Eikyû - gesegnetes Land von Alaiya (Die Legende der schlafenden Götter) ================================================================================ Kapitel 3: Die vier Wächter --------------------------- Kapitel 03 ist jetzt auch gebetat :) Danke an Licht Kapitel 03: Die vier Wächter „Eine Fuchsfrau“, murmelte Fukuro völlig überrascht, während er sich hätte selbst ohrfeigen können, dass er nicht von selbst darauf gekommen war. Auch der Oni sah die Füchsin nicht minder überrascht – schon fast erschrocken – an, als Tsuki in ihrer neuen Gestalt auf dem Boden landete und ihn ansah. Es war eine hübsche Füchsin, die dort zwischen den beiden stand: groß gewachsen, wie die meisten Kitsune, und mit wunderschönem, silbern glänzendem Fell. Die neun Schwänze standen gefächert ab, während die goldenen Augen ganz auf den Dämon fixiert waren. Dieser fasste sich nun endlich. „Ein Fuchsgeist“, begann er verächtlich und mustere sie dabei. „Soll ich davon beeindruckt sein?“ Doch er erhielt keine Antwort. Da machte er auf einmal einen Satz auf sie zu, um sie zu attackieren, doch die Füchsin wich springend aus und landete neben Fukuro, welcher sie noch immer verwundert ansah. Die goldenen Fuchsaugen erwiderten seinen Blick. „Lauf zurück ins Dorf und bring deiner Schwester das Amulett“, klang nun eine Stimme in seinem Kopf. Fukuro brauchte etwas, um sich wieder zu fangen. „Danke, Tsuki-san“, flüsterte er dann, bevor er wieder ein Handzeichen machte. „Kiéyo!“ Damit war er verschwunden und Tsuki wandte sich dem Oni zu. „Was soll das?“, rief dieser nun empört. „Feiglinge!“ Er sah sich um, konnte aber keine Spur von dem jungen Mann entdecken. „Du...“ Er funkelte Tsuki wütend an. Die Kitsune erwiderte seinen Blick fest. „Du wolltest doch kämpfen“, war ihre Stimme nun zu vernehmen. Jedoch sprach die Füchsin nicht selbst. Vielmehr schien ihre Stimme aus allen Richtungen zu kommen, so als ob es die Bäume waren, die sprachen. Mittlerweile hatte der Oni sich wieder einigermaßen gefasst. Er lächelte grimmig und hob den rechten Arm. „Glaub nicht, dass du diesen Kampf überlebst“, meinte er dann mit selbstsicherer Stimme, was Tsuki nur mit einem Blick erwiderte, der etwas wie „das werden wir ja sehen“ zu sagen schien. Und mit einem Mal brachen die beiden aus diesem scheinbaren, kurzen Standbild aus: Der Dämon sprang rückwärts wieder in das Geäst eines Baumes, während sich die Füchsin duckte und den ganzen Körper anspannte. Dann flogen ihr weitere Schockwellen entgegen. Den ersten drei Schockwellen wich sie aus, indem sie in die Luft sprang. Die Attacken prallten auf den Waldboden und hinterließen einen gut zwei Schritt tiefen Krater an der Stelle an der die Füchsin gestanden hatte. Diese stand nun auf einem breiteren, tief gelegenen Ast eines Baumes und blickte den Dämon weiterhin fest, fast störrisch, an, doch dieser lachte nur: „Ja, weglaufen kannst du! Aber kämpfen? Elendes Mistvieh!!