Nacht der Drachen von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2 - Lólindir Arcamenel ------------------------------ Lólindir Arcamenel Sanfte Flügelschläge waren in der Dunkelheit zu hören. Neville versuchte, die Robe enger um seinen Körper zu wickeln, um sich vor der eisigen Kälte, die in diesen Höhen herrschte, zu schützen. Lólindir, der hinter ihm saß, bemerkte sein Zittern und schlang seinen Umhang um Neville. "Danke", schrie Neville, doch mehr als ein Raunen konnte Lólindir nicht hören. Die rauen Winde in diesen Höhen ließen kaum ein Gespräch zu. Immer noch fasziniert und ehrfurchtsvoll betrachtete Neville das Tier, auf dem er mit seinem Begleiter durch die Nacht flog. Dunkelgrüne Schuppen waren mit feinen silbernen Streifen durchzogen. Spitze Zacken wanden sich vom Sattel bis hin zum schlangenähnlichen Kopf den Hals hinauf. Große, gelbe Augen blickten nach vorn. Seine Nüstern waren geöffnet, um die eisige Luft zu erwärmen, ehe sie die Lungen erreichte. Das Maul war fest verschlossen. Riesige, lederne Flügel mit einer Spannweite von mehr als zehn Metern ließen sie gleiten, kräftige Schläge katapultierten sie immer wieder nach oben. Neville konnte es immer noch nicht glauben, dass er auf einem Drachen durch die Nacht ritt. Langsam verlor der Drache an Höhe und unter sich konnte Neville die Ruinen des Schlosses erkennen, das einst Hogwarts gewesen war. Von der einstigen Pracht war nicht mehr viel zu erkennen. Immer tiefer glitt der Drache und nahm Kurs auf den Verbotenen Wald. Auf einer großen Lichtung unweit einer Hütte landete er schließlich. Der Drache ging in die Hocke, ließ sich langsam nieder und Lólindir sprang hinunter. Neville hatte allerdings sehr viel mehr zu kämpfen um den Boden zu erreichen. Ängstlich hielt er sich am Sattel fest und rutschte über die Schuppen des rechten Vorderlaufs herunter. "Das wird deine Kleidung aber nicht lange mitmachen", meinte Lólindir schmunzelnd. Auch er hatte einst lernen müssen, wie schnell die Hosen rissen, wenn man ohne entsprechende Schutzkleidung ritt Neville strich seine Robe verlegen zurecht. "Wartest du hier? Ich muss erst mit ihr reden." Lólindir nickte verstehend und band eine Satteltasche ab, während Neville durch das Unterholz davon schlich. 'Amdir, du kannst fischen gehen. Ich denke, du hast den See gesehen', sprach er im Geiste mit seinem Gefährten. Ein Schnaufen war die Antwort. 'Ich kenne diesen Wald und seine Gefahren. Hier, so nah am Schloss, wird mir nichts passieren. Nun mach schon los. Ich hör' doch, wie leer dein Magen ist', fügte er noch hinzu und strich liebevoll über den Hals des Drachen. 'Dann denk du auch an eine Mahlzeit für dich', erwiderte Amdir und erhob sich. Die dunklen Wolken waren nicht mehr zu sehen und das Sommergewitter war weiter Richtung Norden gezogen. Die Frische der Nacht belebte den Wald. Lólindir fühlte die rege Geschäftigkeit in jedem Winkel der Lichtung. Zielsicher ging er auf ein Gebüsch zu, erntete die süßen Beeren des Waldes, sammelte trockenes Unterholz und ließ sich am Rand der Lichtung nieder. Mit wenigen Handgriffen hatte er ein kleines Feuer entfacht, fütterte es nur mäßig und holte aus der Tasche eine einfache Schüssel und Getreide. Mit einem Mörser zerstieß er Körner und Früchte zu einem Brei. Schon seit dem Morgen hatte er nichts mehr gegessen. Vorsichtig öffnete Neville die schwere Eichentür. Sein Blick fiel auf eine aufgebrachte Ginny, deren Wangen leicht gerötet waren. Kingsley stand ihr gegenüber und wollte eben anfangen zu sprechen, als die gesamte Aufmerksamkeit der Versammlung sich Neville zu wandte. Schockiert starrten sie ihn an, denn sie hatten von seiner Flucht noch nichts mitbekommen. Minerva McGonegall hatte sich als erste wieder gefasst. "Neville, wie..." Sie