Eikyû - gesegnetes Land von Alaiya (Die Legende der schlafenden Götter) ================================================================================ Kapitel 30: Die Schlacht um Tengaio ----------------------------------- So, hier sind wir nun beim vorletzten Kapitel und ich habe wieder ewig gebraucht um es zu schreiben. Tut mir leid, ich hoffe, dass letzte geht, wie auch der Epilog, schneller. Wobei ich zumindest beim Epilog voller guter Dinge bin, da ich ihn schon nahezu wortwörtlich im Kopf habe. Wie dem auch sei, dass letzte Kapitel und wieder viel Kampf. Etwas wirr das ganze, ich hoffe es gefällt trotzdem :D Freue mich wie immer über Feedback. Viel Spaß! __________________________________________________________________ Kapitel 29: Die Schlacht um Tengaio „Hier sind wir“, stellte Tsuki fest, als sie schließlich das Eis verließen und auf den raureifüberzogenen Boden traten. Ryuujin hinter ihr erwiderte nichts, die Hand noch immer am Knauf Tsumes. Er erinnerte sich an die Worte der Füchsin über ihren vermeidlichen Feind und die Erinnerung an den kurzen Kampf gegen die Inugami war noch frisch. Die Hundegeister waren keine starken Gegner gewesen, aber selbst ihm war klar, dass diese nur zur Warnung und Abschreckung dienen sollten. Sie wussten, dass sie hier waren und einmal mehr dachte er daran, wie wahnwitzig es war hier zu sein, zu zweit, während sie nicht wussten, wie viele Oni auf sie warteten. In Gedanken versunken bemerkte er erst nach einem Moment, dass Tsuki ihn beobachtete. Er erwiderte ihren Blick, ehe sie sich umdrehte und wortlos weiterging. O folgte er ihr durch die trostlose Umgebung. Hier gab es keine Pflanzen, stellte er fest; jedenfalls keine, die nicht seit mindestens einem Jahr abgestorben und nun nur noch ein Skelett waren. Der Untergrund war felsig und stieg beständig an, während der Nebel noch so dicht war, dass man kaum weiter, als zehn Schritt sehen konnte. Alles schien so unwirklich, wie in einem Traum. Für einen Moment fielen ihm die seltsamen Träume ein, die ihn schon seit Monaten plagten und deren Bedeutung er noch immer nicht verstand, doch dann wandte er sich wieder der Realität zu. „Komisch“, flüsterte er, da ihn die Stille beklommen gemacht hatte. „Was?“, erwiderte die Fuchsfrau einsilbig, aber ebenfalls leise. „Wieso greifen sie uns nicht an?“ antwortete er. „Sie wissen, dass wir hier sind. Worauf warten sie?“ Seit den Inugami war ihm klar, dass sie in eine Falle liefen und jeder Schritt, den er tat, ohne dass etwas passierte, machte ihn nervöser. Tsuki warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Viele von ihnen sind nicht hier.“ Sie schwieg kurz und sah wieder nach Vorne, ehe sie fortfuhr: „Sie sind auf dem Weg zum Festland. Sie greifen die Menschen an.“ „Aber wieso sind wir dann hier?“, erwiderte der Krieger mit unschlüssiger Miene. Während sie sich wortlos an einem Felsen hochzog, wurde ihm einmal mehr bewusst, dass es ihm unmöglich zu sein schien, das Mädchen zu verstehen. Schließlich blieb sie stehen und sah ihn kurz mit einem – wie ihm schien – zweifelnden Blick an. Schließlich erwiderte sie: „Weil sie auf uns warten.“ Damit wandte sie sich ab. „Und weil es erst vorbei ist, wenn Yamata no Orochi aufgibt oder stirbt.“ So ging sie zügigen Schrittes weiter, signalisierend, dass sie darüber nicht weiter reden wollte. Je weiter die Nacht voranschritt, desto beißender wurde die Kälte. Und je kälter es wurde, desto weiter sank der Mut der ohnehin viel zu wenigen Soldaten. Nebelschwaden zogen über die vereiste Meeresoberfläche hinweg. Die nächtliche Dunkelheit wurde nur vom kalten Mond und den Fackeln, die um das Lager herum aufgestellt worden waren, erhellt. „Sie sind dort draußen“, flüsterte Yuki. „Sie warten.