World of Faerûn - 5. Staffel von Kyle (Ghosts Of Apocalypse) ================================================================================ Kapitel 14: Folge 85: Vergangene Wunden --------------------------------------- Die Schritte dreier Gestalten hallten hektisch durch schier endlos lange Gänge, während eine verhüllte Gestalt vorausging und die Tore öffnete, die ihnen das weiterkommen verwährt hätten. Der faulige Gestank des Todes lag in der Luft, denn dies waren die Hallen der Festung ihres Bruders - Noss. Wieder und wieder ebnete der Lakai durch öffnen der riesigen Tore den Weg ins innere der Festung wo der Herr der Untoten thronte, bis man schließlich den Thronraum erreicht hatte. Demütig bat der Diener die drei Brüder einzutreten und zog sich zurück. Eine lange Treppe führte sie hinab zum Zentrum des riesigen Saals wo Noss schmunzelnd in seinem Thronstuhl saß. Die architektonische Meisterleistung, aus dem sich der Saal zusammensetzte, rührte die drei Männer nur wenig. Stattdessen sahen sie voller Verachtung auf ihren selbstgefälligen Bruder und traten die Stufen zu ihm herab. „Das steht dir, Noss. Zu dir muss man sich hernieder lassen.“, grüßte ihn Lughton, der Herr des Lebens unfreundlich. Er war in heller, weiter Tracht gekleidet, ähnlich wie ein Prediger. Sein langes blondes Haar war zu einem Zopf gebunden und sein Gesicht jung und gesund geformt. Links von ihm schritt sein Bruder Finas, der Herr der Lüfte. Er trug weitestgehend durchsichtige Kleidung in hellblauen Ton und hatte strähnenreiches hellblaues Haar. Dieser hatte seinen Bruder Duncan links neben sich, der lederne, braune Tracht trug, wodurch er ein wenig militärisch wirkte. Entsprechend kurz war er zumindest am Kopf beharrt, wogegen sein Gesicht ein feiner Bart zierte. Nach zwei dutzend Stufen war man mit Noss auf gleicher Höhe, worauf er es für angemessen sah, seine Gäste zu begrüßen. Der Herr der Untoten hatte kreidebleiche Haut und mähnenartiges weißes Haar. Schwarze Streifen verliefen unterhalb seiner Augen, wie eine Kriegsbemalung. Seine Kleidung wirkte ordentlich und gepflegt, ein wenig wie ein feiner Stadtmensch sie tragen würde. „Willkommen in meinen Reich, Brüder!“, begrüßte er sie euphorisch, kombiniert mit einer Geste die so aussah als wollte er sie alle drei in die Arme schließen. Die drei wirkten jedoch keinesfalls erfreut ihren Bruder zu sehen und erwiderten seine Geste nicht. „Das kannst du dir sparen, Noss! Wir wissen um deine Falschheit!“, gab Duncan lediglich in schroffen Ton zurück. „Also, sag uns warum du uns zu dir geben hast.“, drängte Finas ungeduldig. „Dir muss doch klar sein das wir dich hassen und dich töten werden, sobald du uns den Grund für unser Erscheinen genannt hast.“, ergänzte der Herr des Lebens, doch die Antwort von Noss blieb ungebrochen freundlich. „Zunächst einmal möchte ich euch danken dass ihr alle gekommen seid. Lediglich Valve scheint meiner Einladung nicht nachgekommen zu sein. Aber das macht nichts ...“, begann er zu erzählen, bevor Finas ein weiteres mal die Geduld mit ihm verlor. „Komm zum Punkt!“, rief er genervt von der Scharade seines Bruders. „Ja, natürlich. Wie ihr sicher wisst sind zwei von unseren Brüdern bereits gefallen und ihre Mächte wurden in der heiligen Brosche verschlossen. Ihr habt davon gehört, nehme ich an.“, fuhr Noss fort und bequemte sich wieder in seinen Thronstuhl. „Ja und wenn schon. Das kann ja wohl kaum der Grund sein warum du uns zu dir gebeten hast, oder hat der Herr der Untoten etwa Angst?“, fragte Lughton spöttisch. Es entlockte ihm nicht mehr als ein Schmunzeln und trotz aller Provokationen blieb er ruhig. „Erklär dich endlich, Noss oder glaubst du uns wäre dieses gewaltige Heer von untoten Kriegern in deinen Hallen nicht aufgefallen?