Coming Closer von Nea-chan (Wer sagt, dass Liebe einfach ist?) ================================================================================ Kapitel 9: Kimi no tame ni dekiru koto -------------------------------------- 09 Kimi no tame ni dekiru koto ****Ich fragte dein unschuldig lächelndes Gesicht nicht nach dem Grund für die Tränen. Du schütteltest meine haltende Hand ab, ich rief dir sanft über deinen Rücken zu. „Es ist schon gut“, ich wiederholte es immer wieder, als du leise zittertest. Bei diesem simplen Gespräch, lächelte dein Gesicht freudig. Vielleicht waren es mehr Tränen, als Lächeln. ~ich bin bei dir~, das ist, was ich für dich tun kann. Für immer sollst du an meiner Seite sein. Seit ich dich in meinen Armen hielt. Seit diese Vorahnung mich traf. Für immer, bin nur ich… Ich kann dich nicht loslassen. Denn ich hatte diese Vorahnung.**** Hyde stand ungläubig im Türrahmen, er hätte schwören können, dass er etwas gehört hatte! Er ließ die Arme sinken und warf einen Blick in den dunklen Flur. Seine Augen wanderten zu der Zimmertür von Nina und Chrissie in der Hoffnung vielleicht einen verräterischen Lichtstrahl durchkommen zu sehen, aber er wurde enttäuscht. Gackt gesellte sich zu seinem verwirrten Freund, dabei behielt er Belle zärtlich auf dem Arm. Die Hündin wedelte noch immer freudig mit dem Schwanz und gab ihrem Herrchen feuchte Küsse. Jetzt standen sie beide an der Schwelle zum Flur. „Suchst du nach meinen Gästen?“, fragte Gackt an Hyde gewandt und sah ihm suchend über die Schulter. „Ich war mir sicher etwas gehört zu haben… außerdem, kann Belle Türen öffnen?“ Gackt schüttelte den Kopf, er versuchte kurz Hydes Gedankengang zu folgen und verstand schließlich, was dieser ihm sagen wollte. „Hm, tja… aber wie du siehst ist da niemand.“ Er trat heraus zum Bad und öffnete die Tür, auch da war keiner. Hyde fuhr mit beiden Händen durch seine ohnehin zerzausten Haare und ließ seine Finger dann verschränkt in seinem Nacken zusammenlaufen. Er seufzte. „Lass uns einfach wieder ins Bett gehen – aber BITTE erschlag mich nicht wieder, sonst war das meine letzte Nacht neben dir! Ich bin erleichtert, dass du deinen Hund wieder hast, aber bei deinen “Heinzelmädchen“ kannst du dich auch morgen früh noch bedanken.“ Mit diesen Worten drehte sich der zierliche Sänger auf dem Hacken um und schwankte etwas übertrieben zurück zum Bett. Gackt war noch ganz außer sich und lächelte seine Minidachshündin immer noch strahlend an. Belle war ganz zappelig und hopste schließlich von seinen Armen herunter um auf der Türschwelle wild hin und her zu flitzen. „Mach das, Hyde. Ich geh noch mal schnell runter und gebe Belle etwas zu fressen und werde nach der ganzen Aufregung auch noch eine rauchen.“ Hydes müde klingendes Einverständnis wurde von einem entsetzt klingendem Aufquietschen übertönt, sofort war er wieder hellwach und flugs an der Seite seines Zimmergenossen. Im ersten Augenblick bot sich den beiden Sängern ein etwas irritierendes Bild, denn man sah nur Belles schwanzwedelnes Hinterteil vom schummrigen Schlafzimmerlicht erleuchtet, hörte ein Schlabbern und ein abwehrend klingendes, geflüstertes Zetern. Gackt tat einen Schritt hinaus, schaltete das Licht im Flur an und allen Anwesenden entfuhr erstmal ein Stöhnen aufgrund der unangenehmen Lichtflut. Durch zusammengekniffene Augen wurden die zwei Männer dann auch schließlich erleuchtet und liefen die wenigen Schritte bis zur Treppe schon mit hochgezogenen Mundwinkeln. „Na, wen haben wir denn da?“, fragte Hyde, der sich mit verschränkten Armen vor den Stufen aufbaute und inzwischen breit grinste. Gackt stand wieder im Hintergrund und unterdrückte wie sooft ein leises Lachen, er schüttelte amüsiert den Kopf als er nach unten auf die Stufen sah. „Äh… öh… öhm… hallo…? Ganz schön unruhige Nacht heute, nicht wahr?“ Puterrot verbarg Nina ihr Gesicht in ihren verschränkten Armen, die sie auf eine der oberen Stufen abgelegt hatte. Neben ihr saß Chrissie mit dem Rücken zur Wand auf der Treppe, ihre Beine über Ninas Rücken abgelegt und verlegen lächelnd. „Wie ich sehe ist Belle wieder da!“, sprach die Rotblonde weiter, als ihr Gegenüber nur eine Augenbraue auf ihren 1. Satz hin gehoben hatte. Der rotbraune Flummi-Hund stützte sich über eine Stufe hinweg an ihr ab und war damit beschäftigt Chrissie das Gesicht abzuschlecken zu wollen. »Kleine Verräterin!«, dachte sie bei sich. „Ja, in der Tat… Belle ist wieder da. Sie hat sogar geschafft lautlos die Tür zu öffnen.“, entgegnete Hyde und wippte dabei ein wenig nach von und zurück, während er weiterhin die Position der beiden Maiden begutachtete. „Tjoar… manche Hunde und Katzen sollen so was ja können!“ Chrissies Stimme klang deutlich zu hoch um sie glaubhaft klingen zu lassen, auch ihr leicht verzerrter Gesichtsausdruck sprach Bände. Der ältere Sänger jedoch spielte dieses Spiel hier gerne noch etwas weiter. „Ja, ja… erstaunlich, was manche Tiere so können… Belle hat die Tür sogar wieder lautlos von innen geschlossen.“ Ertappt! Die kleinere Frau tippte jetzt ihre Zeigefinger unschuldig aneinander und zog die Lippen scharf zusammen, was sollte sie jetzt dazu noch sagen? Ohne ihre Freundin, die es noch immer nicht wagte aufzuschauen, anzusehen, gab sie ihr mit einem Bein einen kleinen Stoß, damit diese auch mal was sagte. Tatsächlich hob Nina ihren Kopf an und blickte auf zu den beiden Männern am Treppenansatz. Ihr Blick traf natürlich direkt auf Gackts, der zuerst offen lächelte, dann jedoch etwas verlegen den Blick senkte. „Na Nina? Was macht ihr zwei mitten in der Nacht hier draußen auf der Treppe?“ Ihr Blick ging zu Hyde über, der sich jetzt vorbeugte um Chrissie aufzuhelfen. Einen Moment lang überlegte sie, was sie sagen sollte… „Ähm, wenn ich jetzt sage, ich hätte eine meiner Kontaktlinsen verloren und hier danach gesucht… dann ist das sicherlich nicht wirklich glaubhaft, oder?“ Bis auf sie und ihre Freundin lachten alle einmal auf. „Nur, wenn du mit einem Nachtsichtgerät jetzt hier auf meinen Stufen gesessen hättest.“ Sie sah wieder zu dem größeren Mann hinüber, ihr Gesicht glühte noch immer, doch jetzt lächelte er sie wieder breit an – wobei er seinen verlegenen Blick beibehielt - und reichte ihr die Hand – ihr war schon ganz schwindelig! Wie viel Blut konnte wohl gleichzeitig ins Gesicht schießen ohne ernsthafte Folgen nach sich zu ziehen?! „Ich danke euch!“ Oh, Gott!!! Konnte es noch schlimmer werden??? Er zog sie jetzt direkt in seine Arme und drückte sie herzlich, mit der rechten Hand griff er nach Chrissie und teilte die Umarmung auch mit ihr. Sie starben! Ja, sie starben! – schon wieder!!! Im nächsten Augenblick ließ er die Beiden dann aber auch schon wieder los, räusperte sich etwas aufgesetzt laut und klopfte ihnen freundschaftlich auf die Schultern. Sein Lächeln war jetzt milde, erleichtert und zufrieden als er von ihnen ganz abließ. „Wo habt ihr Belle denn gefunden?“, fragte er anschließend, um die peinlich berührte Stille wieder zu durchbrechen. „Du stellst die Frage falsch… Belle hat uns gefunden, sie war nämlich der Meinung gewesen, sich in Ninas Schrank verstecken zu müssen.“, antwortete die Ältere, die sich jetzt – immer noch leicht rosa um die Wangen herum – die längst trockene Wange abwischte, an der sie Belle abgeschleckt hatte. „Und dann wollten wir nicht warten sie dir wiederzugeben und haben uns gedacht, es wäre doch das Schönste, wenn sie dich im Schlaf überrascht als das du bist zum Morgen hättest warten müssen.“, erweiterte Nina. „Also Nina fand es zumindest so am Schönsten.“ Die Dunkelhaarige zuckte vor Schreck zusammen und warf Chrissie einen ermahnenden Blick durch ihre noch geweiteten Augen und zu, ihre Lippen zu stummen Schimpfarien geformt. Ihre Freundin grinste nur und streckte ihr die Zungenspitze raus, was natürlich niemand außer Nina sah. „Ah ja, ist das so? Na ich denke, die Überraschung ist gelungen.“, warf Hyde ein und rieb sich bei den nicht ausschließlich schönen Erinnerungen an das unerwartete Erwachen seinen malträtierten Kopf. Zu Ninas Glück hatte niemand außer ihr die Anspielung von Chrissie wahrgenommen. „So, dann werde ich meine kleine Ausreißerin mal mit einem schönem Fressi wieder willkommen heißen und ihr könnt ja jetzt alle schon mal wieder ins Bett gehen. Das waren aufreibende Tage und Nächte.“ Bei dem Wort >Fressi< pressten die beiden Mädchen fest ihre Lippen aufeinander um nicht aufzukreischen, es klang so herrlich putzig aus dem Mund eines Superstars, der im TV immer einen auf obercool machte und dann auch noch so eine laszive Stimme hatte. Ihre Wangen bliesen sich auf und sie starrten konzentriert zu Boden, sie wussten, ein Blick zu der jeweils anderen und sie würden wahrscheinlich prustend in die Knie gehen. Nein, für den Rest der Nacht (und hoffentlich auch des folgenden Tages, wenn nicht gar der nächsten Wochen) hatten sie sich genug selbst erniedrigt. „Gute Nacht wünsch ich euch noch.