Short Stories von Morwen (# 7 - Alkohol (J/Inoran) online) ================================================================================ # 1 - Kuss ---------- Autor: Morwen E-mail: MorwenEledhwen@gmx.de Titel: #1 - Kuss Wörter: 333 Pairing: Kein bestimmtes. (Auch wenn ich schon zwei gewisse Personen vor Augen hatte, als ich das hier geschrieben habe... *gg* Wer es errät, bekommt einen Keks von mir. ^_~) Kommentar: So, hier also die erste Geschichte. ^^ Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen - und ich freue mich immer über Kommentare. ^_~ *mit dem Zaunpfahl winkt* *gg* Kuss „Bist du mir immer noch böse?“ Ich? Nie im Leben... Wie kommt er nur auf die Idee?! Ich drehe mich um und hoffe ihm dadurch klarzumachen, dass er verschwinden und mich mit meiner geheiligten schlechten Laune allein lassen soll. Weit gefehlt. Stattdessen hüpft er nun um mich herum und sieht mich besorgt aus seinen großen, dunklen Augen an. „Du bist mir böse, oder?“ Ich weiß nicht, ob ihm klar ist, dass ich nie auf Dauer böse auf ihn sein kann – auch wenn ich es immer wieder versuche... „Wie kommst du denn darauf?“ frage ich stirnrunzelnd. „Na, weil...“ Er zögert. Die ganze Sache scheint ihm ziemlich peinlich zu sein... „Weil ich dich geküsst habe, als ich dachte, du würdest schon schlafen...“, meint er schließlich betreten und sieht zu Boden. Er hat wirklich ein schlechtes Gewissen, das ist nicht zu übersehen... Ich seufze. Mit der festen Absicht, endlich mal ein paar grundlegende Dinge zu klären, packe ich ihn dann an den Schultern und ziehe ihn dicht zu mir heran. Er sieht mich erschrocken an. „Ich bin dir nicht böse, weil du mich geküsst hast“, sage ich leise. „Ich bin dir böse, weil du weggelaufen bist, bevor ich die Gelegenheit hatte, das zu tun...“ Seine Augen weiten sich, als ich mich vorbeuge und ihn küsse. Einen Augenblick lang ist er wie erstarrt, doch dann schlingt er die Arme um meinen Hals und... erwidert den Kuss... Nachdem wir uns wieder voneinander gelöst haben, lehnt er seine Stirn gegen meine und sieht mich atemlos an. Seine blassen Wangen sind gerötet. „Du... du hast nur so getan, als würdest du schlafen, nicht wahr?“ fragt er. Oha... Schlaues Kerlchen... Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Was glaubst du...?“ erwidere ich. „Du...!“ Entrüstet piekt er mit dem Finger in meinen Bauch und ich muss lachen. „Du machst dich über mich lustig“, murrt er. „Nur manchmal...“, entgegne ich ehrlich. „Primär liebe ich dich.“ Er starrt mich an. „Meinst du das wirklich ern-? – Hmpf!“ Ich hoffe, der zweite Kuss ist Antwort genug. # 2 - Rot (Tatsurou x Yukke) ---------------------------- Autor: Morwen E-mail: MorwenEledhwen@gmx.de Titel: #2 - Rot Pairing: Tatsurou x Yukke (ein wenig... ^^) Kommentar: Und weiter geht's in die zweite Runde. *gg* Die Idee zu dieser Geschichte schwirrt mir schon seit einer Ewigkeit im Kopf herum, und vor kurzem ist es mir endlich gelungen, sie aufzuschreiben. ^^ Die Vorstellung ist einfach zu herrlich... XD Na ja, lest es einfach selbst. ^^ Über Kommentare würde ich mich sehr freuen. =D Rot „-ihre Haut war weiß wie Schnee, die Lippen rot wie Blut und ihr Haar schwarz wie Ebenholz... – Sag mal, hörst du mir eigentlich noch zu?“ „Hm?“ Yukke musterte mich mit so unschuldiger Miene, dass ich beinahe meinen Ärger darüber vergessen hätte, dass er mir schon, seitdem ich mit dem Vorlesen begonnen hatte, nicht wirklich zuhörte. Aber vielleicht war es auch weniger seine Unaufmerksamkeit, die mich störte, als dieser verdammte Lolli, an dem er nun schon seit einer geschlagenen halben Stunde mit aufreizender Langsamkeit herumlutschte... „Natürlich höre ich dir zu!“, meinte er leicht entrüstet. „Aber bei dem Tempo, in dem du vorliest... Selbst meine Großmutter wäre schneller!“ Der Lolli war genauso rot, wie seine Lippen, und ich musste mich zwingen, nicht allzu sehr hinzustarren, als sie sich schon fast unverschämt sinnlich um die klebrige rote Kugel schlossen... Schnell wandte ich den Blick wieder auf die Buchseiten, doch als ich nun stockend mit dem Vorlesen fortfuhr, konnte ich mich irgendwie nicht mehr richtig auf den Text konzentrieren – nicht, dass ich es überhaupt konnte, seitdem Yukke angefangen hatte, diesen verdammten Lolli zu lutschen... „Meine Güte, was ist denn bloß los mit dir, Tatsurou?“ Er rollte sich von der Seite auf den Bauch, stützte das Kinn in die Hände und sah mich an. „So unkonzentriert kenne ich dich ja gar nicht.“ „Tatsächlich...?“, murmelte ich und gegen meinen Willen wanderte mein Blick erneut zu seinem kirschroten Mund hinüber, der gerade langsam die rote Kugel entließ, nur um sie kurz darauf wieder aufzunehmen. Mir wurde plötzlich sehr heiß. Also wenn er so weiter machte, würde ich bald aufstehen, ihm den Lolli aus der Hand nehmen und sehen, wozu dieser Mund sonst noch alles fähig war... Ein leises Räuspern lenkte meinen Blick wieder auf seine Augen, die mich unverwandt musterten. „Ich möchte nicht komisch klingen, aber... irgendwie behagt mir dein Blick gerade überhaupt nicht...“, sagte er vorsichtig. Ich dachte darüber nach, dann klappte ich das Buch plötzlich so ruckartig zu, dass er erschrocken zusammenzuckte. Eigentlich hatte ich eh von Anfang an keine Lust gehabt, ihm daraus vorzulesen... Seine Augen folgten jeder meiner Bewegungen, als ich das Buch auf den Tisch neben mir legte und aufstand, um mich zu ihm zu setzen. Mit einem lasziven Lächeln nahm ich ihm den Lutscher weg und steckte ihn mir selbst in den Mund. Jetzt war es an mir, den Lolli nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen... Es schien zu funktionieren, denn als er mit ansah, was ich alles mit dem Lutscher – nur mit meinem Mund wohlgemerkt – tat, wurden seine Augen immer größer... Nach ungefähr fünf Minuten gab ich ihm den Lolli wieder. „So, jetzt weißt du, was ich in der letzten halben Stunde durchmachen musste!“, schnaubte ich. Dann stand ich wieder auf und verließ das Zimmer – nicht ohne dabei Yukke zurückzulassen, der plötzlich sehr rot im Gesicht war. # 3 - Hass (Reita/Kai) ---------------------- Autor: Morwen E-mail: MorwenEledhwen@gmx.de Titel: #3 - Hass Wörter: 109 Pairing: Reita x Kai (wenn auch nur seeehr leicht angedeutet :D) Kommentar: Maaaann, schon wieder neun Wörter zuviel... ich werde es nie schaffen, ein 100-Wörter-Drabble zu schreiben. T___T Hass Du sagst, dass du sein ewiges Lächeln hasst. Doch immer wenn er lacht, fangen deine Augen an zu strahlen. Du sagst, dass er ein lausiger Koch ist und machst jedes Mal ein angewidertes Gesicht, wenn du etwas von seinem Essen isst. Doch später fragst du mich immer, ob es mir auch so gut geschmeckt hat. Du sagst, dass du es hasst, von ihm bemuttert zu werden. Doch ich weiß, dass du dich freust, wenn er sich an Tagen, an denen es dir nicht so gut geht, Sorgen um dich macht. Du gibst vor, ihn zu hassen, obwohl du ihn anbetest. Denn du kannst einfach nicht über deinen Schatten springen... *~* Ja, sehr kurz, ich weiß... u_u" Aber das haben Drabbles für gewöhnlich so an sich. *gg* Über Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen. :D # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 1 ------------------------------------ Autor: Morwen E-mail: MorwenEledhwen@gmx.de Titel: # 4 - Kälte Teil: 1/? (ich bin mir wegen dem Ende noch nicht sicher, aber ich denke mal, es werde so um die fünf Kapitel) Pairing: Reita x Kai (irgendwie); weitere folgen unter Umständen noch... ^^ Musik: Buck-Tick Kommentar: Der erste Mehrteiler unter den Kurzgeschichten. :D Nach "Hass" fiel mir auf, wie sehr ich dieses Pairing eigentlich mag. Und dann fiel mir ein, dass ich schon seit einer Ewigkeit diese Geschichte hier auf meinem Computer rumliegen habe, die ich eigentlich sehr mochte. Ich habe sie wieder vorgekramt und ein bisschen überarbeitet; ich hoffe, sie gefällt euch. :D Anmerkungen: Ich bezweifle, dass Reita Kai wirklich so wenig leiden kann, wie ich es hier beschrieben habe. Aber da er in der Vergangenheit einmal erwähnt hat, dass er Kai nicht ausstehen kann, habe ich mir so meine Gedanken darüber gemacht... ^^ Kälte „Reita, aufstehen!“ „Verpiss dich!“, lautete die schlechtgelaunte Antwort, dann wälzte sich die Gestalt auf dem Bett auf die andere Seite und zog sich die Decke über den Kopf. Kai runzelte verärgert die Stirn, bevor er mit schnellen Schritten an das Bett herantrat und dem Bassisten die Decke wegriss. „Ich sagte, du sollst-“ Mit einem leisen ‚fump’ landete ein Kissen in seinem Gesicht und erstickte den Rest des Satzes. „Und ich sagte, du sollst abhauen!“, entgegnete Reita nur kühl, riss seine Decke wieder an sich und versuchte die Welt im Allgemeinen und Kai im Speziellen zu ignorieren. Es gelang ihm etwa fünf Sekunden lang, bis ihm die Decke erneut entrissen wurde. „Reita!“ Die Art und Weise, wie der Drummer dieses eine Wort aussprach, versprach mehr Schmerzen, als es tausend Worte getan hätten. „Beweg deinen verdammten Arsch aus dem Bett und komm runter zum Essen! Alle anderen sind schon da, nur du faulenzt hier immer noch herum! Jetzt mach endlich, verflucht noch mal!“ Wutentbrannt rauschte Kai wieder aus dem Zimmer und überhörte – zum Glück – Reitas Antwort. „Ach, leck mich doch...“ Gähnend schwang der Bassist die Beine aus dem Bett, schnappte seine Sachen und machte sich auf den Weg ins Bad, wobei er, schlaftrunken, wie er war, fast gegen den Türrahmen gelaufen wäre. Zehn Minuten später trottete Reita schlechtgelaunt in die gemeinschaftliche Küche und warf allen Anwesenden einen vernichtenden Blick zu, bevor er sich auf seinen Sitz plumpsen ließ. „Na, gut geschlafen?“, fragte Ruki den Bassisten gutgelaunt – und duckte sich sofort hastig, als Reita seinen Teelöffel nach ihm warf. „Du bist echt die personifizierte Lebensfreude heute Morgen, Reita“, meinte Aoi trocken, bevor er nach seiner Kaffeetasse griff und an dem heißen Getränk nippte. „Woran liegt das wohl...“, knurrte der Angesprochene und warf einen Blick in Kais Richtung. „Wenn du am Morgen freiwillig aufstehen würdest, könnte ich mir die Weckaktionen sparen“, sagte Kai, der den Wink durchaus verstanden hatte. „Aber da das nicht der Fall zu sein scheint...“ „Wir haben gestern Abend eine Menge getrunken, schon vergessen?“, erwiderte Reita. „Weil du einen ausgegeben hast. Und ich habe immer noch das Gefühl, mein Kopf würde platzen... Aber schön, dass du dich stets an den Zeitplan hältst, komme, was da wolle.“ „Es ist doch nicht mein Problem, wenn du dir die letzten Gehirnzellen wegsäufst“, entgegnete der Drummer kühl. „Unser Probenplan steht fest und daran müssen wir uns nun mal halten, wenn wir nächste Woche mit den Aufnahmen beginnen wollen. Und das neue Album ist weitaus wichtiger als die alkoholischen Eskapaden eines gewissen Bassisten, wenn du meine Meinung hören willst.“ Reita konnte sich ein leises „Du kannst dir deine Meinung sonst wohin stecken.“ nicht verkneifen, was zu einer kurzen Rangelei führte, in deren Verlauf Kai damit drohte, Reita eigenhändig mit seinem Brötchenmesser zu erstechen, sollte er nicht endlich die Klappe halten. Schließlich gebot Uruha dem Ganzen Einhalt, in dem er die beiden Streithähne mit sanfter Gewalt zurück auf ihre Stühle drückte. „Genug jetzt“, sagte er streng. „Wenn das in der nächsten Zeit so weitergeht, wird das Album nie fertig.“ Kai warf dem Bassisten noch einen eisigen Blick zu, bevor er sich wieder seinem Frühstück widmete, während Reita erfolglos versuchte, sich in seinem Kaffee zu ertränken und sich nicht zum ersten Mal an diesem Tag fragte, wie er die Zeit im Studio überstehen soll, wenn er bereits am ersten Tag den Drang verspürte, dem Drummer ein wenig Gift ins Essen zu mischen. Nach dem Essen gab es eine Abstimmung darüber, wer den Tisch abräumen durfte. Reita gewann mit vier von fünf Stimmen. Die anderen flüchteten schnell aus der Küche, bevor der Bassist die Gelegenheit bekam, mit größeren Dingen als Teelöffeln zu werfen. Laut fluchend wusch Reita ab und dem Scheppern nach zu urteilen war ihm mehr daran gelegen, das Geschirr zu zerdeppern, als es sauber zu machen. Schließlich erbarmte sich Aoi des armen Geschirrs und half seinem Freund beim Abwaschen. „Ich bringe ihn um“, brummte Reita. „Ich verspreche es – irgendwann bringe ich ihn um...!“ Der andere, der solche Sprüche von Reita gewohnt war, verleierte die Augen. „Das behauptest du doch ständig“, sagte er. „Dann wird es Zeit, meine Drohung in die Tat umzusetzen“, meinte Reita entschlossen und wollte gerade nach einem der großen Küchenmesser greifen, als Aoi ihm einen Tritt vor das Schienbein gab. „Hör auf mit dem Scheiß“, sagte er, dann seufzte er. „Ich freue mich auf den Tag, an dem du und Kai endlich zur Vernunft kommt und wie normale Menschen miteinander umgeht.“ „Auf den Tag kannst du lange warten“, entgegnete Reita und widmete sich wieder dem Abwasch. „Kai ist und bleibt ein Idiot.“ Aoi schwieg für eine Weile. „Das denkst du vielleicht“, sagte er schließlich leise. „Aber du hast dir ja auch noch nie wirklich Mühe gegeben, ihn besser kennen zu lernen...“ Daraufhin erwiderte Reita nichts mehr. *~* Fortsetzung folgt... Über Kritik freue ich mich wie immer sehr. :D # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 2 ------------------------------------ Teil: 2/? Musik: MUCC - Libra (♥♥♥ Das PV dazu ist auch absolut genial. *-*) Kommentar: Und auf zum nächsten Teil. =D Da er und auch die nächsten Kapitel länger sind, könnte es mit den Updates eine Weile dauern, weil ich erst beim dritten Kapitel bin... und perfektionistisch wie ich bin, kann es sich nur um Jahre handeln, bis ich mal fertig bin... X'D Danke auch für die Kommentare bisher, ich hätte nicht gedacht, dass die Geschichte so gut ankommt. Ich hoffe, es gefällt euch auch weiterhin. ^_^ Und jetzt viel Spaß mit dem nächsten Kapitel. :D Ach ja, und Ruki = ♥ Ich vergöttere den Mann. =3 *~* Aoi hatte Recht, eigentlich kannte er Kai nicht wirklich. Doch seit ihrem ersten Streit hatte Reita auch nie Interesse gehabt, etwas daran zu ändern. Seine Abneigung gegen den Jüngeren bestand schon seit ihrer ersten Begegnung – um genau zu sein, seit dem Moment, in dem Reita ihn wegen seines femininen Aussehens „Tussi“ genannt hatte. Leider hatte Kai den eher freundschaftlich gemeinten Spott allzu ernst genommen und deswegen auch prompt mit „Pseudobassist“ gekontert. Damit hatte er sein Todesurteil unterschrieben. Denn wenn Reita eines hasste, dann waren es abfällige Bemerkungen über seine musikalischen Talente. Er gab gerne zu, dass es vielleicht sonst nicht viel gab, was er besonders gut konnte, doch er war immer noch ein verdammt guter Bassspieler. Seit diesem Zwischenfall verging kein Tag, an dem sie sich nicht stritten. Kais Schlagfertigkeit stand der von Reita in nichts nach und er gab dem Bassisten auf dessen zynische Bemerkungen hin immer mindestens ebenso scharf Kontra. So entwickelte sich aus der anfänglichen Abneigung gegen den Drummer eine schon seit Jahren andauernde Feindschaft, die sich nicht selten in heftigen Wortgefechten entlud. Oft mussten die anderen Bandmitglieder eingreifen, um die beiden Streithähne davon abzuhalten, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Und seitdem Kai Bandleader geworden war, hatte sich die Situation nicht verbessert, ganz im Gegenteil. Reitas Meinung nach nutzte er seine Position schamlos aus, um sie alle – und ganz besonders den Bassisten – regelmäßig in den Hintern zu treten und zu mehr musikalischer Aktivität zu zwingen. Nach all den Jahren hatte er seine unschuldige Fassade fallengelassen und nun kam der Sklaventreiber in ihm zum Vorschein. So schien es jedenfalls Reita. Vor einigen Wochen hatten sie jedoch einen Waffenstillstand für die Zeit, die sie im Studio verbringen würden, geschlossen. Solange sie am neuen Album arbeiteten, würde es keine Streitereien mehr geben. Doch obwohl gerade erst einmal zwei Tage vergangen waren, schrieen sie sich schon wieder an... *~* An diesem Tag war es ganz besonders heftig. „Du hast dich schon wieder verspielt! Gib dir gefälligst mehr Mühe, verdammt!“ „Was glaubst du, was ich hier tue?!“ „Es klingt aber grauenhaft! Außerdem bist du viel zu langsam!“ „Bin ich nicht! Du gibst nur eine zu hohe Geschwindigkeit vor!“ „Wieso gibst du nicht einfach zu, dass du es nicht kannst?“ Bei dieser Bemerkung platzte Reita fast der Kragen. Ja, er war heute ein wenig unkonzentriert und ja, Reita beherrschte seinen Part noch nicht perfekt, aber die Bassline war bei diesem Stück auch alles andere als einfach und Kai gab mit dem Schlagzeug einen Grundtakt vor, bei dem Reita einfach nicht mithalten konnte. Bis auf Ruki ging es den anderen ebenso, aber dieses Argument schien bei Kai auf taube Ohren zu stoßen. Erbarmungslos ließ er Reita seinen Part so oft durchspielen, bis der Bassist ihn schließlich ohne Fehler spielen konnte. Als sie am späten Abend die Probe beendeten, schmerzten Reitas Finger höllisch. „So ein verdammter Arsch!“ Wütend knallte er die Tür des Probenraums hinter sich zu. „Was glaubt er eigentlich, wer er ist?!“ „Dein Chef“, sagte Aoi ruhig, dann griff er nach Reitas Hand und stieß beim Anblick der Finger ein leises Pfeifen aus. „Meine Güte, das sieht ganz schön übel aus...“ „Übel?“ Reita schnaubte, dann entriss er seinem Freund grob seine Hand und starrte auf die malträtierten, stark geröteten Fingerkuppen. „Übel? Ich kann meine Finger kaum noch spüren, verflucht noch mal! Wenn das morgen noch mal passiert, verlange ich Schmerzensgeld von ihm, darauf kannst du wetten!“ Aoi glaubte ihm aufs Wort. Beim Abendessen – es war bereits weit nach Mitternacht – würdigte Reita den Drummer keines Blickes, sondern schaufelte nur stumm sein Essen in sich herein. Doch seine Sorgen waren unbegründet; Kai ließ ihn bei den Proben ab jetzt in Ruhe. Dennoch probten sie weiterhin sehr intensiv, und die Band war jedes Mal mehr als froh, wenn ihr Leader sie spät am Abend endlich entließ. *~* In den nächsten Tagen wurde es wieder ruhiger, was daran lag, dass Reita dem Drummer, abgesehen von der Zeit, in der sie probten, einfach aus dem Weg ging. Richtete Kai trotzdem ein Wort an ihn, gab Reita ihm meistens eine eiskalte Antwort. Diese Methode schien Wirkung zu zeigen, denn nach einigen Tagen kam Kai nicht mehr, um ihn zu wecken, stattdessen übernahm Uruha nun diese Aufgabe. Und Reita war froh darüber. *~* Eines Nachts saßen Reita und Ruki auf der Dachterrasse des Studios und rauchten. Von seinen Bandkollegen war Ruki derjenige, mit dem Reita sich am besten verstand. Beide waren schon seit langer Zeit Freunde und hatten zusammen schon in mehreren Bands gespielt, bis sie schließlich Gazette gegründet hatten. Reita mochte Rukis ehrliche, wenn auch oft reichlich verschrobene Art. Manchmal war der Sänger launenhaft und seine Aktionen unberechenbar, und dann wiederum konnte er sehr ruhig und in sich gekehrt sein. Sein Gemütszustand schien sich nach dem Zufallsprinzip zu entscheiden und selbst Reita, der Ruki schon seit Jahren kannte, konnte das Verhalten seines Freundes nicht immer voraussagen. An diesem Abend war Ruki ungewöhnlich still und nickte nur hin und wieder, wenn Reita eine Bemerkung machte. Der Bassist war selbst alles andere als ein gesprächiger Mensch und da Ruki normalerweise bei ihren Unterhaltungen den Ton angab, wusste Reita bald nicht mehr, was er noch sagen sollte, um den anderen zum Reden zu bewegen. „Was ist los?“, fragte er schließlich, nachdem sie beide längere Zeit geschwiegen hatten. „Worüber zerbrichst du dir den Kopf?“ Ruki zuckte erst mit den Schultern, doch dann sah er Reita an. „Du und Kai...“, sagte er leise. „Wo liegt eigentlich euer Problem?“ Reita verzog das Gesicht. Dass der Sänger ihn gerade darauf ansprechen musste... „Wir mögen uns einfach nicht, schätze ich“, entgegnete er achselzuckend. „Wieso?“, fragte Ruki und zog an seiner Zigarette. „Ich meine – ernsthaft, Reita, was hat er dir getan, dass du ihn so hasst?“ „Ich hasse ihn nicht“, brummte Reita. „Ich kann ihn nur nicht leiden. Er geht mir einfach auf die Nerven mit seiner ganzen Art.“ „Aha.“ Ruki schwieg einen Moment lang und Reita dachte, damit wäre das Thema erledigt, als der Sänger plötzlich fortfuhr. „Glaubst du, Kai denkt auch so über dich?“ Reita zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen?“, entgegnete er. „Wundern würde es mich allerdings nicht...“ Er sah Ruki eindringlich an. „Warum fragst du?“ „Weil Kai vorhin mit mir gesprochen hat“, entgegnete der Sänger ruhig. Reita hob eine Augenbraue. „Was wollte er denn?“ „Über dich reden.“ Der Bassist schnaubte. „Ach ja? Warum?“ Plötzlich blitzten Rukis Augen zornig auf. „Verflucht noch mal, Reita!“, sagte er wütend. „Bist du wirklich so blind, dass du es immer noch nicht bemerkt hast?“ Reita sah ihn an, der plötzliche Gefühlsausbruch des anderen verwirrte ihn. „Was bemerkt...?“ Die Frage schien den Sänger nur noch mehr zu verärgern. „Dass du ihn mit deiner großkotzigen Art verletzt, für die es – Kais manchmal ein wenig aufdringliche Art hin oder her – absolut keinen Grund gibt! Ist dir wirklich noch nie aufgefallen, wie verzweifelt er aussieht, wenn du ihm wieder aus heiterem Himmel eine Beleidigung an den Kopf wirfst?!“ „Ruki, ich-“ „Hör mir verdammt noch mal zu, Akira!“, unterbrach ihn der Sänger und Reita klappte den Mund wieder zu. Wenn Ruki seinen wirklich Namen benutzte, dann musste es ihm tatsächlich sehr ernst sein. „Kai triezt dich hin und wieder, das ist wahr, aber er steht unter Druck, weil er sich auch um uns alle kümmern muss und unsere ganze verdammte Band organisiert! Ich verlange ja nicht, dass du ihn dafür liebst, aber kannst du ihm nicht wenigstens einmal ein bisschen Dankbarkeit entgegenbringen? Wäre das denn wirklich zuviel verlangt?“ Reita starrte Ruki an, unsicher, was er darauf entgegnen sollte. So hatte er das alles noch nie betrachtet... Plötzlich schien Rukis Wut wie weggeblasen und sein Gesichtsausdruck war wieder so ruhig, wie vor seinem Gefühlsausbruch. Langsam stand der Sänger auf. „Kai war völlig aufgelöst, als er zu mir gekommen ist“, sagte er leise. „Ich glaube, er war kurz davor, in Tränen auszubrechen, aber dank einem letzten Rest an Selbstbeherrschung konnte er sich noch zusammenreißen.“ Reita starrte auf seine Schuhspitzen. „Vielleicht solltest du einfach mal darüber nachdenken, Reita.“ Und mit diesen Worten ging Ruki und ließ den Bassisten allein zurück. Aus Gründen, die er sich nicht erklären konnte, fühlte Reita sich plötzlich sehr unglücklich. *~* Nach einer Weile stand Reita ebenfalls auf und machte sich auf den Weg zu seinem Zimmer. Der Stille nach zu urteilen schienen die anderen schon zu schlafen. Nur in der Küche brannte noch Licht. Als Reita im Vorbeigehen einen Blick hineinwarf, sah er Kai am Küchentisch sitzen. Der Drummer hatte die Arme auf den Tisch gelegt und den Kopf darauf gebettet. Da Kais Gesicht von ihm abgewandt war, konnte Reita nicht sagen, ob der andere schlief oder nicht. Einen Moment lang rang er mit sich selbst, doch da er sich vorstellen konnte, mit was für Nackenschmerzen der Jüngere am nächsten Morgen aufwachen würde, räusperte er sich schließlich vernehmlich. Der Drummer reagierte nicht. Reita seufzte. „Kai?“, fragte er leise. Einen Moment lang herrschte Stille und der Bassist vermutete, dass der andere wirklich schon schlief, als Kai plötzlich antwortete. „Was willst du?“ Reita erstarrte. Noch nie hatte Kais Stimme so hohl, so gefühllos geklungen... Er suchte verzweifelt nach Worten und kämpfte gegen den Drang an, einfach nichts zu sagen und stattdessen schlafen zu gehen. Doch sein schlechtes Gewissen war stärker. „Du solltest ins Bett gehen“, sagte er schließlich unbeholfen. „Hier zu schlafen ist sicher ziemlich ungemütlich...“ „Was kümmert es dich?“, entgegnete der Drummer, der noch immer keine Anstalten machte, den Kopf zu heben und ihn anzusehen. „Ich...“ Reita hasste sich in diesem Augenblick für seine Unfähigkeit, die richtigen Worte zu finden. Wahrscheinlich hatte Ruki wirklich Recht und vielleicht hatte er die Chance, sich jemals gut mit Kai zu verstehen, erfolgreich vermasselt. „Ich denke, es wäre das Beste für dich“, sagte er leise. Kai schwieg. „Das Beste...“, murmelte er dann, und noch immer war seine Stimme so schrecklich tonlos. „Ja“, erwiderte der Bassist einsilbig, dann fügte er hinzu: „Bitte geh schlafen, Kai. Ich bin mir sicher, dass es dir gut tun wird.“ Und vielleicht zum ersten Mal seit sehr langer Zeit war es ihm vollkommen ernst. Der andere erwiderte nichts und Reita gab es schließlich auf. Er ging in sein Zimmer und zog sich für die Nacht um, dann ging er noch mal kurz ins Bad. Als er es wieder verließ bemerkte er, dass das Licht in der Küche aus war. Verwundert ging er hin und sah, dass Kai nicht mehr da war. Hatte er auf ihn gehört oder war er von allein zur Vernunft gekommen...? Reita kehrte nachdenklich in sein Zimmer zurück, doch er fühlte sich nun ein kleines bisschen besser. *~* Fortsetzung folgt... Über Kommentare würde ich mich wieder sehr freuen. ^^ # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 3 ------------------------------------ Teil: 3/? Musik: Gackt! *-* Wie lange habe ich den nicht mehr gehört... nach meinem Ausflug in die japanische Post-Rock-Szene endlich wieder was Vertrautes. XD (Aber die Japaner machen trotzdem tollen Postrock. ^^) Kommentar: Trotz meiner Ankündigung, was die Einstellung aller meiner Geschichten betrifft, gibt es an dieser Stelle ein neues Kapitel. (Ich weiß, das letzte ist schon... lange her. X'D) Eigentlich muss ich momentan für meine Zwischenprüfung in Chinesisch lernen, aber komischerweise fange ich immer dann an, Fanfiction-technisch aktiv zu werden, wenn ich eigentlich viel wichtigere Dinge zu tun habe. :'D Ich weiß also mal wieder nicht, wann der nächste Teil kommt - ich habe aber schon damit angefangen. ^^v An dieser Stelle noch einmal danke für die Kommentare, und ich hoffe, es gefällt euch weiterhin so gut wie bisher. =D Und jetzt viel Spaß beim Lesen. ^^ *~* Bei der Probe am nächsten Tag – es sollte die letzte vor den Aufnahmen für das Album sein –war Reita völlig abwesend; seine Gedanken kreisten noch immer um das Gespräch mit Ruki und er sprach die ganze Zeit über kein Wort. Gut, Reita war eh kein sehr gesprächiger Mensch, aber dieses Mal war er so schweigsam, dass sogar die anderen nach einer Weile stutzig wurden. Ruki allerdings ignorierte ihn völlig und Reita nahm an, dass der Sänger immer noch wütend auf ihn war... eine Tatsache, die auf unangenehme Weise schmerzte. Ruki hatte ihm immer mit seinem Rat zur Seite gestanden, wenn er ihn gebraucht hatte, und Reita hätte nie gedacht, dass sich jemals etwas daran ändern würde. Aber so tief enttäuscht wie jetzt hatte der Bassist seinen besten Freund ja auch noch nie... Als sie nach einer Weile eine Pause einlegten, kam Uruha mit besorgtem Blick auf ihn zu. „Was ist los mit dir, Reita?“, fragte der Gitarrist. „Du bist so komisch drauf heute.