“, entgegnete Duncan erzürnt. „Gut, ich will eure Geduld nicht länger auf die Probe stellen. Zweifellos werdet ihr mich gleich angreifen und zweifellos bin ich euch Dreien unterlegen. Nennt mich sentimental, aber ich hatte ganz einfach das Bedürfnis euch noch einmal zu sehen.“, erklärte der Herr der Untoten sein Anliegen. Lughton stutzte, denn er glaubte nicht was er dort hörte. „Im Zweifelsfall wäre ich auch ganz alleine mit dir fertig geworden, aber wenn du gehofft hast dass wir uns Gegenseitig angreifen, dann hast du dich wohl verkalkuliert.“, entgegnete er ihm. Duncan teilte die Meinung seines Bruders und äußerte sich ähnlich empört. „Du scheinst den Verstand verloren zu haben, Noss! Niemand hier wird dir abnehmen dass du uns sehen wolltest. Ich bin nicht bereit mir dein Affentheater auch nur eine Sekunde länger anzuhören!“, sagte er missgelaunt und wollte, wie seine beiden Begleiter, schon zum Angriff übergehen als Noss sie ein weiteres Mal bat, kurz inne zu halten. „Wartet! Es steht euch frei zu tun und zu lassen was ihr wollt, wenn ich meinen letzten Satz beendet habe, aber vorher möchte ich euch noch jemand vorstellen.“, erwiderte er mit entsprechender Geste und ließ eine Gestalt hinter seinem Thronstuhl hervor kommen. Der Mann, der dort hervortrat, war jener Magier der Noss einst aus seinen Gefängnis befreit hatte. Markant waren die Narbe, die über seinem rechten Auge verlief, das kleine Bärtchen und der düstere Blick, der wie in sein Gesicht eingeprägt war. Seine Gäste wirkten verwirrt und fragten sich immer mehr welches Spiel ihr Bruder spielte. „Was soll das?! Wir kennen diesen Mann bereits. Er hat uns die Einladung hierher übergeben!“, rief Finas aufgebracht. Mit einem zweifelhaften Schmunzeln lehnte sich Noss in seinen Thronstuhl zurück und kreuzte die Finger ineinander. „Ich hätte euch gern einander vorgestellt, aber es scheint ja eurerseits kein Interesse zu geben. Wie ihr wollt.“, merkte er anschließend an, worauf seine Besucher die Geduld verloren. Sie waren bereit ihm in Fetzten zu zerreisen, da bat er ein letztes Mal um ein paar Sekunden Gesprächszeit. „Ach! Entschuldigt. Eines noch – ich hatte nicht gelogen als ich sagte das ich euch noch ein letztes mal sehen wollte. Ihr seid hier erschienen in der Ansicht mich einfach so besiegen zu können, aber in Eurer Eitelkeit ist euch nie in den Sinn gekommen das ich nun drei von euch auf einen Streich habe.“, sagte er und legte ein diabolisches Grinsen auf, das sogar den Herrn des Lebens einen Moment irritiert inne halten ließ. Noss schien sichtlich amüsiert über die Gesichter seiner Brüder. „Diron! Tu deine Pflicht!“, befahl der Herr des Todes seinem Diener, der kurz nickte und entschlossen auf die drei Elementargeister zumarschierte. Der Lakai, der draußen vor den Tor Wache hielt, vernahm schon kurz darauf die qualvollen Todesschreie der Männer, die er zuvor geleitet hatte. Das geheimnisvolle Mädchen das Kyren und den anderen erschienen war, entsprach genau dem was Valve, der Herr über Raum und Zeit, beschrieben hatte. Eine Zeit lang stand man sich wortlos gegenüber, denn man wusste nicht so recht was man von ihr halten sollte. „Es tut mir Leid das ich nicht schon eher an euch herangetreten bin. Ich musste sicher gehen dass keiner von euch mit bösen Mächten kooperiert.“, sagte das namenlose Mädchen schließlich und verbeugte sich kurz um ihr Bedauern auszudrücken. „Wer seid Ihr eigentlich? Und warum diese Maskerade?“, fragte Kyren neugierig, doch das Mädchen wiegelte Kopfschüttelnd ab. „Es tut mir Leid, aber ich kann euch meine Identität nicht preisgeben. Es wäre für euch ohnehin belanglos.