“ Und im nächsten Moment flogen weitere seiner Attacken über die Lichtung, trafen verschiedene Bäume und brachte sie zu fall. Die Kitsune sprang unterdes jedoch von Ast zu Ast immer wieder nach oben, immer knapp von den Attacken verfehlt, in die Spitze eines Baumes, die sie genau in dem Moment erreichte, wie eine weitere Schockwelle den unteren Teil des Baumes traf. Während der Baum fiel, stieß sich die Füchsin von dem Ast, auf dem sie zuletzt gestanden hatte, ab und sprang in die Luft, so dass sie im nächsten Moment genau zwischen dem Mond und dem Dämon war. Und da fingen wieder die Glöckchen an zu läuten, aber dieses Mal in einem tieferen Ton als bisher, und es bildete sich wieder ein Schimmer auf dem Fell der Füchsin. „Ich weiß nicht, was du vorhast, doch ich garantiere dir, es wird dir nichts nützen!“, rief der Dämon, nun sich seines Sieges bereits sicher, doch als er sie erneut attackieren wollte, bemerkte er den Schimmer, der seinen Körper umgab und verstand zu spät, was die Fuchsfrau gemacht hatte: Der Schimmer hatte seinen Körper gefangen; er war bewegungsunfähig. Fukuro hastete – derweil wieder sichtbar – durch den Wald in Richtung Hayashimura. Langsam war ihm klar geworden, warum er und Tsuki solange für den Weg zum Versteck gebraucht hatten. Der Oni hatte einen Zauber, eine Art magische Endlosschleife in den Wald gelegt und sie waren blindlings in diese Falle getappt, wahrscheinlich kostbare Stunden lang im Kreis gelaufen ohne es zu merken. Nun merkte er, wie sich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend breit machte. Nicht, weil er so spät dran war, auch nicht, weil Tsuki allein dort auf der Lichtung mit dem Dämon kämpfte, nein, das war es nicht, dafür aber der kalte Wind, der ihm entgegen kam. Viel zu kalt für eine Sommernacht... Und dafür konnte es nur einen Grund geben. „Yuki“, flüsterte er und beschleunigte seine Schritte noch einmal. Doch als er dem Dorf näher kam, bildeten sich bereits Schwaden kondensierten Atems vor seinem Gesicht wenn er ausatmete und die Bäume, wie auch der Boden, waren von weißem, glitzernden Raureif überzogen. Endlich lichteten sich die Bäume und das Dorf wurde sichtbar. Als er auf die Lichtung trat, schlug ein kalter Wind Fukuro entgegen. Das ganze Dorf war mit Eis und Schnee bedeckt. „Verdammt“, fluchte er leise. „Yuki.“ Er schloss die Augen und konzentrierte sich um die Aura seiner Schwester zu erspüren. Sie musste hier irgendwo sein. Da riss er auf einmal die Augen auf und fluchte erneut. Heute schien einfach alles schief zu gehen! Dann rannte er weiter in das Dorf hinein, zu den Ruinen des Tempels, von wo aus er die Aura seiner Schwester gespürt hatte und noch eine andere, viel mächtigere Aura, die nur einen Ursprung haben konnte, denn es gab kein lebendes Wesen in Eikyû mit solch einer Macht. Es war die Aura Namidas, der Träne des Phönix’. Der Dämon funkelte Tsuki, die mittlerweile wieder mit allen vier Pfoten auf dem Waldboden stand, an. Ihre Glöckchen bimmelten wieder beständig, während ihr Fell etwas an Schimmer verloren hatte. Dafür leuchteten die goldenen Fuchsaugen umso mehr. „Du...“, knurrte der Dämon, konnte aber nicht wesentlich mehr sagen, da der Zauber der Kitsune ihn komplett bewegungsunfähig machte und das galt auch für seinen Mund. Dann erschien wie aus dem Nichts eine blauweiße Flamme an dem Ende von jedem der neun Fuchsschwänze und ein solches Feuer bildete sich nun auch um den Körper des Dämons. Als die Füchsin nun ihre Schwänze, die sie während des Kampfes dicht aneinander gehalten hatte, so weit wie ihr irgend möglich fächerte, wurde der Körper des Dämons