“ Ihr Bruder sah zu ihr. „Worauf?“ Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Tsurai no Chiki, der junge Herrscher des Landes, trat an sie heran. „Es ist Wahnsinn…“ „Aber die einzige Möglichkeit“, erwiderte Fukuro. „Zum Fliehen ist es mittlerweile zu spät.“ Sie schwiegen wieder, während sich die wenigen hundert Soldaten unbewusst in die Nähe der Fackeln drängten. Nur wenige standen aufrecht und scheinbar furchtlos, doch auch sie ließen den Blick nicht vom Meer. Eine weitere Nebelschwade kam auf sie zu, dichter als die anderen. Beinahe wie eine weiße, verformbare Wand. Yuki verengte die Augen. „Sie greifen an.“ Daraufhin wandte Fukuro sich dem neben ihm stehenden Herrscher zu. „Die Bogenschützen“, sagte er kurz angebunden, auch wenn er daran zweifelte, dass normale Waffen viel ausrichten konnten. Im Nahkampf waren sie den im Nebel lauernden Wesen nur noch ausgelieferter. Tsurai no Chiki nickte und trat aus dem Zelt heraus. Er musste nicht einmal reden. Es genügten einige Handzeichen und die Männer waren mit gespannten Bögen auf Position. Die Armee war trainiert – ohne Frage – doch sie wussten aus der vergangenen Nacht, dass diese Gegner andere waren als Straßenräuber, Barbaren oder die Armee von Yamanôi. So konnte auch alle Erfahrung und jedes Training nicht verhindern, dass einige Hände zitterten. Das taten sie wahrscheinlich auch zu Recht. Dann surrte ein Pfeil, noch bevor es einen weiteren Befehl gegeben hatte, durch die Luft und verschwand in der milchigen Wand, die nur noch einige Schritt weit vom steinigen und felsigen Ufer entfernt war. Einige Blickte sahen zu dem jungen Mann, von dem der Pfeil stammte: Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Ausdruckslosigkeit und Schreck. Im nächsten Moment wurde er plötzlich zu Boden gezogen und von scheinbar unsichtbarer Hand in den Nebel gezerrt. Aufgeregte Schreie einiger Männer hallten über die Küste hinweg – dann verschwanden zwei weitere im Nebel. „Feuer!“, befahl Chiki etwas zu hastig, woraufhin weitere Pfeile ungelenkt in die Nebelwand hinein sausten, ohne dass erkenntlich war, ob sie überhaupt irgendetwas trafen. Während die zweite Salve abgefeuert worden war, war Fukuro auf einen der Felsen geklettert, um von dort aus einen besseren Überblick zu bekommen. Ein weiterer Mann fiel zu Boden, doch bevor er weggezerrt werden konnte, erklang ein schriller Schrei aus dem Nebel heraus. Ein Kunai hatte das getroffen, was den Mann am Bein gepackt hatte und auf den ersten Blick aussah wie eine schwarze Schlange. „Furikuchi Onna“, flüsterte Fukuro, während die Männer voller Furcht feststellten, dass es sich bei der vermeidlichen zuckenden Schlange um eine Haarsträhne handelte, welche einen Moment später plötzlich wieder im Nebel verschwand. Es wurde wieder ruhig. Nur einen Augenblick später wehte ein heftiger Wind über die Männer hinweg und auf das Eis hinaus, wo der Nebel Stück für Stück vertrieben wurde. Einige Soldaten fuhren erschrocken herum, sahen zur in der Luft schwebenden Yuki-Onna, deren Magie den Nebel vertrieben hatte, nicht sicher, ob sie ihr dankbar sein sollten oder sie besser fürchteten. Doch zu fürchten gab es ohnehin schon genug. Riesige Wesen, scheinbar schwarze Kolosse, ragten vom Eis in den Himmel hinauf, während sich einige Männer und Frauen in dünnen Gewändern und mit Fuchs-, Katzen- oder Madermasken, die das Gesicht verdeckten, nicht weit vom Ufer