicht können.“ Voller Wut stampfte Elar noch einmal auf, als Lyrux nichts weiter sagte. Wolltend die beiden ihn zum Narren halten? Konnte Lyrux nicht eine normale Antwort geben? „Na und?“, fragte er genervt von Lyrux Prahlerei. „Nun, die Zauberer können nun einmal zaubern. Aber bestimmte Dinge können sie nicht und so etwas lernen sie dann von ausgebildeten Magiern, die selbst einmal ausgebildet wurden. Und so gibt jeder Magier sein Wissen an seinen Schüler oder Nachfahren weiter. Es gibt riesige Magierfamilien, die bis heute bestehen. Unter uns weilen sogar noch einige Kindeskinder von Nârls Magier.“, erklärte Lyrux nun und Elar nickte dankend. Nun, dann war es wohl doch nicht so einfach, wie er gedacht hatte. Aber Elar würde nicht aufgeben. Irgendewie musste dieser Berg weg zu bekommen sein. Doch die nächste Hürde war es, seinen Vater wieder gesund zu machen. Als er ihn näher ansah, bemerkte Elar, dass Tranûr eingeschlafen war. Beruhigt wandte er sich zu Fanor und dem anderen Heiler. „Was fehlt meinem Vater denn nur? Er scheint doch völlig in Ordnung.“ Fanor blickte besorgt zu dem Dorfheiler, der den Kopf schüttelte. „Uns ist ein Heilmittel ausgegangen. Es wächst auf der anderen Seite.“, sagte er knapp und Elar verzog verwirrt die Miene. Sofort war Lyrux zur Stelle um sein Wissen unter Beweis zu stellen. „Er meint am anderen Berghang. Man müsste durch das Tal reisen um das Mittel zu beschaffen. Das kann eine bis zwei Wochen dauern. Außerdem vermuten wir, dass das was Lienna sagte auf deinen Vater zutrifft. Er gehört zu der Hälfte, die von den schrecklichen Nebenwirkungen betroffen sind.“ Alle außer Elar nickten stumm. Der alte Dorfheiler erhob wieder seine Stimme. Sie klang sehr dünn und zum zereißen gespannt, so dass Elar fürchtete er würde mitten im Sprechen seine Sprache verlieren. „Die einzige Möglichkeit, den König zu retten, ist die: Jemand muss uns das Heilmittel beschaffen. Ich denke wenn wir den König weiterhin mit Tränken am Leben erhalten, könnte er es schaffen.“ Er blickte in die kleine Runde. Sein Blick blieb für kurze Momente an jedem der Anwesenden hängen. „Wenn wir dieses Kraut haben, dann besteht eine Chance, dass er überlebt.“ Fanor schaute Elar und Lyrux lange an, dann meinte er: „Ich denke, es wäre gut, wenn ihr euch auf diese Reise begebt. Die Zauberer kennen sich hier aus und wir kümmern uns derweil um deinen Vater und um Pian.“ Elar schaute zu Lyrux. Eine Weile konnte man nichts aus seinem Gesicht ablesen, kein Gefühl, keinen Entschluss. Doch dann ganz plötzlich grinste er übers ganze Geischt und Elar spürte die Abenteurerlust in ihm aufwallen. „Ich bin dabei.“, sagte Lyrux, „Wenn ich dem König und Elar damit helfen kann, so will ich mich als Führer bereitstellen.“ Elar fiel die Kinnlade herunter. Lyrux war wie ausgewechselt. War er nicht bis vor ein paar Stunden noch gegen ihn gewesen? Hatte er ihn nicht bei jeder Gelegenheit gequält und geärgert? Einen Moment stand Elar einfach nur so da und staunte. Doch dann spürte er, wie gut es war, wenn man einen Freund hatte und nicht gegen einen Feind kämpfen musste. „Ich danke dir, Lyrux.“, sagte er und reichte ihm die Hand. Etwas leiser fügte er nch hinzu: „Was wird aus Lienna?“ Gespannt wartete der Prinz auf eine Reaktion. Vielleicht war Lyrux doch nicht so gut auf ihn zu sprechen, nach dem was er mit ihr angestellt hatte. Doch der Zauberer packte freudig Elars Hand und schüttelte sie. „Die kommt natürlich mit!“, sagte er. Fanor rieb sich fröhlich die Hände. „Wie schön! Dann könnt ihr ja schon eure Sachen zusammenpacken. Ihr solltet sobald wie möglich aufbrechen. Am besten gleich, wenn die Zauberin wieder da ist. Es liegt ein langer Weg vor euch!