Extorts Changeover von Lina_Kudo (Ein erpresster Seitenwechsel (Shinichi&Ran)) ================================================================================ Kapitel 9: No Way Out? ---------------------- Kapitel 9: NO WAY OUT? Kein Ausweg? ****Rückblick**** Die Tür ging auf. Das musste Professor Agasa sein. Seit der Entführung kam sein langjähriger Nachbar immer wieder vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Auch, wenn Shinichi dies nicht so offen zeigte, weil ihm nicht danach zumute war, war er ihm sehr dankbar dafür. »Guten Morgen Pro–«, wollte er ihn freundlich begrüßen, als er sich aufsetzte. Doch bei dem Anblick, der sich ihm bot, hielt er erstarrt inne. An der Tür stand nicht der korpulente Professor, sondern eine ganz andere Person. Die Person, die er seit einem Jahr versuchte, zu retten. Die Person, die ihm mehr bedeutete als alles andere. Die Person, die er von ganzem Herzen liebte. »Ran«, brachte er lediglich ein leises Hauchen zu Stande. ****Rückblick**** Nun stand sie vor ihm. Komplett in Schwarz gekleidet mit einem schwarzen Bleistiftrock, einem schwarzen Blazer und schwarzen Pumps. Ihre Miene verriet nichts. Keine Kälte, keine Mordlust; allerdings auch keine Wärme oder gar Liebe. Absolut nichts konnte er in ihrem nach wie vor wunderschönen Gesicht ablesen. Und das, obwohl er sehr gut darin war, die Gedanken seines Gegenübers zu erraten. Aber Ran ließ nichts durchscheinen. Seit wann war sie so … undurchschaubar? Sie war nicht mehr die Alte – zumindest das erkannte er auf dem ersten Blick. Das Jahr in der Organisation hatte sie sichtbar geprägt. Von der fröhlichen, ausgelassenen Ran, die besonnen in den Tag hineinlebte, war nichts mehr übrig geblieben. Sie war nun kein Mädchen mehr, sondern eine reife Frau. Eine Frau, die jegliche Lebensfreude vor langer Zeit verloren hatte. Die ihr altes Ich längst zurückgelassen hatte. Von der nur noch eine Hülle übrig geblieben war. Sein Blick wanderte zu ihr runter. In der rechten Hand hielt sie einen Revolver. Einen Walther PPK. Zwar hatte sie ihn nicht auf ihn gerichtet, sondern ließ ihn schlaff an ihrer Hand herunterhängen, doch warum hielt sie überhaupt eine Waffe? Alle Fragen, die ihm in den Kopf schossen, erschienen ihm jedoch nebensächlich. Die Hauptsache war, dass sie wohlauf und am Leben war. Und das zeigte er ihr auch, indem er seine Fassung wiederfand und ruhig aussprach: »Gott sei Dank. Du bist am Leben, Ran.« Sie zuckte kaum merklich zusammen. In seiner Gegenwart fiel es ihr unglaublich schwer, ihre kalte Fassade aufrechtzuerhalten. Oder besser ausgedrückt: Sie war gar nicht in der Lage, die Fassade überhaupt aufrechtzuerhalten in seiner Nähe. Hinzu kam, dass er sie bei ihrem echten Namen nannte und so sanft mit ihr sprach, als wäre nichts Schlimmes vorgefallen. Sie hatte ihren eigenen Namen bereits so lange nicht mehr gehört, dass er ihr fast schon fremd vorkam. Dennoch klang er aus seinen Lippen so vertraut. Seit einem Jahr wurde sie ausschließlich ›Angel‹ genannt. Als ob Ran Mori vor einem Jahr aufgehört hätte zu existieren. Doch in dem Moment, als sie Shinichi sah, begann die alte Ran zu erwachen aus ihrem monatelangen Tiefschlaf. Vor allem die Tatsache, dass er sie nicht mit Fragen oder gar Vorwürfen überhäufte, sondern einfach nur froh war, dass sie überhaupt noch am Leben war. Allein das ließ alles in ihr zusammenfallen. Sie traute sich gar nicht erst, ihm in die Augen zu sehen, sondern starrte verbittert zu Boden. Shinichi schluckte. Was sollte er jetzt tun? Er konnte ihre Reaktion einfach nicht mehr abschätzen. Würde sie es zulassen, wenn er aufstand, auf sie zuging und sie in den Arm nahm? Wahrscheinlich nicht. Und dennoch war sie doch immer noch … Ran. Seine Ran. Er tastete sich Schritt für Schritt voran. »Wie … Geht es dir gut?