Icecube von RedSky (Fortsetzung zu "Sugarcube") ================================================================================ Kapitel 8: Tears in Meguro -------------------------- ..................etwas Weißes...........lautlos.........weder Raum noch Zeit..........alles....oder nichts...? Taiji konnte nichts zuordnen, konnte keine Führung über das Geschehene übernehmen.....er wusste nicht, wo er war. Irgendwann war er der Meinung, er spürte wie sich sein eigener Körper bewegte....oder bewegt wurde..... Doch er konnte es nicht steuern. Verdammt, GOTTVERDAMMTE SCHEISSE TAT DAS WEH!! Als er etwas sagen wollte streikten seine Lippen und seine Zunge, als er schreien wollte hatte er keine Stimme. Sein Körper veränderte seine Position........waren das Hände, die er wahr nahm? Was war los? Wo war er und was passierte gerade? Doch noch bevor er überhaupt die Chance hatte, diese Fragen beantwortet zu bekommen, nahm das Weiß wieder zu und übermannte ihn.......... . . . . . . . . . . . . . . . . Als Taiji das zweite Mal wach wurde, war das Erste was er sah abermals die Farbe Weiß. Seine Augenlider fühlten sich schwer wie Blei an, er bekam sie mit Mühe und Not gerade mal halb geöffnet. Weiß. Keinerlei Abhebungen, keine Unregelmäßigkeiten. Nur nichtssagendes, monotones Weiß. Doch dann fiel ihm auf, dass er seine Augen bewegen konnte. Er blinzelte vorsichtig zur Seite und erkannte eine gleichmäßige Einbeulung an der Wand. Nach kurzem Überlegen identifizierte er Dies als Fenster. Diese waren umrahmt von Gardinen – natürlich auch in Weiß. Gerade als er seine Umgebung weiter mit den Augen erkunden wollte, hörte er das Geräusch einer sich öffnenden Tür und die Schritte einer Person. Taiji gab sich einen Ruck und drehte seinen Kopf ein Stück in die Richtung, aus der er die Akustik vernommen hatte. Zu seiner Überraschung ging diese eine Bewegung viel leichter, als er selbst damit gerechnet hatte. Vor sich sah er nun einen mittelgroßen Mann stehen, schwarze Haare zu einem zeitlosen Kurzhaarschnitt und ein – was für eine Überraschung – weißer Kittel. Taiji hatte schon mehrfach Bekanntschaft mit solchen Gestalten gemacht. In dem Moment wurde ihm bewusst, dass er sich in einem Krankenhaus befinden musste. „Ah, sie sind wach, sehr schön!“, freute sich der Arzt und schob seine Brille mit einer flüchtigen Handbewegung auf seiner Nase zurecht. „Wissen sie, wie sie heißen?“ Taiji blinzelte. Wie er selbst hieß? Wie hieß er noch gleich.....? „...äh........Sa-....Sawada..........Sawada...Taiji.....glaub´ ich...“ Seine Stimme war heiser und rau. Der Arzt mit dem freundlichem Lächeln auf seinem runden Gesicht nickte zufrieden. „Sehr schön. Wissen sie noch, was passiert ist? Warum sie hier sind?“ Doch diesmal musste Taiji passen. Seine fragenden, rehbraunen Augen hafteten an Denen des Arztes. „Sie hatten einen Verkehrsunfall mit ihrem Motorrad“, begann der gutmütige Mann im weißen Kittel. Sofort riss Taiji seine eben noch schweren Augenlider vollständig auf! Panik stand in seinen Augen. „Yoshiki.....!“, keuchte er entsetzt. Diese Namensnennung schien nun den Arzt leicht zu verwirren. „Wen meinen sie damit?“, hakte er vorsichtig nach. „War....war Yoshiki nicht....dabei....?“, krächzte der lockige Patient. Er spürte, wie bei dem Gedanken an Yoshiki sein Puls deutlich höher schlug. Der Arzt, der laut Namensschildchen 'Takanashi' hieß, warf einen Blick auf sein Protokoll, Welches er schon die ganze Zeit dabei trug. Überflog kurz die darauf festgehaltenen Informationen und blickte dann wieder Taiji an. „Es tut mir Leid......