Parasitäre Lebensform von Elster (Schuldig & Aya) ================================================================================ Kapitel 9: Seifenoper --------------------- Aya lag wach und betrachtete die Muster, die die Neonreklame der Tankstelle an die Zimmerdecke zeichnete. Eben war er noch so müde gewesen, dass er fast im Gehen eingeschlafen wäre und jetzt hatte er das Gefühl, kein Auge zutun zu können. Das war doch absurd! Er war müde, erschöpft. Er sollte schlafen. Er wollte. Aber es ging einfach nicht. Er war jetzt definitiv wach. Das lag bestimmt an der Kälte draußen. Und an der fremden Umgebung. Und an seinen Gedanken, die sich jetzt einfach nicht mehr beruhigen wollten. Sie kreisten pausenlos um die Geschehnisse der letzten Tage. Egal, an welchem Punkt er anfing, nachzudenken, er landete früher oder später immer bei Schuldig. Schuldig, der einem den Teppich versaute. Schuldig, den man verarzten musste. Schuldig, der einen nervte. Schuldig, der für diese ganze beschissene Situation verantwortlich war. Schuldig, der ihm das Leben rettete, der sich um ihn sorgte. Und Schuldig, der das Ganze mit einem dann sind wir ja quitt' abtat... - Ging's noch? Er, Aya, dankte ihm und Schuldig ging einfach so darüber hinweg... Das ärgerte Aya ungemein, auch wenn er nicht genau sagen konnte warum. Vielleicht, weil das so wirkte, als wäre das nur ein Versehen gewesen, als ob es Schuldig nicht wirklich gekümmert hätte, wenn es anders gekommen wäre. Aber das war es ja gerade. Was sollte es ihm auch ausmachen? Was erwartete Aya denn? Wie sollte denn Schuldig reagieren? Aya stieß verärgert die Luft aus. Er wurde langsam wirklich verrückt. Warum dachte er über derart irrelevante Dinge nach? Schuldigs Verhalten ihm gegenüber war doch jetzt überhaupt nicht von Bedeutung. Vor allem musste er wissen, wie es von hier weiter gehen sollte. Er musste sich wohl oder übel irgendetwas einfallen lassen. Es war ja nur allzu offensichtlich, dass der Telepath überhaupt keinen Plan hatte. Der wusste ja noch nicht einmal, was eigentlich los war. Irgendwie musste er herausfinden, was Kaike wollte. Und dann... hm, das musste man dann sehen. Er sollte jetzt wirklich schlafen. Aya schloss die Augen und wartete darauf, dass die Müdigkeit von vorhin wiederkommen würde. Vergeblich. Seine innere Unruhe wuchs nur, bildete einen scharfen Gegensatz zu dem gleichmäßigen Atmen neben sich. Er seufzte ärgerlich und setzte sich auf, schwang die Beine vom Bett. Hm, wenn er wirklich noch schlafen wollte, sollte er sich vielleicht wenigstens die Schuhe ausziehen. Aber wahrscheinlich konnte er das sowieso vergessen. Warum war er nur so... ja, nervös? Das war doch absolut untypisch für ihn. Ein Geräusch hinter sich brachte ihn dazu, sich umzudrehen. Nein, Schuldig schlief noch, hatte sich nur wieder auf den Rücken gedreht. Der Anblick versetzte ihm völlig irrationaler weise einen Stich Neid. Kindisch. Aber irgendwie konnte er nicht anders. Wenn er doch nur auch so seelenruhig schlafen könnte! Schuldig hatte echt die Ruhe weg, ließ sich nicht mal von der Bewegung neben sich stören... Was hatte der Arzt gesagt? Ruhe? Gott, Aya wäre am liebsten aufgesprungen und im Zimmer auf und ab gelaufen. Oder er könnte Schuldig wecken. Einfach nur als Ausgleich. Wenn er nicht schlafen konnte, sollte der Andere auch nicht... /Reiß dich zusammen! Was sollte so eine kindische Aktion bringen?/ ermahnte er sich selbst in Gedanken. Stattdessen ging er ins Bad, einen kleinen, nicht gerade sauberen Raum, der durch eine schmale Tür mit dem Schlafzimmer verbunden war, und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht, darauf bedacht, den Verband an seiner Stirn nicht nass zu machen. Wenn er sowieso wach war, konnte er die Zeit genauso gut sinnvoll nutzen. Er musste einfach irgendetwas tun. Egal was, alles war besser, als weiter da zu liegen und an die Decke zu starren. Er verließ das Bad und ging fast geräuschlos zum Telefon, das auf einem Beistelltisch stand, welcher sich den spärlichen Platz an der Wand gegenüber dem Bett mit einem schäbigen Sessel und einem hässlichen Bild teilte. Als Aya sich auf die verschlissenen Polster des Sessels sinken ließ, hatte er den Telefonhörer schon am Ohr und lauschte auf das Tuten in der Leitung. Natürlich würde er zuerst Weiß anrufen. Das war das Naheliegendste und Effektivste, um in kürzester Zeit an möglichst viele Informationen zu kommen. Es wurde schneller abgenommen, als er eingedenk der späten Uhrzeit erwartet hatte. "Ja?", meldete sich eine junge Stimme, bei der Aya