«, fragte er vorsichtig. Ran blickte hoch. Ihr Blick verriet verborgene Verzweiflung. »Wie soll es mir schon gehen? Seit einem Jahr bin ich ein Mitglied der Schwarzen Organisation. Ich gehöre zur Verbrecherszene. Zu eine der gefährlichsten Mafia dieser Welt. Und ich bin dieser Gruppe nur beigetreten, um meiner Familie, meiner Freunde und vor allem dir das Leben zu retten. Und anscheinend habe ich meinen Job so gut gemacht, dass der Chef nun denkt, dass ich wirklich mit Leib und Seele dabei bin und hat mich jetzt zu meiner letzten Prüfung geschickt«, erklärte sie ihm leise und sah runter zu ihrer Waffe. Shinichis Herz verkrampfte sich nach jedem Satz immer weiter. Er konnte sich nicht annähernd vorstellen, was sie durchgemacht haben musste. Jeden Tag auf’s Neue in der Gegenwart dieser Leute zu verbringen war wie ein Kampf auf Leben und Tod – und das ein ganzes Jahr lang. Vor allem auch die Hoffnung aufgeben zu müssen, jemals wieder in ihr altes Leben zurückkehren zu können. Denn das hatten sie ihr mit Sicherheit eingetrichtert. Ihr Mut war beispiellos. Doch gleichzeitig wuchs sein Hass gegen die Schwarze Organisation dadurch nur noch weiter bis ins Unermessliche. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste er gar nicht, dass das überhaupt noch im Bereich des Möglichen war. Wie die letzte Prüfung aussah, konnte er sich längst denken. »Sie wollen, dass du mich tötest, oder?«, schlussfolgerte er in einem kühlen Ton. »Und ansonsten bist du dran mit deiner Familie, hab ich recht?« Als ein Nicken ihrerseits folgte, schwieg er zunächst, bis er Sekunden darauf die Stille wieder unterbrach: »Sie haben dir aber nichts getan, oder?« Ran verwirrte seine Reaktion. Er wusste nun von ihrer Mission und fragte sie trotzdem munter, ob sie ihr etwas getan hatten? Hatte er sich etwa schon damit abgefunden, sich von ihr töten zu lassen, damit sie nicht sterben musste? Nein, das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Er würde sicher kämpfen wollen. Kämpfen um ihr wohlverdientes Glück. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, sie haben mir nichts getan. Zumindest nicht so, wie du denkst. Sie haben nur … mein Leben zerstört«, erklärte Ran, und das war auch die Wahrheit. Sie hatten sie nie geschlagen oder gar vergewaltigt. Das war ihr zum Glück erspart geblieben. Außerdem war sie nicht ohne Grund die Karatemeisterin des Landes. Was war nur los? Sie kannten sich nun schon fast ihr ganzes Leben; hatten sich kurz vor der langen, räumlichen Trennung sogar geküsst und sich gegenseitig ihre Liebe gestanden. Und nun standen sie sich gegenüber und redeten wie zwei Fremde miteinander. Die Distanz zwischen ihnen war beinahe unerträglich. »Wenigstens das«, flüsterte er etwas erleichtert und biss sich leicht auf die Unterlippe. Wie konnte er sich ihr am besten annähern? Wollte sie das überhaupt? Er wollte sie keineswegs noch weiter von sich wegstoßen. Was sollte er nur tun? Gab es überhaupt etwas, was er tun konnte? »Ran … Wir können flüchten. Wir können dich in den Zeugenschutzprogramm aufnehmen und …«, versuchte er sie zu einer Flucht zu ermutigen, doch sie fiel ihm prompt ins Wort. »Es gibt für mich keinen Weg. Glaub mir. Ich kenne ihre Strategien und ihre Vorgehensweise. Ein Zeugenschutzprogramm wird mich auch nicht retten können, denn selbst dort arbeiten einige von ihnen. Sie werden mich überall wiederfinden. Ich werde in ewiger Flucht vor ihnen leben müssen.« »Dann müssen wir uns ihnen stellen!«, entschied Shinichi unbeirrt und ballte seine Hände zu Fäusten. Er würde es nicht zulassen, dass die Typen auch noch ihre Zukunft zerstörten. Schlimm genug, dass sie ihr 365 Tage ihres Lebens geraubt hatten. Bis hier und nicht weiter! Vor Wut biss er seine Zähne zusammen, bis sie anfingen zu knirschen. Traurig schüttelte die Brünette ihren Kopf. »Wir haben überhaupt keine Chance gegen sie. Und ich … habe überhaupt keine Perspektive mehr. Ich kann nicht mehr zurück, und nach vorne kann ich auch nicht mehr sehen. Ich befinde mich gerade auf einer fast kaputten Brücke, das bei jeder Bewegung definitiv einstürzen wird. Egal, ob ich vor oder zurückgehe: Ich werde in die Tiefe stürzen.« Vereinzelte Tränen hatten sich in ihre Augen gesammelt. »Shinichi, ich habe gestohlen und geraubt. Ich habe erpresst und Leute als Geisel genommen. Ich habe sogar … Menschen indirekt getötet. Ich stand daneben und hab zugesehen, wie sie eiskalt ermordet worden sind. Für mich gibt es kein Zurück mehr«, schoss es verzweifelt aus ihr raus. Ihre Stimme bebte sowie auch ihr Körper. Nun ließ sie ihrer Verzweiflung der letzten Monate erstmals freien Lauf, fiel auf die Knie und weinte verbittert. Doch als sie hörte, wie sich ihr Schritte näherten, hob sie abwehrend ihre Hand. »Komm mir nicht zu nahe. Ich bin nicht mehr die, die du kennst. Ich gehöre zur Schwarzen Organisation. Ich … bin böse«, sprach sie mit erschreckender Monotonie aus. »Du darfst mir nicht vertrauen. Ich bin nicht mehr Ran, sondern Angel.