東京幻想 von abgemeldet (Tokyo Illusions (Kapitel 1 - 8 korrigiert)) ================================================================================ Kapitel 23: Neue Freunde ------------------------ Es war bereits nach elf Uhr abends. Naomi war als Einzige noch im Studio geblieben und arbeitete an dem Song, den sie gerade aufnahmen. Irgendwie gefiel ihr das Gitarrensolo noch nicht so wirklich. Die Lyrics waren bereits abgesegnet und der Titel für die erste Single stand ebenfalls schon fest. Es war einer ihrer älteren Texte, den sie jetzt allerdings noch einmal mit Yûichis Hilfe überarbeitet hatte. "Sag mal, was machst du eigentlich noch hier?", kam eine verwunderte dunkle Stimme von der Tür, die sie zusammenzucken ließ. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass außer ihr noch jemand hier war. Der Sänger ihrer neuen Band betrat den Raum und ging auf sie zu. "Hast du kein Zuhause?" "Doch", gab sie knapp zurück und fluchte herzhaft, weil sie sich verspielt hatte. "Ist dir eigentlich klar, wie spät es ist?", versuchte er es erneut, als er sich neben sie setzte. "Du musst dir nicht auch noch die Nächte um die Ohren schlagen, die Aufnahmen sind doch ohnehin schon so gut wie abgeschlossen. Wir haben noch ein bisschen Zeit." "Ich will das hier aber noch fertig bekommen", erwiderte sie mürrisch und versuchte es erneut. Yûichi seufzte und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. "Wohnst du nicht mit dieser Blonden zusammen? Luca?", fragte er sie. Naomi verdrehte die Augen und gab es schließlich auf. Wenn dieser Typ sie die ganze Zeit ansprach, konnte sie sich nicht anständig auf ihr Solo konzentrieren. Sie hatte nichts gegen ihn, im Gegenteil, er war ihr sogar sehr sympathisch, aber so konnte sie beim besten Willen nicht arbeiten. "Ja, wir wohnen zusammen, warum fragst du?" Sie stellte ihre Gitarre weg und sah ihn auffordernd an, als sie sich wieder zu ihm setzte. Er hob abwehrend die Hände. "Ich dachte mir nur, dass sie sich vielleicht Sorgen um dich macht, weil du noch nicht zu Hause bist…" "Sie weiß, dass ich noch hier bin, wir haben vor einer Stunde miteinander telefoniert." Yû schüttelte den Kopf. "Bist du immer so arbeitswütig? Oder liegt es nur daran, dass dies unser Debüt ist?", wollte er von ihr wissen. Die Brünette zog eine Augenbraue hoch. Warum stellte er ihr so viele Fragen? "Wenn ich arbeite, vergesse ich meist alles um mich herum. Luca weiß das, deswegen ruft sie mich zwischendurch an, wenn wir nicht zu Hause sind. Abgesehen davon ist es eine gute Ablenkung." "Ablenkung? Wovon?" Sie knirschte mit den Zähnen und er legte die Stirn in Falten. "Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht willst. Es interessiert mich nur." "Und warum interessiert dich das?", meinte sie leise und lehnte sich zurück. "Es ist ja nicht so, als wäre ich etwas Besonderes, oder so…" Irritiert sah er sie an. "Wer erzählt denn so was?" "Direkt gesagt hat es eigentlich niemand… aber Taten zählen mehr als Worte, oder nicht?" Yûichi biss sich auf die Unterlippe. Anscheinend hatte er einen wunden Punkt bei ihr erwischt. Eigentlich hatte er nur nachsehen wollen, warum im Aufnahmeraum noch Licht war. Woher hätte er denn wissen sollen, dass die Neue noch arbeitete? Er hätte auch nicht damit rechnen können, dass direkt eine so ernste Konversation entstehen würde. "Du bist also versetzt worden, verstehe ich das richtig?" Sie warf ihm einen Seitenblick zu und nickte schließlich. "Kann man so sagen." Der Sänger stieß sie leicht mit dem Ellbogen an. "Wenn du so unbedingt Ablenkung brauchst, dann kannst du auch etwas mit uns unternehmen. Das ist doch viel besser als nur zu arbeiten, oder? Die Jungs sind gar nicht mal so übel, außerdem beißen wir dich schon nicht", grinste er sie an. Naomi zuckte unwillkürlich zusammen. Irgendwie hatte sie gerade ein Déjàvu. Am Abend ihrer ersten Begegnung hatte Kirito ebenfalls zu ihr