“ Die beiden stimmten dem Heiler zu und zogen sich in den hinteren Raum zurück. Lyrux schloss rasch die Tür hinter sich und setzte sich neben Elar auf die Liege an der sie sich zuvor noch geprügelt hatten. In diesem Augenblick kehrten bei beiden die finsteren Gedanken zurück. Lyrux dachte an Elars Verletzung und an Lienna und auch Elars Gedanken wanderten zu dem Mädchen zurück. Was sollte er nur sagen, wenn sie wieder da war? Wenn sie überhaupt zurückkommen würde! Was war nun, wenn ihr wirklich etwas geschehen war? Verzweifelt stüzte Elar seinen Kopf in den Händen, wobei ihn wieder ein stechender Schmerz durchfuhr. Rasend schnell packte er seine Schulter und versuchte durch Drücken den Schmerz zu lindern. Der Dorfheiler wandte wohl gerade Magie an. Lyrux bemerkte das Problem seines Gegenübers und schaute ihn besorgt an. Er sah, wie die Rote Linie sich teilte und nun ein Zweig in die andere Richtung wuchs. „Soll ich den anderen nicht davon erzählen?“, fragte er, „Was ist, wenn diese Verletzung tödlich ist?“ Elar schüttelte nur mit dem Kopf. „Bis jetzt hat es mich ja noch nicht umgebracht, oder?“, sagte er, „Nein, ich will es ihnen noch nicht sagen. Später. Bitte behalte den Kampf und diese Verletzung für dich, ich will meinen Vater jetzt nicht noch mehr Sorgen machen.“ „Aber...“, begann Lyrux, wurde aber sofort von Elar unterbrochen. „Nein. Wir sagen es, wenn wir von der Reise zurück sind!“ Lyrux rollte mit den Augen. Elar war aber auch ein Dummkopf. Der Wille ihn wieder zu ärgern, irgendetwas verletzendes zu sagen, kam in ihm hoch. Doch Lyrux verkniff sich einen Satz, als er sah wie Elar eine neue Schmerzwelle durchfuhr. Die Sache mit Lienna würde er ihm nie verzeihen, aber nun litt er ja schon genug. „Leg dich hin.“, sagte Lyrux nur noch, dann verließ er den Raum um seine Sachen zu packen. Stöhnend lies Elar sich auf die Liege fallen und dachte an Lienna. Der Schmerz schien ein wenig zu vergehen, wenn er an sie dachte. Er vergass den Kuss und dass sie wütend das Haus verlassen hatte. Er dachte an den Tag, an dem sie sich zum ersten Mal getroffen hatten. An den Tag, an dem sie ihn rettete. Wieder wallte der Schmerz auf und Elar spürte dieses seltsame Gefühl. Er nahm einen Spiegel, der neben ihm lag und rappelte sich auf. Dann ging er mühsam zu einem anderen Wandspiegel und besah sich seine Schulter. Er erblickte eine rote Linie, die sich einmal geteilt hatte. Was war das nur? Schnell legte er den Spiegel wieder weg. Würde er für immer von einem Netz aus roten Linien gekennzeichnet sein? Ächzend wankte er wieder zu seiner Liege und ließ sich darauf fallen. Irgendwo weit draußen hörte er eine Eule und das Rascheln des Windes in den wenigen Blättern der Bäume. Der Wind jaulte und ließ die Fensterläden klappern. Ein wenig Schnee wurde hineingeweht, doch Elar spürte tief in seinem Herzen, dass es Lienna gut ging. Schließlich war sie kein hilfloses Mädchen und es ging ihr sicher besser als ihm, so wie er hier stöhnend auf seinem Lager ruhte. Ja, es geht ihr gut und sie wird bald kommen, dachte Elar bei sich und dachte ganz fest an Lienna, bevor er in einen unruhigen Halbschlaf fiel und sich sein Bewusstsein von der Wirklichkeit trennte. Kapitel 17: Sheena ------------------ Sheena Lyrux hatte nicht vor, Dinge zu tun, die Elar ihm auftrug. Ganz im Gegenteil – er war sein eigener Herr! Die Reise auf der er den Prinzen begleiten würde war eine gute Gelegenheit um mit Lienna zu sprechen. Und Elars rätselhafte Verletzung würde er ihr und den Heilern schon gar nicht vorenthalten. Jedoch wollte er wissen, was es damit auf sich hatte, bevor er es ihnen erzählte. Lyrux kannte nur eine Person, die alles über Krankheiten und mysteriöse Dinge wusste: Sheena. Ohne jemandem Bescheid zu sagen, verließ er im Dauerlauf das Haus. Die weichen Schneeflocken hatten sich in