Coming Closer von Nea-chan (Wer sagt, dass Liebe einfach ist?) ================================================================================ Kapitel 11: Wasurenai kara -------------------------- 11 Wasurenai kara ****Ich wünschte die Zeit könnte so stehen bleiben. Meine Bitten sind voll mit abgedroschenen Worten, egal wie sehr ich dich auch ansehe. Denn ich kann nicht vergessen, wie du mich damals angelächelt hast. Die flackernden Farben, schwebend vor meinen Augen, verschwinden. Auch wenn ich meine Lider schließe, kann ich doch nie wieder zu diesem Ort zurückkehren. Ich wünschte es könnte so weitergehen. Denn die wahren Gefühle in mir, sie vergehen nicht.**** Chrissie wälzte sich unruhig in ihrem Bett. Es war warm. Viel zu warm! Sie öffnete ihre blauen Augen und blinzelte zerknirscht. Die Luft im Raum stand regelrecht, kein Lüftchen ging, selbst die Vögel draußen waren ungewöhnlich still. Sie richtete sich auf, ihr Nachthemd klebte klamm an ihr und auch ihre Haare hatten schon bessere Tage gesehen. „Na? Bist du auch wach?“ Nina drehte sich schwerfällig zu ihr um, auch ihr klebte der Pony im Gesicht.“ „Bei der Hitze kann doch kein Mensch schlafen…“, beschwerte sich die Ältere und fächelte sich mit den Händen etwas von der warmen Luft zu, in der Hoffnung Kühlung damit zu erlangen. Ihre Freundin streckte sich ausgiebig und stand dann auf um sich etwas Geeignetes zum Anziehen aus ihrer Reisetasche zu suchen. „Das kann heute nur noch heißer werden, ich hab mal einen vorsichtigen Blick auf mein Handy vorhin geworfen, wir dürften es jetzt zwischen sieben und acht Uhr haben.“ „So spät schon?!“ „Keine Sorge, ich war zwischendurch immer mal wieder kurz wach, ich glaube nicht, dass Gackt und Hyde heute früh aufstehen müssen. Zumindest hab ich noch nichts Verdächtiges gehört.“ Nina hatte sich ein schlichtes Sommerkleid aus dunkelblauem Chiffon rausgesucht, das angezogen bis kurz über die Knie reichen würde. Es hatte einfache Spagettiträger, war über der Brust geschlossen und unter ihr mit einem eingenähten Band im Rücken zusammenzubinden. Viele kleine Rosen waren draufgedruckt. „Ui, das ist chic! Hattest du das Kleid schon immer?“ „Nein, ich hab es mir extra für diesen Urlaub gekauft weil ich mir gedacht habe, wenn ich schon mal zwei Wochen Sommer in Japan erlebe, dann will ich auch mal angemessen gekleidet sein. Ich hab mir sogar hautfarbene Füßlinge gekauft!“ „Ich hab auch so ein hübsches Teil dabei, warte mal.“ Mit einem Satz war Chrissie aus dem Bett gesprungen und wühlte in ihren Sachen herum, schließlich zog sie einen Traum aus pastell-roséfarbenem Stoff hervor, dessen Muster sehr viel feiner, aber nicht weniger blumig war. „Ist das auch Chiffon?“, fragte Nina neugierig und beugte sich über die Betten hinüber um Chrissies Tunika oder was auch immer es war genauer betrachten zu können. „Puh, keine Ahnung. Das ist so eine Art Mini-Kleidchen, aber ich trag das nur mit einer hellen Shorts.“ Das zum Oberteil degradierte Kleid war im Schnitt verspielter, es warf viele schöne Falten im Saum und um den Brustbereich war es etwas gerafft, was das Volumen ihrer eher kleinen Körbchengröße vorteilhaft um eine Nummer größer erscheinen lies. Ansonsten waren die Träger und auch der Stil an sich identisch mit Ninas Kleid, obwohl es um einiges kürzer war als ihres. „Na dann ab unter die Dusche.“ Erfrischt und gereinigt war die Demse für die zwei Freundinnen einen Moment lang erträglich. Das Haar der Rotblonden war wie sooft in den letzten Tagen am Hinterkopf hochgedreht worden und hielt mit einer Spange zusammen, Nina hatte ihre längeren Haare zu einem seitlichen Zopf geflochten und ein blaues Band hineingewoben, das am Ende auch alles zusammenhielt. Sie beide standen oben in der Galerie und konnten hören, wie jemand in der Küche beschäftigt war. „Sieht so aus, als wären sie inzwischen vielleicht auch wach.“, kommentierte Nina und lief die Treppe zuerst hinunter, Chrissie folgte ihr auf dem Fuße. Mit ihrem üblichen Blick schauten sie zuerst um die Ecke, bevor sie eintraten. An diesem Morgen trug niemand eine Schürze, doch beide Sänger deckten den Tisch eifrig. Zur Abwechslung stand fast nur Obst auf dem Tisch und es roch nach Miso. Ein Krug mit köstlich gelben Orangensaft, an dem einladend Kondenswasser perlte, lud zum Erfrischen ein. Alternativ gab es auch grünen Tee, das rochen sie noch über die Misosuppe hinweg. „Guten Morgen, ihr zwei.“, grüßte Chrissie freundlich in den Raum hinein. Man drehte sich zu ihnen herum, die Sänger frohren in ihren Bewegungen einen Augenblick lang ein, bei den Mädchen war es nicht anders. Jede der Parteien musterte das Äußere der anderen. Chrissie und Nina fiel sofort auf, dass beide Männer ihre Haare nicht so locker gestylt hatten wie sonst, es fielen kaum Strähnchen in ihr Gesicht. Sie trugen beide komplett ärmellose Shirts, die figurumschmeichelnd an ihren athletischen Körpern herabflossen. Gackts war weiß mit ein paar fantasiereichen, schwarzen Kunstdrucken darauf, Hydes war in einem satten Rot und auf dem Rücken waren aus schwarzen Pailletten ein paar große Engelsschwingen eingearbeitet. Hyde trug eine locker sitzende, anthrazitfarbene Baumwollhose und Gackt eine sandfarbene Jeans durchzogen von hellgrauer Muschelung. „So hübsch heute Morgen?“, durchbrach Hyde schließlich den Moment und warf ihnen anerkennende Blicke und ein megasüßes Lächeln zu. Hitze stieg in ihren Köpfen auf und nervös zwirbelten sie am Saum ihrer Klamotten oder strichen Falten glatt, die gar nicht da waren. „Danke… ab ihr lasst euch wie üblich auch nicht lumpen.“, entgegnete Chrissie schließlich. Etwas unbeholfen blieben beide stehen und sahen dabei zu, wie das Frühstück fertig angerichtet wurde, Gackt winkte sie schließlich einladend heran. In seinen Augen funkelte etwas Geheimnisvolles, auch sein stetiges Grinsen, das er einfach nicht ablegte, seit sie beide hereingetreten waren, machte ihn verdächtig. Nina glaubte verunsichert, es lag an dem kurzen Zwiegespräch eben zwischen Hyde und ihrer Freundin. Sie wusste, wenn es an diesem Morgen nicht bereits so warm gewesen wäre, hätte sie sich vielleicht einmal mehr überlegt, ob sie dieses Kleid vor Gackt und Hyde anziehen möchte. Ein Blick auf ihre Freundin verriet ihr, dass es ihr ähnlich erging, dabei gab es gar keinen Grund für diese falsche Scham. „Kommt setzt euch, wir würden ganz gerne etwas mit euch besprechen wollen.“, wiederholte der größere Sänger seine Frage mit Worten und klopfte dabei verheißungsvoll auf die Tischplatte. Sie setzten sich ihren Lieblingssängern gegenüber und warteten gespannt, was es wohl zu klären gab. Hatten sie etwas angestellt? War das, was gestern vor dem L’Arc~en~Ciel Konzert passiert war vielleicht der Grund? „Jetzt schaut nicht so scheu. Geht es euch nicht gut heute Morgen?“, fragte Hyde und beugte sich prüfend vor und versuchte einen Blick in die gesenkten Gesichter seiner Gegenüber zu erhaschen. „Nun ja, wir haben diese Nacht nicht besonders gut geschlafen, uns ging so viel im Kopf herum …“, begann die Dunkelhaarige. Was sie sagte war nicht gelogen, noch lange hatten sie und Chrissie im Bett darüber gesprochen, wie schade es war, dass sie von Hyde schon Abschied nehmen mussten, denn ihnen war klar, dass es für immer sein würde. Auch seine Einmischung in die Rettungsaktion hatte Nina Chrissie noch mal bis ins kleinste Detail erzählen müssen, ebenso nahmen sie die aberwitzige Szene auseinander, in denen ihnen ein patschnasser Tetsu begegnet war… es war einfach so viel passiert in den letzten 24 Stunden, dass an Schlaf kaum zu denken gewesen war. „Und ein bisschen befürchten wir, dass ihr uns eventuell tadeln wollt.“, ergänzte Chrissie. Gackt und Hyde sahen blinzelnd in die Runde. „Warum das denn?“ „Weil wir dir und Hyde so viele Umstände machen?“, stellte Nina eine Gegenfrage als Antwort. Die beiden Männer belächelten die beiden Freundinnen, die immer noch etwas verschüchtert auf ihren Stühlen saßen und sich noch nicht mal getraut hatten etwas von dem Essen zu nehmen, für ihre unbegründete Ängstlichkeit. Insbesondere Gackt wollte einfach nicht mehr aufhören zu grinsen. „Wo macht ihr uns bitte Umstände? Es war mal etwas ganz Besonderes… wartet mal ab, was Hyde dazu zu sagen hat.“, endete er leise kichernd. Die Freundinnen konnten nicht anders als die Stirn zu runzeln und völlig irritiert zu wirken, hatte Gackts Albernheit einen tieferen Sinn? Und warum sprach er in der Vergangenheit, als er von ihrer Anwesenheit in seinem Haus gesprochen hatte? „Gackt wird es eh nicht mehr lange aushalten, also komme ich gleich zum Punkt… aber bitte nehmt euch endlich etwas zu Essen und sitzt nicht so verkrampft da! Ihr seht gut aus in diesen Sachen, wirklich! Sehr jung und frisch, schämt euch nicht und esst endlich!“, mahnte Hyde eindringlich und schob ihnen die Misosuppe hinüber. Ertappt erröteten sie, Gackt hielt sich den Handrücken vor den Mund um sein Lachen auf diese Reaktion irgendwie zu überspielen. Nina straffte sich und wies Chrissie durch eine Geste an mit dem Essen zu beginnen, Gackt und Hyde aßen bereits. „Also, es geht um Folgendes: Ich muss zugeben, dass ich etwas zu großzügig war mit meinem Angebot, euch zwei den gesamten Aufenthalt hier in Japan bei mir aufzunehmen.“ Das blanke Entsetzen schoss den deutschen Damen ins Gesicht, Gackt hob sofort beruhigend die Hände. „Das sollte nicht heißen, dass ich euch loswerden möchte! Ich will sagen, dass ich zu sehr aus dem Bauch heraus entschieden habe, denn ich habe nicht daran gedacht, dass ich nach dem Tourfinal mehr als ausgeplant bin von meiner Zeit her.“ Ihre Haltung entspannte sich und ihre Haut bekam wieder eine gesunde Farbe. „Ich habe die nächsten Tage und Wochen sehr viele zeitaufwendige Termine außer Haus und damit meine ich auch welche außerhalb von Kyoto.“ Chrissie und Nina verkrampften erneut. „Gackt, hör auf damit in Abschnitten zu sprechen und komm auf den Punkt, du machst sie noch wahnsinnig damit.“, bemerkte Hyde und lockerte damit ein wenig die Anspannung bei den Mädchen. „Entschuldigt, wie auch immer… Ich wäre fast nie da in der nächsten Woche, da ich aber keine andere, sinnvolle Möglichkeit sehe, müsste ich euch wohl oder übel euch selbst hier im Haus überlassen und ihr wisst, dass ich euch unmöglich ein und aus gehen lassen kann, wie ihr es wahrscheinlich wollen würdet.“ Die Aussage kam an und erzielte die Wirkung, mit der Gackt und Hyde bereits gerechnet hatten. Die Freundinnen sahen sich an und tauschten sich wortlos mit Blicken darüber aus, wie sie das finden sollten. Nein, sie stellen keineswegs Ansprüche an Gackt und seine Zeit und nahmen so ziemlich alles in Kauf, aber eine ganze Woche wertvoller Japan-Urlaub, der nur ermöglicht wurde, weil sie ihn gewonnen hatten, monoton in einem Haus verbringen? „Wir wussten, dass euch das nicht begeistern würde.“, sprach der Ältere. „Es wäre aber nicht so schlimm, immerhin haben wir bereits in der ersten Woche mehr erlebt und geboten bekommen, als wir uns je hätten träumen lassen!“ Verständnisvoll nickten die zwei Männer Chrissie zu und auch Nina schien entschlossen zu sein, dieses Opfer hinzunehmen. „Es muss aber nicht so sein.“, leitete Gackt, jetzt wieder verschwörerisch grinsend, ein. „Ich hatte letzte Nacht noch ein Telefonat mit meiner Frau und, ja, wie soll ich es sagen… sie wäre nicht abgeneigt euch beide mal kennenzulernen.