gesagt, dass er und seine Kollegen nicht beißen würden, weil sie so schrecklich nervös gewesen war. Geistesabwesend griff sie nach ihrem Handy, aber es war keine Nachricht für sie angekommen. Kurzentschlossen stand Yûichi auf, packte ihr Handgelenk und zog sie mit sich. "Komm, es bringt dir gar nichts, wenn du hier sitzt und schmollst oder dich verkriechst. Du solltest lieber ein bisschen Spaß haben." Die Musikstudentin hatte gerade noch Gelegenheit, nach ihrer Handtasche zu greifen, als der Sänger sie hinter sich herzog. "Wo willst du eigentlich mit mir hin?", fragte sie ihn verwirrt. "Das wirst du schon sehen", antwortete er gutgelaunt, als sie die Treppen hinuntergingen. Er führte sie zu einem kleinen roten Honda. "Steig einfach ein und lass dich überraschen." Sie blinzelte ihn an, zuckte dann aber mit den Schultern und ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder, als sich Yû ans Steuer setzte und kurz darauf losfuhr. Als sie schließlich anhielten, waren sie in einer Gegend, die sie nicht kannte. Leicht besorgt biss sie sich auf die Unterlippe. Sie ging zwar nicht davon aus, dass der Sänger ihr etwas tun würde, schließlich waren sie in der selben Band, aber trotzdem war ihr nicht ganz wohl bei dem Gedanken daran, mit einem ihr noch ziemlich unbekannten Mann in einer ihr völlig fremden Gegend unterwegs zu sein. Nachdem sie ausgestiegen waren, legte er ihr einen Arm um die Schultern und führte sie zu einem der Mehrfamilienhäuser. Er klingelte und kurz darauf wurde auch schon geöffnet. Vor ihnen stand der rothaarige Gitarrist der Band. "Yû!", rief dieser überrascht aus. "Was machst du denn um diese Uhrzeit hier?" Dann fiel sein Blick auf Naomi. "Ah… verstehe", meinte er mit einem breiten Grinsen und ließ die beiden eintreten. "Was verstehst du?", entgegnete die Brünette mit hochgezogener Augenbraue. "Er hat mich mehr oder weniger entführt." "Das war mir schon klar", gab der Gitarrist amüsiert zurück. "Wollt ihr was trinken?" "Das fragst du noch?", erwiderte Yûichi und schob die Studentin einfach in einen Raum, in dem mehrere Gitarren an der Wand hingen. "Eigentlich sind wir nur hier, um uns ein wenig die Zeit zu vertreiben." Kôji brachte eine Flasche Gin und drei Gläser mit. "Ihr wollt euch bei mir die Zeit vertreiben?", fragte er ungläubig, als er ihnen einschenkte. "Schon klar." Der Sänger warf ihm ein Sofakissen ins Gesicht. "Die Kleine hier braucht ein wenig Ablenkung, sonst arbeitet sie sich wahrscheinlich noch zu Tode." "Wie jetzt…?" Der Rothaarige sah die beiden verwundert an. "Ich habe sie gerade eben noch im Studio aufgegabelt, weil sie sich nicht von ihrer Arbeit trennen wollte", erklärte Yû und nahm dankend das Glas entgegen, das ihm sein Freund und Kollege reichte. Beim Anblick der Gin-Flasche zuckte Naomi leicht zusammen. Es war wieder eines der Dinge, die sie unheimlich an Kirito erinnerte. Sie unterhielten sich eine ganze Weile und die Studentin stellte fest, dass die beiden tatsächlich sehr umgänglich waren, wenn man sie erst einmal ein wenig kannte. Natürlich kamen sie auch darauf zu sprechen, warum sie so spät noch im Studio gewesen war, und aufgrund ihres steigenden Alkoholpegels – natürlich waren sie nicht bei dem Gin geblieben, sondern bald schon auf Tequila und diverse andere Getränke umgestiegen – erzählte sie ihren beiden Kollegen, warum sie sich derzeit mehr oder weniger in die Arbeit flüchtete. Immerhin war sie noch nüchtern genug, Kiritos Namen nicht zu erwähnen. "Gott, was für ein hirnrissiger Idiot!", schimpfte Kôji. "Vergiss den Kerl doch einfach und komm zu mir!" Die Brünette zog missbilligend eine Augenbraue hoch. "Dir ist schon klar, dass Luca dich umbringen würde, ja?" "Ach was…", grinste der Rothaarige, sah sie allerdings vorsichtig an. Er konnte sich noch lebhaft an seine erste Begegnung mit der Blonden erinnern. "Wird sie nicht eher ihn töten?" "Doch, das wird sie