“ Damit war Gackt unten in der Küche verschwunden, die beiden Deutschen beruhigten sich wieder und verabschiedeten sich dann auch etwas übereilt von Hyde, der wahrscheinlich froh war wenigstens fünf Minuten Schlaf ohne Aussicht auf Schläge zu erhaschen. „Mensch Nina, mein Herz rast noch total! Das war ja so was von…! Kya~h! Kreisch eben!“, quiekte Chrissie so leise wie möglich vor sich hin, während sie vom Bett aus an die Decke starrte. Wem sagte sie das! Ninas Herz hämmerte geradezu in ihrer Brust, sie konnte es in ihrem Kopf hören und auch das Blut rauschte wild in ihren Ohren. Es klang fast wie ein Ozean. Immer wieder überkam sie Gackts Blick auf der Treppe, bei dem er so verlegen gewesen war… und nur sie wusste warum! Aber jetzt, nachdem sie sich mal wieder in eine peinliche Situation gebracht hatten, kam ihr die Erinnerung an ihr erstes unverhofftes, nächtliches Treffen mit ihrem Idol nur noch wie ein längst vergangener Traum vor… Alles in ihrem Kopf war so unecht! Machte das vielleicht die Müdigkeit, die im Verlauf der letzten Tage ja nun auch nicht gerade abgenommen hatte? Sie war ihm ganz nah gewesen… nah auf einer anderen Ebene als körperlich… Der Drang in ihr, das Geschehene mit ihrer besten Freundin zu teilen war immens, aber sie hatte es Gackt versprochen! Und dann kam die Ernüchterung… in etwas mehr als einer Woche würde alles vorbei sein. Sie wären wieder daheim im weit entfernten Deutschland und alles was jetzt geschah und ihnen noch bevorstand würde nichts weiter sein als eine einzige Erinnerung. Wen würde es da schon interessieren, wenn sie Chrissie dann etwas davon erzählen würde? Niemanden… diese zwei Wochen würden immer nur bittersüße Erinnerungen an etwas sein, was eigentlich nur in den fantastischsten Träumen passierte. Dann fielen ihr die Augen zu, etwas Schweres schien auf ihrer Brust zu liegen, das Atmen fiel ihr schwer und irgendwie tat ihr Herz weh. Die Erschöpfung, das musste es sein… „Nina?“, fragte die Blauäugige in die Nacht hinein, die noch immer auf eine Gegenreaktion wartete. Sie wartete vergeblich auf eine Antwort, Nina schlief und sie wusste, dass das im Grunde auch das Beste war, das sie jetzt auch machen konnte. Aber schlafen nachdem sie Zeuge einer so tollen, witzigen und auch niedlichen Situation ihrer beiden Lieblingsstars geworden war? Gut, sie hatten sich ein wenig blamiert… aber Hyde und Gackt hatten nicht so reagiert, als ob sie das noch groß wundern würde. Wie sie ihren Gedanken nachhing war sie erstaunt darüber, wie schnell man gegenseitig so was wie ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut hatte… und gleichzeitig ängstigte sie die Tatsache, dass sie (wahrscheinlich) bereits Donnerstag hatten. Wie schnell die Zeit verflog! Wie nah sie damit Ninas Gedanken kam konnte sie gerade nicht wissen… Mulmig war ihr aber vor allem deshalb, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr die Zeit, in der sie Gelegenheit hatte Hyde ein paar Fragen zu stellen, die er ihr sicherlich auch beantworten würde, wenn sie taktvoll gestellt waren, durch die Finger rann. In den letzten Tagen waren sie eigentlich nur von einem Erlebnis ins Nächste gestürzt und in den nächsten Stunden stand auch schon wieder das Konzert von L’Arc~en~Ciel an… »WAH! Das Konzert hab ich ja total vergessen!« Unruhig zappelte sie unter ihrer Decke herum und warf einen flehenden Blick zu Nina herüber in der Hoffnung, diese würde vielleicht doch noch nicht schlafen. Vergebens. »Na toll… jetzt brauch ich ans Schlafen gar nicht mehr zu denken…«, ging es ihr noch durch den Kopf. Sie drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Sie sammelte erneut ihre Gedanken, die sich – wie sollte es auch anders sein – nur um jene Personen unweit von ihnen - zwei Zimmern weiter - drehten. Ein gewisses Grinsen überkam sie, als sie daran zurückdachte, dass Gackt Belles Liebkosungen mit Hyde verwechselt hatte, sponn sich ein paar Shônen-Ai-Gedanken zusammen und fand schlussendlich doch noch in den Schlaf. Der Morgen kam wie sooft in den letzten Tagen viel zu früh, dennoch wirkten die Umstände der Unterbringung wahre Wunder bei den beiden Freundinnen, wenn es darum ging trotzdem munter zu werden und sich aus dem Bett zu pellen. Nur an diesem Morgen war es etwas anders… Nina wurde wach, im Zimmer war es hell, aber nicht so wie es an einem frühen Morgen war… eher wie um die Mittagszeit herum! Sie schnellte erschrocken hoch, lies sich aber sofort wieder auf ihr Kissen fallen! »Oh Gott! Mir ist schlecht!« Sie presste ihre rechte Hand auf ihren Mund, in ihrem Kopf drehte sich alles sobald sie Anstalten machte sich aufzurichten. »Scheiß Kreislauf…!«, fluchte sie innerlich vor sich hin. Sie überwand sich mit gekniffenem Gesichtsausdruck rappelte sich auf um dann so gut es ging in das Badezimmer zu kommen. Als die Zimmertür hinter ihr ins Schloss fiel erwachte auch Chrissie. Deren ersten Gedanken schlossen an die von letzter Nacht nahtlos an, wieder grinste sie und quiekte leise. Erst jetzt bemerkte sie, dass Nina gar nicht mehr im Raum war. Auch ihr blieb nicht verborgen, dass die Sonne an diesem Morgen anders in ihr Zimmer fiel. Ein Blick auf ihre Uhr verriet ihr auch warum. »10 Uhr schon durch!« „Ach du Sch… NINA!“ Mit einem Satz war die Rotblonde aus ihrem Bett gesprungen und an ihre Reisetasche gegangen um sich erstmal weitgehend wahllos frische Sachen zusammenzusuchen. „Ninaaa~a!“, wiederholte sie noch mal laut rufend, diesmal schon etwas angenervt. Weil Chrissie nicht durch den Flur von Gackts Haus brüllen wollte, musste sie wohl oder übel ihre Freundin stillschweigend im Badezimmer aufsuchen. Als sie dort ankam verflog ihre anfängliche Genervtheit schnell, Nina hing nämlich wie ein Schluck Wasser am Waschbecken und lies sich kaltes Wasser über die Pulsadern laufen. „Was ist denn mit dir los?“, fragte sie erschrocken und mit einer hochgezogenen Augenbraue. Achtlos lies sie ihre Sachen zu Boden fallen und lief auf ihre jüngere Freundin zu, die ihr kalkweißes Gesicht anhob und dabei matt lächelte. Chrissie legte ihr wortlos eine ihrer kühlen, schmalfingrigen Hände auf die Stirn. „Ich hab’s nur grad mit dem Kreislauf… der unregelmäßige Schlaf und die viele Aufregung ständig macht mir zu schaffen… und wahrscheinlich haben wir heute länger geschlafen, als die letzten Tage.“ „Oh ja, wir haben es schon nach 10 Uhr!“, antwortete ihre Freundin aufgeregt, sie nahm ihre Hand wieder weg und tauschte sie stattdessen gegen einen nassen Waschlappen. „Ich frag mich, warum uns niemand geweckt hat und warum wir auch nichts von unserem Gastgeber und Hyde gehört haben…“, führte sie fort während sie sich weiter um die blasse Nina kümmerte. „Das wir vor lauter Müdigkeit nichts mitbekommen haben wird wohl daran liegen, dass wir gestern Nacht lieber auf der Treppe rumgekrochen sind, als im Bett zu liegen.“, gab Nina leicht schmunzelnd zurück. Jetzt ging wieder Chrissies typisches Grinsen über ihr Gesicht, sie starrte Nina aus funkelnden Augen an und unterdrückte wie schon in der letzten Nacht einen Quietschkrampf. „Das war ja alles sooo~ süß! War das nicht knuffig, wie Gackt mit seiner Belle geliebäugelt hat?! Und Hyde… Haidooo~…!!! Der Arme… neben Gackt zu schlafen sollte er sich echt noch mal überlegen, ich will schließlich noch was von ihm haben!“, quiekte sie mit den Armen fuchtelnd vor sich hin. Ihre jüngere Reisebegleitung setzte ein schiefes Lächeln auf. „Ja, ja… von ihm – sprich seiner Stimme, oder von ihm…?“, zog sie Chrissie mit langgezogenen Tönen auf. Diese verzog das Gesicht und rollte mit den Augen, aber dann feixte sie wieder und zuckte unschuldig mit den Schultern. „Och na ja, ich fände beides nicht schlimm.“ Wie sie dabei unschuldig gestikulierend an ihr vorbeiblickte, begann Nina jetzt laut zu lachen. Ihr Kopf machte immer noch den Eindruck, als wäre er mit Wasser gefüllt, aber das war ja mal wieder typisch für den verrückten Rotschopf und da konnte sie nicht anders! „Oh Süße, wenn ich das mal nicht Hyde erzählen gehe…“ „Untersteh dich! Sonst leg ich Gackt mal hier dein… äh… na dein Dings vor… ah, dein Schmierheftchen! Wäre doch mal interessant zu sehen, wie er reagiert, wenn er sieht, was du so verzapfst in deiner Freizeit!“, gab sie gekonnt zurück. Die Dunkelhaarige richtete sich langsam auf, lächelte aber trotz Kopfschmerzen weiter belustigt. „Hey, ich hab noch wegen deiner Aktion von gestern Nacht was gut bei dir! Oder wie war das mit dem Nina fand es am schönsten dir Belle direkt ins Zimmer zu setzen ???“ Wieder pfiff die Kleinere von beiden nur unschuldig. Nina sah sie gespielt streng an, verschränkte die Arme und lies ihren rechten Fuß immer wieder ungeduldig auftippen. „Was denn? War doch die Wahrheit, oder nicht?