“ Auch Hyde grinste jetzt, er zeigte ein paar Zähne beim Lächeln und zuckte unbewusst mit einer Augenbraue. In den Köpfen der beiden Fangirls hatte sich der Leerlauf eingeschaltet, sie verstanden jetzt gar nichts mehr. Megumi? Die Megumi?! Hydes Frau hatte was gesagt? Und wie sollten sie das jetzt verstehen? Ihre geplätteten Gesichtsausdrücke waren einfach herrlich, sie saßen da als hätte man ihnen einen Geist gezeigt. „Wenn ihr Lust habt, dann nehme ich euch heute Abend mit dem Shinkansen mit nach Tokyo. Ich habe mit Megumi schon alles geklärt, sie wäre einverstanden und ist neugierig auf euch.“ Ninas Kinnlade klappte herunter und Chrissies Augen wurden immer größer, je öfter sie in ihren Gedanken Hydes Angebot wiederholte. „NANI?!“, antworteten sie schließlich irgendwann schrill. Gackt grinste Hyde an und griff an ihm vorbei nach einem Apfel, er und sein Kollege waren mit der Misosuppe inzwischen fertig. „Wir sollen zu dir umziehen? Heute Abend? Nach Tokyo? Zu deiner Familie?“, musste Nina einfach ungläubig hinterfragen, doch Hyde blieb gelassen und lächelte nur mild. „Ja, damit hätten wir alle etwas davon. Gackt kann in Ruhe seine Termine erledigen und ihr seht noch etwas anderes als Kyoto, beziehungsweise Gackts Haus von innen.“ „Und was hast du davon? Ich meine, du hast Familie und wir sollen da als Wildfremde einfach reinplatzen? Und was ist mit eurer Anonymität, hast du gar keine Angst um dein Privatleben?“, gab Chrissie zu bedenken. Hyde wurde etwas ernster und stützte sich auf die Tischplatte auf. „Ihr seid keine Wildfremden, zumindest nicht mehr für mich und so wie ich euch einschätze würdet ihr euch wunderbar mit Megumi verstehen. Sie kann ein bisschen Gesellschaft und Abwechslung mal gebrauchen. Und was die Wahrung unseres Privatlebens angeht… Ich muss mich natürlich darauf verlassen können, dass ihr niemals irgendwo irgendjemanden etwas von dem erzählt, was ihr im Zusammenhang mit meiner Familie erlebt. Auch möchte ich euch bitten keine Fotos zu schießen. Aber im Grunde… Ich habe zugelassen mit euch unter einem Dach zu wohnen, es gibt eigentlich kaum noch eine Grenze, die ich noch nicht überschritten habe, also was macht das noch für einen Unterschied?“ Hyde vertraute ihnen, er baute auf sie! Er verlies sich auf sie beide und ja, natürlich würde ihnen nie im Traum einfallen ihm oder Gackt jemals in den Rücken zu fallen, aber glauben konnten sie es trotzdem noch nicht wirklich. „Und, habt ihr Lust?“ Für die Rothaarige war die Sache klar und sie begann zu strahlen, Ninas Freude war gedämpft und sie schmulte zu Gackt hinüber. Dem Abschied von Hyde zu entsagen bedeutete gleichzeitig die Zeit bei und mit ihrem persönlichen Favoriten zu beenden. Der Gedanke so plötzlich alles loszulassen, was sie in den letzten Tagen kennengelernt hatte löste in ihr leichten Missmut aus. Mit Anstrengung rappelte sie sich zur Freude auf und stimmte in das dankbare Lächeln ihrer Freundin ein. „Ich glaube, Nina würde lieber bei Gackt bleiben.“ Das Chrissie sie ausgerechnet jetzt mit solchen Aktionen ärgern musste! Puterrot trat sie ihr unter dem Tisch gegen das Schienenbein, doch die Blauäugige lachte nur und zuckte unschuldig mit den Schultern. „Das stimmt gar nicht! Ich finde es nur irgendwie unhöflich seine Gastfreundschaft so lange strapaziert zu haben und uns dann einfach zum nächsten Star zu verkrümeln!“, versuchte sie sich möglichst plausibel zu rechtfertigen. Gackt und Hyde beobachteten das Spektakel neutral von außen, die jungen Frauen zankten sich spielerisch, so als wären sie allein. Sie mussten laut loslachen. »Na toll, das ist mal wieder so ein Tag, an dem wir Rot als Gesichtsfarbe in Dauerschleife tragen…«, dachte Nina bei sich und versuchte sich mit den Händen das Blut aus dem Gesicht zu reiben. „Also ist das jetzt abgemacht?“, versicherte Hyde sich noch mal und holte sich ein klares “Ja!“ von ihnen ab. „Und jetzt esst, eure Suppe ist sicher schon kalt und der Orangensaft kann nur noch wärmer werden.“, hielt sie Gackt freundlich an. Das Frühstück verging rasch, die beiden Sänger kündigten an, dass sie den Tag leider auch zumindest bis zum Nachmittag außerhalb verbringen würden, aber das machte Chrissie und Nina nichts, so hatten sie genug Zeit zum Packen und sich von allem hier in Ruhe zu verabschieden. Die Rothaarige stürmte in das gemeinsame Zimmer und sprang vergnügt quietschend auf das Bett. „Wie geil ist das denn? Nina kneif mich, ich kann es noch gar nicht glauben! Wir fahren nach Tokyo – mit Hyde!“ Ausgelassen warf sie sich auf den Rücken, strampelte wild mit den Beinen und zerdrückte ihr Kopfkissen in einer innigen Umarmung. Ninas erster Gang führte sie zum Fenster, sie riss es großzügig auf hoffte auf einen erfrischenden Lufthauch, doch draußen war es inzwischen fast wärmer als im Haus. „Hey, sag doch auch mal was! Freust du dich gar nicht?“ Prüfend musterte sie ihre jüngere Freundin, die ohne ein Wort zu sagen ihre Reisetasche auf das Bett hievte und anfing Kleidungsstücke zu sortierten und neu anzuordnen. „Ich freu mich schon, aber das hier alles wird mir fehlen.“ „Du meinst, Gackt wird dir fehlen?“ Nina wurde rosa um die Nase, jetzt wo sie allein waren, konnte sie aber besser darüber sprechen. „Schon, irgendwie… wir haben hier so viel mit ihm erlebt, da fällt es mir schwer alles hinter mir zu lassen und nur noch von Erinnerungen zu zehren.“ Vor allem durch die Nacht in der Belle verschwunden war, fühlte sie sich mit Gackt verbunden, auch wenn es im Nachgang betrachtet vielleicht nur eine Kleinigkeit war. „Dann hab ich ja vorhin voll ins Schwarze getroffen, als ich dich aufziehen wollte?“ „Das kann man wohl sagen! Mann war mir das wieder peinlich vor ihm… es wäre echt toll, wenn du es wenigstens für die letzten Urlaubstage etwas einschränken könntest.“ Chrissie grinste. „Ich kann es ja mal versuchen.“ „Ich warne dich, ich kenne diesen Blick! Ab jetzt befindest du dich auf dünnem Eis, immerhin fahren wir jetzt zu deinem Liebling.“ Erschrocken rutschte Chrissie auf dem Bett zu ihr herüber. „Ich denke es wäre angebracht, wenn wir uns bei Hyde allgemein etwas zurückhalten würden. Schließlich hat er ein geregeltes Familienleben und ich möchte keinen schlechten Eindruck auf Megumi“, bei ihrem Namen überkam sie eine ehrfürchtige Gänsehaut, „…machen!“ Nina schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht! Wir wissen ja noch gar nicht, was uns erwartet und wie Megumi so ist.“ Sie erinnerten sich an Fotos die sie im Internet gesehen hatten, Hydes Frau war eine klassische Schönheit mit tollen großen Augen und einer sehr schlanken Figur. Seitdem sie jedoch mit Hyde liiert war, bzw. ihr gemeinsames Kind geboren wurde, war es sehr ruhig um sie geworden. „Also wenn sie Hydes Frau ist, dann muss sie einfach nett sein! Und du hast doch gehört, was sie gesagt haben soll, sie ist neugierig auf uns.“ „Ja, ja… ich bin nur total aufgeregt. Das ist alles so unwirklich, es ist wieder genau das Gefühl, als Gackt uns bei sich aufgenommen hat.“ „Ich weiß, was du meinst! Dieses Kribbeln überall und es ist, als würde der Magen Achterbahn fahren.“ Chrissie nickte bestätigend und kämpfte gegen ein erneutes Aufquietschen an. Während ihre Freundin packte und sich die ersten Schweißperlen von der Oberlippe wischte, malte sie sich aus, wie Hyde wohl lebte. „Musst du nicht auch packen?“ „Ja… ist aber so warm…“ „Na komm, es wird ja nicht kühler da draußen, um die Mittagehitze wird es bestimmt unerträglich, also pack lieber jetzt alles zusammen, dann können wir uns nachher ausruhen.“ Grummelnd rappelte sich Chrissie auf und suchte ihre Sachen zusammen. Es verging ein bisschen Zeit in der sie untätig herumsaßen und sich mit dem Gedanken befassten, dieses Zimmer bald schon für immer zu verlassen. Es klopfte unvermittelt an der Tür und Gackt steckte den Kopf herein. „Na ihr? Ich wollte euch nur bescheid sagen, dass wir jetzt weg sind.“ Hyde, der hinter ihm stand, winkte ihnen kurz. „Ok, bis später dann. Wir werden schon nichts anstellen.“, antwortete Nina. Der hochgewachsene Japaner winkte ebenfalls einmal mit zwei Fingern und schloss dann wieder die Tür. Die Sonne hatte ihren Zenit überschritten und brannte ungnädig auf Japan hernieder. Die heiße Luft flimmerte über den Bürgersteigen und asphaltierten Straßen, selbst die Vögel hatten ihren Singsang eingestellt und versteckten sich zwischen den grünen Blättern schattenspendender Bäume. Die beiden Freundinnen saßen auf ihrem Bett und versuchten auf ihre Weise der Hitze zu entkommen. Nina lag danieder und blätterte in ihrem Schmierheft herum, Chrissie saß am offenen Fenster und sah hinaus in den Garten. Direkt unter ihrem Zimmer lag die im Schatten gelegene Terrasse mit der Bank, auf der sie und Hyde gesessen hatten um sich zu unterhalten, während Gackt und Nina unterwegs waren und von einer Horde Fans verfolgt wurden. Ein amüsiertes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie daran zurück dachte. Ihr Blick wanderte über die glitzernde Oberfläche des großen, nierenförmigen Pools. Er war rundherum von hellen, terrakottafarbenen Steinplatten umrahmt. In seiner Einkerbung standen zwei anatomisch geformte Sonnenliegen in Rattanoptik, die beigefarbenen Auflagen sahen einladend bequem aus, doch das Beste war der Sonnenschirm. Es war einer von diesen riesigen Spezialschirmen, die einen unheimlich großen und massiven, gebogenen Ständer hatten und bei denen man den Schirm nur mit einer Kurbel aufspannte, weil die ganze Konstruktion auf dem Prinzip groß und größer basierte und sehr schwer war. Vor ihren blauen Augen stellte sie sich vor, wie sie ähnlich wie unter einem Pavillon oder einer Glocke geschützt im Schatten am Wasser saß und ihre Beine ins kühle Nass tauchte… „Das ist doch fies! Da unten ist ein herrlicher Pool, der nur darauf wartet, dass man ihn benutzt und wir kleben hier an diesem Bett fest!“, protestierte sie maulend. Nina legte ihr Schmierheft zur Reisetasche und kroch dann ans Kopfende um ebenfalls aus dem Fenster zu schauen. „Der ist echt schön, oder? Meine Eltern haben ja bei auch einen Pool, aber der ist nicht ganz so groß und auch nicht gefliest wie der hier… und er hat die ganz klassische Form mit den abgerundeten Ecken.“ „Ja, ja… was interessiert mich der Pool deiner Eltern?! Wir sind jetzt nicht in Deutschland, sondern hier und ich hätte nicht schlecht Lust mich ein wenig abzukühlen.“ „Das geht aber nicht! Wir haben Gackt nicht gefragt und ich bin mir nicht sicher, ob ihm das so recht wäre…“ „Er hat es uns aber auch nicht ausdrücklich verboten.“ Die kleine Rotblonde zog eine Schnute und benutzte ihren unwiderstehlichen Dackelblick. So gerne Nina auch nachgeben wollte wusste sie auch, dass das eine Menge Ärger nach sich ziehen konnte. „Nein, mir ist nicht wohl dabei. Wir können das nicht einfach so machen, ein Pool ist doch irgendwo was ziemlich Intimes.“ „Ein Pool ist ein Loch gefüllt mit Wasser. Was ist daran bitte intim?“ „Er schwimmt darin, verstehst du?“ „Ja, und rund um die Uhr läuft eine Pumpe und mit Chlor gereinigt wird er sicherlich auch… Wenn du dir ins Hemd machst wegen einem Pool, dann darfst du nicht in die Schwimmhalle oder in ein Freibad gehen.“ Beide sahen sich grimmig an, Nina war die Erste, die den Blick abwendete. Stur verschränkte sie die Arme und schüttelte den Kopf. „Och Ninchen… büdde! Nur abkühlen, wir müssen ja nicht unbedingt drin schwimmen, wenn du das nicht willst.“ Chrissie änderte ihre Taktik. „Du meinst, nur Beine rein halten und Arme befeuchten?“ „Genau, das würde mir schon reichen.“ Sie schlug klimpernd ihre Lider auf und nieder, flehendlich faltete sie die Hände zusammen und versuchte so ihre Freundin zu erweichen. „Ich sag dir, wenn er uns dabei erwischt mach ich dich für alles verantwortlich!“, gab diese schließlich zähneknirschend nach. „Kyah! Du bist die Beste!