Feuertanz von -Ria- (Harry/Draco) ================================================================================ Kapitel 9: Seinen Dämonen entkommt man nicht… --------------------------------------------- Stunden waren vergangen, seit Draco Harry allein gelassen hatte. Die Sonne stand inzwischen tief, tauchte die Landschaft in blutrotes Licht. Harry lehnte sich an eine der hölzernen Scheunenwände und vergrub sein Gesicht in der Ellenbeuge. Dracos Worte lagen noch immer wie ein kalter fester Stein in seinem Magen. „Preisfrage, Potter: Hätte sie dich auch gemocht, wenn sie nicht von Anfang an gewusst hätte, wer du bist?“ Wie Gift durchtränken die Worte seinen Verstand, breiteten sich aus wie eine tödliche Schlingpflanze, ließen Harry an dem zweifeln, was er bisher geglaubt hatte. Zitternd stieß Harry den Atem aus, fror trotz der Sommerhitze, die selbst in den Abendstunden noch anhielt. Er konnte nicht ins Kloster gehen. Er konnte sich nicht an den Tisch setzen, seinen Freunden gegenüber, und so tun, als wäre alles in Ordnung. Er konnte Ginny jetzt nicht gegenübertreten; sie würde diesen Zwiespalt bestimmt bemerken. Wütend schlug Harry mit der Faust auf die Wand ein, rutschte langsam daran herunter, bis seine Knie das weiche Gras berührten. Es war Hermine, die ihn schließlich fand. Sie setzte sich ohne ein Wort zu sagen neben ihn, die Lichtspiele betrachtend, mit denen die Sonne am Horizont verschwand. „Willst du darüber reden, Harry?“, brach sie schließlich doch das Schweigen. „Worüber?“ „Darüber, was dich bedrückt.“ Harry versuchte ihr warmes Lächeln zu erwidern und scheiterte kläglich. „Ich möchte eigentlich nicht darüber reden; ich muss allein damit klar kommen.“ Verständnisvoll nickend wandte Hermine ihre Aufmerksamkeit wieder der hereinbrechenden Nacht zu. Das Rotgold der Landschaft wandelte sich zu Malve und Violett, als die Sonne hinter den Hügeln verschwand. „Du möchtest immer mit allem allein fertig werden, Harry. Aber manchmal geht das nicht.“ Wieder sah sie Harry an und leichter Spott verlieh ihren Augen ein übermütiges Funkeln. „Wenn es Malfoy ist, der dir Sorgen macht – ich kenne da noch ein, zwei Sprüche, die ich gern ausprobieren würde.“ Die Worte ließen Harry lächeln, wenn auch kaum wahrnehmbar. „Ich werde auch mit Malfoy allein fertig.“ „Wirklich?“ Jetzt sah Hermine ernst aus. Sie schien zu zögern, als brenne ihr eine Frage auf der Zunge, die sie nicht auszusprechen wagte. „Mir gefällt es nicht, wie er dich ansieht – manchmal“, sagte sie schließlich, Harrys Gesicht betrachtend, um jede noch so kleine Reaktion sofort zu registrieren. „Wie sieht er mich denn an?“ Harrys Zunge fühlte sich an, als hätte er sich darauf gebissen, als er die Frage hervorbrachte. Er wagte es nicht Hermine anzusehen. Und fast fürchtete er sich vor ihrer Antwort. „Wütend, hasserfüllt und…“ Hermine brach kopfschüttelnd ab. „Und manchmal kann ich es nicht deuten“, fuhr sie nach kurzem Stocken fort. Harry zuckte gelassen die Schultern. Er war froh, dass Hermine nicht das genannt hatte, vor dem er Angst gehabt hatte. Das, was er selbst zu sehen geglaubt hatte. „Er kann mich nicht leiden. Ich sehe ihn genauso an.“ Zaghaft lächelnd stand Hermine auf. Sie blickte auf Harry herab, wieder mit diesem verständnisvollen Ausdruck in den Augen. „Vielleicht interpretiere ich auch zuviel da hinein“, sagte sie. „Wenn du doch noch darüber reden willst... du weißt wo du mich findest.“ Harry lächelte sie dankbar an: „Ja, dass weiß ich.