“ Reita seufzte und wünschte, er hätte für einen Moment einfach nur seine Ruhe. Doch Uruha war schon seit Jahren einer seiner besten Freunde und er hatte es einfach nicht verdient, angepflaumt zu werden, nur weil der Bassist im Moment mit den Gedanken woanders war. „Ich... denke nur nach“, erwiderte er und zwang sich zu einem Lächeln. Uruha hob zweifelnd eine Augenbraue. „Worüber denkst du nach, dass es dir so zu schaffen macht?“, fragte er. Reita senkte den Blick und betete, der andere möge verschwinden. „Verschiedene Dinge...“, entgegnete er wortkarg. Uruha schien zu spüren, dass Reita gerade nicht in der Laune war, mit ihm zu sprechen, denn er nickte nur, nachdem er ihn noch einen letzten fragenden Blick zugeworfen hatte, und ging zu Aoi hinüber, um ihn etwas zu fragen. Obwohl Reita sich gewünscht hatte, allein zu sein, ließ ihn die plötzliche Einsamkeit nur noch missmutiger werden. Frustriert ließ er sich auf die Couch im Probenraum sinken. Er wünschte, er könnte jemandem sein Herz ausschütten, aber der einzige, der für ihn dafür in Frage kam, war Ruki, und der wollte partout nicht mit ihm sprechen. Apropos Ruki... Reita sah sich um, in der Hoffnung, den Sänger zu entdecken und ihn vielleicht doch dazu zu bewegen, wieder mit ihm zu sprechen – als er plötzlich Kais Blick begegnete. Der Drummer sah ihn mit ausdrucksloser Miene an und Reita, der sich unter dem Blick schnell unwohl zu fühlen begann, sah bald wieder weg. Hatte Kai ihn die ganze Zeit über angesehen...? Reita sah aus den Augenwinkeln heraus, dass der Blick des anderen noch immer auf ihm ruhte und plötzlich fühlte er sich wie ein Einzeller unter dem Mikroskop. Warum sah Kai ihn nur so an...? Unruhig rutschte er hin und her und überlegte krampfhaft, wie er reagieren sollte, zumal er Kais Starren langsam körperlich zu spüren glaubte. Plötzlich gingen ihm die Worte des Sängers wieder durch den Kopf... Kannst du ihm nicht wenigstens einmal ein bisschen Dankbarkeit entgegenbringen? Doch wie sollte er Dankbarkeit zeigen, wenn er nicht mal in der Lage war, Kai in die Augen zu sehen? ‚Versuch einfach mal, nett zu sein’, dachte Reita. Ja, das klang gut. Er zwang sich, den Kopf zu wenden und Kais Blick mit einem schiefen Lächeln zu erwidern. Der Drummer sah ihn noch einen Moment lang an – Reita meinte, für einen kurzen Augenblick lang Überraschung auf seinem Gesicht zu sehen – dann wandte er die Augen schließlich ab. Jetzt, wo er nicht mehr von Kais Blick aufgespießt wurde, war es an Reita, den anderen nachdenklich zu mustern. Warum hatte Kai ihn so durchdringend angesehen...? Doch bevor Reita weiter darüber nachdenken konnte, stand Kai auf und teilte der Band mit ruhiger Stimme mit, dass die Pause beendet war und die Probe weitergehen würde. Reita sah er dabei nicht an. Der Bassist griff nach seinem Instrument und hängte es sich um. Als sie anfingen zu spielen war er zum ersten Mal froh über Kais Drill in den letzten Tagen, denn seine Finger fanden wie von selbst die richtigen Töne und bald waren seine Gedanken ganz woanders. Wieso hatte Kai ihn nur so angesehen...? *~* Am Nachmittag verließ Reita das Studio, um einkaufen zu gehen. Die Sojasoße und ein paar weitere, weniger wichtige Dinge waren ihnen ausgegangen und der Bassist hatte sich dazu bereiterklärt, sie zu besorgen – ein Angebot, bei dem ihn die anderen verwundert angesehen hatten, da Reita normalerweise zu faul war, um auch nur an so etwas zu denken. Natürlich hätten sie die fehlenden Sachen auch bestellen können, aber Reita wollte unbedingt eine Weile lang für sich allein sein, und das konnte er im Studio nun mal nicht. Also setzte er seine Sonnenbrille auf, stylte die Haare so, dass sie locker auf seine Schultern fielen und verließ das Haus. Mit diesem Aussehen und ohne die übliche Nasenbinde würde ihn kaum jemand erkennen, wie Reita aus Erfahrung wusste. Er schlenderte durch die Straßen und legte erst ein paar Kilometer zwischen sich und das Studio, bevor er in einen Laden ging, um die benötigten Dinge einzukaufen. Als er damit fertig war, beschloss er aufgrund des schönen Wetters sich beim Rückweg Zeit zu lassen und bewegte sich auf Umwegen zurück zum Studio, da er hier und dort noch in ein Schaufenster sah und ein paar Dinge kaufte, die ihm gefielen. Als er eine größere Straße überquerte, geschah es plötzlich. Er hörte ein Brummen, das definitiv nicht dort hingehörte, wo es war – jedenfalls nicht, wenn Reita als Fußgänger gerade grünes Licht hatte. Während er die Straße überquerte warf er einen Blick zur Seite und sah einen Lastwagen in rasendem Tempo auf ihn zukommen. Wie es aussah, hatte der Fahrer sein Gefährt nicht unter Kontrolle, denn Reita konnte den entsetzten Blick des Mannes sehen, der hinter dem Steuer saß. Der Bassist war einen Augenblick lang wie erstarrt – und als er sich schließlich wieder bewegte, wusste er, dass es dieser Augenblick gewesen war, der ihn das Leben kosten würde. Er fing an zu sprinten. Nur wenige Meter lagen zwischen ihm und dem Bordstein, aber er wusste, dass er es nicht schaffen würde. Reita schloss die Augen und unterdrückte den Drang zu schreien. Er hatte gehört, dass Menschen kurz vor ihrem Tod noch einmal ihr ganzes Leben vor den Augen vorüberlaufen sahen, doch alles, was er sah, war Kais ausdrucksloses Gesicht, und er bereute es, dass er sich nicht bei ihm für all die Gemeinheiten entschuldigt hatte. Dann spürte er, wie etwas hart gegen ihn stieß, und alles wurde schwarz vor seinen Augen. *~* Kai zuckte zusammen. Sein Herz schlug ungewöhnlich schnell in seiner Brust und er blieb einen Moment lang still liegen, bevor er vorsichtig die Augen öffnete. Er war auf dem Sofa im Probenraum eingenickt, doch irgendwas hatte ihn geweckt. Es war wie einer dieser Alpträume gewesen, die er manchmal in der Phase kurz vor dem Erwachen hatte, doch er wusste, dass er nicht geträumt hatte. Es war vielmehr ein merkwürdiges Gefühl gewesen, wie eine Art böse Vorahnung... Sich streckend, um die Müdigkeit aus seinen Gliedern zu vertreiben, stand er auf und ging in die Küche hinüber, wo der Rest der Band saß und Karten spielte. Als er einen Blick aus dem großen Fenster warf, das sich über die ganze Länge der einen Wand erstreckte, stellte er überrascht fest, dass es draußen schon zu dämmern begonnen hatte. Ein zweiter Blick auf seine Freunde machte ihm plötzlich klar, dass er sich verzählt hatte. Es saßen nur drei Leute am Tisch, nicht vier. „Wo ist Reita?“, fragte er ohne nachzudenken und hätte sich im nächsten Moment am liebsten selbst dafür geschlagen. Das letzte, worüber er im Moment reden wollte, war der verfluchte Bassist. „Er ist immer noch nicht vom Einkaufen zurückgekehrt“, beantwortete Uruha seine Frage. Dann schlich sich ein besorgter Ausdruck auf das Gesicht des Gitarristen und er sprach leise weiter: „Er ist jetzt schon seit fast vier Stunden weg. Ob ihm etwas zugestoßen ist?“ Kai zuckte mit den Schultern. „Reita ist ein Idiot, aber kein Kleinkind. Er kann auf sich selbst aufpassen.“ Mit diesen Worten ging er zum Kühlschrank und holte sich etwas zu trinken. Doch während er sich etwas Saft in ein Glas goss, wurde er das Gefühl nicht los, dass Uruha mit seiner Vermutung richtig lag... Zwei Stunden später war Reita immer noch nicht wieder aufgetaucht und mittlerweile war er sich sicher, dass der Gitarrist Recht gehabt hatte. Unruhig tigerte Kai durch die Wohnung, während Aoi und Uruha, die noch immer am Küchentisch saßen, ihn besorgt ansahen. Ruki war vor einer Weile mit der Erklärung, dass er eine Zigarette rauchen wollte, in Richtung Dachterrasse verschwunden und seitdem nicht wieder aufgetaucht. Irgendwie vermisste Kai die Präsenz des Sängers, sie gab ihm für gewöhnlich Ruhe und Zuversicht – zwei Dinge, die er im Moment gut gebrauchen konnte. „Kai“, sagte Aoi schließlich mit ruhiger Stimme. „Bitte setz dich hin. Es bringt nichts, nervös in der Gegend rumzulaufen, und außerdem bin ich mir sicher, dass er bald wieder auftauchen wird.“ Kai hielt inne und sah den schwarzhaarigen Mann verunsichert an. Aoi erwiderte seinen Blick mit einem Lächeln, dann fuhr er fort: „Du hast Recht, Kai – Reita ist ein Idiot. Aber du hast auch Recht damit, dass er alt genug ist, um sich um sich selbst kümmern zu können. Er kommt schon zurück.“ Kai zuckte hilflos mit den Schultern, dann ließ er sich auf einen Stuhl sinken. Aoi hatte Recht, er sollte sich nicht so verrückt machen. Aber das änderte nichts daran, dass er sich schreckliche Sorgen um seinen fehlenden Bandkollegen machte – mehr Sorgen, als er jemals zugegeben hätte. Die Minuten schleppten sich dahin und schließlich hielt Kai die Stille nicht mehr aus. Er sah auf, doch gerade, als er etwas sagen wollte, klingelte es plötzlich an der Tür. *~* Fortsetzung folgt... Ja, ich weiß, Cliffhanger wie diese sind gemein... ich kann es aber einfach nicht lassen, die Dinger einzubauen - ich liebe sie einfach. X'D # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 4 ------------------------------------ Teil: 4/? Musik: "Crazy about youuuuuu"... *sing* -> Luna Sea ^^ Kommentar: Tja... hm. Sieht aus, als würde die Geschichte doch länger werden, als ursprünglich geplant... X'D Momentan stehe ich vor der Entscheidung, entweder schnell eine Erklärung abzuliefern und die Geschichte dann zu beenden, oder mir Zeit zu lassen und die Handlung noch zu strecken... mal schaun. ^^ Vielen Dank dieses Mal an Night aka Hyena fürs Betan. ^_^ *flausch* Ansonsten wünsche ich euch dieser Stelle viel Spaß beim Lesen. =D *~* „Wo zum Teufel bist du gewesen?!“, rief Kai wütend, als Reita mit ausdrucksloser Miene ins Zimmer schlurfte. „Wir haben stundenlang auf dich gewartet!“ Die Freude darüber, den Bassisten wieder zu sehen, hatte schnell nachgelassen und war von einer Mischung aus Sorge und Wut verdrängt worden. Statt ihm zu antworten, drückte Reita Kai nur den Einkauf in die Hand und machte sich dann auf den Weg zu seinem Zimmer. Als der Bassist an ihm vorüberging bemerkte Kai, dass Reitas T-Shirt und Hose schmutzig waren. Seine Hände waren zwar sauber, doch die Handinnenflächen waren aufgeschürft. Es sah aus, als wäre der andere hingefallen – und das nicht gerade sanft. „Reita!“, rief er noch einmal, doch der Bassist hatte bereits die Zimmertür hinter sich zugeknallt. „Das...“ Kai fehlten schlicht die Worte. ‚Was glaubt der eigentlich, wer er ist?!’ Er wollte dem anderen gerade folgen, um ihn zur Rede zu stellen, als Ruki ihn am Arm packte. „Lass mich das machen“, sagte der Sänger sanft. „Reita scheint es miserabel zu gehen und ich glaube nicht, dass es ihm hilft, wenn man ihn jetzt mit Vorwürfen überhäuft.“ Kai wollte ihm eine wütende Antwort geben, aber Ruki kam ihm zuvor. „Ich weiß, wie sehr du dich um Reita sorgst, Kai“, sagte er so leise, dass nur der Drummer es hören konnte. „Aber ich bitte dich trotzdem – lass mich mit ihm reden. Ich werde mich um ihn kümmern, vielleicht erzählt er uns dann morgen früh, was passiert ist.“ Kai sah den anderen Mann einen Moment lang an, dann nickte er schließlich und ließ den Arm wieder sinken. „Du hast Recht“, meinte er. „Wahrscheinlich bist du der einzige, der momentan etwas ausrichten kann.“ In einer Geste der Erschöpfung fuhr er sich mit dem Handrücken über die Augen. „Ich glaube, es wäre besser, wenn ich jetzt ins Bett gehe... ich bin ziemlich müde. Viel Erfolg, Ruki.“ Kai wünschte den anderen beiden eine gute Nacht, dann machte er sich auf den Weg zu seinem Zimmer. Ruki sah ihm nachdenklich hinterher. Langsam fingen die Dinge an, kompliziert zu werden... Er dachte an das, was Kai ihm gestern in seiner Verzweiflung erzählt hatte, und schüttelte den Kopf. Nein, irgendwie würden sie das schon hinbekommen! Kai mochte der Bandleader von Gazette sein, aber es war der Sänger, der sie alle zusammenhielt. Er hatte immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Freunde und half ihnen, so gut er konnte. Und er würde nicht zulassen, dass diese Band zerbrach. Ruki ging zu Reitas Zimmer und atmete tief durch, bevor er eintrat. *~* Kai schlief schlecht in dieser Nacht. Obwohl er todmüde gewesen war, als er ins Bett gegangen war, wälzte er sich noch eine Ewigkeit hin und her, bevor er endlich einschlief. Und als er schlief, träumte er nur wirre Dinge; mehrmals in der Nacht schreckte er auf, um anschließend wieder in unruhigen Schlaf zurückzusinken. Reitas irgendwie... leer wirkendes Gesicht, nachdem er wieder zurückgekehrt war, wollte Kai nicht aus dem Kopf gehen. Ruki hatte Recht gehabt – irgendwas schien den Bassisten stark erschüttert zu haben, doch was war es nur gewesen? Die Frage plagte den Drummer bis zum frühen Morgen und als er schließlich aufstand, fühlte er sich noch müder, als er es vor dem Schlafen gehen am Abend zuvor gewesen war. Als er eine halbe Stunde später in die Küche kam, war bereits jemand dort. Da Kai für gewöhnlich als erster auf den Beinen war, war er überrascht, als er Ruki am Küchentisch sitzen sah. Der Sänger hatte dunkle Ringe unter den Augen – wie es aussah, hatte er kaum besser geschlafen als Kai. Als er seinen Bandkollegen kommen hörte, hob Ruki den Kopf und schenkte ihm ein müdes Lächeln. Kai erwiderte es und setzte sich dann zu ihm. Ruki schwieg einen Moment lang und malte mit dem Finger unsichtbare Kreise auf den Tisch. „Ich weiß nicht, was los ist“, sagte er schließlich. „Ich habe versucht, mit Akira zu sprechen, aber er wollte nicht mit mir reden. Alles, was er sagte, war ‚Meine Schuld, es ist meine Schuld...’, immer wieder, doch was er damit meint...“ Ruki zuckte mit den Schultern und machte dem anderen damit klar, dass er keine Ahnung hatte, was in dem Bassisten vorging. „Verdammt“, murmelte Kai und ballte die Hände zu Fäusten. „Wieso muss ausgerechnet jetzt so etwas passieren... gerade jetzt, wo es wichtiger denn je ist, dass wir alle zusammenhalten.“ Er sah es kommen – die Albumaufnahmen würden in einem Desaster enden. Was auch immer Reita zugestoßen war, spätestens nach Rukis Bericht war Kai sich sicher, dass der Bassist in seinem jetzigen Zustand bei den Aufnahmen zu nichts zu gebrauchen sein würde. ‚Da ist mir der aufgeblasene Reita von vorher fast lieber’, dachte Kai nicht ohne einen Anflug von Bitterkeit. Für ein paar Minuten lang war es still, bis sich irgendwo eine Tür öffnete und einen Moment später Aoi seinen Kopf in die Küche steckte. „Guten Morgen“, grüßte er sie fröhlich. Die düstere Stimmung im Raum schien ihm die gute Laune nicht zu verderben. „Meine Güte, was ist denn mit euch los... Sitzt hier rum und blast Trübsal! Kommt, Jungs, ein neuer Tag hat angefangen und wir haben heute viel zu tun!“ Ruki legte die Hände flach auf den Tisch und stand auf. „Stimmt, du hast Recht. Wir haben eine Menge vor uns. – Kai!“ Der Drummer fuhr hoch. „Ja?“ „Los, schmeiß die anderen beiden aus ihren Betten.“ Kai runzelte die Stirn. „Wieso denn ausgerechnet i-“ „Weil Uruha offensichtlich noch nicht wach ist, so dass du wohl dieses Mal an seiner Stelle den Weckdienst übernehmen musst“, unterbrach ihn der Sänger. „Aoi und ich kümmern uns in der Zwischenzeit um das Frühstück.“ „Aber...“, begann Kai, klappte seinen Mund jedoch wieder zu, als er den Ausdruck in Rukis Gesicht sah. „Ist gut, ich geh schon“, sagte er hastig und verließ die Küche. Aoi schüttelte den Kopf. „Meinst du, das bringt was?“, fragte er. Ruki zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Aber da Reita nicht mit mir reden will, wieso sollte Kai es dann nicht mal versuchen? Die beiden stehen sich in letzter Zeit ja recht nahe...“ „Recht nahe?“ Aoi gab ein Schnauben von sich. „Sie streiten sich ständig! Nennst du das ‚nahe stehen’?!“ „Abneigung ist auch nur eine Form emotionaler Nähe“, sagte Ruki nur ruhig. „Reita und Kai würden es niemals zugeben, aber sie sorgen sich mehr umeinander, als es den Anschein hat.“ Der Gitarrist starrte ihn an. Er konnte nicht so recht glauben, was er da gerade gehört hatte. Dass die beiden Streithähne mehr füreinander empfinden könnten als puren Hass, war eine Sache, die er nie für möglich gehalten hätte... „Und was genau bedeutet das jetzt?“, fragte er schließlich. Der Sänger lächelte. „Eben das möchte ich herausfinden...“ *~* Kai stand derweil vor Reitas Zimmer und traute sich nicht so recht anzuklopfen. Nachdem er Uruha zuvor schon mit einem herzlichen „Guten Morgen!“ geweckt hatte, wusste er nun nicht, ob er mit dem Bassisten ebenso verfahren sollte, oder ihm lediglich mitteilen sollte, dass es bald Frühstück gab. Kai nagte unruhig an seiner Unterlippe. Wieso war er auf einmal nur so nervös? Es war doch nur Reita. ‚Nur Reita...’ Plötzlich ärgerte er sich über seine eigene Unsicherheit und schüttelte energisch den Kopf, als könnte er sie damit abstreifen. ‚Herrgott, Kai, jetzt stell dich nicht so an!’ Er drückte die Türklinke nach unten und trat ein. Die Vorhänge waren geöffnet und Kai stellte verwundert fest, dass Reita bereits wach war. Lediglich mit Shorts bekleidet saß er auf der Bettkante und starrte ins Leere. Leise schloss Kai die Tür hinter sich und blieb dann stehen. Der andere rührte sich nicht, obwohl er sein Eintreten gehört haben musste. Einen Moment lang suchte Kai nach ein paar ermunternden Worten, aber da ihm keine einfallen wollten, gab er schnell wieder auf und beschloss, sich an den ursprünglichen Plan zu halten. Er räusperte sich. „Guten Morgen, Reita“, sagte er in einem neutralen Tonfall. „Ich wollte dir Bescheid sagen, dass das Frühstück bald fertig ist.“ Der Bassist gab keine Antwort. Kai seufzte innerlich. Vielleicht würde das alles doch ein wenig komplizierter werden, als er zu Beginn vermutet hatte... ‚Geduld, Kai’, dachte er. ‚Geduld...’ „Es wäre schön, wenn du mit uns zusammen essen würdest“, fuhr er mit etwas sanfterer Stimme fort. Immer noch keine Reaktion. Dieses Mal seufzte Kai wirklich. Es war einfach sinnlos, den anderen zum Reden bewegen zu wollen. Wenn schon Ruki, der Reita weitaus besser kannte als der Rest von ihnen, nicht zu ihm durchgedrungen war, wie sollte dann erst er, Kai, es schaffen...? „Na gut, dann halt nicht“, sagte er schließlich schulterzuckend und wandte sich ab. Er wollte gerade wieder die Tür öffnen, als auf einmal Reitas tiefe Stimme ertönte. „Kai...“ Überrascht blieb der Drummer stehen und drehte sich um – und schrak zusammen, als Reita mit einem Mal direkt vor ihm stand. Er hatte nicht einmal gehört, dass der andere sich bewegt hatte...! Reita hob langsam eine Hand und es sah für einen Moment so aus, als würde er Kais Wange berühren wollen, doch wenige Millimeter vor seinem Gesicht verharrten die Finger des Bassisten plötzlich. Er war dem anderen so nahe, dass Kai durch den dünnen Stoff des Hemdes, das er trug, die Wärme von Reitas nacktem Oberkörper spüren konnte. Es war ein seltsames Gefühl und definitiv keines, dass der Drummer auch nur ansatzweise genießen sollte – was er jedoch seltsamerweise tat. Und zwar sehr... Als der andere wieder sprach, war seine Stimme kaum mehr als ein Raunen, aber Kai verstand jedes seiner Worte. Verdammt, er konnte die Bewegung von Reitas Lippen fast auf seiner Haut spüren, so nahe wie er ihm war...! „Ich bin froh, dass du da bist, Kai.“ Kais Augen weiteten sich bei diesen Worten – und schlossen sich, als Reitas Mund sacht seine Lippen berührte. Falls er sich jemals vorgestellt hatte, wie es wohl sein könnte, Reita zu küssen (was er natürlich nicht getan hätte, denn wieso zum Teufel sollte er Reita küssen wollen?!) – er hatte sicher nicht erwartet, dass die Lippen des anderen so unglaublich weich waren. Und auch ganz sicher nicht, dass sie sich mit einer solchen schon nahezu unverschämten Perfektion gegen die seinen bewegten, als hätten sie sein Lebtag lang nichts anderes getan. Einen Moment lang schien sich Reita mit dieser Art von Kuss zu begnügen, doch dann wurde er forscher und plötzlich spürte Kai, wie die Zunge des anderen über seinen Mund strich und dann sanft gegen seine zusammengepressten Lippen stieß. Ohne nachzudenken gab Kai nach und öffnete seinerseits den Mund, nur um anschließend von Reita dermaßen leidenschaftlich geküsst zu werden, dass auch die letzten Zweifel fortgeschwemmt wurden. Wenn in diesem Augenblick einer von den anderen ins Zimmer gekommen wäre – es hätte Kai nicht egaler sein können, als die Wettervorhersage für Alaska. Aus einem Reflex heraus hob er die Arme und legte sie um den Hals des anderen, um ihn näher an sich zu ziehen, während Reita ihn küsste, als gäbe es kein Morgen mehr. Und Himmel – wenn er so weitermachte, dann würde es auch kein Morgen mehr geben, weil Kai bis dahin vor Wonne gestorben war. Warum zum Teufel konnte der Kerl auch so gut küssen?! Während ihre Zungen miteinander fochten, gaben Kais Beine, die schon bei der ersten Berührung ihrer Lippen weich geworden waren, langsam nach. Wahrscheinlich wäre er zusammengesackt, wenn Reita nicht die Hände an seine Hüften gelegt und ihn festgehalten hätte. Sein Verstand setzte nun definitiv aus. Es gab keine andere Erklärung, denn würde er noch funktionieren, hätte er Reita mit Sicherheit schon längst von sich gestoßen, ihm anschließend eine geknallt und ihn dann angebrüllt, was zum Teufel er sich dabei dachte. Stattdessen strich er den letzten Punkt und – nach kurzem Überlegen – auch den zweiten, und stieß den anderen lediglich von sich, allerdings nicht ohne dass Reita zuvor noch einmal die Gelegenheit nutzte, ihm einen weiteren Kuss auf die Lippen zu hauchen. Der Bassist stolperte ein paar Schritte zurück, als Kais kraftvoller Stoß ihn vor die Brust traf. Und noch während er versuchte zu verstehen, was gerade passiert war, gaben Kais Beine endgültig nach und er rutschte, den Rücken an die Tür gelehnt, zu Boden. Einen Moment lang sprach keiner von ihnen ein Wort. Alles, was im Zimmer zu hören war, war das Geräusch ihres schnellen Atems, der sich nach dem langen Kuss allmählich wieder beruhigte. Als sich sein Pulsschlag wieder halbwegs normalisiert hatte und er sich sicher war, dass er aufstehen konnte, ohne dass seine Beine gleich wieder einknicken würden, erhob sich Kai und sah Reita mit einer Mischung aus Zorn und Verwirrung in den Augen an, während dieser nur gelassen seinen Blick erwiderte. „Was zum Teufel sollte das gerade, Reita?“, fragte Kai mit heiserer Stimme. „Was fällt dir ein, mich einfach zu... mich zu...“ „Ich hatte nicht den Eindruck, dass es dir unangenehm war“, unterbrach ihn Reita mit einem Grinsen und Kai sah wieder den altbekannten Spott in seinen Augen aufglimmen, den er seit Reitas Einkaufsbummel gestern nicht mehr gesehen hatte. „Ganz im Gegenteil, ich würde sogar fast behaupten, dass es dir gefallen hat“, fügte der Bassist mit einem selbstzufriedenem Unterton hinzu. Kai spürte Ärger in sich aufsteigen und ihm schoss das Blut in die Wangen – und er wusste, dass das nicht allein an seiner Wut auf den anderen lag, was ihn nur noch mehr ärgerte... „Selbst wenn – sag mir einfach, wieso du es getan hast!“, fauchte er. Reita wandte sich mit einem Schulterzucken ab. „Das habe ich dir doch gesagt: weil ich froh bin, dass du da bist, Kai.“ Diese Antwort nahm Kai wieder den Wind aus den Segeln und abermals breitete sich Verwirrung in ihm aus. „Aber... Reita, warum...“ Kai verstummte und suchte nach den richtigen Worten. Was auch immer der Grund für das seltsame Verhalten des Bassisten war – es musste etwas damit zu tun haben, dass der andere in der letzten Nacht so spät zurückgekehrt war. „Reita...“, sprach er schließlich weiter, „was genau ist gestern passiert?“ *~* Fortsetzung folgt... Ja, ich weiß, dass das Ende genauso mies ist, wie das letzte. ^_^v Ich werde weiterschreiben, wenn ich wieder Zeit habe. =) Bis dahin würde ich mich über Kommentare und Anregungen jeder Art freuen... und wünsche euch schon mal ein schönes Wochenende. ^_~ # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 5 ------------------------------------ Teil: 5/? Musik: Syrup16g, Monoral, Inoran (♥) Kommentar: Meine Güte, was für ein langes Kapitel... O__o" Dabei wusste ich zu Beginn erst mal nicht so recht, wie ich anfangen sollte... und dann wurde es plötzlich immer mehr. XD Teile dieses Kapitels sind unter Einfluss von Schlaflosigkeit und zu viel Koffein entstanden. ^^ (Merke: keine FFs mehr zwischen 2 und 4 Uhr in der Nacht schreiben. XD) Ach ja, und wer sich wundert, warum Ruki plötzlich so schräg drauf ist: *gg* Ich finde, dass Ruki eine Person ist, bei der sich Ernst und Albernheit in einem interessanten Verhältnis mischen. Er ist nicht dämlich, aber ziemlich verpeilt, und eigentlich weiß man nie so recht, was gerade in ihm vorgeht und wie er als nächstes reagieren wird. Ich gehe meistens von dieser Vorstellung seiner Persönlichkeit aus, wenn ich ihn schreibe. ^^ Danke auch an die Kommentarschreiber, ich habe mich sehr gefreut. ^^ *flausch* Ich hoffe, dass euch dieses Kapitel ebenso zusagt, wie die Teile zuvor. =) So, und jetzt viel Spaß beim Lesen. ^_^ *~* Reita gab keine Antwort, aber er erstarrte bei Kais Frage, den Rücken weiterhin dem Drummer zugekehrt. „Reita...?“, fragte Kai noch einmal leise und trat langsam an den anderen heran, bis er kaum einen halben Meter hinter ihm stand. Ihn überkam für einen Moment der Drang, den Arm auszustrecken und die Hand auf Reitas Schulter zu legen, doch nach dem Kuss erfüllte ihn der Gedanke, den anderen zu berühren, irgendwie mit Unbehagen, also ließ er es bleiben. „Ich...“ Reita schüttelte den Kopf und legte die Fingerkuppen der rechten Hand an die Schläfe. Die Selbstsicherheit von vor wenigen Minuten war aus seiner Stimme gewichen und hatte Hoffnungslosigkeit Platz gemacht. „Tut mir Leid, Kai, aber ich kann es nicht erzählen... noch nicht“, sagte Reita und ließ die Hand langsam wieder sinken. „Bitte gib mir noch ein bisschen Zeit, okay?“ Kai war verwirrt, doch er spürte, dass es dem anderen sehr ernst war. „Schon in Ordnung“, meinte er. „Ich wollte dich nicht dazu drängen, es mir zu sagen.“ Reita drehte sich halb zu ihm herum und schenkte ihm ein Lächeln, das irgendwie verzweifelt wirkte, dann ging er zu dem Kleiderschrank neben dem Bett hinüber, um ein zerknittertes T-Shirt und eine Jeans herauszuholen. Ohne ein weiteres Wort lief er an Kai vorbei zur Tür und verschwand in Richtung Bad. Kai sah ihm einen Augenblick lang nachdenklich hinterher, dann ging er zurück in die Küche. *~* „Das hat aber lange gedauert“, sagte Aoi, als Kai sich zu ihnen setzte. „Was zum Teufel habt ihr solange da drin getrieben?“ Kai hatte keine Ahnung, woher er die Selbstbeherrschung dafür nahm, aber er schaffte es irgendwie, bei der Bemerkung nicht rot zu werden. „Reita war... schwer zu motivieren“, erklärte er in einem neutralen Tonfall und griff nach der Milch. „Ach so.