nicht lange überlegen musste, um sie zuzuordnen. "Omi, hier Aya. Warum bist du um diese Zeit noch wach? Du sollst doch nicht immer die ganze Nacht am Computer sitzen." "Aya!" Omi überging die pädagogische Anwandlung seines früheren Leaders einfach. "Wo bist du? Geht's dir gut? Was ist los?" "Woher...?" "Deine Nachbarin hat die Polizei gerufen. Kritiker hat uns informiert, aber die wissen auch nicht, was los ist." "Ist der Schaden sehr groß?" Omi schwieg einen Moment, was Aya in düstere Vorahnungen stürzte. "Na ja, man konnte das Feuer relativ frühzeitig-" "Lass, ich will's gar nicht hören." Aya sank in den Sessel zurück, fuhr sich mit der freien Hand über die Augen. "Ich bin gerade dabei, nach dem Besitzer des Wagens zu suchen, der vor deinem Haus stand. Wahrscheinlich haben ihn die Einbrecher zurückgelassen. Ziemlich verdächtig, ich habe nur falsche Angaben gefunden." Ein Lächeln huschte über Ayas Gesicht. Das kannst du lassen. "Ich weiß, wem er gehört. Konzentrier dich bei deinen Nachforschungen lieber auf Kaike. Wahrscheinlich waren das seine Leute." "Der Drogenboss? Was will der von dir?" "Ich bin mir nicht sicher. Deswegen ruf' ich ja an." "Ist das alles?" "Hm." "Aya, was ist los?" Aya schwieg, sein Blick ruhte nachdenklich auf der schlafenden Gestalt Schuldigs, von der er im schummrigen Licht nur die groben Konturen ausmachen konnte. Wieviel sollte er Omi sagen? Sicher, je mehr er wüsste, desto schneller könnte er helfen... "Wem gehört das Auto?" Die fordernde Stimme, die nach unbestimmter Zeit leicht verzerrt aus dem Hörer tönte, riss Aya aus den Gedanken. "Bitte?" "Wem gehört das Auto? Du hast eben selbst gesagt, du wüsstest es." Aya schwieg, während er fieberhaft überlegte, ob er darauf antworten sollte oder nicht. Er hatte zwar keine konkrete Vorstellung, wie Omis Reaktion auf die simple Wahrheit ausfallen würde, aber er würde todsicher nicht um eine endlose Diskussion herumkommen. Dafür hatte er jetzt einfach keinen Nerv. Nach einiger Zeit meldete sich Omi wieder. "Ist ja schon gut. Ich frag nicht weiter, aber dir ist schon klar, dass du mich jetzt neugierig gemacht hast." Aya seufzte. Na fantastisch! Wenn Omi etwas wirklich herausbekommen wollte, dann schaffte er das auch. Aber vielleicht würde ihm das wenigstens die Zeit verschaffen, die er brauchte, um sich ein paar Argumente für sein Handeln einfallen zu lassen. Und es müssten wirklich verdammt gute Argumente sein. Dumm nur, dass ihm so auf Anhieb kein einziges einfiel. "Hör mal, versuch einfach nur rauszukriegen, wo sich Kaike aufhält, was er in den letzten Wochen so getrieben hat und wenn möglich, was er zur Zeit plant, ja?" "Ja, klar, gar kein Problem. Willst du sonst noch was wissen oder wäre das dann alles?" Zu sagen, dass Omi leicht sarkastisch klang, wäre untertrieben gewesen. Verständlich. "Ich weiß, ich weiß. Versuchst du's trotzdem?" "Hm. Ich werd sehen, was ich rauskriege. Wie kann ich dich erreichen?" "Bis morgen früh hier." Aya gab ihm die Nummer des Motels. "Danach meld ich mich bei dir, sobald ich kann." "Gut. Na dann..." "Ja... Danke." Aya legte auf, unterdrückte nur mit Mühe ein weiteres Seufzen. So weit, so gut. Und was jetzt? Ob er es nicht doch noch mal mit Schlafen versuchen sollte? Wieder beneidete er Schuldig um seine Ruhe. Der schlief trotz des Gesprächs immer noch wie ein Stein. Toll. Was war auch mit ihm los, dass er so verdammt nervös war? Das konnte einen ja wahnsinnig machen. Nicht zum Aushalten. Mit einem genervten Stöhnen ließ Aya sich neben Schuldig aufs Bett fallen. Es war ihm ziemlich egal, ob der dadurch aufwachte. Eigentlich wäre es ihm sogar ganz recht - trotz der Tatsache, dass das albern war. Dann müsste er ihm wenigstens nicht weiter dabei zusehen, wie der friedlich schlief, während er selber kein Auge zukriegte. Leider kam von dem Telepathen aber keine Reaktion, außer dass er sich vom Rücken auf die Seite drehte und seelenruhig weiterschlief. Aya hätte ja weiter versucht, ihn zu wecken, wenn das nur nicht so kindisch und seiner absolut nicht würdig gewesen wäre. Also zog er sich endlich die Schuhe aus und blieb still liegen. Ob Omi etwas brauchbares herausfinden würde? Und wenn ja, was würden sie dann tun? Er hatte nicht wirklich eine Vorstellung davon, wie sie Kaike loswerden konnten. Ihn umbringen? Schwierig. Aber vermutlich würde es darauf hinauslaufen. Wie Aya es hasste! Er wollte nicht mehr töten. Wollte nichts mehr mit der Unterwelt zu tun haben. Nicht mal unbedingt aus Sentimentalität oder Idealismus, das sicher nicht, sondern einfach