“, frohlockte Chrissie und fiel Nina überschwänglich um den Hals. Abkühlen wäre, wenn man es genau nahm, ohne Weiteres in ihren Sachen möglich gewesen, doch wozu hatte Frau schließlich einen Bikini eingepackt, wenn sie ihn dann letzten Endes gar nicht benutze? Wenn man im Sommer irgendwo Urlaub machte gehörte Badekleidung einfach dazu, egal ob man an einen Strand fuhr oder in der Großstadt landete, man konnte ja nie wissen. „Kannst du mir mal bitte kurz helfen? Ich bekomme das Oberteil im Rücken nicht zusammengebunden.“ Chrissie mühte sich verzweifelt damit ab selbst eine anständige Schleife zu binden, mit Ninas Hilfe ging es einfach schneller. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du mich dazu überreden konntest.“ Nina zog die Schleife fest und Chrissie drehte sich vorführend vor ihr um die eigene Achse. „Der ist hübsch, oder?“ Ihre Freundin musterte den Bikini. Der lindgrüne Slip war hoch geschnitten und machte lange Beine, den Pep gab ihm ein dünner, dunkelgrüner Gürtel der in der Mitte in einem kleinen Ring endete. Das Oberteil war ebenfall lindgrün, nur die dreieckigen Brustteile waren dunkelgrün gefüllt und auf der linken Brust war eine hellgrüne, tropisch anmutende Blume gedruckt. „Ja, ist ein schöner Triangel-Bikini. Die Farbe passt gut zu deinen Haaren. Obwohl blau auch nicht schlecht gewesen wäre.“ „Blau macht mich aber so blass.“ „Ja, ich weiß.“ „Willst du dich nicht umziehen?“ Nina schämte sich und warf einen verstohlenen Blick auf ihren Bikini, der noch zusammengeknüllt auf dem Bett lag. „Doch…“ „Ich hole schon mal Handtücher und warte unten vor der Terrassentür auf dich, ok?“ In Windeseile war sie verschwunden, Nina konnte Belle hören die freudig im Flur bellte. Mit immer noch mulmigem Gefühl zog sie sich um, ihr Bikini war wesentlich einfacher als der von Chrissie. Sie hatte einen Bügel-Bikini in Bordeauxrot, mit floralem Druck in fuchsie und weiß. Auch ihr Höschen bot keine weiteren Besonderheiten. Schlussendlich folgte sie Belles Krach und Chrissies Stimme, die abwehrend immer wieder ein Kommando sagte. Als Nina die Treppe runterkam stand die Rothaarige an der Tür und versuchte die Minidachshündin, die flippig auf und ab sprang, zu beruhigen. „Kommst du klar?“ „Ja… Belle will unbedingt mit raus.“ „Dann lass sie doch. Wir lassen die Terrassentür ja eh angelehnt.“ So öffnete Chrissie die Tür, die Hündin flitzte hinaus und sie folgten ihr auf dem Fuße. Eine Wand aus Hitze schlug ihnen entgegen. „Das sind mindestens 35 °C, das schwöre ich dir! Cremst du mich schnell auf dem Rücken ein? Ich mach vorher keinen Schritt in die Sonne!“ Chrissie hielt Nina bereits die Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50+ hin. „Du und deine Haut…“ „Ich kann ja nichts dafür Hauttyp eins zu sein. Der Sonnenstich auf unserer Abschlussklassenfahrt in der 10. Klasse hat mir gereicht und da ich eh nie braun werde, kann ich mich auch mit Sonnencreme zukleistern wie ich will. Ich will nämlich alles, nur keinen Sonnenbrand.“ Nina schmunzelte und cremte ihrer Freundin bereitwillig den Rücken ein. Des Rest erledigte Chrissie selber, während die Dunkelhaarige mit großen Schritten über die erhitzen Bodenplatten gehuscht war und sich daran versuchte den riesigen Schirm aufzuspannen. „Schaffst du das?“, kam die Ältere schließlich dazu und beobachtete, wie Nina sich damit abmühte die Kurbel zu drehen. Der Schirm zog sich beim Kurbeln selber hoch und auf und hing bald schon wie ein großes Zeltdach über ihnen. „Gut, dass das Teil einzementiert ist. Bei schlechtem Wetter würde er bestimmt umstürzen.“ Geblendet von der Helligkeit, die durch den beigefarbenen Stoff drang, blinzelte Chrissie und setzte sich auf die geschwungene Liegefläche einer der Sonnenliegen. „Ich hab uns den Schirm so gedreht, dass wir trotzdem im Schatten am Wasser sitzen können.“ Nina nahm sich ein großes Handtuch und legte es direkt an die Kante, damit sie sich nicht auf den rauen Boden setzen brauchten. Sie setzen sich hin und tauchten mit ihren Füßen langsam in das Wasser hinein. Eine wahre Wohltat! Das Wasser war warm, in den vergangenen Tagen war es immer recht heiß und sonnig gewesen. Sie bekamen eine Gänsehaut, es war so angenehm, dass sie am liebsten doch ganz hineingesprungen wären. „Das ist schön… so lässt es sich aushalten!“ Die blasse Europäerin schöpfte mit beiden Händen Wasser und befeuchtete damit ihre Arme und Beine. Als sie an das kühle Nass mehr gewöhnt war lies sie auch ein paar Perlen ihren Nacken herunter laufen. Nina legte ihren Oberkörper zwischen ihre Beine und tauchte mit den Armen bis fast zu den Achseln ein. Das Wasser zwischen ihren Finger zu spüren war sehr entspannend und machte Lust auf mehr. Belle kam angedackelt und hopste mit einem Sprung auf eine der beiden Liegen um sich auszuruhen. Schweigend und dösend verging einige Zeit, die zwei Freundinnen ruhten sich liegend am Rand des Pools aus. „Weißt du, jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Kellner der uns schön kalte, alkoholfreie Cocktails serviert.“ Sie grinsten beide gleichzeitig verschlagen. „Stell dir mal Gackt als Kellner vor!“, quiekte Chrissie los. „Ja~ das hab ich auch eben gedacht! Oder Hyde, wie er lässig auf uns zu kommt mit einem silbernen Tablett!“ „Und wie sie lächeln würden, wenn sie fragen: „Darf man den Damen etwas bringen?“ Ich halt’s nicht aus!“ Da niemand außer ihnen hier war, lebten sie ihre lebhafte Fantasie frei und ungehemmt aus und ließen sich auch das Quietschen nicht nehmen. „Ich glaube, du brauchst eine Abkühlung, du fantasiert schon wieder!“, sagte Nina immer noch lachend, tauchte ihre Hand ins Wasser und spritzte das es mit Schwung über Chrissie, die kreischend aufsprang. Tropfend stand die temperamentvolle Rothaarige da und stach ihre Freundin, die sich vor Lachen den Bauch hielt und am Boden nach Luft schnappte, mit bösen Blicken nieder. „Oh, na warte, das hast du nicht umsonst gemacht!“, drohte sie und trat mit ihrem rechten Fuß gegen die Wasseroberfläche in Richtung Nina. Diese Attacke hatte eine weitaus größere Wirkung als Ninas, nass und erschrocken über die unverhoffte Dusche stand diese auf und schüttelte sich. „Du willst Krieg? Den kannst du haben!“ Lachend rannte sie auf Chrissie zu, die ihr Heil in der Flucht suchte. „Die Luft steht still bei dieser Hitze heute.“ „Enah und Nina werden froh sein, wenn sie sich mit uns an dem Eis erfrischen können, das ich besorgt habe.“, sagte Hyde, der eine kleine Kühltasche mit zum Hauseingang trug. Die beiden Sänger waren etwas früher heimgekommen als erwartet und hatten sich vor Gackts Haus verabredet. Hyde hatte zuvor spontan etwas Wassereis in einem nahegelegenen Shop besorgt. Sie trieften, trotz der Hitze kamen sie nicht drum herum etwas für ihre Tarnung zu tun und wenn es sich hierbei nur um dünne Jersey-Jacken mit Kapuzen handelte und dicke Sonnenbrillen. Der Jüngere von ihnen Schloss die Tür auf, May kam freundlich angeschlichen, miaute und schlängelte sich verliebt zwischen seine Beine. „Hey May, meine Hübsche.“, begrüßte Gackt sie und strich ihr kurz liebevoll über den Rücken. „Na, gar keine Belle, die dich begrüßt?“ „Vielleicht sitzt sie oben bei unseren Fans und lässt es sich gut gehen. Sie mag sie, sonst hätte sie sich wohl kaum in einem ihrer Schränke verkrochen.“ Es war ruhig im Haus, die beiden Frauen konnten ihr Kommen noch nicht bemerkt haben. „Ich bringe das Eis in den Kühlschrank und dann muss ich mich frisch machen.“ „Tu das, ich gehe hoch ins Bad.“ Gackt konnte oben angekommen nichts aus dem Gästezimmer hören, doch er dachte sich nichts weiter dabei und ging sich den Schweiß abwaschen. Als er wieder herauskam wunderte er sich aber langsam doch darüber, dass nicht einmal seine Hündin gehört haben sollte, dass er zuhause war. Er lief die wenigen Schritte bis zum Zimmer der Freundinnen und klopfte höflich. Eine Antwort blieb jedoch aus. Vorsichtig öffnete er die Tür und drückte sie einen Spalt weit auf, vielleicht schliefen sie ja. Nichts, das Zimmer war leer, nur das Doppelfenster war weit geöffnet. Da hörte er ihre Stimmen, sie klangen ausgelassen und vergnügt. Neugierig trat er ein, lief zum Fenster hinüber und warf einen Blick in seinen Garten. Dort unten auf dem Rasen, zwischen den großen, palmenartigen Pflanzen, sah er zwei junge Maiden einander verspielt jagen. »Im Bikini?«, fiel ihm auf und er zog die Brauen hoch. Tatsächlich, seine beiden Gäste spielten Fangen in Bademoden. Dann sprang ihm unübersehbar der aufgespannte Schirm ins Auge und die Handtücher. Zwischen den Frauen, die den Pool bereits ein paar Mal umrundet hatten und sich in Deutsch Dinge zuriefen, sprang Belle fröhlich umher und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Interessiert verweilte der Sänger am Fenster, legte seine verschränkten Arme auf das Fensterbrett und beobachtete das lustige Schauspiel eine Weile. „Bleib stehen! Ich krieg dich ja doch!“ „Ach ja? Versuch es doch!“ Chrissie riskierte eine dicke Lippe, doch das sie in diesem Spiel ihrer größeren Freundin überlegen war, war mehr als offensichtlich. Sie war flinker und geschickter darin Hürden zu nehmen als Nina. Die Dunkelhaarige hatte zudem ihre Probleme damit Wasser aus dem Pool rechtzeitig und richtig einzusetzen, sodass Chrissie auch noch in Reichweite war und getroffen werden konnte. Meistens war sie aber schon über alle Berge und machte sich über Ninas Unbeholfenheit auch noch lustig. Sie stürzte auf Chrissie zu, die entgegen ihrer Erwartung allerdings diesmal nicht weglief, sondern einfach stehen blieb und erst kurz vor der Kollision minimal zur Seite auswich und abwehrend in die Hocke ging. PLATSCH Verdattert stand Chrissie am Rand des Pools und starrte auf die Stelle der Wasseroberfläche, die noch schäumend Wellen schlug. Dorthin, wo Nina soeben geräuschvoll hineingefallen war. Im nächsten Moment tauchte ihre Freundin wieder nach Luft schnappend auf, hektisch warf sie ihren Kopf in den Nacken und strich sich ihren angeklatschten Pony zur Seite. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie sich um, paddelte kurz und konnte dann ihre blauäugige Gefährtin ansehen. Da lachte Chrissie los, herzhaft und ohne Zurückhaltung. Sie ging auf die Knie und hatte schon Tränen in den Augen. Sie lies den Moment Revue passieren, indem Nina in den Pool gefallen war. Sie selbst hatte den plumpen Angriff ja einfach nur damit abgewehrt, dass sie sich gebückt hatte, als Nina gerade nach ihr greifen wollte. Dadurch war diese dann so ins Straucheln geraten, dass sie bäuchlings mit dem Kopf voran unfreiwillig abgetaucht war. Nina knurrte, Chrissie lachte und oben am Fenster regte sich ebenfalls etwas. Bereits in dem Moment wo er sah, dass Nina ins Wasser stürzte, fing er an laut zu lachen. Die Reaktion der Rotblonden und der Moment wo die Verunglückte wieder auftauchte, verstärkte den Drang noch mehr. Das blieb nicht unbemerkt, Chrissie sah nach oben und formte ein stummes “Oh je!“ mit ihrem Gesicht. Gackt strich sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel, schenkte ihr ein amüsiertes Lächeln und winkte. Dann zog er sich zurück und joggte locker durch das Zimmer und dann die Treppe hinunter, wo ihm Hyde von dem großen Badezimmer aus entgegen kam, erfrischt und verwundert über Gackts Heiterkeit. „Was ist los? Hab ich einen guten Witz nicht gehört?“, fragte der kleinere Sänger neugierig. Gackt konnte sich das Grinsen einfach nicht aus dem Gesicht wischen und winkte Hyde zu sich heran. Mit einer Handbewegung zeigte er in Richtung Terrasse. „Rate mal, wer sich draußen im Pool amüsiert.