Eikyû - gesegnetes Land von Alaiya (Die Legende der schlafenden Götter) ================================================================================ Kapitel 8: Mann des Drachen --------------------------- So, endlich Kapitel 08 und damit auch ein neuer Chara ^.~ Würde mich über Kommentare freuen ^^ Kapitel gebetat! _____ Kapitel 08: Mann des Drachen Es war Abend und es regnete wie aus Kübeln, was hier im nördlichen Reich Yamanôi jedoch nichts Ungewöhnliches war. Durch diesen Regen ging ein Mann, von sieben anderen gefolgt, die matschigen Straßen der Stadt Unaru entlang. Die sieben Männer waren Soldaten, der Mann, der ihnen voran ging, ihr Offizier und sie waren auf dem Weg zu einem der Bordelle der Stadt. Sie und fünf weitere Soldaten waren in der Stadt stationiert, um sie vor Räubern und Wilden zu beschützen und für Recht und Ordnung zu sorgen. Der Offizier stach rein durch sein Äußeres hervor. Allein dadurch, dass er gut einen Kopf größer war, als der Rest der Soldaten, obwohl seine Gesichtszüge die für Eikyû typischen waren. Doch seine Haut war auch eine ganze Stufe dunkler, als die der anderen. Außerdem ging von seiner Stirn, über sein Auge bis hinunter auf seine rechte Wange eine Narbe, was ihn nach außen hin bedrohlich erscheinen ließ. Wie auch die anderen trug er zwar Schwert und Brustpanzer, war nun aber nicht voll gerüstet, da eine Rüstung dort, wo sie hingingen, im Weg sein würde. Der Name des Mannes war Ryuujin, also Mann des Drachens, und somit auch der Name des Drachengottes. Dieser Name rührte von einem Brandmal auf seiner linken Schulter her, welches Ryuu war. Wie sein richtiger Name war, wusste er nicht. Es war sechs Jahre her, dass man ihn gefunden hatte, im Dreck, schwach und ohne Erinnerungen an sein vorheriges Leben. Jedoch hatte er einen kräftigen Körperbau gehabt und konnte – ohne zu wissen, wo er es gelernt hatte – meisterhaft mit dem Schwert umgehen. So war es naheliegend zur Armee zu gehen, nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, wo er schon bald hohes Ansehen erlangte. Nun war er Offizier, kräftig und vom Äußeren um die dreißig Sommer alt. Doch auch sein richtiges Alter wusste er nicht und er war in den letzten sechs Jahren nicht gealtert. Schließlich erreichten sie das Gebäude und traten ins Trockene, wo ihnen sofort eine Frau mit langem, eng anliegendem Kimono entgegen kam, um ihnen ein Handtuch zu reichen. Dann verschwand die Frau wieder und kam ein wenig später mit einer wesentlich pompöser gekleideten Frau zurück. Diese Frau, die etwas übermäßig geschminkt war, nannte sich Lady Amai und war die Besitzerin des Freudenhauses. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie die neuen Besucher sah. Ja, sie war geradezu begeistert die Soldaten zu sehen, welche meistens ein hübsches Sümmchen Geld in ihrem Etablissement ließen. „Ah, meine lieben Herren, liebster Offizier“, begann sie mit schmeichelnder Stimme. „Ich bin so erfreut, dass Sie mich – uns – endlich wieder einmal mit Ihrem Besuch beehren.“ Sie lächelte Ryuujin gewinnend an. „Was kann ich – ich meine: Was können meine Mädchen heute für sie tun?