“, erwiderte sie mit sanfter Stimme, doch Shane war mehr an dem interessiert was sie zu berichten hatte. „Ich bin gespannt was Ihr uns zu sagen habt.“, meinte er mit entsprechenden Blick. „Euer Sieg über Zephilia war eine große Tat, ebenso wie der Sieg über zwei Elementargeister. Wie ihr vielleicht wisst hat ein Nekromant namens Diron X’elsion Noss, den Herr der Untoten, befreit. Mittlerweile hat er ein riesiges Heer an Untoten aufgebaut mit dem er die Länder Faerûns unterwerfen wird, sollte ihn niemand aufhalten. Viel wichtiger ist jedoch, dass ihr die Brosche besitzt und zwei Elementarkräfte darin gebannt habt. Dies wird unweigerlich dazu führen, das Noss oder seine Lakaien euch aufsuchen werden. Die Brosche mit den Mächten seiner Brüder ist seine einzige Schwachstelle. Folgt diesem Pfad und ihr werdet zu einer kleinen Stadt kommen. Dort gibt es in einem alten Stadtteil ein unterirdisches Gewölbe. Darin befindet sich ein Portal das euch direkt nach Raurin bringen wird. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis zur Festung von Noss.“, erzählte sie mit ernsten Blick, ihre Hand in die beschriebene Richtung gestreckt. Decan wirkte zufrieden mit dem was er hörte, obwohl die Lage nach ihrer Schilderung nicht allzu rosig war. Er schien ihr mehr zu vertrauen als den meisten anderen in seiner Abenteurergruppe und dies mochte schon etwas bedeuten. Die Vision und ihre Worte die sie ihm geschickt hatte, fand nun ihre Bestätigung, ebenso wie den harten Kurs den er eingeschlagen hatte. „Welche Rolle spielt Ihr bei diesen Unterfangen?“, fragte er in seiner typisch kühlen Art. „Ich kann euch im Kampf leider nicht unterstützen oder euch begleiten, aber ich werde euch ein Treffen mit Valve, dem Herrn von Zeit und Raum arrangieren.“, erwiderte sie. Kyren spürte das von dem geheimnisvollen Mädchen eine sehr angenehme Aura ausging, die es schwer machte ihr Misstrauen entgegen zu bringen. Sie schien auf ihrer Seite zu sein oder zumindest gegen Noss zu interagieren. Das geheimnisvolle Mädchen sollte Recht behalten und tatsächlich erreichte man wenig später eine kleine Stadt, die einen älteren historischen Stadtteil hatte, wenn gleich dieser mehr an verkommene Ruinen erinnerte. Die Bürger der Stadt lebten friedlich und ahnungslos von der Gefahr die ihnen und den anderen Städten durch Noss drohte. Freundlich wiesen einige Passanten den Abenteurern den Weg zu den Ruinen in denen es ein altes, unterirdisches Gemäuer geben sollte. Den Abenteurern kam nicht in den Sinn, dass sie verfolgt oder beobachtet werden könnten, so friedlich und harmonisch wie die Leute hier lebten. Eine mysteriöse Gestalt wand sich an einen der Passanten, der den Abenteurern den Weg gewiesen hatte. Sein Mönchsgewand und sein Stab an dessen oberen Ende sich zwei klirrende Ringe befanden, lenkten nur unwesentlich von seiner Augenbinde ab, unter der er seine erblindeten Augen verbarg. Shane und Kyren hatten bereits einmal mit diesem Mann Bekanntschaft gemacht, der sich zur Organisation der Harfner zählte. Er schmunzelte als ihm der Passant auf seine Frage antwortete wohin die fünf Gestalten wollten. In der Stadt schien sich niemand wirklich für die Ruinen zu interessieren. Vereinzelt spielten Kinder zwischen den alten Gemäuern, die von einem früheren Krieg verwüstet zu sein schienen. Der Eingang zu den unterirdischen Gewölbe befand sich in den Überresten einer ehemaligen Kirche, die nicht mehr erkennen ließ welcher Gott dort angebetet wurde, so sehr wie sie zerstört war. Obwohl die Bauten alt und baufällig wirkten, schienen sie stabil und so begab man sich bedenkenlos in die Untergründe der Kirche. Dort erwartete die fünf Abenteurer ein verzweigtes Gangsystem, das ein wenig wie ein Labyrinth anmutete. „Wo lang?