Eikyû - gesegnetes Land von Alaiya (Die Legende der schlafenden Götter) ================================================================================ Kapitel 10: Das Geheimnis der Schneefrau ---------------------------------------- So, endlich mal ein neues Kapitel ^___^ Freue mich über Kommentare. Das nächste ist übrigens auch schon halb fertig und wird auch wieder länger ^^ Das hier ist nur ein Zwischenspiel, wenn man so will ^.~ Kapitel 10: Das Geheimnis der Schneefrau Yuki wachte auf und sah sich verwirrt um. Es dauerte etwas, bis sie ihre Gedanken soweit sortiert hatte, dass sie wieder zwischen ihren Träumen und der Realität unterscheiden konnte. Ja, jetzt fiel es ihr wieder ein: Sie war mit dem Oni, mit Raiu Akki, gereist oder besser dazu gezwungen worden. Aber was hätte sie schon gegen den Dämon tun können, der ihren ganzen Klan vernichtet hatte, zumal sie nun wieder allein war. Selbst Fukuro war nicht mehr bei ihr – wenn er überhaupt noch lebte. Nun sah sie sich wieder um. Wo war Raiu Akki? Normal war er die ganze Zeit der Reise über in ihrer Nähe gewesen – hatte sie nicht aus den Augen gelassen, aus Angst, dass sie das Siegel ablegte und ganz zur Yuki Onna wurde. Doch nun war Raiu Akki nicht da. Sie war ganz alleine mitten in einem großen Saal. Wie war sie hierher gekommen? Der Saal, in dem sie sich befand, war hoch, zylinderförmig und sehr groß. Er wirkte edel, mit den marmornen Platten, die den Boden bedeckten und der verzierten Decke. Fast wie in einem Schloss. Doch wie sie hierher gekommen war, dass wusste Yuki nicht. Vorsichtig richtete sie sich auf, da ihr Körper von der langen Reise schmerzte und rieb sich die steifen Gelenke, die das erste Mal seit Tagen nicht gefesselt waren. Dies tat sie abwesend, bis sie auf einmal zusammenzuckte. Ungläubig sah sie auf ihr Handgelenk: Das Amulett war nicht da. Aber was hatte das zu bedeuten? Wieso hatte Raiu Akki ihr das Amulett abgenommen, wo er sich doch so sehr vor der Schneefrau fürchtete? Wo war er hingegangen? Und wo befand sie sich? Über diese Fragen rätselnd stand Yuki schließlich auf. Wenn sie sich umsehen würde, fand sie vielleicht zumindest heraus, wo sie sich befand. So ging sie auf die größte der drei Türen, die wohl aus dem Saal heraus führten, zu. Sie ging langsam, da sie nicht wusste, ob Raiu Akki oder irgendein anderer Dämon in der Nähe war. Doch schließlich erreichte sie die Tür, ohne dass etwas geschehen war. Sie drückte ihr Ohr an das glatt geschnitzte Holz. Sie hörte Wind. Das hieß wohl, dass diese Tür tatsächlich aus dem Gebäude heraus führte und es ließ Yuki vermuten, dass die Tür verschlossen war. Trotzdem versuchte sie die Tür zu öffnen und wieder Erwarten ließ sie sich schieben und gab tatsächlich den Weg nach draußen frei. Ein kalter Wind blies Yuki entgegen, als sie auf die verschneite Ebene vor sich blickte, welche einige hundert Schritt weiter abrupt endete. „Eine Klippe“, schoss es Yuki durch den Kopf. Doch nun erkannte sie auch, dass sie nicht alleine war. Ein Stück von ihr entfernt stand eine Frau im Schnee – eine Frau mit langem, wallendem, weißem Haar, welches wie das weite Gewand im Wind flatterte. Yuki blieb in der Tür stehen, als