“, versuchte sich die Angeklagte ebenfalls geschauspielert pikiert zu verteidigen. Nina schwenkte ihren Zeigefinger verbietend vor den blauen Augen ihrer Freundin hin und her. „Du bringst mich noch mal in Teufels Küche damit! Das ist oberpeinlich, was soll Gackt denn von mir denken, oder Hyde, wenn du laufend solche Anspielungen machst?“ Der spielerische Ton war verflogen, doch Nina klang nicht böse, nur etwas beschämt. Ihre Übelkeit und der Schwindel waren durch das Lachen etwas abgeflaut, anscheinend kam ihr Kreislauf jetzt langsam wieder in Schwung. Chrissie hob ihre Sachen wieder von den Fliesen auf und begann sich neben Nina umzuziehen und zu waschen. „Mal ganz ehrlich Nina, mal abgesehen davon, dass du Gackt sowieso schon seit Jahren bewunderst und in gewisser Weise anhimmelst… wirst du nicht ein wenig zu oft rot in seiner Gegenwart?“ Es herrschte einen Moment lang Stille, bis auf das Plätschern des Wassers das Chrissie zum Waschen benutzte, sagte keine von ihnen vorerst etwas dazu. In Ninas Kopf hallte die Frage ihrer Freundin wider. Ja, es stimmte schon… Gackt war tatsächlich nicht nur über seine Musik und durch das Fernsehen eine Person, für die man ins Schwärmen geraten konnte. Nein, ganz und gar nicht! „Er hat was an sich, dass mich irgendwie fesselt.“, begann die Dunkelhaarige schließlich. Chrissie schob ihre Zahnbürste von einem Mundwinkel in den anderen und lauschte gespannt, während sie vor dem Spiegel ihre noch ungeordneten Haare aus dem Gesicht strich. „Ich glaube, es ist das so Normale und Menschliche hinter seiner obercoolen Superstar-Fassade…“ „Aber davon hat man doch auch schon in einigen Videoclips etwas gemerkt.“, entgegnete Chrissie, den Mund noch voller Schaum. „Ja, schon, aber das in echt und hautnah zu erleben ist doch was ganz anderes! Geht es dir denn mit Hyde nicht genauso? Fasziniert er dich denn gar nicht?! Beschäftigt er dich nicht, wenn du nachts schlafen gehst? Oder geht in deinem Kopf wirklich immer nur der Gedanke rum, wie krass es ist, dass wir unsere Lieblingssänger so erleben dürfen, wie wahrscheinlich kein anderer Fan außer uns?“ Das zierlichere Mädchen spülte sich den Mund aus und hielt inne. So tiefgründig waren ihre Gedanken in der Tat eigentlich eher weniger gewesen in der letzten Zeit, doch Ninas Einwurf jetzt brachte sie zum Nachdenken. Betrachtete sie Hyde noch immer mit denselben Augen, wie noch in Deutschland? Über die Antwort brauchte sie nicht lange zu grübeln… „Natürlich nicht! Bislang waren sie für uns einfach Idole und superschnucklige Kerle, die man einfach nur gern haben muss, aber jetzt… Ich würde sagen, es fühlt sich jetzt so “echt“ an, wie als wenn wir uns daheim in Deutschland mit jemanden anfreunden würden. Es nimmt dem Ganzen diesen übertriebenen “Hype“ und trotzdem ist es ein tolles Erlebnis! Hyde scheint ein richtig netter Typ zu sein, eigentlich genau so, wie ich ihn mir immer vorgestellt habe!“ „Hmh… tja, Gackt ja prinzipiell auch, aber er hat uns bisher schon mit diversen anderen Gesichtern überrascht…“ Es war nicht so, als hätte Nina ihn nicht etwas wankelmütig und emotional eingeschätzt, aber das führte ihr vor Augen, dass er nur ein Mensch und ein Mann wie jeder andere war – er war nicht das perfekte Bild wie das aus der Öffentlichkeit, er hatte Schwächen wie jeder andere auch. Sie lächelte, die Einsicht, dass der Mensch, der ihr Leben in den letzten Jahren ziemlich geprägt- und den sie immer um seine Strebsamkeit nach Perfektion bewundert hatte, gar nicht so perfekt war, tröstete sie über ihre eigenen kleinen Unzulänglichkeiten hinweg. POCH, POCH Die beiden Mädchen schraken hoch. „Enah, Nina? Seit ihr beide da drin?“, hörten sie Gackts Stimme hinter der Tür fragen. »Ein Glück, dass wir uns auf deutsch unterhalten haben!«, ging es ihnen durch den Kopf. „Ja, wir sind beide hier drin! Nina ging es nicht so gut, deswegen bin ich bei ihr.“, gab Chrissie zurück. „Darf ich reinkommen?“ Sie tauschten schnell einen unsicheren Blick, Nina hätte am liebsten verneint, aber es kam ihnen unhöflich vor dem Herrn des Hauses den Zutritt zu seinem eigenen Bad zu verwehren. „Ja.“, antwortete Chrissie schließlich. Gackt trat ein, wie immer ein recht ansehnliches Bild. Heute mal legere in einer weiten Jeans im Used-Look und einem hellgrauen Nadelstreifenhemd, dass ohne Krawatte und nicht bis ganz oben zugeknöpft von ihm getragen wurde. Seine dunkelbraunen Haare waren wie immer etwas wilder gestylt, einzelne Strähnchen fielen über seine Augen, in denen er wie immer eigentlich blaue Kontaktlinsen trug. Das sie das nicht genau ausmachen konnte und Gackts Unrisse außerdem leicht verschwommen für ihre Augen waren, erinnerte Nina daran, dass sie ihre noch gar nicht eingesetzt hatte. Sein Blick ruhte auf ihr, sie sah es nicht, aber sie spürte das Kribbeln auf ihrer Haut, es machte sie nervös. „Alles in Ordnung? Was hast du denn?“ „Mir war schwindelig und ein wenig übel, aber es geht dank Enahs Bemühungen schon wieder. Ich muss nur noch etwas essen und viel trinken, dann ist das gleich wieder vergessen.“ Der Sänger verschmälerte seine Augen und zog seine Stirn in Falten, Chrissie sah das im Gegensatz zu ihrer kurzsichtigen Freundin ganz genau. „Nun, Hyde und ich haben schon vor Stunden gefrühstückt. Wir wollten euch nach dieser und den letzten Nächten nur ungern wecken.“ „Das macht doch nichts! Wir machen uns schnell selber was, das ist doch kein Problem.“, beschwichtigte Chrissie, die den Eindruck hatte, Gackt hätte deswegen ein schlechtes Gewissen ihnen gegenüber. „Hyde ist heute schon ziemlich früh aus dem Haus gegangen, er muss zu den Proben mit seiner Band, ich soll euch aber grüßen und er freut sich schon darauf, euch später im Publikum zu sehen. Unten liegt noch etwas das ich euch geben soll, aber ihr zieht euch jetzt erstmal in Ruhe um und kommt dann runter, ja?“ Die vertraute und selbstverständliche Art und Weise wie er mit ihnen sprach erschütterte tief in ihrem Innern immer noch ein wenig ihr altes Bild von der Realität, in der Gackt und Hyde nichts weiter waren als unerreichbare Sternchen des japanischen Gesanghimmels! Sie nickten stumm und sahen dann nur noch, wie der schlanke Mann um die Ecke bog und verschwand. Chrissie drehte sich zu Nina um, die immer noch auf die leere Stelle im Türrahmen starrte. „Da scheint ja jemand besorgt um dich zu sein. Ist das jetzt üblich, dass ihr euch so seltsam anseht?“ Überraschte grün-braune Augen trafen auf prüfend blickende Blaue. „Hä? Was meinst du?“ Jetzt war es Chrissie, die sich mit verschränkten Armen vor ihr aufbaute. „Du solltest eigentlich wissen, dass ich dich inzwischen lange genug kenne um zu merken, wenn etwas komisch ist. Ich meine, dass du bei Gackt regelmäßig Ohnmachtsanfällen nahe bist ist ja schon klar, seit wir hier angekommen sind, aber ich fand euch beide letzte Nacht schon eigenartig. Ist etwas passiert, als du gestern aus unserem Zimmer verschwunden bist?!“ »Mist verdammter! Sie hat es also doch gemerkt!« Gackts kleines Weinflaschen-Depri-Missgeschick schoss ihr wieder in den Kopf und sie kam nicht umhin wieder verlegen dreinzuschauen. Das ihre energische Freundin sie dabei mit fragenden Blicken durchbohrte machte es für sie nicht gerade einfacher. „Jetzt sag schon, denkst du, ich hab nicht gesehen, wie eigenartig Gackt drauf war, als er uns mit Hyde auf der Treppe gefunden hat? Und dann die Dankesumarmung… ich dachte du bekommst gleich Nasenbluten weil dein Kopf schon ganz rot war!“ „Da war aber nichts! Vielleicht hat Gackt nur so komisch geguckt, weil ich mal wieder diesen hässlichen Pyjama an hatte.“, winkte sie abwehrend ab. „Meinst du den, den du jetzt auch an hast?“ „Äh… ja.“, antwortete sie erneut verunsichert. „Deswegen guckt doch aber kein Mann verlegen! LOS, du verheimlichst mir doch was!“ In Ninas Kopf ratterte es, was sollte sie jetzt sagen? Schrecklich gerne würde sie ihr erzählen, was wirklich los war, doch das Versprechen an Gackt hinderte sie daran – zumindest solange sie noch in Japan waren. Eine Ausrede musste her, eine die erklären würde, warum sie und Gackt sich etwas seltsam verhielten. Es kam eine Idee und – oh je – sie war weder die Tollste noch Einleuchtendste, aber sie musste reichen… „Na gut… aber es ist furchtbar peinlich…“ „Ich höre.“, gab die burschikose Rothaarige kühl zurück. „Ich musste letzte Nacht mal wieder auf die Toilette… und ich hab vergessen die Tür abzuschließen.“ Chrissie klappte die Kinnlade runter, Nina schoss die Scharmesröte schon vorher ins Gesicht, sie ahnte, was sich ihr Gegenüber gerade bildlich vorstellte. „Nee! Sag jetzt nur, er hat dich erwischt!“ Ihre Mundwinkel zuckten, gleich würde sie lauthals zu lachen beginnen. Ninas Kopf rauchte, das war definitiv die peinlichste Notlüge aller Zeiten! „Rate mal… was glaubst du denn, weswegen er und ich gestern nach der Belle-Geschichte so verlegen waren? Da war es ja noch gar nicht so lange her…“ »Bitte, bitte kauf mir diese dämliche Story ab!