« »Nein«, sagte er, und die Entschiedenheit in seiner Stimme verwunderte sie. »Du bist und bleibst Ran. Meine Ran, die ich seit der Grundschule liebe und verehre. Selbst wenn du aktiv gemordet hättest, bleibst du trotzdem meine Ran«, flüsterte er gebrochen und sah ihr tief in die Augen. Lange starrte sie ihn lediglich stumm an. Seine Worte berührten die tiefste Faser ihres Herzens. Sie war voll und ganz ergriffen von ihm. Und dann war es soweit: Endlich bildete sich nach so langer Zeit ein wahres Lächeln auf ihren Lippen. Das sanfte Lächeln der echten Ran. So lange hatte sie nicht mehr von Herzen gelächelt, dass sie geglaubt hatte, es verlernt zu haben. Doch dem war zum Glück nicht so. Shinichi hatte ihr ihr Lächeln zurückgeschenkt. »Bitte tauch unter. Rette auch alle anderen; unsere Familie und Freunde. Über euch wissen sie zu wenig; euch werden sie nicht finden, solange ich nicht bei euch bin und ihr euch von der Öffentlichkeit fernhaltet«, riet sie ihm ein letztes Mal. »Was hast du vor?«, fragte Shinichi sofort alarmiert. Eine Spur von Angst schwang in seiner Stimme mit. So, wie sie diesen Satz sagte, klang es schwer nach Abschied. Er befürchtete schon das Schlimmste, wollte es aber nicht wahrhaben. Deprimiert schüttelte sie den Kopf. »Für mich gibt es keinen anderen Weg mehr. Ich kann nicht bei dir bleiben. Das würde dich nur in Gefahr bringen. Aber ich will auch auf keinen Fall zurück zur Organisation, und damit ist mein Todesurteil gesprochen«, erklärte sie leise und hob ihre Waffe in Zeitlupentempo hoch. »Ich habe mich schon dazu entschieden, als mir dieser Auftrag auferlegt wurde. Für mich kam es nie in Frage, diesen Auftrag auszuführen. Aber … ich wollte dich noch ein letztes Mal sehen, bevor ich aus diesem Leben scheide. Mich vergewissern, dass du mir verzeihst, auch wenn ich es nicht verdient habe.« Es war wie ein Schlag in sein Gesicht. »Nein!«, schrie er, doch traute sich auch nicht, sich von der Stelle zu bewegen. Denn Ran hatte die Waffe bereits an ihrer Schläfe. Eine falsche Bewegung und sie würde sicher abdrücken. Er versuchte, ganz vorsichtig auf sie einzureden wie auf ein geblendetes, ängstliches Tier, dass jeden Moment weglaufen könnte: »Bitte. Das kannst du mir nicht antun. Das ist keine Lösung. Wir werden es schon gemeinsam schaffen, bitte Ran!« »Ich habe schon genug Sünden begangen; da macht es nichts aus, wenn ich auch noch diese letzte Sünde begehe. Für mich ist es schon zu spät. Für mich gibt es keinen anderen Ausweg mehr. Über mich wissen sie schon viel zu viel und mich würden sie immer finden, egal wo ich bin. Ich werde in ewiger Flucht leben, und so ein Leben möchte ich euch allen nicht zumuten. Und ich will auch kein Leben, wo ich nicht an deiner Seite sein kann. Und den Tod habe ich verdient. Ich habe schon so viele Morde gesehen, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Habe es einfach … zugelassen. Das ist Beihilfe zum Mord.« Sie kniff verzweifelt die Augen zusammen, als sie an die zahlreichen, schrecklichen Momente zurückdachte. »Wenn ich jetzt zurückkehre und rauskommt, dass ich dich nicht getötet habe, werden sie erst recht euch alle auf brutalste Weise töten und dann mich, um mir ihre Macht zu demonstrieren. Aber wenn dann öffentlich wird, dass ich gestorben bin … vielleicht belassen sie es dann dabei. Denn sich an mir rächen können sie sich nicht mehr. Und dich werden sie auch in Ruhe lassen, weil du so richtig leiden sollst aufgrund des Verlustes durch mich. Aber du wirst darüber hinwegkommen, ja? Lebe bitte weiter … für mich.« Eindringlich sah sie ihn an und fuhr schnell fort. »Das ist der einzige Weg, damit ihr noch entkommen könnt. Aber du musst schnell genug reagieren – denn höchstwahrscheinlich werden wir gerade beobachtet.« Eine Träne tropfte über ihre Wange und ein letztes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. »Irgendwann sehen wir uns wieder. Ich hoffe aber nicht zu bald. Bitte führe mir zuliebe ein glückliches Leben. Ich werde dich immer lieben und auf dich warten, so wie ich es dir versprochen habe.« Ein Schuss ertönte … und unmittelbar danach ein Schrei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)