gestreckt und begann in der Luft zu schweben. Er schrie, als er spürte wie seine Energie, die Energie, die ihn seit fast hundert Jahren am Leben erhielt, aus ihm heraus gesaugt wurde. So schien es nun fast so, als hätte die Füchsin den Kampf gewonnen, doch da fegte eine unsichtbare Welle über die Lichtung und über den gesamten Wald hinweg, wehte tausende Blätter von den Bäumen. Die Kitsune riss den Kopf in die Richtung herum, aus der diese Welle gekommen war, in die Richtung des Dorfes. Das Läuten der Glöckchen verstummte und das Leuchten ihrer Augen verschwand. In dem Moment erlangte der Dämon seine Bewegungsfähigkeit zurück. Auch sein Kopf fuhr in die Richtung des Dorfes, er verengte die Augen und sprach das aus, was der Kitsune schon klar war, seit sie die Energie gespürt hatte. „Namida. Sie ist erwacht.“ Dann machte er einen Sprung und verschwand im Wald. Erst da konnte sich die Kitsune losreißen und folgte ihm, wobei sie wieder ihre menschliche Gestalt annahm. Der Wind blies Fukuro kalt und erbarmungslos entgegen, während er sich durch den kniehohen Schnee zwischen den Häusern voran kämpfte, dorthin, wo seine Schwester – und Namida – waren: Zu den Ruinen des Tempels. Fukuro trat zwischen den letzten beiden Gebäuden hervor und musste sich ducken um dem Wind standhalten zu können. „Yuki“, flüsterte er. Er musste ihr das Amulett bringen. Es war nicht das erste Mal, dass sie die Beherrschung verlor, doch bisher war ihre Macht dabei nicht von einem Gegenstand wie der Träne des Phönix’ verstärkt worden. Nun kniff er die Augen zusammen und sah sie endlich: Sie stand mit ausgebreiteten Armen auf einem der stark verkohlten Pfeiler des Tempels. Ihre Augen schimmerten, jedoch vollkommen anders als die der Kitsune. Sie waren eiskalt und blau. Auch die rote Namida, die nun um den Hals der Schneefrau lag, war von blauem Schimmer umgeben. Und da war noch etwas: Dort lag eine ohnmächtige – vielleicht sogar tote – Gestalt an einer durch die Trümmer etwas vor dem Schnee geschützten Stelle. Doch durch den Schneesturm, der hier herrschte konnte Fukuro nichts Genaueres erkennen. So wanderte sein Blick wieder zu seiner Schwester. Ihr Zopf hatte sich gelöst und ihr Haar wirbelte nun – wie auch Teile des Kimonos – in einem Tornado um sie herum. Im Moment war sie das reine Abbild ihrer Mutter: Die todbringende, wunderschöne Königin der Kälte. Fukuro hatte Glück, dass sie ihn bisher nicht bemerkt hatte, doch was sollte er nun tun? Wie sollte er ihr jetzt – so mächtig wie sie durch die Namida nun war – das Amulett anlegen oder nur in ihre Nähe kommen? In diesem Moment legte sie den Kopf zurück und schloss die Augen. Der Wind ließ etwas nach. Gleichzeitig ertöne ein Poffen neben Fukuro, was ihn dazu brachte, seinen Blick für einen Moment von seiner Schwester abzuwenden, doch da klammerte sich schon ein zitternder Tohon an seinen Arm. „Wo ist Kitsune-han?“, piepste er und sah ihn mit tränenglänzenden Augen an. „Was ist passiert?“, erwiderte Fukuro bloß. Der Geisterjunge schüttelte den Kopf. „Deine Schwester... Sie hat die Namida vom alten Kannushi gestohlen...