Verschlungene Pfade von Shin-no-Noir (Brillante Meuchelmörderin und tollpatschige Marinesoldatin auf Abwegen) ================================================================================ Kapitel 1: Heuchelei - Nico Robin --------------------------------- Mit ausdrucksloser Miene sah sie der Flying Lamb nach. Die untergehende Sonne, deren Strahlen von der Wasseroberfläche reflektiert wurden, tauchten das Schiff in ein sanftes orangefarbenes Licht, während es aus dem Blickfeld der Frau entschwand. Nun war sie also auf sich allein gestellt. Erstmals wieder nach einer langen Zeit inmitten von Leuten, deren Anwesenheit sie durchaus zu schätzen gelernt hatte – so kam es ihr zumindest vor. Tatsächlich fühlte sie sich mit einem Mal unendlich einsam. Dabei war sie es doch längst gewohnt. Schon immer war sie alleine gewesen und konnte, ohne sich dabei selbst belügen zu müssen, behaupten, in Gewisserweise von Natur aus eine Einzelgängerin zu sein. Sie hatte sich mit ihrem Los abgefunden in all den Jahren, in denen sie um ihr Überleben gekämpft hatte. Sie war alleine, seit ihre Heimat ausgelöscht und jeder, der ihr einmal etwas bedeutet hatte, getötet worden war. Getötet? Nein, ermordet, korrigierte sie sich in Gedanken selbst, und ein bitteres Lächeln huschte über ihr Gesicht. So viele Menschen waren grausam abgeschlachtet worden. Jedoch nicht von gemeinen Verbrechern, sondern von Leuten, die niemals für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden würden. All die Menschenleben – auch die unschuldiger Kinder – waren grausam beendet worden, und zwar unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit. Die Institutionen, die sich damit rühmten, für Recht und Ordnung zu sorgen, waren allesamt nichts weiter als elendige Heuchler. Die Regierung, die Marine… Heuchler mit einer in jedweder Hinsicht verabscheuungswürdigen Doppelmoral. Jeder gewöhnliche Schurke, wie viele Menschen er auch auf dem Gewissen haben mochte, war besser als diejenigen, die im Namen vorgeblicher Gerechtigkeit Blutbäder anrichteten. Es gab, davon war Nico Robin überzeugt, keine unschuldigen Mörder. Sie selbst war gewiss nicht die Art von Mensch, die man als unschuldig hätte bezeichnen können, dessen war sie sich bewusst. Manch einer ihrer Feinde ginge zweifelsfrei sogar so weit, zu behaupten, allein ihre Existenz sei eine Sünde. Unschuldig war vermutlich die kleine Prinzessin aus Alabasta. So unschuldig, idealistisch und naiv, dass es bereits an Lächerlichkeit grenzte. Niedlich, aber töricht. Dennoch, so musste sie sich eingestehen, irgendwie beneidenswert. Robin selbst war alles andere als das. Sie verstand sich schon lange auf Attentate; ihren ersten Mord hatte sie vor mehr als einem Jahrzehnt begangen. Auch hatte sie bereits mit vielen Gesetzlosen gemeinsame Sache gemacht und bereute zudem nur wenig von dem, was sie in den achtundzwanzig Jahren ihres bisherigen Lebens getan hatte. Es war niemals ihr Wunsch gewesen, ihr Bild, wohin sie sich auch wendete, auf Steckbriefen zu sehen. Damals hatte sie nicht verstanden, weshalb man ihr das antat. Sie hatte nichts gewusst davon, wie grausam die Welt zu einem arglosen, einfältigen kleinen Mädchen sein konnte. Doch mittlerweile kümmerte es sie nicht mehr, ob Menschen lebten oder starben, Länder untergingen oder aufblühten. Es blieb sich gleich. Hier und da hatte sie es