nur, weil er es so unglaublich satt hatte. Viele Menschen lebten, ohne auch nur einmal mit solcher Scheiße konfrontiert zu werden und er beneidete sie darum. Er würde auch gerne so ein leichtes, ahnungsloses Leben führen, aber sein spektakulär gescheiterter Versuch hatte ihm ja unübersehbar gezeigt, dass er das vergessen konnte. Aber was konnte er schon tun? Erst mal sehen, wie es weiterging. Und endlich schlafen, wenn das denn überhaupt möglich war, mit Schuldig im selben Bett, der sich gerade zu ihm herumgedreht und die Arme um ihn geschlungen hatte... Moment mal! Na ging's denn noch? Aya wollte sich schon wütend zu Schuldig umdrehen und ihn anschnauzen, dass er gefälligst seine Finger bei sich behalten solle, aber als er seinen Kopf drehte, sah er, dass dieser immer noch tief und fest schlief. Großartig! Hatte er denn heute nicht schon genug durchgemacht? Nach einer Identitätskrise, einer Schießerei mit Beinahe-Kopfschuss und das alles nach mehreren Tagen Schuldig live sollte man doch meinen, dass es irgendwann reichte. Aber natürlich musste der ihm auch noch auf die Pelle kriechen. Nach einigen gescheiterten Befreiungsversuchen, musste Aya einsehen, dass er dieser Umklammerung nicht entkam, ohne Schuldig aufzuwecken. Und er würde sich eher erschießen, als das jetzt zu tun. Oder um es einmal so auszudrücken: Ein schlafender Schuldig war ihm in diesem Augenblick, und besonders in dieser Situation, lieber als ein wacher. Er hatte einfach keine Lust auf blöde Witze, zweideutige Bemerkungen und Streitereien. Also blieb er einfach liegen und versuchte weiter einzuschlafen. Eigentlich war es ja auch gar nicht so unangenehm... Stop! Von hier aus keinen Schritt weiterdenken! Das konnte ja nur schief gehen, wenn ein Gedanke so anfing. Aber irgendwann hörte sogar Aya auf, zu grübeln und schlief einfach ein. Er hoffte nur, dass er vor Schuldig aufwachen würde. ~*~ Schuldig schlug die Augen auf. Irgendwas hatte ihn geweckt, aber jetzt konnte er nicht feststellen, was es gewesen war. Er brauchte ein oder zwei Sekunden, um das Zimmer als das Motelzimmer von gestern zu identifizieren. Bei Tageslicht sah es noch schäbiger aus. Eigentlich bemerkenswert. Allerdings hatte er nicht lange Zeit, das Zimmer zu bewundern. Der schlafende Rotschopf in seinen Armen lenkte ihn doch etwas ab. Nein, Schuldig würde jetzt auf keinen Fall darüber nachdenken, wie das kam, was es anrichtete und dass er vermutlich mausetot wäre, wenn Aya jetzt aufwachen würde. Mit den klaren Gedanken sah es im Moment sowieso nicht gut aus. Er starrte wie gebannt auf das schöne Gesicht, das im Schlaf, ohne diesen abweisenden Blick und dem verächtlichen Zug um den Mund, so viel weicher wirkte. Erst mit einigen Augenblicken Verspätung bemerkte er, dass er sich dem Gesicht des Schlafenden weiter genähert hatte, seine Lippen sacht auf den leicht geöffneten des Anderen lagen. Der Anblick von erschrocken aufgerissenen, violetten Augen aus nächster Nähe riss ihn aus seinem tranceartigen Zustand. Er schreckte zurück, verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts aus dem Bett. Sein Kopf schlug auf dem Fußboden auf und er hörte hastige Schritte das Zimmer durchqueren und eine Tür zuknallen. Schuldig blieb reglos auf dem durchgelaufenen Teppich liegen. Was war das denn gewesen? War er denn jetzt völlig durchgedreht? Was hatte er sich denn dabei gedacht? Gut, wahrscheinlich hatte er gar nicht gedacht - Nein, ganz sicher sogar! Er war doch ein Idiot! Aya hasste ihn jetzt sicher noch mehr als vorher und würde auf nimmer Wiedersehen verschwinden - wenn er nicht gleich versuchte, ihn umzubringen. Ein Teil von Schuldig fragte sich zwar, warum ihn das stören sollte, aber es war wirklich schwierig, sich überzeugend vorzumachen, dass es ihm egal war, ob Aya ihn hasste oder nicht, wenn er in einem verdammten, abgewrackten Motelzimmer auf dem beschissenen Fußboden lag und über nichts anderes nachdenken konnte. Und da sage noch einer, leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhten das Denkvermögen. Von wegen. Sein Schädel dröhnte, aber das half ihm nicht ein bisschen. Wahrscheinlich würde es ihm auch gleich wesentlich besser gehen, wenn er dieses dämliche Grinsen von seinem Gesicht kriegen würde, aber das schien festgewachsen zu sein. Vielleicht wäre es an der Stelle schlau gewesen, Ayas Gedanken zu lesen, aber Schuldig hatte mehr als genug mit seinen eigenen zu tun. Er kam nicht mal auf die Idee. Er versuchte es stattdessen mit einer kleinen Bestandsaufnahme. Vielleicht würde das ja helfen, seine