konnte vor Überraschung kaum die richtigen Worte finden. Dieser junge Mann war doch auf Askaban gefangen. Und sie hatten eben erst die Nachricht erhalten, dass Voldemort seine Männer heute von dieser Insel abgezogen hatte. Warum, dass wussten sie nicht, aber dass Neville jetzt schon hier sein konnte, grenzte an ein Wunder. Appariert war er nicht. Dies war in der heutigen Zeit eine der größten Dummheiten, die man begehen konnte. Nichts erleichterte es Voldemort mehr, als wenn sich eine magische Signatur von einem Ort zu einem anderen transferierte. Sie wussten bis heute noch nicht, wie sich Voldemort diesen Zauber zu Nutze machte, aber nachdem sie mehrere Widerstandskämpfer und Unterschlüpfe verloren hatten, bewegten sie sich nach Muggelart fort. "Minerva, kann ich Dich sprechen?", fragte Neville etwas außer Atem. "Unter vier Augen", fügte er hinzu, als er ihren fragenden Blick bemerkte. "Natürlich", sagte sie und wandte sich an die Versammlung "Machen wir eine Pause." Die Anwesenden verließen daraufhin den Raum. Kingsley allerdings blieb noch kurz im Türrahmen stehen und sah Minerva fragend an. Ein flüchtiges Nicken war ihm Antwort genug und er ließ sich auf dem Stuhl im Flur nieder, nachdem er die Eichentür zugezogen hatte. "Nun, was gibt es, dass Sie es nicht allen mitteilen können? Wie sind Sie überhaupt so schnell hier her gekommen?", fragte sie mit Beherrschung. Sie konnte sich nur vorstellen, dass er appariert war und somit alle in größte Gefahr gebracht hatte. "Professor, Sie können beruhigt sein. Ich bin auf keinem magischen Weg hergekommen", begann er seinen Bericht. "Was haben Sie bisher über Askaban gehört?" "Dass Voldemort es aufgegeben hat. Warum?" Sie zog fragend eine Augenbraue nach oben und kraulte abwesend ihren Kater hinter den Ohren, er hatte es sich auf ihrem Schoss bequem gemacht. "Das stimmt nicht ganz. Es war mehr eine Flucht", fuhr Neville zögerlich fort. "Flucht? Wie, vor was würden die Todesser fliehen?", fragte sie irritiert. "Nicht, vor was, Professor, sondern vor wem. Ich habe nur noch mitbekommen, wie die Todesser sich plötzlich um Harry gescharrt haben und mit ihm verschwanden. Keine Sekunde später stand auch schon ein junger Mann vor der Zellentür. Wie es schien hatte er versucht, Harry zu befreien. Und er faselte irgendetwas von sterben und gebraucht werden." "Und warum konntest Du uns das nicht bei der Versammlung erzählen? Warum unter vier Augen?" "Weil..." Neville druckste herum. "Weil er mich hierher gebracht hat." McGonagall sah ihn verwirrt an. Er holte tief Luft. "Was weißt Du über Drachen und deren Reiter?" "Es gibt eine Legende, dass es in den dunkelsten Zeiten zwei Drachen geben wird, die wieder Hoffnung..." Sie starrte ihn fassungslos an. "Wie?“, unterbrach sie ihn. „Das kannst Du nicht meinen!" "Doch, ein Drachenreiter hat mich mit seinem Drachen hergebracht. Und er würde gerne mit Dir reden." "Wo ist er?" Sie schritt mehrmals durch den Raum. "Auf der Lichtung nahe Hagrids alter Hütte." Einer Statue ähnlich saß er auf einem Baumstumpf am Rande der Lichtung. In sanften Wellen fielen die Haare über seine Schultern den Rücken hinunter. Nur der Griff des Schwertes, der zwischen den einzelnen Strähnen herausragte, deutete darauf hin, keinen Engel vor sich zu haben. Mit der Schnelligkeit eines Leoparden stand er auf und begrüßte die Neuankömmlinge. "Lólindir Arcamenel, Professor", stellte er sich vor und verbeugte sich vor Professor McGonagall. So irritiert wie sie war, schaffte es Minerva nicht, die Begrüßung zu erwidern. Der Kater schlich ihr um die Beine und ging gemächlich auf Lólindir zu. "Guten Abend, Solembum", begrüßte er auch den Kater, der sich an seine Beine schmiegte und nahm ihn auf den Arm. "Hier treibst du dich also immer rum." "Guten