« Wie erwartet begann Chrissie zu lachen. „Na zu deinem Glück scheint er das heute Morgen schon wieder verdrängt zu haben. Ich glaube nicht das er so besorgt geguckt hat, weil er sich um deine Toilettengänge Gedanken macht.“ Sie lachte weiter, diesmal sogar noch lauter. Ihr eigener Scherz schien ihr mehr zu gefallen als Nina, die am liebsten im Boden versinken wollte. „Sehr schön, dass wenigstens du deine Freude an dieser Geschichte hast. Ich weiß ja nicht, was du jetzt machst, aber ich werde mir jetzt neue Klamotten holen, mich dann auch mal langsam waschen und anschließend essen… ich kippe gleich wieder aus den Latschen.“ „Ja mach das, ich mach derweilen meine Haare hier fertig, bei der Hitze kann ich die unmöglich offen lassen!“ Sie wand sich direkt ihrem Spiegelbild zu und zückte eine Bürste, Nina lies sie kopfschüttelnd zurück. »Na wenigstens hat sie mir geglaubt… aber irgendwie muss ich es fertig bringen Gackt unter vier Augen zusprechen. Nicht, dass es irgendwann noch ein Missverständnis deswegen gibt!« In ihrem Zimmer an ihrer Reisetasche angekommen überlegte sie nun, was sie heute anziehen sollte… hätte sie daheim in Deutschland gewusst, dass sie Gackt und Hyde über den Weg laufen würden, dann hätte sie mehr schickere als zweckmäßige Sachen eingepackt. Schlussendlich entschied sie sich für eine dunkelblaue Stretch-Jeans, die kurz unter den Knien in einem fransigen Rand endete und dazu eine kurzärmlige, beerenfarbene Tunika aus leicht transparentem, gecrashten Chiffon. Darunter trug sie einen dunkelroten BH, damit man ihr auch ja nichts abgucken konnte. Die türkisen Verschnörkelungen auf dem beerigen Untergrund passten gut zu den aufgestickten Schmetterlingen auf ihren hinteren Hosentaschen. Mit Waschzeug, Bürste und Kontaktlinsen bewaffnet gesellte sie sich wieder zu Chrissie, die gerade mit ihrer Hochsteckfrisur fertig geworden war. Etwa eine halbe Stunde später war auch Nina fertig, mit Chrissies Hilfe trug sie nun einen französisch geflochtenen Zopf. „Was macht dein Kreislauf?“, erkundigte sie sich bei Nina, während sie die Stufen zur Küche hinunter gingen. „Geht so, ich muss essen, dann ist wieder alles gut!“ Wie sie den Satz beendete und um die Ecke bog, blieb sie auf einmal so ruckartig stehen, dass Chrissie sie ausversehen anrempelte, aber sie beklagte sich nicht, denn sie sah sogleich den Grund für Ninas abruptes Verharren. Der Tisch war gedeckt und es roch nach Eierkuchen. Der eigentliche Grund war aber Gackt, der wahrhaftig in einer Schürze am Herd stand und mit einer Pfanne und Heber bewaffnet zu Gange war. Ein zweiter Blick musterte das kleine Chaos um ihn herum. Was auch immer er da genau machte, er hatte dabei eine kleine Schweinerei angerichtet. Chrissie räusperte sich lautstark. „Ich hab euch schon gehört, setzt euch doch, ich bin gleich fertig.“, sagte der kochende Sänger in Schürze ohne aufzusehen. „Chrissie kneif mich.“, flüsterte Nina ungläubig und noch immer auf Gackts Rücken starrend. „Lieber nicht, beim letzen Mal fandest du die Idee hinterher nicht mehr so toll.“ Stumm und ebenfalls weiterhin auf Gackt fixiert schlichen sie sich zu den Stühlen und setzten sich. Jetzt konnten sie mehr von ihrem Gastgeber erkennen, seine Schürze war sauber, also musste tatsächlich etwas von einem Koch in ihm stecken. „Ich hoffe, ihr mögt Pancakes. Ich hab sie extra nach Rezept für euch gemacht.“ Die beiden Mädchen warfen sich ungläubige Blicke zu – warum in aller Welt kochte Gackt für sie? Gackt –> Hallo?! Ein Teller schwang in die Mitte des Tisches auf dem fein säuberlich mehrere Schichten mit amerikanischen Eierkuchen aufgestapelt waren. So fasziniert wie sie den Teller anstarrten, sahen sie dann auch auf zu ihrem vermeintlichen Koch. Dieser lächelte etwas verlegen, vor allem aber fand er ihre Gesichter einfach überaus witzig. „Jetzt schaut nicht so. Ihr habt noch was gut bei mir, schließlich ist Belle durch euch wieder da. Als kleines Dankeschön auch für eure Mühe in den letzten Tagen hab ich mir gedacht, dass ich euch schnell etwas zum Essen machen könnte. Etwas, dass auch für einen geschwächten Kreislauf eine gute Sache wäre.“ Er zwinkerte Nina lächelnd zu, sie wand den Blick errötend ab und sah sich nach einem nahegelegenen Loch im Boden um. „Gackt, wenn du so weiter machst erholt sich Nina bald gar nicht mehr von ihren Kreislaufattacken.“ Er lachte, schien aber nicht wirklich zu begreifen, wie Chrissie das gemeint hatte. „Na dann, esst doch bitte und lasst mich wissen, ob es geschmeckt hat. Ich muss mich fertig machen und dann auch los – ihr wisst ja, dass ich euch hier nicht alleine lassen kann…“ „Klar, wir drücken uns dann ein wenig in der Stadt rum und machen uns dann auf zum Konzert… Äh, oh MIST! Bekommen wir denn überhaupt noch Karten dafür?“ Vollkommen erschüttert lies Chrissie ihre aufgespießten Pancakes wieder auf den Haufen zurückfallen. Doch noch bevor ihr Nina entsetzt antworten konnte, übernahm das Gackt für sie. „Da fällt mir wieder ein, dass ich euch doch etwas von Hyde geben soll.“ Er verschwand kurz im Flur, als er wiederkam hatte er die weiße Schütze über seinen rechten Arm gehangen und hielt in der linken Hand einen Zettel. Diesen hielt er der rotblonden Frau hin, die ihn etwas verwirrt annahm und auseinander faltete. „Hyde wusste, dass ihr keine Karten mehr bekommen würdet, also hat er euch eine Art Pass geschrieben, damit ihr trotzdem mit in die Halle kommt. Als VIP-Gäste sozusagen“ Ohne aufzusehen starrte Chrissie auf den Zettel in ihrer Hand, der mit Hydes Unterschrift abgesegnet war. Nina starrte dafür sie verblüfft an. „Ich glaub, das ist zu viel des Guten für diesen Morgen… ich glaub, jetzt macht mir mein Kreislauf zu schaffen.“ Tatsächlich wechselte Chrissies Gesichtsfarbe mehrmals zwischen freudig erregt rot und vor Schreck ganz weiß. Ihre jüngere Freundin klatschte schließlich vor lauter Freude und Begeisterung die Hände vor ihrem Gesicht zusammen und stieß einen Freudenschrei aus. „Kyah! Wie geil ist das denn?! Süße, wir sehen heute Laruku live!!!“ Endlich begannen auch Chrissies himmelblaue Augen zu strahlen. Für einen Augenblick hatten sie Gackt, der ihnen interessiert zuschaute, ganz vergessen. Als er schmunzelnd zu räuspern begann, wurden die zwei Mädchen wieder ganz ruhig und blickten peinlich berührt auf ihre Teller, die immer noch darauf warteten mit Pancakes befüllt zu werden. „Guten Appetit.“, wünschte er ihnen noch und dann verschwand er wieder um sich wie angekündigt fertig zu machen. Die Eierkuchen dufteten und schmeckten auch erwartungsgemäß gut. Die gesamte Zeit in der sie aßen sprachen sie kein Wort, den Freudentaumel und die Quietschanfälle hoben sie sich lieber für einen Zeitpunkt auf, an dem sie nicht gerade in Gegenwart von Gackt oder einem anderen Superstar waren. „Ich wäre dann soweit.“ Gerade wenn man für einen Moment so tun konnte, als ob man nicht in seinen heiligen vier Wänden war, tauchte er wieder auf. Und wie er auftauchte! Eigentlich hatte sich an seinem Äußeren nichts getan, außer das ihn der Duft von Platinum Egoiste umhüllte und er Haare und Make Up noch mal in Form gebracht hatte. „Klar, wir sind fertig. Nur unsere Handtaschen müssen wir noch schnell holen.“, antwortete Nina. Die Stühle scharrten über den Boden als sie aufstanden. Chrissie nahm schon die ersten Stufen hinauf in ihr gemeinsames Zimmer, als Nina die Gelegenheit erkannte Gackt einzuweihen, dass sie ihrer Freundin eine Notlüge aufgetischt hatte um ihre nächtliche Begegnung geheim zu halten. „Ähm, Chrissie bringst du mir meine Tasche vielleicht mit?“ Schon fast oben drehte sich diese fragend um, doch Nina nickte ihr nur zu und hoffte, dass sie jetzt keinen Kommentar oder Widerworte abgeben würde. Tatsächlich sagte Chrissie nichts, aber sie warf ihr einen Blick zu, der sie verstehen lies, dass das noch hinterher besprochen wurde. Schließlich musste Nina ja einen Grund dafür haben unten zu bleiben. Gackt ahnte noch nichts, er wunderte sich nur, dass er jetzt mit der dunkelhaarigen Frau allein zurückgelassen wurde. „Ich muss mit dir kurz etwas versprechen, wenn es dir nichts ausmacht.“ Er, der neben ihr stand, betrachtete sie jetzt ganz genau und hörte ihr zu. Nina musste einen Anflug von Kribbeln im Bauch herunterschlucken. „Enah hat mitbekommen, dass ich letzte Nacht mal nicht im Zimmer gewesen bin, bevor wir Belle gefunden haben. Sie hat mich gefragt was los sei, weil sie bemerkt hat, dass wir uns… na ja, etwas auffällig verhalten.“ Bei ihren letzten Worten konnte sie nicht verhindern, dass ihr Herz schneller schlug, denn auch wenn es um etwas Harmlosen ging, klang es – so wie sie es ausgedrückt hatte – nach etwas Pikanterem. Ihr Gesprächspartner zog die Stirn nachdenklich in Falten, fuhr sich mit einem Finger unter der Nase entlang und prüfte im Augenwinkel noch mal, ob Chrissie auch noch nicht zu sehen war. „Hast du ihr davon erzählt?