Gedanken wenigstens ein bisschen zu ordnen. Also. Wie fühlte er sich? Verwirrt vor allem. Und sein Kopf tat weh und seine Schulter meldete sich auch wieder. Aber ansonsten ging es ihm gut, geradezu fantastisch. Mit anderen Worten, viel zu gut, wenn man die Situation bedachte. Äußerst verdächtig. Lieber weiter zur nächsten Frage. Was war geschehen? Er war aufgewacht. Okay. Er hatte Aya angesehen. Halbwegs nachvollziehbar. Er hatte Aya geküsst. Nicht okay, absolut nicht okay! Riesen Problem! Und wieso, verdammt noch mal, musste sich das auch so gut angefühlt haben? Und warum schwirrten ihm die Bilder vom schlafenden Aya noch immer im Kopf rum? Antwort: Ganz einfach. Er hatte jetzt komplett den Verstand verloren und sollte sich so schnell wie möglich einen Arzt mit Couch suchen. Einer, der ihm sagte, dass die Wurzel all seiner Probleme in seiner Kindheit lag und Aya gar nichts - aber auch absolut gar nichts - damit zu tun hatte. Schuldig gab es fürs erste auf, sich verstehen zu wollen. Das führte ja ohnehin zu nichts. Nachher würde er sich noch eingestehen, dass... Nein! Halt! Es reichte! Da hieß es jetzt, Augen zu und durch. Simple Taktik. Ursachen verdrängen, Tatsachen hinnehmen. Er stand auf, setzte sich aufs Bett und rieb sich den Kopf. Er sah auf die zerwühlten Decken, von denen ungefähr die Hälfte jetzt auf dem Boden lag und unterdrückte nur mit Mühe eine neue Vision vom schlafenden Rotschopf. Was sollte das nun schon wieder? Aya - Nein! Nicht gut! Gefährlich! Wo waren nur all die guten Vorsätze, wenn man sie brauchte? Schuldig verzog das Gesicht und starrte dann doch lieber auf die gegenüberliegende Wand. Das mit dem Verdrängen war gar nicht so einfach. Es war ja leider so was von offensichtlich. Egal. Die Tatsachen! Es war Freitag morgen, Aya war ins Bad geflüchtet. Den Geräuschen nach zu urteilen, duschte er. Schuldig versuchte, die ausufernden Gedanken zu diesem Thema, die ihn bestürmten, zu ignorieren. Mittelmäßig erfolgreich. Ob es dagegen Medikamente gab? Aber weiter. Wie er Aya inzwischen kannte, würde der ihn entweder bei nächster Gelegenheit killen oder aber so tun, als wäre nichts geschehen - oder beides... Da Schuldig noch lebte, war Zweiteres sehr viel wahrscheinlicher. Das Klingeln des Telefons ließ ihn diese Überlegung nicht weiterführen. Nanu? Wer rief denn hier an? Mit einem Schulterzucken hob er ab. Sofort fing am anderen Ende eine Stimme an, zu reden. "Aya? Also ich hoffe, du weißt, was du tust, ich habe nämlich -" "Bombay?" Autsch! Schuldig schlug sich selbst vor die Stirn. Wieso hatte er das denn jetzt gesagt? Mal wieder kein bisschen nachgedacht. Wenn das langsam zur Gewohnheit wurde, könnte er sich auch gleich ne Kugel verpassen. "Schuldig?! Dann waren die Infos doch richtig. Ich wollt's ja nicht glauben. Was machst du da, du Bastard? Was ziehst du Aya in die Sache mit rein?" Schuldig entfernte den Hörer etwas von seinem Ohr. Er wollte ja nicht taub werden. Schien ja echt sauer zu sein, der Kleine. "Kannst du uns nicht einfach in Ruhe lassen? Wenn du schon noch leben musst. Was hast du mit der ganzen Sache zu tun? Für wen arbeitest du? Für Kaike?" "Mein Gott, nein. Nicht mehr. So weit kommt's noch. Das ist eigentlich mehr eine private Sache, aber schön, dass es dich so interessiert. Ich freu mich übrigens auch, mal wieder was von dir zu hören. Wie geht's denn Restweiß? Immer noch dem verzweifelten Irrglauben an eine bessere Welt verfallen oder geht's inzwischen?" "Private Sache? Was soll das heißen? Und was hat Aya damit zu tun? Wenn du ihm auch nur ein Haar krümmst..." "Ich schlottere vor Angst. Ehrlich. Aber ich kann dich beruhigen, er ist nur... na ja, sagen wir mal, zufällig involviert." "Und was hat das jetzt zu bedeuten?" "Ach nichts, nur..." Schuldig zuckte erschrocken zusammen, als plötzlich Aya vor ihm stand und ihn mit unbewegtem Gesicht und undeutbarem Blick ansah. Von den roten Strähnen tropfte Wasser herab und er war nur mit einem Handtuch bekleidet. Anscheinend hatte auch er das Klingeln gehört und war so schnell wie möglich aus dem Bad gekommen. Nur leider nicht schnell genug. Auffordernd hielt er die Hand auf. Schuldig grinste. "Ähm... Ich denke, dass kann er dir alles selbst besser erklären. Ich geb ihn dir mal." Er drückte Aya den Hörer in die Hand. Gott, bei dem Blick konnte einem ja Angst und Bange werden. "Ich bezahl dann schon mal und warte im Restaurant auf dich." Schuldig floh erst mal aus dem Zimmer. Sicherheitshalber nahm er natürlich die Autoschlüssel mit. Nicht, dass sich der Exweiß ohne ihn