Abend, Herr Arcamenel", erwiderte Professor McGonagall endlich, als sie sich aus ihrer Erstarrung löste und betrachtete den Kater. "Sie kennen ihn? Er ist Fremden sonst sehr misstrauisch gegenüber." Erstaunt über das Verhalten des Katers betrachtete sie den jungen Mann genauer. Solembum war Harrys Haustier. Wenige Wochen nach dem offenen Ausbruch des Krieges war er ihm zugelaufen. Jeder war dem Tier misstrauisch gegenüber. Doch warum gerade Harry diesem Wesen mit den glühend roten Augen sein Vertrauen geschenkt hatte, war allen ein Rätsel geblieben. Oft hatte sie Harry mit ihm im Sessel vor dem Kamin im Grimmauld Place vorgefunden. Es schien, als ob sie miteinander redeten, aber kein Ton war zu hören gewesen. Nach Harrys Gefangennahme blieb der Kater dem Widerstand treu. Seltsamerweise war er bei fast jeder Versammlung anwesend, auch wenn er tagelang nicht bei Ginny war, die sich seitdem um ihn kümmerte. Schon oft hatte sein Verhalten Ginny oder andere davon abgehalten, den falschen Menschen zu vertrauen. Er schien zu spüren, ob es sich um einen Spion Voldemorts handelte oder nicht. Meist fing es mit unbedeutenden Gesten an. Nie kam er der Person nahe. Immer wieder versuchte er dann, die Aufmerksamkeit von Minerva oder einem anderen Widerstandskämpfer auf sich zu ziehen. Und wenn all dies nichts half, fing er an, zu knurren und zu fauchen. Lólindir schmunzelte. "Er hat ein Gefühl dafür, wer böse Absichten hat", sagte er und nahm den Kater auf den Arm. "Nun weiß ich, wieso sich Brom nie Sorgen um dich gemacht hat." 'Aber erzählen hättest du es mir ruhig auch können', fügte er in Gedanken hinzu. Der Kater sah ihn an, als ob er diesen Satz sehr wohl vernommen hatte, und es schien sich ein freches Lächeln auf dem sonst so kantigen Gesicht abzuzeichnen. "Warum wollten Sie mich sprechen?", nahm Minerva das Gespräch wieder auf. "Wir beide haben das gleiche Ziel. Sie und ich wollen den gleichen Gefangen befreien", antwortete er und sah ihr dabei fest in die Augen. 'Harry Potter', vernahm er in seinen Gedanken. Einem guten Beobachter entging die kurze Verwirrung in seinen Augen nicht, als er den Blick auf Solembum richtete. 'Hätte ich mir ja denken können', war seine Antwort. "Sie kommen durch Ihre Organisation schneller an die Information, wo er sich befindet und ich kann Ihnen helfen, ihn zu befreien", schlug er ihr vor. "Warum wollen Sie das tun? Sie gehören weder dem Widerstand noch den Todessern an. Vielleicht wären Sie so freundlich, Ihre Gründe zu erläutern?", fragte sie ihn. Nachdenklich strich er durch das üppige Fell Solembums. 'Kann ich ihr trauen?', schickte er seine Gedanken zu seinem Drachen. 'Wem sonst, wenn nicht ihr?', hörte er Amdirs Stimme in seinem Kopf. 'Und Solembum würde sonst auch nicht hier verweilen.' "Dieser Ort ist für solche Geschichten nicht geeignet. Selbst wenn Ihre Begleiter die Lichtung absichern, so gibt es immer Möglichkeiten, Informationen aus diesem Gespräch an die falschen Personen weiterzuleiten." Verunsichert schaute sich Minerva auf der Lichtung um. Nichts deutete darauf hin, dass sich zu ihrer Absicherung Kingsley und Remus im Unterholz aufhielten. "Gut, gehen Sie voraus", sagte sie schließlich und wies in die entgegengesetzte Richtung aus der sie gekommen war. "An wen erinnern Sie mich nur?", fragte sie mehr sich selbst, als ihr Gegenüber und schüttelte den Kopf. Nein, das konnte eigentlich nicht sein. Er wurde schon seit Jahren für tot gehalten. Aber diese Augen und das Gesicht. Vieles deutete auf einen ihrer ehemaligen Schüler hin. Schon nach wenigen Schritten schlossen sich ihnen Remus Lupin und Kingsley Shacklebolt an. Beide musterten den jungen Mann aufmerksam. Remus schüttelte fast unmerklich den Kopf. Er wusste, dass er ihn irgendwoher kannte. Sein