“ Seine Stimme war ernst, etwas Sorge klang durch sie hindurch, doch sie schüttelte direkt den Kopf und er konnte innerlich aufatmen. „Ich hab dir doch gesagt, wenn es nach mir geht hab ich gestern Abend nichts gesehen, wir hatten keine Diskussion und es gab auch kein kleines Missgeschick.“ Diese Worte kamen ihr leichtfertig und sogar etwas zynisch über die Lippen, darüber zu sprechen und das mit ihm zu tun, erleichterte sie irgendwie. Sie konnte Gackt dabei sogar direkt in die Augen sehen und etwas keck lächeln. Die verklemmte Stimmung war wie weggewischt, ihre offene Art machte auch ihm den Umgang mit ihr direkt wieder leichter. Er sah es an ihrem entspannten Gesichtsausdruck. Er hatte schon geglaubt, sie würde ihn gar nicht mehr ansehen ohne dabei beklommen oder verlegen zu wirken. Ihm ging es genauso. „Schon komisch, es war erst letzte Nacht, aber es kommt mir vor, als wäre es schon viel länger her.“ Sie sprach ihm aus der Seele! Oben klapperte die Tür, Nina beeilte sich und flüsterte ihm schnell zu. „Was ich eigentlich sagen wollte, ich musste ihr eine Notlüge auftischen…“, auf seinen fragenden Blick hin schüttelte sie nur schnell ihren Kopf, „frag nicht, sagen wir einfach, ich hab mich dafür etwas lächerlich machen müssen. Sollte sie also mal eine Anspielung auf Toiletten machen, lach drüber!“ Ehe er ihr verwirrt und perplex etwas antworten konnte, war Nina auch schon einen Meter weiter gehuscht um sich ihre Schuhe anziehen zu gehen. Genau in diesem Moment kam auch Chrissie mit den Taschen die Treppe herunter. „Hab ich was verpasst?“, fragte sie Gackt, der noch etwas überfahren am Fuß der Treppe stand. „Nein… gar nicht. Nina hat mich nur gefragt, ob ich ihr vielleicht sagen kann, wie man von hier aus ohne Auto in die Stadt zur Halle kommt.“ Er schüttelte seine Verwirrung ab und setzte seine coole Fassade auf, damit Chrissie auch ja nicht misstrauisch wurde. „Aber ich hab doch einen Plan dabei?“ Gackt zuckte mit den Schultern, da rief auch schon Nina nach ihrer besten Freundin. „Ich dachte, es kann ja nicht schaden wenn man mal fragt.“ Chrissie lief mit Gackt als Verfolger zur Haustür, May kam hinzu und strich ihnen um die Beine als wollte sie einen dazu überreden doch zu bleiben um sie zu kraulen. „Wo hast du denn Belle wieder gelassen?“, fragte Chrissie, die sich nicht daran erinnern konnte die sonst so präsente Hündin an diesem Morgen schon in irgendeiner Weise bemerkt zu haben. „Sie ist wahrscheinlich oben im Schlafzimmer und schläft auf dem Bett. Sie hat letzte Nacht noch Unmengen Futter verdrückt und war dann so aufgekratzt, dass ich noch ewig nicht zum Schlafen kam.“ Er kramte in einer seiner aufgehängten Jacken herum und zog schließlich aus einer Seitentasche eine Schachtel Zigarillos und ein Feuerzeug. Er schüttelte leicht den Kopf als er an seinen Hund dachte, dann sprach er weiter. „Heute Morgen war ich dann ausgiebig mit ihr draußen, sie wird erschöpft sein und ist deswegen jetzt so ruhig.“ Als er und Chrissie ihre Schuhe angezogen hatten, verließen sie das Haus. Ein leises Aufstöhnen entkam den Mädchen, denn eine Wand aus Hitze tat sich vor ihnen auf. Prall und unbarmherzig brannte die Mittagssonne auf sie hernieder. „Na nur gut, dass ich Sonnencreme und meinen Hut mitgenommen habe.“ Aus ihrer Handtasche zog Chrissie einen weißen, schlichten Sonnenhut. Jetzt erst fiel Nina auf, dass ihre Freundin dieselbe kurze Leinenhose vom Vortag trug und dazu ein rosafarbenes Trägertop mit dünnen Spagettiträgern. Die größere von Beiden wand sich wieder ihrem Lieblingssänger zu. „Darf ich fragen was genau du heute machst?“ Gackt pustete gerade eine blaue Wolke Zigarettendunst aus und obwohl sie diesen Rauch gar nicht vertrug, kam sie nicht drum herum die Art wie er seinen Zigarillo hielt als sehr anmutig und cool zu empfinden. „Abschlussbesprechung mit dem Team, außerdem muss ich mit dem Produktionsteam der Final-DVD reden. Wir werden uns wahrscheinlich auch gemeinsam einiges an Filmmaterial ansehen… es wird ziemlich spät werden ehe ich wieder hier bin, aber da ihr ja auf dem Konzert seid, wird das kein Problem sein. Ich bin pünktlich wieder hier.“ „Wo ist denn hier die nächste Bushaltestelle oder so was in der Art?“, unterbrach die Rothaarige das Gespräch, die gerade dabei war ihren aufgefalteten Plan zu lesen. „Nein, eigentlich weiß ich ja nicht mal, wo wir genau sind! Als du uns Samstag hergefahren hast, haben wir im Auto geschlafen!“, stellte sie fest und sah in die Runde. Der unverschämt gutaussehende Sänger machte nur eine lässige Handbewegung und nahm seinen letzten Zug, er lächelte dabei gönnerhaft. „Tja, was seid ihr auch so leichtgläubig und lasst euch von einem wildfremden Mann im Auto in eine unbekannte Gegend entführen?“, zog er sie verspottend auf. „Ich glaube, jeder Fan von dir würde sich sofort und ohne Nachfrage von dir entführen lassen ohne zu wissen, wohin die Reise geht.“, konterte Chrissie und sah dabei mindestens genauso überheblich aus wie er. Nina kicherte leise im Hintergrund. Entführen klang so, als hätte er sie vor fünf Tagen gezwungen einzusteigen und irgendwo war da ja auch etwas dran, schließlich hatten sie beide darauf bestanden, dass das eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit war und sie wirklich nur mitkommen würden, wenn er nichts dagegen hätte. Na gut, vielleicht war da doch ein wenig falsche Bescheidenheit im Spiel gewesen… Aber wirklich nur wenig! „So, genug der Entführungstheorien! Wie kommen wir von hier denn nun zur Konzerthalle in Kyoto zurück?“ Mit einem ausgelassenen Sprung nach vorne hakte sie sich bei ihrer kleineren Freundin ein und grinste Gackt ins Gesicht. Es war ein tolles Gefühl wieder so ausgelassen mit ihm zu reden! Er machte sich nicht die Mühe sich umzudrehen, sondern deutete mit dem Daumen seiner rechten Hand hinter sich auf das Auto in der Auffahrt, mit dem er sie schon einmal chauffiert hatte. „Ganz einfach, lasst euch einfach noch mal von mir freiwillig entführen.“ Und da war es wieder, dieses süße und umwerfende Lächeln, siegessicher so als könnte keine Frau der Welt nein zu ihm sagen! So wie er da stand konnten sich Chrissie und Nina aber auch nicht im Geringsten vorstellen, dass ihm irgendeine andere Frau auf der Welt einen Korb gegeben hätte! „Na gut, wir haben deine Kochkünste überlebt, also werden wir auch deinen Fahrstil überleben!“, entgegnete Chrissie und lies ihre spitze Bemerkung zum Thema Kochen ganz beiläufig klingen. Der Koch des Tages griff sich in den Nacken und konnte nur wieder amüsiert den Kopf schütteln. Die Ältere lief vor, Nina dicht hinter ihr, doch sie hielt kurz inne, als sie an Gackt vorbei lief. “Nein wirklich, das Essen war lecker und meine Kreislaufprobleme sind auch weg.“ Gackt erwischte sich dabei, wie ihm das schmeichelte und wendete den Blick verlegen lächelnd ab. Nina sah das jedoch nicht, sie war schon weiter zu ihrer Freundin vorgelaufen. Die Autofahrt dauerte gar nicht so lange wie sie zuerst gedacht hatten. An ihrem ersten Abend in Japan kam es ihnen länger vor, aber sie waren da wahrscheinlich vom Jet leg und dem Konzert einfach zu fertig. Gackt fuhr in einer unauffälligen Seitenstraße unweit der Konzerthalle an die Seite und lies die beiden jungen Frauen aussteigen. „Ähm, ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber wie kommen wir nachher wieder zurück?“, fragte Chrissie ehe sie die Autotür zuwarf. „Das kläre ich noch mit Hyde, macht euch darum mal keine Gedanken. Im Zweifelsfall wartet ihr einfach wieder vor die Halle, irgendjemand wird euch bestimmt mitnehmen.“, scherzte er und die Mädchen stimmten mit ein in sein Lachen. „Ach, bevor ich es vergesse… Könnt ihr mir eure Handynummern geben? Sollte doch etwas sein, erreiche ich euch wenigstens.“ Sie tauschten kurze, aufgeregte Blicke, zückten dann aber hektisch ihre Handys. Gackt tat es ihnen gleich und speicherte anschließend beide Nummern ein. „Tut mir leid, meine Nummer kann ich euch natürlich nicht geben und sie wird auch unterdrückt angezeigt werden, wenn ich euch kontaktieren sollte.“ „Natürlich ist uns das klar! Wir könnten ja zwei Verrückte sein, die deine Nummer mal eben ins Netzt stellen…“, entgegnete Nina und klappte belustigt von der Vorstellung ihr Handy wieder zu. „Wir sehen uns!“, sagte er zum Abschied und machte mit zwei Fingern seine typische Abschiedsgeste, seine beiden Fans machten es ihm nach und dann fuhr er auch schon los. Kaum das er außer Sichtweite war, fiel Nina Chrissie kreischend um den Hals. „Wa~iii!!! Das ist alles so toll! Wir sind hier, in Japan, wir haben Gackt gesehen… wir WOHNEN bei ihm!