entfernt sammelten. Aufrecht gehende Hundewesen – Inugami – waren ebenso zu sehen, wie einige Tengu und andere Wesen, die auf vier Beinen liefen und teils Affen, teils Katzenartige Gesichter hatten. Zwischen ihnen auch einige riesige Katzen mit zwei Schwänzen, während andere Gestalten kaum einen festen Körper und noch weniger ein Gesicht zu haben schienen. Und auch Oni waren unter ihnen, sicherlich zwölf oder dreizehn, wenngleich keiner von so großer und kräftiger Gestalt wie Raiu Akki. Für einen Moment war es ruhig. Keine Bewegung. Keine Stimmen. Ganz so, als hätte jemand die Zeit angehalten. Dann war es Shen, der von den Menschen als erster die Beherrschung wiedergewann. „Die Pfeile“, rief er. „Feuer!“ In dem Moment wurden sich die Soldaten wieder der Waffen in ihren Händen bewusst. Während die ersten Pfeile durch die Luft surrten, sprang Shen auf Shiyun und flog auf ihr bis kurz hinter die vorderen Bogenschützen. In der Zeit hatte sich nun auch der Fürst wieder gefangen. „Haltet eure Waffen bereit“, befahl er den anderen Soldaten. „Und lasst euch nicht täuschen“, fügte Fukuro hinzu und sprang on dem Felsen herunter. „Geister sind Meister der Illusion.“ Immer weiter folgte Ryuujin der Füchsin, während der Pfad, auf dem sie liefen immer steiler anstieg. Dann, plötzlich, blieb Tsuki stehen und fuhr herum, was der Krieger ihr mit gezogenem Schwert nachtat. Der Boden unter ihren Füßen begann zu beben und wie aus dem Nichts schossen faustgroße Steine auf sie zu. „Was ist das?“, fragte Ryuujin und sah sich um. Recht unnütz, da der Nebel zwar lichter geworden war, ihm aber immer noch die weite Sicht versperrte. Das schien so jedoch nicht für die Fuchsfrau an seiner Seite zu gelten. „Magie“, flüsterte sie und ihre Augen leuchteten auf. Plötzlich ertöte ein erstickter Schrei aus dem Nebel heraus und der ehemalige Söldner meinte einen blauen Schimmer erkennen zu können. Einen Moment später humpelte eine gebückte Gestalt auf sie zu. Als das Wesen näher kam erkannte der Krieger, dass es ein Oni war, jedoch wesentlich älter, kleiner und gebrechlicher wirkend, als Raiu Akki oder der wasserkontrollierende Oni, gegen den er im Wald vor Tenkyou gekämpft hatte. Doch das Horn auf seiner Stirn und die bräunlichgrüne Haut zeigten eindeutig, dass es sich bei diesem Zwerg um einen Oni handelte. „Füchsin“, zischelte er und sah Tsuki an. Mehr konnte er allerdings auch nicht sagen, ehe blaue Flammen seine Füße und Arme umspielten, ihn aufzufressen schienen, und er jämmerlich anfing zu schreien. „Wir wollen zu Yamata“, erwiderte sie. „Halte uns nicht auf. Dazu bist du ohnehin zu schwach.“ Ihre Stimme klang kalt und abwertend. Dann wandte sie sich von ihm ab und die Flammen verloschen. „Komm“, meinte sie zu Ryuujin gewandt. Dieser jedoch rührte sich nicht und starrte auf die jämmerliche Gestalt des kleingewachsenen Dämons. „Wieso sind wir überhaupt hier?“, fragte er dann schließlich. Er sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Wo ist ‚hier’ überhaupt?“ Wieso hatte er das Gefühl, dass sie von Anfang an gewusst hatte, dass sie ihn schließlich hierher führen würde? Sie hatte etwas von Yamata no Orochi gesagt und vom Berg des Schicksals, aber auch das änderte nicht, dass es nichts verstand. Was für ein Spiel spielten sie hier? Und welche Rolle hatte er in diesem Spiel? „Wir sind hier, um die Menschen zu beschützen“, erwiderte sie. „Und um den Krieg zu beenden.“ Für einen Moment schwieg sie. „Auch wenn das heißt einen Gott zu töten.