“ Kurz zauderte Hermine ihren Abschied heraus. Sie war sich nicht sicher, ob sie Harry sagen sollte, was sie wirklich dachte. Sie entschied sich dagegen. Harry hatte auch so schon genug Sorgen. Er sollte sich nicht noch mit ihren Vermutungen herumschlagen müssen. Langsam wandte sie sich von ihm ab und ging auf das Kloster zu. Warmes Licht ging von den Fenstern aus, ließ das düstere Gemäuer einladend wirken. Sie erwähnte Harry gegenüber nicht, was sie manchmal in Dracos Blick zu lesen glaubte. Sie sagte ihm nicht, dass Dracos Blicke denen Ginnys ähnelten, wenn sie Harry betrachtete… ooOoo Moody wartete eine Antwort auf sein Klopfen gar nicht ab. Er stieß die Tür zu Minervas Büro auf, die überraschte Professorin erwartungsvoll ansehend. „Lupin hat mir erzählt, dass der Becher gefunden wurde“, erklärte er seinen plötzlichen Besuch. Auf einen Stuhl deutend nickte Minerva. Sie lächelte. „Ja. In Albanien. Jetzt fehlen noch drei.“ Ein bitterer Unterton hatte sich bei den letzten Worten in ihre Stimme gemischt. Sie blickte Alastor ernst über die Gläser ihrer Brille hinweg an. „Ich hoffe, Tonks findet etwas in diesem Waisenhaus. Einen Hinweis vielleicht.“ „Was nichts daran ändert, dass wir keine Ahnung haben, wonach wir eigentlich suchen“, ergänzte Alastor grimmig. „Es kann nichts von Gryffindor sein; der einzige Gegenstand, den wir von ihm kennen, ist das Schwert.“ „Und das liegt nicht nur unter den Trümmern von Hogwarts vergraben, sondern kann definitiv kein Horkrux sein, nur ein wahrer Gryffindor könnte es benutzen“, vollendete Minerva die Überlegung. Seufzend schloss sie die Augen, und rieb sich kurz über die brennenden Lider. „Remus macht sich Sorgen wegen des nächsten Vollmondes. Und ich mache mir Sogen um Remus. Er wirkt noch blasser als sonst.“ Alastor wand sich unbehaglich auf seinem Stuhl. Er wollte Minerva nicht direkt belügen, was Remus anging. Die Wahrheit konnte er ihr allerdings auch nicht sagen. „Wenn er erst gesehen hat, dass die Sicherheitsvorkehrungen reichen, wird er ruhiger werden“, erwiderte er ausweichend. Die Augenbrauen grübelnd zusammengezogen, betrachtete Minerva Alastor abwartend. „Redet er mit dir über seine Ängste?“ Der Ex-Auror betastete sein künstliches Bein um Zeit zu gewinnen. Remus’ Gesicht tauchte vor ihm auf. Der gehetzte Ausdruck, der bei ihrem letzten Gespräch die braunen Augen hatte flackern lassen, hatte sich tief eingeprägt. „Ich muss diese Pläne haben, Alastor! Ich muss den Grundriss dieser verdammten Festung haben!“ „Und wenn du sie hast? Was willst du dann tun?“ „Ich werde mich rächen, Alastor. Für mein verlorenes Leben… und für seines!“ „Du solltest sie nicht unterschätzen. Sie verfügt über ein großes Arsenal an Flüchen. Was willst du ihr entgegensetzen?“ „Mich selbst. Die Bestie, die in meinem Körper lauert…“ Alastor schauderte bei der Erinnerung daran, schüttelte energisch den Kopf, und log Minerva geradewegs an: „Nein, er redet nicht darüber.“ Die Stirn misstrauisch gerunzelt, nickte Minerva bedächtig. „Wenn du es sagst, Alastor…“ Sie kräuselte spöttisch die Lippen, als Moody auf seinem Stuhl herumrutschte, als suche er eine bequemere Position. Minerva erkannte die Lüge und bohrte dennoch nicht weiter – Alastor würde seine Gründe haben. „Wie macht Harry sich bei dir, Alastor?“, wechselte sie jäh das Thema. „Es wird besser mit ihm. Er lernt langsam, sich auch in Stresssituationen zu konzentrieren“, erklärte der Ex-Auror unverhohlen stolz. „Und er bekommt so langsam sein Temperament in den Griff.“ „Remus ist ebenso zufrieden mit seinen Fortschritten“, erklärte Minerva nachdenklich. „Und auch in meinem Unterricht zeigt er großes Potential.