“ Umgeknuddelt und halb erstickend stimmte ihre Freundin in den Freudenanfall mit ein. „Und wir haben Haido getroffen! Wir haben ihn fast halbnackt mit Gackt rumzicken gesehen! Wir haben uns mit ihnen unterhalten und jetzt sehen wir ihn gleich mit Laruku in Aktion!!! Nya~“ Das musste raus, so normal der Umgang mit ihren Idolen inzwischen auch geworden war, sie waren einfach völlig von ihrem Glück überwältigt, von den vielen Ereignissen geflasht und kamen aus dem Schwärmen einfach nicht mehr heraus! Es kribbelte überall vor Aufregung, dieses überwältigende Gefühl lauerte immerzu auf sie, wenn sie allein und unter sich waren und Zeit fanden sich darüber klar zu werden, was da eigentlich Unglaubliches mit ihnen passierte. Würde das auch irgendwann einmal nachlassen? „Ach Nina, ich bin so happy, ich blieb am besten gleich ganz hier in Japan.“ Ein seeliges Grinsen lag auf dem schmalen, blasshäutigen Gesicht, ihre Augen starrten ins Leere. Nina versetzte es einen kleinen Stich. „Das wäre schön… aber wir sollten überglücklich mit dem sein, was wir jetzt haben. Selbst wenn wir hierblieben könnten, wir dürften und könnten ja auf keinen Fall ewig bei Gackt wohnen bleiben.“ Chrissie verdrehte die Augen. „Meine Güte bist du ein Spielverderber! Lass uns doch wenigstens davon träumen! Was ist schon dabei sich das vorzustellen?“ „Ganz einfach, wir gehören hier nicht her… wir haben unser Leben in Deutschland und das ist weit, weit weg… und ich will nicht in knapp einer Woche am Flughafen stehen und heulen weil ich das Gefühl habe, ich hätte etwas verloren…“ Das Herz der Älteren zog sich bei den Worten ihrer Freundin zusammen, sie versuchte sich vorzustellen wie es werden würde, wenn der Abschied von diesem faszinierenden Land kam und sie auch ihren Lieblingsstars Lebewohl sagen mussten. Energisch schüttelte sie diesen gemeinen Gedanken ab uns sah ihrem betrübten Gegenüber streng in die Augen. „Ich will aber nicht an die Zukunft denken, auch nicht, wenn sie uns schon in acht Tagen einholt! Wir sind JETZT hier und ich würde es bereuen, wenn ich mich mit meinen Träumen und Gedanken zurückhalten würde und mir Dinge entgehen lasse, die ich niemals nachholen kann.“ Nina dachte über diese Worte nach und wusste genau was Chrissie damit meinte – sie selbst spürte ja, dass es ihr kaum bis gar nicht gelang ihre Begeisterung in Zaum zu halten. Im Gegensatz zu ihrer grad so positiv gestimmten Freundin wusste sie aber wie es sich anfühlte, wenn man von etwas loslassen musste, dass einem sehr ans Herz gewachsen war. „Gut, wenn du meinst… aber versprich mir mal was, lass uns einen Pakt schließen!“ „Hä? Einen Pakt?“ Nina griff nach den Händen Chrissies und umschloss sie fest. „Ja, Pakt! Alles ist erlaubt, Spaß haben, ausgelassen sein und rumschwärmen.“ „Aber?“ „Es darf nicht über Sympathie und Freundschaft hinausgehen!“ STILLE „Wie jetzt? Zwischen uns beiden, oder was?!“, hinterfragte Chirssie gespielt geschockt. Nina traf ein imaginärer Amboss. „NEIN du Dummchen! Ich meinte von uns aus den beiden Kerlen gegenüber darf sich auf keinen Fall mehr entwickeln als das, was wir jetzt haben!“ Ein Klapps auf den Hinterkopf traf die Größere unsanft. „Na hör mal Nina! Erstens sind die beiden plus/minus fünfzehn Jahre älter als wir, zweitens ist Hyde ein verheirateter Familienvater und drittens ist das eigentlich das Dämlichste und Unvernünftigste, was uns passieren könnte!“, wehrte sich Chrissie und sie klang so, als wäre sie von ihrer Standfestigkeit bis in die Grundtiefen überzeugt. „Dann ist ja gut. Ich mein ja nur… manchmal ist es passiert bevor man es gemerkt hat.“ Sie zog ihre Hände wieder ein, atmete einmal tief ein und aus und dann konnte sie auch wieder über sich selbst schmunzeln. Ja, sie war tatsächlich albern. „So, wir sollten uns jetzt langsam mal überlegen, was wir jetzt machen wollen ehe der Einlass beginnt. Wir haben noch massig Zeit und ich habe nicht vor die hier draußen in der Hitze zu verbringen!“ Sie liefen ein wenig herum und schauten, wo sie genau waren. Schon am Ende der Seitenstraßen konnten sie den U-Bahnhof sehen, unweit von der Halle in der sie schon Gackt zugejubelt hatten. Das große Plakat war gegen eines von L’Arc~en~Ciel getauscht worden. Chrissie zückte ihre Digitalkamera und machte ein Foto davon, von Nina lies sie eines machen, auf dem sie sogar mit im Bild war. „Was hältst du davon, wenn wir ein wenig bummeln gehen würden? Einfach mal gucken was es so für Geschäfte hier gibt und vielleicht mal ein paar Klamotten anprobieren?“ „Aber wir haben doch gar kein Geld für so was!“ „Nina, das weiß ich auch! Aber wir haben die Kamera, also warum nicht ein paar Bilder davon machen? Vielleicht inspiriert dich das ja künstlerisch ein wenig? Zeichnerisch eventuell?“, sagte sie zwinkernd. „Glaub mir, ich bin genug inspiriert für die nächsten Monate, wenn nicht gar Jahre… daheim werde ich erstmal anfangen alles aufzuschreiben, was wir hier erlebt haben. Das wird eine Menge Arbeit, aber ich will etwas haben, dass uns immer wieder ganz genau in Erinnerung rufen kann, was alles passiert ist.“ „Sehr gute Idee, so, jetzt komm! Ich will bummeln!“ Gemeinsam und frohen Mutes machten sie sich auf die Suche nach so etwas wie einer Einkaufspassage. Da die Konzerthalle hier stand würde ein Shopping-Center, wo man derlei Bedürfnisse befriedigen konnte, wohl nicht weit sein. Gegenüber der Querstraße an der die Halle stand, verlief parallel zur U-Bahn eine gut befüllte Hauptstraße, auf der sie es zuerst versuchen wollten. Überall um sie herum waren natürlich Japaner in Massen wohin man auch sah, aber wo so viele auf ein Mal waren, musste es etwas zum Shoppen geben! Sie folgten dem menschlichen Strom nicht lange, bis sie schließlich an einer Abzweigung der Hauptstraße ein großes Einkaufcenter entdecken, dessen Werbeschilder kaufwütigen Frauen Großes versprachen. „Ich denke, hier sind wir richtig!“, stellte Nina freudig fest und drängte sich durch die Leute hindurch, die bereits mit prall gefüllten Einkaufstüten aus dem Gebäude durch die Drehtüren hindurch strömten. In dem Center waren die verschiedenen Etagen als eine Galerie aufgebaut, man konnte also bis nach oben, bzw. nach unten sehen, wenn man an den Geschäften vorbei lief. Chrissie hielt ihre rechte Hand über die Augen. „Oh ja, das ist hoch…“ Sie sah hinauf bis zur gläsernen Kuppel, durch die das Sonnenlicht strahlte wie ein überdimensionaler Kronleuchter. „Zum Glück gibt es hier drin eine Klimaanlage.“, fügte sie noch hinzu. „Ok, und wo möchtest du gerne anfangen?“ „Was für eine Frage! Wir gucken uns einfach erstmal alles von außen an und wenn uns ein Laden näher interessiert gehen wir rein.“ Und schon packte sie ihre größere Begleiterin am Handgelenk und zog sie hinter sich her zu den ersten Schaufenstern. Es stellte sich schnell für die beiden deutschen Touristinnen heraus, dass sie praktisch an keinem Laden vorbei gehen konnten, in dem es typisch japanische Mode gab! Schmachtend, quiekend und staunend sprangen sie vor den bunten Schaufenstern herum, gingen in die Läden und suchten sich selber ein paar Outfits zusammen. Etwas ernüchternd war die Tatsache, dass einige Läden Größen führten, die sich mit den deutschen nicht unbedingt 1 zu 1 deckten. Ehe sie ihre ausgesuchten Kleidungsstücke auch in der passenden Größe gefunden hatten, war viel Zeit vergangen oder sie waren vorher schon 3x mal und öfter verbittert wieder aus einer zu kleinen Größe ausgestiegen. „Ey… ich bin schon weder groß noch breit, trotzdem vergreif ich mich immer wieder in der Größe! Was haben die Japanerinnen nur für einen Körperbau?!“, meckerte Chrissie, die schon zum unzähligsten Male einen Stapel Kleidung zurückhängte, weil ihr das Meiste zu klein war. „Frag mich mal… ich hab fast das Gefühl, dass kein Modedesigner Japans mit meiner Hüfte und meinen Beinen gerechnet hat… in Deutschland hab ich wenigstens so was wie Hosengröße 38 mit ein bisschen Stretch, aber hier ist es wahrscheinlich so was wie XXL…“ Betrübt und mit angeknackstem Selbstwertgefühl hing auch sie ein paar Hosen zurück, die zwar superklasse aussahen, aber nach eigener Aussage wohl an ihren weiblichen Formen gescheitert waren. „Nur XXL? Nicht vielleicht doch XXXL?“, zog sie ihre freche Begleiterin auf. „Mach nur weiter so, dieser Laden hier hat sowieso schon geschafft, dass ich mich wie ein Wahlross fühle…“ „Na jetzt übertreib mal nicht, wir suchen uns einfach einen anderen Laden. Der hier ist vielleicht einfach für Striche in der Landschaft gemacht. So wie bei uns Pimkie oder Orsay, da hat man auch Schwierigkeiten Größen über 0 und XS zu finden.“ Recht hatte sie! Sie beide waren weit davon entfernt dick oder pummelig zu sein, also gingen sie schon wieder etwas heiterer einfach wieder zum Schaufensterbummel über. Nach einer weiteren dreiviertel Stunde bekamen sie langsam ernsthaften Hunger und machten an einem Imbiss Halt, an dem man sich Okonomiyaki bestellen konnte. Gespannt sahen sie zu, wie der Koch mit gekonnten Handgriffen den klebrigen Weißkohlteig auf der großflächigen Teflonplatte verarbeitete und wie nach und nach durch ihre ausgesuchten Beläge daraus japanische Pizzen wurden. Für sie war klar, dass die Okonomiyaki mit Pizza eigentlich gar nichts gemeinsam hatte… aber ihr Essen schmeckte ihnen und sie waren froh in ihrem Urlaub endlich mal wieder etwas Normales zu tun. So wie sie es getan hätten, wenn sie nicht durch Gotteshand bei Gackt gelandet wären. „Gug ma, da isch ’n Lad’n, de schiet gud us!