“ „Einen Gott“, murmelte Ryuujin. Yamata no Orochi war ein Gott, soweit er wusste, doch war er sich nicht sicher, was dies überhaupt bedeutete. Was unterschied die Götter von all den anderen magischen Wesen? Waren sie wirklich so mächtig? „Ja“, erwiderte sie. „Jetzt komm. Einen Weg zurück gibt es sowieso nicht.“ Damit lief sie weiter auf dem steilen Pfad voran. So als wüsste sie genau, wohin sie mussten. Wahrscheinlich war es auch so, dachte sich Ryuujin, während er noch zögerte und sich umwandte. Dann jedoch folgte er ihr. Tatsächlich kannte er ja doch keinen anderen Weg, obwohl er die Zweifel nicht ganz aus seinem Herz verdrängen konnte. Wenn die Götter so mächtig waren und es sich wirklich um den Gott Yamata no Oroshi – den Gott der Unterwelt – handelte, wie wollten sie dann gegen ihn kämpfen? Und warum gab es keine anderen Götter, die das taten? Was war mit der Fuchsgöttin Inari, zu der das Mädchen immer betete? Wollte sie den Menschen nicht helfen? Mit stampfenden Schritten näherten sich die Riesen dem Festland und es schien, als könne ihnen kein Pfeil etwas anhaben. „Haltet eure Pfeile!“, rief Fukuro, der mittlerweile wieder auf einen der Felsen stand. „Das sind bloß Trugbilder.“ Er starrte an den vier Giganten hinauf. „Wir richten keinen Schaden aus, aber genau so wenig können sie uns verletzen.“ Verwirrt hielt ein Teil der Soldaten inne und sah zu ihm, ehe sie ihre Blickte wieder auf die scheinbaren Ungeheuer richteten. Selbst wenn das, was der ehemalige Ninja sagte, Sinn zu machen schien, konnten sie es nicht wirklich glauben. Dafür hatten sie die Magie, die solche Trugbilder erschuf, schon zu lange verleugnet. Da begann jedoch eines der Ungeheuer zu flackern, wie eine durch Hitze hervorgerufene Täuschung ehe es vollkommen verschwand. Einen Moment später landete Shen auf dem Boden neben Fukuro. „Es sind Mader, die diese Riesen steuern“, meinte er zu ihm. „Tanuki…“ Fukuro nickte und wandte seinen Blick den Fels hinunter auf das Eisfeld, wo die Schwertkämpfer versuchten die anderen Yokai aufzuhalten, die zusammen mit sechs der kleinen Oni immer weiter in Richtung Land vordrangen. Doch die Geisterwesen waren viele und die Männer fürchteten sie. Füchse und Inugami sprangen an ihre Kehlen, zerrten immer wieder Männer zu Boden, während die anderen durch die Messer der Gestaltwandler oder die Speere der Tengu fielen. Flammen in allen Farben züngelten zwischen den Soldaten hervor, versetzten sie in Panik, so dass einige sogar die Flucht ergriffen. Fukuro konnte nicht umher einen abwesenden Blick auf das Meer zu werfen. War der Teiyama wirklich dort draußen? Wo waren Tsuki und der seltsame Krieger wohl nun? Doch einen Moment später wurde er bereits aus seinen Gedanken gerissen, als eine der einfachen Kitsune zu ihm hinaufsprang und ein Messer nach ihm warf. Es war reiner Instinkt, der dafür sorgten, dass er sich rechtzeitig auf alle viere fallen ließ. Wie so oft geübt war seine Hand sofort bei dem langen Messer an seinem Gürtel, ehe er es mit einem Sprung durch die Brust der maskierten Fuchsfrau bohrte. Im nächsten Moment fiel der tote Körper eines normalen, rotfelligen Fuchses auf den Fels. Das ganze war so schnell gegangen, dass der noch immer bei Fukuro stehende Shen nicht einmal hatte reagieren können. „Das ist verrückt“, murmelte er nun. „Ich weiß“, erwiderte Fukuro. „Wir werden diese Schlacht verlieren, wenn nicht bald etwas passiert…“ Er hielt inne. Dann sah er auf einmal wieder zum Meer. Shen folgte seinem Blick. Ein ganzes Stück vom Festland entfernt schien irgendetwas zu flimmern. Ein Licht, so wie eine Geisterflamme, aber von einem rötlichgelben Schein, ganz wie normales Feuer. Dann – ohne eine Vorwarnung – breitete sich das Feuer wie ein Sturm aus Flammen aus, jedoch ohne das Eis zu schmelzen oder einen der Yokai zu verletzen. Eine weitere Illusion? Fukuro konnte auch nicht mehr sagen, als dass es irgendeine starke Magie war. Da fegte über ihre Reihen ein weiterer kalter Wind hinweg, der am Ufer auf die Flammen traf und sie ein Stück zurückdrängte, ehe sich die Flammen auflösten. Einige der Yokai wurden noch vom Wind zurück geworfen, dann schwächte auch er ab. „Was ist das?