vermieden zu töten und bei der Ausführung ihres Auftrags unsauber gearbeitet. Vielleicht war sie einfach zu weich, um sich als brillante Meuchelmörderin bezeichnen zu dürfen. Doch es machte ihr nichts aus. Im Gegenteil, sie war froh darüber, gewisse Personen verschont zu haben, obgleich sie in ihrem Sinnen anfangs nicht sehr subtil gehandelt und dadurch beinahe den eigenen Kopf verloren hatte. Auftraggeber mochten es nicht, wenn das Opfer überlebte und sollten dies vorzugsweise niemals erfahren; diese Lektion hatte sie rasch verinnerlicht. Mittlerweile fiel es ihr schwer zu glauben, dass sie eine solche Selbstverständlichkeit einmal außer Acht gelassen hatte. Oh ja, sie hatte viele Fehler in ihrem Leben begangen. Oder war der größte von all diesen Fehlern vielleicht der gewesen, dass sie nicht einfach den anderen ehemaligen Einwohnern Oharas ins Jenseits gefolgt war? Ein fast schon spöttisches Schmunzeln zeigte sich auf ihren Zügen. Mittlerweile sollte sie es besser wissen. Schon lange hatte sie sich keine Selbstzweifel mehr erlaubt. Gewissermaßen war sie sogar stolz auf das, was sie erreicht hatte. Ihre neuen Reisegefährten hatten sie in ihrem Glauben bestärkt. Eines Tages würde sie das Rio-Porneglyph gewiss finden, war sie doch bereits weit gekommen. Ihre gute Menschenkenntnis und die Fähigkeit, eine Maske aufzusetzen, die zu durchschauen niemand – zuweilen nicht einmal sie selbst – in der Lage war, hatten ihr in diesem Bestreben immer gute Dienste geleistet. Robin hatte mit vielen Leuten zusammengearbeitet und gelegentlich auch Beziehungen zu diesen aufgebaut, die einem freundschaftlichen Verhältnis sehr nahe gekommen waren. Doch spätestens dann, wenn eine jener Personen von dem auf Nico Robin ausgesetzten Kopfgeld erfuhr, hatte diese alles daran gesetzt, sie ihren Feinden auszuliefern, um die Belohnung einstreichen zu können. Zu Anfang hatte es ihr jedes Mal aufs Neue einen Stich ins Herz versetzt, obgleich es im Nachhinein immer sie selbst gewesen war, die den Erfolg hatte verzeichnen können. Ab einem gewissen Zeitpunkt hatte es dann niemals mehr Zweifel für sie daran gegeben, dass es sich schlussendlich nur um ein Zweckbündnis handelte und dass es ihr daher auch nicht schwer fallen würde, selbst Verrat zu begehen. So hatte sie überlebt. Seit ihrem achten Lebensjahr hatte es niemanden mehr gegeben, dem sie vorbehaltsloses Vertrauen hätte entgegenbringen können – oder wollen – und es war sowohl ein Segen als auch ein Fluch für sie gewesen. Denn jeder, dem sie dennoch nicht mit übermäßig viel Argwohn begegnet war, hatte sie irgendwann hintergangen. Und sie konnte es denjenigen nicht einmal verübeln. Die Belohung war einfach zu verlockend. Und was bedeutete schon das Leben eines kleinen Mädchens verglichen mit einem Haufen Geld? Die Welt war kalt und dunkel und jeder, der in ihr lebte, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Schnell hatte Robin gelernt, dass sie sich anpassen oder sterben musste und dass sie niemals wieder jemandem Vertrauen schenken durfte. Doch nun verhielt es sich mit einem Mal vollkommen anders; ganz plötzlich. Sie misstraute ihren Freunden keineswegs - im Gegenteil. Erneut seufzte Robin unhörbar. Jetzt war es also so weit, dass sie Ruffy und dessen Crew als ihre Freunde bezeichnete. Dabei konnte sie es sich doch gar nicht leisten, eine derartige Beziehung