“, fragte Salina, angesichts der zahlreichen Wegwahlmöglichkeiten. „Hrr, diese Menschenbauten sind selbst für einen Zwerg schwer zu durchschauen.“, grummelte Baram. Alle Gänge waren durch Kristalle beleuchtet und jede der vier Möglichkeiten, die man einschlagen konnte, wirkte unscheinbar. Dennoch schien sich Decan den mittleren Weg zu fixieren, nicht jedoch um, wie man zunächst annahm, diesen Weg zu wählen, sondern weil er von dort ein Geräusch zu vernahm. Tatsächlich hörten die anderen auch bald dass sich von dort jemand näherte. Ein alt vertrautes Geräusch ließ Shane und Kyren aufschrecken als sie hörten wie zwei metallene Ringe aneinander schlugen und einen Laut verursachten, den sie zuletzt vor vier Jahren gehört hatten. Überraschenderweise reagierte auch Decan ungewöhnlich heftig auf das Geräusch, bis schließlich die herantretende Gestalt ins Sichtfeld kam. „Vielleicht kann ich euch helfen.“, meinte ein Mann im Mönchsgewand freundlich. „Jarod!“, rief Shane erstaunt, woraufhin auch Decans Augen weit aufrissen. Schlagartig verfinsterte sich seine Mimik wieder, aus der bald nur noch Hass sprach. „Du …“, sagte er leise und ließ seine beiden Katanas aus seinen Ärmeln kommen. Bevor seine Gefährten überhaupt wussten was in ihn gefahren war, stürmte er auf Jarod zu. Ohne dass dieser einen Angriff provoziert hatte griff Decan mit voller Wucht an, wenn gleich es dem Harfner gelang den ersten Angriff mit seinem Stab abzuwehren. Er schmunzelte, während Decan all sein Können auffuhr um ihn in Stücke zu reißen. „Decan! Was hat das zu bedeuten?“, rief Salina besorgt, doch der Schwertkämpfer war schon längst nicht mehr ansprechbar. Wie ein Berserker wütete er herum und bot all seine Fähigkeiten auf. Jarod wirkte weniger souverän als bei seinen Kampf gegen Shane vor vier Jahren, aber dennoch gelang es ihm die Angriffe seines Gegners mittels seines Stabes zu neutralisieren. Decan wirbelte unerschöpflich mit seinen Waffen herum, erlangte jedoch keinen effektiven Treffer. Seine Technik war atemberaubend, weswegen es umso erstaunlicher war, wie gut Jarod sich verteidigte. „Ich sehe, du bist bedeutend besser geworden.“, meinte er noch im Kampf und stoppte die Aktionen seines Gegners mit seinem Stab, ganz so als wollte er ihm Gelegenheit geben ihn darauf zu antworten. „Du mieser, dreckiger Bastard! Was anderes als den Tod hast du nicht verdient!“, antwortete er wütend und spuckte ihm verachtend vor die Füße. „Die beiden kennen sich scheinbar.“, meinte Kyren überrascht und deutete auf die beiden Kämpfenden. „Sollten wir nicht eingreifen?“, fragte Salina beunruhigt. „Nein!“, meinte Shane ehrfürchtig. Decans Mimik war hasserfüllt und verbittert zugleich, so dass man sich zu fragen begann was geschehen war das so viel Wut in den sonst so kühlen Gefährten aufsteigen konnte. „Wie lange habe ich darauf gewartet dich wieder zu sehen, Jarod … wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet … wie unermüdlich habe ich trainiert um dich besiegen zu können.“, sagte Decan zähneknirschend und fuhr seinen Angriff fort. Es war Jarod anzusehen das er Mühe hatte. Schon längst lag kein souveränes Grinsen in seinem Gesicht. Trotzdem gelang es ihm Decan Paroli zu bieten. Obwohl dieser gerade zu übermenschlich kämpfte, reichte ein einziger Gegenangriff des Harfners um ihn zu stoppen. Decans linkes Katana war dem Hals des Mönches schon sehr nah gekommen, aber seine zitternden Pupillen verrieten, dass ihn der Stab seines Gegners empfindlich am Torso getroffen hatte. Kurz darauf sackte Decan zusammen und begann schwer zu atmen. Jarod zog seinen Stab zurück und wirkte zufrieden mit dem Ausgang des Kampfes. Er kannte die menschliche Anatomie sehr genau und wusste welchen Nerv eher treffen musste um seinen Gegner außer Gefecht zu setzen. „Du wirst nie besser sein als ich, alter Freund. Nicht einmal wenn du jeden Tag trainierst – das weißt du doch.