“ Natürlich war es Ryuujin, der als Offizier für die Gruppe sprach. „Lassen Sie uns wie immer eines der größeren Zimmer und schicken Sie ein paar Mädchen und Sake“, meinte er ebenfalls lächelnd. „Natürlich, mein Liebster.“ Sie zog ihn ein Stück von der Gruppe fort. „Übrigens habe ich ein neues Mädchen. Eine junge Frau von einer ganz eigenen Schönheit und scheinbar noch ganz unberührt.“ Sie sah ihn vielsagend an. „Ein exotisches Mädchen.“ „Nun“, begann Ryuujin. „Bring sie...“ Er überlegte etwas, schließlich würde es doch einiges kosten, doch es gefiel ihm bevorzugt zu werden und da sie – wie die meisten Soldaten – nebenher Söldneraufgaben übernahmen, sollte es doch kein zu großes Problem sein. „Bring sie auf ein einzelnes Zimmer“, sagte er schließlich wieder lächelnd. „Sehr gerne“, erwiderte die Lady. So begab sich der Offizier vorerst mit seinen Soldaten in das größte Zimmer des Hauses, wo sie sich meistens amüsierten. Hier standen in dreien der Zimmerecken niedrige Tische mit Sitzkissen drum herum, während der Raum von Kerzen und Öllampen erhellt wurde. Auf den Tischen standen bereits kleine Tassen und Karaffen, die mit warmem Sake gefüllt waren. Anbei warteten fünf junge, hübsche Frauen in feinen Kimonos, welche absichtlich etwas lockerer geschnürt waren, als es üblich war. Sie lächelten alle schüchtern als die Männer, welche vorher Schwerter und Rüstzeug abgelegt hatten, lachend und grinsend den Raum betraten. Die Soldaten ließen nicht viel Zeit verstreichen, ehe sie begannen sich zu betrinken und sich von den Frauen verwöhnen zu lassen. Auch Ryuujin trank Sake, betrank sich aber nicht und hielt sich auch was die Frauen anging bedeckt, während einer seiner Männer es bereits lauthals stöhnend und zum Amüsement der anderen mit einer der Huren trieb. Der Offizier jedoch wartete darauf, sich von den anderen zu entfernen und sich mit der Exotin, die ihm Lady Amai versprochen hatte, zu befassen. Schließlich öffnete eines der Empfangsmädchen die Tür, ging zu ihm und beugte sich zu ihm hinunter. „Wenn Ihr mir bitte folgen würdet, werter Offizier“, flüsterte sie ihm zu, woraufhin er sich erhob. „Wo wollt Ihr hin, Ryuujin-sama?“, nuschelte einer der Soldaten betrunken. „Mich eigenen Sachen widmen“, erwiderte er lächelnd und verließ den Raum wohl wissend, dass man ihn beneidete. Das Empfangsmädchen führte ihn in den hinteren Teil des Bordells, wo die kleineren Zimmer lagen. Vor einer der Türen blieb das Mädchen nun stehen. „Sie erwartet euch bereits.“ Damit verbeugte sie sich und ging angemessenen Schrittes zurück. Der Offizier zuckte mit den Schultern und öffnete in freudiger Erwartung die Schiebetür, die in ein wesentlich feiner eingerichtetes Zimmer als das große, führte. Sobald er eintrat, war ein unterdrücktes Keuchen zu hören, welches von der jungen Frau kam. Ryuujin schloss die Tür und musterte die Frau begierig, während sie sich in eine der Zimmerecken kauerte. Lady Amai hatte nicht zuviel versprochen, denn das Mädchen war wirklich hübsch und sehr exotisch. Zwar hatte sie die hier typischen Mandelaugen, doch war ihr Gesicht weniger herzförmig als das der anderen und ihr Haar hatte eine ganz eigene rotbräunliche Färbung, während die goldenen Augen ihn ängstlich ansahen. Ihre Schönheit wurde von dem weiten Kimono betont, welcher in einem blassen Rosa gehalten