“ Da drehte er auf einmal den Kopf zur Yuki Onna und Fukuro folgte seinem Blick. Yuki hatte die blau glühenden Augen wieder geöffnet und fing an zu lachen. Dann machte sie mit ihrer Hand eine plötzliche Bewegung, mit der sie die Namida berührte. Doch kaum hatte er diese Bewegung registriert, wurde Fukuro von einer Welle reiner Macht zurück geworfen und landete im Schnee, zusammen mit dem Geisterjungen, der sich immer noch an ihn klammerte. Zugleich wurde von der Energiewelle Schnee aufgewirbelt, der die beiden unter sich begrub. Verdammt, fluchte Fukuro innerlich, als der Schnee ihm den Atem nahm und er verzweifelt begann mit Armen und Beinen zu zappeln, um sich zu befreien. Retten tat ihn letzten Endes Tohon, der mit einem kleinen Wirbelwind den Schnee beiseite fegte. Doch sobald der Schnee ihn nicht mehr bedeckte, hörte er nur eines: Das Lachen der Schneefrau, welches so gar nicht mehr nach seiner Schwester klang. Da konnte er nicht anders. Er richtete sich auf und schrie nach seiner Schwester: „YUKI!!!“ Doch bevor er ein Weiteres tun konnte drehte sie sich zu ihm um und auf einmal wurde er von dem Wind in die Höhe gehoben – unfähig sich zu wehren. Und die Schneefrau lachte weiter: „Was willst du, Mensch?“, fragte sie höhnisch, während die Winde durch sein Gewand und seine Haut schnitten, bis er begann vor Schmerzen zu schreien. Es war aussichtslos. Doch mit einem Mal ließ der Wind nach und er fiel zurück in den Schnee, wo er schnaufend liegen blieb, ohne zu wissen was passiert war. Tatsächlich hatte der Oni Yuki von hinten attackiert und sie von dem Pfeiler geworfen, was dafür gesorgt hatte, dass sie die Kontrolle über ihren Zauber verlor. Sie rappelte sich wieder auf und blickte ihren neuen Gegner an. „Gib mir die Namida, Mädchen“, forderte dieser nun und trat auf sie zu. Sie knirschte nur mit den Zähnen und funkelte ihn weiter hasserfüllt an. „Niemals!“ Einen kurzen Moment lang erfüllte Stille den Platz zwischen Dorf und Bäumen, dann sprangen die beiden Kontrahenten mit einem Mal zurück und schickten eine Attacke – die Schneefrau einen Schneidewind, der Dämon eine seiner Schockwellen – in die Richtung des jeweils anderen los, die unter gewaltigem Schneegestöber aufeinander trafen, das für einige Augenblicke jeglichen Blick auf die Gegner verwehrte. Als sich der Schnee lichtete, waren die beiden bereits in einen heftigen Kampf verstrickt. Noch immer lag Fukuro keuchend im Schnee und Tohon schwebte über ihm, als ein Paar nackter Füße neben ihm erschien. Tohon sah auf. „Kitsune-han!“, rief er überglücklich und klammerte sich im nächsten Moment schon an sie. „Kitsune-han, dieses Mädchen, seine Schwester, sie ist...“ Doch bevor er weiter sprechen konnte, unterbrach sie ihn. „Ich weiß, Tohon, ich weiß.“ Sie tätschelte seinen Kopf und wandte sich dann an Fukuro. „Kannst du aufstehen?“ fragte sie und kniete sich neben ihn. Er schluckte. „Ja, ich denke schon“, erwiderte er und stützte sich auf, um sich aufzurichten, aber er verlor den Halt und fiel wieder keuchend zu Boden. Die Kitsune beugte sich über ihn. „So wird das nichts“, meinte sie kopfschüttelnd und streckte ihm die Hand entgegen. „Gib mir das Amulett.“ Misstrauisch sah er sie an. „Was hast du vor?“, fragte er. „Du weißt, dass du mir vertrauen kannst“, antwortete sie. „Du kannst ja kaum aufrecht sitzen, geschweige denn kämpfen. Ich werde deiner Schwester das Amulett anlegen.