“, sagte der erblindete Harfner freundlich und hockte sich zu ihm auf gleiche Höhe. Decans Blick fixierte sich krampfhaft auf die stets freundlich wirkende Miene seines Gegners, aber es gelang ihm nicht sich noch einmal aufzurichten und weiter zu kämpfen. Sein Körper gehorchte ihm nicht, Krämpfe zerrten an ihm und so stark sein Wille auch war, er konnte nichts mehr tun. Seine Augen trübten sich und schon bald verschwamm das Abbild des Mönches, bis er schließlich ohnmächtig zu Boden ging. Er vernahm kaum noch das Salina seinen Namen rief. Salinas Ruf schallte immer wieder durch sein Bewusstsein, bis sich ihre Stimme in die eines kleinen Mädchens verformte. Bilder und Erinnerungen durchströmten sein inneres Auge und er fand sich bald auf einer kahlen verbrannten Ebene wieder in dessen Zentrum sich ein Opferaltar befand. Wie ein Geist weilte er dem Szenario bei, das sich um ihn herum abspielte. Noch immer hörte er wie jemand seinen Namen rief, doch nun war es die Stimme seiner kleinen Schwester, die gefesselt an einen Altar auf ihr unvermeidliches Schicksal wartete. Decans Augen weiteten sich, denn obwohl er wusste was passieren würde, konnte er es nicht verhindern. Es war eine Erinnerung, die er nicht mehr ändern konnte. Sein Blick wanderte zu der versammelten Menschenmasse, die sich im Hintergrund hielt. Zwischen ihnen kniete ein Junge am Boden, gefesselt und geknebelt, mit Tränen in den Augen, gehalten von einigen stärken Männern. Die Gemeinschaft verhielt sich bedächtig und wendete ihren Blick ab als ein Schatten über dem Opferaltar auftauchte. Ein riesiger Drachen ging dort nieder und beschnupperte das gefesselte Mädchen, die verzweifelt versuchte sich loszureißen. Der Drache wirkte zufrieden und öffnete sein Maul. Das Geschehen um Decans Geist zersplitterte wie Glas als das Ungetüm das hilflose Mädchen verspeiste. Wie gelähmt sah Decan auf die vor ihn liegenden Splitter während alles um ihn herum von Dunkelheit erfüllt wurde. Kraftlos ging er in die Knie und legte seine Finger auf einen der Splitter, der eine schönere Erinnerung zeigte, die er mit seiner Schwester erlebt hatte. Einen Moment später hörte er Schritte und obwohl er bereits wusste wer dort kommen würde, sah er auf. Eine helfende Hand streckte sich ihm entgegen, die ihm wieder aufhelfen wollte. Es war Jarod, der ihm freundlich entgegen lächelte. „Ich kann dir helfen dich von deinem Schmerz zu befreien.“, sagte er und sah ihm tief in die Augen. Die Augen des Harfners waren nicht durch einen Augenbinde verdeckt oder erblindet. Nicht Decans Geist selbst nahm seine Hand, es war die Hand seines früheren selbst, die Hand eines vierzehnjährigen Jungen, die aus ihm herausragte und den Jarod schließlich aus ihm herauszog. Wehmütig blickte der Gotteskrieger auf die beiden Gestalten, die sich langsam von ihm entfernten und schließlich in der Dunkelheit verschwanden. Einen Moment herrschte Stille, bevor die Stimme seines früheren Selbst hinter ihm ertönte. Als er sich umdrehte sah er ein etwas älteres Abbild von sich dort stehen, dessen Hände blutbefleckt waren. Die allgegenwärtige Dunkelheit deutete nur an wie viele Leichen dort um ihn lagen. Decan wusste das sein dortiges Abbild zwei Jahre gealtert war, denn auch dies war nicht mehr als eine Erinnerung aus seiner Vergangenheit. Der Körper seines Abbilds wirkte bereits gestählt und je ein Katana lag fest umschlossen in seinen Händen. „Ich hasse euch … ich hasse euch alle!