“ Taiji´s Puls raste, sein Herz hämmerte schmerzhaft gegen seinen Brustkorb, als er die Worte hörte. Das durfte nicht wahr sein, das durfte nicht..... „...aber einen Beteiligten mit Namen Yoshiki haben wir nicht aufgelistet bekommen.“ Der Bassist schloss die Augen und schluckte hart. Wem auch immer er dafür danken konnte – er tat es gleich in doppelter Ausführung. Herr Doktor Takanashi blickte fragend auf seinen Patienten. „Ist alles in Ordnung?“ Taiji nickte nur ganz knapp, behielt die Augen jedoch geschlossen. Er wollte nicht noch mehr Weiß sehen. Wieder warf der Arzt einen Blick auf sein Protokoll. „Wie gesagt, ein Verkehrsunfall, in Welchem sie auf nasser und glatter Fahrbahn offenbar die Kontrolle über ihr Motorrad verloren haben“, berichtete er. Wenn es nur das Motorrad gewesen wäre, über Welches er die Kontrolle verloren hatte... Allmählich kamen ihm wieder Fetzen der Erinnerung, was vor besagtem Unfall passiert sein musste. Nur reichten diese Fetzen nicht bis zum Unfall selbst. „Sie hatten jedoch großes Glück, ein junger Mann war sofort vor Ort und Stelle und hat erste Hilfe geleistet. Sie haben mehrere Prellungen und Abschürfungen erlitten, und wie es aussieht auch eine kleine Gehirnerschütterung. Ansonsten fehlt ihnen nichts. Danken sie ihrem Schutzengel.“ Der Arzt sah Taiji an und nickte. „Wir würden sie dennoch gerne für zwei Tage zur Beobachtung hier behalten. Nur um auch wirklich sicher zu gehen.“ Taiji´s Aufmerksamkeit war jedoch schon bereits nach dem Wort 'Schutzengel' nur noch zur Hälfte anwesend. Er musste wirklich einen Schutzengel gehabt haben, denn Motorrad-Unfälle gingen meißtens nicht so glimpflich aus. Für gewöhnlich erlitten die Fahrer viel schwerwiegendere Verletzungen, oftmals noch mit dauerhaften Folgeschäden und nicht selten kam ein Motorradfahrer bei einem Unfall auf offener Strasse um´s Leben. Der junge Bassist war sich über die Gefahren dieser Art der Fortbewegung durchaus bewusst. Auch wenn man es ihm nicht immer ansah. Doch warum hatte ausgerechnet er in dieser Situation solch unheimliches Glück gehabt...? Warum lief es nicht völlig anders......? Dann wäre alles vorbei gewesen.... Kein X, kein Yoshiki – kein Taiji. Er schloss die Augen. Yoshiki...... War er wegen ihm nicht überhaupt erst auf´s Bike gestiegen? Um ihn zu vergessen? „WAS??!“ hide kniff die Augen fest zusammen, als sein Gehör dieser Lautstärke ausgesetzt wurde. Den Telefonhörer, den er durch eine reflexartige Bewegung von seinem Ohr weggehalten hatte, führte er nun wieder langsam zu Selbigem. „Du brauchst mir deswegen keinen Hörsturz zu verpassen....“, knirschte er und seine schlanken Finger angelten nach einem beschrifteten Zettel. „Er liegt im Shirasugi-Hospital und hat-“ Doch noch bevor hide weiter sprach, vernahm er das monotone Tuten am anderen Ende der Leitung Welches ihm vermittelte, dass sein Gesprächspartner voreilig aufgelegt hatte. „Yo-chan? Yoshiki!!“ Verständnislos gaffte er den Hörer in seiner Hand an, bevor er ihn zurück auf die Gabel legte. Wieder mal typisch für Yoshiki, dass er nicht mal zwei Sekunden warten konnte. Doch gleichzeitig konnte hide sich auch denken, warum der Leader so urplötzlich das Telefongespräch beendet hatte: Er hatte Angst um Taiji. Gleich nachdem er wusste in welches Krankenhaus Taiji eingeliefert wurde, hatte Yoshiki sich auf den Weg dorthin gemacht. Zu Vieles ging ihm gleichzeitig durch den Kopf und er spürte mehrfach, wie ihm schwindelig wurde. Doch er hörte nicht auf seinen zitternden Körper, lief so lange durch die Krankenhausflure, bis er das richtige Zimmer gefunden hatte. Er zögerte eine halbe Sekunde