aus dem Staub machte und er hier an der Raststätte festsaß. ~*~ Aya blieb im Zimmer stehen und dachte darüber nach, ob er sich in der Lage fühlte, jetzt mit Omi zu reden. Die Antwort war ganz klar nein, aber natürlich hatte Omi die gewünschten Informationen. Ihm war nicht so ganz klar, warum er Schuldig immer noch helfen wollte, aber er hielt sich schließlich doch den Hörer ans Ohr und meldete sich. "Aya, geht es dir gut?" Omi klang ehrlich besorgt. Ob es ihm gut ging... "Na ja..." Sein Kopf tat nicht mehr halb so weh wie gestern. Er hatte gut geschlafen. War vielleicht nur noch diese Kleinigkeit beim Aufwachen anzumerken. Darüber würde er noch mal in Ruhe nachdenken müssen, aber da Omi so was sicher nicht meinte... "Ich denke schon." "Was hast du mit Schuldig zu schaffen? Was tust du in einem Motel? Was hast du mit Kaike zu tun?" Aya seufzte. Er würde wohl nicht darum herum kommen, Omi seine Fragen zu beantworten. "Welche Frage soll ich zuerst beantworten?" "Wie wäre es mit dem Schwarz, der einfach ans Telefon geht? Ich hab gedacht, ich spinne." Na da war er nicht der Einzige, dachte Aya genervt. "Schuldig ist Montagnacht bei mir aufgetaucht und ich werd ihn nicht mehr los. Ich meine, was soll ich denn tun? Er lässt sich weder rausschmeißen noch umbringen." "Und was ist jetzt gestern passiert?" "Was soll schon passiert sein? Ich dachte, du hast recherchiert. Eine Bande Irrer mit Waffen hat mein Haus gestürmt und wir sind geflohen." "Schuldig und du?" "Na wer denn sonst? Er meinte, es wären Leute von Kaike gewesen, und dass sie wegen irgendwas hinter ihm her sind." "Hör mal, Aya, das geht dich doch alles nichts an. Komm einfach zu uns, bleib eine Weile, meinetwegen nur solange, bis du was neues gefunden hast und lass Schuldig sich um seinen Kram allein kümmern." Keine Frage, das klang vernünftig. Aber irgendwie... Immerhin hatte Schuldig ihm das Leben gerettet. Außerdem, wenn er das richtig verstanden hatte, dann hatten Kaikes Leute sein Haus nicht nur demoliert, sondern angezündet. Ohne jeden Grund. Es war nicht so, dass ihn dieser Verlust besonders mitnahm, aber hier ging es ums Prinzip. "Was hast du rausgefunden?" "Aya, das ist doch bescheuert. Warum willst du ihm helfen?" "Geht dich das was an?", fauchte Aya. Er wollte nicht darüber diskutieren. Und er wollte diese Frage nicht hören. "Sei doch vernünftig und halt dich da raus." "Sagst du mir jetzt, was du weißt oder nicht?" Eine Weile herrschte verbissenes Schweigen in der Leitung. "In den letzten Monaten hat die Polizei verdeckte Ermittler in den Clan eingeschleust.", kam es dann etwas widerwillig. "Sie sollten Beweise sammeln, damit sie endlich was gegen ihn in der Hand haben. Nicht mal unbedingt für den Drogenhandel, sondern nur irgendwas, womit sie ihn drankriegen können. Steuerhinterziehung, Dokumentenfälschung, irgendwas eben. Vor 'ner knappen Woche ist es ihnen dann endlich gelungen, irgendwelche belastenden Informationen von einem internen Rechner zu kopieren. Allerdings sind sie aufgeflogen und der, der den Datenträger hatte, konnte nicht rechtzeitig fliehen. Sie haben ihn dann beim Hafen aus dem Wasser gefischt. Das war der, den sie gestern in der Zeitung gebracht haben. Kaike hat wohl was damit zu tun, dass das Foto abgedruckt wurde. Als Abschreckung, so zu sagen..." "Sehr geschmackvoll..." "Ja, aber der Typ hat's nötig. Der Datenträger ist nämlich am selben Abend verschwunden, wie der Ermittler. Die Polizei denkt, Kaike hat das Ding, aber nachdem ich weiß, dass er Leute zu dir geschickt hat, glaub ich eher, dass Schuldig es hat mitgehen lassen. Kann das sein?" Aya verdrehte innerlich die Augen. Natürlich konnte das sein. Bei Schuldig konnte er sich inzwischen so ziemlich alles vorstellen. /Schuldig?!/ ~Was denn? Musst du so brüllen?~ /Hast du außer dem Feuerzeug bei Kaike noch was mitgehen lassen?/ ~Nö. Ich hab dir doch schon gesagt, es ging nur ums Prinzip. Ich bin doch kein Dieb. Was denkst du von mir?~ /Willst du nicht wissen.../ ~Tu ich aber. War's das dann oder willst du noch was wissen?