der Zwischenzeit in Hagelkörner verwandelt, die ununterbrochen auf Lyrux hinabsausten. Seine Lungen brannte nach einer Weile und er atmete tief ein und aus um nicht umzufallen. Die kalte Luft ließ seine Muskeln erstarren und ihn langsamer werden. Hoffentlich war Lienna nichts passiert! Kurze Zeit später hatte er den großen Baum am Waldesrand erreicht und lehnte sich ächzend an seinen dicken Stamm. Er ähnelte der alten Eiche am Feld, doch dieser Baum hier war um einiges dicker und kräftiger. Kein Wunder, in seinem Innern lebte jemand. Nachdem Lyrux wieder normal Luft bekam, stieß er Töne wie die eines Vogels aus. Einen kurzen Augeblick geschah nichts und Lyrux konnte nichts in der klirrenden Kälte vernehmen. Wie durch Zauberhand öffnete sich dann ein kleiner Spalt am unteren Teil des Baumes und die Erde teilte sich und gab eine steil nach unten führende Treppe frei. Ohne zu Zögern machte Lyrux sich auf und stieg sie hinab in die Dunkelheit. Seine Füße tasteten vorsichtig nach jeder neuen Stufe. Er hatte schon eine ganze Strecke geschafft, da konnte Lyrux sich plötzlich nicht mehr bewegen. Er war wie gelähmt und stand da im Dunkel und konnte nicht sehen, was vor ihm geschah. Bis jäh ein Licht aufblizte und ihn blendete. Vor ihm stand ein Mädchen in seinem Alter mit kastanienbraunen, schulterlangen Haaren und grün – braunen Augen. Sie trug grüne Kleidung, so wie erdfarbene Schuhe und ein olivgrünens Leinenkleid. In ihrer Hand hielt sie eine Kerze und sie beleuchtete damit Lyrux Gesicht. „Wer bist du?“, fragte sie und Lyrux bewegte mühsam den Mund. „Erkennst du mich nicht wieder? Ich bins doch! Lyrux!“, sagte er und die Miene des Mädchens hellte sich auf. Freudig ging sie um ihn herum wobei sie ihn immer noch lähmte. „Lyrux!“, lachte sie. „Was treibt dich nach so langer Zeit zu mir?“ Lyrux rollte mit den Augen. Die Lähmung in seinem Gesicht hatte er selbst bekämpft. „Ich brauche deine Hilfe, Sheena.“, bat er und nach einem kurzen Augenblick, entließ Sheena seinen Körper wieder aus ihrer Gewalt. Jedoch packte sie sofort seine Hand und zog ihn die Stufen hinunter in einen runden Raum, dessen Decke gewölbt war. Ein Feuer brannte in seiner Mitte und darüber hing ein Kessel mit brodelndem Inhalt. Schnell huschte sie zu ihm und rührte mit Magie ein wenig in dem Gebräu herum. Lyrux durchfuhr dabei ein seltsames Gefühl und er brauchte eine Weile, bis er begriff warum er sich so sorgte. Er hatte wohl gedacht, Elar wäre bei ihm! Er atmete einmal tief ein und aus und beruhigte sich. Ein Versprechen zu brechen war nicht so einfach, wie er gedachte hatte. Zögernd ging Lyrux einen Schritt auf Sheena zu, doch diese wuselte herum und machte hier ein Kännchen mit heißem Wasser und da einen Teller mit belegtem Brot. Irgendwie verhielt sie sich immer komisch, wenn Lyrux in ihrer Nähe war. So, als wolle sie ihn beeindrucken. Lyrux fand sie albern, aber er bewunderte ihre Kräfte und ihre Gelehrtheit. Endlich hatte Sheena einen Stuhl gefunden und ließ sich darauf nieder. Nervös faltete sie die Hände auf ihrem Schoß und holte Luft. „Was ist dein Anliegen?“, fragte sie und Lyrux sammelte seine Worte zusammen. „Es geht um eine Person, die unter einer Verletzung leidet, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Sie wurde durch Magie zugeführt. Da du die einzige bist, von der ich weiß dass sie sich mit so etwas auskennt, bin ich zu dir gekommen.“ Sheena lächelte fröhlich und fragte weiter, als würden sie über das Wetter reden. „Du musst mir erzählen was auffälig an der Verletzung ist, damit ich sie bestimmen kann.