und mit dem Motiv der Sakura bestickt war. „Komm her, Mädchen“, forderte er sie auf, als er sich an den Tisch, auf dem ebenfalls eine Karaffe mit Sake stand, setzte. Das Mädchen rührte sich nicht, sondern rückte noch weiter in die Ecke, zitterte. Ryuujin wartete und goss sich nun selbst etwas von dem Sake ein, wobei er die Frau aber weiterhin beobachtete. Wahrscheinlich oder mit ziemlich großer Sicherheit war sie eine Sklavin, die eben wegen ihrem Äußeren hier im Bordell gelandet war. „Komm her“, forderte er sie nun wieder auf, nachdem er zwei Tässchen Sake getrunken hatte. Dieses Mal schüttelte sie den Kopf. „Nein“, flüsterte sie mit einer klaren Stimme. Nun zuckte der Offizier mit den Schultern, stand auf und ging nun zu ihr hinüber. „Hör mir zu, Mädchen, ich weiß nicht, wie du hierher gekommen bist. Ich weiß auch nicht, was du früher warst, aber jetzt bist du hier und du bist eine Hure. Du hast eben Pech gehabt“, zischte er und zog sie nun hoch, um sie an die Wand zu drücken. „Ich bin im Recht dich zu zwingen, wenn du nicht machst, was ich will.“ Er sah sie warnend an, doch sie wich seinem Blick aus. „Lasst mich“, flehte sie – weiterhin zitternd. „Nein“, erwiderte er, langsam mit seiner Geduld am Ende. Er konnte sich fast nicht mehr beherrschen, nicht zuletzt, weil er doch schon etwas mehr als angetrunken war. Als die junge Frau den Kopf weiterhin abwandte, legte er eine Hand unter ihr Kinn und zerrte sie in einen gierigen Kuss. Sie versuchte sich zu wehren, erwiderte den Kuss nicht, versuchte zu schreien, doch sie war ihm unterlegen. So drückte er sie schließlich wieder zu Boden, so dass er auf ihr war, küsste sie weiterhin und öffnete grob ihren Kimono – entblößte ihren Körper, woraufhin sie umso mehr zitterte. „Bitte“, hauchte sie mit erröteten Wangen. „Lasst mich!“ Doch er war nun zu weit gegangen, als dass man ihn noch hätte so einfach aufhalten können. Seine Hände strichen über ihren Körper, begrabschten unsanft ihren Busen. Daraufhin fing sie an, sich noch heftiger zu wehren, versuchte ihn wegzudrängen, ihn zu treten, doch sie war nicht mehr in der Situation, dass sie sich überhaupt noch wehren konnte, nun wo er auf ihr war. Als Ryuujin schließlich begann ihre Brüste zu küssen und – obwohl sie versuchte ihre Beine zusammen zu drücken – in ihren Schritt fasste, schrie sie auf. „Nein! Bitte! Tut das nicht!“ Nun weinte sie. „Bitte...“ „Jetzt sei endlich still, Mädchen!“, fuhr er sie an und küsste sie erneut, um sie zum schweigen zu bringen. Er war zu erregt um jetzt noch aufzuhören. Sie sollte ihm dankbar sein, dass er sich auf ein Vorspiel einließ und sie nicht einfach so vergewaltigte. Sie wimmerte unter ihm, wand sich um ihm zu entkommen. „Bitte“, hauchte sie, als er seine Lippen kurz von den ihren löste. Sofort zog er sie wieder in einen Kuss. Schließlich schaffte sie es den Kopf abzuwenden, um so seinem Kuss zu entkommen. „Nein...“ Sie sah ihn flehend aus den Augenwinkeln an. „Bitte... Bitte tut das nicht...“ Erst, als er ihr nun in die Augen sah, merkte er, dass diese leuchteten und das im wörtlichen Sinne. Ihre Augen glühten von innen heraus. Er hielt inne, brauchte aber – nicht zuletzt wegen dem Alkohol und der Erregung, die seinen Körper noch immer beherrschte – etwas, bis er begriff und sich plötzlich von ihr zurückzog. „Du bist kein Mensch...