“ Aoi fragte nicht weiter, doch der Blick, den er mit Uruha wechselte, sprach Bände. Für ein paar Minuten war es still am Tisch, dann ertönten Schritte im Flur und Reita kam in die Küche. „Morgen“, begrüßte er sie mit einem schiefen Lächeln und setzte sich auf den einzigen freien Platz. Er wirkte beherrscht – wie es schien, hatte er sich nach seinem Gespräch mit Kai wieder gefasst und seine Gefühle hinter einer undurchdringlichen Miene verborgen. Reita begann zu essen und es kehrte wieder Stille ein, eine Stille, die beinahe unangenehm war. Bei den Mahlzeiten ging es für gewöhnlich immer sehr lebhaft zu, doch an diesem Morgen stocherten die Bandmitglieder eher lustlos in ihrem Essen herum. So war es wahrscheinlich auch kein Wunder, dass Aoi und Uruha sich keine zehn Minuten später erhoben und mit der Erklärung verschwanden, sie müssten kurz noch einmal ihr Gitarrenzusammenspiel in einem der Lieder durchgehen, und die anderen sollten sich keine Sorgen machen, sie beide würden das schon hinbekommen. Ruki sah ihnen finster nach, fast als fühlte er sich von ihnen verraten, und dann waren sie nur noch zu dritt in der Küche. Der Sänger sah abwechselnd Kai und Reita an, die beide ihre Köpfe gesenkt hatten und auf ihre Teller starrten, als gäbe es dort irgendwas Spannendes zu entdecken. Dann schüttelte er den Kopf. „Akira, so geht das nicht weiter“, sagte er und fixierte seinen Blick dabei auf Reita. „Was auch immer passiert ist – wenn du nicht darüber reden willst, dann ist das okay. Aber heute fangen wir mit den Aufnahmen an und ich will nicht, dass wir alles tausendmal wiederholen müssen, nur weil du nicht in der richtigen Stimmung zum Spielen bist.“ Kai hob den Blick und sah Ruki aufmerksam an, während Reita noch immer den Kopf gesenkt hatte. „Wenn du dich heute noch nicht dazu bereit fühlst, können wir auch erst morgen anfangen“, fuhr der Sänger fort. „Oder, Kai?“ Ruki warf dem Drummer einen etwas hilflos wirkenden Blick zu und Kai nickte hastig. Die Mietkosten für das Tonstudio waren enorm, das wussten sie beide, aber einige Tage länger darin zu verbringen, würde die Band sicherlich nicht gleich in den finanziellen Ruin treiben. Der Bassist schien über Rukis Worte nachzudenken, denn nach einer Weile nickte er und blickte dann auf. „Ich schaffe das“, sagte er. „Lasst uns heute anfangen und nicht sinnlos Zeit verschwenden.“ Kai verdrehte innerlich die Augen, aber zugleich war er auch erleichtert. Die leicht arrogante, wenn auch pragmatische Äußerung des Bassisten war so typisch für Reita, dass Kai das Gefühl hatte, es wäre fast wieder alles so, wie noch vor wenigen Tagen – auch wenn er wusste, dass das ganz und gar nicht der Fall war. Denn wäre alles noch so wie vor einer Woche, dann hätte Reita ihn schließlich nie geküsst. Oder...? Kai beschloss, den Gedanken auf später zu verschieben. Ruki sah Reita lange an, doch da dieser nichts weiter sagt, stand er schließlich auf. „Gut“, sagte der Sänger entschlossen. „Dann lasst uns loslegen.“ *~* Als Kai fünf Minuten später den Probenraum betrat, um den beiden fehlenden Bandmitgliedern zu sagen, dass sie bald anfangen würden, saßen Aoi und Uruha auf der Couch und unterhielten sich leise. Das heißt, Uruha saß, während Aoi neben ihm lag und den Kopf in seinen Schoß gebettet hatte. Für Kai war dieser Anblick nicht ungewohnt. Die beiden Gitarristen schienen schon seit längerem ein sehr vertrautes Verhältnis zueinander zu haben, auch wenn Kai nicht hätte sagen können, wann es zu dem geworden war, was es jetzt war... Er konnte sich erinnern, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der sie sich noch nicht so häufig berührt hatten, wie sie es jetzt taten, und in der sie noch nicht über reinen Blickkontakt kommuniziert hatten, wie es jetzt manchmal der Fall zu sein schien... aber das lag schon eine Ewigkeit zurück. Manchmal fragte er sich, was genau es war, was die beiden so verband... Da sie sein Eintreten nicht bemerkt hatten, räusperte Kai sich kurz, und sie blickten überrascht auf. „Wir werden heute wie geplant mit den Aufnahmen beginnen“, sagte er. „In zwanzig Minuten geht es los. Ich hoffe, ihr seid bis dahin bereit?“ Aoi nickte, doch Uruha sah den Drummer besorgt an. „Was ist mit Reita?“, fragte er. „Geht es ihm wieder besser? Ist er in der Lage, heute mitzuspielen...?“ Kai zuckte mit den Schultern. „Nun, laut eigener Aussage ist er es.“ Doch dann verzog sich sein Mund zu einem ironischen Lächeln und er fügte hinzu: „Ich hoffe nur, dass es nicht wieder ein Fall von der bei Reita so typischen totalen Selbstüberschätzung ist...“ Bei diesen Worten begann Aoi zu lächeln. „Dann solltest du es mit ein bisschen Vertrauen versuchen, Kai“, meinte er. „Mach dir keine Sorgen, das wird schon.“ „Ich wünschte, ich hätte deinen Optimismus“, murmelte Kai, dann wandte er sich zur Tür um. „Also bis nachher.“ Mit diesen Worten verließ er den Raum. *~* Uruha starrte tief in Gedanken versunken die Tür an, die Kai hinter sich geschlossen hatte. „Was hast du?“, fragte Aoi sanft. Er hob eine Hand und berührte sacht die Wange des anderen. Uruha schüttelte den Kopf, dann nahm er Aois Hand und küsste sie. „Weißt du noch, wie zuversichtlich wir waren, als wir letzte Woche hier eingezogen sind?“, fragte er und sah den anderen aus nachdenklichen, braunen Augen an. „Wir hatten gehofft, dass die beiden sich endlich vertragen und anfangen würden, miteinander zu reden... doch es wurde alles nur schlimmer. Und dann diese seltsame Sache gestern, über die Reita nicht mit uns reden will, was Kai nur noch mehr zu schaffen macht...“ Er hielt inne und schwieg einen Moment lang, bevor er mit Resignation in der Stimme fortfuhr: „Ich weiß, dass sie sich mögen würden, Aoi – würden sie nur nicht ständig aneinander vorbeireden. Was können wir nur tun, damit sich das Verhältnis der beiden endlich bessert?“ „Wir tun gar nichts“, sagte Aoi und drückte Uruhas Hand, während er ihm ein aufmunterndes Lächeln schenkte. „Wir haben alles getan und gesagt, was wir tun und sagen konnten... den Rest müssen sie selbst machen. Was Reita auch bedrückt – ich glaube, Kai ist der einzige von uns, der es herausbekommen kann. Lass uns einfach abwarten und sehen, was passiert.“ Uruha erwiderte das Lächeln des anderen und hauchte erneut einen Kuss auf seine Hand. „Ich kann Kai verstehen... also als er meinte, er hätte gerne deinen Optimismus“, meinte er. „Du hast wirklich eine ganze Menge davon.“ Aoi grinste und schlang die Arme um Uruhas Nacken. „Und du liebst mich dafür, nicht wahr?“ „Arroganter Bastard...“, brummte Uruha, doch er lächelte dabei. „Ich dich auch“, entgegnete Aoi mit leisem Lachen, dann zog er den anderen zu sich hinunter und küsste ihn. *~* Manchmal fragte sich Ruki, wie ein Mensch wie Kai nur so klug und talentiert sein konnte – und zugleich so unendlich begriffsstutzig. Da war zum einen die Sache mit Uruha und Aoi. - Jeder halbwegs normale Mensch, der seiner Umgebung auch nur ein kleines bisschen Aufmerksamkeit schenkte, hätte schon längst gemerkt, dass die beiden was am laufen hatten. Sie zeigten es natürlich nicht öffentlich, aber ihre ständigen Berührungen, die in ihrer Anzahl weit über die normaler Freundschaft hinausgingen, waren nun wirklich nicht zu übersehen. Kai hingegen sah es zwar, aber er schaffte es nicht, eins und eins zusammenzuzählen. Vielleicht war es allein die Unmöglichkeit der Tatsache, dass zwei seiner Bandkollegen eine Beziehung miteinander hatten, die Kai daran hinderte, das Offensichtliche als wahr zu akzeptieren. Und dann sein gespanntes Verhältnis zu Reita: Sicher kannte Kai, der als letzter zur Band gekommen war, den Bassisten nicht so lange und so gut, wie die anderen es taten. Aber selbst er hätte irgendwann merken müssen, dass die vielen, spöttischen Bemerkungen, die Reita tagtäglich von sich gab, nicht wirklich böse gemeint waren. Reita war halt einfach so, und auch wenn Ruki sich manchmal wünschte, dass sein bester Freund in der ein oder anderen Situation vielleicht doch besser einfach mal die Klappe hielt, mochte er ihn doch für seine direkte, wenn auch manchmal recht zynische Art. Wäre die erste Begegnung der beiden nicht so unglücklich verlaufen, dann würden sie sich jetzt besser verstehen, davon war der Sänger fest überzeugt. Ruki waren auch die Blicke aufgefallen, mit denen Reita manchmal Kai ansah. An Tagen, an denen die beiden mal nicht pausenlos stritten und an denen Kai dem Bassisten das gleiche herzliche Lächeln schenkte, das er auch den anderen Bandmitgliedern zeigte, strahlten Reitas Augen förmlich vor Freude. Manchmal kam es dem Sänger so vor, als würde Reitas Laune mit der von Kai steigen oder sinken. Wenn der Drummer fröhlich war, war der Bassist es auch... auch wenn er es nicht so gut zeigen konnte, wie Kai. Und an Tagen, an denen Kai mal schlechte Laune hatte, ging es Reita ebenso – und das waren für gewöhnlich die Tage, an denen sich die beiden die heftigsten Wortgefechte lieferten. Ruki konnte einfach nicht verstehen, wie zwei Menschen, die soviel verband, so schlecht miteinander auskommen konnten... Doch an diesem Tag war alles noch viel merkwürdiger. Obwohl Kai es tunlichst vermied, Reita auch nur irgendwie zu berühren – was manchmal nicht ganz einfach war, wenn sie sich an den technischen Anlagen vorbeischlängeln mussten – schienen sie doch irgendwie zum ersten Mal seit langem miteinander auszukommen. Wenn Kai den Bassisten auf einen Fehler hinwies, reagierte dieser nicht so wie sonst immer genervt, sondern bemühte sich, seinen Fehler auszubessern. Und wenn Reita einen seiner spöttischen Kommentare machte, fühlte Kai sich nicht gleich persönlich angegriffen, sondern lächelte manchmal sogar. Ruki, der die beiden schon seit Beginn der Aufnahmen beobachtete, konnte sich keinen Reim darauf machen. Irgendwas entscheidend Wichtiges war passiert – aber was...? *~* Die Aufnahmen waren anstrengend, aber Kai hatte nichts anderes erwartet. Trotz ihrer intensiven Proben zuvor mussten sie alle Lieder viele Mal spielen, bis sie nach etwas klangen, womit sowohl die Bandmitglieder als auch der Tonmeister, ein kleiner, untersetzter Mann namens Ito, zufrieden waren. Es dauerte bis in die späten Abendstunden, bis sie die Rohfassung des Albums aufgenommen hatten. Diese würde in den nächsten Tagen noch weiter bearbeitet und mit zusätzlichen Klangeffekten unterlegt werden, bis die Lieder das Ideal dessen, was die Band sich vorstellte, erreicht hatten. Doch während all dieser Stunden (und trotz der gnadenlosen Regieanweisungen Itos) hielt Reita sich wacker und legte in Bezug auf sein Bassspiel nicht weniger Leidenschaft an den Tag, als die anderen Bandmitglieder bei ihren jeweiligen Instrumenten. Als sie spät am Abend fertig waren und die Band sich erschöpft zurück in den Wohnbereich begab, bat Kai den Bassisten zu bleiben. Reita schwieg, während die anderen gingen, aber er sah Kai aufmerksam an und wartete darauf, dass er etwas sagte. Der Drummer lächelte ihn an und es war das erste, ehrliche Lächeln seit langer Zeit. „Ich gebe zu, ich hatte tatsächlich ein bisschen Angst, als wir heute angefangen haben“, sagte Kai leise. „Aber du hast dein Bestes gegeben. Danke, Reita.“ Die Reaktion des Bassisten bestand nur aus einem knappen Nicken, aber der Drummer sah, dass seine Augen bei diesen Worten aufleuchteten. Sie standen sich einen Moment lang schweigend gegenüber und keiner von ihnen wusste so recht, was er sagen sollte. Doch dann machte Reita eine Kopfbewegung in Richtung der Treppe, die auf die Dachterrasse hinausführte. „Hast du Lust, noch eine zu rauchen?“, fragte er. Kai nickte und sein Herz klopfte dabei so laut, dass Reita es einfach hören musste. Doch der andere hatte sich bereits umgedreht und ging los, also folgte Kai ihm hastig. *~* „Oho“, sagte Aoi. „Aha“, meinte Uruha. „Nun, das ist interessant“, schloss Ruki sich der Reihe intelligenter Äußerungen an. Die drei standen am Küchenfenster und sahen hinaus. Von der Küche aus konnte man einen Teil der Dachterrasse überblicken. Nicht viel, aber es reichte, um die beiden Gestalten sehen zu können, die nebeneinander am Geländer lehnten und rauchten. „Was für ein seltenes Bild“, sagte Aoi grinsend. „Soll ich ein Foto davon machen?“ „Oder wir streichen den Tag rot im Kalender an“, schlug Uruha vor. „Ihr seid gemein“, meinte Ruki, aber er musste ebenfalls grinsen. „Ach komm, Ruki.“ Aoi gähnte herzhaft und fuhr dann fort. „Erzähl mir nicht, dass du nicht ähnliche Gedanken gehabt hast...“ Rukis Grinsen wurde breiter. „Wer weiß...?“ Uruha lehnte sich gegen das Fensterbrett und sah wieder hinaus. „Ich wüsste zu gerne, worüber sie reden“, sagte er leise. *~* Kai rauchte bereits die zweite Zigarette, als Reita endlich etwas sagte. „Kai...?“ Seine Stimme klang ein wenig heiser und er räusperte sich kurz, bevor er weitersprach. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen.“ Kai sah ihn verwirrt an. „Wofür?“ „Dafür, dass ich in den letzten Jahren so ein Arschloch gewesen bin“, sagte Reita und sah auf die Stadt hinab, die sich unter ihnen ausbreitete. „Du bist immer so freundlich zu uns allen und gibst dein Bestes, damit es uns gut geht, aber ich hab’s dir nie gedankt...“ Er stützte die Ellenbogen auf das Geländer und legte das Kinn auf die verschränkten Hände. „Weißt du, eigentlich mag ich dich ganz gerne“, fuhr Reita fort. „Manchmal gehst du mir auf die Nerven mit deinem Drang, mir ständig vorzuschreiben, was ich tun soll und was nicht – überhaupt mit deiner ganzen mütterlichen Art – aber irgendwie... irgendwie würde mir etwas fehlen, wenn du nicht so wärst, wie du bist.“ „Reita...“ Kai hatte das Gefühl, als ob sein Innerstes sich verkrampfen würde, so sehr schmerzte es auf einmal. „Glaube nicht, dass es mich keinen Mut kostet, das zu sagen, was ich dir jetzt sage“, sprach Reita leise weiter. „Aber ich will nicht, dass wir noch mehr Zeit mit sinnlosem Rumgestreite vergeuden. Ich will mit dir genauso normal reden und umgehen können, wie mit den anderen auch. Ich will jemand sein, der dir hilft, wenn du Probleme hast, und der dich aufmuntert, wenn du nicht mehr weiter weißt. Auch wenn es sicher nicht so leicht wird, wie ich mir das jetzt vielleicht vorstelle, aber... ich will es zumindest versuchen. Es ist mir sehr wichtig.“ Kai nickte stumm, dann wandte er sich ab, die Hände zu Fäusten geballt. Reita sah ihn verwirrt an. Hatte er etwas Falsches gesagt? „Kai...?“ Er streckte die Hand aus und legte sie sacht auf die Schulter des anderen. „Was hast du?“ „Du dummer Idiot“, flüsterte Kai. Reita schwieg. Zugegeben, das war nicht ganz die Reaktion, mit der er gerechnet hatte, aber... „Wieso hast du das nicht schon früher gesagt?“, fragte Kai. Er drehte sich um und sah den anderen aus brennenden Augen an. Mittlerweile konnte er nur noch mit Mühe die Tränen zurückhalten. „Warum sagst du mir das erst jetzt...?“ Kai versuchte, vorwurfsvoll zu klingen, doch stattdessen klang es fast wie ein Schluchzen. Seine Schultern bebten und er biss sich hart auf die Unterlippe, um nicht gänzlich loszuheulen, aber er wusste, dass er den Kampf gegen seine Selbstkontrolle dieses Mal verlieren würde. Reita sah ihn betroffen an. Dann trat er auf ihn zu und schloss ihn in die Arme. *~* „Schnell! Holt eine Kamera!“ „RUKI!“ *~* Kai versuchte anfangs, Reita von sich zu stoßen, aber seine Bewegungen waren langsam und kraftlos und eigentlich... schien er es auch gar nicht so wirklich zu wollen. Stattdessen schlang er nach einer Weile die Arme um Reita und legte den Kopf an seine Schulter, während er seinen Tränen freien Lauf ließ. Reita wusste nicht, was er in so einer Situation tun sollte, also hielt er Kai weiterhin fest und strich ihm sanft über den Rücken, bis der andere sich wieder halbwegs beruhigt hatte. „Es tut mir Leid“, sagte er mit einem schiefen Lächeln, als Kai sich schließlich wieder von ihm löste und einen Schritt zurücktrat. „Ich hätte vielleicht nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen sollen. Ich nehme an, ich habe mich einmal mehr wie ein Vollidiot benommen.“ „Ja, hast du“, sagte Kai schniefend. „Aber ich bin froh, dass du es mir gesagt hast.“ Er hob die Hand, um sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, und warf Reita dann einen entschuldigenden Blick zu. „Tut mir Leid, dass ich dein Hemd nass gemacht habe.“ Reita winkte ab. „Nicht so schlimm... Ich habe einen ganzen Kleiderschrank voll davon, weißt du.“ Die Bemerkung entlockte Kai ein Lächeln. „Ich wette, ich sehe furchtbar aus“, murmelte er und wischte sich einmal mehr mit dem Handrücken über die Augen. „An deinem Lächeln hat sich jedenfalls nichts geändert“, meinte Reita leise. *~* „Zehntausend Yen, dass sie sich jetzt küssen“, sagte Ruki. Er stand noch immer vor dem Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt, und grinste. Aoi und Uruha tauschten einen zweifelnden Blick aus und sahen dann anschließend den Sänger an. „Wie kommst du darauf?“, frage Uruha. „Ich meine, seht euch doch nur ihre Körperhaltung an“, sagte Ruki. „Erst umarmen sie sich und dann stehen sie so nahe beieinander, dass es ein Wunder ist, dass sie sich bisher noch nicht geküsst haben... Ich sage euch, da entwickelt sich gerade was zwischen den beiden.“ Die beiden Gitarristen tauschten einen zweiten, längeren Blick aus. „Du gibst uns also zehntausend Yen, wenn sie sich nicht küssen?“, fragte Aoi. „Verlass dich drauf“, meinte Ruki und fügte selbstsicher hinzu: „Ich gewinne eh.“ Aoi schenkte ihm das nachsichtige Lächeln desjenigen, der sich die Mühe sparte, seinen Gegenüber darauf aufmerksam zu machen, dass er gedanklich gerade in eine Sackgasse lief. „Abgemacht“, meinte er. *~* Kai warf Reita einen merkwürdigen Blick zu, dann schüttelte er den Kopf. „Hör auf, so kitschige Bemerkungen zu machen“, sagte er vorwurfsvoll. „Man könnte glatt meinen, wir wären-“ „Ein Liebespaar?“, unterbrach ihn Reita schmunzelnd. „Sicher nicht“, sagte Kai finster. „Das würde auch niemals klappen.“ „Natürlich nicht. Es wäre eine Katastrophe.“ „Stimmt“, bekräftigte Kai, der den Sarkasmus in Reitas Stimme nicht bemerkt hatte. „Wir wären nie einer Meinung...“ „... könnten uns küssen, wann immer uns danach ist...“ „... müssten unsere Beziehung ständig geheim halten...“ „... hätten atemberaubenden Sex...“ „Reita!“ Obwohl es mittlerweile schon sehr dunkel war, meinte Reita sehen zu könne, wie Kais Wangen rot wurden. „Was denn?“, fragte der Bassist unschuldig. „Das gehört doch mit dazu – oder etwa nicht?“ Kai wich seinem Blick aus. „Erstens habe ich nicht vor, mit dir irgendeine Beziehung einzugehen, egal welcher Art sie ist, und zweitens – wie stellst du dir das vor? Zwischen Interviews, Bandproben und Touren könnte das doch nie auf Dauer funktionieren! Ich meine-“ „Bei Aoi und Uruha funktioniert es doch auch“, warf Reita leise ein. Kai klappte den Mund wieder zu und überlegte einen Moment, ob er sich verhört hatte, oder ob Reita gerade tatsächlich das gesagt hatte, von dem Kai sich sicher war, dass er es gesagt hatte. „Wovon redest du?“, fragte er. Reita sah ihn ungläubig an. „Sag mir nicht, dass das dein Ernst ist! Du willst mir doch nicht erzählen, dass du das mit Aoi und U-“ Er verstummte plötzlich und schüttelte den Kopf. „Ich glaub’s einfach nicht... und ich hatte gedacht, du würdest deine Freunde besser kennen. Anscheinend ist das doch nicht der Fall.“ „Wovon zum Teufel redest du?“ Langsam wurde Kai wütend. „Was habe ich denn nicht mitbekommen?“ Reita wandte sich ab. „Ich werde es dir nicht sagen, denn ich habe ihnen versprochen, es niemandem zu erzählen. Aber vielleicht solltest du deine Mitmenschen einfach ein bisschen besser beobachten, dann erkennst du vielleicht auch von allein, wovon ich spreche.“ Er stapfte auf die Treppe zu. „Reita...!“ Kais Wut wich Verzweiflung. Was auch immer er gerade falsch gemacht hatte, er wollte nicht, dass Reita auf ihn wütend war. Nicht schon wieder – und vor allem nicht jetzt, wo er gerade angefangen hatte zu hoffen, dass endlich alles besser werden würde. „Reita, es tut mir Leid!“, rief er und lief ihm nach. Doch erst im Treppenhaus schaffte er es, den anderen am Handgelenk zu packen und ihn zum Stehenbleiben zu bringen. „Falls ich etwas Dummes gesagt habe, möchte ich mich entschuldigen“, sagte er atemlos. „Und ich verspreche, dass ich von jetzt an aufmerksamer sein werde, damit ich verstehe, was du gesagt hast. Aber ich bitte dich, Reita... Bitte lauf nicht einfach so weg.“ Reita antwortete nicht, aber er mache auch keine Anstalten, einfach weiterzulaufen, darum ließ Kai ihn wieder los. „Kai...“, sagte der Bassist schließlich leise und Resignation schwang in seiner Stimme mit. „Wieso schaffe ich es in letzter Zeit eigentlich nicht mehr, wirklich böse auf dich zu sein...?“ *~* „Mist!“, sagte Ruki enttäuscht. „Jetzt sind sie im Treppenhaus verschwunden...“ „Tja“, meinte Aoi und inspizierte seine Fingernägel. „Das ist natürlich schade.“ „Äußerst schade“, stimmte Uruha ihm zu. „Sieht aus, als schuldest du uns Geld“, sagte er dann und lächelte Ruki charmant an. Der Sänger fluchte. *~* Reita drehte sich um und stieg die Treppe wieder hinauf, bis er dicht vor Kai stand. Der Drummer wich einen Schritt zurück und stand plötzlich mit dem Rücken an der Wand, doch der andere folgte ihm auch dieses Stück, bis er dicht vor ihm stand. Reita legte die Unterarme rechts und links neben Kais Kopf an die Wand und verharrte dann in dieser Position und... sah ihn an. Er sprach kein Wort, sondern sah ihn nur an, und seine Augen musterten Kai, als würde er ihn zum ersten Mal sehen. Kai wagte es kaum zu atmen, so gebannt war er von Reitas intensivem Blick. Nach einer Weile beugte der Bassist sich vor, bis seine Lippen nur noch wenige Millimeter vom Ohr des anderen entfernt waren, und sprach: „Wäre die Vorstellung, mit mir zusammen zu sein, denn tatsächlich so beängstigend – oder was genau ist es, was dich so daran stört...?“ Reitas Atem streifte sacht Kais Hals und der Drummer schloss die Augen. Fiese Frage, ganz fiese Frage... vor allem in einer Situation wie dieser. Kai hätte gerne mit einem lauten und überzeugten „Alles!“ geantwortet, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass seine Stimme dies keinesfalls so laut und überzeugt hervorgebracht hätte, wie er es sich wünschte. Außerdem war er sich nicht mal sicher, ob es wirklich das war, was er Reita entgegnen wollte... Nur was wollte er ihm sonst sagen? ‚Ich habe kein Interesse an einer Beziehung mit dir, aber wenn du mir nahe bist, spielen meine Hormone verrückt und ehrlich gesagt sehne ich mich auch ein ganz kleines bisschen nach deiner körperlichen Nähe’? Was würde Reita dann sagen? ‚Wahrscheinlich gar nichts’, dachte Kai. ‚Weil er dann vielleicht nie wieder ein Wort mit mir wechseln wird.’ Reita beugte sich weiter vor und seine Lippen befanden sich nun über Kais Hals. Doch noch immer berührte er ihn nicht. Kai wand sich unter ihm. Er rechnete jeden Moment damit, Reitas Mund auf seiner Haut zu spüren – aber es passierte einfach nichts. Ganz im Gegenteil, der andere schien Spaß daran zu haben, seinen warmen Atem über Kais Haut geistern zu lassen. Und das machte den Drummer überempfindlich und unruhig, und nach kurzer Zeit sehnte er sich beinahe danach, endlich die erlösende Berührung von Reitas Lippen zu fühlen. Doch der andere gönnte ihm diese Berührung nicht. Denn plötzlich tat Reita etwas, womit Kai nicht gerechnet hatte – er ließ von ihm ab und trat ein paar Schritte zurück. „Nun, wie es aussieht, sagt dir die Vorstellung nicht zu“, sagte Reita kopfschüttelnd, und in seiner Stimme war Enttäuschung. „Ich glaube, ich sollte meine Hoffnungen endlich begraben...“ Kai riss nun endgültig der Geduldsfaden, und er packte Reita am Kragen und zog ihn zu sich heran. „Mach. Das. Nie. Wieder!“, fauchte er den anderen an und es erfüllte ihn mit Genugtuung, als er Überraschung – und ein kleines bisschen Unsicherheit – in Reitas Augen sah. Und dann beging Kai einen wirklich dummen Fehler: Er küsste Reita. *~* Fortsetzung folgt... Falls Kai tatsächlich jemals vorgehabt hat, Reita loszuwerden, dann hat er jetzt ein Problem. >D Wie auch immer... Ich weiß nicht genau, wann es weiter geht, aber wenigstens weiß ich ungefähr, was ich als nächstes schreiben werde. =) Also bis (hoffentlich) demnächst und ich freue mich immer über Feedback. ^_^ ♥ # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 6 ------------------------------------ Teil: 6/? Musik: Gazette (mal zur Abwechslung XD) - "Bite to All" ist so ein verflucht genialer Partysong! *-* Kommentar: Urgh. Dieses Kapitel ist so schrecklich kitschig, dass es mir selbst schon fast peinlich ist... X'D *sich hinterm Schreibtisch verkriecht* Falls ihr einen Zuckerschock erleidet - ich übernehme keine Haftung. ^_~ Uhm... ja. Mehr fällt mir dazu nicht ein. XD Und danke für die vielen Kommentare! *-* Ich war echt hin und weg! (Ihr seid ja alle verrückt, ha, ha! XD) Hätte nicht gedacht, dass die Geschichte so gut ankommt. ^_^ Also noch mal vielen Dank. =) *verbeug* So, und jetzt geht's weiter. :D *~* „VERDAMMT!“ Kai schlug mit der Faust gegen die Tür des Schrankes in seinem Zimmer. Ein stechender Schmerz fuhr seinen Unterarm hinauf, doch er achtete nicht darauf, sondern schlug erneut gegen die glatte Holzoberfläche. „Verdammt, verdammt, verdammt!“ Wie hatte er nur so dumm sein können, Reita zu küssen?! Warum sorgte die Nähe des Bassisten in letzter Zeit eigentlich immer dafür, dass alle Sicherungen bei ihm durchbrannten? Und vor allem – wieso zum Teufel ausgerechnet Reita?! Hätte sich sein verdrehter Geschmack nicht für jemand besseren entscheiden können? Nicht, dass Kai überhaupt ein Interesse daran hatte, mit irgendeinem der anderen Bandmitglieder etwas anzufangen, aber musste es ausgerechnet er sein, auf den sein Gefühlsleben so merkwürdig reagierte? Kai schloss die Augen und versuchte, nicht mehr an die Ereignisse der letzten halben Stunde zu denken, doch die Bilder waren hartnäckig und ließen ihn nicht in Ruhe. Er hatte Reita geküsst und diese Tatsache ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Vielleicht war es ihm in dem Moment die völlige Verwirrung und das dumme Gesicht des anderen wert gewesen, aber im Nachhinein betrachtet hätte Kai keinen größeren Fehler begehen können. ‚Er hat sicher gedacht, ich will tatsächlich was von ihm...’, dachte Kai und fluchte abermals. Zumal der Kuss ihrem ersten Kuss in Bezug auf Leidenschaft in nichts nachgestanden hatte... Dieses Mal war er wahrscheinlich sogar noch intensiver gewesen, weil sie es beide gewollt hatten. Denn das war eine Tatsache, die Kai nicht leugnen konnte: Er hatte Reita in diesem Moment gewollt, und wahrscheinlich hätte ihn auch nichts davon abhalten können, den anderen nicht zu küssen. Und dieser Gedanke machte ihm sehr zu schaffen. Noch mehr als all das hatte ihn allerdings die Reaktion von Reita verwirrt: Nachdem sie sich nach einer Ewigkeit wieder voneinander gelöst hatten, hatte Reita ihn an sich gedrückt und... gelacht. Es war ein befreites, ehrliches Lachen gewesen, so als wäre ihm ein Stein vom Herzen gefallen. „Du bist wirklich süß, Kai“, hatte er dann gesagt – nachdem er sich wieder halbwegs beruhigt hatte – und den anderen auf Armeslänge von sich geschoben, um ihn anzusehen. Und dann hatte Kai den zweiten, großen Fehler des Abends begangen – er war unter Reitas Blick flammend rot geworden. (Er hätte schwören können, dass seine Ohren in dem Moment geglüht hatten.) Reita hatte gelächelt und sich vorgebeugt, um ihm einen weiteren, sanften Kuss zu geben. Dann hatte er sich umgedreht und war die Stufen hinuntergegangen, nur um nach ein paar Schritten stehen zu bleiben und Kai die Hand hinzuhalten. „Komm, lass uns gehen.