“, sagte seine noch leicht kindlich wirkendes Ebenbild mit Tränen in den Augen. Abermals trat Jarod an ihn heran und legte tröstend seine Hand auf die Schulter des Jungen. „Sie wurden erpresst, Decan. Sie hatten keine Wahl. Entweder sie oder ihr wäret alle gerichtet worden. Deine Eltern haben sich diese Entscheidung bestimmt nie verziehen.“, sprach er zu ihm, was den Schmerz des Jungen aber nicht wirklich minderte. Er wusste dass der Drache ein unbeflecktes Mädchen verlangt hatte als Tribut das sein Dorf verschont bleiben würde, aber niemals würde er akzeptieren können, dass man sie gewählt hatte. Von diesem Tag an war er ein Verurteilter. Einzig Jarod stand zu ihm und wich nicht von seiner Seite. Wieder verschwand das Geschehen in der Dunkelheit, worauf er den Todesschrei eines Drachen vernahm. Die Zeit schien still zu stehen als er sich umdrehte und er sah wie sein damaliges Abbild den Drachen tötete, der seine Schwester auf dem Gewissen hatte. Ganz allein hatte er sich dem Monster gestellt und stand nun über und über mit Blut besudelt in den Eingeweiden des Ungetüms. Die Dunkelheit wich, ebenso wie das Bild das er eben noch gesehen hatte. Plötzlich fand er sich inmitten eines Ackers wieder, jener Acker, der ihn ständig in seinen Träumen heimsuchte. Um ihn herum standen Vogelscheuchen und wie er es erwartete begann es bald zu regnen. Statt Wasser tröpfelte Blut auf ihn hernieder, doch es war ihm egal. Kurz darauf gingen die Vogelscheuchen in Flammen auf und es schien so als ob der Blutregen ihre Flammen näherte. Am Horizont stand beständig der riesige Schatten eines Wesens das seine Seele auf ewig quälen sollte. Es war der Schatten eines Drachen und abermals trat ein Abbild Jarods von hinten an ihn heran. Eine Binde ging über sein rechtes Auge, doch er lächelte stets und bot ihm abermals die Hand an. Dieses Mal griff er selbst danach, doch kurz bevor sie sich berührten, merkte er dass die Hand des Harfners nicht länger frei war. Ein Dolch nahm den eben noch freien Platz dort ein, der immer greller zu leuchten begann. Kurz geblendet wendete er sich ab um schließlich zu realisieren dass die Dunkelheit wieder allgegenwärtig um ihn herum war. Er war nicht ganz allein, denn in einiger Entfernung links von ihm hörte er jemand zu Boden gehen. Er wusste was dort geschehen war und wagte dennoch seinen Blick in die Richtung schweifen zu lassen als sich eine Lache aus Blut zu ihm vorarbeitete. Es war sein eigenes Blut und er war es der mit einem Dolch im Rücken zu Boden gegangen war. Dieses Mal war die Gestalt hinter seinem erdolchten Ebenbild nicht in Schatten gehüllt, aber ihn war ohnehin bewusst gewesen wer dort stand. Jarod verharrte regungslos hinter ihm, den Kopf zum Boden gesenkt und sein gesundes Auge geschlossenen. Ohne Zweifel war er derjenige gewesen der ihn gemeuchelt hatte. Er schien noch etwas zu sagen, doch egal wie sehr er sich auch mühte, er verstand nicht was er sagte. Decan schloss seine Augen in der Hoffnung dass all das endlich ein Ende nehmen würde, bevor es sich wieder und wieder vor seinem inneren Auge abspielen würde. Schließlich erwachte er schreckhaft aus seinen Visionen und hörte wie Salina noch immer seinen Namen rief. Sie rüttelte an ihn und wirkte äußerst aufgewühlt, obwohl er nur langsam die Konturen ihres lieblichen Elfengesichts sah. Der lähmende Schmerz in Decans Brust ließ nur langsam nach, weswegen es einen Moment dauerte bis er auf die Rufe seiner Gefährten zu reagierte. „Decan? Alles in Ordnung?“, fragte die Waldläuferin und half ihm auf. „Ja … was … was ist passiert?“, fragte er noch leicht benommen. „Du hast gegen diesen seltsamen Mann gekämpft und bist ohnmächtig geworden.