“ Lyrux nickte wild und berichtete von der roten Linie, die immer weiter wuchs, wenn man Energie freisetzte. Einen Moment herrschte vollkommene Stille in dem runden Raum. Nur das Brodeln des Kessels war zu vernehmen. Sheena stand auf und wandte sich von Lyrux ab. Sie ging zu einem ihrer Bücherregale und zog ein dickes Buch mit der Aufschrift: „Gefährliche Wunden und Verletzungen und wie man sie heilt“ Schnell blätterte und sie brauchte nicht lange zu suchen, jedefalls erschien Lyrux das so. Lange starrte sie auf eine Seite, dann wandte sie sich wieder zu Lyrux um und schlug das Buch zu. In einer schnellen Bewegung warf sie es in irgendeine Ecke und setzte sich wieder auf ihren weichen Sessel. Sie lächelte, aber es war ein künstliches Lächeln. „Die Verletzung von der du da gesprochen hast ist nicht schlimm. Die Symptome sind erschrecken, aber ich habe gelesen, dass sie den Gegner nur für längere Zeit außer Gefecht setzten soll. Nach einer Weile verschwindet die Linie wieder von allein.“, erklärte sie etwas gepresst und Lyrux wunderte sich über ihre Art. „Kannst du mir vielleicht verraten, wer dieser Betroffene ist?“, wollte sie wissen und Lyrux zögerte nicht lange. Sheena besaß sein vollkommenes Vertrauen. „Der Prinz von Donara, Elar Tranûr.“, sagte er kurz angebunden. Sheenas Augen weiteten sich kurz, doch dann setzte sie wieder ihren gewöhnlichen, schlauen Gesichtsausdruck auf. Wieder stand sie auf und ging zu ihrem großen Kessel. Lange starrte sie auf die blubbernde rote Oberfläche, bis sie sich lächelnd zu Lyrux umdrehte. „Willst du mal probieren?“, fragte sie und schöpfte mit einer großen Kelle ein wenig von der Suppe heraus in eine Schüssel. Doch Lyrux schüttelte nur misstrauisch den Kopf. „Was bedrückt dich?“, fragte er und erhob sich aus dem weichen, mit Samt überzogenem Sessel. „Was?“, rief Sheena und stellte die Schüssel wütend auf den Tisch, der an der Wand stand. Kurze Zeit später besann sie sich wieder und setzte ihr Lächeln auf. „Mir fehlt nichts, Lyrux. Danke der Nachfrage. Ich bin nur etwas...“, sie kam ein paar Schritte auf ihn zu und lächelte ihn an, „...Ich habe nur in letzter Zeit sehr viel zu tun.“ Sie ging zu ihrem Tisch und trank die Schüssel mit der heißen Suppe aus. Dann ging sie zu einem hohen Holzschrank und öffnete seine Flügeltüren. Schnell schnappte sie sich einen Mantel und ein langes Schwert, welches sie sich an ihren Ledergürtel schnallte. Dann schwang sie sich den Mantel über die Schultern und setzte die Kapuze auf. Immer noch lächelnd stellte sie sich vor Lyrux, der sie etwas seltsam beäugte. „Ich bin fertig.“, stellte sie fest und stemmte ihre Hände in die Hüften. „Fertig für was?“ „Dafür, loszugehen.“, meinte sie, „Ich möchte mir die Wunde gern ansehen. Es kann sein, dass ich mich geirrt habe und ich möchte keinen Fehler begangen haben! Schließlich ist es der Prinz von Donara. Also steh nicht so rum! Zieh dich an!“ Sie verschwand am Aufgang der Treppe. Lyrux zögerte noch kurz. Sie verhielt sich komisch. Warum hatte sie das Buch weggeworfen? Schnell huschte er zu der Ecke, in der er es vermutete. Er hatte richtig geraten. Das Buch hatte einen roten Umschlag und war unheimlich schwer. Schnell schlug Lyrux die ersten Seiten auf und blätterte bis zum Inhaltsverzeichnis. Doch wie sollte er wissen, wie diese Verletzung hieß? Verzweifelt versuchte er mit Magie die Seite zu finden, doch als er seine Kräfte freisetzte spürte er einen gewaltigen Druck auf seinem Körper, so dass er den Aufbau stoppen musste. Ein gewaltiger Energierückstoß schleuderte ihn aus der Ecke. Mit einem lauten Krach landete Lyrux an der Kette, die den Kessel über dem Feuer hielt. Keine zwei Sekunden später löste sich die Kette von ihrer Aufhängung und der Kessel fiel mit lautem Getöse hinunter. Die heiße Suppe überschüttete Lyrux und er schrie auf. Im nächsten Augenblick stand Sheena im Raum und lief so schnell sie konnte in eine Ecke des Raumes. Dort kam eine Art Rohr aus