Geruch war ihm so vertraut, aber sollte es wirklich möglich sein, dass sich ein Mensch so sehr veränderte? Solembum führte die kleine Gruppe zielsicher durch den Wald. Nein, er war kein gewöhnlicher Kater. Seine übergroßen Pfoten und die gekrümmten Reißzähne, die deutlich aus dem Maul ragten, deuteten auf sein wahres Wesen hin. Solembum war eine Werkatze. Obwohl sie mehrere Jahrhunderte alt werden konnten, existierten nur noch wenige von ihnen. Und er war auch nicht mehr der Jüngste. Wissend berührte Solembum mit der Pfote eine Wurzel unterhalb der großen Weide und verschwand in einem Erdloch. Lólindir und die Widerstandskämpfer folgten ihm wortlos. Nachdem die Eichentür ins Schloss gefallen war, ging Remus zielstrebig auf Lólindir zu. Einige Strähnen fielen dem jungen Mann ins Gesicht, das mit feinen Narben durchzogen war. Eine Sanftheit lag in seiner Ausstrahlung, wie man sie nur selten sah. Aber auch Entschlossenheit. "Was ist in den letzten vier Jahren mit dir geschehen?", fragte er. Er musste Gewissheit haben und täuschte sich fast nie. Er würde jeden Menschen immer und überall wiedererkennen. Durch den Werwolf in ihm war es ihm mehr oder weniger vergönnt, Menschen an ihrem Geruch zu erkennen und diesen jahrelang speichern zu können. Was hatte dieser junge Mensch alles erlebt, dass er sich so verändert hatte. Nicht nur die Haare waren anders frisiert, auch das Gesicht, gegerbt vom Wetter. Die Hände kräftig und machtvoll. Die Kleidung nicht mehr vornehm und aristokratisch, sondern abgenutzt, aber dennoch in gutem Zustand. Minerva sah ihn verwundert an. Woher kannte Remus den Neuankömmling? Lólindir nickte. "Es hätte mich auch verwundert, wenn Sie mich nicht wiedererkannt hätten", erwiderte er und reichte Remus die Hand. "Was geschehen ist, ist eine lange Geschichte." "Wer sind Sie?", konnte nun auch Minerva ihre Neugier nicht länger zurückhalten. "Sie kennen mich unter dem Namen Draco Malfoy." "Wie das? Wir dachten, dass kein Malfoy mehr lebt", mischte sich nun auch Kingsley, der letzte Anwesende, in das Gespräch ein. Draco schüttelte den Kopf. Trauer spiegelte sich in seinen Augen wieder. "Nein, aber Voldemort soll ruhig in dem Glauben bleiben", sagte er und wandte sich Minerva zu. "Ich denke, Sie kennen nun meine Beweggründe." "Nein, ich glaube kaum, dass Sie aus Rache handeln. Das würde zu dem Draco Malfoy passen, den ich kannte. Aber zu Ihnen passt dies nicht. Ebenso, dass Sie einen Gefangenen befreit haben ohne eine Gegenleistung. Wenn ich auch nicht die Veränderung verstehe, so sehe ich Sie doch. Und Neville wies mich noch auf etwas anderes hin", stellte Minerva fest. "Was sind Sie? Stimmen die Legenden und warum wollen Sie wirklich Harry Potter befreien?" 'Vertraue ihnen', redete Solembum im Geiste auf ihn ein. Draco schaute durch die Bretter, mit denen das Fenster vernagelt war. "Ich denke, ich sollte Ihnen erzählen, was in den letzten vier Jahren passiert ist." *** Mühsam versuchte er, wenige Tropfen Wasser zu schlucken. Doch dies war sehr anstrengend, hatte er doch schon mehrere Tage ohne das lebensnotwendige Elixier ausharren müssen. Doch schon als die Flüssigkeit seine Kehle erreichte, musste er husten. Sorgsam untersuchte ihn der Mann, der ihn stützte, und murmelte wenige Worte. Sofort ließ der Schmerz in seinem Rachen nach. Erneut berührte der Becher seine Lippen und er konnte ein wenig des kühlen Nass trinken. "Wie hältst du das nur aus?", fragte der Helfende. Wider Erwarten öffneten sich die verquollenen Lider. Grüne Augen sahen ihn verwundert an. Erneut versuchte er zu sprechen. "Sch, du brauchst nichts sagen. Schone dich. Ich kann dir nur ein wenig Linderung verschaffen. Er darf nicht merken, dass dir geholfen wurde." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)