“ Und dann, als ob ein Schloss einrasten würde, hatte plötzlich Kais Verstand wieder eingesetzt, und er hatte den dritten und wahrscheinlich größten Fehler begangen – er hatte den Kopf geschüttelt und gemeint, er würde später nachkommen, er müsste zuerst noch eine rauchen und sich die Geschehnisse der letzten Stunde durch den Kopf gehen lassen. Das allein wäre nicht so schlimm gewesen, wenn er nicht noch hinzugefügt hätte, dass die anderen sicher komisch gucken würden, wenn er und Reita Hand in Hand in die Wohnung zurückkehren würden. Daraufhin hatte Reita die Hand wieder sinken lassen und nur stumm genickt. Und erst als der andere sich abgewandt hatte und gegangen war, wurde Kai sein Fehler wirklich bewusst, denn der enttäuschte Blick, mit dem Reita ihn angesehen hatte, tat tief im Inneren weh. *~* Kai wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, in der er in der Dunkelheit seines Zimmers auf dem Boden gesessen und apathisch ins Leere gestarrt hatte, bis endlich wieder Leben in ihn kam und er den Entschluss fasste, sich bei Reita zu entschuldigen. Er konnte das nicht einfach auf sich beruhen lassen. Je länger sie sich in dieser Sache anschwiegen, desto eher würde ihre eben erst mühsam wiedererrichtete Freundschaft in die Brüche gehen. Und Kai war mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem er dies um jeden Preis verhindern wollte. Trotz seiner körperlichen Müdigkeit fühlte er sich noch immer sehr wach, also erhob er sich und ging leise zur Tür, von wo aus er nach kurzem Zögern in den Flur hinaustrat. Während er mit klopfendem Herzen an den Zimmern seiner schlafenden Freunde vorbeischlich, überlegte er, was er Reita sagen sollte. Doch alle Formulierungen, die ihm durch den Kopf gingen, erschienen ihm albern oder unpassend, so dass er es wieder aufgab und einfach hoffte, dass ihm im entsprechenden Moment die richtigen Worte einfallen würden. Als er leise die Tür zu Reitas Zimmer öffnete, war es drinnen dunkel und der andere schlief bereits. Kai war ein bisschen enttäuscht, aber andererseits – was hatte er eigentlich auch erwartet? Dennoch trat er ein und schloss vorsichtig wieder die Tür hinter sich. Mit leisen Schritten näherte er sich dem Bett und ließ sich neben ihm auf dem Boden nieder. Obwohl durch das Fenster nur spärlich Licht ins Zimmer drang, konnte er doch die Konturen von Reitas Gesicht und den entspannten Ausdruck darauf erkennen. Kai legte die Unterarme auf die Matratze und bettete den Kopf darauf. Still betrachtete er das Gesicht des anderen, so wie dieser es nur wenige Stunden zuvor bei Kai im Treppenhaus getan hatte. Normalerweise waren Adjektive wie „hübsch“ oder „attraktiv“ keine Wörter, an die er im Zusammenhang mit Reita auch nur dachte. Er hatte den anderen nie körperlich anziehend gefunden, ebenso wenig wie eines der anderen Bandmitglieder. Doch als er Reita jetzt ansah, entdeckte er in dem schlafenden Gesicht das erste Mal so etwas wie Schönheit. Kai seufzte leise. ‚Warum nur ausgerechnet du...?’, dachte er und strich Reita sanft eine Strähne aus dem Gesicht. Dann wurden seine Augenlider schwer und die Müdigkeit zu groß, und kaum hatte er die Augen geschlossen, war er auch schon eingeschlafen. *~* Als Kai am nächsten Morgen aufwachte, fielen gerade die ersten Sonnenstrahlen ins Zimmer. Es konnte noch nicht viel später als sechs Uhr sein, überlegte er gähnend, er konnte also noch ein bisschen weiterschlafen. Er wollte sich gerade umdrehen und die Decke, die ein Stück hinuntergerutscht war, wieder bis zum Kinn hochziehen, als ihm zwei Dinge auffielen: zum einen die Tatsache, dass er nicht mehr auf dem Boden lag, sondern in einem Bett, und zum anderen, dass Reita direkt neben ihm lag und schlief. Kai hätte schwören können, dass sein Herzschlag einen Moment lang aussetzte, als er Reitas blonde Haare sah, die sacht seine Nasenspitze kitzelten. Die Stirn des anderen berührte Kais Schulter und seine rechte Hand lag locker auf seinem Oberarm, doch aufgrund der geringen Breite des Bettes wäre es wahrscheinlich unmöglich gewesen, wenn Reita ihn nicht irgendwie berührt hätte. Nachdem er den Bassisten einen Moment lang überrascht angestarrt hatte, ließ Kai die letzte Nacht noch mal Revue passieren. Aber so angestrengt er auch nachdachte, er konnte sich nicht an den Moment erinnern, in dem er vom Boden aufgestanden war und sich zu Reita ins Bett gelegt hatte. Was zu einer sehr wichtigen Frage führte – was war passiert? Er rang einen Augenblick lang mit sich selbst. Sollte er Reita erst fragen, wenn dieser von allein wieder aufgewacht war oder sollte er ihn jetzt gleich wecken? Kai entschied sich schließlich für die zweite Möglichkeit – auch auf die Gefahr hin, dass Reita angepisst reagieren würde, wie er es immer tat, wenn man ihn so früh am Morgen weckte. Vorsichtig streifte er Reitas Hand ab, nur um ihn anschließend an der Schulter zu packen und sanft zu rütteln. „Reita“, sagte er leise. „Reita, wach auf!“ Der Bassist reagierte erst nicht, doch dann gab er ein leises Grummeln von sich und öffnete die Augen. „Was...?“ Er sah Kai verschlafen an und gähnte. „Ach so, du bist es...Was ist los?“ „Ähm...“ Kai biss sich auf die Unterlippe. „Was… also ich meine, wieso...“ „Ach so, das.“ Reita gähnte abermals, dann richtete er sich auf und stützte den Kopf in die Hand, um Kai besser ansehen zu können. „Ich bin nachts aufgewacht, weil ich mal auf Toilette musste“, sagte er. „Dabei habe ich dich entdeckt und gedacht, dass du es in einem Bett vielleicht bequemer hast, als auf dem Boden. Also habe ich dich mit zu mir geholt...“ Er sah Kais Gesichtsausdruck und grinste. „Keine Sorge, ich habe nichts mit dir angestellt, während du geschlafen hast.“ „Das will ich dir auch geraten haben“, sagte Kai finster, dann entspannte sich der Ausdruck auf seinem Gesicht und er lächelte schüchtern. „Danke, Reita. Das war lieb von dir.“ „Kein Problem“, meinte Reita und einen Moment lang schwiegen beide. Dann runzelte der Bassist die Stirn. „Da ich deine Frage beantwortet habe – darf ich nun vielleicht auch erfahren, was du nachts in meinem Zimmer zu suchen hast?“ Kai wandte den Blick ab. „Ich wollte mich bei dir wegen gestern Abend entschuldigen“, sagte er leise. „Wegen dem, was ich zu dir gesagt habe... ich wollte dich wirklich nicht verletzten.“ Er sah auf und erwiderte offen Reitas Blick. „Aber diese ganze Situation ist noch so ungewohnt für mich und... und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte.“ Reitas Gesichtsausdruck wurde weicher und er hob eine Hand, um sie an Kais Wange zu legen. „Das weiß ich meistens auch nicht“, entgegnete er. „Ich lasse es einfach auf mich zukommen und versuche, irgendwie damit klarzukommen...“ „Ja, aber das kann ich nicht, Reita“, flüsterte Kai. „Ich kann mit dieser Ungewissheit nicht so gut umgehen, wie du... ich kann mich nicht einfach fallen lassen.“ „Dann fange ich dich auf“, sagte Reita und küsste ihn auf die Stirn. „Du musst mir nur vertrauen. Ich kann nicht versprechen, dass all das einfach für uns wird, aber wenn du mir nicht vertraust, dann schaffen wir es vielleicht tatsächlich nicht.“ „Wie kann ich dir vertrauen, wenn du mir nicht mal alles von dir erzählst?“, fragte Kai bitter. „Ich weiß immer noch nicht, was vor zwei Tagen mit dir passiert ist...“ „Nicht jetzt“, sagte Reita und ein Anflug von Kummer war in seiner Stimme zu hören. „Ich verspreche, dass ich es dir bald erzählen werde, aber noch nicht jetzt...“ Kai dachte einen Augenblick lang nach, dann nickte er müde. „Ist gut. Wenn es tatsächlich so schlimm ist, wie ich es aufgrund deiner Reaktion vermute, dann will ich dich nicht weiter danach fragen... Erzähl es mir einfach, wenn du dazu bereit bist.“ „Das werde ich“, sagte Reita. „Danke, Kai.“ Sie sahen sich einen Moment lang stumm an. „Tja...“, meinte Kai schließlich. „Dann sollte ich vielleicht einfach wieder zurück in mein Zimmer gehen...“ „Wenn du das möchtest, meinetwegen“, sagte Reita und fügte ein wenig leiser hinzu: „Du kannst natürlich auch hier bleiben, wenn es dir nichts ausmacht... Ich habe nichts dagegen.“ Kai dachte über diesen Vorschlag nach... und daran, dass es eigentlich nicht unangenehm war, sich mit Reita ein Bett zu teilen. Ein wenig seltsam, ja... aber nichts, woran er sich nicht gewöhnen konnte. Zudem war er mittlerweile wieder so müde, dass er eigentlich keine Lust hatte, aufzustehen und in sein eigenes Zimmer zurückzukehren. Also nickte er nur, dann schloss er die Augen und vergrub das Gesicht an Reitas Halsbeuge. Der andere legte vorsichtig einen Arm um ihn und zog ihn näher an sich. ‚Ich werde das bereuen’, dachte Kai und kuschelte sich an Reita. ‚Irgendwann werde ich das sehr bereuen. Bestimmt...!’ Und dann war er auch schon eingeschlafen. *~* Ruki weigerte sich hartnäckig, sein Bett zu verlassen. Für gewöhnlich kam Kai immer, um ihn zu wecken, aber obwohl es mittlerweile schon nach acht Uhr war, hatte sich der Drummer bisher noch nicht blicken lassen. Kai weckte ihn normalerweise immer. Das war ein Ritual, das sie bereits in den ersten Monaten, nachdem Kai der Band beigetreten war, entwickelt hatten, wenn sie auf Tour waren oder gerade ein neues Album aufnahmen. Und bis auf die seltenen Ausnahmen, bei denen Ruki mal vor dem anderen aufgestanden war, hatte sich in all den Jahren nichts daran geändert. Aber heute kam Kai einfach nicht und Ruki wurde langsam unruhig. Er war bereits seit einer Viertelstunde wach und starrte ungeduldig die Zimmertür an, doch das herzliche Lächeln und das fröhliche „Guten Morgen!“, das ihn sonst jeden Morgen weckte, ließen heute auf sich warten. Schließlich hatte er die Warterei satt und stand auf, um zu sehen, wo der andere blieb. Barfuss tappte er zur Tür und schlüpfte hinaus in den Flur. Das Bad war leer und auch aus der Küche drangen keine Geräusche, also musste Kai noch in seinem Zimmer sein. Ruki öffnete die Tür von Kais Zimmer und stellte fest, dass das nicht der Fall war. Er verschränkte die Arme vor der Brust und dachte lange und intensiv nach. Dann wanderten seine Mundwinkel langsam nach oben und formten ein Grinsen, das so breit war, dass es fast von einem Ohr zum anderen reichte. Er ging zurück in sein Zimmer und wühlte in dem Schränkchen neben seinem Bett herum. Nach einer Weile fischte er einen rechteckigen, kleinen Kasten heraus und schlich zurück in den Flur. Vor Reitas Zimmer blieb er stehen und öffnete vorsichtig die Tür – und fand genau das vor, was er erwartet hatte. „Perfekt“, flüsterte Ruki und hob die Kamera ans Auge. Es machte leise ‚klick’ und dann war ein summendes Geräusch zu hören, als die Polaroidkamera das Foto ausspuckte, auf dem nach und nach das Bild von Reita und Kai sichtbar wurde, die eng aneinandergekuschelt in Reitas Bett lagen und schliefen. Ruki schloss die Tür wieder hinter sich und grinste, während er das Foto betrachtete. Falls es in Zukunft Schwierigkeiten geben sollte, ihren Bandleader von etwas zu überzeugen... nun ja, jetzt hatte er ein geeignetes Druckmittel. *~* Als Kai zwei Stunden später erwachte, dauerte es wie bei seinem ersten Erwachen wenige Stunden zuvor einen Moment, bis er sich orientiert hatte und ihm wieder einfiel, wo er sich befand. Dieses Mal jedoch war Reita bereits wach und sah ihn still an. Sowohl sein Blick als auch die Tatsache, dass das Gesicht des anderen nur wenige Zentimeter von seinem eigenen entfernt war, ließ Kais Herz höher schlagen. „Wie lange bist du schon wach?“, flüsterte er. „Keine Ahnung“, antwortete Reita und grinste. „Schon seit einer Weile. Es macht Spaß, dich zu beobachten, während du schläfst, weißt du...?“ Kai wurde rot – und er ärgerte sich darüber. „Wieso?“ „Du schläfst mit offenem Mund – und die Versuchung, dich wach zu küssen, war verdammt groß, glaube mir – und murmelst hin und wieder irgendwas vor dich hin.“ „Tatsächlich?“, fragte Kai, dem dieses Gespräch irgendwie langsam peinlich wurde. „Was denn?“ „Ach, alles mögliche...“, entgegnete Reita und sein Grinsen wurde breiter. „Meinen Namen zum Beispiel...“ „Echt jetzt?!“, entfuhr es Kai, und er hätte sich dafür im nächsten Moment am liebsten auf die Zunge gebissen. „Nein, war nur ein Scherz.“ Reita lachte. „Aber ich hätte nichts dagegen...“ „Mistkerl“, murrte Kai. „Schon so früh am Morgen schlecht gelaunt...“, tadelte Reita ihn und beugte sich vor, um Kai einen kurzen Kuss zu geben. „Das passt gar nicht zu dir“, flüsterte der Bassist und leckte sich die Lippen. „Muss an dir liegen“, entgegnete Kai spitz, dann konnte er der Versuchung nicht mehr widerstehen. Seine Hand vergrub sich in Reitas blonden Haaren und er zog ihn näher, um ihn zu küssen. Der Kuss war, anders als ihre Küsse zuvor, ohne jegliche Hast, dabei jedoch nicht weniger intensiv. Kai nahm sich Zeit, die Mundhöhle des anderen zu erkunden, bevor er ihn in ein träges, aber sinnliches Zungenspiel verwickelte, auf das Reita nur zu bereitwillig einging. Jedoch war keiner von ihnen darauf aus, die Oberhand zu gewinnen, sondern sie genossen einfach nur die Intimität und Ruhe des Augenblickes. Der Kuss schien sich ewig hinzuziehen, doch schließlich war es Reita, der sich als erster zurückzog. „Du wirst immer mutiger“, sagte er grinsend. „Du stehst doch auf mich, gib’s zu.“ „Sei nicht so eingebildet“, schnaubte Kai und schob ihn mit sanfter Gewalt von sich, um sich anschließend aufzurichten und einen Blick auf die Digitaluhr neben Reitas Bett zu werfen. „Oh, Mist!“, stöhnte er. „Es ist schon fast halb elf... Wir haben total verschlafen!“ „Nun, ich finde, es hat sich gelohnt“, meinte Reita. Aber Kai hörte ihm schon nicht mehr zu, sondern war bereits aufgestanden und auf dem Weg zur Tür. „Ich muss die anderen wecken...“ „Kai!“ rief Reita leise. „Warte bitte noch einen Moment...“ Der andere drehte sich um und sah Reita ungeduldig an. „Was ist denn?“ „Ich wollte dich fragen...“ Der Bassist stockte, dann holte er tief Luft und fuhr fort: „Was ist nun mit uns?“ Kai sah ihn verwundert an. „Was soll mit uns sein?“ Reita verdrehte genervt die Augen. „Kai, die anderen sind bereits wach“, sagte er. „Ich habe sie vorhin im Flur umherlaufen hören. Und es sollte mich sehr verwundern, wenn ihnen nicht bereits aufgefallen ist, dass du nicht mehr in deinem Zimmer bist... und da sie nicht völlig auf den Kopf gefallen sind, können sie sich sicher denken, wo du gerade steckst.“ Kai nickte wie in Trance. Ihm war klar, worauf Reita hinauswollte, und der Gedanke behagte ihm nicht. „Ich verstehe“, sagte er matt. Doch zum einen wollte er Reita nicht schon wieder vor den Kopf stoßen und zum anderen... würde er sich nicht auch selbst irgendwie betrügen, wenn er weiterhin versuchte sich einzureden, dass er nichts für den anderen empfand? Plötzlich blitzte Entschlossenheit in seinen Augen auf. „Verdammt, dann sollen sie es halt erfahren!“, meinte er. Auch wenn er selbst noch nicht so recht wusste, was das überhaupt für eine Beziehung war, die er mit Reita hatte – sie auf Dauer geheim zu halten, würde ihn eine Menge Nerven kosten. Jedenfalls mehr Nerven, als wenn die restlichen Bandmitglieder gleich erfuhren, was Sache war. Reitas Augen begannen zu leuchten. „Danke, Kai“, sagte er, während der Drummer sich abwandte und die Tür öffnete. Die drei Worte, die Reita danach sagte, waren so leise, dass Kai sie kaum mehr verstand, als er auf den Flur hinaustrat. Und wahrscheinlich hatte er sie sich eh nur eingebildet. *~* „Und? Gut geschlafen?“, begrüßte Uruha ihn, als Kai in die Küche kam. „Fantastisch, danke der Nachfrage“, entgegnete der Drummer kurz angebunden. „Hat Reita auch nicht geschnarcht?“, fragte Ruki mit einem unschuldigen Lächeln. „Er kann in der Nacht echt laut sein...“ „Weiß ich doch nicht, ich habe geschlafen“, antwortete Kai, der sich tapfer gegen die spitzen Bemerkungen seiner Freunde zur Wehr setzte. „Tatsächlich? Was habt ihr denn letzte Nacht noch getrieben, dass du das nicht gehört hast, während du geschlafen hast?“ „Hör auf, Kai zu ärgern, Ruki!“, kam Reita, der in dem Augenblick die Küche betrat, dem Drummer zu Hilfe. Er wuschelte Kai, der feuerrot angelaufen war, kurz durch die Haare und ließ sich dann auf den Stuhl neben ihn sinken. „Außerdem wüsste ich nicht, was dich unser Sexleben angeht“, fügte er dann hinzu. Ruki sah ihn überrascht an, während Kai Reita unter dem Tisch nur kraftvoll gegen das Schienbein trat. Der Bassist gab einen schmerzerfüllten Laut von sich. „Erzähl keinen Mist“, sagte Kai kühl. „Wir haben gar nichts getan, sondern lediglich geschlafen.“ „Das kann ich bestätigen“, sagte Aoi, dessen Zimmer neben dem von Reita lag. „Alles andere hätte ich mit Sicherheit gehört.“ „Oh ja“, erwiderte Reita und grinste. „Dass die Wände hier dünn sind, habe ich bereits bemerkt... ihr seid ja auch nicht gerade leise, wenn ihr-“ Uruha verschluckte sich just in diesem Moment an seinem Tee und bekam einen Hustenanfall, in dem das, was Reita als nächstes sagte, unterging. Aoi, der neben ihm saß, klopfte ihm besorgt auf den Rücken, bis der Anfall vorüber war. „Könnten wir bitte das Thema wechseln?“, röchelte Uruha, als er endlich wieder sprechen konnte. Kai sah verwirrt zwischen den beiden Gitarristen und Reita hin und her, beschloss aber, nicht weiter nachzufragen. Der Rest vom Frühstück verlief heiter, und die anderen ließen es sich nicht nehmen, Kai und Reita weiterhin zu necken. Doch während der Bassist den Spott gleichmütig über sich ergehen ließ, gingen Kai die ganzen Bemerkungen nach einer Weile auf die Nerven. So hatte er sich das eigentlich nicht vorgestellt... Als Ruki wiederholt einen äußerst zweideutigen Kommentar von sich gab, platzte Kai schließlich der Kragen. „Okay, Leute, es reicht!“, sagte er verärgert. „Könntet ihr das bitte bleiben lassen und einfach nur akzeptieren, dass die Dinge sind, wie sie sind?“ Die anderen gaben einen Moment lang Ruhe, dann sprach Ruki schließlich die Frage aus, die Kai am meisten befürchtet hatte: „Wie sind sie denn?“ In der darauf folgenden Stille war es so leise, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Alle sahen Kai gespannt an, und auch Reita schien auf eine Antwort zu warten, denn sein Blick ruhte auf ihm und er machte keine Anstalten, dem Drummer in dieser peinlichen Situation zu helfen. „Ich...“ Kais Stimme erstarb, denn seine Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet, und er schluckte nervös. Was zum Teufel sollte er tun? Was sollte er sagen? Und was erwarteten die anderen – und ganz besonders Reita – überhaupt von ihm? Sollte er offen sagte, dass er Reita... ja, was eigentlich. Dass er ihn liebte? Nun, es war eine Form von Zuneigung, die er für ihn empfand, aber war dieses Gefühl stark genug, dass man es Liebe nennen konnte? Kai wusste es doch selbst nicht genau, wie sollte er den anderen da erst eine Antwort geben können? Es war mittlerweile fast eine Minute verstrichen und Kai fühlte sich noch immer völlig hilflos. Aoi und Uruha sahen ihn erwartungsvoll an, während Ruki beinahe ein bisschen enttäuscht wirkte, weil sich nichts Weltbewegendes tat. Lediglich Reitas Gesichtsausdruck war unergründlich, und das verunsicherte Kai am meisten. Schließlich holte er tief Luft, um den anderen zu sagen, dass er keine Ahnung hatte und nicht weiter darüber reden wollte, als er auf einmal spürte, wie jemand sacht die Hand an seine Wange legte. Er sah verwundert zur Seite und in Reitas Gesicht. Der andere lächelte leicht. ‚Vertrau mir!’ schienen seine Augen zu sagen. ‚Vertrau mir und lass dich fallen...’ Kai zögerte einen Moment lang... und nickte dann. „Ja“, flüsterte er. Und Reita beugte sich vor und küsste ihn. Kai schloss die Augen und schlang einen Arm um den Nacken des Bassisten, während er den Kuss erwiderte. Die Tatsache, dass die anderen ihnen dabei zusahen, wurde ihm sehr schnell sehr egal, denn Reita schaffte es einmal mehr, ihn fast besinnungslos zu küssen. Dabei war der Kuss weder besonders wild noch besonders leidenschaftlich... doch es war die unendliche Sanftheit des anderen, die Kai den Verstand raubte. Nach dem ersten, langen Kuss zog Reita sich zurück, nur um ihm anschließend viele weitere, zärtliche Küsse auf die Lippen zu hauchen, die Kai allesamt zum Schmelzen brachten und ihn schwach machten. Als Reita sich schließlich endgültig von ihm löste, konnte der Drummer nur mit Mühe der Versuchung widerstehen, den anderen am Kragen zu packen und ihn zu einem weiteren, hungrigen Kuss zu sich zu ziehen. Nachdem Kai wieder halbwegs klar denken konnte, hörte er Ruki leise pfeifen. „Das sah so aus, als hättet ihr das schon oft gemacht“, sagte der Sänger fröhlich. „Das war in der Tat nicht schlecht für den Anfang“, meinte Aoi und nickte anerkennend. „Gibt es noch irgendwelche Unklarheiten?“, fragte Reita herausfordernd. Er hatte die Arme während des Kusses um Kai gelegt und hielt ihn auch jetzt noch fest, als würde er spüren, dass der andere noch nicht wieder Herr seiner Sinne war und jemanden brauchte, der ihn stützte. Aoi hob abwehrend die Hände. „Nicht bei mir. Ich fand das ziemlich eindeutig. – Uruha?“ Er stieß dem anderen Gitarristen sanft den Ellenbogen in die Seite. „Was meinst du?“ Uruha lächelte nur sein undurchschaubares, katzenhaftes Lächeln, doch auch er nickte. „Sehr schön“, meinte Reita zufrieden. „Dann wäre ich dafür, dass wir es von nun an alle mit ein bisschen mehr Ehrlichkeit versuchen.“ Kai dachte, die merkwürdige Art, wie Reita das „alle“ betonte, wäre an ihn gerichtet, doch der andere sah dabei die beiden Gitarristen an. „Selbstverständlich“, sagte Aoi grinsend und legte Uruha einen Arm um den Nacken, und bei dem, was er dann tat, wurden Kais Augen groß. „Oh“, sagte er. Und dann, als er seine Sprache wieder gefunden hatte: „Ich verstehe.“ *~* Kai hätte lügen müssen, hätte er gesagt, dass er nicht gewusst hatte, dass die beiden Gitarristen ein Paar waren. Im Nachhinein betrachtet war es eigentlich die ganze Zeit über sehr offensichtlich gewesen, doch etwas in Kai hatte sich dagegen gesträubt, es zu sehen. Ebenso wie er sich dagegen gesträubt hatte, in Reita mehr zu sehen, als nur einen Freund. Kai war in dieser Beziehung ein wenig eigen – es war kein Problem, gut mit ihm auszukommen und mit ihm befreundet zu sein, doch wenn jemand mehr als das von ihm wollte, wurde es kompliziert. Es war nicht so, dass Kai es nicht merkte, wenn ihn jemand anmachte, aber er ging normalerweise nicht darauf ein, weil er einfach nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Für gewöhnlich waren die betreffenden Personen nur flüchtige Bekannte, die den Gedanken sehr aufregend fanden, ein Verhältnis mit einem Rockstar zu haben. Diesen Leuten machte Kai meistens mit höflichen Worten klar, dass er kein Interesse an einer Beziehung hatte, sie aber weiterhin befreundet sein konnten... und das klappte normalerweise auch. Dass es dieses Mal aber ausgerechnet jemand aus seinem engeren Freundeskreis sein musste, verunsicherte Kai sehr. Nicht nur, weil er die Gefühle erwiderte, sondern weil die Art, wie er sich von nun an Reita gegenüber verhalten würde – und zwar nicht nur, wenn sie alleine waren, sondern auch vor ihren besten Freunden – eine völlig andere war, als all die Jahre zuvor. Oder kurz gesagt – Kai war momentan ein bisschen überfordert von der Entwicklung der Ereignisse. Seine Gedanken schienen sich auf seinem Gesicht widerzuspiegeln, denn nach dem Essen nahm Reita ihn für einen Moment beiseite. „Was ist los?“, fragte er und lächelte Kai aufmunternd an, doch der andere sah die Sorge in seinen Augen. „Was hast du?“ Kai lächelte schief. „Mir geht’s gut, keine Sorge... Ich fühle mich nur ein bisschen erschlagen von all den Dingen, die in den letzten vierundzwanzig Stunden passiert sind.“ Reita lachte. „Kann ich verstehen... irgendwie kommt plötzlich alles auf einmal, was?“ „Könnte man so sagen, ja“, nuschelte Kai und lehnte die Stirn an Reitas Schulter. „Die Jahre vorher mit euch vier Verrückten waren nichts dagegen.“ „Oh, ich verspreche dir, dass die Zukunft noch viel aufregender wird...“ „Was will mir dein dreckiges Grinsen jetzt sagen?“ Reitas Grinsen wurde breiter. „Was vermutest du denn?“ „Ich glaube, ich will die Details gar nicht so genau wissen...“ „Früher oder später werden wir sie auch von selbst herausfinden.“ Kai runzelte die Stirn. „Bevor ich dich freiwillig an mich heranlasse, werden noch Jahre vergehen, glaube mir...“ Reita schmollte. „Sei nicht so prüde.“ „Sei du nicht so schrecklich versaut!“, gab Kai schnippisch zurück und schlug Reita leicht gegen den Oberarm. In diesem Moment klingelte es an der Tür. Reita hob eine Augenbraue. „Wer ist das denn jetzt?“ Der Drummer zuckte mit den Schultern. „Wir erwarten keinen Besuch. Und Ito und seine Assistenten haben selbst einen Schlüssel.“ „Ich geh mal nachsehen“, meinte Reita und ging in den Flur hinaus. Kai, der plötzlich ein ungutes Gefühl bekam, folgte ihm einen Moment später. Als er in den Flur trat, öffnete der Bassist gerade die Tür. Allerdings konnte Kai nicht erkennen, wer dahinter stand, weil Reitas Rücken ihm die Sicht versperrte. Seine Schritte beschleunigten sich. „Reita, wer ist da?“, fragte er. In diesem Moment fing der Unbekannte vor der Tür an zu sprechen. „Sind Sie Suzuki Akira?“, fragte eine männliche Stimme. Reita nickte. „Ja, der bin ich.“ Endlich erreichte Kai die Tür und sah einen hochgewachsenen Mann mittleren Alters draußen im Gang stehen. Dieser holte gerade einen Ausweis aus der Brusttasche seiner Jacke und hielt ihn Reita hin. „Ich bin Kommissar Yamamoto Masao“, sagte er. „Und ich muss Sie bitten, mit mir zu kommen.“ *~* Fortsetzung folgt... Ich habe das Gefühl, ich hangel mich von Cliffhanger zu Cliffhanger... *ähem* Bis zum nächsten Teil könnte es möglicherweise noch eine Weile dauern, weil ich spätestens übermorgen zu meinen Eltern nach Hause fahre und ich weiß nicht, ob ich da die Zeit finden werde, weiterzuschreiben (wie ich meine Familie kenne eher nicht *hust*). Nun ja... Ich wünsche euch erst mal schön (Rest-) Ferien und freue mich wie immer über Kommentare. =) ♥ P.S.: Mit diesem Kapitel ist "Short Storys" mein zweitlängstes Projekt hier auf Animexx. Yay! *-* *Sektkorken knallen lässt* # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 7 ------------------------------------ Teil: 7/? Musik: Zi:Kill (♥♥♥) (Meine japanische Lieblingsband schlechthin. *__*) Kommentar: Äh... Das letzte Mal ist ein wenig länger her (und das ist wahrscheinlich noch untertrieben *hust*). Gründe dafür gibt es viele, der Hauptgrund ist allerdings, dass ich schlicht und einfach nicht da war. Ich hoffe jedoch, dass ich in der nächsten Zeit wieder öfter zum Schreiben kommen werde. ^_^ Das Kapitel sollte eigentlich länger werden, aber ich habe mich entschlossen, es nochmal zu teilen, weil es mittendrin einen Perspektiv-Wechsel gibt (Reita ist auch mal wieder an der Reihe, das Geschehen zu kommentieren :D). Dieser Teil ist auch ein bisschen ernster als der Rest, den Grund dafür werdet ihr schnell herausfinden. Ansonsten kann ich mich nur einmal mehr für eure Kommentare bedanken. Ihr seid toll! ♥ Und weiter geht es. ^^ *~* Kai traute seinen Ohren nicht. „Ihn... ihn mitnehmen?