“ Schokobraune Augen folgten seinem ausgestreckten Zeigefinger. „Komm mit, ich habe sie gerade auf frischer Tat ertappt. Eben ist Nina unfreiwillig im Wasser gelandet.“ „Ach deswegen strahlst du so! Und wo du es sagst, ich hab es tatsächlich platschen hören.“ Jetzt konnte Hyde das Grinsen seines Kollegen verstehen und teilen, zusammen liefen sie auf die Terrassentür zu. „Glaub mir, so wahr mir Gott helfe, das zahl ich dir heim!“, fluchte Nina und fuchtelte dabei wild mit ihrer rechten Faust herum. Chrissie hatte ihr Lachen eingestellt nachdem sie Gackt am Fenster entdeckt hatte. Ohne auf die Drohung ihrer Freundin einzugehen hob sie das Handtuch vom Boden auf und lief damit zur Leiter. „Heb dir das für später auf, wir sind nicht mehr allein. Komm besser raus.“ Ninas Augen wurden groß, aufgescheucht drehte sie sich einmal um die eigene Achse. „Wie? Was? Hä?“ „Gackt hat eben aus unserem Fenster geguckt und dabei total gelacht.“ Der Blick der Jüngeren schoss hinauf zum Fenster, doch da war niemand mehr. So schnell sie konnte schwamm sie in dem Wasser, das ihr an dieser Stelle des Pools knapp bis an das Kinn reichte, in Richtung Leiter und kletterte raus. Dankbar nahm sie das große, weiße Handtuch entgegen und wickelte es sich um den Körper. Sie hörten wie die Terrassentür zur Seite geschoben wurde, drehten sich zum Haus um und sahen Gackt und Hyde, die neckend grinsten und mit in die Seiten gestemmten Händen im Schatten des Hauses neben der Bank stehen blieben. Schuldbewusst und peinlich berührt standen die zwei Mädchen da. „Lasst euch nur nicht stören. Habt ihr Spaß?“ Belle schoss an ihnen vorbei zu ihrem Herrchen und richtete sich glücklich an seinem Bein auf, um sich ihre Streicheleinheit abzuholen. Der Moment war mal wieder super peinlich, Nina zog verlegen das Handtuch enger um ihre Schultern und wollte am liebsten im Erdboden versinken. Ihr Körper war das Letzte, was sie ihrem Lieblingsstar so offenherzig präsentieren wollte! Sie war zwar schlank und normal gebaut, aber mit weiblichen Rundungen gesegnet – ihrer Meinung nach natürlich immer an den falschen Stellen - und eher ein weicher Typ. Sport lag ihr nicht sonderlich, auch wenn sie sie einen straffen Körper und einen flachen Bauch hatte. Sie war kein Vergleich zur blassen Chrissie, die nicht nur kleiner als sie war und auch zwei Kleidergrößen weniger trug. Ihre Freundin hatte schlanke, fast dünne Arme und feingliedrige Finger. Ihr Oberkörper war so zart, dass man immer etwas Angst hatte ihr weh zu tun, wenn man sie zu fest drückte. Ihre Beine waren proportional passend zum Rest ihrer Statur schlank und schmal. „Es war so heiß und da hat Enah gedacht, du hättest vielleicht nichts dagegen, wenn wir deinen herrlichen Pool etwas ausnutzen würden. Es tut uns leid, dass wir nicht vorher gefragt haben, aber…“ „Nein, ist schon gut. Wirklich! Ich hab zwar nicht damit gerechnet, dass ihr Bikinis eingepackt habt und spontan auf diese Idee kommt, aber ich kann es sehr gut verstehen.“, fiel er in Ninas Rechtfertigung ein. Er trat zu ihnen heran und Hyde folgte ihm. „Es gibt nichts Besseres bei diesen Temperaturen, oder Ga-chan?“ Sie wandten sich Hyde zu, der schon wieder sein schiefes Lächeln präsentierte und aussah, als würde er eine Anspielung machen. „Natürlich nicht, H-chan.“, entgegnete Gackt und ließ sich nicht von seinem ungeliebten Spitznamen ärgern. „Warum schwimmst du dann nicht einfach mal eine Runde?“ „Wie? Wa… AAHH!“ PLATSCH Zum zweiten Mal an diesem obszön heißen Tag ertönte das Geräusch, wenn jemand mit Schwung ins Wasser stürzte. Mit einem kräftigen Ruck hatte Hyde Gackt am Arm gepackt und herum in den Pool geschleudert. Komplett überrumpelt und geplättet standen die Mädchen da und sahen abwechselnd von Hyde, der sich vor Lachen kaum halten konnte, zu Gackt, der mit viel Gespritze und Gefluche wieder aus den Fluten auftauchte. „HYDE!“, schrie er entrüstet und sah an sich herunter, wie er bis über die Brust im Wasser stand. Wohlgemerkt noch vollständig bekleidet, die Haare fielen Ihm platt ins Gesicht. Nina und Chrissie hatte es die Sprache verschlagen, sie standen bewegungslos an Ort und Stelle und hielten sich beide Hände vor ihre Münder. Zum Einen weil sie einen heiden Respekt vor Gackts Reaktion hatten, der nicht sonderlich amüsiert über Hydes Scherz erschien und zum anderen, weil ihnen irgendwo auch zum Lachen war. „Na Ga-chan, wie ist denn die Wassertemperatur so?“ Hyde lachte immer wieder kurz auf, wann immer er in das Gesicht seines Kollegen sah. Der wiederum suchte aufgewühlt nach Worten, die er seinem Attentäter an den Kopf werfen konnte. Zudem sah er, wie ihn seine beiden Gäste mit einer Mischung aus Schrecken und Schadenfreude anstarrten. „Warum kommst du nicht einfach zu mir rein und vergewisserst dich selber?“, antwortete er schließlich und strich mit den Händen sein nasses Haar nach hinten. „Nein danke, ich nehme mal an, du bist jetzt erfrischt genug für uns beide.“ Der freche Frontman bekam den Schalk einfach nicht aus seiner Mimik und verspottete Gackt weiterhin überaus erheitert. „Ach komm, schau mich nicht so an. Du hast mich quasi provoziert es zu tun! Und ich muss zugeben, dass du als Badenixe durchaus gewisse Reize versprühst.“ Chrissie und Nina kämpften um Fassung, sie liefen hochrot an vor Anstrengung das Lachen zurückzuhalten und ihre Wangen bliesen sich dick auf. Hyde spielte wieder mit seiner Zunge und hatte das Gewicht seines Körpers lässig auf ein Bein verlagert. Gackt tat zwei Schwimmzüge auf die Poolkante zu, die gleichzeitig die tiefste Stelle war und streckte seine rechte Hand nach Hyde aus. „Hilf mir wenigstens raus. Ich muss neben meinem Styling und meiner Würde nicht auch noch meine Kleidung ruinieren.“ Aus einem Reflex heraus griff Hyde nach der Hand seines Freundes ohne darüber nachzudenken, dass Gackt leicht auf die Leiter hätte ausweichen können, die unmittelbar in ihrer Nähe war. Als Hyde die Erleuchtung traf und er das bestätigende, gewinnende Funkeln in Gackts Augen sah, war es bereit zu spät und er spürte nur noch den Ruck, der durch seinen Körper ging und wie ihn dann das Wasser des Pools umschloss. Die Freundinnen konnten nicht mehr an sich halten und prusteten zwischen ihren Fingern einfach ungehalten los. Atemlos und ohne Ton krümmten sie sich unter ihrem Lachanfall und versuchten sich dabei gegenseitig abzustützen. „DU MISTKERL!“, rief Hyde, als er scharf einatmend wieder durch die Wasseroberfläche brach und wild mit den Armen ruderte, da das Wasser hier zu tief für ihn war. Gackt lachte herzlich, er zeigte viele Zähne dabei und es zeichneten sich feine, liebenswerte Lachfältchen in seinen Mundwinkeln ab. Nina quietschte vergnügt und hüpfte aufgedreht auf der Stelle, auch Chrissie amüsierte sich prächtig. Hydes Lippen umspielte ein herausforderndes Lächeln, kaum war er aufgetaucht, schon spritzte er so gut er konnte los und immer in Gackts Richtung, der sich ebenbürtig verteidigte. Sie sprangen und schwammen aufeinander zu und gerieten ins Rangeln, einer versuchte den anderen möglichst vorteilhaft zu packen und dann unter zu stuken. „Schau dir das an Nina, wie die kleinen Kinder!“, flüsterte die Rothaarige gerade so laut in das Ohr der Dunkelhaarigen, dass es das andauernde Planschen und Kampfgeschrei übertönte. „Das ist besser als Kino… Gackt und Hyde bei einer Wasserschlacht… vergessen wir Moon Child, das hier topt alles!“, gab Nina flüsternd zurück. „Was gibt es da zu tuscheln?“ Die beiden Sänger hatten sich anscheinend ausgetobt, Gackt zog sich die Leiter hinauf und Hyde hievte seinen schmalen Körper über den Rand hinweg hoch. Das Ausmaß der Katastrophe zeigte sich jetzt noch mal in vollem Maße. Das Wasser hatte ihren Frisuren alles geraubt, was sie irgendwie in Form gehalten hatte, tropfend hingen die mehr oder weniger langen Strähnen dicht an der Kopfhaut herunter. Ihre Oberteile – und das war ein Anblick, der den Mädchen imaginäres Nasenbluten verschaffte – klebten wie eine zweite Haut an ihren Körpern, Gackts lies sogar seine Hautfarbe hindurch schimmern. Die Hosen hingen schwer an ihren Beinen und überall lief Wasser heraus. Bei den aufgeschwemmten Schuhen war sich wahrscheinlich jeder von ihnen so gut wie sicher, dass sie diesen Badeausflug nicht überlebt hatten. Gackt fischte einen seiner Schuhe sogar noch nachträglich aus dem Pool. Belle sprang derweil aufgeregt zwischen ihnen umher und schnupperte neugierig an ihrem Herrchen, der sie unbeabsichtigt etwas voll tropfte. Die Mädchen lachten weiter vor sich hin ohne auf Hydes Frage einzugehen. „Du siehst doch, sie haben ihren Spaß an deinem Streich.“, antwortete Gackt für sie. Jetzt standen die Vier sich wieder gegenüber, die Bodenfliesen waren durch die Nässe großflächig von dunklen Schatten überzogen. Die Sonne schien noch immer stark, die Sänger glitzerten in ihrem Schein, doch die sengende Hitze würde sie schnell trocknen lassen. Die Freundinnen hatten sich jetzt einigermaßen beruhigt, doch fortwährend zu grinsen konnten sie einfach nicht unterdrücken. „Das gibt die volle Punktzahl auf der Skala von eins bis zehn! Wobei… für den ungalanten Auftritt hier an Land sollten wir vielleicht doch noch ein oder zwei Punkte abziehen…“ Chrissie musterte neckisch den Auftritt ihrer beiden Idole, würdevoll war definitiv etwas anderes! „Also ich fand es witzig!“, kommentierte Nina. Wiederholt prüfend sahen die zwei Musiker an sich herab, für ihr Outfit kam jede Hilfe zu spät, aber sie hatten ihren Spaß gehabt und gaben sich daher von einer sehr gelassenen Seite. „Enah, wie viele Punkte bekommst du wohl zusammen, wenn du ohne Vorwarnung im Pool landest?“ Chrissie wich das Lächeln von den Lippen, misstrauisch warf sie Gackt einen Blick zu, der ihn mit demselben Funkeln erwiderte, wie er es bei Hyde getan hatte. „Ich bevorzuge Trockenschwimmen.“, gab sie knapp zurück. Ihre Freundin biss sich auf die Unterlippe als sie beobachtete, wie auch Hydes Gesichtausdruck sich dahingehend veränderte, dass man erahnen konnte, dass er Gackts Anspielung verstanden hatte und in sein Spiel einstieg. „Bei dem Wetter tut eine Runde Schwimmen ganz gut, du siehst noch ganz trocken aus… vielleicht solltest du es mal ausprobieren?“ Chrissie wich mit verschränkten Armen und bösem Blick zurück als Gackt und Hyde einen Schritt auf sie zu taten. Nina hielt sich im Hintergrund und wich aus. Unbewusst zog sie ihr Handtuch noch enger um sich, hoffentlich hatte niemand vor sie noch mal unfreiwillig ins Wasser zu befördern. „Wehe, denkt gar nicht daran!“, zischte die Rotblonde, die sich mehr und mehr in die Ecke gedrängt fühlte. „Findest du es nicht auch ein bisschen unfair, dass du bislang den ganzen Spaß allein hattest? Du bist noch als Einzige trocken, selbst Belle hat mehr Wasser abbekommen als du.“ Hyde fing sich einen feindseligen Blick ein, doch anstatt eingeschüchtert zu sein bestärkte es ihn und seinen Freund erst Recht in ihrem Plan. Da blitzten seine braunen Augen gefährlich auf wie die eines Jägers und beide Männer machten wie abgesprochen einen Satz auf Chrissie zu. Sie versuchte zu fliehen, doch Gackt hatte sie am linken Arm gepackt noch bevor sie sich ganz umgedreht hatte. „NEIN!“, schrie sie und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. Gackt lachte und lies sich nicht beeindrucken, Hyde war längst zur Stelle und konnte sie am anderen Handgelenk festhalten. Chrissie knurrte wütend und wand sich wie ein Aal auf dem Trockenen. Nina beobachtete die Situation beeindruckt und eingeschüchtert zugleich, konnte sich aber nicht verkneifen eine gewisse Schadenfreude zu verspüren. Die beiden Männer hatten alle Mühe die rothaarige junge Frau zu bändigen, Chrissie war wendig und hatte einen eisernen Willen. Aufgeregt sprang Belle um sie drei herum und bellte. „Wehe ihr schmeißt mich ins Wasser! Ich will nicht! Ich hasse das! Lasst mich los!