“ Nachdenklich betrachtete Minerva durch das geschlossene Fenster die hereinbrechende Nacht. „Ich denke, es ist an der Zeit ihm den Fluch beizubringen, den er für einen Sieg so bitter nötig können muss“, sagte sie nach einer Weile seufzend. Alastors Schultern strafften sich kurz, das künstliche Auge war ebenso starr auf die Professorin gerichtet, wie das gesunde. „Du willst ihm den Unverzeihlichen beibringen?“, fragte er scharf. Die hochgewachsene Gestalt Minervas sackte für einen Augenblick in sich zusammen, ehe sie sich wieder fing und ihr Gegenüber entschlossen ansah. „Ja.“ „Uns läuft die Zeit davon, oder?“, stellte Alastor grimmig fest, und beide wussten, dass er nicht länger über Harrys Unterricht sprach. „Ja.“ „Wann wird es soweit sein?“ „Bald…“ ooOoo Harry sah nicht auf, als sich die Schritte näherten. Er starrte weiter den fast vollen Mond an, der von den Wolken geradezu malerisch eingerahmt wurde. „Denkst du etwa immer noch nach, Potter?“ „Was willst du hier?“ Harry ließ ergeben die Schultern hängen. Er hatte es geahnt, dass Malfoy irgendwann zurückkehren würde. Er hatte es sogar... gehofft. „Du warst nicht am Brunnen“, sagte Draco, Harry aus seinen Gedanken reißend. „Du hast mich gesucht?“ „Vielleicht.“ Harry versuchte in Dracos vom Mond nur spärlich beleuchtetem Gesicht zu lesen; ohne Erfolg. Der Slytherin ließ sich nur stumm neben Harry auf den Boden gleiten. Nicht so nahe, als dass sie sich berührten, aber doch dicht genug, um die Körperwärme des jeweils Anderen zu spüren. „Ich werde mich nicht für den Schlag entschuldigen, Malfoy.“ Eine Augenbraue spöttisch hochgezogen, nahm Draco dieses dürftige Friedensangebot an. „Das hatte ich auch nicht erwartet, Potter.“ Den Kopf an die Holzwand lehnend schloss Harry die Augen. Die Luft war noch immer schwülwarm, nicht einmal die Nacht brachte die erhoffte Kühle. „Du hast die Frage des Mädchens nicht beantwortet“, sagte Harry plötzlich und deutete auf Dracos linken Arm. „Hat es wehgetan?“ Die grauen Augen wurden schmal, als Wachsamkeit darin aufflackerte, vermischt mit Berechnung. Sollte er es wirklich erzählen? Seinen Arm ansehend, als würde er nicht zu seinem Körper gehören, erschauerte der Slytherin. Tiefe Linien gruben sich in seine Mundwinkel. Er konnte sich noch sehr genau an die Nacht erinnern, in der er das Dunkle Mal erhielt… Seine Hände waren unangenehm feucht; mit einer unwilligen Geste wischte er sie an seiner Hose ab. Er würde seine Angst nicht zeigen! Er zwang seinen Körper dazu, ruhig an der Stelle stehen zu bleiben, an der seine Tante ihn zurückgelassen hatte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er vor den Lord treten durfte – bis er die Chance bekam, die Ehre seines Vaters wiederherstellen zu können. Stetiges Tropfen von Wasser zerrte an seinen Nerven. Die Katakomben waren kaum beleuchtet, nur eine einzige Fackel war an der feuchten Wand des winzigen Raumes befestigt, in den Bellatrix ihn gebracht hatte. Draco schloss die Augen, um der Eintönigkeit der moosbewachsenen Steinwände und seinen rasenden Gedanken zu entfliehen. Die abgestandene Luft ließ ihn würgen. Erleichtert sah er auf, als die Tür sich knarrend öffnete. Bellatrix kehrte zurück, ihr maskiertes Gesicht lag im Schatten der Kapuze, die sie tief in die Stirn gezogen hatte „Es ist soweit, Draco.