“, stammelte er. „Aber wieso? Was hat er getan?“ Reita drehte sich zu ihm um und nahm sanft sein Gesicht in die Hände. „Keine Angst, ich bin bald wieder da“, sagte er und küsste Kai auf die Stirn. „Dann erkläre ich dir alles.“ Er schlüpfte in seine Turnschuhe und griff nach seiner Jacke, die an einem der Haken am Eingang hing, um sie überzuziehen. „In Ordnung, ich bin bereit.“ Yamamoto nickte und wandte sich zum Gehen. „Reita!“, rief Kai und griff nach der Hand des Bassisten, bevor er die Wohnung verlassen konnte. Er sah den anderen verwirrt an. „Reita, was-“ „Vertrau mir, Kai“, unterbrach ihn Reita leise. „Bitte.“ Kai sah ihn lange an, doch schließlich nickte er und ließ seine Hand wieder los. Reita fuhr ihm noch einmal liebevoll durch die Haare, dann drehte er sich um und ging. Einfach so. *~* Kai starrte fassungslos die Tür an. Er konnte noch immer nicht glauben, was gerade eben passiert war. Noch vor wenigen Minuten hatte er gedacht, dass ihn an diesem Tag nichts mehr schocken konnte, und dann wurde Reita plötzlich von der Polizei abgeholt. Das Ganze war so völlig irrational, dass Kai nur mit Mühe ein hysterisches Lachen unterdrücken konnte. Dann zwang er sich zur Ruhe. ‚Okay, bleib ganz cool’, dachte er. ‚Einatmen... ausatmen... denken!’ Irgendwie funktionierte es. Kai drehte sich auf dem Absatz herum und ging schnurstracks zurück in die Küche, wo er Ruki antraf. Der Sänger runzelte besorgt die Stirn, als er Kais blasses Gesicht sah. „Was ist passiert?“, fragte er. „Und wo ist Reita?“ „Eben war ein Polizist an der Tür, der Reita mitgenommen hat“, erklärte Kai und lief ruhelos in der Küche auf und ab. „Ihn mitgenommen?“ Rukis Gesicht zeigte grenzenlose Verwirrung. „... Warum?“ „Das weiß ich auch nicht“, erwiderte Kai heftiger als beabsichtigt und ballte die Hände zu Fäusten. „Das hat er mir nicht gesagt!“ Ruki sah ihn stumm an. „Er ist einfach gegangen, Ruki, ohne jede Erklärung!“ Kais Stimme war voller Verzweiflung. „Wieso bist du ihm dann nicht gefolgt?“, fragte der Sänger schließlich. „Wieso hast du ihn einfach so gehen lassen?“ Genau dieselbe Frage stellte Kai sich schon seit dem Moment, in dem Reita verschwunden war. Doch jetzt war es zu spät, jetzt konnte er sein Zögern nicht mehr rückgängig machen. Anscheinend ahnte Ruki etwas ähnliches, denn er zuckte schließlich mit den Schultern. „Tja, dann müssen wir wohl warten, bis er wieder da ist...“, meinte er nur. Diese Bemerkung brachte das Fass zum Überlaufen. „VERDAMMT, RUKI!“, schrie Kai. „Ich habe fast das Gefühl, als würde dich das alles nicht wirklich interessieren! Machst du dir denn gar keine Sorgen um Reita?“ Der Gesichtsausdruck des anderen verfinsterte sich. „Hör auf mich anzuschreien, Kai! Ich kann doch auch nichts für das, was ihm zugestoßen ist!“ Doch dann wurde Rukis Miene weicher. „Natürlich mache ich mir Sorgen um Reita“, sagte er. „Und ich hasse es, nicht zu wissen, was passiert ist. Doch du bist der einzige von uns, der wirklich darunter leidet, oder?“ Kai blieb stehen und sah ihn betroffen an. „Manchmal ist es wirklich schwierig, etwas von Akira zu erfahren, weil er von allein ja nie den Mund aufmacht“, sagte Ruki und seufzte, während er in seiner Hosentasche herumwühlte. Dann hob er plötzlich die Hand und warf Kai einen Schlüsselbund zu. „Mein Auto steht in der Straße gleich hinter dem Studio“, sagte der Sänger. „Ich nehme an, du findest den Schlüssel dafür selbst. Aber wenn ich auch nur einen einzigen Kratzer im Lack entdecke, dann mache ich dich persönlich dafür verantwortlich!“ „Ruki, was...“ „Verdammt, jetzt sieh mich nicht so an! Du willst wissen, was los ist, also geh und finde es heraus!“, rief der Sänger aufgebracht. Kai starrte ihn einen Moment lang an, dann lächelte er. „Danke, Ruki“, sagte er. „Das ist wirklich lieb von-“ „Ja, ja, schon gut“, knurrte der Sänger. „Jetzt hau endlich ab!“ Als Kai verschwunden war, kam Aoi in die Küche und sah den Sänger verwirrt an. „Was ist los?“, fragte er. „Wieso hat Kai so rumgebrüllt?“ Ruki seufzte, doch anstatt zu antworten trat er nur auf den anderen zu und legte ihm die Arme um den Nacken. „Aoi, mein Freund...“, flüsterte er ihm ins Ohr und der Gitarrist bekam eine Gänsehaut. „J-ja...?“ „Es gibt da einen Gefallen, den du mir tun könntest“, schnurrte Ruki. „Äh...“ „Könntest du mir wohl eine Zigarette geben?“ „Ach so... einen Augenblick.“ Aoi kramte nervös in seiner Tasche herum und drückte Ruki schließlich eine Zigarettenschachtel in die Hand. „Besten Dank“, hauchte der Sänger, dann ließ er wieder von dem anderen ab und nahm eine Zigarette heraus, um sie sich zwischen die Lippen zu stecken. „Die beiden treiben mich noch in den Wahnsinn“, nuschelte er und suchte in seiner Hosentasche nach einem Feuerzeug. „Noch eher als sich selbst. Außerdem muss man ihnen ständig einen Schubs in die richtige Richtung geben, sonst packen sie es nicht...“ Er blickte auf und sah dem Gitarristen in die Augen. „Fast so schlimm wie bei euch damals...“ Aoi lächelte. „Wir haben uns auch nicht viel besser angestellt, das ist wahr“, entgegnete er. „Ohne dich wäre es wohl nie was geworden...“ „Vielleicht hätte ich damals doch meine Klappe halten sollen“, brummte Ruki. „Aber dann hätte ich zwei Gitarristen mit gebrochenem Herzen gehabt, und das hätte der Band sicherlich nicht gut getan.“ Er sah überrascht auf, als Aoi plötzlich auf ihn zutrat und ihn in die Arme nahm. „Du bist wirklich ein Engel, Ruki“, sagte der Gitarrist sanft und strich dem anderen über den Rücken. „Ehrlich, ich kann gar nicht mit Worten ausdrücken, wie dankbar ich dir für alles bin... Nicht nur wegen Uruha und mir, sondern auch was Reita und Kai betrifft. Manchmal habe ich das Gefühl, ohne dich wären wir alle hoffnungslos aufgeschmissen.“ Der Sänger schloss die Augen und lehnte sich an Aoi. „Tatsächlich...?“, flüsterte er. Doch obwohl Aois ehrliche Worte sein Herz wärmten, fühlte er sich auf einmal sehr einsam. *~* Kai versuchte derweil sich krampfhaft daran zu erinnern, wo die nächste Polizeistation war. Bevor sie in das Studio gezogen waren, hatte er sich eine Karte von der Umgebung angesehen – nur zur Sicherheit natürlich, schließlich konnte man nie wissen, was passieren würde. Dass er jetzt tatsächlich von diesem Wissen Gebrauch machen würde, hätte er allerdings nicht gedacht... In der Nähe hatte es auch eine Polizeiwache gegeben, wenn er sich nicht irrte, und er wusste, wenn er Reita wieder finden wollte, dann musste er dort mit seiner Suche beginnen. Als er Rukis Auto vorsichtig durch die belebten Straßen lenkte – er nahm die Drohung des Sängers durchaus ernst, was eventuelle Schäden an seinem geliebten Auto betraf – hielt er aufmerksam nach der Station Ausschau, aber die Anordnung der Straßen in diesem Teil der Stadt war dermaßen verwirrend, dass er bald das Gefühl hatte, sich völlig verirrt zu haben. Schließlich entdeckte er die Polizeistation eher zufällig. Hätten nicht zwei, drei Dienstwagen davor gestanden, wäre er vielleicht sogar an dem unauffälligen, zweistöckigen Gebäude vorbeigefahren. Er parkte das Auto gerade auf der anderen Straßenseite, als er sah, wie der Kommissar zusammen mit Reita aus einem der Wagen stieg und mit ihm in dem Gebäude verschwand. Kai rief Reitas Namen, aber er wurde vom Lärm des Straßenverkehrs übertönt. Fluchend rannte er über die Straße und sprintete das halbe Dutzend Stufen hinauf, das zum Haupteingang führte. Dort wurde er jedoch gleich von einem jungen Polizisten aufgehalten, der hinter einer Theke im Eingangsbereich saß. „Entschuldigung! Bitte warten Sie einen Moment!“, rief er Kai zu und erhob sich schnell von seinem Platz, um dem Drummer den Weg zu versperren. „Sie können hier nicht einfach so herumlaufen!“ Kai machte ein verärgertes Gesicht, aber er schluckte die wütende Antwort, die ihm auf der Zunge lag, schnell herunter. Der andere tat schließlich nur seinen Job und ihn zu beschimpfen würde Kai eher Probleme bereiten, als dass es ihn weiterbrachte. „Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?“, fragte der junge Mann und lächelte. Auf einem Schildchen an seinem Hemd stand, dass er Yamamoto hieß. Vielleicht ein Verwandter des Kommissars, überlegte Kai... andererseits war Yamamoto auch ein sehr weit verbreiteter japanischer Familienname. „Ein Freund von mir ist gerade hier hereingekommen, zusammen mit einem von Ihren Leuten“, antwortete Kai. „Bitte entschuldigen Sie, dass ich einfach so hier hereingeplatzt bin, aber ich weiß nicht, was mein Freund getan hat, dass er hierher gebracht wurde, und ich mache mir ehrlich gesagt große Sorgen um ihn.“ „Sie meinen den jungen Mann in Begleitung vom Kommissar?“, fragte der andere. Kai nickte. Yamamoto strich sich nachdenklich über das Kinn. „Soweit ich weiß, soll er lediglich befragt werden“, meinte er. „Sie werden ihn bald wieder sehen...“ „Das hat er mir auch gesagt“, sagte Kai ungeduldig. „Ich weiß nur nicht, wozu er befragt werden soll!“ Der andere sah ihn verwundert an. „Hat er es Ihnen etwa nicht erzählt?“ „Nein.“ Kai schüttelte den Kopf. „Er ist vor zwei Tagen für etwa sieben Stunden verschwunden und hat sich seitdem sehr seltsam benommen...“ „Ich verstehe.“ Yamamoto seufzte. „Nun, wenn Sie wollen, kann ich Ihnen erzählen, was geschehen ist. Es ist eine sehr unschöne Sache und ich bin ehrlich gesagt erstaunt, dass Ihr Freund das alles überhaupt so gut weggesteckt hat...“ Kai überlegte einen Moment lang, was er tun sollte. Einerseits hatte Reita ihm versprochen, dass er ihm alles erzählen würde, wenn er dazu bereit war, aber andererseits wollte Kai auch endlich erfahren, was zwei Tage zuvor passiert war. Schließlich siegte die Neugier und er nickte. „Es war ein furchtbarer Unfall“, begann Yamamoto und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Ich werde den Anblick wahrscheinlich nie wieder vergessen.“ Sie saßen hinter der Theke und der junge Polizist hatte Kai Kaffee angeboten, den der Drummer dankbar angenommen hatte. „Der Alptraum eines jeden Verkehrspolizisten...“ Der junge Polizist seufzte, dann fuhr er fort. „Der Fahrer eines Schwerlasters verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug, als er für wenige Sekunden einnickte. Er kam von der Fahrbahn ab und raste auf die Fußgängerampel zu. Ihr Freund, der dort gerade die Straße überquerte, befand sich dabei direkt vor ihm. Augenzeugen berichten, dass er beim Anblick des Lasters anfing zu rennen, aber es unmöglich hätte schaffen können, sich in Sicherheit zu bringen.“ Kai war bei den letzten Worten blass geworden und seine Finger hatten sich beinahe krampfartig um die Tasse in seinen Händen geschlossen. „Und dann?“, flüsterte er. „Was passierte dann?“ „Nun, das ist der tragischste Teil an der ganzen Sache“, meinte Yamamoto und machte ein betrübtes Gesicht. „Kurz bevor der Lastwagen ihn erreicht hatte, wurde er plötzlich von einem jungen Mann, der hinter ihm auf die Straße gerannt war, aus der Gefahrenzone gestoßen, so dass das Fahrzeug an ihm vorbeifuhr, ohne Schaden anzurichten. Sein Retter allerdings...“ Er verstummte. „Was ist mit ihm?“, fragte Kai, der plötzlich schreckliches ahnte. „Hat er überlebt?“ Yamamoto lachte humorlos. „Lassen Sie es mich so ausdrücken – als der Rettungsdienst eintraf, musste man ihn von der Straße kratzen... und das dürfen Sie wörtlich verstehen.“ „Oh mein Gott...“ Kai hielt sich entsetzt eine Hand vor den Mund. „Sie sagen es.“ Der andere nickte. „Ihr Freund hatte durch den Sturz für einen Moment das Bewusstsein verloren, aber als er kurz darauf wieder aufwachte, war das erste, was er sah... nun ja. Sie können sich vielleicht den Schock vorstellen.“ Kai nickte stumm. „Als die Polizei eintraf, war er nicht ansprechbar“, fuhr Yamamoto fort. „Er reagierte auf keines unserer Worte, doch nach einer Weile ließ der Schockzustand nach und er begann wieder zu sprechen. Er nannte uns seinen Namen und einer meiner Kollegen, der ein Fan Ihrer Band ist, erkannte ihn wieder. Wir brachten ihn auf das Revier und stellten ihm ein paar Fragen zu dem Vorfall, und nach einer Weile hatte er sich wieder beruhigt und machte einen dermaßen vernünftigen Eindruck, dass wir es für das Beste hielten, ihn vorerst wieder nach Hause zu schicken.“ Kai starrte an die gegenüberliegende Wand. Das war also Reitas Geheimnis... Der Bassist hatte jemanden sterben sehen und was noch viel schlimmer war – der andere war wegen ihm gestorben. Kein Wunder, dass er so fertig gewesen war. ‚Er hat gesagt, es wäre seine Schuld...’, dachte Kai. Jetzt verstand er den Sinn der Worte, die der Bassist in der Nacht vor zwei Tagen zu Ruki gesagt hatte – Reita machte sich Vorwürfe. Obwohl klar war, dass der Bassist selbst am wenigsten an dem Unfall Schuld hatte, konnte Kai seine Gefühle irgendwie nachvollziehen. Dann kam ihm plötzlich ein beängstigender Gedanke. Dass Fans manchmal zu sehr extremen Handlungen neigten war nicht ungewöhnlich, aber konnte es sein...? „Gibt es Hinweise darauf, dass er ein Fan von uns war?“, fragte Kai mit rauer Stimme. „Könnte das sein Handeln erklären?“ Yamamoto sah ihn mitfühlend an. „Es ist Ihre Band, nicht wahr?“, fragte er. Kai nickte. „Alles was Gazette betrifft unterliegt meiner Verantwortung.“ „Nun, ich kann Ihre Frage leider nicht beantworten, da ich es nicht weiß“, sagte Yamamoto. „Es tut mir Leid.“ Kai schloss die Augen und massierte seine Schläfen. Das alles war schlichtweg eine Katastrophe. Ein Alptraum. Sollte es sich tatsächlich herausstellen, dass Reitas Retter ein Fan von ihnen gewesen war... er wusste nicht, ob er weiter in dem Wissen Musik machen konnte, dass es Menschen gab, die bereit waren, für Gazette zu sterben. Und er war sich sicher, dass seine Bandkollegen ebenso darüber dachten. Doch wenn es kein Fan gewesen war – was brachte einen Menschen dazu, sein eigenes Leben zu opfern um das eines ihm völlig unbekannten Menschen zu retten? „Was ist mit der Familie des Verstorbenen?“, fragte Kai nach einer Weile. „Wie steht sie zu dem Vorfall?“ „Seine Eltern leben und arbeiten in den USA“, antwortete Yamamoto. „Wir haben ihnen eine Nachricht gesandt, doch bisher noch keine Antwort erhalten.“ Einen Moment lang schwiegen sie. „Falls es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Ihnen auch gerne eine Frage stellen“, sagte Yamamoto dann. Kai öffnete wieder die Augen und sah den jungen Polizisten ihm gegenüber an. „Natürlich, fragen Sie ruhig“, sagte er. „Sie erwähnten vorhin, er hätte sich seit seiner Rückkehr seltsam benommen – inwiefern seltsam?“ Kai spürte, wie sich seine Wangen röteten. „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch“, fuhr Yamamoto, der dies als Verärgerung interpretierte, schnell fort. „Aber vielleicht hat ihn der Unfall doch mehr mitgenommen, als es nach außen hin den Anschein hat, darum könnte ihm vielleicht ein Besuch bei einem Psychologen-“ „Nein, ich denke, das wird nicht nötig sein“, unterbrach ihn Kai sofort und lächelte entschuldigend. „Es ist nur... wissen Sie, er und ich haben uns nie besonders gut verstanden, aber seit dem Unfall benimmt er sich... anders mir gegenüber. Freundlicher.“ Kai hoffte, dass die Erklärung ausreichte – er konnte dem anderen ja schlecht die Wahrheit sagen. Sollte ihre Beziehung an die Öffentlichkeit gelangen... die Reaktionen darauf wollte er sich gar nicht erst vorstellen. „Ich verstehe“, sagte Yamamoto nachdenklich. „Vielleicht ist das eine Reaktion auf die schrecklichen Dinge, die er gesehen hat. Möglicherweise klammert er sich nun deshalb an Sie, weil Sie ihm Halt und Sicherheit geben, so dass er wieder zu sich selbst finden kann.“ „Heißt das...“ Kais Kehle fühlte sich plötzlich sehr trocken an. „Heißt das, dass dieses Verhalten nicht von Dauer ist sondern nur so lange anhält, bis er den Schock verarbeitet hat?“ „Das kann durchaus der Fall sein“, meinte Yamamoto. „Aber vielleicht hat dieses Erlebnis sein Wesen auch grundlegend verändert. Das ist schwer zu sagen und wird sich erst über einen längeren Zeitraum hinweg feststellen lassen.“ Plötzlich lächelte er. „Wenn Sie mit seiner neuen Art jedoch besser zurechtkommen, hoffe ich natürlich, dass letzteres der Fall ist.“ Kai sah Reitas grinsendes Gesicht deutlich vor sich. ... hätten atemberaubenden Sex... Er hatte keine Ahnung, wieso er ausgerechnet jetzt an diese Worte denken musste, aber sie sorgten dafür, dass sich seine Wangen noch dunkler färbten. Er nahm sich vor, noch einmal ausführlich mit Reita über ihre Beziehung zu sprechen. Aber wahrscheinlich würden sie das eh tun müssen, wenn das, was Yamamoto vermutete, wahr war. Denn wenn Kai eines nicht wollte, dann war es, dass sich an ihrem momentanen Verhältnis irgendetwas änderte... Es vergingen noch etwa zwanzig Minuten, bis Reita endlich von dem Gespräch mit dem Kommissar zurückkehrte. Als er Kai neben Yamamoto sitzen sah, blieb er überrascht stehen. „Kai?“, fragte er bestürzt. „Was zur Hölle tust du hier?“ „Nach Antworten suchen“, erwiderte der Drummer müde. Er hatte keine Lust, sich mit Reita zu streiten, darum stand er schnell auf und verabschiedete sich von dem jungen Polizisten. „Danke für den Kaffee. Und Ihre Hilfe.“ Yamamoto lächelte nur. „Keine Ursache. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ Kai erwiderte das Lächeln, dann verließ er zusammen mit Reita das Gebäude. *~* Im Auto herrschte Stille. Seitdem sie losgefahren waren, hatte Reita jeden Blickkontakt gemieden. Kai spürte, dass es in dem Bassisten brodelte, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die aufgestaute Spannung entlud. Schließlich beschloss Kai, von sich aus das Schweigen zu brechen. „Reita, was ist los?“ „Wieso bist du mir gefolgt?“, fragte Reita leise. „Wie ich bereits sagte – um Antworten zu suchen“, entgegnete der Drummer. „Und, hast du sie gefunden?“ „Ja.“ Für einen Moment war es erneut still. „Reita, ich weiß, dass du sauer auf mich bist, weil ich eigene Nachforschungen angestellt habe“, sagte Kai dann. „Aber ich habe mir wirklich große Sorgen um dich gemacht, und nicht zu wissen, was dir so viel Kummer bereitet, hat mich fast umgebracht. Ich hoffe, du verstehst das.“ Er warf Reita einen Blick zu, erwartete, dass er ihm nun Vorwürfe machte, ihn anbrüllte, irgendetwas tat... Doch Reita schwieg. *~* Wieder zurück im Studio begab sich der Bassist wortlos in sein Zimmer und überließ es damit Kai, den anderen zu erklären, was passiert war. Sie waren nicht weniger bestürzt als er es gewesen war, als sie erfuhren, was Reita zugestoßen war. Und wie Kai vermutet hatte teilten sie seine Meinung zu der Überlegung, dass es sich bei dem Toten um einen Fan gehandelt hatte. „Das klingt alles ziemlich übel“, fasste Ruki schließlich mit düsterem Gesichtsausdruck die Situation zusammen. „Hat die Klatschpresse schon Wind davon bekommen?“, fragte Uruha, der für gewöhnlich praktisch dachte. Kai schüttelte den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste. Laut Yamamoto haben sowohl der Rettungsdienst als auch die Polizei die Sache sehr diskret behandelt. Und unter den Augenzeugen gab es keinen, der Reita erkannt hat.“ „Zum Glück“, meinte jetzt Aoi, der lange Zeit nur schweigend zugehört hatte. „Ich hoffe, das wird auch so bleiben. Hat Yamamoto auch gesagt, wann der Tote beerdigt werden soll?“ Kai verneinte abermals. „Und was sagt Reita zu der ganzen Sache?“, fragte Ruki. Der Gesichtsausdruck des Drummers verfinsterte sich. „Ich habe keine Ahnung. Er hat seit unserer Rückkehr kein Wort mehr mit mir gesprochen.“ Bei dieser Bemerkung machte Ruki ein seltsames Gesicht, aber Kai war zu erschöpft, um weiter darüber nachzudenken. „Ich glaube, ich habe für diesen Tag genug erlebt“, sagte er und schlurfte in Richtung seines Zimmers davon. „Ich lege mich erst mal für eine Weile hin.“ „Kai...“, begann Aoi, aber der Drummer schenkte ihm nur ein beruhigendes Lächeln. „Keine Sorge, es geht mir gut“, sagte er. „Ich brauch nur eine kurze Pause. Außerdem haben wir heute noch viel zu tun.“ Er kehrte ihnen den Rücken zu. „Weckt mich in einer Stunde.“ Und damit war er verschwunden. *~* Die drei Übriggebliebenen sahen sich an. Genauer gesagt – Uruha und Aoi sahen Ruki an. Eine stumme Frage hing im Raum, die jedoch keiner der beiden Gitarristen auszusprechen wagte. Schließlich warf der Sänger entnervt die Arme in die Luft. „Schon gut, schon gut, jetzt starrt mich nicht so an, verdammt!“, rief er. „Ich wollte sowieso mit ihm reden!“ Uruha lächelte und lehnte sich an Aoi, der sogleich einen Arm um seine Hüfte schlang. Gemeinsam sahen sie zu, wie Ruki die Küche verließ und an Reitas Zimmertür klopfte. *~* Fortsetzung folgt... Ich hoffe, die Erklärung war nicht allzu unglaubwürdig. *hust* Manchmal gehen Fans für ihre Stars tatsächlich so weit, dass sie ihr eigenes Leben aufgeben oder es sogar für sie geben würden, auch wenn es sicher längst nicht so krass ist, wie hier beschrieben. Wie das dann für die Band sein muss, will ich mir nicht vorstellen... =/ # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 8 ------------------------------------ Teil: 8/? Musik: ends (Ryoichi Endo, du bist so eine geile Sau...! *-*), kyo (♥♥♥) (Nein, nicht der von Dir en grey... XD) Kommentar: Langsam aber sicher neigt sich die Geschichte dem Ende zu... Der Beginn dieses Kapitels war eine echte Herausforderung - nachdem ich Kai für so lange Zeit geschrieben habe, hatte ich Angst, ich würde mich nicht mehr in Reita reinfinden... aber zum Glück hat das dann doch halbwegs geklappt. =) Einmal mehr ein großes Dankeschön an alle Kommischreiber - ihr seid toll! ;___; Nein, ehrlich, es bedeutet mir sehr viel, dass ihr euch so viele Gedanken über die FF macht und sie mir mitteilt. :D Denn das führt dazu, dass ich auch selbst über das ein oder andere Detail intensiver nachdenke und versuche, die Dinge besser darzustellen. =) (Und natürlich motiviert es unheimlich zum Weiterschreiben. ^_~) Ein paar Leute haben auch gefragt, ob ich Ruki nicht auch jemanden geben kann, damit der arme Kerl nicht mehr so allein ist. ;) Nun, ich habe meine Pläne mit Ruki, aber ich werde sie nicht mehr in dieser FF umsetzen, zumal ich auch noch nicht genau weiß, wie ich es anstellen soll... Aber wie gesagt, ich habe nicht vor, ihn allein zu lassen. ^^ So, und jetzt geht's weiter. :D *~* Reita lag auf seinem Bett und starrte an die Decke. Er fühlte sich müde und ausgelaugt... obwohl, nein, das war vielleicht nicht ganz die richtige Bezeichnung dafür. „Leer“ traf es eher. Er wusste nicht mehr, was er denken sollte oder gar fühlen. In den letzten Tagen war so viel passiert; sein ganzes Leben war förmlich umgekrempelt worden... Obwohl ihn der Unfall nach wie vor beschäftigte, hatte auch Kai mittlerweile einen wichtigen Platz in seinem Denken und Handeln eingenommen. Hätte man ihm noch vor einer Woche gesagt, wie ihre Beziehung nur wenige Tage später aussehen würde – Reita hätte es wahrscheinlich nicht geglaubt. Allein bei dem Gedanken an den Drummer musste er plötzlich lächeln. Kai, der sich in der Nacht schutzsuchend an ihn gekuschelt hatte, dessen Schmollmund stets in ihm den Drang erweckte, den anderen am Kragen zu packen und zu küssen; Kai, dessen Lächeln ihn jedes Mal beinahe vergessen ließ, was er gerade sagen wollte... Kai, ohne den er die letzten Tage nicht überlebt hätte. Hatte Reita ihn ausgenutzt? Hatte er instinktiv seine Nähe gesucht, um nicht den Verstand zu verlieren? Wahrscheinlich... Und doch hatte er den innigen Wunsch gehabt, seine früheren Fehler wieder gutzumachen und sich bei Kai für alles zu entschuldigen... einen Neuanfang in ihrer Beziehung zu wagen. Vor zwei Tagen hatte ihm das Schicksal eine zweite Chance gegeben, und die wollte er nicht vergeuden. Dieses Mal nicht. Doch er hatte Kai erneut verletzt. Er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass der andere sich ebenso an Reita klammern würde, wie er sich an Kai. Dass er Reita folgen würde, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen... Reitas Enttäuschung hatte zwar nicht lange angehalten, doch lange genug, um Kai das Gefühl zu geben, einen Fehler gemacht zu haben. Dabei hatte der andere sich doch nur Sorgen um ihn gemacht... Reita seufzte. Wann würde er jemals lernen, mit anderen Menschen umzugehen, ohne sie ständig zu verletzen? Es klopfte an der Tür, die sich gleich darauf öffnete, und Reita wusste ohne hinzusehen, wer es war. „Was willst du, Ruki?“, fragte er leise. „Wissen, wie es dir geht“, entgegnete der Sänger mit ebenso leiser Stimme und setzte sich auf die Bettkante. „Momentan? – Beschissen...“, murmelte Reita. „Das glaube ich dir“, meinte Ruki mit schiefem Lächeln, dann wurde sein Gesichtsausdruck ernst. „Was dir zugestoßen ist, ist schrecklich und es tut mir Leid, dass du so etwas erleben musstest“, fuhr er fort. „Doch dich in deinem Zimmer einzusperren bringt nichts. Damit verwehrst du uns die Möglichkeit, dir zu helfen. Und wir wollen dir wirklich helfen, Akira.“ „Ich weiß“, sagte Reita. „Glaubst du, das weiß ich nicht?“ Er hob die rechte Hand und betrachtete sie einen Moment lang, bevor er sie wieder auf die Matratze fallen ließ. „Ich bin dankbar, noch am Leben zu sein. Wahrscheinlich war ich nie dankbarer. Und selbst für den Unfall bin ich auf seltsame Art und Weise dankbar, denn er hat mir gezeigt, was ich noch alles mit meinem Leben anfangen kann.“ Reita hielt inne. „Trotzdem habe ich das Gefühl, dass das alles nicht richtig ist“, fuhr er nach einer Weile fort. „Eigentlich dürfte ich nicht mehr am Leben sein...“ Ruki schüttelte den Kopf. „Hör auf, weiter in dieser Richtung zu denken“, sagte er. „Dass du noch lebst war nicht deine Entscheidung, also hat es keinen Sinn, dir selbst Vorwürfe deswegen zu machen. – Und was ist mit Kai? Glaubst du etwa, er würde sich freuen wenn er hört, dass du lieber vor zwei Tagen gestorben wärst?“ „Erzähl keinen Unsinn!“ Reita warf ihm einen finsteren Blick zu, von dem sich Ruki allerdings nicht einschüchtern ließ. „Ich wollte dich eh fragen, was du seitdem mit Kai hast...“, sagte der Sänger. „Kai hat mit der ganzen Sache nichts zu tun“, erwiderte Reita kühl. „Tatsächlich?“ Rukis sah ihn scharf an. „Wenn er nichts damit zu tun hat, wieso schmeißt du dich dann plötzlich an ihn ran? Wieso verdrehst du ihm den Kopf und bringst ihn völlig durcheinander? Hast du eigentlich überhaupt eine Ahnung, was Kai in den letzten Tagen wegen dir durchgemacht hat?!“ Reita schwieg. Er war noch nie besonders gut darin gewesen, Ruki zu belügen, dazu durchschaute ihn der andere immer zu schnell. „In dem Moment, in dem das Auto auf mich zuraste“, gestand er schließlich, „war er das einzige, woran ich denken konnte, Ruki. Der Gedanke, ihn nie wieder zu sehen, war einfach unerträglich... Ich wollte einfach alles wieder gut machen.