“ Bestimmt zogen sie, ohne auf Chrissies Flüche zu achten, sie an den Rand des Pools, wo das Wasser flacher und sie sich ein letztes Mal mit aller Kraft gegen den Boden stemmte und sich zurückwarf, sodass ihre Häscher tatsächlich ins Straucheln gerieten. Kurzentschlossen schoss Nina voran, lies dabei ihr Handtuch fallen und gab ihrer besten Freundin den entscheidenden Stoß von hinten gegen die Schultern. In einer mehr als uneleganten Verrenkung und von einem entrüsteten Fluch begleitet, stürzte Chrissie schließlich doch in den Pool. Perplex sahen Gackt und Hyde Nina an, die genau jetzt ein schlechtes Gewissen packte und mit einem mulmigen Gefühl im Magen in die aufgewirbelten Wassermassen sah. Die Rotblonde tauchte auf und sie war umgeben von der Aura eines fuchsteufelswilden Drachen! Ihre blauen Augen waren zu Schlitzen verengt, in ihnen loderte eisiges Feuer und ihre Lippen waren zu bitteren, schmalen Strichen zusammengepresst. »Wenn Blicke töten könnten…«, dachte Nina und zuckte reumütig mit den Schultern. Die zwei Stars jedoch verfielen jetzt in johlendes Gelächter, Gackt klatschte in die Hände und zwinkerte Chrissie zu, die jedoch im Moment keinen Sinn für Humor hatte. Tonlos strich sie sich wütend die Haare aus dem Gesicht, mal abgesehen davon, dass ihr Körper durch das Stehen in der Sonne überhitzt war und ihr deswegen das Wasser eiskalt vorkam, fühlte sie sich erniedrigt. Von ihrer Freundin hatte sie Unterstützung erwartet, wenn Nina ihr wenigstens geholfen hätte… selbst wenn sie gescheitert wären und schlussendlich beide im Pool gelandet wären… aber das sie diejenige sein würde, die ihr wortwörtlich in den Rücken fiel… jetzt war sie sauer! Sie sagte weiterhin nichts, aber Blicke sagten mehr als tausend Worte und Nina verstand überdeutlich, dass ihre Freundin erstmal kein Wort mehr mit ihr reden würde. Doch die Dunkelhaarige lächelte verschmitzt. „Ach komm schon Chrissie, es war doch nur Spaß.“ Ein giftiger Blick kam geflogen, sie schwamm auf die Leiter zu und zog sich heraus. Fürsorglich reichte Nina ihr das Handtuch, das sie zuvor gehabt hatte. Ruppig nahm die Blauäugige das Tuch entgegen und zischte ein mürrisches “Danke“. Eingeschnappt stolzierte sie eilig an ihren Peinigern vorbei und zur Terrassentür, wo sie sich die Beine und Füße notbedürftig abtrocknete und dann im Hausinneren verschwand. „Sie ist dir doch jetzt nicht ernsthaft böse, oder?“, fragte Hyde besorgt, der immer noch amüsiert lächelte. „Nein… ich denke nicht. Sie ist jetzt nur sauer, weil ich ja wissen müsste, wie sehr sie es hasst nass gespritzt oder geschubst zu werden, wenn sie noch ganz trocken ist. Sie ist etwas empfindlich, was so was betrifft und versteht da auch keinen Spaß.“ Als sie das sagte fiel ihr wieder auf, wie nass eigentlich noch er und Gackt waren, also lief sie schnell zum Sonnenschirm zurück und holte noch zwei Handtücher, zum Glück hatten sie insgesamt vier Stück mit rausgenommen. Zwei um die Auflagen der Liegen zu schonen, die zwei anderen zum Lümmeln auf dem Boden und zum Abtrocknen. „Und noch mal, es tut mir wirklich leid, dass wir einfach hier rausgegangen sind ohne zu fragen.“ Verlegen reichte sie dabei Gackt sein Handtuch, Hyde rubbelte sich bereits die Haare trocken. „Ich hab doch schon gesagt, dass das nicht schlimm ist. Wenn wir darüber früher gesprochen hätten, hätte ich euch das sowieso erlaubt.“ Er zog sich das klitschnasse Shirt über den Kopf, Nina schoss das Blut ins Gesicht und sie senkte den Blick. Als ihr dabei wieder einfiel, dass sie selbst gar nicht mehr in ein Handtuch gewickelt war, beschleunigte sich ihr Puls nochmals und sie konnte förmlich spüren wie Rauch über ihrem Kopf aufstieg. „Und euer letzter Tag bei mir kann ruhig etwas Besonderes sein.“ Bei diesem Satz blickte sie auf und ihre Augen trafen sich, sofort sah Nina wieder weg. Der Gedanke, dies waren die letzten Momente mit ihrem Lieblingsidol… nein, ihre letzten Momente hier bei ihm, machte sie traurig. Der Augenblick wo sie aufgesehen hatte war an Gackt natürlich nicht unbemerkt vorbeigegangen, er hatte gesehen, dass ihr Gesichtsausdruck nicht glücklich gewesen war. Hyde stand außerhalb des Moments und beobachtete nur stumm was in dem kurzen Wortwechsel zwischen seinem Kollegen und der Dunkelhaarigen passierte. „Nina, vielleicht solltest du Enah lieber hinterher gehen, bevor sie doch noch richtig böse wird. Und macht euch zu achtzehn Uhr fertig, wir fahren mit dem Shinkansen ca. 19 Uhr vom Kyoto Bahnhof los.“ Sie sah Hyde an, der ihr ermutigend zunickte, verabschiedete sich mit einer schnellen Geste von Gackt und war dann ebenfall an Hyde vorbei im Haus verschwunden. „Sie ist traurig, dass die Zeit bei dir nun doch schon vorbei ist, oder?“, fragte Hyde an Gackt gewand, als er sich sicher war, dass niemand außer ihm ihn hören würde. „Traurig? Na ja, sie wird es wohl schade finden, aber sie und Enah haben dafür ja jetzt dich. Sie werden es sicherlich auch schade finden, wenn sie von dir aus wieder nach Deutschland fliegen.“ Der Kleinere zog eine Augenbraue hoch, kommentierte Gackt Aussage aber nicht. Er zumindest war sich fast sicher, dass das Gefühl von “schade finden“ nicht das war, was er glaube bei Nina beobachtet zu haben. „Findest du es nicht schade, dass sie jetzt gehen?“ „Es waren sehr interessante und lustige Tage, aber ich bin auch froh, dass ich mich jetzt wieder ganz auf meinen Alltag und meine Arbeit konzentrieren kann ohne mir darüber Gedanken zu machen, ob es ihnen auch gut geht.“ Eine kurze Pause entstand, Gackt tupfte sich das Wasser aus dem Nacken und wollte auch so langsam reingehen, Hyde nickte noch zustimmend vor sich her. „Aber vielleicht können wir ja im Kontakt bleiben, in der nächsten Woche? Ich komme doch auch nach Tokyo, vielleicht ergibt sich die ein oder andere Gelegenheit, dass wir uns noch mal sehen?“ Dieser unvermittelte Zusatz überraschte Hyde erst, doch dann grinste er schief und durchschauend und sah seinem jüngeren Freund hinterher, der gerade die Tür hinter sich gelassen hatte und in Richtung Badezimmer abbog. „Chrissie… Chriiissiiieee… och menno, Christin, jetzt red doch wieder mit mir! Bist du jetzt wirklich sauer auf mich, weil ich geholfen habe dich in den Pool zu schubsen?“ Wie ein reumütiger Hund wälzte sich Nina auf dem Doppelbett hin und her und warf ihrer Freundin, die noch die letzten Handgriffe an ihrer Reisetasche vornahm und sich zwischendurch immer mal wieder durch die frisch gewaschenen Haare fuhr, entschuldigende Blicke zu. „Mou~ isch hab disch lüb…“, nuschelte Nina bedröppelt und versuchte so die angesäuerte Chrissie zu erweichen. Entnervt setzte sich die Rotblonde neben Nina auf das Bett, sie beide hatten längst wieder ihre normalen Sachen an und es war später Nachmittag geworden. Ninas Magen knurrte laut und da kicherte Chrissie wenigstens endlich mal ganz kurz. „Das ist ja mal wieder typisch! Du erzählst mir hier was von einer Entschuldigung und dann knurrt dein Magen…“ „Entschuldige! Aber wir hatten doch heute kein Mittagessen! Und außerdem, ich kann ja nichts dafür, wenn mein Körper sich meldet… Wassersport macht hungrig.“ „Wassersport? Was ist an Reinstolpern, Meckern und Rausklettern bitte Sport? Das ist nicht mal anstrengend!“ „Ach ja… und was ist an einer Abkühlung bei diesen Temperaturen so dramatisch, dass man danach ewig kein Wort mit seiner besten Freundin spricht?“ „Die Tatsache, dass die angeblich beste Freundin mich gegen meinen Willen geschubst und damit vor Hyde und Gackt lächerlich gemacht hat!“ „Oo~h! Aber das du mich regelmäßig seit unserer Ankunft auf deine spielerische Art und Weise vor Gackt in Verlegenheit gebracht hast, das ist ok, oder was?“ „Was kann ich dafür, wenn du so offensichtlich auf ihn stehst? Du lieferst eine Vorlage nach der anderen, du weißt, wie ich bin!“ „Und ich finde, diese kleine Racheaktion mit dem Pool könntest du mir im Gegenzug ruhig gönnen und verzeihen!“ „Ach, jetzt ist es eine Racheaktion, vorhin war es noch ein Scherz?“ „Sieh es wie du willst, es war ein Scherz und alle bis auf dich haben ihren Spaß dabei gehabt und gleichzeitig weißt du jetzt mal wie es ist, wenn man vor seinem Liebling bloßgestellt wird!“ „Gackt sieht meine Späßchen alle gar nicht so eng, der nimmt die doch gar nicht ernst!“ „Ich aber! Und Hyde hat sich bestimmt auch nichts Schlimmes gedacht, als du ins Wasser geflogen bist, aber du hast daraus ein Drama gemacht!“ Der schnelle Wortwechsel ging in eine Pause, sie starrten sich in die Augen so grantig es nur ging. Nina war die Erste, die spontan zu lachen anfing und sich zurück auf die Decke fallen lies, Chrissie stimmte mit ein und piekte Nina mit ihren langen Fingernägeln zwischen die Rippen. „Mach so was nie wieder mit mir! Du weißt, dass ich es hasse ins Wasser gezwungen zu werden!“ „Schon gut, schon gut… Aua! Hör schon auf, ist ja gut! Ich konnte einfach nicht widerstehen als du dich zwischen den beiden so gewunden hast! Und am Ende war es ausgleichende Gerechtigkeit…Aua! Hey, wir waren dann schließlich alle nass!“ Chrissie lies von ihrer gepeinigten Freundin ab und stand auf. „Hyde hat also gesagt, wir fahren mit dem Shinkansen?“ „Äh, ja? Um ca. 19 Uhr fährt der Zug wohl.“ Der Gedanke noch am selben Abend bei Hyde in seinen vier Wänden zu sein lies wieder den altbekannten Quietschdrang hochkommen, doch sie unterdrückte ihn. „Wie will er das machen? Das ist ein öffentliches Verkehrsmittel wie bei uns ein ICE oder Regionalzug… jeder könnte ihn erkennen!“ In Ninas dunkelgrünen Augen war nichts als Ahnungslosigkeit zu erkennen, unwissend zog sie die Schultern hoch. „Hyde wird schon wissen, was er tut. Komm, lass uns runtergehen, ich hab Hunger. Gackt und Hyde haben bestimmt auswärts gegessen, wenigstens eine Kleinigkeit brauch ich jetzt noch, sonst kannst du mich im Zug und danach abschreiben.“ Es war 17 Uhr durch, Hyde hatte auch seine letzten Sachen zur Garderobe an die Tür gestellt, wo inzwischen auch die Taschen seiner potenziellen Reisebegleiterinnen standen. Chrissie und Nina saßen in der Küche und aßen etwas Obst, sie waren ruhiger als sonst, die Abschiedsstimmung machte sich breit. May strich um Ninas Beine herum und schnurrte, die zutrauliche Maine Coon würde ihr fehlen, so wie so vieles hier. Hyde kam herein und setzte sich zu ihnen, er hatte nach seinem Bad im Pool keinen großen Aufwand für sein Styling betrieben, im Gegenteil. Er trug ein ganz schlichtes, graues T-Shirt das eigentlich zu groß an ihm aussah, eine legere, dunkelblaue Jeans und weiße Turnschuhe. Alles nicht unbedingt chic, aber aus Tarnungsgründen wahrscheinlich genau das Richtige und wenn man ehrlich war, dann sah Hyde einfach in allem irgendwie toll aus! Seine Haare hatte er etwas strenger nach hinten gekämmt und mit seiner Sonnenbrille über der Stirn festgeklemmt. „Und, seid ihr schon aufgeregt?“ „Und wie!“, antworteten Nina und Chrissie gleichzeitig. Der Laruku-Frontman freute sich darüber, dass die beiden jungen Frauen offensichtlich gerne seine Gäste wurden. „Sag mal, verrätst du uns wie das mit dem Shinkansen ablaufen wird? Hast du keine Angst erkannt zu werden?“ Hyde zog sich näher an den Tisch heran und lächelte verschmitzt. „Das ist etwas kompliziert. Ich muss natürlich einen gewissen Aufwand betreiben um mit diesem öffentlichen Verkehrsmittel zu fahren. Es ist so, ich habe mit den Betreibern des Shinkansen nach Tokyo eine Vereinbarung getroffen, in der sichergestellt ist, dass ich – bzw. wir – den letzten Wagon des Zuges zu 19 Uhr für uns allein haben.