“ Er nickte zögernd und zog das Armband aus der Tasche. „Beeil dich“, flüsterte er. „Mach dir keine Sorgen“, antwortete sie, bevor sie sich an Tohon, der immer noch über dem jungen Mann schwebte, wandte: „Pass auf ihn auf, Tohon“, befahl sie, was den Geisterjungen grinsen ließ. „Zu Befehl, Kitsune-han!“, rief er, als sie sich bereits von ihnen abwandte, hin zum Oni und der Schneefrau. Diese war noch immer im Besitz der Namida und dadurch ihrem Kontrahenten eindeutig überlegen, so dass dessen Versuche, sie anzugreifen nahezu lächerlich wirkten, da er immer wieder zurückgeworfen wurde. Mit zusammengekniffenen Augen folgte Tsuki ihren Bewegungen. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich direkt in den Kampf einzumischen. Solange diese im Besitz der Namida war, wäre Yuki auch ihr überlegen. Tsukis Hoffnung beruhte darauf, nahe genug an sie heran zu kommen, um ihr das Amulett anzulegen. Dann würde sie ihr auch die Namida abnehmen können. Nun begannen die Glöckchen sich zu bewegen, wenn auch ihr Klang beinahe gänzlich vom Wind verschluckt wurde. Doch augenblicklich schien der Wind um die Kitsune herum nachzulassen, so dass sie sich mühelos bewegen konnte – hinüber zu den Ruinen, in deren Schatten sie in Deckung ging, um auf den richtigen Augenblick zu warten. Der Kampf zwischen Yuki und dem Oni beruhte mittlerweile darauf, dass die Schneefrau alles versuchte, um den Dämon außer Gefecht zu setzen – zu töten – während dieser eingesehen hatte, dass sie ihm durch die Namida überlegen war, und sich so darauf konzentrierte, ihr dieses Relikt abzunehmen. Tsuki saß derweil zusammengekauert im Schatten der Ruinen und beobachtete den Kampf. Sie musste abwarten, bis sich eine Gelegenheit ergab – der Kampf weniger schnell war. Sie durfte nicht riskieren, dass sie entdeckt wurde, bevor sie Yuki das Amulett angelegt hatte. Wenn sie auf einmal beide, die Schneefrau und den Oni gegen sich hatte, sah es schlecht für sie aus. Doch während die Kitsune noch nachdachte, geschah genau das, worauf sie gewartet hatte: Die Attacken der Gegner prallten wieder unter gewaltigem Schneegestöber aufeinander, doch während der Dämon im dichten Schnee so gut wie blind war, griff die Yuki Onna ihn erneut an, so dass er zurück geworfen wurde und rücklings im Schnee landete. Doch bevor er sich wieder aufrichten konnte, war die Schneefrau schon über ihm und drückte ihn weiter zu Boden, die Hände auf seine Brust gepresst. Zuerst verstand der Oni nicht, doch da merkte er, was sie tat: Sie absorbierte seine Energie! Diesen Moment nutzte Tsuki aus. Mit ein paar Sprüngen war sie bei den beiden, stürzte sich von hinten auf Yuki und riss deren rechten Arm hoch. Die Schneefrau wandte ihren Kopf um und fauchte sie an. Sie versuchte Tsuki wegzustoßen, doch diese war schneller, denn sie hatte das Amulett schon in der Hand und drückte es gegen das Handgelenk der Yuki Onna. Diese funkelte sie an. „Du...“ Doch da zuckte sie zusammen. Das Amulett zeigte schnell seine Wirkung und ihre Kraft schwand trotz der Namida. Die Schneefrau blinzelte. „Was...?