“, nuschelte Nina mit vollem Mund, während sie beide auf einer Bank in der Mitte der Galerie saßen um in Ruhe zu essen. „Beiß noch mal ab, Nina. Dann versteht ich dich bei dem Gewusel hier noch ein bisschen schlechter.“ Angestrengt kaute die Dunkelhaarige ihren großen Bissen hinunter. „Schau, da oben im ersten Obergeschoss, da ist so eine helle Leuchtreklame, dass sieht aus wie ein C&A! Lass uns doch einfach mal nach oben gehen und da ein bisschen rumgucken!“ Chrissie folgte Ninas ausgestrecktem Finger und konnte so halb über die Brüstung schauen und erahnen, was sie als ein C&A erkennen zu glaubte. „Na dann komm.“, antwortete sie schließlich und schwang sich mit ihrer Tasche von der Bank hoch. Mit dem (natürlich überfüllten) Lift ging es für sie eine Etage höher. Sie warfen einen Blick über die übersichtliche Galerie und tatsächlich hatte sich Nina nicht geirrt! Da war ein C&A so wie sie es aus Deutschland kannten und es erstreckte sich sogar noch bis in das 2. Obergeschoss. „Na wenn wir da keine Klamotten in unseren Größen bekommen, mach ich ab morgen eine Nulldiät.“ „Das kannst du vergessen! Du bist eh schon so zierlich, da muss du nicht noch mehr abnehmen!“, mahnte sie Nina, die bestätigend Chrissies schmale Figur musterte und dabei ernst nickte. Mit den Augen rollend ging die Schmalere von ihnen einfach schon mal voran. Wie erhofft war das Sortiment in dem Laden vom Stil her der Nation angepasst und so kamen sie doch noch in den Genuss in vielfältige, ausgefallene Sachen zu schlüpfen und sich dann in diversen Posen gegenseitig zu fotografieren. Das C&A führte Oberteile und Hosen in den verschiedensten Schnitten, in den grellsten Farben und mit den unterschiedlichsten Mustern – mutig testeten Chrissie und Nina von allem etwas durch, von auffällig bis schlicht. Auch Hosen und Röcke gab es in Hülle und Fülle, passend dazu Strumpfhosen in ausgeflippten Musterungen und sogar Schuhe, die mit Sohlen oder Hacken aufwarteten, dass man dafür einen Waffenschein brauchte! Obwohl sich beide Mädchen in den bunten, extravaganten Outfits recht gut gefielen und lachend ihre Fotos schossen, waren ihre Lieblingskleidungsstücke die Schlichten, in ruhigen Farben und klassischen Schnitten. Darunter waren Oberteile, die aussahen wie eine Kombination aus Yukata oder Kimono und Tunika. Breiter Brokat mit typisch asiatischem Muster wie große Blumen, Kirschblüten und Schriftzeichen war als Gürtel und auch oft als Saum verarbeitet worden. Dazu gab es schöne Röcke, die meistens Asymmetrisch geschnitten waren und mit Farbkontrasten wie schwarz/rot und raffinierten, versteckten Highlights Eindruck machten. Nur schweren Herzens hingen sie diese schönen Sachen wieder zurück, aber wer auf ein L’Arc~en~Ciel Konzert wollte musste eben sparsam sein! „Wollen wir mal gucken gehen, was im oberen Bereich so zu finden ist? Vielleicht mal aus purem Interesse schauen, was in Japan so für Unterwäsche modern ist?“ „Wieso? Hast du vor damit jemanden zu verführen?“ Obwohl kein Hintergedanke in Ninas Frage gewesen war, wurde sie prompt etwas rot um die Nasenspitze, als Chrissie sie mit ihrem typisch bohrendem Blick und dem schelmischen Grinsen ansah. „Kannst du nicht einfach mal dein kleines, krankes und zweideutig denkendes Gehirn abschalten? Ich wollte doch nur gucken!“ „Ich weiß gar nicht, was du hast, dass du dich so künstlich aufregst, ich hab dir doch gar nichts unterstellt, sondern dich nur was gefragt.“, gab sie belustigt und unschuldig guckend zurück. „Oh Chrissie… der Tag wird einst kommen und meine Rache wird furchtbar sein!“, drohte ihr Nina mit einer hochgehaltenen Faust. Amüsiert nahmen sie beide die Rolltreppe nach oben und steuerten zielsicher die Unterwäscheabteilung an. „Schau mal Ninchen, die haben hier auch ganz hübsche Nachthemden… hast du nicht gesagt, dein Pyjama wäre dir zu hässlich?“, rief sie ihre Freundin herbei. „Hast du mich grad Ninchen genannt?“, fragte diese leicht empört, betrachtete aber dann auch die schönen Stücke, deren Stoff Chrissie gerade prüfend befühlte. „Schau mal, die sind auch gar nicht so teuer. Willst du nicht mal ein paar davon anprobieren?“, überging sie einfach Ninas Einwurf. Diese warf ihr einen skeptischen Blick zu und hob eine Augenbraue an. Mit verschränkten Armen stand sie vor der schönen Ware. „Na sicher… ich werd’ mir jetzt hier ein Negligee kaufen, damit Gackt – wenn wir mal wieder eine nächtliche Begegnung haben – auch was zu gucken hat.“ Chrissie lachte laut. Sie stellte sich gerade bildlich vor, wie Nina ganz locker in einem zarten Negligee an Gackt vorbeispazierte und dieser für diesen Moment wohl das Atmen vergessen würde. „Ich glaube, du würdest dich das gar nicht trauen!“, lachte sie noch weiter. „Und damit hast du auch nicht unrecht. Ich kauf mir also keines! Du kannst ja gerne mal nach einem für dich selber Ausschau halten, ich geh mir jetzt die Unterwäsche angucken, die ist ja gleich hier daneben.“ „Ja, mach das… ich stell mir in der Zeit noch ein paar witzige Szenen vor…“ Sie wischte sich die Lachtränen aus den Augen und warf ihrer aufgezogenen Freundin einen suchenden Blick nach, damit sie wusste, wo sie sie fand. Während Nina also bei den Dessous schmökerte, widmete sie sich noch ein wenig den Nachthemden und überlegte auch für einen Moment, ob sie nicht mal wenigstens zum Spaß eines anprobieren sollte. Da bemerkte sie wenige Reihen weiter ein angeregtes Gespräch im schnellen Englisch. »Wer hat denn da so eine komische Aussprache?« Sie sah zu ihrer linken Seite zwei Reihen weiter eine Gruppe aus vier Leuten stehen. Eindeutig zwei westlich aussehende, junge Frauen und zwei Japaner. Chrissie konnte nicht genau hören, worum es ging, aber an der Körpersprache erkannte sie, dass die beiden Blondinen nicht das geringste Interesse daran hatten mit den beiden Männern zu reden. Diese gaben sich offensichtlich alle Mühe bei den Mädels zu landen. »Komische Gestalten…« Sie betrachtete die beiden Japaner genauer, beide waren nicht viel größer als sie selbst und sie waren definitiv kleiner als die beiden mutmaßlichen Amerikanerinnen. Sie waren ziemlich schlaksig gebaut, ihre Gesichter waren kantig, wirkten durch einige Bartstoppeln ein wenig ungepflegt und auch sonst mangelte es ihnen eindeutig an ansehnlichen Eigenschaften. Grade wollte sich Chrissie wieder den Kleidungsstücken widmen, als es sie wie ein Schlag traf und sie noch mal schockiert zu der Vierergruppe starrte. Von der schienen sich die beiden Frauen gerade genervt zu trennen. »Oh. Mein. Gott.« Mit großem Entsetzen musste sie feststellen, dass sie diese beiden Fratzen schon einmal gesehen hatte. Es waren die zwielichtigen Männer, die sie an ihrem 1. Tag in Japan getroffen und zum Glück auch wieder abgeschüttelt hatten. »Und zwar hier! Sie waren uns ja bis in die U-Bahn gefolgt! Vielleicht wohnen die hier in der Nähe!« In Gedanken schlug sie sich die Hand vor den Kopf, doch in der Realität war dafür keine Zeit. Sie duckte sich schnell weg als die abservierten Typen sich in ihre Richtung umdrehten. »Scheiße! So viel Glück haben auch nur wir, dass wir die ausgerechnet hier antreffen!« Abgetaucht hinter den Kleiderständern suchte sie nun fiebrig nach Nina, die hoffentlich noch immer in der hintersten Ecke des Ladens bei der Unterwäsche stand, die von hier aus nur wenige Reihen weit weg war. Einer Eingebung folgend sah Nina genau in diesem Moment von den hübsch aufgereihten Dessous auf und in die Richtung, in der eigentlich ihre Freundin hätte stehen müssen. Noch bevor sie suchend nach ihr rufen konnte, zog sie etwas hart an ihrem Arm in die Hocke. „Chrissie! Mensch hab ich mich erschreckt, was soll denn das?!“, beschwerte sie sich lautstark und rieb sich das geschundene Handgelenk. „PSSST!“ Aufgeschreckt verstummte Nina sofort. „Was ist denn?“, flüsterte sie leise und eingeschüchtert. „Die Kerle vom Flughafen, diese Heinis, die uns fast entführt hätten… die sind hier!“ „Hier?!“ „PSSSSSST!!!“ Chrissie traute sich einen flüchtigen Blick über die Reihen zu werfen, zu ihrem Unglück waren die beiden Japaner einige Reihen vorgerückt und schienen nach etwas oder jemanden Ausschau zu halten. „Mist verdammter! Hoffentlich haben die mich nicht doch gesehen, als ich bei den Nachthemden stand… wir müssen ganz schnell hier raus Nina!“ Vor Aufregung wurde ihnen ganz schlecht, sie begannen zu zittern und suchten fieberhaft nach dem besten Fluchtweg. „Chrissie, wenn wir es schaffen den Gang hier geradeaus zu durchqueren, könnten wir raus auf die Galerie und dann dort den Fahrstuhl nehmen um rauszukommen.“ „So weit war ich auch schon, über die Rolltreppe zu türmen wäre zu riskant, die ist zu nah an denen dran, dazu zu überfüllt und langsam…“ Sie bückte sich und suchte zwischen den Kleiderständern nach den Fußpaaren der ungeliebten Bekanntschaft. „Geh gebückt los, jetzt!