“ Sie waren sprachlos, so etwas war möglich? Na ja, wenn man ein Megastar und VIP war, dann ging bestimmt alles, wenn man dazu das nötige Kleingeld hatte… aber diesen Gedanken führten sie lieber nicht zu Ende, sonst bekämen sie ganz sicher ein schlechtes Gewissen. „Die Türen hinten werden nur für uns und einen Bodyguard geöffnet, ich nehme an, sie werden als defekt markiert sein oder ähnliches.“ „Bodyguard?!“ Da war er wieder, der Gedanke an einen Schrank wie Mike und Nina lief es kalt den Rücken runter. Hyde grinste bei Ninas verzerrtem Gesichtsausdruck. „Keine Sorge, er ist nur dabei um am Übergang zum Abteil aufzupassen. Da ich ja nicht alleine reise muss ich doppelt aufpassen.“ Er zwinkerte ihnen zu und sie lächelten zurück. Belle kam von der Treppe herunter zu ihnen hereingetippelt und steuerte zielstrebig ihren Futterplatz an. Gackt folgte ihr, er hatte sich wieder ein ärmelloses Shirt und eine elegante, anliegende Hose angezogen. „Ihr müsst bald los, hast du ein Taxi gerufen oder soll ich euch bis zum Bahnhof fahren?“ Auch er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihnen. Chrissie fiel auf, dass er und Nina immer mal wieder flüchtige Blicke tauschten. Es war mehr so als würde der Eine den anderen beobachten und sobald man dabei ertappt wurde, wand man den Blick wieder ab. „Ich habe noch kein Taxi gerufen, wenn du uns fahren möchtest wäre das sehr nett.“ „Wenn du wieder trocken hinter den Ohren bist, sehe ich da kein Problem.“ Mit verschränkten Armen grinste der Größere Hyde herausfordernd an, doch dieser lehnte sich nur entspannt zurück und tat so, als hätte er nichts gehört. Die beiden anwesenden Frauen hatten den Witz verstanden und sahen sich mit rollenden Augen an. „Und ihr? Seid ihr schon gespannt auf Tokyo?“ Nina hatte den Mund voll mit ihrem letzten Bissen Banane, nickte aber eifrig, das Sprechen übernahm Chrissie für sie beide. „Auf jeden Fall! Wenn es sich irgendwie möglich machen lässt werden wir uns einige Sehenswürdigkeiten wie den Tokyotower mal aus der Nähe ansehen!“ „Da fällt mir ein, wir haben uns hier in Kyoto einige schöne Plätze durch die Lappen gehen lassen…“, bemerkte Nina nachdem sie runtergeschluckt hatte. Gackt nickte. „Ja, das ist schade… Kyoto hat mehr zu bieten als diese Häuserlandschaft, die ihr bisher nur gesehen habt. Aber Tokyo wird euch bestimmt entschädigen.“ „Es gibt nichts zu entschädigen, die ganze letzte Woche war fantastisch!“ Ihre rothaarige Freundin nickte bestätigend und setzte ebenfalls zu einem Satz an. „Wir haben so viel mit dir und Hyde erlebt, das man wohl kaum sagen kann, wir hätten uns etwas entgehen lassen!“ „Danke, das lässt mich hoffen, dass ich doch gewisse Gastgeberqualitäten besitze. Ich hatte auch meinen Spaß mich euch, es war sehr erheiternd. Es war mal richtig Leben im Haus.“ Hyde warf einen Blick auf seine Uhr. „So, es wird Zeit. Lasst uns unsere Sachen ins Auto laden und dann langsam losfahren.“ Er stand auf und lief vor, Chrissie folgte ihm und Nina hörte noch, wie sie in eine kurze Diskussion darüber verfielen, wer was zum Auto tragen sollte. Hyde war natürlich zuvorkommend und Chrissie war das unangenehm. Nina lächelte darüber als sie ihrer Freundin folgte, doch da hielt sie Gackt am rechten Handgelenk zurück. Mit großen Augen drehte sie sich zu ihm um, ihm schien das auch ein wenig unangenehm zu sein, er lies sofort wieder los. „Ich wollte mich noch mal für dein vertrauenswürdiges Verhalten bedanken und… ja, ich denke, wenn wir doch mehr Zeit gehabt hätten, hätten wir das ein oder andere Gespräch auch mal zu Ende führen können. Es war eine schöne Zeit mit euch.“ Er klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter. „Dann werden wir Enah und Hyde mal zum Auto folgen, damit sie nicht unnötig in der Wärme stehen.“ Sie lächelte ihn warm an, es war lieb von ihm, dass er sie alleine noch mal zur Seite genommen hatte um ihr das zu sagen. Auch sie hatte das Gefühl, wenn nur mehr Zeit und Ruhe dagewesen wäre, dann hätten sie auch mal auf einer höheren Ebene unterhalten können und sie entsann sich auf den einen oder anderen Augenblick aus der letzten Woche, die sie beide miteinander verband. Ein Hoch auf Klimaanlagen, dachten die Reisenden während der Autofahrt. Zwar war es inzwischen Abend geworden, doch die Luft stand und kein Wind rührte sich. Verträumt und erheblich stiller als sonst sahen Chrissie und Nina aus dem Fenster und sogen noch mal alles in sich auf, was sie sahen. Die Stadt mit ihren vielen, grauen Häusern und den idyllischen Orten, von denen sie bedauerlicher Weise ja nicht viel gesehen hatten, würden sie nie vergessen! Sie kamen etwas schleppend voran, die Straßen waren voll durch den Feierabendverkehr, doch es machte ihnen nichts aus, sie schwelgten in Erinnerungen. Gackt hielt vorne Smalltalk mit Hyde, über Berufliches, wie es schien. Sie hörten kaum zu und es war auch nicht so, als hätte sie einer der beiden Männer in das Gespräch mit einbinden wollen. Irgendwann konnte Chrissie, die hinten rechts saß, ein Gebäude ausmachen, das sie ins Staunen versetzte! Es war unheimlich modern und passte irgendwie gar nicht in das Gesamtbild Kyotos, es war zu futuristisch! „Oohhh~ ist das der Bahnhof?“, fragte Nina, die sich zu ihrer Sitznachbarin hinübergebeugt hatte um dieselbe Aussicht zu haben. „Ja, das ist der nördliche Haupteingang der Kyoto Station.“, erklärte Gackt und bog wie immer in eine unauffällige Seitenstraße ein. Das Auto kam zum Stehen und das Geräusch des Motors erstarb. Keiner sagte etwas im ersten Moment. Irgendwann holte der vermeintlich Blauäugige tief Luft und drehte sich Hyde zu. „Na dann, wir hören voneinander!“ Freundschaftlich packten sie sich bei den Händen und drückten sie fest, sie lächelten sich auf natürliche, fast rührende Weise an. Die rührselige Stimmung schwappte auf die Mädchen über, tiefe Wehmut erfasste Nina und auch ihre Freundin war auf einmal nicht mehr ganz so euphorisch wie zu Anfang. „Und ihr zwei, versprecht mir Hyde gut auf Trapp zu halten, ok?“ Er hatte sich zu ihnen umgedreht und lächelte sie mit einem scherzenden Gesichtsausdruck an, sie lächelten zurück. Nina atmete nicht, in ihren Augen stand das Wasser und sie wollte sich nicht verraten. „Macht nicht so ein geknicktes Gesicht, Gackt ist nicht aus der Welt.“ Sie horchten auf und beide Sänger schmunzelten in sich hinein, als sie in ihre großen Augen sahen. „Ich habe doch erzählt, dass ich beruflich auch nach Tokyo muss. Ich kann nichts versprechen, aber vielleicht sieht man sich doch noch mal.“ Der Missmut in den Mienen von Chrissie und Nina wich einem hoffnungsvollen Strahlen. Hyde warf seinen Kopf lachend in den Nacken. „Oh mein Gott, wenn man euch so ansieht müsste man glauben, ich hole euch hier gegen euren Willen weg!“ Sie schlossen sich mit einem verlegenen Lachen an und Gackt schüttelte belächelnd den Kopf. „Kommt jetzt,“, sagte Hyde mit einem Blick auf seine Armbanduhr, „wir müssen los, unser Zug fährt sonst in 10 Minuten ohne uns.“ Ohne Gegenkommentar stiegen sie aus und ließen sich von Gackt ihre Taschen aus dem Kofferraum geben. „Ich will nicht vermessen klingen, aber versprichst du mir etwas?“ Er schloss gerade wieder den Kofferraum und hörte ihr, Nina, gespannt zu. „Das kommt drauf an, was ich dir versprechen soll.“, entgegnete er mit einem schiefen Grinsen. „Achte ein bisschen mehr auf dich.“ Überrumpelt starrte er sie an, doch sie hatte nur einen gutmütigen Blick für ihn übrig und lies ihn mit einem undurchschaubaren Lächeln zurück. Chrissie trat an ihre Seite während Hyde versuchte sich in Geduld zu üben und noch mal seine Tarnung prüfte. „Iss einfach regelmäßig, schlaf etwas mehr und arbeite nicht zu viel will sie dir damit sagen.“ Er fasste sich in den Nacken und nickte nur amüsiert. „Ich werde sehen, was sich machen lässt.“ „Kommt ihr zwei!“, rief ihnen Hyde zu, der voraus zur Ecke gelaufen war und winkte seinem Kollegen noch mal zum Abschied. Bestimmt nahm die blassere junge Frau ihre Freundin an die linke Hand und zog sie mit sich mit. An der Hausecke drehten sie sich noch einmal um, Gackt stand mit überschlagenen Beinen und verschränkten Armen an seinem Wagen und nickte ihnen ermutigend zu. Dann waren sie aus seinem Sichtfeld und betraten die Halle des Bahnhofs. Für Abschiedsgedanken war jetzt keine Zeit, der Bahnhof verblüffte sie von innen noch wesentlich mehr als von außen! Die riesige Halle in der sie standen lag zwischen zwei keilförmigen Bauwerken, das Glasdach war geodätisch konstruiert. Die massiven Säulen an der Außenseite sahen aus wie die Dachkonstruktion von Tempelhallen und um sie herum war alles in blaugrauen Granit gefliest. Zu den oberen Ebenen hin wurden die Fliesen heller, es war fast so, als befänden sie sich in einem riesigen Teich. Die Rolltreppen waren aus blankem Edelstahl und reflektierten das Licht, das in die Halle fiel. Mittags musste es aussehen, als würde hier ein Wasserfall fließen… „Wie viele Etagen hat dieser Bahnhof hier denn?“, sprach Chrissie mehr zu sich selbst, als das es wie eine Frage an die Allgemeinheit klang. „Teilweise bis zu 15 – wusstet ihr, dass viel Kritik an diesem Bahnhof geübt wurde, als er fertig war? Es hieß, er wäre ein gestalterischer Schandfleck und könnte die gewachsene Struktur hier in Kyoto zerstören.“ „Hat dir das Gackt erzählt?“, hinterfragte Nina neugierig und erstaunt darüber, dass Hyde so gut bescheid wusste. „Nein, das kam in den Nachrichten und stand in den Zeitungen. Dabei ist dieser Bahnhof technisch gesehen auf dem neusten Stand, die Bahnstege verlaufen teilweise sogar übereinander.“ Was Hyde beschrieb kannten sie auch von sich aus Berlin, aber die S-Bahnhöfe, die ihnen dabei in den Sinn kamen hatten eher minimalen Vergleichswert mit diesem gigantischen und pompösen Bauwerk. „Unten ist die U-Bahn, wir müssen auf die zweite Ebene um zum Tôkaidô-Shinkansen zu kommen.“ Ein kleiner Bereich für die Shinkansen-Kunden war separat reserviert worden, da man in Japan Bahnsteige nur mit einem Ticket betreten durfte. Es gab große Leuchttafeln auf denen Nachrichten in Kanji und Romaji eingeblendet wurden, internationale Symbolanzeigen und Farbstreifen auf dem Boden… die beiden Deutschen waren sich sicher, dass auch Ausländer sich so geleitet auf diesem Bahnhof zurecht finden konnten. Der Bahnsteig des Shinkansen hatte Ähnlichkeiten mit einem Berliner Hauptbahnhof, verglaste Wände und ein langes Einfahrtsgleis. Ganz neu allerdings und befremdlich für sie beide war der Zaun am Bahnsteig. Es gab dazwischen immer wieder gleichgroße Aussparungen mit automatisch aussehenden Türen, sie konnten nur mutmaßen, dass dort später, wenn ein Zug eingefahren- und zum Stehen gekommen war, passgenau die Zugtüren sein würden. Beeindruckt von so viel Sicherheit trabten sie schwer beladen weiter bis zum Ende des Gleises. Hyde blieb stehen, zog seine Sonnenbrille etwas herunter und lugte über sie hinweg zu seinen Begleiterinnen, die ihn erwartungsvoll ansahen. „Der Zug kommt gleich.“, flüsterte er und prüfte noch mal, ob jemand in ihre Richtung sah. Der Sänger sollte Recht behalten, pünktlich fuhr der Zug ein, mit Spannung erwarteten Nina und Chrissie, was als nächstes geschah. Die Türen des letzten Wagons waren tatsächlich mit großen Aufklebern als defekt deklariert, wortlos nahmen die umstehenden Reisenden ihre Sachen und liefen vor zu den anderen Abteilen. Nervös sahen die Drei zu wie die Passagiere einstiegen. Ungeduldig warteten die Freundinnen auf eine Regung bei Hyde, der so gelassen wie möglich vor der letzten Tür verharrte ohne Anstalten zu machen einzusteigen. Da ging die Tür auf und ein sehr großer, schlanker Japaner im dunklen Anzug, mit Sonnenbrille und leichter Kinnbeharrung stieg aus. Er war so groß, dass er sich sogar ein wenig ducken musste, als er durch den kleinen Durchgang lief und ihnen bedeutete, dass sie einsteigen sollten. Hektisch hievten die Mädchen ihre Taschen hoch und folgten Hyde, der voran ging. Sein Gepäck hatte ihm der men in black bereits abgenommen. Die Tür schloss sich und schon fuhr der Zug an. „Das wäre geschafft.