“ Dann verlor sie das Bewusstsein. Tsuki atmete auf. Sie hatte es tatsächlich irgendwie geschafft. Ihre Erleichterung war jedoch schnell verflogen, als das Lachen des Oni, der noch immer unter ihnen lag, sie in ihre Situation zurück katapultierte. „Danke, Fräulein Fuchs“, lachte er, während er aufstand und dabei Schnee- und Fuchsfrau in den Schnee warf. Bevor Tsuki die Situation begreifen konnte, bückte er sich zu Yuki und riss ihr die Namida vom Hals. „Oh nein...“, hauchte Tsuki, während sie sich mit ansehen musste, wie der Dämon sich langsam und mit Genugtuung die Kette ums Handgelenk wickelte. „Vielen Dank“, wiederholte er dann an die Kitsune gewandt, die das Gefühl hatte, ihr Herz wäre stehen geblieben. „Wärst du nicht gewesen hätte sie mich getötet. Du hast mir nicht nur das Leben gerettet, sondern hast auch noch dafür gesorgt, dass die Namida nun mein ist. Vielen Dank!“ Er lachte höhnisch. Tsuki richtete sich mühsam auf, sie fühlte sich plötzlich viel erschöpfter, als noch kurze Zeit zuvor. Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können? Sie hatte sich so darauf konzentriert, Yuki das Amulett anzulegen, dass sie die Namida vollkommen vergessen hatte. „Gib die Namida zurück“, forderte sie, obwohl sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie die Hoffnung gehabt, dass bald alles überstanden war, doch nun war selbst der letzte Funke davon in ihr verloschen. Der Dämon grinste breit und ging langsam – fast unerträglich langsam – auf sie zu. „Glaubst du wirklich, dass du jetzt noch irgendetwas erreichen kannst?“, fragte er und musterte sie dabei abwertend. Sie funkelte ihn wütend an, sagte aber nichts. Nun hob der Oni seine Hand und sah diese interessiert an, so als hätte er sie zuvor noch nie gesehen. Er bewegte und wendete sie einige Male, während er zu sich selbst sprach: „Es stimmt also, was man über die Namida sagt“, murmelte er, bevor er mit einer für das Auge viel zu schnellen Bewegung Tsuki an der Gurgel fasste und einige handbreit anhob. „Merk dir eines, kleine Füchsin: Sollte ich dich oder einen deiner dummen Freunde irgendwann einmal wieder sehen, wird derjenige das Treffen nicht überleben!“ Damit stieß er sie von sich, so dass sie einige Schritte weit flog und rückwärts gegen einen der brüchigen Pfeiler des Tempels prallte, welcher bei dem Aufprall zersplitterte. Dann verlor sie das Bewusstsein. Das erste, was Tsuki merkte, als sie wieder zu sich kam war, dass sie auf einem Futon neben einem Feuer lag und ihr Rücken unerträglich schmerzte. Langsam öffnete sie die Augen. Bis auf den Schein des Feuers, vor dem sie einen Schatten knien sah, war es dunkel im Raum. Es war also Nacht. Jedoch wusste sie nicht, ob es noch dieselbe Nacht war, wie jene, in der der Kampf statt gefunden hatte. Der Kampf... Sie schreckte auf, fuhr aber gleich wieder stöhnend auf ihr Lager zurück. „Du bist wach?“, fragte die vertraute Stimme der alten Miko. Doch bevor sie antworten konnte, schwebte Tohon schon über ihr. „Kitsune-han!“, rief er überglücklich und warf sich ihr um den Hals. „Ich hatte schon gedacht, du wachst gar nicht mehr auf.“ Tsuki tätschelte seinen Kopf. „Wie lange war ich ohnmächtig?“, fragte sie nun mit belegter Stimme. „Einen ganzen Tag“, erwiderte die Miko und kniete sich nieder um ihr aufzuhelfen und ihr dann einen Becher warmen Tee zu geben. Tsuki trank dankbar, denn ihr Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an. Immer wieder musste sie blinzeln, weil das Bild vor ihren Augen verschwamm. „Was ist mit der Namida?