“ Ruki nickte verstehend. „Aber das allein ist nicht alles, oder?“, fragte er. „Es steckt mehr dahinter...“ „Möglicherweise“, entgegnete Reita knapp. Der Sänger dachte kurz nach und entschied sich dann für den direkten Weg. „Wieso sagst du ihm dann nicht einfach von Angesicht zu Angesicht, dass du ihn liebst? Das wird die Dinge anfangs wahrscheinlich nicht einfacher machen, aber dann wüsste Kai wenigstens, woran er ist...“ „Liebe!“ Reita schnaubte. „Wie kommst du darauf, dass es gleich Liebe ist?“ „Wenn es nicht das ist, was ist es sonst?“, entgegnete Ruki leise. „Sag es mir.“ Reita antwortete nicht. Seufzend stand der Sänger auf und dehnte kurz die Arme über dem Kopf, dann ließ er sie wieder sinken. „Und genau das ist euer größtes Problem, Akira – du sprichst einfach nicht mit ihm. Wie soll er wissen, was in dir vorgeht, wenn du nie den Mund aufmachst...?“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer wieder und ließ Reita allein zurück, der gründlich über das Besprochene nachdachte. *~* Zwei Stunden später trommelte Kai sie alle wieder zusammen und scheuchte sie ins Studio. Ein Lied musste noch einmal neu aufgenommen werden, da die Band beim erneuten Durchhören der Album-Rohfassung nicht gänzlich zufrieden damit war. Doch danach ging es an den Teil, an dem Reita immer sehr viel Spaß hatte – das Abmischen. Sie verbrachten etwa drei Stunden damit, alle möglichen Soundeffekte auszuprobieren, und dann weitere vier Stunden, um ein paar der Lieder soweit zu bearbeiten, dass alle mit dem Resultat zufrieden waren. Kai und Ruki waren dabei besonders perfektionistisch, und als die anderen kurz nach Mitternacht die Nase voll hatten und in die Wohnung zurückkehrten, blieben die beiden noch im Studio. Reita aß noch eine Kleinigkeit, dann beschloss er, in Kais Zimmer auf ihn zu warten. Es war fast zwei Uhr, als der Drummer endlich mit erschöpfter, aber zufriedener Miene hereinkam. Bei Reitas Anblick stockte er kurz, doch dann ging er an ihm vorbei zum Schrank und zog sich für die Nacht um. Ohne jegliches Schamgefühl zog er sich nackt aus und schlüpfte anschließend in die Shorts, die er nachts immer trug. Reita wandte der Höflichkeit halber das Gesicht ab, obwohl ihn der Anblick von Kais schlankem Körper mit den sanften Rundungen der Muskeln unter der blassen Haut durchaus ansprach... von anderen Teilen seiner Anatomie ganz zu schweigen. Als Kai fertig war, setzte er sich neben dem Bassisten auf die Kante vom Bett. „Und?“, fragte er. Sein Tonfall war zwar nicht abweisend, aber auch nicht besonders herzlich. „Worauf genau wartest du jetzt?“ Reita räusperte sich. „Eigentlich wollte ich auch gleich ins Bett gehen“, sagte er heiser, „aber vorher wollte ich mich noch mal bei dir entschuldigen.“ „Entschuldigen? Wofür?“ Reita starrte an die Decke. Kai wusste ganz genau, was er sagen wollte, doch wie es schien, wollte er es noch einmal von dem Bassisten selbst hören. Reita knirschte frustriert mit den Zähnen. Wenn er bei Kai eines lernte, dann war es Demut. „Dafür, dass ich dir Vorwürfe gemacht habe“, sagte er schließlich und senkte den Kopf. „Das war nicht fair von mir. Du hast dir Sorgen um mich gemacht und wirklich ein paar Antworten verdient, die ich dir schon früher hätte geben sollen. Bitte verzeih mir.“ Kai sah ihn einen Moment lang schweigend an, dann wurde seine Miene weicher und er legte eine Hand an Reitas Wange und drehte sein Gesicht zu sich herum, so dass er ihm in die Augen sehen konnte. „Ich müsste ein sehr ignoranter Mensch sein um nicht mittlerweile halbwegs begriffen zu haben, wie du tickst“, sagte er schmunzelnd und gab Reita einen Kuss auf die Wange. „Das bedeutet allerdings nicht, dass ich dir jede verletzende Bemerkung sofort verzeihe“, fuhr er fort. „Allein das Wissen, dass du es nicht so meinst, macht es nämlich nicht automatisch weniger schmerzhaft.“ „Ich versuche in Zukunft netter zu sein, versprochen“, sagte Reita diplomatisch. „Versprich nichts, was du nicht halten kannst“, entgegnete Kai nur und gab ihm einen Kuss auf die andere Wange. Dann stand er auf und warf dem Bassisten einen auffordernden Blick zu. „Was ist? Wollen wir nicht schlafen gehen?“ Und bevor Reita auch nur den Mund aufmachen konnte, hatte der andere den Saum seines T-Shirts ergriffen und es ihm über den Kopf gezogen. „Kai, was... was soll das?“, fragte Reita irritiert (aber zugleich auch ein wenig erfreut darüber, dass der Drummer zur Abwechslung mal die Initiative übernahm). „Glaubst du vielleicht, ich kann dich nach diesem Tag einfach so allein lassen?“, fragte Kai und seufzte. „Bleib die Nacht über einfach hier, ja? Ich will mich nur davon überzeugen, dass du okay bist...“ Reita nickte; die Fürsorglichkeit des anderen rührte ihn. „Danke, Kai.“ Der Drummer schenkte ihm ein so strahlendes Lächeln, dass selbst die Sonne dagegen blass ausgesehen hätte. „Mit durchgeschwitzten Klamotten lasse ich dich allerdings nicht in mein Bett!“, sagte er dann. Reita begann zu grinsen. „Ach deshalb machst du dich an meinen Sachen zu schaffen... Und ich dachte schon, du willst mir an die Wäsche.“ „Träum weiter.“ Kai war bereits auf das Bett gekrochen und kuschelte sich gerade in die Decke. „Hey, du hast meine Hose vergessen!“, sagte der Bassist, der damit gerechnet hatte, dass der andere sich auch diesem Kleidungsstück widmen würde. „Die wirst du dir ja wohl noch selbst ausziehen können, oder?“, gab Kai zurück und streckte ihm die Zunge raus. „Frecher Bengel...“, brummte Reita, zog sich dann aber Hose und Strümpfe aus, bis er nur noch seine Shorts anhatte. Anschließend machte er das Licht aus und kroch zu Kai unter die Bettdecke. „Irks! Reita, nimm deine Hände da weg! Sie sind eiskalt!“ „Nur wenn du deine Füße woandershin packst! Ich bin doch keine Heizung!“ „Aber ich friere!“ „Glaubst du vielleicht, ich nicht?!“ Für eine Sekunde war es vollkommen still, dann mussten sie beide lachen. „Also wenn das hier was Dauerhaftes mit uns werden soll, dann müssen wir noch einiges lernen“, meinte Kai kichernd. „Das glaube ich auch“, stimmte Reita ihm zu, dann legte er dem anderen vorsichtig den Arm um die Hüfte und zog ihn an sich. Er konnte Kais Gesicht in der Dunkelheit nicht erkennen, aber er spürte seinen Atem auf der Wange. Langsam beugte er sich nach vorn; seine Lippen suchten die des anderen. Als sie sich schließlich fanden, schoss Reita der Gedanke durch den Kopf, dass es wahrscheinlich wirklich noch eine Weile dauern würde, bis sie sich aneinander gewöhnt hatten. Aber Kais Küsse würden ihm bis dahin eine Entschädigung sein. *~* „Ich verstehe“, sagte Kai, den Telefonhörer am Ohr. Einen Moment lang war es still, während der Drummer dem Sprecher am anderen Ende der Leitung lauschte. Reita, der ihn beobachtete, kaute nervös auf der Unterlippe. Die Warterei war kaum noch auszuhalten. „In Ordnung“, sagte Kai schließlich. „Vielen Dank für ihren Anruf. Auf Wiederhören!“ Er legte auf und sah dann die anderen an, die ihn schon seit gut zehn Minuten mit fragenden Blicken durchlöcherten. „Die Polizei hat Yoshidas Freundeskreis befragt“, erzählte er, „und es hat sich herausgestellt, dass er ausschließlich westliche Musik gehört hat, weshalb also die Vermutung, er könnte ein Fan von uns gewesen sein, nicht zutrifft.“ „Ob Fan oder nicht – er war lediglich zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ist letztendlich seinem Helferdrang zum Opfer gefallen“, stellte Aoi fest, der am Küchentisch lehnte. „So traurig es ist, aber so könnte man es wohl ausdrücken, ja“, seufzte Kai. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Aoi. Der Drummer zuckte mit den Schultern und sein Blick traf den von Reita. Sie hatten sich am Morgen schon über dieses Thema unterhalten, waren aber zu keinem Ergebnis gekommen. Kai, der sonst immer alle Entscheidungen traf, wusste zum ersten Mal nicht weiter, und Reita, den die ganze Situation schon seit Tagen überforderte, war ebenfalls ratlos. Aber egal, wie er sich angesichts der Ereignisse fühlte – völlig tatenlos wollte der Bassist auch nicht bleiben. Schließlich räusperte er sich. „Ich halte es immer noch für keine gute Idee, den ganzen Vorfall öffentlich zu machen“, sagte er. „Aber ihn völlig zu verschweigen kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.“ Reita starrte auf seine Schuhspitzen. „Ein Mensch ist wegen mir gestorben“, fuhr er leise fort. „Ich kann nicht einfach so tun, als wäre nichts geschehen.“ Er sah überrascht auf, als er plötzlich eine Hand auf seinem Arm spürte, und begegnete Kais Blick. Der Drummer schenkte ihm ein warmes Lächeln, das Reita nach kurzem Zögern erwiderte. „Wie ich eben außerdem noch erfahren habe“, sagte Kai, „konnte die Polizei mittlerweile Yoshidas Familie erreichen. Seine Eltern waren tief betroffen und haben sich umgehend auf den Weg nach Japan gemacht. Yamamoto erzählte, sie hätten die Beerdigung für nächsten Dienstag angesetzt...“ „Dann sollte ich dabei sein“, meinte Reita. Kai drückte leicht seinen Arm und erneut trafen sich ihre Blicke. „Seine ganze Familie wird anwesend sein, Reita...“ „Ein Grund mehr hinzugehen“, erwiderte der Bassist mit fester Stimme. Der Drummer sah ihn einen Moment lang nachdenklich an, dann nickte er. „In Ordnung. Dann werde ich dich begleiten.“ Reita sah ihn überrascht an. „Kai, du-“ „Ich werde mich nicht von meinem Entschluss abbringen lassen“, sagte der andere sanft. „Ich komme mit dir, Reita.“ Der Bassist spürte, dass es Kai ernst war, also nickte er nur. „Danke.“ „Was ist mit euch?“, wandte er sich dann an die anderen. „Ich denke, wir sollten ihnen zeigen, dass der Vorfall uns ebenso erschüttert hat, wie sie“, meinte Ruki. „Ich für meinen Teil werde jedenfalls mitkommen.“ „Ich auch“, stimmte Aoi ihm zu und Uruha nickte ebenfalls. Reita sah sie der Reihe nach an und verspürte plötzlich den Wunsch, sie alle auf einmal zu umarmen. „Ich danke euch“, sagte er heiser. Als wäre damit das Schlusswort gefallen, stand Kai, der die ganze Zeit über neben ihm gesessen hatte, plötzlich auf. „Okay, dann schlage ich vor, dass wir für heute Schluss machen“, verkündete er. „Aber es ist erst halb fünf, Kai“, sagte Uruha verwirrt. „Wir liegen gut im Plan“, erwiderte der Drummer. „Ich finde, wir können uns auch mal eine Auszeit gönnen. Ihr habt den Rest des Abends frei.“ Die beiden Gitarristen wechselten einen Blick und verließen dann ohne ein weiteres Wort den Raum. Irgendwie hatte Reita so eine Vermutung, wie sie den Abend verbringen würden... „Ich befürworte diese Entscheidung“, meinte Ruki gähnend, „denn ich werde jetzt schlafen gehen. Bis morgen.“ Und damit verschwand er ebenfalls. Kai und Reita sahen ihm verwundert nach. „Hat er gerade tatsächlich etwas gesagt, das wie ‚ich werde jetzt schlafen gehen’ klang?“, fragte der Bassist schließlich. „Ich glaube schon.“ „Ruki hat nicht zufällig wieder irgendwas geraucht, was er nicht rauchen sollte, oder? Anders kann ich mir sein Verhalten nämlich nicht erklären...“ Kai lachte leise. „Ach, lass ihn doch machen“, sagte er und lächelte. Dann schlang er die Arme um Reitas Nacken und kuschelte das Gesicht in seine Halsbeuge. „Mich interessiert viel mehr, was wir jetzt machen“, flüsterte er. Reita schmunzelte. „Ich hätte da eine Idee...“ *~* „Reita, das ist nicht dein Ernst!“, rief Kai, als sie vier Stunden später zwei Stadtteile entfernt vor der Tür eines Gebäudes standen. „Da gehe ich nicht rein!“ „Ach komm, jetzt hab dich nicht so“, erwiderte Reita und lachte. „Es wird dir sicher gefallen...“ Kai schüttelte heftig den Kopf. „Nein!“ „Wieso denn nicht?“, fragte Reita. „Meine Güte, es ist doch nur eine Disco! – Die beste übrigens, die ich kenne“, fügte er hinzu. Nachdem sie zuvor schon Essen gegangen und anschließend eine Weile in einer Bar gewesen waren, hatte Reita beschlossen, dass es nun an der Zeit für ein bisschen Bewegung war und sie hierher geführt. „Weil...“ Kai biss sich auf die Unterlippe. „Weil?“, hakte der Bassist nach. Der andere wand sich förmlich unter seinem Blick, es war ihm sichtlich unangenehm, Reita seine Abneigung zu erklären. „Weil ich nicht tanzen kann“, sagte Kai schließlich kleinlaut. Reita lachte erneut. „Wenn das dein einziges Problem ist... – Ich kann es auch nicht!“ Der Drummer sah ihn verwirrt an. „Und warum sind wir dann hier?“ Reita griff nach seiner Hand und zog ihn mit sich. „Das erkläre ich dir später. Los, komm!“ Obwohl sein Gesicht immer noch einen unbehaglichen Ausdruck trug, ließ Kai sich widerstandslos von Reita durch die Menschenmenge zum Eingang bugsieren. „Es ist so voll hier“, sagte er schließlich, nachdem sie die Disco betreten hatten. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee-“ „Ist es“, unterbrach ihn Reita und führte ihn in einen Teil des mehrstöckigen Gebäudes, wo es ein wenig ruhiger war und sie nicht ständig angerempelt wurden. „Also“, begann er und stützte die Hände in die Hüften, „eigentlich ist das hier genauso, wie bei unseren Konzerten.“ Kai hob zweifelnd eine Augenbraue. „Ich kann dir nicht ganz folgen...“ Reita seufzte. „Okay, dann eben ganz von vorn... – Wer gibt in einer Band den Rhythmus vor?“ „Ich“, erwiderte Kai prompt. Dann wurde er rot. „Das Schlagzeug, meine ich.“ „Und wer noch?“ „Ähm... der Bass.“ „Genau“, sagte Reita zufrieden. „Schlagzeug und Bass. Gemeinsam geben sie den Takt an.“ „Ja, das ist mir klar... Aber worauf willst du hinaus?“ „Wenn also zwei Instrumente aufeinander angewiesen sind, dann sind es diese beiden“, erklärte Reita. „Sie bilden das Grundgerüst. Wenn sie nicht harmonieren, dann tut es der Rest auch nicht.“ „Ja, und weiter?“ Aus Kais Stimme sprach grenzenlose Verwirrung. „Ich will sagen... wenn es jemanden gibt, von dem ich mir sicher bin, dass er mit mir tanzen kann, dann bist du das“, sagte Reita und lächelte. Ihm war bewusst, dass das, was er gerade sagte, hoffnungslos kitschig klang, aber das war ihm in diesem Moment scheißegal. „Du kennst meinen Rhythmus und meine Art zu spielen ebenso gut, wie ich die deine kenne. Darum dachte ich, wir übertragen das Ganze einfach mal aufs Tanzen, vielleicht klappt es ja...“ Kai musste lachen. „Also das ist die dämlichste Erklärung, die ich je gehört habe“, kicherte er. „Und das alles nur, um meine Neugier zu wecken und mich auf die Tanzfläche zu bekommen...?“ Reita schmollte. „Es war einen Versuch wert, oder nicht?“ Kai grinste. „In der Tat.“ Doch dann trat er einen Schritt näher an Reita heran, so dass sie nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren. „Aber vielleicht ist deine Theorie doch nicht so dumm...“, sagte er leise. „Manchmal, wenn ich Schlagzeug spiele und euch dabei auf der Bühne mit euren Instrumenten herumtanzen sehe, wünsche ich mir, ich könnte von meinem Hocker runterspringen und mitmachen.“ Er lächelte. „Dann wünsche ich mir, ich könnte mit euch tanzen...“ Reita griff nach Kais Hand und drückte sie sanft. „Dann lass uns das jetzt nachholen, okay?“ Kai strahlte ihn an. „Gerne!“ *~* Reita stellte im Laufe des Abends fest, dass Kai mit seiner Selbsteinschätzung nicht übertrieben hatte – er konnte tatsächlich nicht besonders gut tanzen. Aber das änderte nichts daran, dass sie sehr viel Spaß hatten. Gemeinsam zu tanzen ging meistens für eine Weile gut, aber früher oder später lagen sie sich lachend in den Armen. Was die anderen Discobesucher von ihnen hielten, konnte Reita nur erahnen, jedenfalls bekamen sie ständig seltsame Blicke zugeworfen. Nicht, dass es ihn kümmerte... Kai lachen zu sehen machte ihn froh, weil es bedeutete, dass der andere ihre Sorgen für einen Moment verdrängt hatte. Denn genau das war Reitas Absicht gewesen – Kai auf andere Gedanken zu bringen. Und wie es aussah, war es ihm wenigstens für ein paar Stunden gelungen. Als sie die Disco spät in der Nacht wieder verließen, ließ Kai seine Hand den ganzen Heimweg über nicht mehr los. „Danke für diesen Ausflug, Reita“, sagte er, als sie einige Zeit später in der Küche saßen, um noch etwas zu essen. „Die Idee war wirklich gut. Ich hätte nicht gedacht, dass Tanzen soviel Spaß machen kann.“ „Ich bin halt immer wieder für Überraschungen gut“, erwiderte Reita und grinste. „Das ist wohl wahr“, stimmte Kai ihm lächelnd zu. „Ich hatte dich immer für einen Langweiler gehalten und dann das...“ „Was heißt hier Langweiler?“, entgegnete Reita gekränkt. Kai lachte, als er den Gesichtsausdruck des Bassisten sah. „Ich dachte immer, du würdest am liebsten in der Bude hocken und Filme gucken... wie es aussieht, habe ich mich geirrt.“ Reita zog eine Schnute und der andere musste erneut lachen. Doch dann beugte Kai sich plötzlich vor und küsste den Bassisten ungewöhnlich sanft auf den Mund. „Ich bin froh, diese Seite von dir kennen lernen zu dürfen, Reita“, sagte er leise. „Wirklich. Du bist ein wunderbarer Mensch... auch wenn du es nicht gerne zeigst. Aber du bist es.“ Reita starrte ihn sprachlos an. Er wusste für einen Moment nicht, was er sagen sollte, so sehr bewegte ihn das, was Kai gesagt hatte. Schließlich brachte er ein geflüstertes „Danke“ heraus. Kai lächelte ihn an, dann erhob er sich. „Komm, lass uns schlafen gehen.“ Beide waren zu Tode erschöpft, dennoch war die Atmosphäre der letzten Stunden noch nicht ganz verflogen und das Bedürfnis, dem anderen nahe zu sein, so groß, dass sie beschlossen, erneut zusammen zu schlafen. Als Kai wenig später schlummernd in seinen Armen lag wünschte Reita sich aus tiefstem Herzen, dass das, was sie im Moment hatten, funktionieren würde. Sicher gab es noch vieles, was sie nicht voneinander wussten, aber diese Tatsache erweckte nur den Drang in ihm, all die verschiedenen Seiten von Kais Persönlichkeit zu entdecken und zu erforschen. Und dabei vielleicht auch festzustellen, dass Ruki Recht hatte... Nein, eigentlich musste Reita es nicht erst feststellen... er wusste, dass Ruki Recht gehabt hatte, als er vermutete, dass mehr hinter all dem steckte. Die Frage war nur, ob Reita auch den Mut aufbrachte, es Kai zu sagen. Unwillkürlich drückte er den anderen noch ein wenig fester an sich und vergrub das Gesicht in seinen Haaren. Dann schlief auch er ein. *~* Fortsetzung folgt... Ich bin BTW wieder dazu übergegangen, ohne Betaleser zu schreiben (meine Schwester hat wegen ihrem Schatz eh keine Zeit mehr X'D). Das hat den Vorteil, dass ich schneller posten kann, aber den Nachteil, dass ich nicht weiß, ob das, was ich hier fabriziere, auch wirklich Sinn macht... 8D Also falls euch irgendwas seltsam erscheint, lasst es mich wissen. ^^ # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 9 ------------------------------------ Teil: 9/10 Musik: PURAAAA! *__* Plastic Tree sind meine neuen Helden, ehrlich. ♥ Ryutaro ist ja so ein Puschel... =3 Kommentar: Verdammt, ich bin schon wieder so spät... >__<" Es tut mir Leid. ;__; Es liegen ein paar sehr lange Wochen hinter mir und es ist mal wieder so viel passiert, dass ich mich kaum aufs Schreiben konzentrieren konnte. - Woran Gazette unter anderem mit Schuld haben... verdammte Europatour. x'D (Berlin war ja so toll...! Wer war noch alles da? *-*) Ab nächster Woche fange ich dann ein Praktikum an und dann wird alles noch viel stressiger... X__x Wie auch immer... dies ist das vorletzte Kapitel. =) Und es ist ein wenig... strange. O__o Es bestand anfangs nur aus einzelnen Abschnitten, die ich dann alle in eine zeitliche Reihenfolge gebracht und aneinandergepappt habe, und ich glaube, das merkt man auch beim Lesen. Eigentlich wollte ich damit nur mal was Neues ausprobieren, bin mir aber nicht sicher, ob es auch gelungen ist... ich hoffe, das Resultat lässt sich halbwegs flüssig lesen. Und ich hoffe auch, es ist nicht zu emo... die beiden zusammen zu schreiben fällt mir echt nicht immer leicht und vor allem Reita macht ständig, was er will. x'D Aber wie auch immer... auf in die vorletzte Runde & viel Spaß beim Lesen. ^^ *~* Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Reita stürzte sich mit ungewöhnlichem Eifer in die Arbeit, was die anderen einigermaßen überraschte, auch wenn sie auf spitze Kommentare verzichteten. Kai hingegen begrüßte seine Arbeitswut, denn sie verbrachten noch mehr Zeit im Studio, als in den Tagen zuvor, so dass sie bereits Ende der Woche dem Album den letzten Schliff verpassen konnten. An dem Tag, an dem sie aus dem Studio ausziehen wollten, empfand Reita fast so etwas wie Bedauern, während er seine Sachen zusammenpackte. Es mochten nur wenige Wochen gewesen sein, die sie an diesem Ort verbracht hatten, doch war in dieser Zeit so viel geschehen, dass er ihn nie wieder vergessen würde. Denn nichts würde je wieder so sein, wie zuvor... Als er am Abend endlich wieder in seinen eigenen vier Wänden saß, begann Reita auf einmal, die chaotische Geschäftigkeit seiner Freunde zu vermissen. Aois fröhliches Gequatsche fehlte ihm ebenso wie Rukis neckende Bemerkungen und Uruhas völlig zusammenhangslos dazwischen geworfene Kommentare. Es war fast wie nach einer Tour, wenn sie plötzlich nicht mehr jeden Tag zusammen auf der Bühne standen – das Gefühl des Beisammenseins war noch immer da, auch wenn die Gruppe selbst bereits auseinander gegangen war. Außerdem sehnte er sich nach Kai... Ihn nicht mehr länger in seiner Nähe zu haben, erfüllte ihn mit einer Unruhe, wegen der er seit seiner Rückkehr kaum noch stillsitzen konnte. Er spielte gerade mit dem Gedanken, den anderen anzurufen, als plötzlich sein Telefon klingelte. Reita nahm ab... und war nicht sonderlich überrascht, als er die Stimme des Drummers vernahm. „Wie geht es dir?“, fragte Kai, bevor der Bassist auch nur den Mund öffnen konnte. Reita musste schmunzeln. „Ganz gut“, erwiderte er und gähnte. „Ich bin ziemlich müde und irgendwie warte ich fast darauf, dass einer von euch gleich ins Zimmer platzt, um mir mit irgendwelchen Dingen auf die Nerven zu gehen...“ Er hörte Kai leise kichern und musste dabei an die kleinen Grübchen auf den Wangen des anderen denken. Sein Wunsch, bei ihm zu sein, wurde plötzlich übermächtig. „Und du?“, fragte Reita schnell. „Ich meine, wie geht es dir?“ „Ähnlich“, meinte Kai. „Ich bin todmüde... Aber ich bin froh, dass wir alles so schnell geschafft haben.“ Einen Moment lang schwiegen sie, dann räusperte sich der Bassist. „Kai...?“, fragte er und holte tief Luft, bevor er weiter sprach. „Weißt du... äh... also, um ehrlich zu sein... ich glaube... ich ver-“ „Ja“, unterbrach Kai ihn leise. „Ich dich auch.“ Wieder schwiegen sie, dieses Mal länger. Reita hörte den anderen am Telefon leise ein- und ausatmen und sein Puls beschleunigte sich. Plötzlich verfluchte er sich dafür, nicht bei Kai geblieben, sondern in seine eigene Wohnung zurückgekehrt zu sein. „Reita...“ Der Bassist spürte ein seltsames Kribbeln in der Bauchgegend, als er den merkwürdigen Unterton in Kais Stimme vernahm. Es klang wie eine Mischung aus Hilflosigkeit und Sehnsucht... „Gib mir zwanzig Minuten“, entgegnete er heiser. „Ich bin gleich bei dir.“ *~* Die Tür von Kais Wohnung öffnete sich, kaum dass Reita die Hand nach dem Klingelknopf ausgestreckt hatte. Einen Moment lang sahen sie sich einfach nur an, dann zog Kai ihn in eine feste Umarmung. „Ich habe das Gefühl, ich verliere den Verstand“, sagte er und Reita hörte die Verwirrung in seiner Stimme. „Als würde ich durchdrehen, wenn du nicht da bist...“ Der Drummer vergrub das Gesicht an Reitas Halsbeuge. „Was hast du nur mit mir angestellt...?“, flüsterte er. „Kai...“, raunte der Bassist und strich dem anderen sacht über die Haare, bevor er sie beide in die Wohnung bugsierte. Mit dem Fuß kickte er die Wohnungstür zu, dann wurde seine Aufmerksamkeit wieder von Kai beansprucht, der die Arme um seinen Nacken schlang und ihn mit einer Leidenschaft küsste, als hätten sie sich monatelang nicht gesehen. Das Verlangen, das in diesem Kuss lag, jagte eine angenehme Gänsehaut über seinen Rücken und Reita hatte das Gefühl, dass dieser Abend noch interessant werden würde... Eng umschlungen stolperten sie durch den Flur. Wie sie es bis ins Wohnzimmer schafften, ohne dabei ständig irgendwo anzustoßen und sich ernsthaft wehzutun, war Reita ein Rätsel. Erst, als er mit den Kniekehlen an das Sofa stieß und mit einem erstickten Laut nach hinten auf das Polster kippte, wurde er sich seiner Umgebung wieder bewusst. Kai beugte sich über ihn und sah auf ihn herab – und sein Gesichtsausdruck ließ Reita erschauern. Die sonst so blassen Wangen des Drummers waren gerötet und er leckte sich über die Lippen, die ebenfalls von einem dunkleren Rot waren, als Reita sie in Erinnerung hatte. In seinen Augen lag ein fiebriger Glanz und der Blick, mit dem er den Bassisten bedachte, schien ihn ausziehen zu wollen. „Du siehst mich an, als würdest du mich gleich verschlingen“, sagte Reita und lachte leise. „Oh, die Versuchung ist groß, glaube mir“, erwiderte Kai nur, dann kletterte er auf das Sofa und setzte sich auf ihn. „Sehr groß...“, hauchte er ihm ins Ohr und dem Bassisten entwich ein leises Keuchen, als der andere sanfte Küsse über seinen Hals zu verteilen begann. Reitas Augenlider fielen zu und seine Finger krallten sich in das Polster unter ihm, während er sich auf die Unterlippe biss, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Dass Kai so dominant sein konnte... doch es konnte Reita nicht gleichgültiger sein, solange der andere nur nicht aufhörte. Entweder war der Drummer ein Naturtalent oder er hatte viel Übung, denn es dauerte nur wenige Minuten, bis Reita die hauchzarten Küsse auf die empfindliche Haut seines Halses an den Rand des Wahnsinns trieben. Der Bassist gab sich bald keine Mühe mehr, seine wachsende Erregung länger zu unterdrücken, und stöhnte immer wieder leise den Namen des anderen. Als Kai dann sacht sein Hemd nach oben schob und anfing, die weiche Haut an seinem Bauch zu küssen, hüpfte sein Verstand beinahe gänzlich von Bord. Nur mit Mühe schaffte Reita es, die zitternden Hände auszustrecken und das Gesicht des anderen zu umfassen. „Kai...“, flüsterte er und zog ihn zu einem langen Kuss zu sich herab. Dann schob er ihn mit sanfter Gewalt wieder auf Armeslänge von sich und richtete sich auf. „Dir ist klar, was wir hier tun, oder?“, fragte er mit rauer Stimme. „Wenn du so weitermachst... ich weiß nicht, ob ich mich dann noch lange zurückhalten kann.“ Kai sah ihn an und sein Blick klärte sich langsam wieder. Reita hatte den Eindruck, als würde Kai aus einem Traum erwachen und erst jetzt erkennen, in welcher Situation sie sich gerade befanden. Einen Moment lang schienen Begierde und Vernunft in dem anderen um die Vorherrschaft zu kämpfen, doch schließlich nickte er und stand unsicher auf. Der Bassist war gleichermaßen enttäuscht wie erleichtert, als Kai von ihm abließ. Enttäuscht wegen all der Dinge, die der andere nicht mit ihm angestellt hatte und erleichtert, weil er nicht wusste, wie er damit hätte umgehen sollen... so sehr er es auch genossen hatte, er hatte keinerlei Erfahrung im sexuellen Umgang mit Männern, und das letzte, was er wollte, war Kai wehzutun. „Tut mir Leid“, sagte der Drummer leise. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist...“ Reita atmete tief durch, bevor er die Beine vom Sofa schwang und ebenfalls aufstand. „Schon gut“, sagte er. „Du kannst ja nichts dafür.“ Kai sah ihn verwundert an und der Bassist grinste selbstgefällig. „Ich bin halt einfach unwiderstehlich.“ Zugegeben, es war ein flacher Witz und er entlockte Kai nicht viel mehr als ein schwaches Lächeln, doch er lockerte die angespannte Atmosphäre ein wenig. Reita trat auf den anderen zu und schloss ihn in die Arme. „Es ist nicht so, dass ich es nicht will“, sagte er. „Aber ich glaube, wir sollten diese Sache nicht überstürzen. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe noch nie mit einem Mann... nun ja, du weißt schon...“ „Ich auch nicht“, gestand Kai. „Und ich hatte es eigentlich auch nie vor.“ „Komisch, den Eindruck habe ich eben nicht gehabt, so, wie du rangegangen bist“, entgegnete der Bassist schmunzelnd. „Oder was hättest du getan, wenn ich nichts gesagt hätte...?“ Kai wurde rot. „Ich... weiß es nicht.“ „Hättest du denn damit umgehen können...?“, fragte Reita leise und presste sich an ihn. Die Augen des Drummers weiteten sich überrascht, als er spürte, dass seine Küsse nicht ohne Auswirkungen auf gewisse Körperteile des anderen geblieben waren. „Reita, du... du bist...“, stotterte er. „Ich sagte ja, ich hätte mich nicht mehr lange zurückhalten können“, murmelte Reita und löste sich von ihm. „Ich gehe am besten erstmal duschen“, sagte er und schenkte Kai ein aufmunterndes Lächeln, bevor er sich auf den Weg ins Bad machte. ‚Und zwar kalt’, fügte er dabei in Gedanken hinzu. ‚Sehr kalt...’ *~* Eine Viertelstunde später saßen sie wieder auf dem Sofa, dieses Mal jedoch ohne weitere Hintergedanken. Da Kai die Heizung in der Zeit seiner Abwesenheit ausgemacht und sie erst jetzt wieder aufgedreht hatte, war es noch kalt in der Wohnung, darum hatten sie sich eine Decke geholt, in die sie sich nun kuschelten. Während es immer dunkler im Zimmer wurde – keiner von ihnen hatte Lust, die behagliche Wärme zu verlassen und das Licht anzuschalten – unterhielten sie sich leise über die vergangenen Tage. Endlich konnten sie alles aussprechen, was sie sich in der Anwesenheit der anderen nicht zu sagen getraut hatten. Reita erzählte Kai alles, was er über die Beziehung der beiden Gitarristen wusste und die Reaktion des Drummers zeigte ihm, dass der andere tatsächlich nichts davon mitbekommen hatte. „Seit einem Jahr schon?“, fragte Kai überrascht. „Aber... wie konnten sie...?“ „Die beiden sind nicht ganz so dumm, wie sie aussehen“, sagte Reita und grinste. „Sie haben sich sogar ziemlich geschickt angestellt, und wenn die Zimmer in dem einen Hotel auf unserer letzten Tour nicht so verdammt dünne Wände gehabt hätten, wäre es mir vielleicht bis heute nicht aufgefallen...“ Kai sah ihn einen Moment lang verwirrt an, dann verstand er die Andeutung endlich und die Verwirrung auf seinem Gesicht schlug in Entsetzen um. „Heißt das... heißt das etwa, du hast sie beim Sex belauscht?!“ Reita kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Nun ja, es ist nicht so, dass ich eine Wahl gehabt hätte“, brummte er. „Sie waren nicht gerade leise und ich hätte ja schlecht hinübergehen und sie bitten können, ein bisschen sanfter vorzugehen, damit ich schlafen kann...“ Kai klappte den Mund wieder zu und schüttelte den Kopf. „Erinnere mich beim nächsten Mal daran, Zimmer auf verschiedenen Etagen zu buchen – oder wenigstens welche, die weit auseinander liegen...“ Der Bassist musste lachen. „Hast du Angst, wir könnten das nächste Mal diejenigen sein, die den anderen schlaflose Nächte bereiten...?“ „REITA!“ Das rot angelaufene Gesicht des anderen ließ Reita nur noch lauter lachen. Kais manchmal so süße und unschuldige Art faszinierte ihn immer wieder, und er liebte den anderen für diese Naivität. Doch dass Kai nicht halb so unschuldig war, wie er immer gedacht hatte, hatte er vorhin auf dem Sofa bemerkt... Reita bekam eine Gänsehaut als er daran dachte, was noch alles hätte passieren können, wenn er nur die Klappe gehalten hätte... und ob er tatsächlich derjenige gewesen wäre, der am Ende oben gelegen hätte (denn sein Ego hätte nichts anderes zugelassen). Schließlich war Kai stärker als er, auch wenn man es ihm nicht unbedingt ansah, und wer wusste schon, was sich im Eifer des Gefechts alles ergeben hätte... „Und wie soll es jetzt weitergehen?“, fragte Kai schließlich und lehnte den Kopf an Reitas Schulter. „Ich weiß nicht“, entgegnete der Bassist leise. „Also, wenn du willst“, sagte Kai zögernd, „kannst du gerne bleiben...“ Reita blieb stumm, doch sein Herz begann plötzlich schneller zu klopfen. „In meinem Schrank ist nicht genug Platz für alle deine Sachen“, fuhr Kai fort. „Aber ich denke, dafür finden wir sicher noch eine Lösung.“ Der Bassist wusste nicht, was ihn mehr rührte – das Angebot an sich oder Kais Tonfall, der deutlich machte, dass er es vollkommen ernst meinte. „Das heißt, natürlich nur, wenn du hier bleiben willst“, sagte der Drummer schüchtern. Reita hätte beinahe gelacht. Meinte Kai diese Frage ernst? Himmel, wenn es nach ihm ginge, wären sie schon längst auf der Suche nach einer gemeinsamen Wohnung... Der Wunsch, bei Kai zu bleiben, war in den letzten Tagen immer größer geworden, doch der Bassist hatte das Thema nicht angesprochen, weil er nicht wusste, ob der andere genauso darüber dachte oder lieber weiterhin allein wohnen wollte. Die Stille zog sich hin und Reita begriff endlich, dass Kai noch auf eine Antwort wartete. Er räusperte sich. „Ja“, sagte er dann. „Ja, ich will.“ *~* Am nächsten Morgen fuhr er in seine Wohnung, um die wichtigsten Dinge für die nächsten zwei, drei Wochen einzupacken, bevor er zu Kai zurückkehrte. Die Wohnung des anderen mochte für sie beide zu klein sein und bis sie richtig zusammenziehen würden, würde noch einige Zeit vergehen, doch trotz des Platzmangels und aller Probleme, die sich daraus ergaben, war es absolut perfekt und Reita hätte um nichts in der Welt tauschen wollen. Kai war ein Frühaufsteher, darum war das erste, was der Bassist am Morgen hörte, entweder das Wasserrauschen der Dusche oder das Klappern von Geschirr aus der Küche. Doch selbst wenn er dann endlich wach war, blieb er immer noch eine Weile liegen, denn er mochte es, den morgendlichen Geräuschen des anderen zu lauschen. Besonders an der Arbeit in der Küche schien Kai seine Freude zu haben, denn er summte dabei leise vor sich hin oder trommelte hin und wieder auf das Mobiliar, während er darauf wartete, dass die Kaffeemaschine fertig wurde. Letzteres war eine Angewohnheit von Kai, die Reita zwar schon zuvor öfters aufgefallen war, die er jedoch erst jetzt, wo sie ständig zusammen waren, so richtig zur Kenntnis nahm: jedes Mal, wenn der andere auf irgendetwas wartete oder wenn er gedanklich gerade woanders war, fing er an, mit den Fingern auf den Tisch, die Stuhllehne oder wahlweise auch Reitas Arm zu trommeln. Das Schlagzeugspielen schien ihm so ins Blut übergegangen zu sein, dass er selbst dann noch den Takt des einen oder anderen Liedes mitklopfte, wenn seine geliebten Drums nicht da waren. Am Anfang war Reita ein wenig irritiert, als Kai unbewusst seinen Unterarm als Schlagzeugersatz missbrauchte, aber er gewöhnte sich nach einigen Tagen daran. Tagsüber hing Kai manchmal stundenlang am Telefon, um sich um die organisatorischen Belange der Band zu kümmern. Jetzt, wo das Album so gut wie fertig war, hatte er alle Hände voll zu tun; beinahe stündlich riefen die verschiedensten Leute an. Termine für Radio- und Presseinterviews wurden festgelegt und Fotoshootings für verschiedene Magazine geplant. Einmal war auch seine persönliche Anwesenheit erforderlich, so dass Reita ihn erst bei Anbruch der Dunkelheit wieder sah. Völlig erschöpft ließ Kai sich in seine Arme sinken und erlaubte sich einen Moment der persönlichen Schwäche, in dem er das Management, seinen Job und die ganze Welt verfluchte. Anschließend schlief er ein und Reita brachte ihn ins Bett. Danach schwor der Bassist sich, sich nie wieder über die Tatsache, dass Kai Bandleader war, lustig zu machen. Er selbst hätte diesen Stress sicher keine fünf Minuten ertragen. Doch ansonsten verliefen die Abende eher ruhig. Kai kochte ihnen etwas zu essen und sie setzten sich ins Wohnzimmer, sahen noch ein wenig fern und genossen einfach nur die beruhigende Anwesenheit des anderen, bevor sie ins Bett gingen und aneinandergeschmiegt einschliefen. Reita konnte sich bald keine Nacht mehr vorstellen, in der Kai nicht in seinen Armen lag. Schon im Studio hatte er sich so sehr an den warmen Körper und den gleichmäßigen Herzschlag des anderen an seiner Brust gewöhnt, dass er ohne ihn kaum noch einschlafen konnte... und es auch nicht wollte. *~* Dass die Harmonie zwischen ihnen zerbrechlich war, wurde Reita allerdings schon am zweiten Tag bewusst, als sie einen kurzen, aber heftigen Streit hatten. Auslöser war ein vermisstes Kleidungsstück, das Reita – der die Angewohnheit hatte, seine Sachen kreuz und quer in der Gegend zu verteilen – nicht finden konnte. Kais wenig hilfreicher Kommentar, er solle doch besser auf seine Sachen aufpassen, verärgerte ihn sehr, und seine Antwort darauf war so bissig, dass nur wenige Momente später ein heftiger Wortwechsel ausbrach, der damit endete, dass Kai im Schlafzimmer verschwand und wütend die Tür hinter sich zuknallte. Es dauerte eine Viertelstunde, bis Reita sich wieder halbwegs beruhigt hatte und ihm klar wurde, dass er sich wieder einmal wie ein Vollidiot benommen hatte. Erschreckenderweise war der Drang, in diesen fünfzehn Minuten seine Sachen zu packen und einfach zu gehen, sehr groß gewesen, und er hatte ihn nur mit Mühe unterdrücken können. Schließlich klopfte er zaghaft an die Schlafzimmertür und bat Kai um Verzeihung. Als er keine Antwort erhielt, drückte er nach kurzem Zögern die Klinke nach unten und trat ein. Der Drummer saß auf dem Bett und starrte mit leerem Blick aus dem Fenster. Er hatte die Knie an den Körper gezogen und die Arme darum geschlungen und rührte sich nicht, als der andere näher trat. Reita setzte sich neben ihn und legte ihm einen Arm um die Schulter, schwieg jedoch. Einen Moment lang war es vollkommen still, dann fing Kai leise an zu sprechen. „Ich frage mich, ob die Idee, zusammen in eine Wohnung zu ziehen, nicht doch ein bisschen voreilig gewesen ist.“ Er schloss die Augen und lehnte sich an Reita. „Ich weiß nicht, ob wir jetzt schon stark genug dafür sind...“ Der Bassist strich ihm sanft über den Rücken. Er hatte mit so einer Äußerung gerechnet, denn ähnliche Gedanken waren auch ihm schon durch den Kopf gegangen. „Vielleicht ist es wirklich zu früh“, entgegnete er nachdenklich. „Doch ich glaube nicht, dass es jemals wirklich einfach sein wird. Probleme wird es immer geben... das einzige, was zählt, ist, dass wir lernen, sie zu überwinden.“ Noch während er sprach, wurde ihm klar, dass dies tatsächlich die einzige Lösung war. Ein Zusammenleben war nur möglich, wenn sie versuchten, die vielen Eigenarten des jeweils anderen zu akzeptieren und mit ihnen klarzukommen. Kai nickte langsam, dann drehte er sich plötzlich um und schlang die Arme um Reitas Oberkörper. „Du hast Recht“, sagte er und ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. „Vielleicht sollten wir das wirklich.“ „Gerne“, flüsterte Reita und schloss die Augen, als Kai sich vorbeugte und ihn küsste. *~* Reita stand im Schlafzimmer vor dem Spiegel und versuchte bereits zum vierten Mal, sich eine Krawatte zu binden. Vielleicht lag es an seiner Nervosität oder er war generell zu unfähig dazu, jedenfalls misslang auch dieser Versuch und nur wenige Minuten später fummelte er fluchend an der Krawatte herum, um den Knoten wieder zu öffnen, der sich auf mysteriöse Art und Weise gebildet hatte. „Wenn du so weiter machst, erwürgst du dich noch“, ertönte Kais Stimme von der Schlafzimmertür her und kurz darauf spürte er die kühlen Finger des Drummers an seinem Hals, die mit wenigen, geschickten Griffen den Knoten lösten. „Lass mich das machen“, sagte Kai sanft und stellte sich vor ihn, um ihm die Krawatte zu binden. Reita seufzte und ließ den anderen gewähren. Während er selbst schon seit dem frühen Morgen rastlos durch die Wohnung tigerte, war Kai die Ruhe selbst. Ohne die Ausgeglichenheit seines Freundes wäre Reita wahrscheinlich schon längst die Wände hochgegangen. Und auch jetzt musste er sich zwingen, still zu stehen, während Kai ihm den Kragen zurechtrückte und die Krawatte glatt strich. „So, fertig“, meinte der Drummer schließlich mit einem Lächeln und trat einen Schritt zurück. „Danke“, sagte Reita und erwiderte das Lächeln schwach. „Wann kommen eigentlich die anderen?“ „Uruha hat gerade angerufen und gesagt, dass er und Aoi sich bereits auf den Weg gemacht haben“, erzählte Kai, während er sich nun seinerseits vor den Spiegel stellte und ein paar widerspenstige Haarsträhnen zurechtzupfte. „Ruki ist bei ihnen.“ Reita nickte und fuhr sich mit der Hand nervös durch die Haare, bevor er über Kais Schulter hinweg noch einmal in den Spiegel sah. Er hatte auf ein aufwendiges Styling verzichtet, schließlich würde er auf eine Beerdigung gehen und nicht auf ein Konzert. Wie Kai trug er lediglich eine dunkle Hose, ein weißes Hemd und darüber ein schwarzes Jackett. Die anderen Bandmitglieder hatte er gebeten, sich ebenfalls schlicht zu kleiden, denn er wollte nicht, dass sie noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zogen, als sie es ohnehin schon tun würden. Hoffentlich hatte sich Ruki, der bekanntermaßen eine Schwäche für ausgefallene Kleidung hatte, daran gehalten... Nach einer Weile wandte Reita sich wieder von seinem Spiegelbild ab und ging ins Wohnzimmer, wo er sich in einen Sessel sinken ließ. Er wünschte, er hätte seinen Bass mit zu Kai genommen, dann würden seine Finger sicher nicht so unruhig auf die Sessellehne trommeln, wie sie es jetzt gerade taten. Andererseits bezweifelte er, dass er sich groß auf sein Bassspiel hätte konzentrieren können, so nervös, wie er im Moment war... Reita schloss die Augen und lehnte sich zurück, während er sich sicherlich zum hundertsten Mal an diesem Morgen zur Ruhe zwang. Es gelang ihm einigermaßen, und nach einer Weile drifteten seine Gedanken ab... „Reita?“ „Hm...?“ „Was hältst du von Frankreich?“ „... hä?“ „Ich würde gerne mal nach Frankreich... an der Südküste soll es sehr schön sein.“ „Ja, kann sein... aber wie kommst du jetzt darauf?“ „Wenn das neue Album raus ist und wir die darauf folgende Tour hinter uns haben... würde ich gerne mal dort Urlaub machen.“ „... ah.“ „Mit dir zusammen.“ „...“ „Du siehst nicht sehr begeistert aus.“ „Ich bin nur ein wenig überrascht über diesen plötzlichen Vorschlag...“ „Ja, aber was hältst du davon?“ „Öhm... meinetwegen? Ich habe noch nicht soweit geplant, aber wenn du möchtest, können wir gerne fahren.“ Kais Antwort bestand aus einem strahlenden Lächeln. – Und Himmel, wer könnte bei diesem Lächeln auch schon nein sagen...? Also verbrachten sie den Abend vor dem Computer und suchten nach Urlaubsangeboten für Südfrankreich. „Da will ich hin“, sagte Kai schließlich und tippte auf ein Bild, auf dem man die Küste und schimmerndes, türkisblaues Meer erkennen konnte. Darunter stand: Cannes, Côte d’Azur. „Ko... Kote... ach, wie auch immer. Lass uns das gleich nächste Woche buchen, ja?“ „Du willst das jetzt schon machen? Es wird noch Monate dauern, bis die Tour vorüber ist...“ „Ja, aber dann habe ich etwas, worauf ich mich freuen kann, bis alles vorbei ist.“ „Aber...“ ‚Was ist, wenn wir bis dahin festgestellt haben, dass wir doch nicht so gut zusammenpassen?’, wollte Reita fragen. ‚Was ist, wenn wir bis dahin kein Wort mehr miteinander reden? Willst du dann immer noch fahren? – Woher nimmst du dieses blinde Vertrauen daran, dass alles gut gehen wird...?’ „Hältst du das wirklich für eine so gute Idee? Ich meine – bei all dem, was noch vor uns liegt...?“ „Reita...“ Kai griff nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger miteinander. „Du sagtest selbst, es würde nicht leicht werden“, sagte er sanft. „Aber ich will es trotzdem versuchen. Ich will das alles hier so sehr, Reita, ich will so sehr, dass es funktioniert... Lass es uns einfach versuchen, okay...?“ Das Schrillen der Türklingel riss Reita aus seinen Gedanken. „Das müssen die anderen sein“, meinte Kai, der gerade aus dem Schlafzimmer kam. Der Bassist nickte und stand auf. „Dann lass uns gehen“, sagte er mit fester Stimme. *~* Fortsetzung folgt... Das zehnte und letzte Kapitel wird wahrscheinlich nur sehr kurz sein, darum hoffe ich, dass ich dieses Mal nicht wieder einen Monat brauchen werde, bis ich damit fertig bin. =) Tut mir Leid wegen der längeren Wartezeiten zwischendurch. ~_~ # 4 - Kälte (Reita/Kai; ...?) Kap. 10 - letzter Teil! ----------------------------------------------------- Teil: 10/10 (OMG, es ist vollbracht! *-* - Hat auch nur dreieinhalb Jahre gedauert! 8DD) Musik: Alles, was ich gerade an Kitschballaden von Luna Sea in die Finger bekomme. °_° Kommentar: Das letzte Update liegt mittlerweile so abartig lange zurück, dass es mich wundern würde, wenn das hier überhaupt noch jemand liest. *hust* Seit dem letzten Kapitel habe ich gut 25 Fanfics zu allen möglichen Serien geschrieben und mich von J-Rock-Fanfiction weitestgehend ferngehalten. Mehrmals war ich kurz davor, diese Fanfic hier komplett zu löschen, konnte mich dann aber doch nicht dazu durchringen, weil sie noch immer kein Ende hatte, und ich kann Geschichten einfach nicht unbeendet lassen. Gestern nachmittag habe ich mich dann nach Jahren mal wieder an diese FF gesetzt und sie in einem Rutsch durchgelesen. Es gibt vieles, was ich heute anders machen würde, und vieles, wo ich dachte "Meine Güte, DAS hast du mal geschrieben?"... aber auch viele Stellen, die mir selbst nach all der langen Zeit noch erstaunlich gut gefallen. Und ich glaube diese Stellen waren der Grund, weshalb mich jetzt nach mehreren Jahren doch noch endlich der Drang gepackt hat, diese Geschichte abzuschließen. Hier ist also das letzte Kapitel. :) *~* Die Dämmerung senkte sich allmählich über das Land. Die kleine Trauergemeinschaft hatte sich schon vor einer Weile aufgelöst und unter den hohen Kiefern war wieder Stille eingekehrt. Das Familiengrab der Yoshidas lag direkt neben einem der breiten Kiespfade, die über den Friedhof führten. Die sterblichen Überreste des Toten waren verbrannt und in einer Urne im Grab beigesetzt worden, und nur der auf die Rückseite des Grabsteins frisch eingravierte Name erinnerte noch an den kürzlich Verstorbenen. Reita stand vor dem Grab und betrachtete nachdenklich den schmalen, hohen Grabstein. Dann trat er langsam näher und ließ sich vor ihm auf dem Boden nieder. „Endlich lernen wir uns mal persönlich kennen“, sagte er leise und lächelte schief. „Ziemlich spät, wenn man bedenkt, wie lange dieser ganze Wahnsinn schon anhält...“ Ein leichter Wind kam auf und zerrte an seinen Haaren. Mit der Dämmerung wurde es immer kühler und Reita verschränkte fröstelnd die Arme in seinem Schoß, wohl wissend, dass er nicht mehr viel Zeit hatte, bevor es dunkel sein würde. Doch es gab ein paar Dinge, die er noch sagen musste, bevor er endlich Abschied nehmen konnte. „Ich habe deine Familie getroffen“, fuhr er fort. „Deine Mutter...“ Er hielt inne, als er wieder an die kleine, rundliche Frau denken musste, die ihn schluchzend in die Arme geschlossen hatte, nachdem er sich der Familie vorgestellt hatte. Sie hatte ihm keine Vorwürfe gemacht – das hatte niemand getan – sie hatte nur geweint und immer wieder gesagt, was für ein großherziger Junge ihr Sohn doch gewesen sei. Reita, den die Situation vollkommen überfordert hatte, hatte nur zögernd die Arme um sie gelegt und versucht, ihr irgendwie Trost zu spenden. „Sie ist eine gute Frau“, sprach er schließlich leise weiter. „Sie wird dich sehr vermissen... sie alle werden dich sehr vermissen.“ Als nächstes war eine junge Frau auf ihn zugetreten, die sich als Mariko vorgestellt hatte. Sie war Yoshidas Freundin gewesen und sie hatten bereits geplant, sich zu verloben, als das Unglück passierte. Mit ihr hatte Reita ein besonders langes Gespräch geführt. „Du warst ein wunderbarer Mensch, sagen sie.“ Reita, dem nun doch langsam kalt wurde, zog die Knie an den Körper und legte das Kinn darauf. „Doch ich weiß immer noch so wenig über dich...“ Es wäre nicht seine Schuld gewesen, hatte Mariko zu ihm gesagt. Er solle aufhören, sich für alles verantwortlich zu machen. Ihm war klar gewesen, dass sie Recht hatte, doch er hatte auch den Schmerz in ihren Augen gesehen und gewusst, dass er nie wirklich aufhören würde, sich Vorwürfe zu machen. Denn wie er es auch drehte und wendete – er hatte das Leben dieser Frau ruiniert, und nichts, was er sagen oder tun könnte, würde ihr den Schmerz über ihren Verlust wieder nehmen können. Erst nachdem sie gegangen war und Kai sacht seinen Arm gedrückt hatte, war Reita bewusst geworden, dass er weinte. Verwirrt hatte er sich die Tränen von der Wange gewischt; er hatte nicht einmal bemerkt, dass seine Augen feucht geworden waren. Besorgt hatte Kai ihn angesehen. „Reita, bist du sicher, dass du wirklich hier-“ „Ja“, hatte Reita ihn jedoch mit heiserer Stimme unterbrochen. „Ich bleibe bis zum Schluss.“ Und Kai hatte nur genickt und in den folgenden Stunden immer dann, wenn gerade keiner zu ihnen hinübersah, nach der Hand des anderen gegriffen und seine Finger mit denen Reitas verschlungen, um ihm zu zeigen, dass er für ihn da war. Es war mittlerweile so dunkel geworden, dass Reita, der kaum eine Viertelstunde hier gesessen hatte Kai, der ein Stück abseits zwischen den Gräbern umherspazierte und geduldig auf ihn wartete, nur noch schemenhaft erkennen konnte. Die anderen waren bereits vor einer Stunde gegangen und nur sie beide waren noch auf dem Friedhof geblieben. „Ich liebe ihn, weißt du“, sagte er plötzlich zu seiner eigenen Überraschung. Es war das erste Mal, dass er diese Worte laut aussprach und sein Herz begann auf einmal in einem schnelleren Takt zu schlagen. Reita lächelte schief, verwundert über seine eigene starke Reaktion – schließlich unterhielt er sich hier lediglich mit einem Haufen Luft und keinem wirklichen Menschen. Dennoch hatte er das Gefühl, als hätte er gerade seinem besten Freund ein Geheimnis verraten. Verstohlen warf er Kai einen Blick zu, doch der andere war zu weit entfernt, als dass er ihn hätte hören können. Reita schüttelte leicht den Kopf, wahrscheinlich reagierte er einfach nur über. Kein Wunder bei dem, was er heute alles erlebt hatte... „Und auch, wenn Kai mittlerweile wahrscheinlich anderes von mir denkt, bin ich noch immer viel zu verunsichert, um ihm das persönlich zu sagen“, vertraute er sich mit leiser Stimme dem Grabstein an. „Aber er hat in der letzten Zeit bereits viel Geduld mit mir gehabt, und ich weiß, dass er es schafft, noch ein bisschen länger zu warten... bis ich bereit bin, ihm zu sagen, wie viel er mir bedeutet.“ Der Grabstein schwieg weiterhin beharrlich, dennoch fühlte sich Reita irgendwie... verstanden, so als wäre tatsächlich jemand hier, der ihm zuhörte. „Es tut mir leid, was passiert ist“, fuhr er fort und plötzlich fühlte sich seine Kehle an wie zugeschnürt, als ihn eine Welle von tiefer Reue und Selbstvorwürfen erfasste. „Es tut mir leid, dass du nun nicht mehr lachen oder die Sonne spüren kannst... dass du nicht mehr heiraten kannst, wie du es geplant hattest, und nie deine Kinder aufwachsen sehen wirst. All das tut mir so leid, so unendlich leid...“ Er beugte sich vor und presste die Stirn für einen Moment auf die kühle Graberde, während er versuchte die Tränen zurückzuhalten, die plötzlich in seinen Augenwinkeln brannten. Dann richtete er sich langsam wieder auf und räusperte sich, bevor er mit rauer Stimme weitersprach. „Doch ich möchte dir auch danken. Dafür, dass du mir mit deiner Selbstlosigkeit ein neues Leben geschenkt hast und die Möglichkeit, dieses Mal alles anders zu machen... ein Leben mit ihm leben zu können. Das ist mehr, als je ein Mensch für mich getan hat. ... Darum möchte ich dir von ganzem Herzen meinen Dank aussprechen.“ Er verstummte und dachte lange nach. Doch er hatte alles gesagt, was er hatte sagen wollen, und fühlte sich nun auf eigenartige Weise... befreit. Fast, als wären seine Worte wirklich verstanden worden und die Botschaft angekommen. Schweigend erhob sich Reita von dem kalten Boden und stand auf, wobei er die verschmutzte Hose leicht abklopfte und seinen Anzug glatt strich. Ein letztes Mal verbeugte er sich vor dem Grabstein, dann drehte er sich um und lief, plötzlich mit neuer Energie erfüllt, zu Kai hinüber, der ein Stück entfernt neben einer der spärlich verteilten Laternen des Friedhofs stand und zu ihm aufblickte, als er die knirschenden Schritte auf dem Kiesweg vernahm. „Alles okay?“, fragte er, als Reita ihn erreicht hatte, und strich sorgsam ein paar Sandkörner von seiner Stirn, bevor er nach seiner Hand griff. „Meine Güte, du bist ja ganz kalt... Wollen wir gehen?“ Reita schenkte ihm nur ein Lächeln, das aus der Tiefe seines Herzens kam, dann schloss er Kai in die Arme und drückte ihn lange Zeit nur wortlos an sich. Etwas überrascht über diese plötzliche Geste, doch keinesfalls abgeneigt erwiderte der andere die Umarmung nach kurzem Zögern. „Es geht mir gut“, sagte Reita leise, während Kais dunkle Haare seine Wangen kitzelten. „Mach dir keine Sorgen. Es geht mir wirklich gut.“ Er löste sich wieder von Kai und verschränkte liebevoll die Finger mit den seinen. „Lass uns gehen.