“ Sie gab Nina einen bestimmten Stoß und schon schnellten sie so leise und unauffällig es ging durch den Gang. Bei größeren Lücken rannten sie das Stück ohne sich umzusehen, ob sie inzwischen entdeckt worden waren. Die anderen Kunden bei C&A warfen ihnen schon verwunderte und abfällige Blicke zu, aber das war ihnen gerade egal. Der Gang endete ca. 5 m vor dem Ausgang, dort standen nur Podeste mit Schaufensterpuppen, also rannten sie schlagartig los, um die Ecke und den Gang zum nächstgelegenen Fahrstuhl hinunter. Es war rappelvoll vor dem Lift, doch die Angst eventuell entdeckt worden zu sein stand ihnen eiskalt im Rücken, also drängten sie sich bei der nächsten Türöffnung rücksichtslos mit hinein und kaum unten angekommen auch wieder heraus. Ein unglaublicher Strom von Leuten nahm sie einfach mit sich mit, da blieb ihnen einfach gar keine andere Wahl und ehe sich Nina umdrehen konnte stand sie auch schon draußen vor dem Einkaufscenter. „So, schnell, wohin jetzt?“, fragte Nina und wollte gerade ihr Handy zücken um die Uhrzeit zu überprüfen. „Chris…? Chrissie?!“ Verdutzt, verunsichert und auch ein Stück weit besorgt drehte sich Nina im Kreis und suchte über den Köpfen der Japaner um sie herum nach ihrer kleinen Freundin. »Wo ist sie denn hin?« „CHRISSIE!“, brüllte sie ungeachtet der Fremden um sie herum in die Menge, doch sie bekam keine Antwort und es tauchte auch nirgendwo auch nur ein Strähnchen roter Haare auf. Sie strich sich gestresst ihren zerzausten Pony von der schweißnassen Stirn mit beiden Händen nach hinten über den Kopf. »Wenn ich genau hier stehen bleibe, laufe ich bei meinem Glück wahrscheinlich noch in die beiden Typen rein… aber ich muss Chrissie finden!« Bei dem Gedanken an eine ausgedehnte Suche und das auch noch hier in Japan, wo sie sich gar nicht auskannte und jetzt noch nicht mal einen Plan dabei hatte, weil den natürlich ihre vermisste Freundin in der Tasche hatte, wurde ihr ganz anders. Das Einzige was sie noch im Kopf hatte war der Weg zurück zur Halle, aber was, wenn Chrissie noch drinnen im Center war und nach ihr suchte? Da fiel ihr wieder ein, dass sie ihr Handy dabei hatte und probierte umgehend einen Anruf. „Was?! Mailbox? Ist dein Akku alle?! Zum Henker noch mal!“, schimpfte Nina besorgt vor sich her und beschloss erst einmal ein paar mal vor dem Center hin und her zu laufen, immer auf der Hut niemanden zu finden, den sie nicht finden wollte. Nach zehn Minuten wurde sie langsam noch unruhiger, immer wieder versuchte sie mit dem Handy durchzukommen, doch es blieb dabei, dass die Mailbox sich meldete, die Hoffnung darauf, dass es nur ein vorübergehendes Funkloch war, war dahin. Auch Passanten die an ihr vorbeikamen konnten ihr nicht helfen, einige hörten zwar zuerst interessiert zu, andere hingegen winkten ab ehe sie wussten, worum es ging. „Anou~… Can we help you?“ Nina fuhr fahrig herum, vor ihr, nur einen Kopf tiefer, stand eine junge Japanerin. Sie hatte eine rundliche Figur, aber ein sehr nettes Gesicht aus dem heraus sie Nina offen anlächelte. Hinter ihr stand ein großer, kräftiger Japaner von ebenfalls eher runder Statur, er erinnerte sie etwas an Buddha, weil er genauso selig dreinblickte wie diese Staturen. Neben ihm stand dann noch ein sehr zierliches Mädchen mit fransigem Kurzhaarschnitt, sie musste etwa gleichgroß wie sie sein. Alle drei sahen sie lächelnd, aber etwas besorgt an. „Ah… ich kann eure Sprache verstehen, danke! Ich habe meine Freundin hier in diesem Getümmel verloren als wir vor zwei komischen Typen abgehauen sind. Sie ist etwas kleiner als ich, hat ganz helle Haut, blaue Augen und rotblonde Haare. Sie hat eventuell einen weißen Sonnenhut an, ein kurze helle Hose und ein rosafarbenes Top. Habt ihr sie vielleicht gesehen?“ Die 3er-Clique sah sich an, doch dann schüttelten sie die Köpfe. Fast schienen sie sich ein wenig dafür zu schämen, dass sie der fremden Deutschen nicht helfen konnten. Betrübt ließ Nina den Kopf hängen, sie hatte gehofft, dass die Drei Chrissie vielleicht gesehen hatten, da sie sie von alleine angesprochen hatten. „Vielleicht können wir dir ja helfen nach ihr zu suchen?“, bot wieder die Stimme der rundlichen Japanerin. Sie waren alle wohl etwas jünger als Nina, vielleicht noch High School? Sie hatte zwar gerade keinen Blick um auf Details zu achten, doch ihr entging nicht, dass die beiden Mädchen aus der Gruppe sehr flippig gekleidet waren. Sie sahen aus wie man sich ausgelassene J-Rock Fans vorstellte. Der junge Mann, der etwa ihr Alter haben musste, hatte im Kontrast dazu eine Shorts an und ein Polo-Hemd. „Wenn ihr mir helfen würdet, wäre das wirklich sehr, sehr nett!“ Die andere Japanerin mit dem Kurzhaarschnitt machte das Peace-Zeichen und grinste dabei breit und aufgedreht. „Ich heiße Yôki! Und das sind Mamoru-kun und Itoe-chan.“ „Äh, mein Name ist Annina…“ „Freut uns, deine Bekanntschaft zu machen, Annina-san!“, antwortete wieder die Kleinere, die als Itoe vorgestellt wurde. „Wie genau hast du jetzt noch mal deine Freundin verloren?“, fragte Mamoru, der erstaunlicher Weise trotz seines lieben Aussehens eine ziemlich tiefe Stimme hatte. „Wir sind hier vor ein paar Tagen von zwei Männern angemacht worden, die haben uns ziemlich bedrängt, aber wir konnten ihnen entwischen… und nun haben wir sie hier beim Bummel wieder getroffen und uns bei der Flucht aus den Augen verloren. Wir müssen im Gedrängel auseinander geraten sein…“ Yôki machte eine Kampfpose und ein angriffslustiges Gesicht. „Keine Sorge Annina-san! Wir werden deine Freundin schon finden und diesen fiesen Typen so richtig den Hintern versohlen!“ Nina fiel die Kinnlade runter vor so viel Enthusiasmus, Tennie-Japaner waren wirklich ziemlich verrückt! „Yosh! Mein Freund…“, Itoe deutete dabei auf den stämmigen Mamoru. „…und ich hassen solche Kerle! Aber keine Sorge, erst letztens in der U-Bahn als mich einer begrabschen wollte hat mich mein Schatz ganz heldenhaft verteidigt! Der Typ begrapscht keine mehr!“ Nina war ganz überrannt, wenn sie nicht so viel Sorge um Chrissie gehabt hätte, hätte sie bestimmt gelacht. „Hattet ihr einen Treffpunkt, zu dem sie vielleicht zurückgegangen sein könnte?“, fragte Yôki. Nina fiel nur die Konzerthalle ein. „Na ja, wir wollten auf das L’Arc~en~Ciel Konzert das hier in der Nähe…“ „LARUKU?! KYAAA~A!!!“, kreischten ihr die beiden Mädchen ganz unvermittelt ins Ohr und hüpften dabei aufgekratzt auf der Stelle. „Da gehen wir heute auch hin!“, quietschte Itoe weiter und zeigte auf Ihre schlapprige Handtasche, auf der lauter Buttons und Bildchen von den Laruku-Members angebracht waren. Lauter imaginäre Tropfen rollten Ninas Stirn hinunter und sie hätte schwören können, dass ein Mundwinkel angespannt zuckte. Es war toll auf noch flippigere, japanische Gleichgesinnte zu treffen, aber Nina stand so langsam auch der Zeitdruck im Nacken. „Ich begleite meine Freundin und Yôki-chan gerade zum Konzert, vielleicht sollten wir den Weg jetzt absuchen und nach ihr fragen? Vielleicht ist sie ja dorthin unterwegs, in einer Stunde ist Einlass.“ Mamoru schien völlig kalt gelassen von den Freudensprüngen seiner Begleiterinnen, lächelte aber immerzu geradezu überfreundlich. „Ja… das ist wahrscheinlich das Beste, was wir jetzt machen können.“ „Dieser Mistakku!“, fluchte Chrissie leise vor sich hin. Einen Grund zu fluchen gab es eigentlich nicht, denn sie selbst hatte seit der Abreise nicht ein Mal das Netzteil benutzt, weil ihre Umstände das ja gar nicht zugelassen hatten. Auf dem Weg zur Halle hatte sie sich nichts dabei gedacht, dass der Akku schwach war, denn Nina war ja dabei. »Prima, warum mussten wir uns ausgerechnet jetzt im Getümmel verlieren?« Chrissie hatte den Anschluss zu Nina schon verloren, bevor diese überhaupt gemerkt hatte, dass sie fehlte. Draußen hatte sie Nina nicht gesehen und aus Furcht vor den zwei potenziellen Verfolgern tat sie das, was für sie am Logischsten war -> zur Konzerthalle gehen und dort auf Nina warten. Den Weg dorthin würde die Orientierungslose ja hoffentlich auch ohne den Plan finden, sie musste schließlich nur die Hauptstraße wieder hinunter laufen… „Wehe du findest mich nicht!“, murmelte sie vor sich hin. Sie fühlte sich unwohl so alleine, zwar war sie schon fast an der Querstraße zur Halle, aber sie machte sich auch Sorgen, dass Nina möglicher Weise in Schwierigkeiten steckte. Dafür hatte sie ja Talent… Chrissie kam endlich an der Ampel an, von der sie schon sehr genau die lange Schlange und die Theaterkasse sehen konnte. Gerade als die Ampel auf blau schaltete und sie die Straße überqueren wollte, packte sie jemand an der Schulter und sie wirbelte herum. „Hey Babe, nice to see you once again”, sagte eine erfreute, süffisant klingende Stimme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)