“, fragte sie schließlich. Auf diese Frage hin herrschte eine Weile gedrücktes Schweigen. „Der Oni hat sie wohl noch immer“, antwortete Fukuro, den Tsuki nun auf der anderen Seite des Feuers erkannte. Sein Oberkörper war entblößt und mit vielen dünnen Schnitten, die von den Winden der Yuki Onna herrührten, übersät. Sein Kimono wurde um die Hüfte durch den Gürtel zusammen gehalten. Tsuki seufzte. Also war der Kampf umsonst gewesen. „Was ist mit Yuki und dem Kannushi?“, erkundigte sie sich dann niedergeschlagen. Tohon löste sich etwas von ihr. „Der Kannushi schläft“, sagte er. „Und die Yuki Onna...“ „Sie ist keine richtige Yuki Onna!“ widersprach Fukuro heftig, senkte aber wieder die Stimme. „Unser Vater war ein Mensch.“ Schon wollte Tsuki erwidern, dass Yuki Onna meistens immer menschliche Väter hatten, da es keine männlichen Yuki Onna gab, ließ es aber sein, als sie den schmerzerfüllten Blick in seinen Augen sah. So schwiegen sie, bis auf einmal die Tür zur Seite geschoben wurde und der Kannushi, auf einen Stock gestützt, in den Raum kam. „Was schreit ihr so?“, fragte er etwas außer Atem. „Ich alter Mann versuche zu schlafen.“ Fukuro senkte den Blick. „Ich bitte um Entschuldigung, Kannushi-sama.“ Daraufhin schüttelte der alte Mann den Kopf und ließ sich vorsichtig neben dem Feuer nieder. Dann seufzte er. „Das Schicksal ist uns nicht hold“, murmelte er. „So viele Übel und nun wird auch noch die heilige Namida gestohlen.“ Er schüttelte erneut den Kopf. „Die Träne des Phönix war unser Schutz... Und nun? Ein Dämon hat sie gestohlen!“ Damit wandte er sich zu Fukuro. „Das ist einzig und allein die Schuld von dir und deiner Schwester!“ Der Ninja starrte stumm ins Feuer, so dass Tsuki das Wort ergriff: „Es ist nicht ihre Schuld, Kannushi-sama“, erwiderte sie. „Der Oni...“ „Raiu Akki“, warf Fukuro ein, ohne den Blick vom Feuer abzuwenden. „Das ist sein Name.“ „Gut...“ Die Fuchsfrau nickte. „Raiu Akki hat ihr Dorf überfallen und sie als einzige am Leben gelassen.“ Das hatte sie sich von Fukuros Worten und dem, was der Dämon sagte, zusammen gereimt. „Er hätte sie auch getötet, hätten sie nicht versucht die Namida zu stehlen... Außerdem...“ Sie schluckte. „Außerdem hätte der Dämon die Namida nicht bekommen, wäre ich nicht gewesen“, endete sie den Satz betrübt und sah nun ebenfalls dem tanzenden Spiel der Flammen zu. „Kitsune-han“, seufzte Tohon. „Es ist nicht deine Schuld.“ Er klammerte sich wieder an sie, bis sie den Arm um ihn legte. Nun stand Fukuro auf. „Er hat Recht, Tsuki-san“, meinte er und setzte sich neben sie. „Du hast nur helfen... uns helfen wollen.“ Er seufzte. „Der Kannushi hat Recht. Es ist unsere Schuld. Wir haben den Dämon erst hierher geführt.“ Damit tätschelte er ihre Schulter. Tsuki seufzte. „Danke... Aber...“ Sie sah in die Runde. „Ich fürchte, dass mehr hinter der Sache steckt, als wir denken. Ich... In letzter Zeit spürte ich eine starke, dunkle Macht im Norden... Und sie wird mit jedem Tag stärker. Ich fürchte, dass alles miteinander zu tun hat. Es ist kein Zufall, dass der Oni grade jetzt die Namida stielt und ich befürchte...“ Mit einer kurzen Pause holte sie tief Luft. „Ich fürchte, dass sie alle vier Heiligtümer stehlen wollen.“ „Aber wieso?