“ Der andere erwiderte nichts, doch er schien zu spüren, dass der Moment am Grab Reita neues Selbstvertrauen geschenkt hatte, und schenkte ihm ein Lächeln, in dem so viel Liebe lag, dass Reitas Bauch vor Aufregung zu kribbeln begann. Und Hand in Hand wandten sie dem dunklen Friedhof den Rücken zu und kehrten zu ihrer gemeinsamen Wohnung zurück. ~ Kälte: Ende ~ # 5 - Sommer (Inoran, J) ------------------------ Teil: 1/1 (ursprünglich Teil einer längeren Challenge) Musik: Mal wieder Plastic Tree. =) Kommentar: Dieser und die folgenden zwei One-Shots sind schon mindestens zwei Jahre alt, aber ich habe sie bisher noch nirgendwo öffentlich gepostet und fände es schade, würden sie auf meinem PC vergammeln. =) Schuld an ihrer Entstehung waren meine damalige Luna-Sea-Hochphase, die J-Rock-Fanfiction-Challenge "50 Stories" und und (vor allem aber xD). Ich habe damals wahnsinnig viel für diese Fanfics recherchiert (auch wenn man es ihnen vielleicht nicht anmerkt... *hust*), um die ungefähren Jahresangaben und Lebensläufe einigermaßen richtig hinzubekommen. Die Hintergrundinfos, wie z.B. die Umstände, unter denen sich J und Inoran damals kennengelernt haben, basieren auf wahren Ereignissen. Dass Inoran in seiner Jugend extrem weiblich ausgesehen hat und öfter für ein Mädchen gehalten wurde, entspricht ebenfalls der Wahrheit. Ich denke, das kann man auf diesem Bild hier ganz gut sehen (da dürfte er noch keine 20 gewesen sein ^_~): -> http://img543.imageshack.us/img543/5619/inoran001.png Soviel erst mal zu den grundlegenden Infos, wer noch Fragen hat - immer her damit. Ansonsten viel Spaß beim Lesen. =) Sommer Der Sommer '84 war ein Sommer, den Inoran nie vergessen sollte. Dies hatte zwei Gründe: Zum einen war er sehr, sehr heiß, und die Luft so schwül und drückend, dass selbst die großen Ferien kaum Spaß gemacht hatten – und einen solchen Sommer vergaß man nicht so schnell. Und zum anderen lernte er in diesem Sommer J kennen. Es war Mitte September, als sie zum ersten Mal miteinander sprachen. Die Ferien waren gerade vorbei, und die Schüler saßen wieder in den Unterrichtsräumen und schwitzten in der nicht enden wollenden Hitze. Selbst die Pausen verschafften kaum Erholung, da der Platz auf dem Schulhof kaum für die knapp zweitausend Schüler ausreichte, und Inoran gelang es nur selten, ein ruhiges Fleckchen im Schatten zu finden, wo er sitzen und sich entspannen konnte. An diesem speziellen Tag hatte er allerdings Glück. Er hatte im Schatten des Schulgebäudes eine freie Bank erspäht und wollte sie gerade in Beschlag nehmen, als ihn jemand von der Seite ansprach. "Inoue-kun?" Inoran blieb stehen und sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Vor ihm stand ein hochgewachsener Junge mit halblangen, verwuschelten Haaren, der seinen Blick unsicher erwiderte. Sein Gesicht kam Inoran vage bekannt vor, aber da sich allein in seiner eigenen Klassenstufe mehrere hundert Schüler befanden, war es so gut wie unmöglich, sich jeden Namen zu merken - geschweige denn erst die der anderen Jahrgänge. Inoran lächelte ihm zu und vergrub die Hände in den Hosentaschen. "Der bin ich", entgegnete er. "Kann ich dir helfen?" "Mein Name ist Jun und ich bin ein Freund von Koji", sagte der andere und lächelte, als Inoran verstehend nickte. Koji war ein guter Freund von ihm. "Ich suche eine ganz bestimmte Schallplatte, konnte sie aber in dem Laden, wo ich mir sonst immer welche hole, nicht finden... Und dann erzählte Koji mir, dass du sie hast, darum dachte ich, ich frag dich einfach mal selbst danach." Er sah Inoran so hoffnungsvoll an, dass dieser wahrscheinlich nicht mal dann hätte nein sagen können, wenn er es gewollt hätte. Einen Moment lang blickte Inoran nachdenklich auf seine Schultasche hinab, dann hob er sie hoch und warf sie sich schwungvoll über die Schulter. Er hatte zwar noch zwei Stunden Unterricht vor sich, aber... ach, verdammt! – Es war Sommer, es war heiß, und es bestand die wunderbare Aussicht, sich mit jemandem über Musik zu unterhalten. Was wollte er mehr? "Hast du heute noch was vor?", fragte er. Der andere nickte kurz, doch dann schien er es sich zu überlegen und zuckte anschließend mit den Schultern. "Ich glaube nicht, dass mich mein Geschichtslehrer vermissen wird", entgegnete er und grinste. "Ich schlafe in seinem Unterricht immer ein." Inoran erwiderte das Grinsen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie sich gut verstehen würden. "Dann lass uns gehen!" *~*~* Inoran hatte tatsächlich die Schallplatte, die J suchte. Er hatte sogar ziemlich viele Schallplatten, die den anderen interessierten, und als er J nicht ohne Stolz seine Sammlung präsentierte, fielen diesem fast die Augen aus dem Kopf. Den Rest des Tages verbrachten sie dann damit, sich über ihre Lieblingskünstler und ihre Einstellung zur Musik im Allgemeinen zu unterhalten – und nebenbei einen großen Becher Eis zu vernichten. Inoran liebte Musik, doch er begnügte sich damit, sie anzuhören. J hingegen lebte Musik, und es war sein großer Traum, selbst einmal Musiker zu werden. Obwohl Inoran schon seit einer Weile mit dem Gedanken spielte, sich eine Gitarre zu kaufen, hatte ihn die Vorstellung, damit auch vor anderen Leuten aufzutreten, nie gereizt. Doch als J wild gestikulierend und mit leuchtenden Augen davon erzählte, dass er irgendwann selbst einmal in einer Band spielen wollte – und würde, wie er Inoran selbstsicher versprach – war der Gedanke plötzlich gar nicht mehr so abwegig. "Wieso auch nicht?", sagte J, als Inoran seine Überlegung äußerte, und lachte. "Du Gitarre, ich Bass... dann schnappen wir uns noch 'nen Drummer und einen Sänger und erobern die Welt." "Leider fehlt mir dafür der notwendige Größenwahn", entgegnete Inoran mit leichtem Spott. "Außerdem würde es bei mir schon an dem Instrument scheitern... weder habe ich eine Gitarre, noch könnte ich sie spielen. Und wo wollen wir überhaupt proben? Mieträume können wir uns nicht leisten." "Ach, irgendwie werden wir sicher schon was auftreiben", meinte J optimistisch, dann stand er von Inorans Bett auf, auf dem sie die letzten Stunden gesessen hatten, und streckte sich. "Wenigstens siehst du schon aus wie ein Rockstar", fuhr er grinsend fort, in Anspielung auf Inorans lange Haarmähne. "Dass sie dir das durchgehen lassen... ganz ehrlich, wen hast du dafür bestochen?" Inoran zog einen Schmollmund. "Niemanden. Meine Haare gehören mir ganz allein, und ich sehe nicht ein, warum ich mir von anderen sagen lassen muss, wie ich sie zu tragen habe. Ich meine, bei den Mädchen sagt doch auch keiner was gegen lange Haare, oder?" "Wohl wahr", entgegnete J und nickte anerkennend. "Respekt, dass du dich durchgesetzt hast." Dann sah er auf die Uhr. "Meine Güte, schon so spät...! Bis nach Hause brauche ich von hier aus 'ne ganze Weile. Ich sollte mich besser auf die Socken machen." Inoran nickte und erhob sich ebenfalls. Er begleitete J noch bis zur Bushaltestelle, und nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten und er sich wieder auf den Weg nach Hause machte, war er so hibbelig vor Aufregung und Freude über das, was die Zukunft bringen würde, dass er das Gefühl hatte, er müsste platzen. Dass die Begegnung mit J sein Leben wirklich grundlegend verändern würde, ahnte er zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht... *~*~* Dieser Tag sollte der erste von vielen werden, an denen sie zusammenhockten und über ihre Zukunftspläne und Lieblingsmusiker philosophierten. Doch obwohl sie sich bei ihren Treffen hauptsächlich über Musik unterhielten, lernte Inoran den anderen Jungen bald auch als Freund sehr zu schätzen. Die für gewöhnlich recht raue und direkte Art von J, der auf die meisten Leute vorlaut, wenn nicht sogar arrogant wirkte, störte Inoran überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil, er schätzte die Ehrlichkeit an dem anderen, und er war selbst auch ehrlich zu ihm – ehrlicher vielleicht, als je zu einem seiner Freunde zuvor. Denn in Js Anwesenheit konnte er einfach nur er selbst sein, mit all seinen Macken und ohne sich verstellen zu müssen, da er wusste, dass sie den anderen nicht störten. Als der Sommer sich dem Ende zuneigte und die Tage allmählich kühler wurden, konnte Inoran sich ein Leben ohne J schon fast gar nicht mehr vorstellen. Von den Freunden, die er in der Schule hatte, entfernte er sich nach und nach immer mehr, und er hatte bald das Gefühl, als gäbe es nur noch J und ihn. Aber solange er dem anderen ebenso wichtig war, wie dieser ihm, konnte er damit leben. *~*~* An einem Abend – es war kurz nach Sonnenuntergang – lagen sie zusammen auf dem Dach des Hauses, in dem J mit seiner Familie wohnte, und starrten in den Himmel empor. Aus einem Hinterhof irgendwo in der Nähe tönte leise Radiomusik zu ihnen empor. J hatte den Kopf auf Inorans Bauch gelegt und summte die Melodie leise mit, während der andere Junge vor sich hindöste und seinem Gesang lauschte. Plötzlich hob Inoran den Kopf. "Kiss", sagte er, als er das Lied endlich erkannte. "Jetzt weiß ich wieder, woher ich es kenne. Das ist von Kiss!" "Ha! – Hab ich's doch geahnt!", entgegnete J triumphierend und reckte die Faust in die Höhe. "Und die Bands davor habe ich auch alle richtig erraten! Ich bin Super-J, haha!" Inoran grinste. "Du hattest nur Glück, das ist alles", meinte er. "Sei nicht immer so ein verdammter Spielverderber, Ino-chan", sagte J und rächte sich für die Bemerkung, indem er Inoran mit dem Zeigefinger in den Bauch piekste, was den anderen leise aufjaulen ließ. "Kein Wunder, dass du noch nie eine Freundin hattest - bei deinem Zynismus würde ich es auch nicht mit dir aushalten, wenn ich 'ne Frau wäre." "Aber zum Glück bist du keine Frau und zum Glück stehst du auf meinen Zynismus", entgegnete Inoran spitz. "Sonst wären wir jetzt nicht zusammen hier, oder?" J rollte mit den Augen. "Das ist was anderes. Wir sind Freunde, kein Liebespaar." "Und doch denken viele Leute, die uns zum ersten Mal sehen, ich wäre mit dir zusammen", kicherte Inoran. "Das liegt daran, dass du wie 'ne Zuckerpuppe aussiehst – nicht daran, dass ich nicht männlich genug wirke", stellte J klar. "Zuckerpuppe, ja?" Inoran rümpfte die Nase. "Immer diese blöden Bemerkungen! Nur weil ich lange Haare habe, muss man mich doch nicht automatisch gleich für ein Mädchen halten!" "Meine Güte, es liegt doch nicht nur an den langen Haaren." J seufzte. "Hast du jemals in den Spiegel gesehen? Glaub mir, es gibt Mädchen in unserer Schule, die eifersüchtig auf dein hübsches Gesicht sind." "... oh", war alles, was Inoran dazu einfiel. Zugegeben, damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Dass ihn irgendwer für sein Gesicht beneiden könnte war für ihn irgendwie unvorstellbar. Er selbst fand sich eher durchschnittlich, wenn nicht sogar langweilig... Dann ließ er sich Js letzten Satz noch mal durch den Kopf gehen, bis ihm schließlich auffiel, was ihn daran noch irritiert hatte: "Du findest also, ich habe ein hübsches Gesicht?", fragte er neugierig. "Mann! Jetzt hör auf, so blöde Fragen zu stellen!", entgegnete J ungehalten und Inoran musste lachen. Er wusste, wie unangenehm J solche Themen sein konnten. "Es ist dir rausgerutscht, jetzt musst du es auch erklären!", erwiderte er unbarmherzig. "Sonst solltest du die Sache mit dem Liebespaar noch mal überdenken..." "Mein Gott, du nervst echt...!" J stöhnte. Doch Inoran wusste, dass er gewonnen hatte - wenn J nicht in den nächsten Tagen und Wochen seinen Spott über sich ergehen lassen wollte, musste er sich nun dazu äußern. "Ja, verdammt, ich finde dich hübsch!", fuhr der andere schließlich zerknirscht fort. "Ebenso wie ich auch bei anderen Männern manchmal denke 'ja, der sieht nicht schlecht aus, auf den fahren die Mädels sicher ab'. Nur weil ich das Aussehen von Leuten des gleichen Geschlechts bewerte, bedeutet das aber noch längst nicht, dass ich schwul bin, okay?!" Hätte J nicht auf ihm gelegen, hätte Inoran sich in diesem Moment sicher den Bauch gehalten, so sehr musste er lachen. Er fand es furchtbar unterhaltsam, wie viel J daran zu liegen schien, dass man ihn nicht für schwul hielt. Nicht, dass Inoran ihm das tatsächlich unterstellen würde – so lebensmüde war er dann doch nicht – aber es machte Spaß, den anderen damit aufzuziehen. J, der sich schon denken konnte, was gerade in Inorans Kopf vor sich ging, stürzte sich auf seinen besten Freund, um ihn abzukitzeln. Da der andere furchtbar kitzlig war, nutzte J diese Form der Rache sehr gerne. Es entstand eine kleine Rangelei, die Inoran wie immer verlor, da J nicht nur größer sondern auch um einiges muskulöser war als er selbst. "Schon gut, schon gut, du hast gewonnen!", gab er schließlich japsend auf. "Du bist der männlichste Junge, den ich kenne! Zufrieden?" "Ich denke schon", entgegnete J grinsend. "Na gut... ich werde dich verschonen. – Aber nur, weil du es bist", fügte er großzügig hinzu. "Danke, zu gnädig", sagte Inoran trocken. "Wenn du jetzt bitte wieder von mir runter gehen könntest..." *~*~* Als diese Unterhaltung stattfand waren sie vierzehn Jahre alt und Inoran stellte Js Sexualität danach tatsächlich nicht mehr in Frage – erst recht nicht, als der andere sich immer häufiger mit Mädchen zu treffen begann. Vielleicht hätte Inoran dieses Gespräch sogar irgendwann vergessen, wenn sie nicht zwei Jahre später in die High School gekommen wären... wo Sugizo in ihr Leben trat. ~Ende~ *~*~* Soviel zur Einführung. ^^ Nun gibt es zwei Szenarien als Fortsetzung (ich konnte mich damals einfach nicht entscheiden 8D *hust*) - entweder "#6 - Angst" oder "#7 - Alkohol", je nachdem, welches Pairing ihr bevorzugt. ;) # 6 - Angst (Sugizo/Inoran) --------------------------- Teil: 1/1 (ein weiteres Fragment der Challenge) Musik: immer noch Plastic Tree Kommentar: Auch in diesem Kapitel habe ich mich wieder darum bemüht, mich möglichst an die Fakten zu halten. Dass Inoran beispielsweise während seiner Kindheit/Jugend mehrmals fast entführt worden ist, entspricht tatsächlich der Wahrheit. Ansonsten ist dieses Kapitel eine mögliche Fortsetzung zum letzten Teil ("Sommer") und hat mit dem nächsten Teil ("Alkohol") nichts zu tun. ^^ Die Erzählweise ist hier etwas sprunghaft, aber das ist so gewollt (also keine Sorge, der Anfang hat tatsächlich was mit dem Ende zu tun, auch wenn es nicht gleich offensichtlich ist xD); ich wollte nur mal ein bisschen herumexperimentieren. ^^ Insofern - viel Spaß beim Lesen. =) *~*~* Angst Als Inoran das erste Mal beinahe entführt wird, ist er zwölf Jahre alt. Sein Entführer, der ihn aufgrund der langen Haare für ein Mädchen hält, lässt jedoch schnell wieder von ihm ab, als er den Irrtum bemerkt, und Inoran kommt mit einem Schrecken davon. Beim zweiten Mal, nur wenige Monate später, hat er weniger Glück. Es ist spät in der Nacht und Inoran wartet auf den Bus, als ein Auto neben ihm hält und ein kräftig gebauter junger Mann ihn auffordert, in den Wagen zu steigen. Die Tatsache, dass Inoran ein Junge ist, scheint ihn dabei nicht zu stören, stattdessen wirft er ihn einfach über die Schulter und nimmt ihn mit. Als Inoran endlich klar wird, wie ernst die Lage dieses Mal ist, fängt er an sich zu wehren, nur um – nachdem der andere ihn fluchend abgesetzt hat – die Beine in die Hand zu nehmen und um sein Leben zu rennen. Der Schock ist dieses Mal größer und es dauert mehrere Tage, bis Inoran begriffen hat, welcher Gefahr er da entronnen ist. Als er J später in der Schule davon erzählt, bekommt er von ihm eine Standpauke, die sich gewaschen hat – und anschließend muss er ihn mit Gewalt davon abhalten, loszuziehen und den "verfluchten Mistkerl, wie kann er es nur wagen!" zu verprügeln. Inoran hat den Eindruck, dass der Schock über dieses Ereignis bei seinem besten Freund größer ist, als bei ihm selbst, und es beunruhigt ihn ein wenig, denn er fragt sich, wie weit J bereit ist, für ihn zu gehen... *~*~* Die Jahre vergehen und Inoran hat das Ereignis schon längst verdrängt, als eines Tages die Verführung auf ansehnlichen, langen Beine sein Leben betritt. Sugizo ist alles, was Inoran nicht ist; er hat Charme, große Träume und dieses Funkeln in den Augen, das keine Zweifel daran offen lässt, dass er alles schaffen wird, was er sich vornimmt. Inoran liebt es, sich mit ihm zu unterhalten, und mehr noch, ihm zuzuhören; er hängt an seinen Lippen und saugt seine Worte auf wie ein Schwamm das Wasser. Doch als ihre Freundschaft tiefer und ihr Respekt voreinander größer wird, entdeckt Inoran, dass auch Sugizo nicht perfekt ist, entdeckt seine ewigen Zweifel – die Unsicherheit und Einsamkeit eines Kindes, das nie es selbst sein durfte und das sich auch jetzt noch hinter den Augen des heranwachsenden, jungen Mannes verbirgt. Anders als bei J versteckt sich ein Großteil von Sugizos Persönlichkeit hinter einer Fassade, und es kostet Inoran viel Zeit und Mühe, den Menschen dahinter zu entdecken. Und er erkennt, dass Sugizo weit weniger stark und ausgeglichen ist, als er anfangs gedacht hat. Doch er bleibt – auf seine eigene, unaufdringliche Weise – hartnäckig und Sugizo lässt ihn gewähren, vielleicht sogar als ersten Menschen überhaupt in seinem Leben, und je mehr Steine Inoran von der Mauer, die sie trennt, abtragen kann, desto stärker wird das Band zwischen ihnen. Wenn er mit J zusammen ist, redet Inoran fast nie über Sugizo – ebenso wie er es in Gegenwart des anderen Gitarristen vermeidet, J zu erwähnen. Sie gehören für ihn zwei völlig verschiedenen Welten an, die er bei Gesprächen klar voneinander trennt – auf dieser Seite ist Sugizo, auf jener J – und obwohl er sich bei beiden wohlfühlt, fällt es ihm schwer, beide Welten miteinander zu vereinbaren, weil sie abgesehen von der Musik nur wenig gemeinsam haben. Denn auch wenn sich die beiden stets mit ausgesuchter Höflichkeit begegnen, scheinen sie nicht so recht miteinander warm zu werden, und Inoran bleibt ratlos. *~*~* An einem kalten Herbstabend sitzen sie zu viert – Shinya, Sugizos bester Freund, hat sich ihnen angeschlossen – in einer Bar und quatschen, albern herum und trinken, bis Inoran kaum noch geradeaus gucken kann und drei Anläufe braucht, bis er es geschafft hat, nach dem richtigen Glas zu greifen. J und Shinya sind in ein Gespräch über Musikinstrumente vertieft und Inoran, der an Js Schulter lehnt, will gerade erneut die Hand nach seinem Glas ausstrecken, als Sugizo sie sacht festhält und den Kopf schüttelt. "Du hattest genug für heute", sagt er. "Und ich bin mir sicher, es gibt angenehmere Dinge, als den restlichen Abend über der Kloschüssel zu verbringen." "Ich bin erwachsen", erwidert Inoran beleidigt. "Ich weiß, was ich tue." Selbst in seinen eigenen Ohren klingen diese Worte kindisch und Inoran bereut sie sofort wieder. Doch Sugizo lächelt nur und steht dann auf. "Lass uns nach Hause gehen." Nach Hause... Wenn Sugizo das sagt, heißt es für gewöhnlich, dass Inoran bei ihm übernachtet – und wäre dies ein anderer Tag gewesen, wäre Inoran ihm ohne Zögern gefolgt. Doch dieses Mal hat er J versprochen, dass er die Nacht über bei ihm bleiben wird, darum schüttelt er nur den Kopf. "Ich bleib' hier", nuschelt er und kuschelt sich demonstrativ an den Bassisten, der ihm einen flüchtigen Blick zuwirft, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Shinya widmet. Für einen kurzen Moment sieht Inoran die verschiedensten Emotionen über Sugizos Gesicht huschen, bevor der andere sich wieder fassen kann und sein Gesicht nichts als freundschaftliche Besorgnis widerspiegelt. "Ist gut", sagt Sugizo leise und greift nach seiner Jacke, um zu gehen. Inoran hat plötzlich Mitleid mit ihm, und er erhebt sich schwankend und fällt dem anderen um den Hals. "Sei bitte nich' böse", murmelt er lehnt die Stirn an Sugizos knochige Schulter. "Hab's nich' so gemeint." Sugizo legt vorsichtig die Arme um ihn und lächelt. Es ist ein schüchternes Lächeln, das völlig deplatziert an ihm wirkt, denn Sugizo ist sonst schließlich immer alles andere als schüchtern. Oder...? Im Raum ist es stickig, und Inoran ist schwindlig und heiß. Als er träge den Kopf hebt sieht er, dass auch Sugizo bereits der Schweiß über den Nacken läuft, und er streckt die Zunge aus, um ihn abzulecken. Sugizo gibt ein leises Japsen von sich, das Inoran zum Kichern bringt, und plötzlich ist dort, wo eben noch Sugizos Hals war, ein Lippenpaar, das seinen Mund in Beschlag nimmt. Dieses Mal ist es Inoran, der ein ersticktes Geräusch von sich gibt, doch anstatt den anderen von sich zu schieben klammert er sich nur fester an ihn und erwidert den Kuss. Sugizo ist über Inorans Mut nicht weniger überrascht, als er selbst, doch er geht nur zu gern auf ihn ein und wenige Momente später haben sie die Welt um sich herum vergessen. Erst ein leises, aber nachdrückliches Räuspern holt sie in die Realität zurück und hastig lösen sie sich wieder voneinander. "Ich will euch Turteltäubchen nur ungern stören", sagt Shinya fröhlich, "aber vielleicht solltet ihr das besser woanders fortführen." Er nickt mit dem Kopf in Richtung des Nachbartisches, von dem aus man ihnen bereits seltsame Blicke zuwirft. Inoran nagt an seiner Unterlippe und sieht fragend zu J hinüber, der den Kopf in die Hand stützt und seinen Blick meidet. Dann zuckt er mit den Schultern. "Tut, was ihr für richtig haltet", brummt er, und Inoran spürt, dass sich für J das Thema damit erledigt hat. Als Sugizo ihn sacht zum Ausgang schiebt, wirft Inoran einen letzten Blick über die Schulter und erstarrt innerlich, als er Js Blick begegnet und den Ausdruck in seinen Augen sieht – den gleichen Ausdruck, den er bereits vor Jahren schon einmal gesehen hat, damals, als J gedroht hat, den Kerl fertig zu machen, der es gewagt hatte, Hand an Inoran zu legen. Und plötzlich ist diese Angst wieder da, die Angst davor, dass J für ihn über Leichen gehen würde. Doch dieses Mal ist Inorans Furcht größer, denn die Person, gegen die sich der Zorn seines besten Freundes richtet, ist einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben... ~ Ende ~ # 7 - Alkohol (J/Inoran) ------------------------ Teil: 1/1 (letztes Fragment der Challenge) Musik: es ist (Überraschung!) immer noch Plastic Tree xD Kommentar: Und hier wäre dann auch schon der letzte Teil. =) Er basiert ebenfalls auf "#5 - Sommer", hat aber mit #6 inhaltlich nichts zu tun. ^^ Ich persönlich mag diesen Teil am liebsten, weil J/Inoran einfach total OTP sind und ich die beiden zusammen shippe wie sonstwas. (Sie geben einem aber auch jeden Anlass dazu, echt. Es ist schon fast widerwärtig, wie unglaublich niedlich die zwei - auch jetzt nach über 20 Jahren noch - immer zusammen sind. ;P) Viel Spaß also mit dem letzten Teil. ^^ *~*~* Alkohol Als sie sich das erste Mal küssen, sind sie beide stockbetrunken. Wie genau es dazu kam, daran kann J sich im Nachhinein nicht mehr erinnern. Eben noch stehen sie zusammen an der Bar und jubeln der Band zu, die gerade ihr letztes Lied gespielt hat... und dann liegen seine Hände plötzlich an Inorans Hüften und Inorans Mund ist auf seinen Lippen. Doch J beschwert sich nicht. Ganz sicher nicht. Ein Teil von ihm stellt fest, dass an dieser Situation irgendetwas nicht stimmt; er vermutet, dass es etwas mit besten Freunden zu tun hat und damit, dass Küssen da eigentlich nicht mit dazugehören sollte. Einen weiteren Teil interessiert das allerdings einen Scheißdreck, denn Inorans Lippen sind warm und weich, und trotz des Geschmacks von Alkohol und Zigaretten ist es das beste, was er jemals probiert hat... und beiläufig fragt er sich, wieso zum Teufel sie das nicht schon viel früher getan haben. Der Großteil von ihm ist allerdings zu betrunken, um weitere überflüssige Fragen zu stellen, also legt er die Arme um Inoran und zieht ihn dichter an sich. Der Kuss ist weder sehr romantisch noch besonders gut – J spürt, dass es Inoran in diesen Dingen an Erfahrung mangelt – und doch ist er für ihn in nahezu jeder Hinsicht perfekt. Fast als hätte J schon seit Jahren auf diesen Moment gewartet, so dass er jetzt, wo es endlich so weit ist, aufgrund der puren Freude darüber auch über alle Unzulänglichkeiten hinwegsehen kann. Er weiß, dass dieser Gedanke gefährlich ist, darum verdrängt er ihn schnell wieder und zieht Inoran tiefer in den Schatten neben dem Eingang. Im Livehouse ist es laut; die nächste Band stimmt bereits ihre Instrumente und ständig kommen Leute herein oder verlassen das Gebäude wieder. Dem Paar in der Ecke schenken sie kaum mehr als einen flüchtigen Blick, wild herumknutschende Pärchen sieht man hier öfters. Wahrscheinlich wären sie nicht mal entsetzt gewesen, hätten sie gewusst, dass Inoran kein Mädchen ist. Js Hände vergraben sich sacht in Inorans langen Haaren, während er den Kuss vertieft. Der andere keucht leise auf und bohrt die Fingernägel in seinen Rücken, und sowohl das Geräusch als auch der leichte Schmerz sorgen dafür, dass J fast durchdreht. Nur mit Mühe kann er sich beherrschen, Inoran nicht hier und jetzt die Kleider vom Leib zu reißen. (Ein wenig bedauert er es auch, dafür noch nicht betrunken genug zu sein...) Schließlich, nach einer Ewigkeit, wie es ihm scheint – und doch nicht lange genug – lösen sie sich wieder voneinander. J legt sacht die Hände an Inoran erhitzte Wangen und streichelt mit dem Daumen die roten Lippen, während er die Stirn an die des anderen lehnt. Inorans Augen sind halb geschlossen und sein Blick ist trüb, und J fragt sich, wie viel er von der letzten halben Stunde überhaupt mitbekommen hat. J weiß, dass er ihn als verantwortungsbewusster Freund jetzt nach Hause bringen sollte, damit er seinen Rausch ausschlafen kann, doch ihm ist auch klar, dass er eine Gelegenheit wie diese vielleicht nicht so schnell wieder bekommt. Während Inoran den Kopf an seine Brust lehnt und einzudösen beginnt, fängt J an, sehr lange und intensiv nachzudenken. Es ist ein Kampf mit sich selbst, doch schließlich trifft er eine Entscheidung, und auch wenn seine Hormone anderer Meinung sind, weiß er, dass es die einzig richtige ist. Sanft packt er Inoran am Arm und zieht ihn mit sich, bugsiert ihn nach draußen. Zu seinem Apartment ist es nicht sehr weit, und nachdem sie zwanzig Minuten lang schwankend und sich gegenseitig stützend durch die eisige Nacht gestolpert sind, sind sie auch schon da und Inoran fällt in sein Bett, wo er wie ein Stein liegen bleibt und sich nicht mehr rührt. J schüttelt nur den Kopf, dann schält er sich aus seinen Sachen und legt sich zu seinem Freund auf die schmale Matratze. Inoran scheint im Halbschlaf zu spüren, dass er nicht allein ist, und er dreht sich zu J herum und vergräbt das Gesicht an seiner Halsbeuge. J seufzt, bevor er einen Arm um ihn legt und die Decke über sie beide zieht. Es ist nicht das erste Mal, dass sie im gleichen Bett schlafen, doch nie zuvor hat Js Herz so schnell und laut geschlagen, wie jetzt. Er wundert sich, dass Inoran nicht aufwacht, er kann es doch unmöglich überhören. "Ino?", flüstert er in die Dunkelheit hinein. Doch Inoran antwortet nicht. J fühlt sich unbehaglich und gleichzeitig wie im Himmel. Er genießt es, den anderen zu halten und ihm sacht über den Rücken zu streichen, und auch wenn sich Inoran am nächsten Tag wahrscheinlich an nichts mehr erinnern wird, ist es im Moment besser als alles, wovon er je geträumt hat. Umso überraschter ist er, als er plötzlich Inorans Atem an seiner Wange spürt und kurz darauf seine Lippen auf seinem Mund. Doch der Moment ist ebenso schnell vorüber, wie er gekommen ist, und als sein Verstand endlich wieder einsetzt, hat Inoran bereits von ihm abgelassen und kuschelt sich an seine Brust. "Denk nicht soviel nach, Junjun", murmelt er. "Das kannst du morgen noch machen. Jetzt lass uns schlafen." Und damit ist er wieder eingedöst und J starrt mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Wenn Inoran noch die Energie für Sarkasmus aufbringen kann, bedeutet das vor allem eines: dass sein bester Freund nicht halb so betrunken ist, wie er dachte. J lächelt wie ein Wahnsinniger, so glücklich ist er. Er schmiegt die Wange an Inorans Kopf und schließt die Augen, dann schläft auch er ein. ~ Ende ~ *~*~* Und dies ist auch erst mal das vorläufige Ende von "Short Stories". =) Ich werde die Fanfic natürlich nicht komplett beenden, aber ich kann auch nicht sagen, wann ich daran weiterschreiben werde, darum werde ich sie vorerst pausieren. Vielen Dank also noch mal an alle, die solange durchgehalten und mich ermutigt haben, daran weiterzuschreiben. =) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)