bestimmt", antwortete Naomi und leerte ihr Glas. "Und seinen Bruder gleich mit." "Wieso das?", wunderte sich Yûichi und lehnte sich auf dem Sofa zurück. "Hat er dir etwa auch was getan?" Die Studentin schüttelte den Kopf. "Nein, aber er hat sich bei ihr auch nicht mehr gemeldet. Beide sind sozusagen spurlos verschwunden." Als die beiden Männer sie fragend ansahen, schürzte sie angewidert die Lippen. "Sie ist… oder war viel eher… mit ihm zusammen", erklärte sie. "Uh oh…", murmelte der Sänger. "Das heißt, die beiden haben euch beide gleichzeitig sitzen lassen?" Naomi nickte. "So ist es." Kôji wiegte nachdenklich den Kopf hin und her, was er allerdings recht schnell bereute, da ihm dadurch nur schwindelig wurde. "Was du brauchst, ist eine Generalüberholung." "Eine was?" Die Musikstudentin sah ihn stirnrunzelnd an. "Neues Outfit, neuer Look, neue Leute, neue Umgebung… so was in der Art." "Hab ich doch schon…", gab sie zurück und schlug die Beine übereinander. "Ich habe euch, ich habe mit den Songs und der Uni genug zu tun, ich habe Luca, die mir neue Klamotten entwirft… was will ich mehr?" Sie nahm ihr erneut gefülltes Glas von dem Rothaarigen entgegen und nippte daran. "Wartet mal eben", meinte dieser plötzlich, stand auf und verließ den Raum. Naomi und Yûichi sahen ihm verwirrt nach. "Was hat er jetzt schon wieder…?", fragte der Sänger irritiert und warf seiner Kollegin einen fragenden Blick zu, doch diese zuckte nur mit den Schultern. "Woher soll ich das wissen? Ich kenne ihn doch kaum." Es dauerte nicht lange, bis sie herausfinden sollten, was sich der Gitarrist in den Kopf gesetzt hatte, als er freudestrahlend mit einer Tüte und zwei Schüsseln zurückkam. Er grinste die beiden breit an und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. "Eigentlich war das ja für mich gedacht, aber ich glaube, du kannst es im Moment besser gebrauchen", erklärte er feierlich, als er begann, diverse Utensilien aus der Tüte herauszufischen. Die Brünette sah ihn zweifelnd an. "Und was soll ich damit?" "Wir müssen deinen Look dem der Band anpassen", antwortete Kôji schlicht und begann, in einer der beiden Schüsseln Farbe anzurühren. "Du willst mir die Haare färben?", fiepte Naomi entsetzt und rutschte etwas von ihm weg. "Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Du bist betrunken!" "Na und?", meinte der Gitarrist schulterzuckend. "Meine Haare habe ich mir auch betrunken gefärbt und die sehen doch ganz okay aus." Nach einigen Protesten gab sie es schließlich auf und ergab sich ihrem Schicksal. Der Rothaarige wuselte eine Weile an ihrem Kopf herum und verteilte jede Menge kalte Masse in ihren Haaren. "Welche Farbe wird das eigentlich?", fragte sie in einem resignierten Tonfall. "Wonach sah es denn aus?", gab er amüsiert zurück. "Natürlich pink!" "Und warum riecht das so nach Ammoniak?" "Weil ich deine Haare erst noch bleichen muss, Dummerchen." Yûichi saß ihr gegenüber und sah sie mitleidig an. Er konnte sich schon vorstellen, woran die junge Frau dachte. Luca würde ausrasten, sie würde zumindest Kôji umbringen, weil er der Musikstudentin die Haare gefärbt hatte. Und ihn selbst wahrscheinlich auch, weil er den Gitarristen nicht davon abgehalten hatte, sondern stillschweigend zugesehen hatte. Zwei Stunden später war der Rothaarige schließlich mit seiner Arbeit zufrieden. "Et voilà!", meinte er und hielt Naomi einen Spiegel hin. Diese betrachtete sich kritisch. "Scheint alles recht gleichmäßig zu sein…", meinte sie. "Aber Luca wird dich trotzdem lynchen… das sollte dir klar sein." "Irgendwas fehlt da noch", murmelte der Angesprochene vor sich hin, der ihr offensichtlich gar nicht zugehört hatte. Der Sänger war nicht sicher, ob er wissen wollte, was sich der rothaarige Gitarrist noch einfallen lassen würde. Er stand auf und kramte in der Tüte. "Das Pink ist viel zu grell…", sagte er und holte schwarze Farbe heraus. "Bring mir