~ "Aya? Bist du noch dran?", meldete sich Omi wieder. "Ja. Könnte es ein Feuerzeug sein?" "Klar. Wenn's groß genug ist, kann man da bequem einen USB-Stick oder so was unterbringen." "Danke, dann ist alles klar." "Was ist klar? Hat er wirklich den Datenträger? Was machst du jetzt?" "Keine Ahnung. Erst mal mit ihm reden, denk ich." "Lass dich nicht weiter in die Sache verwickeln, ja? Dieser Typ ist gefährlich, Aya!" "Wer? Schuldig oder Kaike?" Omi ging nicht weiter auf die Frage ein. "Vermutlich bekommen wir jetzt ohnehin die Mission, Kaike zu erledigen, also mach keine Dummheiten." "Hm. Na dann Tschüß." Aya legte auf, bevor Omi noch mehr Warnungen anbringen konnte. Er war doch nicht blöd. Etwas unzurechnungsfähig vielleicht, wenn er sich sein Verhalten in den letzten Tagen noch mal durch den Kopf gehen ließ. Aber nicht blöd. Er ging zurück ins Bad und zog sich an. Das erste, was er tun würde war, sich ein T-Shirt oder einen Pullover zu kaufen. Das, was er jetzt wieder trug, war wohl nicht mehr zu retten. Die Kopfwunde oder besser, das austretende Blut, hatte ihm den Rest gegeben. Wieder im Zimmer, sah er sich noch ein letztes mal um, ob er auch nichts liegen gelassen hatte und ging dann. Die Eingangshalle sah bei Tageslicht weder größer noch hübscher aus als in der Nacht und auch der Mann an der Rezeption sah noch genau so aus wie gestern, nur dass man bei Licht die gelben Zähne deutlicher sah. Aber wenigstens stank es nicht mehr so. "Ihr Begleiter ist in Richtung Tankstelle gegangen." Ein irgendwie schleimiges Lächeln entblößte noch größere Teile dieser Trümmerstätte von einem Gebiss. Angesichts dessen und der Betonung des Wortes Begleiter' wuchs in Aya das tiefe innere Bedürfnis heran, dem Typen den Rest seiner traurigen Zahnstümpfe einzuschlagen. Aber er beherrschte sich und ging einfach. Jemanden wegen so was zusammenzuschlagen, wäre dann doch etwas überreagiert gewesen, das war ihm schon klar. Zumal das alles ja auch gar nichts damit zu tun hatte, dass Schuldig ihn geküsst hatte. Da! Er hatte wieder dran gedacht und dabei hatte er sich doch fest vorgenommen, genau das nicht zu tun. Was hatte dieser Arsch sich nur dabei gedacht? War das jetzt eine neue Art, ihn in den Wahnsinn zu treiben? Aber nicht mit ihm! Er würde ganz einfach so tun, als wäre nichts geschehen. Gut! Perfekt! Dann müsste er nur noch innerhalb der nächsten paar Minuten rausfinden, wie er sich davon abhalten konnte, ständig daran zu denken. Also über was anderes nachdenken. Was wollte er wegen Kaike tun? Er hatte da ja schon eine Idee. Genaugenommen, seit dem letzten Gespräch mit Omi. Vielleicht nicht besonders vernünftig, aber es würde sein momentan größtes Problem lösen und das war ganz sicher nicht Schuldig. Verdammt! Er hatte schon wieder dran gedacht. Das ging doch nicht so weiter. Dummerweise konnte er sich auch nicht einfach aus dem Staub machen, auch wenn er dazu jetzt wirklich Lust hatte. Aber diese miese Ratte hatte seine Autoschlüssel und er würde den Wagen ganz sicher noch brauchen. Davon abgesehen und auch wenn er es sich nur ungern eingestand, spielte Schuldig in seinem Plan nicht unbedingt eine unwesentliche Rolle. Was ihn wieder zum Ausgangspunkt brachte. Gut, vielleicht war Schuldig doch sein größtes Problem. Was sollte denn das auch? Da hatte er sich in einem Anfall von hoffnungslos geistig umnachteter Hilfsbereitschaft entschlossen, Schuldig zu helfen - ein zweites Mal. Trotz besseren Wissens - und dann machte dieser Idiot alles zunichte. Zugegebenermaßen würde er sich darüber vermutlich nicht so aufregen, wenn er wirklich so selbstlos wäre, aber Hilfsbereitschaft klang viel besser als Planung. Was dachte sich Schuldig bei so einem Scheiß? Dabei waren sie doch gerade halbwegs miteinander klar gekommen. Aya schreckte leicht zurück, als sich die Tür des Tankstellenkomplexes nur knapp vor seiner Nase öffnete. Er sollte wirklich darauf achten, wo er hin lief. Und was hatte er da eben schon wieder gedacht? Als ob er wissen wollte, was in Schuldigs Kopf vor sich ging. Er trat ein und sah sich um. Der überdimensionale Bau aus Glas und Metall beherbergte neben der Tankstellenkasse auch noch einen Kiosk und ein Schnellrestaurant, an dessen Decke ein Fernseher hing. Direkt davor Schuldig, der gebannt auf den Bildschirm starrte und eine Anzahl scheinbar grundlos schweigender Leute. Aya setzte sich kommentarlos auf einen freien Stuhl neben Schuldig und versuchte herauszubekommen, was hier los war. Der Telepath reagierte in keiner Weise, bewegte sich nicht einen Zentimeter, die grünen Augen ununterbrochen auf den Fernseher fixiert. Doch gerade als Aya sich bemerkbar machen wollte, bewies Schuldig, dass er doch nicht hypnotisiert war oder ähnliches und redete, ohne sich umzudrehen. "Brauchst gar nichts zu sagen. Ich hab dich schon auf dem Weg hierher nicht überhören können. Eine Wolke wirrer Gedanken umflort dich." Aya wollte schon widersprechen, als Schuldig ihm das Wort abschnitt. "Mach dir keine Sorgen deswegen, ich hab nicht hingehört. Und ich will mich jetzt