“ Mit schmerzhaft klopfendem Herzen folgte Draco ihr durch die schier endlosen finsteren Gänge, bis sie die mit schwarzem Obsidian ausgelegte Halle erreichten. Dann sah er ihn und musste seine Beine zwingen sich weiter nach vorn zu bewegen, auch wenn er am liebsten in kopfloser Panik geflüchtet wäre. Einem lebenden Skelett gleich, thronte er über seinen ergebenen Dienern, die grausamen Augen auf Draco gerichtet, den nur noch wenige Schritte von seinem Schicksal trennten. Bellatrix verschwand von seiner Seite, reihte sich ein in die Schar der Todesser, die stumm das Schauspiel verfolgten, und Draco brach in die Knie. Er wagte es nicht aufzublicken, um in diese glühenden Augen zu sehen. Die Furcht schnürte ihm die Kehle zu, machte das Atmen beinahe unmöglich und ein Zittern ließ seinen Körper erbeben. Dies war kein Spiel. Keine Rolle, die man ablegen konnte, wenn der Vorhang fiel. Er spürte den prüfenden Blick aus diesen unmenschlichen Augen auf seinem gesenkten Kopf ruhen. Dieser genügte, um Draco begreiflich zu machen, dass er verloren war. „Der junge Malfoy kommt also zu mir, um die Ehre seiner Familie wiederherzustellen“, schnitt die hohe Stimme durch die Luft. Draco getraute sich nach wie vor nicht, seinen Blick vom Boden zu lösen. Seine Sicht wurde verschwommen. „Bist du bereit, mein Zeichen zu empfangen und mir ewige Treue zu schwören?“ Die Sehnen seines Halses knirschten leise, als Draco sich zwang zu nicken. „Ja, Herr…“ Die schweren, samtenen Roben raschelten wie Blätter im Wind, als der Lord sich erhob und auf Draco zuging. Der silberbestickte Saum geriet in Dracos Blickfeld, und sein Mund wurde trocken. „Sieh mich an“, befahl der Dunkle Lord. Wie unter einem Bann stehend gehorchte Draco. Sein Innerstes gefror, als er das Wesen über sich aufragen sah, dem ab jetzt sein Leben gehörte. Der Lord sah wie Furcht Dracos Gesicht zeichnete und verzog die schmalen Lippen zu einem höhnischen Lächeln. „Strecke deinen Arm aus!“ Wie durch Watte hörte Draco die Worte und fügte sich. Er spürte wie die Spitze des Zauberstabes über seine Haut glitt. Wie sie ihn zeichnete. Ihn verbrannte. Flammender Schmerz schoss durch seinen Körper, versengte seinen Verstand und ließ seinen Stolz zu Asche verglühen. Draco warf den Kopf in den Nacken und schrie seine Qual hinaus… „Es hat wohl sehr weh getan“, holte Harrys neutrale Stimme ihn aus seiner Erinnerung zurück. Erst jetzt bemerkte Draco, dass er seinen Arm mit den Fingern umklammerte. Spürte, wie die Tropfen salzigen Schweißes von seiner Nasenspitze perlten. Er wog die Vor- und Nachteile ab, Harry davon zu erzählen. Er konnte sich vorstellen, was passieren würde, wenn er ihm schilderte, wie seine Eingeweide heiß und klein geworden waren, als der Schmerz übermächtig geworden war. Wie er, als es endlich vorbei war, schluchzend auf dem kostbaren Boden gekauert hatte. Aller Würde beraubt. Doch es war nicht Harrys Mitleid, das er wollte. „Ja, hat es“, antwortete Draco deshalb nur rau. „Ich vermisse das Fliegen“, wechselte Harry abrupt das Thema. Ihm war der Zwiespalt, in dem Draco sich befand, sehr wohl aufgefallen. Der leichte Anflug von Mitleid, den er schon kurz nach den Vorfällen auf dem Astronomieturm verspürt hatte, vertiefte sich. Und wieder stieg die gleiche Frage wie damals in ihm auf: Wozu hätte Voldemort Draco noch gezwungen, wenn Harry und der Orden ihn nicht rechtzeitig gefunden hätten? Wovor hatten sie Draco Malfoy noch bewahrt? Für einen Moment schwieg Draco, verblüfft über soviel Feingefühl, dann nickte er lächelnd. „Ja, ich vermisse es auch manchmal.