“, keuchte er. In ihrem Blick lag immer noch Angst, doch sie schüttelte den Kopf. „Nein“, hauchte sie und richtete sich nun auf, wobei sie versuchte ihren Körper zu bedecken. Noch immer zitterte sie. Er musterte sie wieder und ging zum Tisch zurück. Er atmete schwer, da er noch immer erregt war und nun dagegen ankämpfte. „Was?“, fragte er, während er sich selbst fragte, wieso er sich von der Tatsache davon abhalten ließ, sie einfach zu nehmen, doch tat er es nicht. „Was bist du?“, wiederholte er nun. Sie zog sich den Kimono vor der Brust zusammen, so dass dieser zumindest ihre Brust bedeckte. Ihre Wangen waren noch immer feucht, als sie antwortete: „Eine Kitsune.“ Ryuujin erwiderte erst einmal nichts, sondern goss sich ein weiteres Tässchen Sake ein, jedoch ohne die Frau dabei aus den Augen zu lassen. Diese schien allmählich zu begreifen, dass er sie vorerst nicht vergewaltigen würde und entspannte sich etwas. „Ich...“, begann sie nun stockend. „Ich bin eine Dienerin der Göttin Inari.“ Als er nichts erwiderte, fuhr sie fort. „Man hat mich... Wir... Wir waren auf Reisen... Räuber haben mich und meine Gefährten überfallen und uns als Sklaven verkauft.“ Auf einmal war in ihrem Blick, als sie ihn ansah, so etwas wie Hoffnung zu erkennen. Während sie erzählte, hatte Ryuujin die Tasse bereits wieder geleert und sah sie nun an. „Tja, dann hast du wirklich Pech gehabt“, meinte er trocken. „Und was hast du jetzt vor? Du wirst deinen Dienst hier nicht ewig verweigern können...“ Er goss sich wieder Sake ein. „Außerdem, wenn du eine Kitsune bist, wieso kannst du dich dann nicht befreien. Verwandele dich und lauf davon!“ „Sie haben mich versiegelt“, erwiderte sie, wobei Verzweifelung in ihrer Stimme mitschwang. „Und wieso soll ich dir das glauben?“, meinte er verächtlich und leerte die Tasse nun in einem Zug. Sie sah ihn verzweifelt an. „Bitte, Ihr müsst mir glauben. Ich...“ „Kannst du irgendwas beweisen?“, fragte er. Zwar war klar, dass sie kein Mensch war, aber ob von dem, was sie sagte irgendwas stimmte, schien ihm doch mehr als fraglich. Vielleicht war sie nur ein kleiner Hanyô, wenn auch das mit den Räubern stimmen mochte. Aber so war diese Zeit, in der sie lebten, nun einmal. Sie sah zu Boden, ehe sie ihm den Rücken zuwandte und den Kimono soweit hinab gleiten ließ, dass er ihren Rücken entblößte. „Ich weiß nicht, ob...“, begann sie, doch er unterbrach sie. „Ist das ein Siegel?“, fragte er nun – wo sie wieder Haut entblößte – wieder unruhig. Doch konnte er das Muster sehen, was ihre Schultern verzierte. Es bestand aus mehreren Linien, die alle auf ein Zeichen in der Mitte zuliefen, welches Ryuujin nicht genau entziffern konnte. Sie schwieg eine Weile. „Ja, und dadurch bin ich machtlos“, murmelte sie dann. „Es nimmt mir meine Kraft. Glaubt mir, normal hätte ich mich gegen Euch wehren können.“ Er machte einen verächtlichen Laut. „Wie ich schon sagte, du hast Pech gehabt“, meinte er. „Ihr...“, begann sie und sah ihn nun wieder über die Schulter hinweg an. „Bitte, helft mir“, flüsterte sie dann. Nun stand er wieder auf und ging zu ihr. „Sag mir eins, wieso sollte ich das tun?