“, fragte Shen erneut und sah zu der Stelle, von der das Feuer gekommen war. Doch was es auch war, es war noch immer weit entfernt, so dass er nichts Genaues erkennen konnte. Einzig der Flammenschimmer, den sie schon zuvor entdeckt hatten, war weiterhin zu sehen. Es war ein Wesen des Feuers und wahrscheinlich keine Kitsune. Doch was es war, vermochte auch Fukuro im Moment nicht zu sagen. Aber wenn dieses Wesen so einen Flammensturm in der Nähe des Ufers erzeugen würde, wäre es um das ohnehin schon klägliche Heer der Menschen geschehen. Dabei wollte er nicht einmal daran denken, wie es in den anderen drei Reichen wohl aussah, die nicht auf diesen Angriff vorbereitet gewesen waren. „Lass uns nachsehen“, meinte er schließlich zu Shen. Dieser sah ihn kurz fragend an, doch dann nickte er und sprang auf Shiyun. Was es auch war, es war zumindest weniger unheimlich, wenn man sein Gesicht kannte. Zum Glück bot die magische Wolke gerade genug Platz für zwei Menschen, so dass sie ungeachtet der anderen Geister weit genug hinauskamen, als dass sie zumindest grob erkennen konnten, was für ein Wesen das Feuer erzeugte: Es war groß, beinahe so hoch wie zwei Mann, lief jedoch auf vier Beinen mit Tatzen, die an Löwen erinnerten, während der Kopf zwar eine Mähne hatte, jedoch der eines Affen war. Seine Zähne waren lang und zudem hatte es sechs Stacheln, die vom weißen Fell am Rücken aufragten, während sein Katzenschwanz hin und her schwank und es leise knurrte, als es die noch viele Fuß entfernte Wolke entdeckte. „Was ist das für ein Wesen?“, fragte Shen, doch Fukuro antwortete nicht sofort. Er hatte schon einmal ähnliches gesehen, zumindest auf Schriftrollen gezeichnet, doch es war ein Geist, wie er eigentlich nur aus westlichen Legenden bekannt war. Hakutaku war der Name, dem man diesen Geist in Eikyû gegeben hatte. Ein Schatzwächter, wie es hieß. Da flog auf einmal eine einzelne Flamme durch die Luft und nur knapp an der Wolke vorbei. Eine Flamme, die nicht von dem Biest ausgegangen war. „Wir sollten zurück“, meinte Fukuro, doch einen Moment später spürte er einen stechenden Schmerz an der Schulter. Es war ein Pfeil, der von einem der Gestaltwandler stammte. „Pass auf“, hörte er noch Shens Stimme, aber es war zu spät. Für einen Augenblick hatte er das Gleichgewicht verloren und stürzte nun die wenigen Schritt auf die Eisfläche hinab. So schnell es ging versuchte er wieder auf die Beine zu kommen, doch seine linke Hand zuckte unwillkürlich zur rechten Schulter. Sie waren nicht mehr weit vom Schatzhüter und seinem Begleiter - einem weiteren Dämon - entfernt. Nun hörte er Shen wieder neben sich. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er und half ihm, wieder auf die Beine zu stehen zu kommen. „Ja“, murmelte er. „Es fragt sich nur für wie lange.