auch wirklich nicht damit beschäftigen, also geh einfach, du lenkst mich ab." Aya starrte ihn entgeistert an. Was hatte das denn jetzt zu bedeuten? Der ließ doch sonst keine Gelegenheit aus, in den Köpfen anderer Leute, speziell Ayas herumzuschnüffeln. Und jetzt? Und von was sollte er ihn nicht ablenken? Der Gedankengang stoppte an dieser Stelle und Aya sah auf den Fernseher, auf Schuldig, auf die viel zu stillen Gäste. Es machte Klack und... "Sag mal, du guckst doch nicht wirklich diese Seifenoper?" Keine Reaktion. Dann hatte er das mit der Fernsehserie am Freitag ernst gemeint? War ja gruselig. "Kann man das tatsächlich in irgend einer Weise interessant finden?" Aya hatte nicht wirklich damit gerechnet, aber diesmal antwortete Schuldig sogar. "Ja, klar. Das ist wie Leute beobachten, aber man weiß nicht, was sie denken. Ist mal was anderes." Okay, er hätte nicht fragen sollen. Aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer. "Ja ja, könntest du jetzt bitte ein paar Meter weggehen, damit ich wenigstens noch das Ende mitbekomme?" Aya blieb wie erstarrt sitzen. Er war sich nicht ganz sicher, wie er darauf jetzt reagieren sollte. Einerseits zweifelte er im Augenblick an seinem Verstand. An Schuldigs sowieso, aber das war ja nichts neues. Andererseits war er stinksauer. Und zwar auf diese äußerlich ruhige, tödliche Art. Sollte er jetzt erleichtert oder traurig darüber sein, dass er gegenwärtig keine Waffe zur Hand hatte? Er stand sehr ruhig auf, ging sehr ruhig ein paar Schritte weiter auf die Wand zu und zog den Stecker raus. Bild weg, Telepath wieder da. Das hatte ja schon mal etwas ungemein befriedigendes gehabt. Und nun zum Wesentlichen. ~*~ Schuldig kam mit einem Schlag zu sich als der Fernseher seinen Geist aufgab. Das konnte doch nicht wahr sein! Warum ausgerechnet... Ups! Er wusste zwar nicht so genau, was er zu Aya gesagt hatte - es war ja schon erstaunlich genug, dass er dessen Gegenwart überhaupt zur Kenntnis genommen hatte - aber er schien ziemlich sauer zu sein. Beunruhigenderweise hatte er es mal wieder irgendwie fertig gebracht, dass Schuldig seine Gedanken nicht mehr lesen konnte. Aya setzte sich wieder auf seinen Platz und starrte ihn einfach nur wortlos an. Schuldig versuchte, überall hinzusehen, nur nicht in Ayas Gesicht. Wahrscheinlich würde er dann auf der Stelle tot umfallen und das wollte er nicht wirklich. Ihm fiel auf, dass Ayas Haare noch nass waren und ziemlich unordentlich in alle Richtungen abstanden. Auf der Schulter seines Hemdes zogen sich angetrocknete Blutspuren entlang und die Wunde am Kopf sah auch nicht besonders gut aus. Moment. "Du hast den Verband abgemacht?" Aya verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. "Was soll das sein? Besorgnis? Für wie dumm hältst du mich? Lenk nicht ab! Und jetzt gib mir meine Autoschlüssel!" Schuldig grinste, obwohl ihm nicht wirklich danach war. "Nein, darauf fall ich nicht rein. Ich lass mich doch nicht an 'ner Autobahnraststätte aussetzten." "Findest du das komisch?" "Was genau jetzt? Dass ich dir deine Autoschlüssel nicht gebe, das mit dem Aussetzen oder die Tatsache, dass du versuchst, mich zu bedrohen, ohne irgendetwas gegen mich in der Hand zu haben?" Schuldig lehnte sich betont lässig zurück, lächelte noch eine Spur breiter. Aya lächelte jetzt ebenfalls. "Vielleicht, dass du versuchst, mir mein Auto zu klauen, nachdem deinetwegen schon mein Haus zerstört wurde." Schuldig stutzte. Dieses Lächeln war ihm nicht geheuer. Und es passte nicht zu dem, was Aya gesagt hatte. Wollte er ihm ein schlechtes Gewissen machen? Das konnte er sich wirklich nicht vorstellen. Nicht bei dem Rotschopf. Eigentlich passte überhaupt nichts davon zu Aya, zumindest nicht zu dem, was er bisher von ihm erlebt hatte. Verfolgte dieser am Ende sogar ein bestimmtes Ziel mit diesem Gespräch? Aber das hieße ja... Dann wusste Aya also, dass Schuldig seine Gedanken im Augenblick nicht lesen konnte. Scheiße! Wie sollte er denn ausgerechnet mit Aya reden, wenn er nicht wusste, was der dachte? Das beste wäre es natürlich, wenn er ihm die verdammten Autoschlüssel einfach gab und dann als Anhalter bei irgendjemandem in die Stadt fuhr. Da würde er dann untertauchen - jetzt, wo er wusste, mit wem er es zu tun hatte und wieder halbwegs auf dem Damm war, sollte das kein allzu großes Problem darstellen - und sich, wenn sich die Möglichkeit bot, bei Kaike für die letzte Woche revanchieren. Das wäre das beste... "Ich geb dir die Autoschlüssel. Aber nur unter der Bedingung, dass du mich noch bis in die