“, warf Fukuro sofort ein. „Ich meine, was haben sie davon? Die Heiligtümer verstärken, wenn es stimmt, was ich weiß, zwar Magie und auch körperliche Stärke, aber...“ Die Kitsune brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. Da mischte sich die alte Miko ein. „Ich dachte du würdest die Legenden kennen, junger Ninja.“ „Was...“ Fukuro sah fragend zwischen ihr und Tsuki hin und her. „Sicher kenne ich die Legenden, aber... Nun... Es sind Legenden“, meinte er verwirrt. „All die Dinge, dass die vier Reiche einmal eins gewesen sind... Und die Wächter.“ Er brach ab. „Ich meine, wenn diese Wächter so mächtig sind... Wieso haben sie dann zugelassen, dass ‚Eikyû’ gespalten wurde? Und wieso lassen sie zu, dass die Reiche sich bekriegen?“ Während er sprach kam er sich dumm und unwissend vor, weil er auf der einen Seite Tsuki glaubte, es aber von seinem Verstand her nicht begreifen und sich nicht erklären konnte, wo er und seine Schwester hinein geraten waren. Und alle hier schienen mehr zu wissen als er. „Weil sie schlafen“, antwortete der Kannushi ihm. „Sie schlafen, wie es die Legende sagt.“ „Aber...“, setzte Fukuro erneut an, doch Tsuki hob die Hand um ihn zum Schweigen zu bringen. „Das Böse, das Dunkle in den Wesen dieser Welt, wurde zu stark“, erklärte sie mit ernstem Blick. „Ihr Glaube zu schwach. Sie machten die Götter für ihr Elend verantwortlich und das raubte diesen Geduld und Kraft den Menschen gegenüber. Sie haben sich schlafen gelegt und mit ihnen auch die Wächter. Doch im Gegensatz zu den Göttern hinterließen sie...“ „Die vier Heiligtümer...“, endete Fukuro den Satz. „Die Rüstung Yoroi, den Dolch Yaeba, das Amulett Namida und das Schwert Tsume.“ Die anderen nickten. „Wer alle vier Heiligtümer stielt...“, begann der Kannushi. „Wenn alle zusammen gebracht werden... Die Heiligtümer waren zum Schutz der Reiche bestimmt. Wenn sie aus diesen heraus gebracht werden, verlieren die Reiche ihren Schutz. Die Götter wissen, was dann aus uns wird. Vor allem, wenn die Heiligtümer in den Besitz eines Dämons fallen...“ Er sprach nicht weiter und so legte sich einmal mehr langes Schweigen über die Runde, bis Fukuro wieder das Wort ergriff. „Ich werde mit meiner Schwester den Dämon suchen und die Namida zurück bringen.“ Alle sahen ihn an. „Eine mutige Entscheidung“, meinte die Miko, doch Tohon, der sich die ganze Zeit an Tsuki geklammert hatte, löste sich nun von ihr und schwebte auf Fukuro zu. „Du bist ein Mensch und damit auch schwach. Außerdem bist du nicht magiefühlig, oder?“ „Nein“, erwiderte der junge Mann, dessen Entschluss bereits fest stand, und sah ihn an. „Deine Schwester?“, fragte Tohon mit verschränkten Armen weiter. Fukuro schüttelte den Kopf. „Nicht – oder kaum – solange sie das Amulett trägt.“ Daraufhin stöhnte der Geisterjunge auf. „Und wie, bei allen Göttern, wollt ihr den Dämon und die Namida dann finden?“, schnaubte er den Ninja an. Doch da mischte sich Tsuki ein. „Tohon, glaub mir, sie werden die Namida finden“, sagte sie und zog den Geist an seinem Kimono wieder zu sich. „Und wieso glaubst du das?“, fragte der Kannushi und sprach damit die Frage auf den Herzen aller aus. Die Fuchsfrau sah in die Runde. „Weil ich sie begleiten werde.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)