zu irgendjemandem aufzubauen. Schon gar nicht zu der Bande des Strohhutjungen. Nicht zum ersten Mal, während sie sich vom Meer in Richtung Hauptstadt der Insel wegbewegte, zierte ein verächtliches Lächeln ihre Mundwinkel. Lächerlich; sie verhielt sich vollkommen absurd. Inakzeptabel. Ganz offensichtlich war sie dabei, die Kontrolle zu verlieren. Oder hatte sie das etwas längst? Hatte sie die Kontrolle vielleicht schon in dem Moment verloren, in dem sie sich dazu entschloss, Ruffy und seiner Bande den Eternal-Port anzubieten? Neben der Regierung und all den dazugehörigen Instanzen gab es nur noch eine Sache, die sie mehr hasste als alles andere und die sie tunlichst zu vermeiden suchte; sie verabscheute das Gefühl, das sie überkam, wenn ihr die eigene Situation entglitt. Angst. Sie fürchtete sich vor dem, was aus dem Verlust der Kontrolle über ihre Emotionen resultieren könnte. Es war nicht so, dass sie jemals vorgehabt hätte, ihre neuen Reisegefährten ähnlich zu benutzen wie die zahlreichen Verbrecher, durch die sie ihrem Ziel jedes Mal ein klein wenig näher gekommen war. Dazu war die Strohhutbande ihr vom ersten Aufeinandertreffen an viel zu sympathisch gewesen. Sie hatten Träume und einen ausgeprägten, durchaus realistischen Gerechtigkeitssinn. Und vor allem waren sie frei. Ungebunden. Sie selbst war niemals wirklich frei gewesen. Umso mehr genoss sie es, wenn sie sich an Bord der Flying Lamb befand, inmitten von in der Tat sehr angenehmen Piraten, die ausgelassen ihrer jeweiligen Lieblingsbeschäftigung nachgingen. Dennoch. Sie konnte sich dieser Illusion von Freiheit nicht ewig hingeben. Früher oder später würde sie die Crew endgültig verlassen müssen. Besser früher als später. Ansonsten würde ihre Maske der anmaßenden Selbstsicherheit nach und nach zerbröckeln, unwiderruflich. Und dann gäbe es kein Zurück mehr. Nie mehr. Und auch dieses Mal würde sie alles verlieren, was ihr wichtig war. Robin wusste, dass sie eine Gefahr für jeden Einzelnen darstellte, der sich in ihrer Nähe aufhielt. Es wäre nicht schade gewesen, hätten diejenigen, die hinter ihr her waren, ihren ehemaligen Boss oder einen seiner Vorläufer in die Finger bekommen. Keinem dieser törichten Personen hätte sie eine Träne nachgeweint. Niemand hätte diesen skrupellosen Verbrechern eine Träne nachgeweint. Doch immer wieder musste sie sich eingestehen, dass sie Ruffy und die Seinen gewissermaßen bewunderte. Sie wollte nicht, dass ihnen etwas zustieß. Um jeden Preis musste sie verhindern, dass diese unzweifelhaft einmaligen Piraten ihretwegen nicht dazu kommen würden, ihre Träume zu verwirklichen. Robin war sich sicher, dass sie auch ohne deren Hilfe weiterhin sehr gut zurecht käme. Und dies würde sie vorläufig auch müssen. Das, was sie vorhatte, ging den Rest der Bande nichts an. Sollten sie doch glauben, dass sie sich auf der Insel, die sie sich zum Ziel auserkoren hatte, nur eine Weile erholen wollte. Die Weltregierung würde ihr bei ihrem eigentlichen Vorhaben dicht auf den Fersen sein, falls jene Vereinigung Wind davon bekommen sollte. Daher erachtete die Archäologin es als notwendig, ihre Reisegefährten zumindest für einen begrenzten Zeitraum zu verlassen. Solange niemand mit Sicherheit wusste, dass sie nun zu der Bande des Strohhutjungen zählte, war diese vorläufig außer Gefahr. Und sie selbst auch… mehr oder weniger. Sie