“ Harry schloss wieder die Augen. Versuchte sich vorzustellen, wie der Wind an seinen Haaren zerrte, wie der hölzerne Griff seines Besens sich unter seinen Fingern anfühlen würde. Wie das Blut in seinen Ohren rauschen, das Adrenalin durch seine Adern peitschen würde. Schwerelos zwischen Himmel und Erde. Frei… ooOoo Severus hörte die kriecherische Stimme, noch ehe er um die Ecke bog und den Nebengang betrat. Er zweifelte nicht daran, dass er gleich Wurmschwanz entgegentreten würde; ein solch erbärmliches Winseln konnte nur diese Kreatur hervorbringen. Doch Severus erstarrte angesichts des Grundes, warum Peter um sein Leben bettelte. Lucius drückte eine silbrig schimmernde Klinge gegen Peters zu kurz geratenen Hals und sah nicht so aus, als wollte er sich auf einen Kompromiss einlassen. Mit zwei großen Schritten überbrückte Severus die Distanz und riss Lucius’ Arm beiseite. „Verschwinde von hier, Wurmschwanz“, befahl er dem wimmernden Mann tonlos. Flammende Wut schlug ihm aus Lucius’ Augen entgegen, als Peter sich ängstlich aus dem Staub machte. „Ich hoffe auf eine gute Erklärung für deine Einmischung, mein Freund“, zischte Lucius, sich aus Severus’ Griff losreißend. „Eine wirklich gute!“ „Ich weiß, dass er Narzissa nachstellt. Du kannst ihm meinetwegen genug Angst einjagen, damit er dies unterlässt“, entgegnete Severus kalt. „Aber du wirst ihn nicht töten!“ Lucius atmete durch, ließ den Dolch in einer Tasche seiner Robe verschwinden, ehe er Severus durchdringend ansah. „Und warum werde ich ihn nicht töten?“, fragte er leise, wobei er jedoch eine gewisse Schärfe in der Stimme mitschwingen ließ. Severus’ Körper spannte sich an, als er einen Schritt vortrat. Wahnsinn ließ seinen Blick kurz flackern, brachte Lucius dazu, vor ihm zurückzuweichen. „Weil sein Leben mir gehört!“ Plötzlich verstand Lucius. Severus konnte sich nicht an dem Mörder selbst rächen; aber er konnte denjenigen dafür leiden lassen, der Potter verraten hatte: Wurmschwanz hatte sein Leben an dem Tag verwirkt, als er aus Feigheit sein Leben gegen das von James eintauschte. „Ich verstehe“, entgegnete Lucius grimmig lächelnd. „Falls du dabei meine Hilfe in Anspruch nehmen möchtest, stehe ich zur Verfügung.“ „Ich werde dich daran erinnern… sollte es soweit kommen, dass ich diese Brut nicht allein ausrotten kann.“ Auch Severus’ Lippen verzogen sich leicht, eher eine Andeutung, als ein richtiges Lächeln. „Warum hast du ihn überhaupt erst angegriffen?“, fragte er Lucius, während sie gemeinsam den Gang entlanggingen. Vor Lucius’ Räumlichkeiten blieben sie stehen. „Er hat sich wieder in Narzissas Nähe herumgedrückt. Ist das Grund genug?“ „Ich denke schon“, seufzte Severus. „Seine Obsession für Narzissa gerät langsam außer Kontrolle.“ Lucius drückte die Tür auf, und warf seinem langjährigen Freund einen letzten, ernsten Blick zu. „Und ich ebenfalls. Du solltest es also bald tun, Severus.“ Mit starrer Miene wandte Severus sich ab, Lucius eine Antwort schuldig bleibend, um seinen Weg zum Dunklen Lord fortzusetzen. Sein Bericht über den gestrigen Überfall wurde erwartet. Der Lord würde zufrieden sein. Keiner hatte gezögert. Keiner hatte sich gegen seinen Befehl aufgelehnt. Wer sollte es auch wagen, wenn der Preis des Gewissens so hoch angesetzt war? Man tötete ohne darüber nachzudenken, um selbst zu überleben – so hatte Lucius es ihn gelehrt. Das Gewissen konnte zum Schweigen gebracht werden… nach einer Weile. Wenn die Gesichter der Opfer zu einer unerkenntlichen Masse verschmolzen, die Schreie im Laufe der Zeit immer leiser wurden, konnte man seine Taten beinahe vergessen. Alles konnte vergessen werden, wenn man es nur konzentriert genug versuchte. So dachte Severus damals. Doch er hatte auf schmerzliche Art und Weise erkennen müssen, dass er seinen Dämonen nicht entkommen konnte. Nicht, wenn man ihren Einladungen folgte, die tief sitzende