sie die Frau erblickte, doch da wandte sich diese schon zu ihr um. Ihre Blicke trafen sich und Yuki spürte, wie sich etwas in ihr regte. Das, was zuvor vom Amulett zurück gehalten worden war. „Komm zu mir“, sagte die Frau nun mit wohlklingender Stimme, die trotz des Windes bis zu Yuki vordrang, welche starr weiter in der Tür stehen blieb. Das Etwas in ihr regte sich noch mehr. Es drängte sie zur Frau zu gehen, während etwas anderes sie davon abzuhalten versuchte. Sie starrte die Frau an. „Komm zu mir“, wiederholte die Frau nun. „Hab keine Angst.“ Das Etwas in Yuki gewann. Zögernden Schrittes ging sie auf die Frau zu. Als sie näher kam erkannte sie, dass die Frau lächelte, wenngleich ihre Augen ausdruckslos wirkten. Schließlich waren die beiden Frauen nur noch wenige Schritte voneinander entfernt. Die Ältere lächelte noch breiter: „Du bist gewachsen, Tochter.“ Yuki erstarrte. „Tochter?“, fragte sie ungläubig. Doch da war die Frau bei ihr und nahm sie in den Arm. Wie eine ferne Erinnerung umwehte der Geruch der Frau sie, ohne dass sie sich dem hätte erwehren können. Der Geruch nach Schnee. Sie fragte nicht mehr, sie wusste, dass diese Frau, die Yuki Onna, ihre Mutter war, auch wenn sie nicht verstand. Es dauerte eine Weile, bis sich die beiden Frauen aus der Umarmung lösten und die Mutter durch eisige Augen ihre Tochter betrachtete. „Was hat das zu bedeuten…“ Yuki zögerte. „Mutter?“ „Frag nicht“, erwiderte ihre Mutter. „Antworten sind belanglos. Es ist nicht wichtig.“ „Doch!“, widersprach Yuki hastig. „Ich meine, wie komme ich hierher? Wieso…“ Sie unterbrach sich. „Wo ist Fukuro? Weißt du wo mein Bruder ist?“ Die Frau wandte sich ab. „Wieso fragst du nach ihm?“ „Weil er mein Bruder ist…“ „Nein!“, schrie die Mutter sie an. „Nein, er ist nicht dein Bruder! Er ist ein Mensch.“ Yuki schwieg und blickte in die vor Wut funkelnden Augen ihrer Mutter. Warum reagierte sie so? Sie verstand einfach nicht. Es war alles so merkwürdig. Immernoch spukte die Frage durch ihren Kopf, was sie hier tat, wie sie hierher kam. „Er ist nicht dein Bruder“, wiederholte ihre Mutter nun ruhiger. „Frag nicht nach ihm…“ „Aber…“, setzte Yuki nun an, doch wieder wurde sie unterbrochen: „Fukuro ist der Sohn deines Vaters, aber nicht dein Bruder“, sagte die Schneefrau mit fast ausdrucksloser Stimme. „Du wirst ihn nicht wieder sehen.“ Sie wandte ihr Gesicht wieder ihrer Tochter zu. „Du lebst schon viel zu lange unter den Menschen. Du hast vergessen, dass du keiner bist.“ Yuki sah ihr in die Augen. Das Gesicht ihrer Mutter war wunderschön und doch sprach nur Wut und reiner Hass aus ihm, verzerrte es. „Aber Vater war doch ein Mensch“, meinte sie vorsichtig. „Und du… Ich bin unter Menschen aufgewachsen.“ „Ja, weil dein Vater dich gestohlen hat, er…“ Sie knurrte nur. „Außerdem: Haben dich die Menschen jemals behandelt, als seihst du einer von ihnen?