“, fragte er sie und musterte sie wieder. „Sehr wahrscheinlich bist du auch nicht die einzige Fuchsfrau, der das passiert ist. Pass besser auf, hmm?“ Er zuckte mit den Schultern, während er ihre Schultern packte, um sie zu sich herum zu zerren. Dabei berührte er das Siegel. Sie schrie vor Schmerzen auf und wich ein Stück zurück. Dann musterte sie ihn vorsichtig, was er erwiderte. Die Linien waren an der Stelle, wo er sie berührt hatte, verschwunden. „Und Ihr?“, fragte sie nun heiser. „Was seid Ihr?“ Er sah sie verständnislos an. „Warum?“ „Wieso könnt Ihr... Wieso könnt ihr das Siegel so einfach entfernen? Seid ihr ein Magier? Was seid ihr?“, wiederholte sie und kniff nun die wieder leuchtenden Augen zusammen. Er erwiderte nichts, da er es ja selbst nicht wirklich wusste. Er war nicht gealtert, dass wusste er selbst, doch ob er deswegen gleich kein Mensch war, wusste er nicht. „Ich...“, begann er und sah sie nun seinerseits Hilfe suchend an. „Ihr seid kein Yurei und kein Yokai, dass würde ich spüren, also seid ihr ein Magier oder... Was?“, fragte sie weiter. „Ich... Ich weiß es nicht, Mädchen“, antwortete er. Dann rückte er ohne ein weiteres Wort näher zu ihr und legte, noch bevor sie reagieren konnte, seine Hand mitten auf das Siegel, woraufhin sie zusammenzuckte und wieder aufschrie. Danach sah sie ihn keuchend an. „Was...“, hauchte sie, doch er musterte nur seine eigene Hand. Das Zeichen in der Mitte ihrer Schultern war komplett verschwunden und die Linien darum herum begann nun ebenfalls zu verblassen. Ihr Atem ging schneller, als sie auf einmal den Körper anspannte. Sie hatte bemerkt, dass ein großer Teil ihrer Kraft wieder zurückgekehrt war. Nun begann sich ein silberner Schein um ihren Körper herum zu bilden und dieser begann sich langsam zu verformen. Noch ehe Ryuujin sich fassen konnte, stand eine silberne Füchsin vor ihm. Sie sah ihm in die Augen, ehe sie sich abwandte und die Wand in blaues Feuer aufgehen ließ, welches, sobald sich ein Loch in der Wand gebildet hatte, verschwand. Dann sprang die Füchsin hinaus auf die Straße und ließ den ihr verständnislos hinterhersehenden Offizier zurück. Tsuki hatte sich in einer Gasse ein Stück von dem Bordell entfernt zusammengekauert. Der Kimono hatte sich mit Wasser des noch immer anhaltenden Regens voll gesogen. Er war viel zu lang. Doch im Moment hatte sie nichts anderes zum Anziehen, von ihrem Dolch und den Glöckchen ganz zu schweigen. Sie wusste nicht wirklich, was passiert war. Das einzige, was sie wusste war, dass sie die anderen finden musste, aber sie wusste nicht einmal, wo diese waren. Sie hatte zwar mitbekommen, dass man Yuki zu Raiu Akki gebracht hatte, aber sie wusste nicht, wo sich dieser nun mit ihr aufhielt. Sie selbst und Fukuro waren auf einem Sklavenmarkt verkauft worden, nachdem man sie vorher versiegelt hatte. Die Räuber hatten wahrscheinlich auch noch ihre Glöckchen. Und wo Shen war, war ihr sowieso ein Rätsel. Er war nicht da gewesen, als man sie gefangen nahm, doch sie wusste nicht, ob ihm etwas passiert war oder ob er sie verlassen hatte. Vielleicht hatten die Räuber ihn auch getötet. Sie kam sich einfach nur hilflos vor. Wahrscheinlich suchte man schon nach ihr