Wunden erneut aufrissen… Zwei Tage waren vergangen, seit Severus den Brief mit zitternden Händen geöffnet hatte. Nun wartete er zwischen freudiger Hoffnung und ängstlicher Spannung schwankend darauf, ob James Wort halten würde. Die Sonne versank blutrot hinter dem verbotenen Wald, an dessen Ausläufern sich die alte Eiche befand, deren Schatten Severus verbarg. Nebel zog vom See herauf, legte sich kalt und feucht über das Dorf Hogsmeade. Das knisternde Geräusch einer geglückten Apparation ließ Severus erstarren. Sein Herzschlag setzte für eine Sekunde aus, nur um dann schmerzhaft schnell wieder einzusetzen. Seine Beine dazu zwingend, sich zu bewegen, drehte Severus sich um und sah auf. Das Erste was ihm auffiel war, dass James’ Haar länger geworden war. Doch es hing ihm zerzaust wie immer in die haselnussbraunen Augen. Fragend blicken sie ihm entgegen. Zögernd. So hin und her gerissen zwischen Verlangen und Pflicht, wie er selbst sich fühlte. „Severus…“ Nur ein Wort. Nur sein Name. Doch ließ es alles, was bis zu diesem Zeitpunkt geschehen war in den Hintergrund rücken. James’ Heirat mit Lily Evans. Severus’ Knechtschaft unter einem Wahnsinnigen. Nichts dergleichen wog so schwer wie die Sehnsucht, mit der James seinen Namen ausgesprochen hatte. Sie hatten sich gegenseitig verraten; jeder auf seine Weise. Doch das alles zählte nicht in diesem Augenblick. Die Welt verlor an Kontur, als ihre Hände sich berührten. Die Zeit stand still, und doch verrannen die kostbaren Sekunden. Severus’ Denken verlor sich in der Weichheit der Lippen, die sich gierig auf die seinen pressten. Im fiebrigen Delirium der Sinne, spürte Severus die raue Rinde der Eiche nicht, die sich schmerzhaft gegen seinen Rücken presste. Er bemerkte nicht die Kälte, welche der Nebel mit sich brachte, als seine Robe unter James’ ungeduldigen Fingern riss. Der verbotene Beigeschmack ihres Tuns trieb sie an. Verzweifelt waren sie darauf bedacht, soviel wie möglich des jeweils Anderen zu erhaschen. Unrettbar verloren im jeweils falschen Leben, klammerten sie sich aneinander wie Kinder in der Dunkelheit, um diese wenigen gestohlenen Stunden auszukosten, die ihnen blieben. Severus war berauscht von James’ Geruch, der ihn einhüllte. Seinem Geschmack, der salzig und unendlich vertraut auf seiner Zunge lag. Seinen Händen, die wohlbekannten Pfaden folgten. Das Gras lag kühl und feucht unter Severus Händen und Knien, ganze Büschel fielen seinen haltsuchenden Fingern zum Opfer, als ihn heller Schmerz durchfuhr. Er hatte sie beinahe vergessen, diese Qual, die dem Vergnügen voranschritt. James’ beruhigende Stimme verfehlte ihre Wirkung auch dieses Mal nicht, ebenso wenig wie die Hand, welche über Severus’ angespannte Bauchmuskeln tiefer glitt. Als die Wellen der Ekstase nur noch als bittersüßer Nachhall in ihren Körpern echoten, geschah das Unvermeidliche: James’ Blick fiel auf das Mal. Und die bis eben noch so sanften Augen waren voller Wut. „Sag mir, dass es nicht wahr ist!“, verlangte er, nach Severus’ Arm greifend. „Sag mir, dass du dich nicht diesem Wahnsinnigen angeschlossen hast!“ Die Stimme, die ihm eben noch zärtliche Nichtigkeiten ins Ohr geflüstert hatte, bebte vor Zorn. Severus schluckte hart, als James aufsprang, sich von ihm entfernte, als ertrage er seine Gegenwart nicht länger. Noch immer brachte Severus kein Wort heraus, und James kehrte mit wenigen Schritten zu ihm zurück. Seine Finger gruben sich schmerzhaft in das weiße Fleisch von Severus’ Schultern. „ANTWORTE MIR!“, brüllte James jetzt. „Warum? Verdammt noch mal?