“, antwortete sie prompt. „Was war denn in dich gefahren?“, fragte Shane verwundert, doch er erhielt nicht die erhoffte Antwort. „Jarod – wo ist er?!“, wollte er wissen als er merkte das sein Gegner nicht mehr in der Nähe war. „Er ist gegangen, nachdem du dich nicht mehr gerührt hast …“, erklärte Shane, doch er kam kaum dazu seinen Satz zu vollenden. „Aus dem Weg – ich muss ihm nach!“, fauchte Decan und raffte sich auf. Seiner Körperhaltung nach zu urteilen war er noch immer angeschlagen, doch er wollte nicht auf die Worte seiner Gefährten hören. „Was hast du vor? Wie willst du ihn in diesem Labyrinth finden?“, fragte der Halbelf irritiert, während er Decan seine Schwerter nahm. Auf eine Antwort wartete er vergeblich, denn sein Gefährte war schon dabei in den Gang zu gehen aus dem Jarod gekommen war. Obwohl ihn niemand gesagt hatte wohin der Harfner gegangen war, wählte er instinktiv den richtigen Weg. Sie wussten nicht das Decan sogar der Geruch des Mannes ausreichte um ihn zu finden. Entschlossen, wenn gleich ein wenig schwankend, nahm er die Verfolgung auf. „Decan! So warte doch!“, rief ihm Salina besorgt nach, ihren Arm nach ihm ausgestreckt haltend, bevor auch sie schließlich resignierte. Baram rümpfte die Nase und wendete sich zu Kyren, die einen seltsam, leuchtenden Stein in den Händen hielt. „Ich würde vorschlagen wir vergessen diesen Dummkopf und begeben uns zum Portal.“, meinte er mit Blick auf den Stein in den Händen der Elfin. „Aber wir können ihn doch nicht so einfach …“, wollte Salina widersprechen, bevor ihr Shane das Wort nahm. „Vergiss es. Er würde ja doch nicht auf uns hören.“, sagte er leicht in sich hineinschmunzelnd. „Keine Sorge – der kommt schon klar.“, ergänzte er gelassen und fixierte seinen Blick nun ebenfalls auf den Stein in Kyrens Händen. Er hätte Decan eigentlich noch sagen wollen, das Jarod ihnen dieses Geschenk gegeben als er erfahren hatte, wonach sie suchten. „Und – was sagst du, Mädchen?“, drängte Baram, der darauf hoffte dass die Magierin die Funktion und Handhabung des Steins bereits entschlüsselt hatte. „Ich würde sagen, der Stein leuchtet heller, wenn wir auf den richtigen Weg sind. Er hat einen sehr einfachen Zauber eingeprägt.“, erwiderte sie, während sie den aufstrahlenden Stein in eine bestimmte Richtung hielt. „Fragt sich nur ob er uns wirklich helfen will oder ob es eine Falle ist.“, grübelte Shane, sich am Kinn reibend. Er wusste schon bei der ersten Begegnung mit dem erblindeten Harfner nicht was er von ihm halten sollte, aber ein Gefühl sagte ihm, das er nichts Böses wollte. Gedankenversunken starrte Salina ins Dunkel, zum Weg den Decan eingeschlagen hatte. „Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl er hat das für Decan getan.“, dachte sie laut vor sich hin. Obwohl Decan nicht viel sehen konnte, schritt er hektisch voran, gerade so als würde er verfolgt. Der Weg, den er gewählt hatte, wies nur wenig Wandbeleuchtung auf. Trotzdem zögerte er auch an kritischen Stellen nicht, weiter zu gehen. Bald schon sollte es ihm zum Verhängnis werden als der Boden plötzlich unter ihm wegbrach. Er fiel tief, landete aber in einem ausreichend tiefen Wassergraben. Trotzdem war der Sturz nicht ganz ohne Blessuren an ihn vorüber gegangen. Nur Mühsam gelang es ihm wieder zur Wasseroberfläche aufzutauchen. Dieser Rückschlag hielt ihn jedoch nicht lange im Wasser. Wie besessen kletterte er das riffige Loch hinauf, in das er gefallen war und setzte seinen Weg fort. Er war fest entschlossen Jarod zu stellen, selbst wenn es ihm ein weiteres Mal das Leben kosten würde … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)