und wollte sie zurück in das Bordell bringen. Und wenn man sie fand? Ohne die Glöckchen und ohne Waffe, konnte sie es kaum mit mehr als zwei Gegnern aufnehmen und selbst auch das nur, wenn die Gegner normale Menschen waren. Ach, wäre sie doch in Hayashimura geblieben... Sie hatte Tohon doch versprochen, die Namida zurück zu bringen, doch im Moment war sie froh, wenn sie es überhaupt wieder zurück schaffte. „Tohon“, flüsterte sie. Sie vermisste den kleinen Hausgeist, genauso, wie sie das ganze Dorf vermisste. Vielleicht war Raiu Akki doch kein Gegner für sie, von dem, was hinter ihm stand ganz zu schweigen. Und doch... Wenn sie und die anderen ihn nicht aufhielten, würde es keiner tun. Was würde dann mit den vier Reichen geschehen? Außerdem ging ihr der Mann nicht aus dem Kopf. Was war er? Er war ein magisches Wesen. Und wenn er nach ihr suchte? Mit ihm konnte sie es nicht aufnehmen, nicht ohne die Glöckchen. Aber würde er sie suchen? Würde er gegen sie kämpfen? Er hatte so verächtlich gewirkt, aber sicher war sie sich nicht. Über all diese Gedanken fiel sie in einen leichten Dämmerschlaf, aus dem sie erst nach einer ganzen Weile – ihre Kleidung und die Haare waren mittlerweile komplett durchnässt – gerissen wurde, weil sie jemand an der Schulter schüttelte. „Mädchen, wach auf“, zischte eine Stimme. Nur langsam kam sie zu sich und sah den Mann an, der sie von dem Siegel befreit hatte. Ihr Blick war verständnislos, doch ohne ein weiteres Wort riss er sie hoch. „Komm mit“, forderte er sie auf. Zumindest verriet seine Stimme, dass er wieder nüchtern war. Als sie sich nicht rührte, nahm er ihren Arm und riss sie mit sich. „Was...“, begann sie. „Wo bringt Ihr mich hin?“ Sie versuchte stehen zu bleiben, jedoch erfolglos, weil er sie dann umgerissen hätte. „Weg von hier“, antwortete er nur und lief mit ihr weiter. Es war noch immer Nacht und die Straßen waren leer, zum Glück, da sie nicht besonders schnell laufen konnte, da der lange, nun mit Wasser vollgesogene Kimono schwer an ihrem Körper hing und sie ihn zudem noch zuhalten musste, da der Gürtel wahrscheinlich noch immer in jedem Bordell lag. Der Mann führte sie aus der Stadt hinaus, das merkte sie, also wohl nicht zum Bordell zurück, aber was hatte er dann vor? Wollte er sie irgendwo anders... Schließlich blieb er mit ihr vor einem Stall am Rande der Stadt stehen, öffnete die Tür und zog sie mit hinein. Noch ehe sie weitere Fragen stellen konnte, reichte er ihr ein Bündel Kleidung. „Zieh das an“, forderte er sie auf. „Warum...“, begann sie, doch er unterbrach sie: „Na mach schon, man sucht nach dir. Du musst hier weg, wenn du nicht wieder als Hure enden willst“, sagte er grob und wandte sich ab. Tsuki sah verwirrt, auf das Kleiderbündel in ihren Händen. Es handelte sich um Soldatenkleidung, dass erkannte sie, aber warum hatte er es ihr gegeben? „Jetzt mach schon“, forderte er erneut. „Oder zierst du dich, weil ich dir zusehen könnte. Glaub mir, ich habe vorhin schon alles gesehen, Mädchen.“ Sie sah ihn an und schwieg eine Weile. „Mein Name ist Tsuki“, meinte sie dann, ehe sie sich von ihm ab- und den Pferden, die an der Wand angebunden waren, zuwandte. Dann ließ sie den nassen Kimono zu Boden gleiten und zog die Männerkleidung, die ihr natürlich ebenfalls etwas zu groß war, an. „Danke“, murmelte sie, als sie sich zu ihm umdrehte. Er erwiderte nichts, sondern musterte sie nur. „Wir müssen los“, meinte er schließlich. „Wohin?