“ Severus senkte den Kopf, sodass die schwarzen kinnlangen Strähnen sein Gesicht verdeckten. „Weil du mich verraten hast...“ Severus verdrängte jeden Gedanken an James, als er an seinem Ziel anlangte; jetzt brauchte er alle Konzentration, die er aufbringen konnte. Seine Schultern spannten sich kurz an bei Bellatrix’ Anblick. Sie stand an den Schreibtisch des Lords gelehnt, und musterte ihn lauernd aus undurchschaubaren Augen. „Ah, Severus. Bringst du mir gute Nachrichten?“ Die Stimme des Lords klang immer schneidend, auch wenn er, so wie jetzt, um einen sanften Ton bemüht war. „Ihr könnt mit Euren neuen Dienern zufrieden sein, Mylord.“ Severus legte seinen Bericht auf dem Schreibtisch ab... und reagierte eine Sekunde zu spät. Die dürren Finger schlossen sich schraubstockartig um seinen Arm und enthüllten das Zeichen des Lords. Zufriedenheit glomm in den roten Augen, als Voldemort es stolz betrachtete. “Ich hatte auch nichts anderes erwartet, mein Severus. Nicht, nachdem sie das Mal erhalten haben, dass nur bei ihrem Tod verschwindet.“ Nein, das ist nicht die einzige Möglichkeit dieses Signum verschwinden zu lassen... Doch Severus sprach seine Gedanken nicht aus, senkte nur scheinbar ergeben den Kopf, sich der bohrenden Blicke bewusst, die Bellatrix ihm zuwarf. „Sie alle kannten den Preis, der gezahlt werden muss, um Euch zu dienen.“ Hatten sie ihn wirklich gekannt? Hatte er ihn damals gekannt? „Und der Lohn wird der ihre sein, wenn es erst soweit ist“, fügte Voldemort lächelnd hinzu. Ein Lächeln, das Blut gefrieren ließ. „Wir alle werden unseren Lohn erhalten.“ Severus Haut fühlte sich taub an, an der Stelle, an welcher der Lord ihn festhielt. Doch nicht einmal ein Muskelzucken verriet seine Abscheu gegen die Berührung. Die Finger des Lords glitten über die blasse Haut, und entließen sie schließlich aus der Gefangenschaft. Severus schaffte es mit viel Willenskraft, nicht über die Stelle zu wischen. „Wie einfach die Menschen doch gestrickt sind, nicht wahr?“, stellte Voldemort höhnisch fest. „Nimm meine wundervolle Bella hier...“ Bellatrix zuckte unmerklich zusammen und zwang sich zu einem Lächeln. „… sie nutzt jede Schwäche der Menschen, um ein wenig Macht zu erlangen…“ Blinzelnd nickte Severus, er ahnte worauf sein Herr hinauswollte, und wagte kaum mehr zu atmen. Hatte er sich etwa verraten? „Oder nimm Wurmschwanz“, fuhr Voldemort fort, während er sich gelassen in seinem Stuhl zurücklehnte. „Auch er tut das, was er am besten kann: Vor den Mächtigen kriechen, und um Schutz betteln. Auch er verlangt nach Macht – nach der Macht über Menschen, die schwächer sind als er. Wie die kleine Sklavin, die jenes Beisammensein nicht überlebte, obwohl du und Narzissa euch solche Mühe gegeben hattet, sie zu retten… Für diese Aussicht, hat er seinen besten Freund verraten…“ Wo noch vor Sekunde Severus’ Magen gewesen war, befand sich nun ein eisigkalter Klumpen. Er durfte es nicht wissen! Niemand wusste davon, außer... „Lucius sinnt auf Rache, nicht wahr? Du brauchst nicht zu antworten, ich durchschaue ihn. Er wartet nur darauf, dass ich ihm meinen Schwachpunkt zeige“, erklärte der Dunkle Lord so leise, dass Severus ihn kaum verstand. „Ich kenne alle meine Diener, kenne alle ihre Wünsche. Bis auf einen... Ich frage mich, welchen Sold du dir erträumst, Severus...“ Der wenige Speichel reichte nicht aus, um die trockene Mundhöhle Severus’ zu befeuchten, wie Sandpapier schrammte seine Zunge über den Gaumen, als er sprach: „Rache, Mylord...“ Die dünnen Lippen verzogen sich leicht. „Die Frage ist nur, an wem du dich rächen willst...