“ Erleichtert atmete Hyde aus und entledigte sich den überflüssigen, Gestalt verhüllenden Klamotten und lies sich etwa in der Mitte des Abteils auf einen Fensterplatz gegenüber der Türen fallen. Chrissie sah Nina an und zuckte mit den Achseln. Sie legten ihr Gepäck auf die Sitze hinter Hyde ab und setzten sich dann zu ihm auf die gegenüberliegende Seite der Reihe. Die Sitze im Shinkansen waren alle in Fahrtrichtung ausgerichtet, auf jeder Seite waren drei Sitze nebeneinander angereiht, insgesamt also sechs pro Reihe. Der Wagon musste ca. 3 m breit und 25 m lang sein, vorne am Übergang zum nächsten Wagon postierte sich der Bodyguard und eine kleine Frau in Uniform trat an ihm vorbei herein. Sie verbeugte sich sehr höflich und begrüßte in trockener Manier zum Fahrtantritt und bedankte sich, dass sie die Dienste ihrer Bahngesellschaft in Anspruch nahmen. Hyde blieb fast überheblich cool und schweigsam, er winkte kurz kühl mit zwei Fingern, den Sonnenbrillen verdunkelten Blick weiter aus dem Fenster gerichtet. Die Bahnangestellte verschwand wieder und zurück blieb der Personenschutz, der die Sicht von einem Wagon in den anderen abschirmte. „Wie lange fahren wir?“, fragte Nina nach einer Weile, nachdem sie sich genug angeschaut hatten, wie der Shinkansen von innen aussah. „Etwa zweieinhalb Stunden. Von Kyoto sind es 15 Stationen bis Tokyo.“ Hyde zog endlich die Sonnenbrille von seiner Nase und entspannte seine Haltung wieder etwas mehr. Lässig lehnte er sich vom Fenster weg zu ihnen herüber. „Warum sitz ihr da drüben? Hier neben mir sind doch noch zwei Plätze frei.“ Sie bissen sich verlegen auf die Unterlippe. „Weil wir deinen Freiraum nicht einengen wollen?“, gab Nina unsicher als Antwort. „Und weil der Wagon so groß ist und wir uns komisch vorkommen, wenn wir alle auf einem Haufen wie eine Klette an dir hängen würden?“, begründete die Rothaarige. Der Sänger spielte grinsend mit seiner Zungespitze herum und seine Augenbrauen tanzten spöttisch über seinen funkelnden Mandelaugen. „Ich fresse euch schon nicht.“ »Wer weiß…«, dachte Chrissie, die der Auffassung war, dass seine Aussage so gar nicht zu seiner Mimik passte. Sie schob Nina trotzdem voran von ihrem Sitz und folgte ihr. Sie selbst platzierte sich in der Reihe vor Hyde auf dem mittleren Platz, wo sie sich zu ihm und Nina umdrehte, die sich wiederum neben ihn setzte, einen Sitzplatz zwischen ihnen trotzdem freilassend. „Das ist doch schon viel besser, oder nicht? So kann man sich doch viel einfacher unterhalten. Und vielleicht habt ihre eure Kameras in der Nähe, unterwegs werden wir einige schöne Aussichten haben. „Zum Beispiel?“ „Den Fuji-san, Enah. Wenn wir Glück haben und das Wetter so gut bleibt, dann fahren wir in neun Stationen an ihm vorbei und sehen ihn.“ „Uii! Das ist toll!“, freute sich Nina und Chrissie stimmte breit grinsend mit ein. „Schön, dass ihr euch jetzt doch richtig freut. Ich wünsche mir, dass Megumi euch von eurer fröhlichsten Seite kennenlernt.“ Die kurze Ausgelassenheit war dahin, verkniffen warfen die zwei Deutschen sich unsichere Blicke zu und auch Hyde bekam unmissverständlich mitgeteilt, dass ihnen bei dem Gedanken, bei seiner Familie unterzukommen, immer noch unwohl war. „Bist du dir auch wirklich sicher, dass deine Frau damit kein Problem haben wird? Hier geht es ja um mehr als nur um deinen eigenen Schutz.“ Nina äußerte ziemlich genau das, was Chrissie mit ihrem gesenkten Blick auszudrücken versuchte. Der schlanke Sänger schmunzelte honigsüß und lächelte beschwichtigend. „Ach meine Lieben, wie kommt es nur, dass ich so viel Überzeugungsarbeit leisten muss, um euch ohne ein schlechtes Gefühl zu mir nach Hause einzuladen, während Gackt leichtes Spiel hatte?“ Die Frage war einfach, ohne zu überlegen beantwortete sie Chrissie. „Wir waren obdachlos!“ Ihre Freundin lachte über den selbsterklärenden Tonfall und ihren geschauspielert entrüsteten Gesichtsausdruck. Hyde musste zwei Mal überrascht blinzeln bevor er verstand, dass die freche Rotblonde gescherzt hatte und nickte dann mit lachenden Augen. „Das ist natürlich ein Argument!“, scherzte er mit. „Du weißt aber schon, dass das jetzt nicht heißen soll, dass wir nicht trotzdem freiwillig und vor allem gerne zu dir kommen, oder?“ Er lachte wieder belustigt auf und legte seine rechte Hand an seine Stirn. Chrissie warf Nina einen strafenden Blick zu, der wohl so viel bedeuten sollte wie: „Prima gemacht! Jetzt denkt er, wir schleimen!“ „Wenn ich euch doch sage, es macht keine Umstände euch bei uns aufzunehmen. Ihr stört unsere Privatsphäre ja nicht wirklich, ihr bekommt euren eigenen Bereich.“ „Unseren eigenen Bereich?“ Chrissie lies die Frage so im Raum stehen ohne sie weiter auszubauen, worauf sie hinauswollte war ihr anzusehen. „Ach ja, darüber haben wir uns ja noch gar nicht unterhalten. Was wisst ihr denn aus euren Recherchen so über meine Art zu wohnen?“ Er beugte sich vor, stützte sich auf seine Ellenbogen und sah Nina prüfend in die Augen, doch sie hob nur unwissend und abwehrend die Hände. Hyde war eindeutig Chrissies Spezialgebiet. Seine Augen wanderten zur zierlichen Rothaarigen, die sich mit den verschränkten Armen über die Rückenlehne ihres Sitzes lehnte. „Na ja, nicht viel… Shinjuku, Hochhaus, zwanzigste Etage… so was in der Art, wenn es denn stimmt.“ „Oha, ja, das stimmt alles soweit. Aber mehr wisst ihr nicht, oder?“ „Ich nehme mal an, das ist dir doch nur recht so.“ „In der Tat, noch hat Megumi sich auch noch nicht darüber beklagt, dass bei uns vor der Tür Scharen von Fans lauern.“ Sie lächelten. Es war schon ein aberwitziger und zugleich verstörender Gedanke, wenn man sich vorstellte, man könnte keinen Schritt mehr vor die eigene Tür tun ohne belagert zu werden. Für eine kleine Familie konnte das nur Gift sein. „Aber mit deinem Namen und deinem Alter warst du nicht ganz so vorsichtig.“, warf Nina zum Gespräch beisteuernd ein. Er verzog das Gesicht beschämt über seine eigene Naivität, die ihn einst in einer Radioshow hatte ausplaudern lassen, dass sich hinter Hyde von L’Arc~en~Ciel ein Hideto Takarai versteckte. „Und Megumi? Heißt sie eigentlich immer noch Oishi?“, fragte Chrissie neugierig. Hyde legte seinen Zeigefinger versiegelnd auf seine Lippen und zwinkerte ihr bestimmt zu. Sie und Nina würden darüber also keine genaue Auskunft bekommen, ihnen blieb das Mutmaßen und wenn man danach ging, was die Öffentlichkeit sagte, dann wurde Megumi seit ihrer Hochzeit weiterhin ohne Takarai gehandelt. Ob sie jedoch vielleicht jetzt einen zweiten Nachnamen hatte würde wohl Hydes Geheimnis bleiben. „Du weißt doch, Privatsphäre. Am besten keine konkreten Fragen über Megumi oder unseren Sohn. Der Rest ergibt sich von allein, in Ordnung?“ Die Mädchen gingen in sich und überlegten, was sie alles über Hyde und seine Familie zu wissen glaubten. Megumi war so alt wie Gackt, sie war Moderatorin, Model, Schauspielerin und Sängerin gewesen bevor sie geheiratet- und das gemeinsame Kind zu Welt gebracht hatte. Weihnachten 2000 war die Hochzeit und im November 2003 kam der kleine Sohn zur Welt. Nina machte große Augen, als sie sein Alter nachrechnete. „Oooo~h! Der Kleine ist ja grad mal ein Jahr und acht Monate alt!!!“, rief sie begeistert aus. Hyde rutschte direkt verblüfft ein Stück ab und auch Chrissie musterte sie wie ein Ufo. „Ach Gottchen, er ist ja noch so klein! Wai~ er ist bestimmt super niedlich!“ Quiekend und mit funkelnden Augen malte sie sich aus, wie ein kleiner Hyde wohl aussehen mochte und geriet dabei immer mehr ins Quietschen. „Nina, du bist peinlich…“, presste ihre Freundin gequält zwischen ihren Zähnen hervor und hoffte inständig, die Dunkelhaarige würde ganz schnell wieder von ihrem Trip runterkommen. „Entschuldigung, ich konnte grad eben einfach nicht anders! Ich hab selber einige Geschwister, mein Jüngstes ist jetzt acht Jahre alt und ich war in sie und in meinen kleinen Bruder total vernarrt, als sie noch so klein waren.“ Der Laruku-Frontman blieb stumm, staunte und hörte zu, was die beiden jungen Frauen zu erzählen hatten. „Du und deine vielen Geschwister…“ „Ich zähle nur die beiden…“ „Wie viele sind es noch mal genau? Fünf?“ „Ein leiblicher Bruder, meine beiden Halbgeschwister und die zwei Stiefbrüder.“ „Also doch eine ganze Horde…“ „Mou~ ey! Du weißt, dass nur die zwei Kleinen für mich zählen, weil ich auch mit denen groß geworden bin!“ „Ja, ja… weiß ich doch.“ STILLE Hyde war ein wenig überfordert mit dem Wortabschlag der Freundinnen, wenngleich sie sich auch nicht feinselig anfunkelten. „Hast du auch Geschwister, Enah?“ „Äh, ja. Eine zwei Jahre jüngere Schwester.“ Chrissie war weniger redselig wenn es um ihre eigenen Verhältnisse ging, es erschien ihr unbedeutend und uninteressant von sich selbst zu erzählen und irgendwie auch fehl am Platz, wenn sie bedachte, dass sie es hier mit einem Megastar zu tun hatte. Was sollte da schon interessant sein? „Erzähl doch mal, wie lebst du denn nun so? Was hast du vorhin gemeint mit dem eigenen Bereich? Auch ein eigenes Zimmer wie bei Gackt?“, lenkte sie ab. „Nein, besser. Uns gehört die gesamte zwanzigste Etage und wir haben dort eine kleine Einliegerwohnung, über die ihr frei verfügen könnt.“ Runterklappende Kinnladen und untertassengroße Augen waren die Reaktion. „Eine Wohnung?“, piepste Nina schrill. „Sie ist nicht wahnsinnig groß, aber ihr habt ein eigenes Bad, eine kleine Küchenzeile im Wohnraum und einen separaten Schlafbereich. Sie grenzt direkt an unsere Wohnung an und auch der Eingang mündet in unseren Flur. Wir sind also zusammen und gleichzeitig auf gewisse Weise getrennt.“ „Wow, boah… das klingt…“ „… einfach zu krass um wahr zu sein.“, beendete Nina den Satz für ihre atemlose Freundin. „Ich will nicht zu viel verraten, aber ich denke, ihr werdet noch viel zum Staunen haben. Wir leben und wohnen anders als unser lieber Gackt.“ Sie versuchten sich vorzustellen, wie es wohl aussehen mochte, wenn jemanden ein ganzes Stockwerk gehörte und malten sich alles so ausschweifend aus wie nur möglich, denn unmöglich war ja anscheinend gar nichts mehr, seit sie beide japanischen Boden betreten hatten. Die Drei unterhielten sich noch über das ein oder andere Detail, was Hydes Wohnweise betrat und standen seinen Fragen über ihre eigene Lebensweise bei sich in Berlin tapfer Rede und Antwort. Einraumwohnung und wohnen bei den Eltern klang alles andere als ebenbürtig und rief in Hydes Miene auch das ein oder andere Mal Erstaunen hervor. Doch zu keinem Zeitpunkt gab er ihnen das Gefühl, dass er sich über sie erhaben fühlte oder es missbilligte, wie sie lebten. Die Zeit verging rasch im Gespräch, sie bemerkten kaum wie sie zwischendurch an den Stationen Halt machten, denn niemand würde zu ihnen in das Abteil einsteigen, dafür war ja gesorgt. Es war etwas über eine Stunde vergangen, da war es zwischen ihnen ruhiger geworden. Müdigkeit machte sich breit, die Aktivität am Pool am Nachmittag hatte sie mehr ausgelaugt, als man denken würde und die Wärme tat ihr Übriges. Als das Pool-Szenario noch mal angesprochen worden war, verfiel Chrissie wieder in ihre gespielte Empörtheit und Hyde und Nina amüsierten sich erneut herrlich über das Gesicht der Blauäugigen, als sie aus den Fluten aufgetaucht war. Jetzt aber saßen sie alle ruhig da, lauschten dem monotonen Summen des Shinkansen, sahen zum Fenster hinaus und gingen ihren Gedanken nach. Die Ruhe wurde von einem deutlichen Magenknurren unterbrochen, Köpfe fuhren herum und blieben auf der Dunkelhaarigen hängen, die hochrot in ihrem Sitz zusammenschrumpfte. „Sorry, ich hab wohl etwas Hunger…“ „Etwas? Das klang wie ein ausgewachsener Löwe!