“, fragte sie nur noch verwirrter und starrte ihn an. „Wo müssen wir hin?“ „Weg von hier, nehme ich an“, grummelte er und ging zu einem Heuhaufen hinüber, aus dem er zwei Umhänge und einen Beutel hervor zog. Den einen Umhang warf er ihr zu, ehe er den anderen selbst anzog und dann die Stalltür öffnete. Überrascht fing sie den Umhang auf und zog ihn dieses Mal ohne einen weiteren Kommentar über. Als sie damit fertig war, hatte er schon ein Pferd losgebunden und ihm das Zaumzeug umgelegt. Dann schwang er sich gekonnt auf das ungesattelte Pferd, welches ein paar Schritte im Kreis machte. „Steig auf“, sagte er nun, ritt neben Tsuki und reichte ihr die Hand. Sie musterte ihn kritisch. „Woher soll ich wissen, ob ich Euch... ob ich dir vertrauen kann?“, fragte sie, nun eine einfache Anrede benutzend, da ihr die respektvolle auf einmal lächerlich erschien. „Hast du eine andere Wahl?“, erwiderte er, woraufhin sie seine Hand ergriff und sich hinter ihn auf das Pferd ziehen ließ. Sie konnte sich grade noch festhalten, ehe er schon los- und aus dem Stall hinaus preschte – weg von der Stadt. „Warum?“, rief sie gegen den Gegenwind an. „Warum tust du das?“ Sie erhielt keine Antwort, während der Mann einfach nach vorne schaute und das ohne zu blinzeln, trotz des Regens, der ihm ins Gesicht peitschte. „Würdest du mir zumindest verraten, wie du heißt?“, fragte Tsuki nach einer Weile etwas entrüstet, weil er nicht mit ihr redete. „Ich weiß es nicht“, bekam sie plötzlich die Antwort, nachdem er kurz geschwiegen hatte. „Aber man nennt mich Ryuujin.“ „Was soll das heißen‚ du weißt es nicht?“, bohrte die Fuchsfrau nach, doch erneut blieb eine Antwort aus. So ritten sie schweigend weiter, so dass Tsuki trotz des Regen, der erneut ihre Kleidung komplett durchweichte und sie so frieren ließ, nach einer Zeit hinter ihm eindöste und erst aufwachte, als sie bei einer Baumgruppe zum Stehen kamen. Sie sah sich blinzelnd um und brauchte etwas um festzustellen, dass es bereits dämmerte und der Regen nachgelassen hatte. „Was...“, begann sie verwirrt, doch wieder einmal unterbrach Ryuujin sie. „Wir rasten hier“, erwiderte er und ließ sich selbst vom Pferd gleiten, woraufhin Tsuki fast das Gleichgewicht verlor. „Brauchst du Hilfe?“, fragte er mürrisch, was sie mit einem Kopfschütteln verneinte. Dann ließ sie sich vom Pferd gleiten und landete leichtfüßig auf dem Boden, wo sie auch stehen blieb und darauf wartete, was er nun vorhatte. „Komm“, meinte er, nahm das Pferd bei den Zügeln und ging soweit in den Hain, dass man sie von der Straße aus kaum noch sehen konnte. Dort band er das Pferd an einem Ast fest und setzte sich auf den Boden. Dieser war zwar auch etwas feucht, aber nicht so nass, wie die ungeschützte Straße oder ihre vom Regen triefende Kleidung. Tsuki blickte sich unschlüssig um, ehe sie sich schließlich doch ein Stück von ihm entfernt an einen Baum gelehnt setzte und die Arme um sich schlang. So legte sich Stille über die kleine Gruppe, welche eine ganze Weile anherrschte, ehe Ryuujin sie wieder brach: „Hast du Hunger, Mädchen?