Herbstzeit - Laubzeit von abranka ================================================================================ Kapitel 1: Herbstzeit - Laubzeit -------------------------------- Damian saß auf der Couch vor dem großen Panoramafenster seiner Wohnung. Er starrte hinaus auf den Stadtpark. Die ersten Blätter der großen Kastanien färbten sich langsam gelb. Auch die Birken leuchteten schon hell und farbenfroh in der Herbstsonne, während die Buchen und Eichen langsam nachzogen. Zufrieden gönnte sich Damian eine der guten ‚Höllisch Zigarren’. „Ja, Herbstzeit...“ Er lächelte. Dabei blitzen seine spitzen Zähne kurz im Sonnenlicht auf. Damian war ein Dämon zweiter Stufe. Das bedeutete, dass er seine Kindheit (Stufe Eins) bereits hinter sich gelassen hatte und gerade dabei war, sich seine Sporen durch Aufträge auf der Erde zu verdienen. Sein Job war dabei eigentlich recht einfach: Der Hölle so viele Seelen zuzuführen, wie es nur möglich war. Wenn er Ende des Jahres zum Mitarbeiter 2004 gewählt werden würde, dann stieg er auf – zu einem Dämon dritter Stufe. Dieser Aufstieg war mit neuen Kräften und Privilegien wie z.B. einer Jahresfreikarte für den „1000 Qualen“-Freizeitpark sowie einer besseren Bezahlung verbunden. Man sah Damian nicht an, dass er ein Dämon war. Er wirkte wie ein junger, menschlicher Mann. Er hatte schulterlange schwarze Haare, trug gerne rote Kleidung und besaß rotbraune Augen. Nichts, was irgendwie auffällig war. Und doch... Er war ein Dämon. Wenn er wollte konnte er jederzeit seine eigentliche, dämonische Gestalt annehmen. Die menschliche Hülle, die er jetzt trug, war nichts weiter als Tarnung. Die Hölle hatte die gravierenden Folgen der Inquisition schließlich noch nicht vergessen... Auch wenn die Menschen die meiste Zeit über allein andere Menschen gefoltert, verbrannt und ertränkt hatten, waren doch auch einige echte Dämonen darunter gewesen. Und – wie hätte es anders sein können? – ausgerechnet der Sohn des Höllenfürsten Diablo war umgebracht worden... Seither hatte die Hölle eine eher schwachen Zufuhr an Seelen, denn besagter Sohn war der wichtigste Seelenbeschaffer gewesen. Damian zog nachdenklich an seiner Zigarre. Aber nicht mehr lange und ich nehme seine Stelle ein... Er grinste diabolisch und stieß langsam den Rauch aus. Graue Teufelsfratzen bildeten sich und vergingen wieder. Diesen Herbst, werde ich die ultimative, dämonische Teufelei ausleben... Er lachte so, wie er es in den Kinofilmen gelernt hatte: abgrundtief böse und ein wenig verrückt. Auch wenn die Menschen keine Ahnung von der wahren Hölle hatten, so musste man ihnen doch zugestehen, dass sie in Sachen Bosheit und Grausamkeit unglaublich erfinderisch waren. Der Grund, weswegen Damian so gerne ins Kino ging, denn etwas Inspiration konnte selbst einem Dämon nie schaden... Die Seelen, die die Hölle brauchte, stellten die Energie dar, mit denen die riesigen Hochöfen, die Folteranlagen, die Städte, die Vergnügungsparks und alles andere betrieben wurden. Man hätte denken sollen, dass allein die Seele des amerikanischen Präsidenten ausreichte, um die Hölle einige Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte zu betreiben, aber das war nicht so. Die Hölle brauchte mehr Energie. Ungleich viel mehr. Damian starrte weiter hinaus auf den Stadtpark und bettelte gedanklich darum, dass sich das Laub doch ein wenig mit dem Runterfallen von den Bäumen beeilen könnte. Es fehlte nicht mehr viel... Der Nebel und die feuchte Luft waren schon erstklassig – allein die Blätter ließen noch auf sich warten. Der junge Dämon wusste, dass er gute Karten für die Auszeichnung am Ende des Jahres hatte. Durch die neue Umgehungsstraße, die im Frühjahr vollendet worden war, führte er der Hölle täglich 1.000 kleine Seelensplitter zu. Die Seelensplitter von all den Menschen, die unter der Woche jeden Tag zweimal im Stau standen, weil Damian die Umgehungsstraße um zwei Meter nach Osten verrückt hatte, sodass der Verkehr nicht so fließen konnte, wie es die Planer ursprünglich vorgesehen hatten. Damian war immer noch stolz auf diese Aktion. Diese täglichen Seelensplitter nannte er in Anlehnung an eine der menschlichen Errungenschaften ‚Kraftwerk’, da sie zuverlässig und beständig Energie für die Hölle lieferten. Damian schüttelte den Kopf, während er an seine Kollegen dachten, die immer noch glaubten, dass die Hölle ganze Seelen brauchte. Diese Splitter waren viel praktischer... Er musste weniger Aufwand betreiben, sich nicht um einzelne Personen kümmern und letztlich bekam die Hölle viel mehr Energie... Ein Haufen Splitter von rund 2.000 Personen, das hatte er ausgerechnet, entsprach ungefähr den Seelen von 100 guten Christen... Und wo fand man heutzutage schon noch die reinen Seelen von gläubigen, kirchengehenden, sündenfreien Christen? Damian schüttelte erneut den Kopf. Seine Methode war einfach die beste – und die erfolgreichste... Aus den Briefen seiner Mutter wusste er, dass der Höllenfürst von seiner Leistung sehr angetan war, auch wenn der alte Teufel nicht ganz verstand, was Damian eigentlich tat. Da jedoch für Diablo allein das Resultat entscheidend war und ihm die Methoden „am Arsch vorbeigingen“, wie er so schön zu sagen pflegte, brauchte sich Damian keinerlei Gedanken zu machen. „Es fällt!“ Ein gelbes, kleines Blatt, das von einer Birke segelte, fesselte Damians Aufmerksamkeit. „Es fällt!“ Er sprang auf und begann auf seiner Couch herumzuhopsen. Seine Vorbereitungen würden sich gelohnt haben. Führenden Köpfen Arroganz, Ignoranz und Sturheit einzuflüstern war seine Spezialität... Und an technischen Geräten spielte er auch unglaublich gern und erfolgreich herum. Ja, alles war schon lange perfekt vorbereitet... „Es fähällt!“ sang er und lachte diabolisch. Er stellte sich vor, wie überall im Land die Blätter zu fallen begannen – und sich langsam auf die Schienen legten, um den Bahnverkehr zu blockieren. Ja, bald war es so weit... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)