“ „Menno Chrissie!“, beschwerte sie sich verlegen. „Ist doch nicht schlimm, ich könnte langsam auch etwas zu Essen vertragen.“, schlichtete Hyde und klopfte sich auf seinen flachen Bauch. Er sah auf die Uhr, Abendbrotzeit, ganz eindeutig! „Im Shinkansen gibt es immer einen Speisewagen auf Rädern, wenn es dir nichts ausmacht, dann kannst du durch den Zug laufen und uns vielleicht etwas besorgen? Enah, du hast doch sicherlich auch Hunger, oder?“ Die Angesprochene grinste nur und dachte sich ihren Teil zu den beiden Fresssäcken. „Appetit ja, Hunger noch nicht, aber da wir ja noch eine Weile unterwegs sein werden, sag ich nicht nein.“ „Ähem, fragt mich auch noch wer?! Du kennst doch meinen schlechten Orientierungssinn!“ Chrissie setzte einen genervten Gesichtsausdruck auf und legte den Kopf schief, als sie sie stöhnend ansah. „Nina, du wirst es doch wohl schaffen einfach geradeaus durch den Zug zu laufen, bis du auf so einen Speisewagen triffst und danach wieder zurück.“ Die Größere runzelte mürrisch die Stirn und schob beleidigt die Unterlippe vor. „Na gut.“, resignierte sie schließlich, „Dann kann ich gleich mal eine Toilette suchen.“, ergänzte sie noch. „Orientier dich einfach an der Zeichnung hier.“ Der Sänger deutete auf die Abbildung auf den Rückseiten der Sitze, auf denen genau eingezeichnet war, wo sich was befand. „Danke, ich werde schon irgendwie durch den Zug finden. Aber werden die Fahrgäste vorne jetzt nicht komisch gucken, wenn ich aus dem abgesperrten Abteil komme?“ Hyde schüttelte den Kopf. „Nein, die Sitze zeigen alle nach vorne und kaum einer wird sich nun gerade auf dich konzentrieren und sich darüber echauffieren oder wundern. Keine Sorge, mein Bodyguard lässt dich raus und auch wieder rein.“ Seufzend rappelte sie sich vom Sitz hoch, kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Portmonee und auch Hyde steckte ihr noch ein paar kleine Scheine für seine Unkosten zu. Seine beiden Begleiterinnen mussten einiges an Überzeugungskraft leisten um Hyde davon abzubringen, ihr Essen auch noch bezahlen zu wollen. Danach war Nina weg und er und Chrissie blieben allein zurück. Nachdem ein paar stille Sekunden vorüber waren, beschlich die Beiden das Gefühl, dass sie es hier fast mit etwas wie einem Déjà-vu zu tun hatten. Schon mal waren sie beide ganz unter sich gewesen, weil Nina und Gackt sie wegen einem Einkauf alleine gelassen hatten. Jeder für sich rekapitulierte das Gespräch, das sie damals auf der Terrasse des anderen Sängers auf der kleinen Bank geführt hatten. Hyde räusperte sich und überlegte, ob er etwas zu Chrissie sagen sollte oder nicht und wenn ja, was. Ihr ging es ähnlich, sie hatte zwar ein funktionierendes Mundwerk, das versagte seinen Dienst allerdings zuverlässig immer, wenn Nina nicht bei ihr war. Alleine war sie wieder die stille, zurückhaltende und schüchternde Christin, die nichts zu sagen hatte, wenn man sie nicht gerade dazu nötigte, auf Fragen zu antworten. „Wo Nina gerade weg ist, möchtest du dich jetzt nicht zu mir setzen?“, begann Hyde schließlich. Chrissie musste sich erneut aufrichten und umdrehen um ihren Gesprächspartner ansehen zu können, ihr fehlten aber im Moment die Worte. „Ich meine, die Hälfte der Zeit hatte ich Nina neben mir und es ist doch bestimmt etwas unbequem, wenn du dich immer über den Sitz lehnen musst.“ Er klopfte mit seiner Hand auf den leeren Platz direkt neben sich. „Du würdest ihr ihren Platz nicht wegnehmen, du kannst dich ja neben mich setzten.“ Ihr Herz begann zu klopfen, verlegen lächelte sie und haderte mit sich, doch sie gab sich einen Ruck und ging auf sein freundlich unterbreitetes Angebot ein. Da saß sie jetzt also, direkt neben Hyde… genau wie damals auf der Bank und genauso wie schon in dem Wagen nach Yokohama. Langsam sollte sie sich eigentlich daran gewöhnt haben, doch den Hauch Rosa auf ihren Wangen konnte sie nicht einfach wegzaubern. Wann immer Hyde sich ihr zuwendete, sie in seine ausdrucksstarken Augen sah und seine vielfältige Mimik betrachtete, überkam sie ein Schauer nach dem anderen und die Luft füllte sich mit Elektrizität. Es entstand schon wieder eine kleine Pause, Chrissie suchte fieberhaft nach einem Thema um nicht unhöflich zu erscheinen, doch unterbewusst befürchtete sie, dass sie ihn mit unnötigem Gerede nerven könnte. „Ist es sehr schwer für dich Vater zu sein, bei deinem Beruf?“, überwand sie sich schließlich.“ Erleichtert darüber, dass sie ihm eine Frage stellte, schenkte er ihr seine Aufmerksamkeit. „Es ist nicht immer einfach und manchmal würde ich den Kleinen wirklich gerne öfter sehen, aber ich nehme mich so viel zurück wie ich kann und verbringe möglichst viel Zeit bei meiner Familie. Megumi ist eine gute Mutter, ich brauche mich also nicht zu sorgen und wenn ich daheim bin, dann gebe ich mir besonders viel Mühe für sie beide da zu sein.“ In seinen Augen lag ein sanfter Ausdruck, der Gedanke an sein Kind machte ihn zufrieden und glücklich. Chrissie fand es beeindruckend und unheimlich sympathisch, wie Hyde einen Teil seiner väterlichen Liebe zeigte. „Magst du Kinder?“, fragte er sie. „Ich? Ja, also ich hab nichts gegen sie. Ich habe aber nicht wirklich viel mit ihnen zu tun, ich habe keine kleinen Kinder in meinem Umfeld, von daher…“ Sie hoffte inständig, dass ihm diese Wage Aussage reichte und sie in kein falsches Licht rücken würde. „Mit dem ein oder anderen Partner hast du doch bestimmt schon mal darüber gesprochen, selber welche zu bekommen, oder?“ Volltreffer! Chrissie versteifte sich und starrte auf ihre zusammengefalteten Hände in ihrem Schoß und lief hochrot an. „Nein… also, ich hab gar keinen Partner… und ich bin ja gerade auch darauf angewiesen bei meinen Eltern zu leben…“ Hyde erschrak über ihre Reaktion und strafte sich selbst innerlich dafür, in solch ein Fettnäpfchen getreten zu sein. Verlegen tätschelte er ihre Schulter und grinste etwas schief. „Oh, tut mir leid! Ich wollte dir keine unangenehme Frage über dein Privatleben stellen!“, versuchte er sich zu entschuldigen. Die Rotblonde nickte schüchtern und warf mit ihren unschuldigen Augen einen scheuen Blick in seine Richtung. „Du brauchst dich nicht schämen, ich kenne einige Erwachsene, die noch bei ihren Eltern leben und denen der richtige Partner für eine eigene Zukunft fehlt. Du bist deinen Eltern daheim bestimmt eine gute Stütze.“ Das er sie als eine Erwachsene bezeichnete ehrte sie sehr, die Situation entspannte sich sofort spürbar. Chrissie liebte seine für sein Alter trotzdem noch niedliche und natürliche Art und Weise und fühlte, wie sie sich wieder anfing wohl in seiner Nähe zu fühlen. Jetzt, nachdem das Eis gebrochen war, war es nur noch halb so schlimm, dass Nina noch immer nicht zurück war. Doch die Gesprächsthemen blieben wieder aus und sie begannen sich zu fragen, warum das so war. Fragen hatten sie beide weiß Gott genug, vor allem Hyde war bestrebt mehr über sie und ihr Wesen zu erfahren. Seit dem gestrigen Vorfall fühlte er sich für sie verantwortlich, zuerst weil sie um ihn und L’Arc~en~Ciel zu sehen in Schwierigkeiten kam und jetzt, weil sie sich bereitwillig und gerne in seine Obhut begab. Und er fand es interessant, dass sie so Facettenreich war. Er hatte die redegewandte, schlagfertige, kecke und humorvolle Enah kennengelernt, die Feuer in sich trug. Da war aber noch diese andere, stille Seite, wo sie sich zurückhaltend, bescheiden und verantwortungsvoll gab und zeitweise sogar etwas schüchtern wirkte. Diese Seite wollte er noch näher Beleuchten, was versteckte sich wohl dahinter? Chrissie ärgerte sich, dass keine Frage an ihn aus ihr heraus kam, sie überlegte zu viel und stand sich selbst im Weg. Sie wusste um die Wellenlänge, auf der sie beide sonst immer schwebten. Ihr Humor war ähnlich und auch sonst waren sie beide von Anfang an sehr gut miteinander ausgekommen, alles hatte sich leicht und natürlich angefühlt… warum ging das jetzt hier in diesem Moment nicht? „Enah, schau! Dort vorne!“, riss Hyde sie beide plötzlich aus ihrer Lähmung. Er zeigte mit dem Finger auf etwas, dass sie von ihrer Position noch nicht sehen konnte, also beugte sie sich vor an ihm vorbei, um ebenfalls optimal aus dem Fenster sehen zu können. Der Anblick, der sich ihnen beiden bot war atemberaubend, anders konnte man es nicht beschreiben! Vor ihnen lag Fuji-san, eingetaucht in warmes Abendrot, umrahmt von violetten Wolkenschwaden, die sich wie Schäfchen auf einer Alm entlang des Horizontes erstreckten. Auf seiner Spitze lag Schnee und seine Struktur erinnerte an die eines erloschenen Vulkans. Vor ihm ruhte die gleichnamige Stadt Fuji, deren Station “Shin-Fuji“ sie gerade anfuhren. Die Stadt war schlicht, klein und chaotisch dicht besiedelt. Die Gebäude waren wie in Kyoto nicht herausragend hoch oder imposant, sie wären wie jeder Zementbau öde grau gewesen, würden sie jetzt nicht von diesem herrlichen Rot und Orange gesäumt werden. „Wunderschön“, kam es hochachtungsvoll gleichzeitig aus ihren Mündern. Verdutzt sahen sie sich an und erst jetzt wurde Chrissie bewusst, wie nah sie Hyde durch ihre vorgebeugte Haltung tatsächlich war. Sie sahen sich unumgänglich tief in die Augen, Chrissies Puls raste als sie die flüssige Schokolade in Hydes Iris quasi auf der Zunge schmecken konnte. Er schenkte ihr ein wundervolles, warmes Lächeln, nachdem seine Überraschtheit verflogen war. „Beeindruckend diese Aussicht, nicht wahr?“, begann er zu sprechen und sah wieder hinaus zu diesem monumentalen Naturwunder. Sie konnte ihren Blick nur schwer von seinem fein geschnittenen Gesicht abwenden, tat es aber doch und verlor sich wieder in der einmaligen Schönheit dieses Anblicks. „Ich war schon mal in den deutschen Voralpen und Nina sogar schon mal so richtig weit oben, aber ich kann mich nicht erinnern, derartig Schönes schon mal gesehen zu haben… Es ist doch erstaunlich, was die Welt imstande ist zu erschaffen, wo man doch glauben sollte, wir Menschen wären ihr größtes Werk. Aber was sind wir schon im Vergleich zu so etwas?“ Verträumt verlor sich ihr Blick in der Ferne, sie merkte nicht, dass der Mann dicht neben ihr sie beeindruckt musterte und über ihre Worte ernsthaft nachdachte. Vielleicht sollte man Lebewesen wie die Menschen und Naturwunder wie den Fuji-san nicht miteinander vergleichen, das war auch Chrissie klar, aber wenn man bedachte, dass die Menschen oft unbedacht ihres Lebensraumes gegenüber lebten und handelten und noch nie etwas geschaffen wurde, dass der schöpferischen Kraft der Erde den Rang ablaufen konnte, dann ergab ihr Wortlaut einen Sinn. Einen tiefen Sinn, wie Hyde fand, der auf viel geistige Reife des Schöpfers schließen ließ. Chrissie wand sich ihm zu, den Fujiyama hatten sie hinter sich gelassen und der Moment war vorüber, doch Hyde sah sie noch immer an und prägte sich den ehrfürchtigen Ausdruck ein, den sie im Gesicht getragen hatte. Sie sahen sich an, lächelten verlegen über die komische Situation und lachten schließlich sogar ein bisschen über ihre Tiefsinnigkeit, die ihnen auf einmal unangenehm war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)