“ Er sah zum Hakutaku hinüber, der sie ins Visier genommen hatte. Sie standen hinter den feindlichen Truppen, doch gleichzeitig auch mit dem Rücken zu diesen, da die Yokai mit etwas Abstand zu dem Flammenwesen und sein wohl ebenfalls feuerkontrollierendem Begleiter gelassen hatten. Über dem affenköpfigen Wesen bildete sich eine Flammenkugel, die sich nur einen Moment später zu einem Ring verformte und sich immer schneller um die eigene Achse drehte, ehe sich die Flammen in einem Sturm, wie zuvor, ausbreiteten. Erneut fegte ein beißender Wind vom Landinneren über sie hinweg, dieses Mal kräftiger als zuvor, stark genug um viele der Angreifer von den Füßen zu reißen und kalt genug, um die Glieder für zumindest einige Momente schwer werden zu lassen. Auch die beiden jungen Männer konnten sich nicht halten, als der Wind über sie hinweg wehte und nur wenige Fuß von ihnen entfernt die Flammen erneut auslöschte. Dann landete Yuki leichtfüßig bei ihnen und kniete schon einen Moment später neben ihrem Bruder. „Fukuro“, flüsterte sie besorgt und griff an den Schaft des Pfeils. Bevor sie ihn aber herausziehen konnte, hielt Shen sie auf. „Lass“, warnte er. „Wenn du ihn herausziehst und abbrichst wird es noch schlimmer.“ Sie hielt inne. „Ich weiß“, murmelte sie dann und machte ein beschämtes Gesicht, da sie sich für einen Moment ganz der Sorge ergeben hatte ohne nachzudenken. Dann fasste sie sich jedoch wieder und sah nun ebenfalls auf das weiße Wesen. „Was ist das?“ „Man nennt es einen Hakutaku“, erwiderte Fukuro. „Zumindest habe ich davon gelesen. Solche Wesen lebten eins auf dem Festland und wurden von den Menschen verehrt. Man schenkte ihnen Gold und Jade. Doch wenn sich die Menschen von ihnen abwandten oder jemand versuchte ihre Schätze zu stehlen, töteten sie sie.“ „Etwa ein Lang Gui?“, fragte Shen nun. „Wir nennen sie Wolfsdämonen.“ „Das weiß ich nicht“, erwiderte der Ninja. „Auf jeden Fall ist es stark“, erwiderte Yuki, woraufhin ihr Bruder nur mit schmerzverzerrtem Gesicht nickte. „Stark genug, um uns zu vernichten“, meinte er und sah zu dem Wesen hinüber, das sich, als es vom Wind getroffen wurde ein Stück zurückgezogen hatte und sie nun lauernd beäugte. Während er jedoch den Hakutaku ansah, holte der diesen begleitende Oni aus und schickte erneut einen flammenden Ball auf sie zu, den er beinahe zu spät sah um auszuweichen. So landete er zusammen mit dem Wolkenkrieger erneut auf dem Eis, während seine Schwester sich mit einer Windwand schützte. „Wir sollten zurück“, wiederholte Shen nun. „Wir können gegen dieses Biest nichts ausrichten...“ „Ich schon“, erwiderte Yuki leise, fast ein wenig unsicher und nicht so eingebildet, wie Fukuro ähnliche Worte von ihr erwartet hatte. Doch hatte sie, wenn sie sich vorher stark nannte, auch nie von der Kraft der Schneefrau gesprochen, sondern vom normalen Kampf mit Waffen und den Fähigkeiten, die sie einst im Clan gelernt hatten. „Meine Magie ist stärker als seine.“ „Du vergisst die anderen Yokai.“ Fukuro sah hinter sie, denn die letzten Reihen der recht unkoordinierten Angreifer hatten ihnen die Aufmerksamkeit zugewandt. „Du kannst sie nicht ewig im Schach halten. Diese Schlacht ist auf Dauer vergebens.“ „Wenn wir jetzt aufgeben, wird das ganze Reich überrannt werden, die Menschen werden sterben“, flüsterte sie. Das war Fukuro bewusst, doch langsam gingen auch ihm die Pläne aus, was sie noch tun konnten. Selbst wenn viel der vermeidlichen Magie ihrer Angreifer Illusion war, war doch allein die schiere Menge und Kampfkraft der Geisterwesen und Tiere genug, um das Heer zu überrennen. Auch jetzt lösten sich einige der Wesen von der Gruppe, um kehrt zu machen und sie anzugreifen. Ein Tengu sprang in die Luft und schoss mit einem Sturzflug auf sie zu, spürte aber gerade noch rechtzeitig Shens Stab an der Stirn, der