bevor er die Tür öffnete, hatte er doch ganz kurzzeitig Bedenken, wie Taiji in dieser Situation auf ihr reagieren würde. Doch im nächsten Augenblick stand er auch schon im Zimmer und starrte auf das Krankenbett, Welches sich vor ihm bot. Taiji. Er hatte einen Druckverband um den Kopf, sein Gesicht war ihm leicht abgewand, der Rest des Körpers wurde von der Bettdecke umhüllt. Langsam ging er auf den Freund zu, versuchte sein Zittern krampfhaft zu unterdrücken. Taiji hatte seinen Besucher registriert, schon kurz nachdem Dieser das Zimmer betreten hatte. Langsam wand er seinen Kopf in Yoshiki´s Richtung, verfolgte ihn mit den Augen, bis er an seiner Bettseite stand. Yoshiki.......... Taiji´s Denkvermögen setzte aus, er sah nur noch den Älteren vor sich stehen. Das Zittern des Drummers wurde stärker; verbissen kniff er sich mit den Fingernägeln unter den Daumennagel um sich mit dem daraus resultierendem Schmerz von seiner Nervosität abzulenken. Die braunen Locken seines Gegenübers fielen eigensinnig über den weißen Verband; zu gerne hätten seine Finger durch die wiederspänstige Lockenmähne gestrichen, doch konnte er das nicht. Wie würde Taiji darauf reagieren wenn er das jetzt einfach machen würde? Er hatte doch auch so schon genug angerichtet....... Plötzlich durchfuhr es ihn wie ein Blitz: Wenn dieser Unfall nur durch ihn zu Stande gekommen wäre.... Wenn Taiji versucht hätte, sich.... Ein leises, ersticktes Schluchzen entglitt seinem Mund. Ungewollt. „.....nie wieder......“ Unwillkürlich sank er auf die Bettseite und ergriff mit beiden Händen Taiji´s Arm, Welcher halbwegs von der Bettdecke umhüllt war. „Mach so etwas nie wieder.....“, wiederholte er seine heiseren Worte und ließ aufgelöst den Kopf sinken. Taiji erschrak innerlich, als er den plötzlichen Gefühlsausbruch des Leaders von X sah. Was war nur so plötzlich mit ihm geschehen? Was wollte er ihm auf diese Weise sagen? Aus den paar Worten die der Andere von sich gegeben hatte konnte er sich nichts zusammen reimen. Er blickte auf Yoshiki´s gesenkten Kopf, auf dessen Hände die sich fast schon hilfesuchend in seinem Arm verkrallt hatten. Von einem Moment auf den Anderen traf es jedoch auch Taiji wie ein Blitz: Sah das hier für Yoshiki gerade möglicherweise so aus, als hätte er versucht sich umzubringen? Der Lockenkopf spürte eine Gänsehaut seinen halben Körper bedecken. Das durfte doch nicht wahr sein.... Sah es wirklich so aus? „Yoshi......hey...“, versuchte er die Aufmerksamkeit des Anderen zu erlangen. Er schob langsam beide Arme unter der Decke hervor und legte sie vorsichtig um Yoshiki´s Schultern. „Hey Großer......“ Er spürte das leichte Beben des Oberkörpers, Welchen er gerade behutsam umarmt hielt. „Es ist nicht so wie du denkst....“ Seine Stimme klang ruhig und warm; er wunderte sich darüber selbst als er sie vernahm. Sofort hob der Ältere seinen Kopf, als er die zärtlichen Worte hörte. Seine Augen hatten sich in den wenigen Momenten bereits gerötet, sein Blick war glasig und spiegelte Verzweiflung wieder. Taiji spürte, wie sich ihm die Kehle binnen von Sekunden zuschnürte. Er wusste, woran Yoshiki in diesen Augenblicken dachte. Das Publikum tobte, schrie vor Freude und klatschte sich die Handflächen wund. Das gesamte Fernsehstudio war von einer unbeschreiblichen Freude und positiver Energie gefüllt, die begeisterten Rufe der Fans wollten einfach nicht verstummen. Es war nun genau eine Woche seit seinem Unfall vergangen und jetzt stand er hier neben seinen baldigen ex-Kollegen in einem der NHK-Studios, aus Welchem die Musik-Sendung 'Kouhouku' live