der Decke. Sheena riss den Stopfen aus dem Rohr und sofort floß Wasser. Sie rannte zu Lyrux und zog diesen unter das fließende Wasser. Erschrocken schrie er auf, denn die Flüssigkeit war eiskalt. Doch das tat seinen Verbrennungen gut. Schnell legte Sheena ihre Hände auf Lyrux Gesicht und sprach viele Worte rasend schnell hintereinander. Die verbrannten Stellen aus Lyrux Haut verschwanden und heilten. Lyrux starrte Sheena an. Um so einen Zauber auszuführen brauchte man viel Kraft und musste gut ausgebildet sein. Der Zauber schien sie nicht einmal anzustrengen. Ganz ruhig ließ sie alle Verbrennungen heilen, dann half sie Lyrux aufzustehen. „Da...Danke!“, stammelte er und rappelte sich mühsam auf. Seine Haut schmerzte zwar, jedoch waren keinerlei Spuren seines Unfalls zurückgeblieben. „Ich stehe tief in deiner Schuld, Sheena.“ Er verbeugte sich und Sheena lächelte wieder. „Wie konnte das denn geschehen? Was hast du hier getrieben?“, wollte sie wissen und ließ ihren Blick noch einmal über die Unordnung im Zimmer schweifen. Lyrux kratzte sich verlegen den Kopf, als habe er keine Ahnung wie das zustande gekommen war. Er stammelte wieder ein paar Entschuldigungen und ermahnte sich, das nächste Mal auf Schutzzauber zu achten. Sheena hatte sicher über jeden Gegenstand, der in diesem Raum lag, einen Schutzzauber ausgesprochen. Einen Augenblick standen dieBeiden noch unschlüssig vor der heißen Suppe auf dem Fußboden, dann wandte Sheena sich zum Gehen. „Wie hast du das mit dem Wasser gemacht?“, fragte Lyrux neugierig, „Es kam einfach so aus der Wand!“ Sheena lachte. „Nein, es kam nich aus der Wand, sondern von oben. Es ist geschmolzener Schnee, deshalb war das Wasser auch so kalt.“ Sie lachte wieder und öffnete die geheime Tür am Stamm des Baumes. Im nächsten Augenblick standen sie in der eisigen Kälte und begannnen zu zittern. Kapitel 18: Ein lang vermisster Bruder -------------------------------------- Ein lang vermisster Bruder Nârl war sehr froh seine Geschwister zu sehen und Lienna streichelte ihm zärtlich das Haar aus der Stirn. Neben ihr saß Aoe, der sich intererssiert umschaute. Sie befanden sich in einer kleinen Zelle und saßen auf einem Brett, das von der Wand hing. Ein schäbiges Bett! Unter solchen Umständen konnte Nârl nicht gesund werden! Liennna spürte eine leichte Berührung an ihrem Arm und blickte schnell wieder zu Nârl. „Warum bist du hier Schwester?“, fragte ihr ältester Bruder leise und Lienna lächelte ihn freundlich an. „Weil ich dich liebe und nicht vorhabe, dich dem Tod zu überlassen!“, sagte sie und spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Nârl konnte sich kaum bewegen, äußerlich wieß er jedoch keine Verletzungen oder ähnliches auf. Es war so, als ob er von Innen her von Irgendetwas zerfressen wurde. Nârl lächelte ganz leicht und drückte zärtlich Liennas Hand. „Ich danke dir.“, flüsterte er. Aoe stand auf und ging ungeduldig in der Zelle auf und ab. Seine Füße stampften laut auf den Boden und seine Hände waren zu Fäusten geballt. Er seufzte ununterbrochen und blickte zornig um sich herum. Nârl und Lienna verwunderte dieses Verhalten nicht. Aoe wartete auf die Antwort des Richters. Ranor war gerade bei ihm und sprach mit ihm über die Umstände und Nârls gefährliche Krankheit. Aoe war wütend, weil der Richter sich so lange Zeit ließ. „Beruhige dich, Aoe.“, sagte Lienna und hielt ihn am Arm fest, als er wieder bei ihr vorbeikam, „Es wird schon alles gut gehen.“ Aoe schien zu explodieren. „Ja, natürlich!“, schrie er, „Es wir schon alles gut gehen! Gar nichts wird gut gehen! Warum verstehen diese Leute uns nicht? Ich kann mir das nicht mehr anhören, dieses ständige >Wir versuchen ja alles.< und >Wir geben unser bestes und tun all das, was in unserer Macht steht!