Stadt fährst." Warum sagte er das? Er wollte doch Aya so schnell wie möglich loswerden. Oder etwa nicht? Mit einem knappen Nicken und einem verschlossenen Blick stimmte Aya zu. Es war also zu spät für einen Rückzieher. Er würde die Autofahrt mit Aya noch hinter sich bringen müssen. Gar kein Problem. Er müsste sich nur zusammenreißen, damit er nicht wieder anfing, endlos über ihn nachzudenken. Und sich... und ihn und sich... Schlecht gelaunt blieb Schuldig sitzen und grübelte darüber nach, was nur mit ihm los war, während Aya sich etwas zu essen bestellte. Nach Ayas Meinung war das ja schon mal gar nicht so schlecht gelaufen. Einfacher als er gedacht hatte. Er fragte sich flüchtig, warum Schuldig unbedingt bei ihm bleiben wollte, aber egal. Er würde also noch die Autofahrt über Zeit haben, Schuldig dazu zu bringen, ihm bei seinem Plan zu helfen. Natürlich wäre es besser, es jetzt zu versuchen, solang er seine Gedanken nicht lesen konnte. Aya hatte zwar keine Ahnung, wie er den Telepathen daran hinderte, aber er war sich ziemlich sicher, dass dieser ihn im Augenblick nicht lesen konnte. Sonst hätte er bestimmt schon eine Bemerkung gemacht. Schuldig hatte währenddessen das Nachdenken über sich selbst schon wieder aufgegeben. Es führte ja doch zu nichts. Die Kellnerin, die vorhin schon die Bestellung aufgenommen hatte, brachte jetzt das Essen. Sie war etwas irritiert von Ayas blutigem Hemd und der Wunde, das konnte er in ihren Gedanken lesen. Warum hatte er vorhin eine Bemerkung dazu gemacht? Aya hatte recht. Was interessierte es ihn schon, ob dieser Dickkopf mit oder ohne Verband um den Kopf herumrannte? Schuldig unterdrückte ein Seufzen. Natürlich. Besorgnis. Es war nicht anders als gestern, aber aus irgend einem Grund beunruhigte es ihn heute noch mehr. Wahrscheinlich, weil er ausgeschlafen hatte. Vielleicht auch aus einem anderen Grund. Schuldig beobachtete Aya so unauffällig es ging. Er wirkte irgendwie gar nicht so unzufrieden, dafür, dass er auf Schuldigs Abmachung eingegangen war. Hatte er das am Ende sogar erreichen wollen? Dass er ihn begleitete? Aber warum? Würde er eben warten müssen, bis er die Gedanken des anderen wieder lesen konnte. Er wünschte, der Fernseher würde wieder laufen. Das würde ihn zumindest ein bisschen ablenken. Stattdessen dachte er über Kaike nach, und was er wegen ihm tun wollte. Bombay schien ja etwas herausgefunden zu haben. Warum sonst hätte Aya ihn nach dem Feuerzeug fragen sollen? Schuldig ärgerte sich, dass er das Gespräch nicht mitgehört hatte. Warum eigentlich nicht? Weil er es auch später in Ayas Gedanken lesen konnte? Oder doch eher, weil er Aya fragen wollte? "Was?", riss ihn Ayas Stimme aus diesen Fragen. Schuldig sah ihn verwirrt an. "Was ist los, dass du mich anstarrst? Ich würde gerne essen, also hör auf damit!", präzisierte Aya seine Äußerung nicht eben freundlich. Schuldig setzte wieder sein Grinsen auf, sagte das erste, was ihm einfiel. "Ich hab mich nur gefragt, was Bombay dir erzählt hat. Ich nehme doch mal an, ihr habt nicht nur über mich geredet oder?" Aya verengte seine Augen zu Schlitzen, sah Schuldig für den Bruchteil einer Sekunde misstrauisch an, bevor er sich wieder - scheinbar desinteressiert - seinem Essen zuwandte. "Du hast also nicht mitgehört? Und das soll ich dir abkaufen?" Schuldig grinste breiter, zuckte mit den Schultern. Wieder lächelte Aya beunruhigend. "Das Feuerzeug, das du gestohlen hast, enthält Informationen, die für Kaike gefährlich werden können. Deshalb tut er alles, um es zurückzubekommen." Schuldig versuchte, sein Erstaunen zu verbergen. Nicht wegen des Feuerzeugs, sondern darüber, dass Aya ihm davon so einfach erzählte. Natürlich musste auch Aya klar sein, dass Schuldig es früher oder später auch so herausfinden würde, aber es einfach so zu sagen, passte nicht wirklich zu ihm. Es sei denn, er wollte, dass Schuldig davon wusste. Und zwar noch jetzt. Das konnte wiederum nur bedeuten, dass Aya versuchte, ihn auf diese Weise zu manipulieren. Das war fast schon komisch. Schuldig lachte und lehnte sich wieder zurück, plötzlich wieder gut gelaunt. Aya brauchte ihn also. Das erklärte einiges. Ruhig erwiderte er Ayas Blick, der zwischen Verwirrung und wachsendem Misstrauen schwankte. "Worüber lachst du?" "Über dich." Schuldig grinste wieder, ignorierte das zornige Funkeln in den Augen seines Gegenübers. "Weißt du, du bist nicht besonders gut in solchen Spielchen, also sag mir lieber, was du vorhast, vielleicht mach ich ja mit..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)