glücklicherweise länger als der Tenguspeer war. Als hätte dieser Gnom sie angeführt, stürzte nun eine kleinere Gruppe, die aus ein paar Tengu, Hundegeistern und einem Maderhund in Menschengestalt bestand mit gezogenen Waffen – sofern sie welche hatten – auf sie zu. Gleichzeitig erkannte auch der Oni, der den Hakutaku begleitete seine Chance und machte sich zum Angriff bereit, doch sie alle wurden von einem Wind, der mit Schnee und Hagel vermischt war zurückgeworfen. So begann es plötzlich erneut zu schneien, wie bereits in der Nacht zuvor, doch heftiger, stark genug, als das man kaum zehn Schritt weit blicken konnte. Kleine Windwirbel ließen den Schnee kreisen und versetzten selbst einige der Angreifer in Angst. Nicht wenige wichen zurück, als sie erkannten, dass es das Mädchen war, von dem der Wetterumschwung ausging. Ihre Augen leuchteten blau und kalt, doch hatte sie sich noch weit genug unter Kontrolle, um die Winde auf die verwirrten Yokai lenken zu können, von denen so viele nicht verstanden, wie sich ein Geist gegen sie, ihre Artgenossen, richten konnte. Fukuro sah seine Schwester an. Er konnte nicht umher, sich etwas über ihre Entscheidung zu wundern. Nein, weniger über ihre Entscheidung, denn er wusste, dass sie ihm in allem und überallhin folgen würde, doch darüber, dass sie sich selbst entschieden hatte zu kämpfen. Nun schwebte sie, wie einst in Hayashimura über ihnen, während der von ihr beschworene Schneesturm auch dafür gesorgt hatte, dass sich der Hakutaku knurrend weiter zurückgezogen hatte. Auch der dunkelhäutige Flammenoni war unter dem Sturm in die Knie gegangen, wenngleich ein leichter Glutschimmer auf seiner ihn zu schützen schien. Flammen umzuckten immer wieder seine Hände, als wollte er jeden Moment angreifen, fürchtete sich aber vor dem Wind und der Kälte. Dann, auf einmal, breitete er die Arme aus und die Flammen wuchsen an. Doch dann flog ein Messer Fukuros auf ihn zu, traf ihn, da er sich nun nicht mehr mit den Armen schützte, in der Brust und zwang ihn so in die Knie. Er war nicht tot, denn er starrte Fukuro nun hasserfüllt an, verriet aber durch sein Zittern, dass er kaum wieder auf die Beine kam. Da reagierte Shen bereits. Ohne ein Wort zu verlieren, zog er das längere für den Nahkampf gedachte Messer Fukuros aus der Scheide und lief auf den Oni zu. Zwar reagierte dieser und versuchte ihn zu verbrennen, doch er schien noch jung und unerfahren und vor allem viel zu langsam. Seine Reaktion war zu langsam und nur einen Augenblick später rollte sein Kopf über den Boden, während sich um den toten Körper herum eine Lache dunklen Blutes ausbreitete. Endlich lichtete sich der Nebel ganz und der Pfad wurde langsam ebener. Vor ihnen tat sich eine flache, steinerne und furchtbar tot wirkende Ebene auf, die ein eigenartiges beängstigendes Gefühl in Ryuujin aufkommen ließ. So leer, wie es schien, war es nicht – irgendetwas oder irgendjemand war hier. Dann auf einmal bewegte sich etwas und ließ Ryuujin zusammenschrecken, während die Füchsin neben ihm fast wie eine Statue still stand. Doch was sich bewegt hatte, war bloß eine Schlage, die an Ryuujins Füßen vorbei ins trockene, abgestorbene Gras verschwand. „Und jetzt?“, fragte der Krieger schließlich atemlos. Doch es war nicht die Fuchsfrau, die antwortete, sondern eine Stimme hinter ihnen. „So kommst du schließlich doch, Kitsune“, fauchte sie und ließ zumindest den Mann herumfahren, während sich Tsuki beinahe bedächtig herumdrehte. Wie Ryuujin eigentlich schon an der Stimme erkannt hatte, war es Raiu Akki, der aus dem Nebel hinter ihnen erschienen war und wahrscheinlich auf sie gewartet hatte. Um seinen Arm gewickelt, war ein rot glimmendes Amulett, wahrscheinlich die Namida, wenn er an Tsukis Beschreibung des Heiligtums dachte. „Und der Krieger ist auch bei dir?