eine Schüssel", forderte er seinen Kollegen auf. Kôji sah ihn irritiert an, dann leuchtete sein Gesicht auf. "Genau, das ist es! Yû, du bist brillant!", rief er aus und verschwand kurz, um die Schüssel zu holen. "Was machst du da?", fragte Naomi unsicher, als Yû die schwarze Farbe anmischte. "Willst du sie jetzt komplett schwarz machen?" Er sah kurz auf und schüttelte den Kopf. "Nein, aber ein paar Strähnen wären nicht schlecht, um diesen Bonboneffekt ein wenig abzuschwächen." Dann wies er sie an, still zu halten, und begann mit seiner Arbeit. Als Naomi am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie fürchterliche Kopfschmerzen, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, warum. Sie fasste sich an die Stirn und drehte sich um, wobei sie blinzelnd die Augen öffnete. "Wo bin ich?", murmelte sie benommen und sah sich verwirrt in dem kleinen Raum um. Sie konnte sich nicht wirklich an den vorigen Abend erinnern. Hatte sie etwa getrunken? Wahrscheinlich… anders konnte sie es sich nicht erklären. Die Studentin stand auf, schwankte und hielt sich an einem Wohnzimmertisch fest, den sie noch nie gesehen hatte. Übelkeit stieg in ihr auf. Der ganze Raum roch nach Ammoniak… aber das war nicht der einzige Grund. Wohl eher der Inhalt der ganzen Flaschen, die überall auf dem Boden herumlagen. Mit wem hatte sie getrunken? Und dann auch noch so viel? Alleine ganz bestimmt nicht… dann wäre sie niemals in einer fremden Wohnung aufgewacht. Oder doch? Was um alles in der Welt hatte sie nur gemacht? Sie rappelte sich auf und ging langsam aus dem Raum, auf der Suche nach einem Bad. Sie öffnete die erste Tür, die sie finden konnte. Allerdings führte diese nicht in ein Badezimmer, sondern in einen weiteren, abgedunkelten Raum. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, dann konnte sie zwei schlafende Personen sehen, konnte aber nicht erkennen, um wen es sich handelte. Leise schloss sie die Tür wieder und versuchte es mit der nächsten, bei der sie diesmal mehr Glück hatte. Sie tastete nach einem Lichtschalter und es dauerte auch nicht lange, bis sie diesen gefunden hatte. Als sie jedoch in den Spiegel sah, stolperte sie einen Schritt zurück und schlug schreiend die Hände vor ihr Gesicht. Das war ganz bestimmt nicht ihre eigene Reflektion gewesen! Sie hatte doch nie und nimmer pinke Haare! Sie hörte, wie eine Tür schwungvoll geöffnet wurde und sich ihr schnelle Schritte näherten. "Nao?" Naomi vergrub ihre Finger in den schulterlangen Haaren, sie bis vor wenigen Stunden noch hellbraun gewesen waren und ging rückwärts, bis sie an eine Wand stieß, an der sie sich herab gleiten ließ. Zitternd saß sie auf dem Boden und sah auf, nur um festzustellen, dass es Kôji war, der da vor ihr stand. "Nao, ist alles in Ordnung? Was ist passiert?", wollte der Rothaarige von ihr wissen und ging vor ihr in die Hocke. "Ich… ich… da… das…", stammelte sie und zeigte Richtung Badezimmer. "Was ist denn da?", wollte Yûichi wissen, der sich nun auch zu ihnen gesellte. Er ging ins Bad und sah sich dort um. "Da ist nichts… hast du Halluzinationen? Oder einfach nur den Alkohol nicht vertragen?", grummelte er. Die Musikstudentin sah die beiden mit großen Augen an und nahm ihre Hände herunter, wodurch ihr einige ihrer Strähnen in die Stirn fielen. Im ersten Moment registrierte sie es gar nicht, doch dann blinzelte sie entsetzt und hielt sich ein Büschel ihrer Haare direkt vor die Augen. "Pink!", quietschte sie auf. "Sie sind pink!" "Uh…", brummte Kôji grinsend. "Ja, sind sie. Das haben wir letzte Nacht gemacht." "Höh?" Sie ließ die Fransen los und warf dem Gitarristen einen irritierten Blick zu. "Wie jetzt?" "Blackout, huh?", meinte Yû, setzte sich im Schneidersitz neben sie und stupste sie leicht an. "Wenn du nicht so viel Alkohol verträgst, solltest du es nächstes Mal lieber sein lassen." Der Rothaarige nickte, noch immer recht amüsiert. "War