übertragen wurde. Die Moderatoren verstanden sich prächtig mit Yoshiki, witzelten mit ihm rum. Taiji hingegen stand beinahe schon ein kaum merkliches Stückchen abseits von den Anderen und schenkte den Moderatoren kaum Beachtung. Sein Blick war auf das bunte Publikum gerichtet, doch schaute er durch sie hindurch. In der Vergangenheit hatte er solche Sylvester-Veranstaltungen immer für lustig empfunden. Doch dieses Mal konnte er keinen Funken Freude spüren. Das Einzige, was in seinem Kopf Platz gefunden hatte, waren X und Yoshiki. Und ein nervenzermürbender Strudel, der diese beiden Sachen mit sich riss. Fast so als hätte man den Stöpsel aus der Badewanne gezogen und das benutzte Wasser eilte wirbelartig und um sich selbst drehend auf den Ausfluss zu..... Nach ihrem Auftritt in der Sendung begaben sich X nach Meguro, wo sie schon für den Live-Countdown erwartet wurden. Sie lagen noch gut in der Zeit und hatten sogar noch vor ihrem Auftritt eine gute halbe Stunde Freizeit. Diese nutzte jeder von ihnen auf seine ganz eigene Art. hide löste sich bald schon von den anderen und begab sich zu einem der hinteren Fenster des großen Aufenthaltsraumes. Mit fließenden Bewegungen öffnete er es, stützte seine Unterarme auf den Fensterrahmen und blickte hinaus. Alles ohne eine Bemerkung von sich zu geben, ohne auch nur ein einziges Wort zu sprechen. Er wollte auch gar nicht reden. Wollte nur in die Nacht hinaus blicken. In die Nacht, die so schwarz und undurchsichtig war wie seine Gedanken. Dies war das letzte Mal, dass X Sylvester gemeinsam verbrachte. Gemeinsam mit Taiji. Gemeinsam als Gruppe, die über die Jahre gewachsen war, gewachsen an Erfahrung und Kraft, an Kreativität und Erfolg. Zusammen. Sie hatten immer zusammen gehalten, auch wenn die Zeiten noch so bedrohlich und kräftezehrend waren. Sie hatten sich alle gegenseitig Halt gegeben in den härtesten Situationen. Jeder konnte sich auf den Anderen verlassen. Seine Augen füllten sich immer bedrohlicher mit Tränen; es würde nicht mehr lange dauern bis das Augenlid die Flüssigkeit nicht mehr tragen könne. Er hatte oft mit Taiji zusammen gesessen und Gitarre gespielt... Einfach nur so, zum Spaß. Diese Bilder tauchten immer und immer wieder in seinem Kopf auf. Das gemeinsame Spielen und ihr gemeinsames Interesse für Musik hatte sie so fest zusammen geschweißt. Konnte diese Verbindung reissen? Wie würden sie miteinander umgehen, wenn Taiji nicht mehr dazu gehörte, kein Teil von X mehr war? Würden sie dann trotzdem noch gemeinsam ihre Saiteninstrumente erklingen lassen, die Töne sich miteinander mischen lassen? Oder sollte mit diesem Kapitel von X auch das Kapitel ihrer Freundschaft zu Ende gehen? Sollte das Band reissen....? War der Erfolg der Gruppe vielleicht auch einfach nur zu schnell zu sehr in die Höhe geschossen? Nachdem sie sich durch die Anfänge durchgebissen hatten, trieben sie immerhin regelrecht auf einem Erfolgskurs, den nicht jede Band in ihrer Laufbahn verzeichnen konnte. Vielleicht verlangte so ein enormer Erfolgsaufstieg im Laufe seiner Zeit einfach ein paar Opfer. Vielleicht war so ein tiefer Einschnitt unausweichlich...... Sah das niemand ausser ihm? Die ersten Tränen hatten es geschafft und die Hürde des unteren Augenlids überwunden. Ungehindert lieferten sie sich einen Wettlauf über hide´s Wangen. Und neue Konkurenten tauchten in rascher Folge auf. hide stand bewegungslos am Fenster, starrte hinaus und gab keinen Laut von sich. Dass sich einige Meter hinter ihm Toshi befand und ihn beobachtete, registrierte er nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)