“, fuhr der Oni nun fort. „Wo ist Yamata no Orochi?“, erwiderte Tsuki ohne auf die Worte des Dämons einzugehen. „Er wartet auf dich“, erwiderte Raiu Akki. „Und er wird sich freuen, dass ihr im Tsume bringt.“ „Das Schwert ist nicht für ihn bestimmt“, entgegnete sie. „Genau so wenig, wie du die Namida auch nur hättest berühren dürfen. Die Heiligtümer wurden den Menschen vermacht und sind zu ihrem Schutz und dem Schutz der Länder. Ihrer Länder.“ „Und das sagt die silberne Füchsin?“, fragte nun eine andere tiefe Stimme und ließ sich Ryuujin erneut umsehen, ehe er erkannte, dass die Stimme zu einer Gestalt gehörte, die langsamen Schrittes auf sie zukam. Doch etwas an der Gestalt war seltsam. Zwar schien sie die eines Menschen, eines groß gewachsenen, dunkelhaarigen Mannes zu sein, doch gleichzeitig gar nicht vorhanden. Immer wieder zuckten ihre Konturen, als wolle sie sich ausbreiten und wachsen. „Ich bin eine Botin meiner Göttin“, erwiderte Tsuki nun an die Gestalt gewandt. „Und es obliegt den Göttern die Menschen zu schützen.“ „Es oblag den Göttern das Land zu schützen, doch die Menschen zerstören es nun“, entgegnete die Gestalt. „Entweder schwinden wir oder sie.“ „Das sind nicht die Worte eines Gottes“, entgegnete die Füchsin scharf, doch der Mann lachte daraufhin nur. „War ich jemals wirklich einer“, fragte er. „Ich bin nur ein Hüter – ein Hüter der Unterwelt. Und an mich haben die Geister, die aus ihren Gefilden vertrieben wurden, ihre Stimmen gewandt, während ihr ihnen kein Gehör mehr schenktet. Die Menschen sind unsere Feinde und wenn sie nicht verschwinden, sterben wir.“ Für einen Moment schwieg Tsuki und musterte die Gestalt, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Du wählst also den Weg des Kampfes und hoffst trotzdem zu leben?“ Noch während die Sprach begann sich ihre Gestalt zu wandeln, so wie Ryuujin es vor einiger Zeit in Unaru einmal gesehen hatte. Ihre Haut glühte in einem silbernen Licht, ehe einige Momente später der große, neunschwänzige Fuchs vor ihm stand. „Du bist nur eine Botin“, meinte der Mann nun. „Wie kannst du glauben, auch nur gegen meinen Diener gewinnen zu können?“ Damit machte er einige Schritte zurück und schien dabei eine unsichtbare Treppe einige Stufen hinauf zu steigen, ehe er im Nichts über der Ebene schwebte. Dabei wandte die Füchsin ihren Blick Raiu Akki zu, während Ryuujin noch immer verwirrt und verständnislos neben ihr stand. Denn was sollten sie schon gegen diese Feinde ausrichten? Raiu Akki starrte sie zufrieden an. „Wir haben noch eine Rechnung offen, Füchsin. Wieso kommst du auch allein in Begleitung eines einfachen Menschenmannes?“ Doch anstatt ihm zu antworten begannen die Glöckchen der Füchsin zu läuten, was der Oni mit grimmigem Blick wahrnahm. „Dieses Mal wirst du mich nicht so einfach besiegen“, zischte er. _________________________________________________________________ Kleine Info am Rande: Yamata no Orochi ist eigentlich wirklich mehr ein Biest in der japanischen Mythologie, aber zum Glück sind da selbst Biester mit etwas Intelligenz behaftet, weshalb ich ihn, obwohl er eigentlich nur die Schlange ist, die die Unterwelt bewacht (Herkules lässt grüßen xD), zum Gott der Unterwelt erhoben hab :D Immerhin ist es eine Fantasiewelt :P Hosted by Animexx e.V. 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