“ Diese Worte brachten Yuki schließlich zum Schweigen und sie wandte ihren Blick gen Boden. Ihre Mutter hatte Recht. Die Menschen hatten sie nie behandelt, wie eine von ihnen. Die einen hatten sie gemieden, die anderen sie beschimpft oder verprügelt. Aus den Augen ihres Vaters hatte immer so etwas wie schuldbewusste Gleichgültigkeit gesprochen, wenn er sie betrachtete. Aus denen seiner Frau nichts als Verachtung. Man hatte sie nicht zur Ausbildung als Ninja zulassen wollen, weil man ihr nicht traute. Als man sie am Ende doch zuließ, schikanierte man sie nur. Sie hatten Angst vor ihr, weil ihre Mutter eine Yurei war. Dabei fürchtete sich Yuki selbst vor diesen, wie auch vor den Yokai. Sie fürchtete alles, was man nicht mit körperlicher Kraft besiegen konnte. Auch den Hass der Menschen. Nur Fukuro hatte sie immer beschützt – vor den Menschen und den Geistern. Er hatte sie getröstet, wenn sie weinte, hatte sich mit denen angelegt, die sie beschimpften und verprügelten, sogar mit seiner eigenen Mutter. Er hatte alles getan, um seine Schwester zu schützen. Er hatte sie als Mensch, nein, einfach als sie gesehen. „Aber Fukuro…“, murmelte Yuki. „Er hat mich nie schlecht behandelt. Er hat mich immer beschützt.“ „Und jetzt? Ist er jetzt da?“, erwiderte ihre Mutter kühl. „Nein, aber er… Er wurde doch auch… Ich…“ Yuki brach ab und seufzte. „Selbst wenn er jetzt da wäre“, sprach die Schneefrau nun weiter. „Meinst du es wird ewig so bleiben? Er ist ein Mensch, ein Mann. Er ist erwachsen. Irgendwann wird er etwas anderes zum Beschützen finden, dass weißt du. Und was machst du dann?“ Die Jüngere verstand, was sie meinte, doch sie schüttelte den Kopf. „Nein, er wird mich nie im Stich lassen.“ Da lachte ihre Mutter. „Du bist naiv.“ Sie sah sie belustigt an. „Schau her.“ Damit zeigte sie auf das prachtvolle, turmartige Gebäude, aus dem Yuki gekommen war. „Wir beherrschen die Illusion, dass weißt du doch.“ Mit einer Windböe verschwand der Turm und ließ, wie nie da gewesen, einen Bretterverschlag, der es kaum wert war, als Hütte bezeichnet zu werden, zurück. Yuki reagierte darauf nicht. „Das ist unsere Illusion“, sagte ihre Mutter. „Doch die der Menschen ist viel tückischer.“ Ihr Blick verfinsterte sich noch mehr. „Sie gaukeln dir nicht die Existenz von irgendwelchen Dingen, wohl aber die von Gefühlen, vor. Erst sind sie für dich da, dann plötzlich verschwunden.“ Sie schwieg kurz. „Dein Vater war genau so. Er versprach mir alles, doch am Ende nahm er dich und versuchte sogar mich zu töten.“ Wieder knurrte sie. „Fukuro ist nicht Vater!“, erwiderte Yuki. „Er wird mich beschützen!“ „Nein, er wird eine Frau finden, die er liebt, eine Familie haben und vergessen, dass er überhaupt eine Schwester hat.“ „Nein“, flüsterte Yuki. „Nicht Fukuro…“ Alleine die Vorstellung, dass Fukuro nicht mehr da wäre, reichte um ihr Tränen in die Augen zu treiben. Seit sie denken konnte, war er für sie da gewesen, hatte sie beschützt. Was, wenn ihre Mutter recht hatte und er sie wirklich verlassen würde? „Aber wenn du vorher nichts tust, ist er bis dahin schon tot“, hielt eine Stimme aus ihrem Inneren dagegen, doch ein Blick in die Augen ihrer Mutter reichte, um diese zum Schweigen zu bringen. „Vertrau mir, Tochter“, sprach diese nun wieder mit sanfter Stimme. „Du gehörst nicht zu den Menschen.“ Sie hielt ihr ihre Hand entgegen und Yuki nahm sie. Sie war kein Mensch, dass spürte sie nun deutlich, als sie mit dem Schnee verschmolz… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)