wohl ein ziemlicher Schock, jetzt, wo du dich nicht mal daran erinnern konntest, dass wir dir die Haare gefärbt haben." Er wuschelte ihr durch die Haare und stand dann auf. "Wie wäre es mit Frühstück?" "Bist du sicher, dass das so eine gute Idee ist? Wenn sie schon so verkatert ist?", wandte der Sänger ein, stand ebenfalls auf und half dann Naomi auf die Beine. "Ich nehme an, du wolltest aus einem ganz bestimmten Grund ins Bad." Die junge Frau nickte und ging dann an ihm vorbei. "Aber ich bin nicht so verkatert, dass ich aufs Frühstück verzichten würde", fiepte sie leise, bevor sie die Tür hinter sich schloss. Nachdem sie sich frisch gemacht hatte, wankte sie noch immer leicht benommen in die kleine Küche. Es war nicht schwer für sie, den Raum zu finden, schließlich war dies die einzige Tür, die sie zuvor nicht ausprobiert hatte. "Na, geht es dir jetzt etwas besser?", fragte Yûichi, als sie sich zu den beiden an den Tisch setzte. Sie nickte, bereute dies allerdings augenblicklich, da ihr schwindelig wurde. "Mein Kopf bringt mich zwar um, aber nach dem Essen geht es mir bestimmt wieder gut." Kôji betrachtete sie von oben bis unten. "Das glaube ich dir gern", meinte er mit hochgezogener Augenbraue. "Du siehst aus, als könntest du das vertragen. Wann hast du eigentlich zum letzten Mal was gegessen?" "Bevor ich zum Studio gekommen bin?", gab sie zurück. "Danach… eigentlich nichts mehr, ich hab ja gearbeitet." "Du bist ja auch verrückt", seufzte der Sänger kopfschüttelnd. "Was arbeitest du auch so viel? Du siehst aus, als hättest du seit Tagen nichts mehr gegessen." "Das meinst aber auch nur du." Naomi zog amüsiert einen Mundwinkel nach oben. Dann fiel ihr noch etwas ein. "Wo bin ich hier überhaupt?" "In meiner Wohnung?", antwortete Kôji breit grinsend. Als sie ihn bloß ausdruckslos anstarrte, zuckte er nur mit den Schultern. "In Kiba. Warum fragst du?" "Weil ich das gern wissen wollte…", murmelte sie, "da er mir ja gestern, als wir herkamen, nicht verraten wollte, wohin er mich entführt." Yûichi horchte auf. "Ah, so langsam kannst du dich wieder erinnern, huh?" Die Musikstudentin machte ein zustimmendes Geräusch. "Die wichtigere Frage ist aber… was gibt es zum Frühstück?" "Kaffee", erwiderte der Gitarrist spontan. "Und Toast. Wenn du magst, kannst du dir auch noch Yakisoba machen, ich müsste noch zwei Päckchen da haben…" Naomi lachte lauthals auf. "Du bist lebensmüde, kann das sein?" Ihre beiden Kollegen sahen sie nur verständnislos an. "Warum?", wollten sie wissen. "Lass mich nie… niemals… in deinem ganzen Leben an deinen Herd." Sie machte eine vage Geste mit der Hand. "Vorausgesetzt, du willst deine Küche behalten." Der Sänger prustete los. "Du machst Scherze. Du bist eine Frau." "Ich mache keine Scherze. Frag Luca… die würde mich niemals kochen lassen… sie hängt an ihrer Küche." Sie holte kurz Luft. "Und an mir natürlich auch", setzte sie schließlich grinsend nach. "Wenn ich versuchen würde zu kochen, dann würde ich erstens die Küche in die Luft jagen oder zumindest in Brand stecken… und mich womöglich umbringen. Ich hab einmal versucht, was für meine Mutter zu kochen… die Folgen waren katastrophal." "Okay… dann lassen wir das mit dem Yakisoba", meinte der Rothaarige mit panischem Gesichtsausdruck. "Ist hier in der Nähe eigentlich eine Bahnhaltestelle?" Yûichi nickte. "Klar… aber wenn du magst, kann ich dich auch nach Hause fahren. Schließlich habe ich dich hierher entführt", grinste er. "Dann solltest du Luca aber besser nicht begegnen…", grummelte die Pinkhaarige. "Wenn sie mich sieht, bekommt sie garantiert einen Schock. Und dann wird sie erst mal über dich herfallen." Der Sänger schluckte schwer. "Gut, dann setze ich dich einfach nur vor der Haustür ab." Er stand auf und holte das Brot aus dem Ofen, das er dann an alle drei verteilte. Hosted by Animexx e.V. 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