wollte nicht wählen müssen zwischen dem Leben etwaiger Freunde und der Möglichkeit, eines Tages das Rio-Porneglyph zu finden; wusste sie doch längst, wie ihre Entscheidung ausfallen würde. Bisher hatte sie nur überlebt, weil es in den letzten neunzehn Jahren niemals etwas gegeben hatte, das sie hätte schützen müssen. (In dem Jahr davor war es – mehr oder weniger – ein kleines Kätzchen gewesen. Ein dummes Tier, das glücklicherweise rasch Opfer seines eigenen Leichtsinns geworden war.) Unwillkürlich schüttelte die Frau den Kopf. Milde überrascht von den verworrenen, nachgerade melancholischen Gedanken, die sie mit einem Mal überkommen hatten in dem eigentlich recht unbedeutenden Moment, als die Flying Lamb hinter dem Horizont verschwunden war. Tief atmete sie ein, bevor sie ihren Weg fortsetzte. Die trüben Gedanken würde sie sich für ein anderes Mal aufheben. Schließlich war sie Nico Robin; die einzige noch lebende Person, die dazu in der Lage war, die Porneglyphe zu entschlüsseln. Eine fähige Archäologin und außerdem subtile Attentäterin, die schon als Achtjährige Schlagzeilen gemacht und damit die Aufmerksamkeit etlicher Leute auf sich gelenkt hatte. Eine Frau, die seit nunmehr zwanzig Jahren unter anderem von bedeutenden Geheimorganisationen wie der Neunten Gerechtigkeit gejagt wurde und seitdem untergetaucht war. Ja, sie war die berüchtigte Nico Robin. Und sie hasste diesen Namen. Er beinhaltete ihre gesamte Vergangenheit und damit jede einzelne von zahlreichen Enttäuschungen. Er war der Grund, weshalb sie sich seit zwanzig Jahren auf der Flucht befand, immer darauf gefasst, fliehen zu müssen; selbst vor den eigenen Leuten. Es war der Name, der auf den Steckbriefen stand, und der ihr das Leben seit jeher zur Hölle gemacht hatte. Während ihre Gedanken erneut abzuschweifen drohten, schalt sie sich selbst eine Närrin. Sie konnte es sich nicht leisten, sich in Selbstmitleid zu suhlen wie ein Schwein im Dreck. Widerwillig fand sie sich damit ab, dass die Schuld für ihre momentane Gemütslage bei der Abwesenheit der Strohhutbande zu suchen war. Kaum zu glauben, aber für gewöhnlich lenkten diese Leute sie vorzüglich von derlei überflüssigen, nostalgischen Grübeleien ab. Wie auch immer. Sie schob den lästigen Trübsinn beiseite, indem sie eine wegwerfende Handbewegung machte. Vor ihr hoben sich bereits die Häuserdächer vom Rest der Landschaft ab. Es wäre einfacher gewesen, am Hafen der Stadt anzulegen. Während sie sich der im Grunde belanglosen Überlegung hingab, wie die Einwohner wohl reagieren würden, ginge aus heiterem Himmel ein Piratenschiff bei ihnen vor Anker, entrang sich ein leises, selbstironisches Kichern ihrer Kehle. Lächerlich. Einfach lächerlich. __________ So, das wäre dann das zweite Kapi. o.o Irgendwie sind Robins Gedankengänge nicht ganz so geworden, wie ich sie ursprünglich hatte haben wollen, aber nun gut. So ist das halt. ^^" Auch hier gilt: Möglich, dass ich wieder mal das unbändige Verlangen verspüre, alles etliche Male zu überarbeiten. Und es wird eventuell noch etwas Text hinzugefügt werden. Hm... nein, noch ist Robin nicht auf Alabasta; das kommt mit dem erwähnten Text oder aber erst im nächsten Kapitel. ;P Konstruktive Kritik und Kommentare im Allgemeinen wie immer erwünscht. Danke für's lesen/etwaiges Kommentieren. ^-^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)