“ Er weiß es! Er weiß es! „An denen, die es verdient haben“, antwortete er tonlos. Seine Hände wurden feucht. Noch immer lächelte Voldemort. „Das dachte ich mir.“ Das Lächeln verschwand, und Severus hatte das Gefühl, als könnten seine Beine ihn nicht länger tragen. Sein Herr wusste es nicht – zumindest nicht alles. „Du kannst jetzt gehen.“ Severus zwang sich zu einer demütigenden Verbeugung, ehe er mit ungelenken Bewegungen auf die Tür zuging. „Und Severus...“ Er erstarrte, wohl wissend, dass er wohl doch nicht so leicht entkommen würde. „Bedenke, dass es viele Augen gibt, die dich beobachten.“ Als die Tür sich hinter ihm schloss, eilte Severus zu seinen Räumen. Erst dort löste er die eiserne Kontrolle, mit der er seine Emotionen zügelte, und sank in die Knie. Sein Herz hämmerte schmerzhaft in der Brust, kalter Schweiß bedeckte seine Haut. Wie viel wusste der Dunkle Lord? Was wusste er? Und wie viel seines Wissens gab er wirklich preis? Zitternd richtete Severus sich auf. Ungeschickt griff er nach Feder und Pergament. Die Zeit rann ihnen durch die Finger wie Sand, sie mussten bald handeln… ooOoo Bis eben noch hatte ihn heller Sonnenschein eingehüllt, wärmte den Stiel seines Besens. Doch plötzlich zog Nebel auf. Kalt und undurchdringlich, ihn von allen Seiten umzingelnd. „Potter?“ Auf der Jagt nach seinem lebendigen Leib, spuckte der Dunst gesichtslose Kreaturen aus, die auf ihn zuglitten… „Potter!“ Das Hochgefühl des Fliegens verschwand, wich tiefer Verzweiflung. Die bloße Gegenwart der Dementoren vereitelte jeden klaren Gedanken, ließ seine Sinne schwinden. Sein Griff lockerte sich. Der Besen, bis eben noch sicher und schützend, rutschte unter ihm weg und er fiel. „Potter, verdammt!“ Seine Finger griffen verzweifelt nach einem Halt suchend in die Luft, erhaschten etwas Weiches, krallten sich darin fest. Verbissen drängte er sich einer unbekannten Wärmequelle entgegen, die sich so tröstlich in der grauen Unwirklichkeit ausmachte… „Wach endlich auf!“ Keuchend schlug Harry die Augen auf. Seine Hände waren in blondem Haar verschlungen. Seine Finger verkrampften sich noch mehr, als er der grauen Augen gewahr wurde, die nur eine Handbreit von den seinen entfernt waren. Dracos Gesicht war dem Harrys so nahe, dass sein keuchender Atem dessen Lippen streifte. Stumm sahen sie sich an, versunken in den Anblick ihres Gegenübers. Harrys Verstand, noch halb gefangen in seinen Alpträumen, flüsterte ihm Warnungen zu, die ungehört verklangen. Sein ganzes Sein konzentrierte sich auf Draco, dessen Blick seltsam entrückt war, so als wäre mit den Gedanken weit fort. Dessen bebender Körper auf seinem lag, noch immer tröstliche Wärme verströmend. Die grauen Augen weiteten sich plötzlich, helle Panik flutete sie, als der Slytherin sich stöhnend losriss und aufsprang. Auch Harry rappelte sich auf, nicht wahrhaben wollend, was soeben beinahe geschehen war. Seine Finger krampften sich unbewusst um die silbrigen Strähnen, die sich darin verfangen hatten. Rückwärts stolpernd, warf Draco Harry noch einen letzten gehetzten Blick zu, ehe er sich vollends umwandte und im Schatten der Nacht untertauchte. Ein Zittern bemächtigte sich seines Körpers. Harry hatte die feinen Muskeln gespürt, die sich unter seinen Fingern bewegt hatten, als Draco seinen Nacken tiefer beugen wollte. Nur Sekunden, bevor Draco sich eilig von ihm gelöst hatte. Harry schaffte es nicht den hartnäckigen Gedanken abzuwehren, der sich in seinen Verstand schlich… Er fragte sich, ob er bedauerte, dass Draco gegangen war. Tbc… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)