“, fragte er. „Tsuki...“, murmelte sie nur. „Ich heiße Tsuki, bitte, nenn mich auch so.“ Er seufzte. „Hast du Hunger, Tsuki-san?“, wiederholte er seine Frage dann, woraufhin sie nur leicht nickte. Nun öffnete er den Beutel, den er mitgenommen hatte und reichte ihr drei Streifen Dörrfleisch. „Tut mir leid, aber ich hab nicht wesentlich mehr“, entschuldigte er sich, was Tsuki überrascht aufblicken ließ. Darum sagte sie erst einmal nichts, sondern kaute einfach nachdenklich auf dem Fleisch herum. Auch er nahm sich von dem Fleisch und so herrschte erneut eine Weile Schweigen. „Warum hast du das getan?“, fragte Tsuki nach einer Weile. „Warum hilfst du mir?“ Nun sah sie ihm in die Augen. Sie hielt ihn nicht für böse, das hatte sie schon im Bordell nicht, doch sie hielt ihn für stolz. Gerade deshalb verwirrte sie es, dass er ihr geholfen hatte. Und durch die Art, wie er es getan hatte mehr oder weniger seinen Rang aufgegeben hatte, vor allem, da er scheinbar vorhatte sie zu begleiten. Es dauerte wieder eine Weile, bis er antwortete: „Weil ich es für richtig hielt.“ Die Fuchsfrau erwiderte nichts, sondern wartete darauf, dass er noch etwas sagte. „Ich habe schon viel zu lange nichts getan“, murmelte er nach einer Weile. „Was meinst du?“, hakte sie nun nach. „Das geht dich nichts an“, erwiderte er kühl. Sie schüttelte energisch den Kopf. „Wenn wir zusammen reisen, sollte ich zumindest wissen, wer du bist. Ich muss wissen, ob ich dir vertrauen kann.“ „Dir bleibt nichts anderes übrig“, wiederholte er seine Worte aus der Stadt. „Jetzt schon“, antwortete sie daraufhin. „Glaub mir, ich bin nicht so wehrlos, wie ich aussehe, von hier aus komme ich auch gut alleine zurecht.“ Er erwiderte nichts, sondern sah zur Baumkrone hoch. „Vielleicht will ich ja etwas heraus finden“, murmelte er dann. „Und was?“, bohrte Tsuki weiter. „Wer oder vielmehr was ich bin“, meinte er, nachdem er erneut für eine Zeit geschwiegen hatte. „Du hast mich gefragt, was ich bin, und ich weiß es nicht. Ich wusste eigentlich schon lange – nun, seit ich mich erinnern kann – dass ich kein Mensch bin, aber ich weiß nicht wer oder was ich bin oder woher ich komme...“ Diese Worte murmelte er vor sich hin, so als wollte er nicht – was auch sehr wahrscheinlich war – das Tsuki sie hörte. „Wieso?“, fragte sie dann weiter. „Wieso weißt du es nicht? Und warum hilfst du mir nun?“ „Weil du kein Mensch bist“, antwortete er, als sei dies selbstverständlich. „Ich habe sechs Jahre, die einzigen Jahre meines Lebens, an die ich mich erinnern kann, bei den Menschen, bei der Armee verbracht und Menschen verstehen wohl immer noch nicht so viel, wie es ein Yokai tut, nicht?“, meinte er. „Und du bist eine Yokai. Du bist eine Kitsune... Außerdem würde ich ohnehin nicht klüger, wenn ich dort geblieben wäre.“ Nun schwieg sie. Sie wusste nicht wirklich, was sie ihm antworten sollte, also hielt sie es für klüger zu schweigen. „Wir sollten uns ausruhen“, meinte er schließlich und lehnte sich ebenfalls gegen einen Baum, wobei er jedoch einen weiteren Grund, der ihn zu seinen Handlungen getrieben hatte, verschwieg... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)